Language of document : ECLI:EU:T:2013:372

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

11. Juli 2013(*)

„Gemeinschaftsmarke – Nichtigkeitsverfahren – Gemeinschaftswortmarke GRUPPO SALINI – Bösgläubigkeit – Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑321/10

SA.PAR. Srl mit Sitz in Rom (Italien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. Masetti Zannini de Concina, M. Bussoletti und G. Petrocchi,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch G. Mannucci und P. Bullock als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM und Streithelferin vor dem Gericht:

Salini Costruttori SpA mit Sitz in Rom, Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen C. Bellomunno und S. Troilo,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des HABM vom 21. April 2010 (Sache R 219/2009‑1) in einem Nichtigkeitsverfahren zwischen der Salini Costruttori SpA und der SA.PAR. Srl

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen sowie der Richter S. Soldevila Fragoso und G. Berardis (Berichterstatter),

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund der am 4. August 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 18. November 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des HABM,

aufgrund der am 15. November 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

auf die mündliche Verhandlung vom 19. April 2013

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 12. Mai 2004 meldete die Klägerin, die SA.PAR. Srl, beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen GRUPPO SALINI.

3        Die Marke wurde für folgende Dienstleistungen der Klassen 36, 37 und 42 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 36: „Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen“;

–        Klasse 37: „Bauten (Hochbau); Reparaturwesen; Installationsarbeiten“;

–        Klasse 42: „Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; Analysen und industrielle Forschung; Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und ‑software; Rechtsberatung und ‑vertretung“.

4        Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 7/2005 vom 14. Februar 2005 veröffentlicht. Die Marke wurde am 12. September 2005 unter der Nr. 3831161 eingetragen.

5        Am 5. Oktober 2007 reichte die Streithelferin, die Salini Costruttori SpA, beim HABM einen Antrag auf Nichtigerklärung der fraglichen Marke für alle Dienstleistungen ein, für die sie angemeldet worden war. Der Antrag wurde auf folgende Nichtigkeitsgründe gestützt: erstens auf Art. 51 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009), zweitens auf Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 53 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009) in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009) und drittens auf Art. 52 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 53 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009) in Verbindung mit Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009). Die Streithelferin stützte ihren Antrag auf das Zeichen SALINI, das in Italien benutzt wird und als Kennzeichnung für die Dienstleistungen „Immobilienwesen; Bauten (Hochbau); Reparaturwesen; Installationsarbeiten; Designerleistungen“ notorisch bekannt ist.

6        Am 17. Dezember 2008 wies die Nichtigkeitsabteilung den Antrag auf Nichtigerklärung in vollem Umfang zurück. Insbesondere vertrat die Nichtigkeitsabteilung, soweit der Antrag auf Art. 52 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 4 dieser Verordnung gestützt war, die Auffassung, dass die von der Streithelferin vorgelegten Unterlagen für den Nachweis einer „früheren Benutzung“ des Wortzeichens SALINI nicht ausreichten. Soweit der Antrag auf Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung gestützt war, stellte die Nichtigkeitsabteilung fest, dass die Streithelferin für diesen Nichtigkeitsgrund dieselben Unterlagen vorgelegt habe wie für den vorhergehenden, und kam zu dem Ergebnis, dass das Zeichen der Streithelferin nicht den Mindestgrad für eine Anerkennung als Marke erreicht habe. Soweit schließlich der Antrag auf Art. 51 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung gestützt war, stellte die Nichtigkeitsabteilung im Wesentlichen fest, dass die Streithelferin den Nachweis der Bösgläubigkeit der Klägerin nicht habe erbringen können.

7        Am 9. Februar 2009 legte die Streithelferin gemäß den Art. 57 bis 62 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009) gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung Beschwerde beim HABM ein.

8        Mit Entscheidung vom 21. April 2010 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) gab die Erste Beschwerdekammer des HABM der Beschwerde statt, hob die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung auf und erklärte die fragliche Gemeinschaftsmarke für nichtig.

9        Die Beschwerdekammer war erstens der Ansicht, dass die Nichtigkeitsabteilung angesichts der Tatsache, dass es sich im vorliegenden Fall um unternehmerische Tätigkeiten handele, die in der Durchführung großer Bauvorhaben bestünden, zu Unrecht angenommen habe, dass die von der Streithelferin vorgelegten Nachweise für eine Benutzung, die dem Zeichen SALINI in Italien zu allgemeiner Bekanntheit verholfen habe, unzureichend gewesen seien. Die maßgeblichen Verkehrskreise für diese Dienstleistungen bestünden aus den Auftraggebern, nämlich öffentlichen oder privaten Einrichtungen als Kunden im Rahmen von Ausschreibungen. Daher belege der bloße Nachweis der Durchführung von Bauvorhaben, dass diese Verkehrskreise mit dem Zeichen der Streithelferin in Berührung gekommen seien. Die von der Streithelferin zu den Akten gegebenen Dokumente, darunter die vor der Beschwerdekammer vorgelegten und von dieser für zulässig erklärten, bewiesen hinreichend, dass der Familienname „Salini“ von der Streithelferin im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeiten als Marke benutzt worden sei und dass diese in Italien notorisch bekannt im Sinne von Art. 6bis der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums vom 20. März 1883 in revidierter und geänderter Fassung sei. Die Dokumente wiesen jedoch die Benutzung des Zeichens nach Ansicht der Beschwerdekammer nur für einen Teil der beanspruchten Dienstleistungen nach, denn es fehle ein Beweis für die Dienstleistungen „Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen“.

10      Zweitens kam die Beschwerdekammer hinsichtlich der Frage der Verwechslungsgefahr zwischen dem älteren Zeichen SALINI – allein oder in Verbindung mit dem Begriff „Costruttori“ – und der angefochtenen Gemeinschaftsmarke GRUPPO SALINI, nachdem sie den gemeinsamen Bestandteil „Salini“ als dominierend und die Begriffe „Gruppo“ und „Costruttori“ als beschreibende Bestandteile und Gattungsbezeichnungen eingeordnet hatte, zu dem Ergebnis, dass zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen Verwechslungsgefahr für die maßgeblichen Verkehrskreise bestehe, wenn sie zur Kennzeichnung von identischen oder ähnlichen Dienstleistungen und Tätigkeiten benutzt würden, insbesondere für die Dienstleistungen „Bauten (Hochbau); Reparaturwesen; Installationsarbeiten“ der Klasse 37 und „wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; Analysen und industrielle Forschung“ der Klasse 42. Für die Dienstleistungen „Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen“ der Klasse 36 und für die Dienstleistungen „Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und ‑software; Rechtsberatung und ‑vertretung“ der Klasse 42 sei hingegen jede Verwechslungsgefahr ausgeschlossen.

11      Drittens war die Beschwerdekammer, nachdem sie festgestellt hatte, dass ein Markenanmelder als bösgläubig anzusehen sei, wenn er eine Marke anmelde, obwohl er wisse, dass er einem Dritten Schaden zufüge und dieser Schaden Folge eines moralisch verwerflichen und geschäftlich vorwerfbaren Verhaltens sei, der Auffassung, dass die Streithelferin eine solche Bösgläubigkeit der Klägerin im vorliegenden Fall nachgewiesen habe. Insbesondere sei die Bösgläubigkeit dadurch belegt worden, dass zum Zeitpunkt der Markenanmeldung

–        die Klägerin in erheblichem Umfang am Gesellschaftskapital der Streithelferin beteiligt gewesen sei und ihre Verwaltungsratsmitglieder Mitglieder des Verwaltungsrats der Streithelferin gewesen seien;

–        die Klägerin daher über die Existenz des Zeichens SALINI und seine Benutzung durch die Streithelferin und damit auch über die Verletzung der Rechte der Streithelferin durch sie nicht habe in Unkenntnis sein können;

–        zwischen der Streithelferin und der Klägerin Rechtsstreitigkeiten bestanden hätten, die die Absicht der Klägerin bestätigten, sich die Rechte der Streithelferin an dem älteren Zeichen anzumaßen.

 Anträge der Verfahrensbeteiligten

12      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem HABM die Kosten einschließlich der im Verfahren vor dem HABM angefallenen Kosten aufzuerlegen.

13      Das HABM und die Streithelferin beantragen,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

14      Die Klägerin führt für ihre Klage drei Klagegründe an, und zwar einen Verstoß gegen Art. 53 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 8 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009, einen Verstoß gegen Art. 53 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 8 Abs. 2 Buchst. b dieser Verordnung und einen Verstoß gegen Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung. Im Rahmen dieser Klagegründe macht die Klägerin in Verbindung mit den Verstößen gegen die genannten Bestimmungen zusätzlich einen Begründungsmangel geltend.

15      Das Gericht wird zunächst den dritten Klagegrund prüfen, mit dem die Klägerin der Beschwerdekammer im Wesentlichen vorwirft, durch ihre Schlussfolgerung, die Klägerin sei bösgläubig gewesen, als sie die angefochtene Marke beim HABM als Gemeinschaftsmarke angemeldet habe, einen Rechtsfehler begangen zu haben. Sie habe diese Schlussfolgerung nur auf die Beziehungen zwischen den Führungskräften der Klägerin und der Streithelferin sowie auf den Kontext des zwischen ihnen vor den italienischen Gerichten geführten Rechtsstreits gestützt, ohne dass die angebliche Kenntnis von dem Schaden, den die Klägerin der Streithelferin zugefügt haben solle, argumentativ hergeleitet oder durch Beweise belegt sei.

16      Das HABM und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

17      Zunächst ist zu beachten, dass das System der Eintragung einer Gemeinschaftsmarke auf dem in Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 niedergelegten Grundsatz des „ersten Anmelders“ beruht. Nach diesem Grundsatz kann ein Zeichen nur als Gemeinschaftsmarke eingetragen werden, wenn dem keine ältere Marke entgegensteht, gleichviel, ob es sich um eine in einem Mitgliedstaat oder beim Benelux-Amt für geistiges Eigentum eingetragene Marke, eine mit Wirkung für einen Mitgliedstaat international registrierte Marke oder eine mit Wirkung für die Union international registrierte Marke handelt. Dagegen stellt unbeschadet einer etwaigen Anwendung von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 die bloße Benutzung einer nicht eingetragenen Marke durch einen Dritten kein Hindernis für die Eintragung einer identischen oder ähnlichen Marke als Gemeinschaftsmarke für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen dar (Urteile des Gerichts vom 14. Februar 2012, Peeters Landbouwmachines/HABM – Fors MW [BIGAB], T‑33/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 16, und vom 21. März 2012, Feng Shen Technology/HABM – Majtczak [FS], T‑227/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 31).

18      Die Anwendung dieses Grundsatzes wird u. a. durch Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 nuanciert, wonach die Gemeinschaftsmarke auf Antrag beim HABM oder auf Widerklage im Verletzungsverfahren für nichtig erklärt wird, wenn der Anmelder bei der Anmeldung der Marke bösgläubig war. Der Nachweis der Umstände, die darauf schließen lassen, dass der Inhaber einer Gemeinschaftsmarke bei deren Anmeldung bösgläubig war, obliegt demjenigen, der den Antrag auf Nichtigerklärung stellt und sich auf diesen Grund stützen will (Urteile BIGAB, oben in Randnr. 17 angeführt, Randnr. 17, und FS, oben in Randnr. 17 angeführt, Randnr. 32).

19      Der Begriff der Bösgläubigkeit nach Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 ist, wie die Generalanwältin Sharpston in ihren Schlussanträgen in der Rechtssache Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli (C‑529/07, Urteil des Gerichtshofs vom 11. Juni 2009, Slg. 2009, I‑4893, I‑4896, im Folgenden: Urteil Lindt Goldhase) ausgeführt hat, in den Rechtsvorschriften der Union in keiner Form definiert, abgegrenzt oder wenigstens beschrieben.

20      Im Urteil Lindt Goldhase (oben in Randnr. 19 angeführt) hat der Gerichtshof im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens einige Hinweise für die Auslegung des Begriffs der Bösgläubigkeit im Sinne des Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 gegeben.

21      Nach Ansicht des Gerichtshofs sind für die Beurteilung der Frage, ob der Anmelder im Sinne dieser Bestimmung bösgläubig ist, alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die dem zu entscheidenden Fall eigen sind und zum Zeitpunkt der Anmeldung eines Zeichens als Gemeinschaftsmarke vorliegen, insbesondere erstens die Tatsache, dass der Anmelder weiß oder wissen muss, dass ein Dritter in mindestens einem Mitgliedstaat ein gleiches oder ähnliches Zeichen für eine gleiche oder ähnliche Ware oder Dienstleistung verwendet, das mit dem angemeldeten Zeichen verwechselbar ist, zweitens die Absicht des Anmelders, diesen Dritten an der weiteren Verwendung eines solchen Zeichens zu hindern, sowie drittens den Grad des rechtlichen Schutzes, den das Zeichen des Dritten und das angemeldete Zeichen genießen (vgl. in diesem Sinne Urteil Lindt Goldhase, oben in Randnr. 19 angeführt, Randnr. 53).

22      Aus dem Wortlaut des Urteils Lindt Goldhase geht jedoch hervor, dass es sich bei den dort aufgezählten Faktoren nur um Beispiele aus einer Gesamtheit von Gesichtspunkten handelt, die für die Entscheidung über eine mögliche Bösgläubigkeit eines Anmelders bei der Anmeldung der Marke berücksichtigt werden können (Urteile des Gerichts BIGAB, oben in Randnr. 17 angeführt, Randnr. 20, und vom 13. Dezember 2012, pelicantravel.com/HABM – Pelikan [Pelikan], T‑136/11, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 26).

23      Im Rahmen der umfassenden Beurteilung nach Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 können daher auch die unternehmerische Logik, in die sich die Anmeldung des Zeichens als Gemeinschaftsmarke einfügte (Urteil BIGAB, oben in Randnr. 17 angeführt, Randnr. 21), und die Geschehensabfolge bei der Anmeldung berücksichtigt werden (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 3. Juni 2010, Internetportal und Marketing, C‑569/08, Slg. 2010, I‑4871, Randnr. 52).

24      Die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung ist u. a. anhand der vorstehenden Erwägungen, soweit sie auf die vorliegende Rechtssache anwendbar sind, in Bezug auf die Schlussfolgerung der Beschwerdekammer vorzunehmen, die Klägerin sei zum Zeitpunkt der Anmeldung der angefochtenen Marke bösgläubig gewesen.

25      Im vorliegenden Fall ist den Akten zu entnehmen und kann nicht ernsthaft bestritten werden, dass die Klägerin nicht in Unkenntnis darüber sein konnte oder sogar wusste, dass die Streithelferin das Zeichen SALINI allein oder in Verbindung mit dem Begriff „Costruttori“ in den Bereichen der Ausführung und Planung großer öffentlicher Infrastrukturprojekte, Bauten (Hochbau) und Planungsleistungen im Bausektor seit langem sowohl in Italien als auch im Ausland benutzte. Hierzu ist in Übereinstimmung mit dem HABM festzustellen, dass die Kenntnis der Klägerin von der geschäftlichen und gesellschaftsrechtlichen Situation der Streithelferin einschließlich des Umstands, dass diese sich bei der Anmeldung der Marke in einer Phase starker Expansion befand und im Begriff war, ihre Bekanntheit und ihre Marktanteile sowohl in Italien als auch im Ausland zu steigern, wie sich dies u. a. aus den Randnrn. 31 und 35 der angefochtenen Entscheidung ergibt, als eine „qualifizierte“ Kenntnis anzusehen ist, die von Personen erworben wurde, die nicht nur – wie auch die Gesellschafter der Streithelferin – der Familie Salini entstammten, sondern auch in erheblichem Umfang finanziell am Gesellschaftskapital der Streithelferin beteiligt waren oder in ihr durch die Mitwirkung in ihren Leitungsorganen tätig wurden, wie dies ebenfalls aus den Randnrn. 70 bis 72 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht. Zudem ist festzustellen, dass sich Gesellschafter der Klägerin in Anbetracht der hochrangigen Positionen, die sie in der Geschäftsleitung der Streithelferin bekleideten, oder ihrer Mitwirkung in deren Verwaltungsrat, in einer Lage befanden, in der sie die Entscheidungen der Streithelferin beeinflussen konnten, und damit auch die Entscheidung über die etwaige Eintragung des Zeichens, das die Streithelferin seit langem benutzte. Hierzu ist u. a. den Verwaltungsakten des HABM zu entnehmen, dass einer dieser Gesellschafter der Klägerin, Herr F. S. S., von 2000 bis 2003 Verwaltungsratsvorsitzender der Streithelferin war.

26      Eine solche Kenntnis des Markenanmelders, auch wenn sie „qualifiziert“ ist wie die der Klägerin im vorliegenden Fall, genügt jedoch allein noch nicht, um deren Bösgläubigkeit zu bejahen. Auch die Absicht des Anmelders zum Zeitpunkt der Anmeldung ist nämlich zu berücksichtigen (Urteil Lindt Goldhase, oben in Randnr. 19 angeführt, Randnrn. 40 und 41).

27      Zwar ist eine solche Absicht ein subjektives Tatbestandsmerkmal, doch muss sie anhand der objektiven Fallumstände bestimmt werden (Urteil Lindt Goldhase, oben in Randnr. 19 angeführt, Randnr. 42).

28      Für die Beurteilung einer etwaigen Bösgläubigkeit eines Markenanmelders sind daher, wie auch das HABM vorschlägt, seine Absichten zu prüfen, wie sie sich aus den objektiven Umständen und seinen konkreten Handlungen, seiner Rolle und Position, seiner Kenntnis von der Benutzung der älteren Marke, vertraglichen, vorvertraglichen oder nachvertraglichen Beziehungen mit dem Antragsteller im Nichtigkeitsverfahren, dem Bestehen gegenseitiger Pflichten und Verpflichtungen einschließlich Loyalitäts- und Redlichkeitspflichten aufgrund von Organstellungen oder Leitungsfunktionen, die im Unternehmen des Antragstellers im Nichtigkeitsverfahren ausgeübt wurden oder noch ausgeübt werden, und – allgemeiner ausgedrückt – aus allen objektiven Situationen ableiten lassen, die durch einen Interessenkonflikt gekennzeichnet sind und in denen der Markenanmelder tätig geworden ist.

29      Aus der angefochtenen Entscheidung geht hervor, dass die Beschwerdekammer entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht nur auf die Kenntnis der Klägerin von der Benutzung des Zeichens durch die Streithelferin, die sie wegen ihrer privilegierten Stellung als Anteilseignerin der Streithelferin hatte – was die Klägerin im Übrigen nicht bestreitet – abgestellt hat, sondern dass sie die Bösgläubigkeit der Klägerin auch anhand eines Bündels von objektiven Umständen festgestellt hat, die auf ihre Absichten oder die ihrer Führungskräfte schließen lassen.

30      Erstens kann nach der Rechtsprechung die Geschehensabfolge bei der Eintragung der angefochtenen Marke ein relevanter Gesichtspunkt der Beurteilung der Bösgläubigkeit sein (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil Internetportal und Marketing, oben in Randnr. 23 angeführt, Randnr. 52). Wie die Beschwerdekammer in Randnr. 74 der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausführt, verdient im vorliegenden Fall für die Beurteilung, ob die Klägerin möglicherweise bösgläubig war, der Umstand besondere Beachtung, dass die Klägerin die angefochtene Marke, hinsichtlich deren keinerlei vorherige Benutzung nachgewiesen wurde, nur wenige Monate nach Beginn des gesellschaftsrechtlichen Rechtsstreits zwischen ihr und der Streithelferin angemeldet hat, der in Bezug auf das interne Gleichgewicht der Streithelferin zu einer Phase der Unsicherheit geführt hatte. Ferner ist den Akten zu entnehmen, dass die Streithelferin in dem Zeitraum vor der Markenanmeldung ihre Absatzzahlen und ihren Bekanntheitsgrad deutlich gesteigert hatte, und zwar in einem Maße, dass sie in Italien zu den wichtigsten Marktteilnehmern des Bausektors gerechnet wurde, wie sich dies aus Randnr. 31 der angefochtenen Entscheidung ergibt. Die Klägerin konnte aber aufgrund ihrer Stellung als Inhaberin erheblicher Anteile am Gesellschaftskapital der Streithelferin nicht in Unkenntnis über das Schadensrisiko sein, das die Eintragung eines Namenszeichens in ihrem eigenen Namen, das mit dem seit langem von der Streithelferin benutzten identisch war, für diese barg, da die Streithelferin zu diesem Zeitpunkt in dem betreffenden Sektor ein erhebliches Wachstum zu verzeichnen hatte.

31      Zweitens verstärkte die Tatsache, dass die Klägerin wusste oder zu wissen behauptete, dass die Streithelferin an der Eintragung des Namenszeichens SALINI kein Interesse habe, mit Blick auf den oben dargestellten besonderen Sachverhalt den potenziellen Interessenkonflikt, in dem sich die Klägerin im Verhältnis zur Streithelferin befand. Es ist nämlich nicht auszuschließen – und die Klägerin hat im Übrigen nichts vorgetragen, was dies ausschließen könnte –, dass sich die Streithelferin dafür entschieden hatte, dieses Zeichen wegen der Besonderheit der Verkehrskreise, an die ihre Dienstleistungen gerichtet waren, oder sogar wegen der stillschweigenden Vereinbarung, auf die sich die Klägerin berufen hat und die zwischen allen Mitgliedern der Familie Salini im Hinblick auf die Frage der Benutzung des Familiennamens bei ihren jeweiligen Tätigkeiten geschlossen worden sein soll, nicht einzutragen, wobei die Streithelferin aber davon ausging, dass sie für dieses Kennzeichen unabhängig von seiner Eintragung rechtlichen Schutz und Bekanntheit erworben habe. Die Beschwerdekammer hat daher in Randnr. 71 der angefochtenen Entscheidung zutreffend festgestellt, es sei ein Indiz für die Bösgläubigkeit der Klägerin, dass sie in Anbetracht ihrer erheblichen Beteiligung am Gesellschaftskapital der Streithelferin in ihrem eigenen statt im Namen der Streithelferin gehandelt habe.

32      Drittens kann auch die Art der Marke für die Beurteilung, ob ein bösgläubiges Verhalten vorliegt, erheblich sein (vgl. in diesem Sinne Urteil Lindt Goldhase, oben in Randnr. 19 angeführt, Randnr. 50). Dass eine Wortmarke angemeldet wurde, die nur aus dem Familiennamen „Salini“ in Verbindung mit dem Begriff „Gruppo“ besteht, der herkömmlich auf einen Zusammenschluss von unter demselben Namen agierenden Unternehmen hinweist, folgt nicht nur keiner unternehmerischen Logik, sondern ist zudem geeignet, die Absicht zu bestätigen, sich die Rechte an der Marke der Streithelferin anzueignen, die als Muttergesellschaft einer Gruppe, zu der zum Zeitpunkt der Markenanmeldung mehrere Unternehmen gehörten, die einzige gewesen wäre, die den Ausdruck „Gruppo Salini“ gegebenenfalls hätte benutzen können, wie sich im Wesentlichen aus der Analyse der Beschwerdekammer in den Randnrn. 70 und 71 der angefochtenen Entscheidung ergibt. Im Übrigen ist den Verwaltungsakten des HABM zu entnehmen, dass auf diesen Ausdruck u. a. in dem Ethikkodex Bezug genommen wird, den der Verwaltungsrat der Streithelferin im Jahr 2003, also vor der Anmeldung der angefochtenen Marke, verabschiedet hatte. Insbesondere heißt es in Nr. 2 dieses Kodex, die dessen Anwendungsbereich festlegt, dass der Kodex „für die gesamte Gruppo Salini verfasst“ worden sei und dass „unter Gruppo Salini die Salini Costruttori SpA und alle von ihr kontrollierten Gesellschaften“ zu verstehen sei. Die Klägerin kann aber nicht behaupten, sie habe nicht gewusst, dass es diesen Ethikkodex und den darin zum Zeitpunkt ihrer Markenanmeldung enthaltenen Ausdruck „Gruppo Salini“ gebe.

33      Zudem kann für die Beurteilung der Bösgläubigkeit des Markenanmelders der Bekanntheitsgrad berücksichtigt werden, der einem Zeichen zum Zeitpunkt seiner Anmeldung zukommt, da ein solcher Bekanntheitsgrad gerade das Interesse des Anmelders rechtfertigen kann, einen weiter reichenden rechtlichen Schutz seines Zeichens sicherzustellen (Urteil Lindt Goldhase, oben in Randnr. 19 angeführt, Randnrn. 51 und 52). Im vorliegenden Fall geht aus den Akten nicht hervor, dass die angefochtene Marke zum Zeitpunkt der Anmeldung schon benutzt worden wäre, während jedoch nachgewiesen ist, dass das Zeichen der Streithelferin seit mehreren Jahrzehnten benutzt wurde und diese in den letzten Jahren eine erhebliche Steigerung ihrer Tätigkeiten in Italien zu verzeichnen hatte, was ihre Bekanntheit bei den maßgeblichen Verkehrskreisen verstärkt hat.

34      Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Analyse der Beschwerdekammer, die zu dem Ergebnis gelangte, dass die Klägerin bei der Anmeldung der Marke bösgläubig gewesen sei, zu bestätigen ist. Keines der von der Klägerin vorgetragenen Argumente vermag dieses Ergebnis in Frage zu stellen.

35      Erstens kann der schon oben in Randnr. 31 angeführte Umstand, dass die Streithelferin vor der Markenanmeldung kein Interesse an einem Schutz des älteren Zeichens in der Europäischen Union gezeigt hat – und das trotz seiner behaupteten Benutzung in Italien seit 1940 – nicht als Nachweis dafür dienen, dass die Klägerin bei der Anmeldung der Marke nicht bösgläubig war, denn ein solcher Umstand gehört in die subjektive Sphäre der Streithelferin (vgl. in diesem Sinne Urteil FS, oben in Randnr. 17 angeführt, Randnr. 51). Ferner entspricht die in Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehene Möglichkeit, eine Marke für nichtig erklären zu lassen, wenn der Anmelder bei der Anmeldung der Marke bösgläubig war, ohne dass es zu einer Verwirkung dieser Möglichkeit durch Duldung im Sinne des Art. 54 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 kommen kann, genau dem Erfordernis, jedem Unternehmer, der ein Zeichen benutzt, das er noch nicht hat eintragen lassen, weitreichenden Schutz zu gewähren. Im Übrigen mussten der Klägerin in ihrer Eigenschaft als Anteilseignerin und Inhaberin einer erheblichen Beteiligung am Gesellschaftskapital der Streithelferin und in Anbetracht der Funktionen und Mandate, die einige ihrer Führungskräfte innerhalb der Gesellschaftsstruktur der Streithelferin ausübten oder ausgeübt hatten, die Gründe für das behauptete mangelnde Interesse der Streithelferin am Schutz des fraglichen Namenszeichens sehr wohl bekannt sein. Unter diesen Umständen kann die Klägerin ihre Darstellung, wonach sie bei der Anmeldung der Marke nicht bösgläubig gewesen sei, nicht mit dem angeblichen Desinteresse der Streithelferin belegen, zu dessen Ausbildung sie hätte beitragen können oder dem sie umgekehrt jedenfalls hätte entgegentreten können.

36      Gleiches gilt für das Argument der Klägerin, die Streithelferin habe mehr als drei Jahre verstreichen lassen, bevor sie das HABM mit der Sache befasst habe. Auch die fehlende unmittelbare Reaktion der Streithelferin auf die Eintragung der angefochtenen Marke, der im Übrigen nicht einmal eine Benutzung dieser Marke vorangegangen war, kann nämlich keinen Einfluss auf die Bewertung der Absichten der Klägerin bei der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke haben, da es sich um einen Gesichtspunkt handelt, der in die subjektive Sphäre der Streithelferin gehört.

37      Zweitens genügt zum Vorbringen der Klägerin, der Familienname Salini werde in großem Umfang von anderen Unternehmen benutzt, die Feststellung, dass es sich im vorliegenden Fall, wie auch das HABM ausführt, um Unternehmen handelt, die allem Anschein nach von Personen geführt werden, die diesen Familiennamen tragen, dessen Benutzung die Streithelferin nicht verhindern kann, und nicht um eingetragene Marken, die aus diesem Familiennamen bestehen.

38      Drittens ist zum Vorbringen der Klägerin, es gebe eine stillschweigende Vereinbarung zwischen den Mitgliedern der Familie Salini, wonach diese berechtigt seien, den Familiennamen zur Präsentation ihrer eigenen beruflichen Tätigkeiten zu nutzen (vgl. auch oben, Randnr. 31), festzustellen, dass eine solche Vereinbarung keineswegs die fehlende Bösgläubigkeit der Klägerin beweist, sondern vielmehr geeignet ist, den illoyalen Charakter ihres Verhaltens zu belegen. Denn das Bestehen einer solchen Vereinbarung unterstellt, könnte sich diese nicht auf die Benutzung des Familiennamens als Gemeinschaftsmarke erstrecken und jedenfalls dem Träger dieses Namens auch kein Recht auf dessen Eintragung als Gemeinschaftsmarke verleihen. Vielmehr besteht entgegen der offenbar von der Klägerin vertretenen Auffassung in den Fällen, in denen die angemeldete Marke ein älteres Recht verletzt, die Möglichkeit, die Eintragung einer solchen Marke selbst dann zu untersagen, wenn der Anmelder diesen Familienamen tatsächlich trägt.

39      Hierzu ist nämlich darauf hinzuweisen, dass die Gemeinschaftsmarke nach Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht gewährt, das es ihm gestattet, Dritten zu verbieten, ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit des Zeichens mit dieser Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch diese Marke und das betreffende Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht (Urteil des Gerichts vom 17. Januar 2012, Hell Energy Magyarország/HABM – Hansa Mineralbrunnen [HELL], T‑522/10, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 73). Ein solches ausschließliches Recht widerspricht aber dem Sinn und Zweck der von der Klägerin angeführten stillschweigenden Vereinbarung.

40      Viertens genügt zum Vorbringen der Klägerin, der Rechtsstreit vor den italienischen Gerichten, auf den in den Schriftsätzen der Verfahrensbeteiligten sowie u. a. auch in den Randnrn. 3, 4 und 74 der angefochtenen Entscheidung mehrfach Bezug genommen wird, gehe auf rein interne Angelegenheiten der Streithelferin zurück und betreffe nur deren Gesellschafter, die Feststellung, dass dieses Argument in Anbetracht der Gesellschaftsstruktur der Streithelferin, bei der die Kapitalbeteiligung im Wesentlichen auf zwei Zweige der Familie Salini aufgeteilt war, von denen einer der Klägerin zuzuordnen war, ins Leere geht. Ein solcher Rechtsstreit ist nämlich nur für die Feststellung des Kontexts, in dem die Markenanmeldung erfolgte, und unabhängig davon relevant, ob die dem Rechtsstreit zugrunde liegende Streitigkeit innerhalb der Streithelferin oder zwischen der Streithelferin und der Klägerin entstanden ist. Ferner ist in Übereinstimmung mit dem HABM jedenfalls festzustellen, dass sich zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt zumindest Herr F. S. S. wegen seiner doppelten Eigenschaft als Mitglied beider Gesellschaften in einer objektiven Situation befand, die durch einen Interessenkonflikt gekennzeichnet war, was angesichts der Rolle, die er innerhalb der Gesellschaftsstruktur der Streithelferin gespielt hat, nicht zu vernachlässigen ist, da er von 2000 bis 2003 Vorsitzender des Verwaltungsrats (siehe oben, Randnr. 25) und anschließend technischer Direktor der Streithelferin war.

41      Was schließlich den von der Klägerin in der Überschrift zum dritten Klagegrund sowie beiläufig und sehr allgemein gehalten im Text zu diesem Klagegrund gerügten Begründungsmangel anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass sich nach ständiger Rechtsprechung aus der nach Art. 75 Satz 1 der Verordnung Nr. 207/2009 vorgeschriebenen Begründung, die denselben Umfang hat wie die nach Art. 296 AEUV, klar und eindeutig die Erwägungen ergeben müssen, die der Verfasser des Rechtsakts angestellt hat. Diese Pflicht dient dem doppelten Ziel, zum einen den Betroffenen zu ermöglichen, die tragenden Gründe für die erlassene Maßnahme zu erkennen, um ihre Rechte zu wahren, und zum anderen den Unionsrichter in die Lage zu versetzen, die Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen (Urteile des Gerichts vom 2. April 2009, Zuffa/HABM [ULTIMATE FIGHTING CHAMPIONSHIP], T‑118/06, Slg. 2009, II‑841, Randnr. 19, und vom 14. Juli 2011, Winzer Pharma/HABM – Alcon [OFTAL CUSI], T‑160/09, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 35). Die Frage, ob die Begründung einer Entscheidung diesen Anforderungen genügt, ist nicht nur im Hinblick auf deren Wortlaut zu entscheiden, sondern auch anhand ihres Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften, die das betreffende Gebiet regeln (vgl. Urteil ULTIMATE FIGHTING CHAMPIONSHIP, Randnr. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42      Im vorliegenden Fall ist auf der Grundlage einer Prüfung der angefochtenen Entscheidung festzustellen, dass die Beschwerdekammer in den Randnrn. 68 bis 74 dieser Entscheidung dargelegt hat, aus welchen Gründen sie – gestützt auf den Akteninhalt – der Auffassung war, dass die Streithelferin den Beweis für die Bösgläubigkeit der Klägerin bei der Anmeldung der Marke erbracht habe.

43      Diese Ausführungen haben es zum einen der Klägerin ermöglicht, Kenntnis von den Gründen für die Entscheidung zu erlangen, um ihre Rechte wahren zu können, und zum anderen auch das Gericht in die Lage versetzt, die angefochtene Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Daher kann entgegen der Ansicht der Klägerin der Beschwerdekammer nicht vorgeworfen werden, sie habe ihre Entscheidung in dieser Hinsicht nicht begründet.

44      Nach alledem hat die Beschwerdekammer die angefochtene Marke zu Recht auf der Grundlage von Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 mit der Begründung für nichtig erklärt, dass die Marke entgegen den Grundsätzen der Loyalität und Redlichkeit angemeldet worden sei, die die Klägerin unter den Umständen des vorliegenden Falles gegenüber der Streithelferin hätte einhalten müssen.

45      Somit ist der dritte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

46      Was den ersten und den zweiten Klagegrund betrifft, so ist den Art. 52 und 53 der Verordnung Nr. 207/2009 zu entnehmen, dass es, um einem Nichtigkeitsantrag stattzugeben, ausreicht, wenn einer der in diesen Bestimmungen angeführten Nichtigkeitsgründe eingreift.

47      Unter diesen Umständen kann das Gericht, wenn es zu dem Schluss kommt, dass einer der vom Antragsteller im Nichtigkeitsverfahren angeführten Nichtigkeitsgründe vorliegt, seine Rechtmäßigkeitskontrolle auf den Klagegrund beschränken, der sich auf diesen Nichtigkeitsgrund bezieht, wenn dieser für die Begründung einer Entscheidung, mit der dem Antrag auf Nichtigerklärung stattgegeben wird, ausreicht (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Beschluss des Gerichtshofs vom 13. Februar 2008, Indorata-Serviços e Gestão/HABM, C‑212/07 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 27 und 28; vgl. Urteile des Gerichts vom 22. März 2007, Sigla/HABM – Elleni Holding [VIPS], T‑215/03, Slg. 2007, II‑711, Randnr. 100, und vom 7. Dezember 2010, Nute Partecipazioni et La Perla/HABM – Worldgem Brands [NIMEI LA PERLA MODERN CLASSIC], T‑59/08, Slg. 2010, II‑5595, Randnr. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung). Das gilt umso mehr, wenn einer der von der Beschwerdekammer angenommenen Nichtigkeitsgründe wie im vorliegenden Fall der Nichtigkeitsgrund der Bösgläubigkeit des Markenanmelders nach Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 ist.

48      Wie das HABM zutreffend vorträgt, hat nämlich das Vorliegen einer Bösgläubigkeit zum Zeitpunkt der Markenanmeldung für sich allein zur Folge, dass die angefochtene Marke insgesamt nichtig ist. Im Übrigen ist, wenn die Beschwerdekammer wie im vorliegenden Fall die Ansicht vertritt, dass einer der vom Antragsteller im Nichtigkeitsverfahren angeführten Nichtigkeitsgründe vorliegt, aber beschließt, die anderen eventuell geltend gemachten Nichtigkeitsgründe zu prüfen und gegebenenfalls ebenfalls zu bejahen, dieser Teil der Begründung ihrer Entscheidung keine notwendige Grundlage für deren verfügenden Teil, mit dem dem Antrag auf Nichtigerklärung stattgegeben wird und der seine rechtliche Grundlage bereits hinreichend in dem Nichtigkeitsgrund findet, der die Nichtigkeit der angefochtenen Marke in ihrer Gesamtheit bewirkt und der im vorliegenden Fall in der Bösgläubigkeit des Anmelders besteht (vgl. in diesem Sinne Urteil NIMEI LA PERLA MODERN CLASSIC, oben in Randnr. 47 angeführt, Randnr. 70).

49      Nach alledem ist die Klage in vollem Umfang abzuweisen, ohne dass der erste und der zweite Klagegrund zu prüfen wären.

 Kosten

50      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

51      Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß den Anträgen des HABM und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die SA.PAR. Srl trägt die Kosten.

Kanninen

Soldevila Fragoso

Berardis

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 11. Juli 2013.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Italienisch.