Language of document : ECLI:EU:T:2023:387

URTEIL DES GERICHTS (Sechste erweiterte Kammer)

12. Juli 2023(*)

„Handelspolitik – Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte – Restriktive Maßnahmen der Vereinigten Staaten gegen den Iran – Sekundärsanktionen, die natürliche oder juristische Personen aus der Union daran hindern, Geschäftsbeziehungen zu den von den genannten Maßnahmen betroffenen Personen zu unterhalten – Verbot, solchen Rechtsvorschriften nachzukommen – Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2271/96 – Beschluss der Kommission, mit dem einer juristischen Person aus der Union die Genehmigung erteilt wird, den genannten Rechtsvorschriften nachzukommen – Begründungspflicht – Rückwirkung der Genehmigung – Berücksichtigung der Interessen des von den restriktiven Maßnahmen des Drittlands betroffenen Unternehmens – Anspruch auf rechtliches Gehör“

In der Rechtssache T‑8/21,

IFIC Holding AG mit Sitz in Düsseldorf (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt C. Franz und Rechtsanwältin N. Bornemann,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch M. Kellerbauer als Bevollmächtigten,

Beklagte,

unterstützt durch

Clearstream Banking AG mit Sitz in Eschborn (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwälte C. Schmitt und T. Bastian,

Streithelferin,

erlässt

DAS GERICHT (Sechste erweiterte Kammer)

zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung des Präsidenten M. van der Woude, der Richterin A. Marcoulli (Berichterstatterin) sowie der Richter S. Frimodt Nielsen, J. Schwarcz und R. Norkus,

Kanzler: S. Jund, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens, insbesondere

–        des am 31. August 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Streithilfeschriftsatzes der Streithelferin,

–        des am 21. Juni 2022 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Schriftsatzes zur Anpassung der Klageschrift sowie der Stellungnahmen der Kommission und der Streithelferin, die am 16. August 2022 bzw. am 1. September 2022 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind,

auf die mündliche Verhandlung vom 1. Dezember 2022,

aufgrund des am 17. März 2023 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Beweisangebots der Klägerin, des Beschlusses vom 4. April 2023 über die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens und der am 18. April 2023 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Stellungnahme der Kommission zu diesem Beweisangebot

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer auf Art. 263 AEUV gestützten Klage begehrt die Klägerin, die IFIC Holding AG, die Nichtigerklärung des Durchführungsbeschlusses C(2020) 2813 final der Kommission vom 28. April 2020, mit dem der Streithelferin, der Clearstream Banking AG, eine Genehmigung gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2271/96 des Rates vom 22. November 1996 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen (ABl. 1996, L 309, S. 1) erteilt wurde (im Folgenden: erster angefochtener Beschluss), sowie des Durchführungsbeschlusses C(2021) 3021 final der Kommission vom 27. April 2021, mit dem der Streithelferin eine Genehmigung gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 erteilt wurde (im Folgenden: zweiter angefochtener Beschluss), und des Durchführungsbeschlusses C(2022) 2775 final der Kommission vom 26. April 2022, mit dem der Streithelferin eine Genehmigung gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 erteilt wurde (im Folgenden: dritter angefochtener Beschluss).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Am 8. Mai 2018 gab der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika seine Entscheidung bekannt, dass sich die Vereinigten Staaten von Amerika aus der am 14. Juli 2015 in Wien unterzeichneten Nuklearvereinbarung mit dem Iran zurückziehen und die auf ihrer Grundlage aufgehobenen Sanktionen gegen den Iran wieder in Kraft setzen werden. Diese Sanktionen verbieten u. a. Personen, die – wie natürliche oder juristische Personen aus der Europäischen Union – nicht der Gerichtsbarkeit der Vereinigten Staaten von Amerika unterstehen (Sekundärsanktionen), Geschäftsbeziehungen mit Personen, die in der vom Office of Foreign Assets Control (OFAC) (Amt zur Kontrolle von Auslandsvermögen [OFAC], Vereinigte Staaten) erstellten „Liste der besonders benannten Staatsangehörigen und gesperrten Personen“ (Specially Designated Nationals and Blocked Persons List) (im Folgenden: SDN-Liste) aufgeführt sind.

3        Die Klägerin ist eine im Handelsregister des Amtsgerichts Düsseldorf (Deutschland) eingetragene Gesellschaft mit Sitz in Düsseldorf. Ihre Aktien werden mittelbar vom iranischen Staat gehalten.

4        Die Klägerin hält Beteiligungen an verschiedenen deutschen Unternehmen, aus denen ihr Ansprüche auf Dividenden zustehen.

5        Seit dem 5. November 2018 ist die Klägerin in der SDN-Liste aufgeführt.

6        Die Streithelferin ist eine deutsche Gesellschaft. Sie ist zuständig für die Abwicklung von Wertpapiergeschäften sowie die Verwahrung und Verwaltung inländischer und ausländischer Wertpapiere. Sie ist die einzige in Deutschland zugelassene Wertpapiersammelbank. Sie ist u. a. dafür zuständig, der Klägerin Dividenden aus ihren Beteiligungen an deutschen Unternehmen zu zahlen.

7        Seit November 2018 sperrte die Streithelferin die der Klägerin geschuldeten Dividenden auf einem gesonderten Konto und weigerte sich, sie an die Klägerin abzuführen.

8        Am 6. Februar 2020 erhob die Klägerin beim Landgericht Frankfurt am Main (Deutschland) Klage gegen die Streithelferin auf Auskunft über den Verbleib ihrer Dividenden und deren Auszahlung. Im Rahmen dieses Verfahrens erfuhr die Klägerin, dass die ihr zustehenden Dividenden von der Streithelferin gemäß dem ersten angefochtenen Beschluss blockiert wurden.

9        Der erste angefochtene Beschluss wurde dem Landgericht Frankfurt am Main von der Streithelferin mit Schriftsatz vom 5. November 2020 vorgelegt und der Klägerin am 9. November 2020 zugestellt. Die Klägerin gibt an, zu diesem Zeitpunkt von ihm Kenntnis erlangt zu haben.

10      Wie aus dem ersten angefochtenen Beschluss hervorgeht, beantragte die Streithelferin am 8. November 2018 bei der Europäischen Kommission die Erteilung einer Genehmigung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96.

11      Mit dem ersten angefochtenen Beschluss gab die Kommission dem Antrag der Streithelferin statt und erteilte ihr für einen Zeitraum von zwölf Monaten die Genehmigung, hinsichtlich der Wertpapiere oder Mittel der Klägerin bestimmten Gesetzen der Vereinigten Staaten von Amerika nachzukommen (im Folgenden: streitige Genehmigung). Mit dem zweiten und dem dritten angefochtenen Beschluss, von denen die Klägerin nach ihren Angaben vor dem Landgericht Frankfurt am Main am 25. Mai 2022, dem Tag, an dem ihr diese Beschlüsse als Anlagen zu einem Schriftsatz der Streithelferin zugestellt wurden, Kenntnis erlangte, wurde die streitige Genehmigung um je zwölf Monate verlängert.

 Anträge der Parteien

12      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtenen Beschlüsse für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen;

–        der Streithelferin ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

13      Die Kommission und die Streithelferin beantragen,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

14      Die Klägerin stützt ihre Klage auf vier Klagegründe, mit denen sie erstens eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, zweitens einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96, drittens eine Verletzung der Begründungspflicht und viertens einen Beurteilungsfehler rügt.

 Vorbemerkungen

15      Die Verordnung Nr. 2271/96 soll, wie sich aus ihrem sechsten Erwägungsgrund ergibt, die bestehende Rechtsordnung, die Interessen der Union und die Interessen natürlicher oder juristischer Personen, die ihre Rechte aus dem AEU-Vertrag ausüben, schützen, insbesondere durch Aufhebung, Neutralisierung, Blockierung oder anderweitige Bekämpfung der Auswirkungen der im Anhang der Verordnung aufgeführten Gesetze, Verordnungen und anderen Rechtsakte (im Folgenden: aufgeführte Gesetze) (Urteil vom 21. Dezember 2021, Bank Melli Iran, C‑124/20, EU:C:2021:1035, Rn. 35).

16      In Art. 1 der Verordnung Nr. 2271/96 heißt es hierzu, dass der Unionsgesetzgeber mit den in der Verordnung vorgesehenen Maßnahmen für Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung der aufgeführten Gesetze sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen sorgen und den Folgen der extraterritorialen Anwendung entgegenwirken will, soweit diese Anwendung die Interessen von Personen im Sinne von Art. 11 beeinträchtigt, die am internationalen Handels- und/oder Kapitalverkehr und an damit verbundenen Geschäftstätigkeiten zwischen der Union und Drittländern teilnehmen (Urteil vom 21. Dezember 2021, Bank Melli Iran, C‑124/20, EU:C:2021:1035, Rn. 36).

17      Wie den Erwägungsgründen 1 bis 5 der Verordnung Nr. 2271/96 zu entnehmen ist, sollen mit den in ihrem Anhang aufgeführten Gesetzen die Tätigkeiten natürlicher und juristischer Personen geregelt werden, die der Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten unterstehen; diese Gesetze werden extraterritorial angewandt. Dadurch beeinträchtigen sie die bestehende Rechtsordnung und haben nachteilige Auswirkungen auf die Interessen der Union und die Interessen der bezeichneten Personen, indem sie das Völkerrecht verletzen und die Verwirklichung der Ziele der Union behindern. Diese soll nämlich zur harmonischen Entwicklung des Welthandels und zur schrittweisen Beseitigung der Beschränkungen im internationalen Handelsverkehr beitragen, indem sie den freien Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern möglichst weitgehend fördert, und sie soll jegliche Beschränkungen im Zusammenhang mit Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien, mit der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten beseitigen (Urteil vom 21. Dezember 2021, Bank Melli Iran, C‑124/20, EU:C:2021:1035, Rn. 37).

18      Zu den aufgeführten Gesetzen gehört der „Iran Freedom and Counter-Proliferation Act of 2012“ (Gesetz von 2012 über die Freiheit und die Bekämpfung der Proliferation im Iran), auf dessen Anwendung die Vereinigten Staaten, wie sich aus dem vierten Erwägungsgrund der Delegierten Verordnung (EU) 2018/1100 der Kommission vom 6. Juni 2018 zur Änderung des Anhangs der Verordnung Nr. 2271/96 (ABl. 2018, L 199 I, S. 1) ergibt, nach ihrem Rückzug aus der Nuklearvereinbarung mit dem Iran nicht mehr verzichteten, wie sie am 8. Mai 2018 angekündigt hatten (Urteil vom 21. Dezember 2021, Bank Melli Iran, C‑124/20, EU:C:2021:1035, Rn. 38).

19      Von Art. 11 der Verordnung Nr. 2271/96 werden u. a. natürliche Personen erfasst, die in der Union ansässig und Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind, sowie juristische Personen, die in der Union eingetragen sind (vgl. Art. 11 Nrn. 1 und 2 der Verordnung).

20      Zur Erreichung der oben in den Rn. 15 bis 17 genannten Ziele sieht die Verordnung Nr. 2271/96 Regeln unterschiedlicher Art vor. So sieht ihr Art. 4 zum Schutz der bestehenden Rechtsordnung und der Interessen der Union im Wesentlichen vor, dass außerhalb der Union ergangene Entscheidungen, die den aufgeführten Gesetzen oder darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen Wirksamkeit verleihen, nicht anerkannt werden und nicht vollstreckbar sind. Mit der gleichen Zielsetzung bestimmt Art. 5 Abs. 1 der Verordnung der Sache nach, dass keine Person im Sinne von Art. 11 den aufgeführten Gesetzen oder den darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen nachkommen darf; nach Art. 5 Abs. 2 kann solchen Personen allerdings jederzeit die Genehmigung erteilt werden, diesen Rechtsakten ganz oder teilweise nachzukommen, soweit andernfalls ihre Interessen oder die der Union schwer geschädigt würden. Ferner sieht Art. 6 der Verordnung Nr. 2271/96 zum Schutz der Interessen der von ihrem Art. 11 erfassten Personen vor, dass diejenigen, die an einer Tätigkeit gemäß Art. 1 der Verordnung teilnehmen, Anspruch auf Ersatz aller Schäden haben, die ihnen aufgrund der Anwendung der genannten Gesetze oder Maßnahmen entstanden sind (Urteil vom 21. Dezember 2021, Bank Melli Iran, C‑124/20, EU:C:2021:1035, Rn. 39).

21      Ebenfalls zum Schutz der Interessen der von Art. 11 der Verordnung Nr. 2271/96 erfassten Personen bestimmt ihr Art. 2: „Werden die wirtschaftlichen und/oder finanziellen Interessen einer Person im Sinne des Artikels 11 durch die im Anhang aufgeführten Gesetze oder durch darauf beruhende oder sich daraus ergebende Maßnahmen unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt, so unterrichtet die betreffende Person die Kommission entsprechend binnen 30 Tagen ab dem Zeitpunkt, zu dem sie eine solche Information erlangt hat …“.

22      Schließlich sorgt Art. 9 der Verordnung Nr. 2271/96 dafür, dass diese Regeln sachgerecht angewandt werden, indem er die Mitgliedstaaten verpflichtet, für den Fall einer Zuwiderhandlung gegen sie Sanktionen festzulegen, die wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen. Solche Sanktionen muss es daher insbesondere für den Fall geben, dass eine von Art. 11 der Verordnung erfasste Person gegen das in ihrem Art. 5 Abs. 1 aufgestellte Verbot verstößt (Urteil vom 21. Dezember 2021, Bank Melli Iran, C‑124/20, EU:C:2021:1035, Rn. 40).

23      Im Licht dieser Erwägungen sind die von der Klägerin geltend gemachten Klagegründe zu prüfen.

 Zum dritten Klagegrund, mit dem eine Verletzung der Begründungspflicht gerügt wird

24      Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe ihre Begründungspflicht verletzt. Ihre Begründung in den Erwägungsgründen des ersten angefochtenen Beschlusses sei unzureichend, da sie nicht die Situation der Klägerin berücksichtigt habe, sondern nur die der Streithelferin, und die Art. 1 und 3 des ersten angefochtenen Beschlusses seien hinsichtlich seines zeitlichen und sachlichen Anwendungsbereichs sowie seiner Anwendungsvoraussetzungen unklar und unverständlich verfasst. Als eine vom ersten angefochtenen Beschluss betroffene und belastete Person müsse sie in die Lage versetzt werden, ihn nachzuvollziehen. Diese Argumente seien auf den zweiten und den dritten angefochtenen Beschluss übertragbar, deren Begründung fast deckungsgleich sei. Außerdem enthielten der zweite und der dritte angefochtene Beschluss eine Bestimmung über ihre vorzeitige Beendigung, die vage und unverständlich sei.

25      Die Kommission und die Streithelferin treten diesem Vorbringen entgegen.

26      Nach Art. 296 AEUV sind die von den Organen der Union erlassenen Rechtsakte mit einer Begründung zu versehen.

27      Nach ständiger Rechtsprechung zur Begründungspflicht gemäß Art. 296 AEUV muss die Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das ihn erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (vgl. Urteil vom 12. September 2017, Anagnostakis/Kommission, C‑589/15 P, EU:C:2017:663, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung ist das Begründungserfordernis anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen von Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil vom 12. September 2017, Anagnostakis/Kommission, C‑589/15 P, EU:C:2017:663, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Das Vorbringen der Klägerin ist anhand dieser Grundsätze zu prüfen.

30      Als ersten Punkt rügt die Klägerin eine Verletzung der Begründungspflicht hinsichtlich der Erwägungsgründe der angefochtenen Beschlüsse.

31      Zum einen nimmt die Klägerin dabei aber weder auf einen bestimmten Teil der angefochtenen Beschlüsse noch auf einen ihrer Erwägungsgründe Bezug, sondern beschränkt sich auf eine allgemeine Behauptung ohne jede Präzisierung und Konkretisierung. Überdies werden in den Erwägungsgründen der angefochtenen Beschlüsse sowohl das Verfahren, das zu ihrem Erlass geführt hat, als auch die von der Kommission in diesem Rahmen berücksichtigten Gesichtspunkte dargelegt, aufgrund deren sie beschloss, der Streithelferin die streitige Genehmigung zu erteilen.

32      Zum anderen bezieht sich das Vorbringen der Klägerin, dass die Kommission in den Erwägungsgründen der angefochtenen Beschlüsse nur den Standpunkt der Streithelferin, nicht aber ihren eigenen berücksichtigt habe, nicht auf die Begründung dieser Beschlüsse, sondern auf deren Stichhaltigkeit, und es überschneidet sich mit dem Vorbringen im Rahmen des ersten und des vierten Klagegrundes, mit dem zusammen es daher nachfolgend geprüft wird. Das Gleiche gilt für das Vorbringen der Klägerin zu den Gesichtspunkten, die ihrer Ansicht nach von der Kommission zu Unrecht berücksichtigt wurden.

33      Nach dem Vorstehenden ist nicht ersichtlich, dass die Begründung hinsichtlich der Erwägungsgründe der angefochtenen Beschlüsse fehlt oder unzureichend ist.

34      Als zweiten Punkt beanstandet die Klägerin, dass die Artikel der angefochtenen Beschlüsse es aufgrund ihres Wortlauts nicht ermöglichten, den sachlichen und zeitlichen Anwendungsbereich der Beschlüsse sowie die Voraussetzungen für ihre Anwendung zu verstehen. Ihr Vorbringen betrifft insbesondere die Art. 1 und 3 der angefochtenen Beschlüsse sowie Art. 4 des zweiten und des dritten angefochtenen Beschlusses.

35      Erstens werden der sachliche Anwendungsbereich der angefochtenen Beschlüsse und ihre Anwendungsvoraussetzungen in ihrem Art. 1 wie folgt bestimmt:

„[Die Streithelferin] erhält die Genehmigung, bestimmten [aufgeführten] Gesetzen der Vereinigten Staaten … nachzukommen, soweit dies erforderlich ist, um

1.      die in ihrer Verwahrung oder ihrem Depot befindlichen Wertpapiere oder Gelder einzufrieren und die Ausführung sie betreffender Übertragungen oder anderer Weisungen abzulehnen,

2.      die Aufnahme neuer Wertpapiere in ihr Wertpapier-Clearingsystem abzulehnen und

3.      sämtliche Erträgnisse aus Kapitalmaßnahmen, einschließlich Dividenden, Zinsen, Tilgungszahlungen oder ähnlichen Zahlungs- oder Zinseingängen einzufrieren,

sofern [die Streithelferin] weiß oder gewichtige Gründe für den Verdacht hat, dass [die Klägerin] andernfalls unmittelbar oder mittelbar in den Genuss irgendeiner Leistung kommen oder an ihr partizipieren würde.“

36      Im ersten Satzteil dieser Bestimmung werden zunächst die aufgeführten Gesetze der Vereinigten Staaten von Amerika präzisiert, denen die Streithelferin nachkommen darf. Ein Begründungsmangel bei dieser Angabe ist nicht ersichtlich, und die Klägerin erhebt insoweit auch keine konkreten Einwände.

37      Sodann werden in den Nrn. 1 bis 3 dieser Bestimmung die abweichenden Verhaltensweisen aufgezählt, zu denen die Streithelferin infolge der streitigen Genehmigung befugt ist; es geht im Wesentlichen um das „Einfrieren“ bestimmter Vermögensgegenstände und um die „Ablehnung“ bestimmter Vorgänge anstelle der Erbringung ihrer üblichen Leistungen. Ein Begründungsmangel in Bezug auf den sachlichen Anwendungsbereich der Bestimmung bei dieser Angabe ist nicht ersichtlich, und die Klägerin erhebt zudem insoweit keine konkreten Einwände, außer in Bezug auf die zeitliche Tragweite der Verhaltensweisen; diese Frage wird nachfolgend im Zusammenhang mit dem zeitlichen Anwendungsbereich der Genehmigung geprüft (siehe unten, Rn. 46).

38      Schließlich werden im letzten Satzteil der Bestimmung die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der abweichenden Verhaltensweisen festgelegt; sie bestehen darin, dass die Streithelferin „weiß“ oder „gewichtige Gründe für den Verdacht hat“, dass die Klägerin andernfalls unmittelbar oder mittelbar in den Genuss „irgendeiner Leistung kommen“ (oder an ihr partizipieren) würde.

39      Die Klägerin wendet sich gegen bestimmte Ausdrücke in diesem letzten Satzteil.

40      Entgegen dem Vorbringen der Klägerin machen die von der Kommission verwendeten Ausdrücke „gewichtige Gründe für den Verdacht“ und „irgendeine Leistung“ die genannte Bestimmung jedoch nicht ungenau oder unverständlich. Dem Wortlaut ihres letzten Satzteils lässt sich nämlich in der Gesamtschau mit dem Rest des Satzes entnehmen, auf welche Leistungen sich die genehmigten Verhaltensweisen und die aufgestellten Voraussetzungen beziehen.

41      Zum einen lässt der Umstand, dass die angefochtenen Beschlüsse vorsehen, dass sich die Streithelferin auf „gewichtige Gründe für den Verdacht“ stützen kann, keine fehlende oder unzureichende Begründung dieser Beschlüsse erkennen. Wie sich nämlich aus ihrem Art. 1 ergibt, gestattet es der im letzten Satzteil dieser Bestimmung verwendete Ausdruck „gewichtige Gründe für den Verdacht“ der Streithelferin, davon auszugehen, dass die Klägerin in den Genuss bestimmter Leistungen kommt (oder an ihnen partizipiert), ohne dass sie darüber Gewissheit haben muss, denn sie kann sich auf einen Verdacht stützen, für den es gewichtige Gründe gibt. Insoweit besteht daher keine Unklarheit.

42      Zum anderen führt auch die Verwendung des Ausdrucks „irgendeine Leistung“ im letzten Satzteil von Art. 1 der angefochtenen Beschlüsse nicht zu Unsicherheiten. Die Kommission hat zwar keine Querverbindung zum ersten Satzteil dieser Bestimmung oder zu den dort genannten Leistungen hergestellt. Der Ausdruck kann jedoch nicht losgelöst von seinem Kontext dahin ausgelegt werden, dass er sich auf beliebige Leistungen ohne jeden Zusammenhang mit den von der Bestimmung erfassten Leistungen und Verhaltensweisen bezieht. Nach der Systematik dieser Bestimmung, die im Übrigen aus nur einem Satz besteht, kann der Ausdruck „irgendeine Leistung“ nämlich nur so verstanden werden, dass er sich auf die von der Streithelferin normalerweise erbrachten Leistungen bezieht, die Gegenstand der im ersten Satzteil genannten abweichenden Verhaltensweisen sind, und zwar dann, wenn die Klägerin unmittelbar oder mittelbar in ihren Genuss kommt oder an ihnen partizipiert. Insoweit gibt es daher kein Verständnisproblem.

43      Folglich kann dem Vorbringen der Klägerin zur Begründung der angefochtenen Beschlüsse in Bezug auf die Festlegung ihres sachlichen Anwendungsbereichs und die Voraussetzungen ihrer Anwendung nicht gefolgt werden.

44      Zweitens ist zum zeitlichen Anwendungsbereich der angefochtenen Beschlüsse zunächst festzustellen, dass es in Art. 3 aller Beschlüsse heißt: „Dieser Beschluss gilt für einen Zeitraum von zwölf Monaten, beginnend mit dem Zeitpunkt seiner Zustellung.“

45      Somit wird entgegen dem Vorbringen der Klägerin der zeitliche Anwendungsbereich der angefochtenen Beschlüsse in deren Art. 3 klar definiert, ohne dass insoweit ein Begründungsmangel oder fehlende Präzision ersichtlich wäre. Aus der genannten Bestimmung geht nämlich klar hervor, dass jeder der angefochtenen Beschlüsse und damit die streitige Genehmigung für einen Zeitraum von zwölf Monaten ab ihrer Zustellung gilt.

46      Sodann genügt zu dem Vorbringen der Klägerin, die streitige Genehmigung erstrecke sich auf Verhaltensweisen oder Gelder aus der Zeit vor ihrem Erlass, die Feststellung, dass dieses Vorbringen auf einem Fehlverständnis der Tragweite der Genehmigung beruht. Aus Art. 1 der angefochtenen Beschlüsse in Verbindung mit deren Art. 3 geht nämlich hervor, dass die Streithelferin während der Geltungsdauer der Beschlüsse zu den in Art. 1 genannten Verhaltensweisen befugt ist, also dazu, bestimmte Leistungen nicht zu erbringen, wenn die Klägerin unmittelbar oder mittelbar in ihren Genuss kommen oder an ihnen partizipieren könnte. Mit anderen Worten ist die Streithelferin während des Gültigkeitszeitraums von zwölf Monaten befugt, Vermögensgegenstände „einzufrieren“ oder die im ersten Satzteil von Art. 1 genannten Vorgänge „abzulehnen“, und zwar unabhängig davon, wann sie oder die Klägerin in den Besitz der Vermögensgegenstände gelangt ist oder wann die Vorgänge stattfinden sollten. Insoweit besteht daher keine Unsicherheit hinsichtlich der Begründung.

47      Schließlich rügt die Klägerin im Rahmen des zweiten Klagegrundes, dass Art. 4 des zweiten und des dritten angefochtenen Beschlusses vage formuliert und in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 des dritten angefochtenen Beschlusses unverständlich sei. Dieses Vorbringen ist im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes einer Verletzung der Begründungspflicht zu prüfen.

48      Hierzu ist festzustellen, dass Art. 4 des zweiten und des dritten angefochtenen Beschlusses weder allein noch in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 des dritten angefochtenen Beschlusses mit den von der Klägerin gerügten Rechtsverstößen behaftet ist.

49      Zum einen wird in Art. 4 des zweiten und des dritten angefochtenen Beschlusses klargestellt, dass jeder der Beschlüsse unverzüglich außer Kraft tritt, wenn und sobald die Klägerin von der SDN-Liste im Sinne der in Art. 1 der Beschlüsse aufgeführten Gesetze gestrichen wird oder wenn die extraterritoriale Anwendung dieser Gesetze auf die von Art. 11 der Verordnung Nr. 2271/96 erfassten Personen „ausgesetzt, aufgegeben“ oder „in anderer Weise beendet“ wird. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist diese Bestimmung nicht vage formuliert. Ihr erster Teil betrifft eindeutig den Fall, dass die Klägerin als solche nicht mehr in der SDN-Liste aufgeführt ist, und sieht vor, dass die Beschlüsse in einem solchen Fall unverzüglich außer Kraft treten. Insoweit führt das Wort „unverzüglich“ nicht zu Unsicherheit, sondern impliziert, dass die Beschlüsse automatisch außer Kraft treten, sobald die Klägerin durch eine Entscheidung der Vereinigten Staaten von der SDN-Liste gestrichen wird, ohne dass weitere Maßnahmen oder Prüfungen erforderlich wären. Das Gleiche gilt im Übrigen gemäß dem zweiten Teil von Art. 4 im Wesentlichen dann, wenn die aufgeführten Gesetze, wiederum aufgrund einer Entscheidung der Vereinigten Staaten, keine extraterritoriale Anwendung in der Union mehr finden.

50      Zum anderen wirft auch das Zusammenspiel von Art. 4 und Art. 3 Abs. 1 des dritten angefochtenen Beschlusses keine Verständnisschwierigkeiten auf. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 muss die Kommission, wenn während der zwölfmonatigen Geltungsdauer dieses Beschlusses eine „Vereinbarung“ zur völligen oder teilweisen Aussetzung, Aufgabe oder Beendigung der extraterritorialen Anwendung der aufgeführten Gesetze auf die von Art. 11 der Verordnung Nr. 2271/96 erfassten Personen führt, umgehend prüfen, ob die Gründe, auf denen der dritte angefochtene Beschluss beruht, noch gültig sind oder ob es Gründe gibt, ihn zu ändern oder zu beenden. Im Unterschied zu Art. 4 des dritten angefochtenen Beschlusses bezieht sich dessen Art. 3 Abs. 1 Satz 2 somit nicht auf ein einseitiges Vorgehen der Vereinigten Staaten, sondern auf die Wirkungen einer „Vereinbarung“ wie der Nuklearvereinbarung mit dem Iran (vgl. 29. Erwägungsgrund dieses Beschlusses). Außerdem wirkt sich der Abschluss einer solchen „Vereinbarung“, anders als bei der von Art. 4 erfassten Situation, nicht unverzüglich oder automatisch auf den dritten angefochtenen Beschluss aus, sondern die Kommission muss ihre Auswirkungen auf diesen Beschluss ermitteln.

51      Folglich kann dem Vorbringen der Klägerin zur Begründung der angefochtenen Beschlüsse in Bezug auf die Festlegung ihres zeitlichen Anwendungsbereichs nicht gefolgt werden.

52      Nach alledem kann hinsichtlich der Artikel der angefochtenen Beschlüsse kein Begründungsmangel festgestellt werden.

53      Der dritte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 gerügt wird

54      Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe gegen Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 verstoßen, indem sie eine rückwirkende Genehmigung erteilt habe. Weder diese Verordnung noch die Durchführungsverordnung (EU) 2018/1101 der Kommission vom 3. August 2018 zur Festlegung der Kriterien für die Anwendung von Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2271/96 (ABl. 2018, L 199 I, S. 7) sähen eine solche Rückwirkung vor, die zudem durch den Leitfaden „Fragen und Antworten: Annahme der aktualisierten Blocking-Verordnung“ der Kommission vom 7. August 2018 (ABl. 2018, C 277 I, S. 4) ausgeschlossen werde. Die Streithelferin habe zudem vor dem Landgericht Frankfurt am Main vorgebracht, dass dem ersten angefochtenen Beschluss Rückwirkung zukomme. Auch der zweite und der dritte angefochtene Beschluss seien zeitlich nicht hinreichend bestimmt. Zudem enthielten die letztgenannten Beschlüsse zwar eine Bestimmung über ihre vorzeitige Beendigung, deren Fehlen im ersten angefochtenen Beschluss zu dessen Nichtigerklärung führen müsse; diese Bestimmung schaffe aber keine Klarheit.

55      Die Kommission und die Streithelferin treten diesem Vorbringen entgegen.

56      Erstens genügt der Hinweis, dass der zweite Klagegrund auf falschen Prämissen beruht. Aus den angefochtenen Beschlüssen geht nämlich nicht hervor, dass sie Rückwirkung haben. Vielmehr heißt es in Art. 3 der angefochtenen Beschlüsse eindeutig, dass sie ab ihrer Zustellung gültig sind, und dies nur für einen Zeitraum von zwölf Monaten (siehe oben, Rn. 44 bis 46), so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie Rückwirkungen haben oder zeitlich unbefristet sind. Im Übrigen enthalten ihre Erwägungsgründe, in denen dargelegt wird, was die Kommission zur Festlegung ihrer Gültigkeitsdauer bewogen hat, keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie Rückwirkung haben.

57      Daraus folgt, dass die streitige Genehmigung keine Rückwirkung hat und sich nicht auf Verhaltensweisen vor dem Inkrafttreten der angefochtenen Beschlüsse und insbesondere des ersten angefochtenen Beschlusses erstreckt, sondern nur auf solche nach diesem Zeitpunkt.

58      Im Übrigen ist der Umstand, dass die Streithelferin nach den Angaben der Klägerin vor dem Landgericht Frankfurt am Main die gegenteilige Auffassung vertritt, insoweit unerheblich, da die Tragweite der angefochtenen Beschlüsse nur anhand des einschlägigen rechtlichen Rahmens, ihres Inhalts und der Absicht ihres Urhebers ermittelt werden kann.

59      Desgleichen sind sowohl das Vorbringen der Klägerin, die Streithelferin habe ihre Vermögensgegenstände schon vor Erteilung der streitigen Genehmigung rechtswidrig eingefroren, als auch das Vorbringen der Streithelferin, bei der Klärung der Frage, ob ihr Verhalten gegen das Verbot in Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2271/96 verstoße, dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass ein Genehmigungsverfahren anhängig gewesen und wie es ausgegangen sei, im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits unerheblich, da er nur die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Beschlüsse und nicht das Verhalten der Streithelferin betrifft. Überdies ist es nicht Sache des Gerichts, zu klären, ob das Verhalten der Streithelferin gegen die Verordnung Nr. 2271/96 verstößt.

60      Zweitens ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, wonach es zur Nichtigerklärung des ersten angefochtenen Beschlusses führen müsse, dass er keine Bestimmung über seine vorzeitige Beendigung enthalte, wie sie in Art. 4 des zweiten und des dritten angefochtenen Beschlusses oder in Art. 3 Abs. 1 des dritten angefochtenen Beschlusses zu finden sei. Dem Gericht ist nichts dafür vorgetragen worden, dass das Fehlen einer derartigen Bestimmung als solches die Rechtswidrigkeit des ersten angefochtenen Beschlusses impliziert. Im Übrigen hätte es der Kommission auch ohne eine solche Bestimmung freigestanden, den ersten angefochtenen Beschluss zurückzunehmen, insbesondere wenn eine Änderung der Umstände dies erfordert hätte.

61      Der zweite Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

 Zum vierten Klagegrund, mit dem ein Beurteilungsfehler gerügt wird

62      Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe ihren Beurteilungs- und Ermessensspielraum nicht bzw. fehlerhaft ausgeübt, denn zum einen seien weder ihre Situation und ihre Interessen noch die Auswirkungen des ersten angefochtenen Beschlusses auf sie berücksichtigt worden, obwohl sie aufgrund der Auswirkungen des ersten angefochtenen Beschlusses völlig handlungsunfähig sei. Die Kommission habe zudem weder die Frage, ob es mildere Mittel gegeben hätte, noch den Anspruch auf Ersatz des erlittenen Schadens berücksichtigt. Zum anderen hätte die Kommission nicht, wie im 15. Erwägungsgrund des ersten angefochtenen Beschlusses geschehen, berücksichtigen dürfen, dass die Klägerin beim Landgericht Frankfurt am Main Klage gegen die Streithelferin erhoben habe, denn es dürfe ihr nicht zum Nachteil gereichen, wenn sie von ihrem Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz Gebrauch mache.

63      Die Streithelferin erbringe ihr keine Leistungen. Außerdem zeigten die im 15. Erwägungsgrund des ersten angefochtenen Beschlusses angeführten Tatsachen, dass der Kommission bekannt gewesen sei, dass die Streithelferin gegen die Verordnung Nr. 2271/96 verstoßen habe.

64      Auch in Bezug auf den zweiten und den dritten angefochtenen Beschluss habe die Kommission von ihrem Ermessen keinen Gebrauch gemacht und keine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen; insbesondere habe sie die Lockerung der Sanktionen außer Acht gelassen. Der zweite und der dritte angefochtene Beschluss stützten sich ebenfalls auf ungeprüfte und unbelegte Daten sowie auf irrelevante Gesichtspunkte und eine einseitige Wiedergabe bestimmter Tatsachen.

65      Die Kommission und die Streithelferin treten diesem Vorbringen entgegen.

66      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin im Rahmen des vierten Klagegrundes verschiedene Einwände gegen die in den angefochtenen Beschlüssen enthaltenen Beurteilungen erhebt. Im Übrigen sind, soweit die Klägerin im Rahmen der übrigen Klagegründe auch bestimmte Beurteilungen in den angefochtenen Beschlüssen beanstandet, alle diese Argumente im Folgenden zusammen zu prüfen.

67      Erstens wendet sich die Klägerin im Wesentlichen mit der Begründung gegen die angefochtenen Beschlüsse, dass die Kommission nicht ihre Interessen, sondern nur die der Streithelferin berücksichtigt habe.

68      Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 die Erteilung einer Genehmigung, den aufgeführten Gesetzen nachzukommen, davon abhängt, dass im Fall der Nichteinhaltung dieser Gesetze die Interessen der Person, die die Genehmigung beantragt, oder die Interessen der Union schwer geschädigt würden. Aus dieser Bestimmung ergibt sich somit, dass die Kommission nur diese beiden Interessen zu prüfen hat, um zu klären, ob sie durch die Nichteinhaltung der aufgeführten Gesetze schwer geschädigt würden, so dass gegebenenfalls eine Genehmigung erteilt werden kann. Dagegen werden in dieser Bestimmung die Interessen des von den restriktiven Maßnahmen des Drittlands, im Zusammenhang mit denen der Antragsteller die Genehmigung erhalten möchte, den aufgeführten Gesetzen nachzukommen, betroffenen Dritten (im Folgenden: von den restriktiven Maßnahmen betroffener Dritter) nicht erwähnt. Hätte der Unionsgesetzgeber die Interessen eines solchen Dritten in die im Rahmen der Beurteilung zu berücksichtigenden Interessen einbeziehen wollen, hätte er dies ausdrücklich angegeben, statt ausschließlich auf die Interessen der Union und die Interessen des Antragstellers abzustellen.

69      Sodann werden in Art. 4 der Durchführungsverordnung 2018/1101 die nicht kumulativen Kriterien aufgezählt, die von der Kommission bei der Beurteilung eines Genehmigungsantrags u. a. zu berücksichtigen sind. Auch diese Bestimmung nimmt nur auf die geschützten Interessen im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96, d. h. auf die des Antragstellers und der Union, Bezug, ohne den von den restriktiven Maßnahmen betroffenen Dritten oder dessen Interessen zu erwähnen. Zudem ist in keinem der dort aufgestellten Kriterien von einer Berücksichtigung der Interessen dieses Dritten oder von einer Abwägung seiner Interessen gegen die des Antragstellers oder der Union die Rede. Überdies kann die Bezugnahme auf „sonstige relevante Faktoren“ in Art. 4 Buchst. n der Durchführungsverordnung 2018/1101 nicht zu einer abweichenden Auslegung und zur Berücksichtigung von Gesichtspunkten führen, die nicht vom Wortlaut oder vom Geist von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 erfasst werden, so dass solche Gesichtspunkte im Rahmen der Anwendung dieser Bestimmung unerheblich sind.

70      Schließlich soll die Verordnung Nr. 2271/96, wie sich aus ihren Erwägungsgründen 5 und 6 sowie aus der oben in Rn. 15 angeführten Rechtsprechung ergibt, nur die bestehende Rechtsordnung sowie die Interessen der Union und von natürlichen oder juristischen Personen schützen, die Rechte aus dem AEU-Vertrag ausüben.

71      Bei dem von den restriktiven Maßnahmen betroffenen Dritten mag es sich zwar um eine Person handeln, die unter Art. 11 der Verordnung Nr. 2271/96 und damit in den Anwendungsbereich bestimmter Vorschriften dieser Verordnung, etwa ihres Art. 2, fällt, doch kann dieser Umstand im Rahmen der Anwendung der in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung vorgesehenen Ausnahme nicht dazu führen, dass andere als die dort vorgesehenen Interessen berücksichtigt werden, und bleibt daher in diesem Rahmen unerheblich.

72      Aus dem rechtlichen Rahmen für die Erteilung einer Genehmigung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 ergibt sich somit, dass die Kommission bei der Prüfung eines gemäß dieser Bestimmung gestellten Genehmigungsantrags nicht verpflichtet ist, die Interessen der von den restriktiven Maßnahmen betroffenen Dritten, etwa in der SDN-Liste aufgeführter Personen wie der Klägerin, zu berücksichtigen.

73      Diese Feststellung entspricht im Übrigen derjenigen in Nr. 73 der Schlussanträge des Generalanwalts Hogan in der Rechtssache Bank Melli Iran (C‑124/20, EU:C:2021:386), wonach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 „nicht vor[sieht], dass [die Kommission] bei der Entscheidung über die Erteilung einer solchen Befreiung die Interessen dritter Parteien zu berücksichtigen hat“.

74      Überdies rügt die Klägerin zwar, dass die Kommission ihre Interessen zu Unrecht nicht berücksichtigt habe, doch stützt sie sich dabei nicht auf einen stichhaltigen Gesichtspunkt, der sich aus dem einschlägigen rechtlichen Rahmen ergibt. Insbesondere untermauert, wie oben in Rn. 69 ausgeführt, Art. 4 der Durchführungsverordnung 2018/1101, den die Klägerin in der mündlichen Verhandlung angesprochen hat, ihre Argumentation nicht.

75      Folglich lässt das Vorbringen der Klägerin nicht den Schluss zu, dass die Kommission einen Beurteilungsfehler begangen hat, indem sie ihre Interessen nicht berücksichtigte.

76      Zweitens wendet sich die Klägerin im Wesentlichen mit der Begründung gegen die angefochtenen Beschlüsse, dass die Kommission weder einen Rückgriff auf weniger belastende Alternativen noch die Möglichkeit der Klägerin in Erwägung gezogen habe, Schadensersatz zu verlangen.

77      Hierzu genügt die Feststellung, dass der einschlägige rechtliche Rahmen der Kommission keine solchen Verpflichtungen auferlegt.

78      Nach Art. 3 der Durchführungsverordnung 2018/1101 besteht die von der Kommission vorzunehmende Prüfung darin, ob die vom Antragsteller vorgelegten Belege und gegebenenfalls die zusätzlichen Belege, um die ihn die Kommission ersucht hat, im Hinblick auf die in Art. 4 der Verordnung aufgestellten Kriterien den Schluss zulassen, dass im Fall der Nichteinhaltung der aufgeführten Gesetze die Interessen des Antragstellers oder der Union im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 schwer geschädigt würden. Ferner ergibt sich aus Art. 5 Abs. 1 und 2 der Durchführungsverordnung 2018/1101, dass der Ausgang einer solchen Prüfung im Wesentlichen einer binären Logik folgt: Kommt die Kommission zu dem Schluss, dass keine hinreichenden Belege für den Eintritt eines schweren Schadens der genannten Interessen vorliegen, bereitet sie einen Entwurf für einen Beschluss zur Ablehnung des Antrags vor; kommt sie zu dem Schluss, dass hinreichende Belege für den Eintritt eines solchen Schadens vorliegen, bereitet sie einen Entwurf für einen Beschluss mit den zu treffenden geeigneten Maßnahmen vor. Somit geht aus dem einschlägigen rechtlichen Rahmen nicht hervor, dass die Kommission, wenn sie mit einem Genehmigungsantrag befasst ist und zu dem letztgenannten Schluss kommt, prüfen muss, ob es Alternativen zur Genehmigung gibt.

79      Überdies stützt die Klägerin ihr Vorbringen nicht auf einen Gesichtspunkt, der sich aus dem einschlägigen rechtlichen Rahmen ergibt.

80      Außerdem ist ohnehin unerheblich, ob es möglicherweise Alternativen gibt, die die Interessen Dritter weniger stark beeinträchtigen. Wie oben in den Rn. 68 bis 75 ausgeführt, ist die Kommission nämlich nicht verpflichtet, die Interessen Dritter bei der Prüfung eines Genehmigungsantrags zu berücksichtigen. Daher brauchte sie im vorliegenden Fall nicht zu prüfen, ob es Alternativen gab, die die Klägerin weniger belasteten.

81      Aus denselben Gründen brauchte die Kommission nicht zu prüfen, ob die Klägerin einen etwaigen Schadensersatzanspruch hätte geltend machen können, da dies im Rahmen der Beurteilung eines Antrags auf Erteilung einer Genehmigung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 unerheblich ist.

82      Ferner macht die Klägerin geltend, die Kommission habe nicht geprüft, ob die Streithelferin sich um eine „Klärung“ bei den amerikanischen Behörden bemüht habe. Sie macht aber keine näheren Angaben zur Grundlage einer solchen – im Übrigen recht vage formulierten – Verpflichtung der Kommission. Nichts lässt daher den Schluss zu, dass der Kommission eine solche Prüfungspflicht oblag.

83      Was schließlich das Vorbringen der Klägerin betrifft, die Kommission habe nicht berücksichtigt, dass die Streithelferin nicht ihr eine Leistung erbracht habe, sondern ihrer Depotbank, genügt der Hinweis, dass dieses Vorbringen auf einer unvollständigen Erfassung der Tragweite der streitigen Genehmigung beruht. Wie oben in den Rn. 38 und 42 ausgeführt, betreffen die angefochtenen Beschlüsse nämlich die von der Streithelferin angebotenen Leistungen, in deren Genuss die Klägerin unmittelbar oder mittelbar kommt (oder an denen sie partizipiert); dazu gehören Leistungen, die der Klägerin nicht unmittelbar angeboten werden, in deren Genuss sie aber kommt (oder an denen sie partizipiert), sei es auch nur mittelbar.

84      Folglich lässt das Vorbringen der Klägerin nicht den Schluss zu, dass die Kommission bei ihrer Beurteilung der Genehmigungsanträge der Streithelferin bestimmte relevante Gesichtspunkte nicht berücksichtigt hat.

85      Drittens wendet sich die Klägerin gegen bestimmte Würdigungen in den angefochtenen Beschlüssen. Zum einen handelt es sich um die Berücksichtigung der von der Klägerin beim Landgericht Frankfurt am Main erhobenen Klage im ersten angefochtenen Beschluss. Zum anderen handelt es sich darum, dass im zweiten und im dritten angefochtenen Beschluss Gesichtspunkte berücksichtigt worden sein sollen, die irrelevant seien oder sich aus einer einseitigen Darstellung des Sachverhalts ergäben.

86      Zunächst bedeutet die von der Klägerin angeführte Erwähnung der von ihr beim Landgericht Frankfurt am Main erhobenen Klage durch die Kommission im 15. Erwägungsgrund des ersten angefochtenen Beschlusses weder, dass die Kommission die Interessen der Klägerin berücksichtigt hat, noch – entgegen dem Vorbringen der Klägerin –, dass ihr durch die Erwähnung dieser Klage im Rahmen der Bewertung durch die Kommission ein Schaden entstanden ist oder dass die Kommission Kenntnis von einem etwaigen Verstoß der Streithelferin gegen die Verordnung Nr. 2271/96 hatte. Im 15. Erwägungsgrund des ersten angefochtenen Beschlusses hat sich die Kommission nämlich auf die Darlegung der von der Streithelferin zur Stützung ihres Antrags vorgebrachten Gesichtspunkte beschränkt, ohne insoweit eine Beurteilung vorzunehmen. Das Vorbringen der Klägerin beruht somit auf falschen Prämissen und auf Behauptungen, die jeder Grundlage entbehren.

87      Sodann verweist die Klägerin auf den 16. Erwägungsgrund des dritten angefochtenen Beschlusses, in dem die Kommission den Inhalt des Genehmigungsantrags der Streithelferin angesprochen hat, insbesondere in Bezug auf bestimmte von der Streithelferin als Beleg für ihr in den Vereinigten Staaten drohende Risiken genannte Gesichtspunkte. Es handelt sich insbesondere um Transaktionen eines „Schwesterunternehmens“ der Streithelferin mit den amerikanischen Behörden und bei diesen Behörden laufende Ermittlungen. Die Kommission hat im Rahmen ihrer Beurteilung im 22. Erwägungsgrund des dritten angefochtenen Beschlusses auf diese Risiken und Gesichtspunkte verwiesen. Überdies wurden sie im Wesentlichen auch in den Erwägungsgründen 22 bis 25 des ersten angefochtenen Beschlusses erwähnt.

88      Entgegen dem Vorbringen der Klägerin sind diese Gesichtspunkte aber nicht unerheblich, und die Kommission hat keinen Beurteilungsfehler begangen, als sie sich auf sie stützte. Zum einen sind diese Gesichtspunkte, die sich auf zwei Verfahren aus dem Jahr 2014 beziehen, zwar weder zahlreich noch neu; gleichwohl gestatten sie den Nachweis, dass in den Vereinigten Staaten die reale Gefahr von Sanktionen (oder der Notwendigkeit, Transaktionen vorzunehmen, um solche Sanktionen zu vermeiden) bestand. Zum anderen entkräftet der Umstand, dass diese Gesichtspunkte ein „Schwesterunternehmen“ der Streithelferin und nicht sie selbst betreffen, die Analyse der Kommission nicht. Wie die Kommission hervorhebt, sieht Art. 4 Buchst. c der Durchführungsverordnung 2018/1101 nämlich ausdrücklich vor, dass die Kommission bei der Beurteilung einer Verbindung zu dem Ursprungsland der aufgeführten Gesetze „beispielsweise“ berücksichtigen kann, dass Antragsteller „Mutterunternehmen oder Tochterunternehmen haben“; dies impliziert, dass die Risiken, die für ein „Schwesterunternehmen“ der Streithelferin entstehen, ebenfalls relevant sind.

89      Überdies stellt der Umstand, dass die Kommission in den Fn. 8 und 9 des dritten angefochtenen Beschlusses im Zusammenhang mit den genannten Gesichtspunkten irrtümlich von der Streithelferin spricht und nicht von ihrem „Schwesterunternehmen“, im vorliegenden Fall einen Schreibfehler dar, der das Verständnis dieses Beschlusses nicht beeinträchtigt und dessen Rechtmäßigkeit in Anbetracht des Inhalts seines 16. Erwägungsgrundes sowie der Erwägungsgründe 22 bis 25 des ersten angefochtenen Beschlusses nicht in Frage stellen kann.

90      Schließlich nimmt die Klägerin Bezug auf den 24. Erwägungsgrund des dritten angefochtenen Beschlusses (der zum Teil bereits im 16. Erwägungsgrund des zweiten angefochtenen Beschlusses enthalten war) und auf seine die Entwicklung der Lage in den Vereinigten Staaten von Amerika nach der dortigen Wahl des neuen Präsidenten im Jahr 2020 betreffenden Fn. 15 und 16. Sie rügt, die Kommission habe nicht gebührend berücksichtigt, dass die Sanktionen im Februar 2022 gelockert worden seien, und habe ihre Beurteilung auf einen einzigen Presseartikel gestützt.

91      Das Vorbringen der Klägerin zur angeblichen Lockerung der Sanktionen der Vereinigten Staaten wird jedoch nicht untermauert, und die Kommission hat im 16. Erwägungsgrund des zweiten angefochtenen Beschlusses sowie in den Erwägungsgründen 24 und 25 des dritten angefochtenen Beschlusses sehr wohl die Entwicklung des Kontexts in den Vereinigten Staaten berücksichtigt und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass trotz dieser Entwicklung keine Änderung bei Inhalt und Umsetzung der Sanktionen der Vereinigten Staaten gegen den Iran eingetreten sei. Zudem befand sich die Klägerin, wie die Kommission hervorhebt, beim Erlass jedes der angefochtenen Beschlüsse stets auf der SDN-Liste.

92      Folglich lässt kein Argument der Klägerin den Schluss zu, dass die Kommission einen Beurteilungsfehler begangen hätte.

93      Der vierte Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

 Zum ersten Klagegrund, mit dem eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt wird

94      Die Klägerin macht geltend, der in Art. 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) verankerte allgemeine Grundsatz, wonach Personen, die von einer Maßnahme betroffen seien, das Recht hätten, gehört zu werden, sei auf sie anwendbar, da sie vom ersten angefochtenen Beschluss mittelbar nachteilig betroffen sei. Während des Verfahrens, das zum Erlass des ersten angefochtenen Beschlusses geführt habe, habe die Kommission ihr kein rechtliches Gehör gewährt und keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Im ersten angefochtenen Beschluss werde weder ihre Situation erwähnt noch der Umstand, dass die Streithelferin ihre Vermögenswerte ohne Genehmigung blockiert habe. Hätte die Kommission sie angehört, hätte sie die Rückwirkung der Genehmigung ausgeschlossen. Zu den im ersten angefochtenen Beschluss erwähnten „gewichtigen Gründen“ sei sie nicht gehört worden. Daher sei im ersten angefochtenen Beschluss eine wesentliche Formvorschrift verletzt worden, was zur Nichtigerklärung dieses Beschlusses führen müsse.

95      Der Kommission, die geltend gemacht habe, dass die Klägerin ihrer Informationspflicht aus Art. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 nicht nachgekommen sei, sei entgegenzuhalten, dass diese Bestimmung nicht verbindlich sei und deshalb nicht zu nachteiligen Folgen für die Wirtschaftsteilnehmer führen dürfe. Außerdem sei es den Wirtschaftsteilnehmern mangels Informationen unmöglich, zu einem Genehmigungsantrag Stellung zu nehmen; die Klägerin habe von ihm im Übrigen erst nach Erteilung der Genehmigung Kenntnis erlangt. Sie habe alle ihr offenstehenden Möglichkeiten, auch im Sinne von Art. 2 der Verordnung Nr. 2271/96, ausgeschöpft, indem sie sich an eine zuständige Behörde eines Mitgliedstaats gewandt habe. Schließlich könne sie nur Mutmaßungen dazu anstellen, ob die Kommission anders entschieden hätte.

96      Aus den Schlussanträgen des Generalanwalts Hogan in der Rechtssache Bank Melli Iran (C‑124/20, EU:C:2021:386) ergebe sich nicht, dass die Interessen Dritter nicht berücksichtigt werden dürften. Durch die Weigerung der Streithelferin, Dividenden auszubezahlen und Wertpapiere zu verkaufen, sei das gesamte Unternehmen der Klägerin handlungsunfähig und wertlos geworden. Hinzuzufügen sei, dass sie beim Hauptzollamt Gießen (Deutschland) und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Deutschland) Anzeigen erstattet habe und dass es keine Bestimmung gebe, die regele, wie die Übermittlung der in Art. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 genannten Informationen an die nationalen Behörden zu erfolgen habe.

97      Der zweite und der dritte angefochtene Beschluss seien mit denselben Fehlern behaftet. Das Vorbringen der Klägerin gelte daher für die drei angefochtenen Beschlüsse, da es bei keinem von ihnen eine Anhörung oder Information durch die Kommission gegeben habe. Mangels Kenntnis der angefochtenen Beschlüsse sei sie gezwungen gewesen, gegen mehrere Wirtschaftsteilnehmer kostspielige Klagen zu erheben.

98      Im Rahmen ihres Beweisangebots vom 17. März 2023 macht die Klägerin geltend, bei einem ähnlichen Genehmigungsverfahren nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 habe die Kommission einen von restriktiven Maßnahmen betroffenen Dritten ohne Auflagen hinsichtlich der Vertraulichkeit angehört. Dies zeige, dass eine Anhörung Dritter, die wie sie von den restriktiven Maßnahmen betroffen seien, durch die Kommission erforderlich und geboten sei; eine Differenzierung zwischen ihnen sei in der Verordnung Nr. 2271/96 nicht vorgesehen und damit rechtswidrig.

99      Die Kommission und die Streithelferin treten diesem Vorbringen entgegen.

100    Die Wahrung des Rechts, gehört zu werden, ist ein tragender, nunmehr in Art. 41 der Charta, der das Recht auf eine gute Verwaltung gewährleistet, verankerter Grundsatz des Unionsrechts (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juni 2020, Kommission/RQ, C‑831/18 P, EU:C:2020:481, Rn. 64 und 65).

101    Nach Art. 41 Abs. 2 der Charta umfasst das Recht auf eine gute Verwaltung nämlich insbesondere das Recht jeder Person, gehört zu werden, bevor ihr gegenüber eine für sie nachteilige individuelle Maßnahme getroffen wird.

102    Diese Bestimmung ist, wie sich bereits aus ihrem Wortlaut ergibt, allgemein anwendbar. Das Recht, gehört zu werden, muss in allen Verfahren gewahrt werden, die zu einer beschwerenden Maßnahme führen können, auch wenn die einschlägige Regelung ein solches Verfahrensrecht nicht ausdrücklich vorsieht. Das genannte Recht garantiert jeder Person die Möglichkeit, im Verwaltungsverfahren sachdienlich und wirksam ihren Standpunkt vorzutragen, bevor ihr gegenüber eine Entscheidung erlassen wird, die für ihre Interessen nachteilig sein kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juni 2020, Kommission/RQ, C‑831/18 P, EU:C:2020:481, Rn. 67).

103    Art. 52 Abs. 1 der Charta lässt allerdings Einschränkungen der Ausübung der in der Charta verankerten Rechte, einschließlich des in ihrem Art. 41 verankerten Anspruchs auf rechtliches Gehör, zu. Art. 52 Abs. 1 der Charta verlangt jedoch, dass jede Einschränkung gesetzlich vorgesehen ist und den Wesensgehalt des betreffenden Grundrechts achtet. Er verlangt außerdem, dass eine solche Einschränkung unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich ist und tatsächlich den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen entspricht (Urteil vom 18. Juni 2020, Kommission/RQ, C‑831/18 P, EU:C:2020:481, Rn. 71).

104    Außerdem ist das Vorliegen einer Verletzung der Verteidigungsrechte anhand der besonderen Umstände jedes Einzelfalls zu prüfen, insbesondere anhand der Natur des betreffenden Rechtsakts, des Kontexts seines Erlasses sowie der Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. September 2013, G. und R., C‑383/13 PPU, EU:C:2013:533, Rn. 34, und vom 9. Februar 2017, M, C‑560/14, EU:C:2017:101, Rn. 33).

105    Der erste Klagegrund ist anhand dieser Grundsätze zu prüfen.

106    Vorab ist festzustellen, dass Art. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 entgegen dem Vorbringen der Kommission insoweit keine Auswirkungen hat. Das Argument der Kommission, ein Dritter, der sie nicht im Einklang mit dieser Bestimmung unterrichtet habe, sei in seinem Recht auf Anhörung im Rahmen eines Verfahrens gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 „präkludiert“, entbehrt nämlich jeder Grundlage, da sich das in Art. 2 vorgesehene Unterrichtungsverfahren von dem in Art. 5 Abs. 2 vorgesehenen Genehmigungsverfahren unterscheidet.

107    Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass weder die Verordnung Nr. 2271/96 noch die Durchführungsverordnung 2018/1101 im Rahmen des Verfahrens zum Erlass eines Beschlusses nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 eine Beteiligung der von den restriktiven Maßnahmen betroffenen Dritten (etwa von Dritten, die sich wie die Klägerin auf der SDN-Liste befinden) vorsieht, in Bezug auf die ein Antragsteller (wie die Streithelferin) die Genehmigung erhalten möchte, den aufgeführten Gesetzen nachzukommen. Die genannten Verordnungen sehen nämlich keine verfahrensrechtliche Rolle für diese Dritten vor, die von der Kommission im Rahmen des Verfahrens zum Erlass eines Beschlusses nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 weder unterrichtet noch angehört werden.

108    Da nach dem einschlägigen rechtlichen Rahmen die Anhörung der von den restriktiven Maßnahmen betroffenen Dritten keine wesentliche, untrennbar mit der korrekten Willensbildung oder Willensäußerung des Urhebers des Rechtsakts verbundene Verfahrensvoraussetzung darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. März 2022, Kommission/Freistaat Bayern u. a., C‑167/19 P und C‑171/19 P, EU:C:2022:176, Rn. 89), ist das Argument der Klägerin zurückzuweisen, wonach die Tatsache, dass sie nicht gehört worden sei, im vorliegenden Fall eine Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift darstelle, die als solche zur Nichtigerklärung der angefochtenen Beschlüsse führen müsse.

109    Nach der oben in Rn. 102 angeführten Rechtsprechung kann allerdings, auch wenn die einschlägige Regelung das Recht, gehört zu werden, nicht ausdrücklich vorsieht, nicht ausgeschlossen werden, dass sich die von den restriktiven Maßnahmen betroffenen Dritten im Rahmen des zum Erlass eines Beschlusses nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 führenden Verfahrens auf ein solches Recht berufen können, falls ein solcher Beschluss für sie nachteilig ist.

110    Nach der oben in Rn. 103 angeführten Rechtsprechung kann die Ausübung des Rechts, gehört zu werden, jedoch Einschränkungen unterworfen werden. Im vorliegenden Fall rechtfertigten es nach Ansicht der Kommission mehrere dem durch die Verordnung Nr. 2271/96 geschaffenen System inhärente Gesichtspunkte, die von den restriktiven Maßnahmen betroffenen Dritten im Rahmen eines solchen Verfahrens nicht anzuhören. Daher ist zu klären, ob eine solche, dem einschlägigen rechtlichen Rahmen zu entnehmende Einschränkung des Rechts, gehört zu werden, wie sie die Kommission im Wesentlichen geltend macht, nach der genannten Rechtsprechung zulässig ist.

111    Erstens ist, wie sich aus der Prüfung des vierten Klagegrundes ergibt, das Fehlen von Bestimmungen, die ein Recht der von den restriktiven Maßnahmen betroffenen Dritten, gehört zu werden, vorsehen (siehe oben, Rn. 107), Teil eines Systems, das keine Berücksichtigung der Interessen dieser Dritten bei der Beurteilung eines gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 gestellten Genehmigungsantrags durch die Kommission vorsieht. Mit anderen Worten hat sich der Unionsgesetzgeber dafür entschieden, ein System zu schaffen, in dessen Rahmen die Interessen der betreffenden Dritten nicht berücksichtigt zu werden brauchen und sie nicht an den gemäß der genannten Bestimmung durchgeführten Verfahren beteiligt werden müssen.

112    Die von der Kommission nach dieser Bestimmung gestatteten Ausnahmen sollen nämlich unter bestimmten und ordnungsgemäß begründeten Umständen (fünfter Erwägungsgrund der Durchführungsverordnung 2018/1101) verhindern, dass die Nichteinhaltung der aufgeführten Gesetze zu einer schweren Schädigung der Interessen der Union oder des Antragstellers führt. Der Erlass eines Beschlusses nach der genannten Bestimmung entspricht daher dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen, die darin bestehen, die Interessen der Union oder von Personen, die Rechte aus dem AEU-Vertrag ausüben, vor schweren Schädigungen zu schützen, die sich aus der Nichteinhaltung der aufgeführten Gesetze ergeben könnten. Überdies hat die Kommission im vorliegenden Fall in jedem der angefochtenen Beschlüsse am Ende ihrer Beurteilung hervorgehoben, dass die Erteilung der Genehmigung nicht nur mit den Zielen der Verordnung Nr. 2271/96 im Einklang stehe, sondern auch mit den allgemeinen politischen Zielen der Union (38. Erwägungsgrund des ersten angefochtenen Beschlusses, 18. Erwägungsgrund des zweiten angefochtenen Beschlusses und 27. Erwägungsgrund des dritten angefochtenen Beschlusses); dies wird für sich genommen von der Klägerin nicht bestritten.

113    In diesem Rahmen stünde, wie die Kommission und die Streithelferin hervorheben, die Ausübung eines Rechts, gehört zu werden, durch die von den restriktiven Maßnahmen betroffenen Dritten in dem fraglichen Verfahren nicht nur mit den dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen, die mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 verfolgt werden, nicht im Einklang, sondern könnte auch die Verwirklichung dieser zum Schutz der Interessen der Union oder von Personen, die Rechte aus dem AEU-Vertrag ausüben, dienenden Zielsetzungen gefährden. Wie die Kommission erläutert, könnte die Ausübung des genannten Rechts nämlich zu einer unkontrollierten Verbreitung von Informationen führen. Insbesondere könnten die Behörden des Drittlands, in dem die aufgeführten Gesetze erlassen wurden, so Kenntnis davon erlangen, dass eine Person die Erteilung einer Genehmigung im Sinne der genannten Bestimmung beantragt hat und dass sie infolgedessen den extraterritorialen Rechtsvorschriften dieses Drittlands nachkommen wird oder nicht; dadurch entstünde die Gefahr, dass gegen diese Person Ermittlungen und Sanktionen gerichtet werden könnten und damit ihre Interessen und gegebenenfalls die der Union geschädigt würden. Wie die Kommission geltend macht, bestünde eine solche Gefahr insbesondere bei Personen, die eine Genehmigung beantragt, aber nicht erhalten haben, denn sie müssten das Verbot in Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2271/96 einhalten, und ihnen drohten Ermittlungen und Sanktionen seitens des Drittlands.

114    Unter diesen Umständen handelt es sich bei der Einschränkung des Rechts der von den restriktiven Maßnahmen betroffenen Dritten, im Rahmen des Verfahrens zum Erlass eines Beschlusses gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 gehört zu werden, um eine logische Folge des vom Unionsgesetzgeber mit dieser Verordnung eingeführten Systems, und sie erscheint erforderlich, damit die mit der Verordnung verfolgten Ziele erreicht werden können.

115    Zweitens gehört keines der Elemente, die der persönlichen Situation der betreffenden Dritten innewohnen, unmittelbar zu den Elementen, die der Genehmigungsantrag im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Durchführungsverordnung 2018/1101 umfassen muss („Die Anträge müssen den Namen und die Kontaktdaten des Antragstellers enthalten, ferner die Angabe der einzelnen betroffenen Bestimmungen der gelisteten extraterritorialen Rechtsakte oder der Folgemaßnahmen sowie eine Beschreibung des Gegenstands der beantragten Genehmigung und des Schadens, der durch Nichteinhaltung eintreten würde.“), oder zu den von der Kommission bei der Bewertung eines solchen Antrags im Sinne ihres Art. 4 zu berücksichtigenden Kriterien. Zwar ist in Art. 4 Buchst. n von „sonstige[n] relevante[n] Faktoren“ die Rede, doch kann diese Bestimmung nicht dahin ausgelegt werden, dass sie sich auf die persönliche Situation der von den restriktiven Maßnahmen betroffenen Dritten bezieht. Anhand der in Art. 4 der Verordnung vorgesehenen Kriterien soll nämlich beurteilt werden, ob eine schwere Schädigung der geschützten Interessen im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 eintreten würde. Die Interessen der genannten Dritten spielen aber im Rahmen dieser Beurteilung keine Rolle (siehe oben, Rn. 68 bis 72).

116    Überdies wird die Klägerin, wie die Kommission hervorhebt und wie sich aus den angefochtenen Beschlüssen ergibt, darin nur insofern erwähnt, als sie sich auf der SDN-Liste befindet oder in diesem Zusammenhang in den Genehmigungsanträgen der Streithelferin erwähnt wird (vgl. Erwägungsgründe 12 bis 14 sowie Art. 1 des ersten angefochtenen Beschlusses, Erwägungsgründe 11, 12 und 21 sowie Art. 1 und 4 des zweiten angefochtenen Beschlusses und Erwägungsgründe 11 bis 13 und 31 sowie Art. 1 und 4 des dritten angefochtenen Beschlusses), und die Kommission hat im Rahmen der Bewertung der in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 vorgesehenen Voraussetzungen anhand der Kriterien von Art. 4 der Durchführungsverordnung 2018/1101 kein ihrer persönlichen Situation innewohnendes Element berücksichtigt (vgl. Erwägungsgründe 16 bis 38 des ersten angefochtenen Beschlusses, Erwägungsgründe 14 bis 18 des zweiten angefochtenen Beschlusses und Erwägungsgründe 20 bis 27 des dritten angefochtenen Beschlusses).

117    Daraus folgt, dass nach dem durch die Verordnung Nr. 2271/96 geschaffenen System, insbesondere in Bezug auf den Erlass eines Beschlusses nach Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung, die von den restriktiven Maßnahmen betroffenen Dritten keine Fehler oder Elemente, die ihre persönliche Situation betreffen, geltend machen können, die für oder gegen den Erlass oder für einen bestimmten Inhalt eines solchen Beschlusses sprechen.

118    Unter diesen Umständen erscheint eine Einschränkung des Rechts der von den restriktiven Maßnahmen betroffenen Dritten, im Rahmen eines solchen Verfahrens gehört zu werden, in Anbetracht des einschlägigen rechtlichen Rahmens und der mit ihm verfolgten Ziele weder als unverhältnismäßig noch als Eingriff in den Wesensgehalt dieses Rechts.

119    Darüber hinaus beschränkt sich, wie die Kommission und die Streithelferin geltend machen, ein Beschluss, der wie die angefochtenen Beschlüsse nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 gefasst wird, darauf, dem Antragsteller die Genehmigung zu erteilen, den aufgeführten Gesetzen nachzukommen, ohne dadurch gegen das in Art. 5 Abs. 1 der Verordnung enthaltene Verbot zu verstoßen. Da die Genehmigung den Antragsteller nicht von der Einhaltung des nationalen Rechts und gegebenenfalls der übrigen einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts befreit, kann die Umsetzung der genehmigten Verhaltensweisen durch ihn u. a. im Rahmen eines innerstaatlichen Verwaltungsverfahrens oder eines innerstaatlichen Rechtsstreits Gegenstand einer Kontrolle sowohl anhand des nationalen Rechts als auch anhand der übrigen einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts sein.

120    Aus den vorstehenden Elementen, die der Natur der angefochtenen Beschlüsse, dem Kontext ihres Erlasses und den Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet innewohnen, ergibt sich, dass die aus dem einschlägigen rechtlichen Rahmen folgende und von der Kommission im Wesentlichen geltend gemachte Einschränkung des Rechts, gehört zu werden, unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles im Sinne der oben in Rn. 103 angeführten Rechtsprechung gerechtfertigt ist, da sie angesichts der mit der Verordnung Nr. 2271/96 und insbesondere mit ihrem Art. 5 Abs. 2 verfolgten Ziele erforderlich und verhältnismäßig ist. Die Kommission war daher nicht verpflichtet, die Klägerin im Rahmen des Verfahrens, das zum Erlass dieser Beschlüsse geführt hat, anzuhören.

121    Auch die von der Klägerin im Beweisangebot vom 17. März 2023 angeführte Tatsache, dass die Kommission nach der mündlichen Verhandlung in der vorliegenden Rechtssache einen anderen von restriktiven Maßnahmen betroffenen Dritten im Rahmen eines anderen Genehmigungsverfahrens gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 angehört habe, kann nicht zu einem abweichenden Ergebnis führen. Zum einen sind nämlich die Umstände, unter denen die Kommission einen anderen Dritten im Rahmen eines anderen Verfahrens angehört oder einbezogen haben soll, nicht klar erwiesen, und zum anderen soll die von der Klägerin angeführte Tatsache nach dem Erlass der angefochtenen Beschlüsse eingetreten sein, so dass sie unter den Umständen der vorliegenden Rechtssache irrelevant ist.

122    Folglich hat die Kommission das Recht der Klägerin, gehört zu werden, nicht verletzt.

123    Selbst wenn man unterstellt, dass die Kommission die Klägerin im vorliegenden Fall hätte anhören müssen, würde nach ständiger Rechtsprechung eine Verletzung des Rechts, gehört zu werden, nur dann zur Nichtigerklärung der am Ende des fraglichen Verwaltungsverfahrens erlassenen Entscheidung führen, wenn das Verfahren ohne diese Regelwidrigkeit zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juni 2020, Kommission/RQ, C‑831/18 P, EU:C:2020:481, Rn. 105 und die dort angeführte Rechtsprechung).

124    Insoweit darf von einem Kläger, der eine Verletzung seiner Verteidigungsrechte rügt, nicht der Nachweis verlangt werden, dass die Entscheidung des betreffenden Unionsorgans inhaltlich anders ausgefallen wäre, sondern lediglich, dass dies nicht völlig ausgeschlossen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juni 2020, Kommission/RQ, C‑831/18 P, EU:C:2020:481, Rn. 106).

125    Diese Frage ist außerdem anhand der speziellen tatsächlichen und rechtlichen Umstände des konkreten Falles zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juni 2020, Kommission/RQ, C‑831/18 P, EU:C:2020:481, Rn. 107).

126    Im vorliegenden Fall lässt das Vorbringen der Klägerin jedoch nicht den Schluss zu, dass es, wäre sie im Verwaltungsverfahren vor dem Erlass der angefochtenen Beschlüsse angehört worden, nicht völlig ausgeschlossen ist, dass diese Beschlüsse inhaltlich anders ausgefallen wären.

127    Erstens macht die Klägerin geltend, wenn sie angehört worden wäre, hätte die Kommission die streitige Genehmigung nicht rückwirkend erteilt. Dieses Vorbringen beruht jedoch auf einer falschen Prämisse, da die von der Kommission in den angefochtenen Beschlüssen erteilte streitige Genehmigung, wie sich aus der Prüfung des zweiten Klagegrundes ergibt, keine Rückwirkung hat.

128    Zweitens macht die Klägerin geltend, das Vorbringen der Streithelferin vor dem Landgericht Frankfurt am Main zum Fehlen einer rechtlichen Beziehung zwischen ihnen stehe im Widerspruch zu den angefochtenen Beschlüssen. Die Klägerin hat jedoch nicht erläutert, inwiefern sie sich in den Verwaltungsverfahren, die zum Erlass der angefochtenen Beschlüsse geführt haben, besser hätte verteidigen können. Sollte dieses Argument der Klägerin darauf abzielen, dass sie bei der Kommission auf das von der Streithelferin vor dem Landgericht Frankfurt am Main angeführte Fehlen einer rechtlichen Beziehung zwischen ihnen hätte verweisen können, ist festzustellen, dass sich dies nicht auf den Inhalt der angefochtenen Beschlüsse ausgewirkt hätte. Wie bereits oben in Rn. 83 ausgeführt, betreffen die angefochtenen Beschlüsse nämlich auch Leistungen, die der Klägerin nicht unmittelbar angeboten werden, sondern in deren Genuss sie nur mittelbar kommt (oder an denen sie nur mittelbar partizipiert).

129    Drittens macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, sie hätte der Kommission mitteilen können, dass die Streithelferin ihre Mittel unter Verstoß gegen die Verordnung Nr. 2271/96 schon vor der Erlangung der streitigen Genehmigung blockiert habe. Sie scheint damit zu suggerieren, dass einem Antragsteller, der gegen die Verordnung Nr. 2271/96 verstoßen habe, keine solche Genehmigung erteilt worden wäre. Unabhängig davon, dass es nicht Sache des Gerichts ist, zu klären, ob die Streithelferin Mittel der Klägerin unter Verstoß gegen die Verordnung Nr. 2271/96 ohne Genehmigung blockiert hat, genügt dazu die Feststellung, dass sich ein solches Vorbringen der Klägerin vor der Kommission nicht auf den Inhalt der angefochtenen Beschlüsse hätte auswirken können. Die Verordnung Nr. 2271/96 enthält nämlich keinen Anhaltspunkt dafür, dass eine Person, die gegen das in ihrem Art. 5 Abs. 1 vorgesehene Verbot verstoßen hat, keine Genehmigung im Sinne ihres Art. 5 Abs. 2 erhalten könnte. Schließlich betrifft die von der Kommission in den angefochtenen Beschlüssen erteilte streitige Genehmigung mangels Rückwirkung keine etwaigen früheren Verhaltensweisen des Antragstellers.

130    Viertens macht die Klägerin geltend, die Kommission habe außer Acht gelassen, dass die Möglichkeit bestanden hätte, alternative Mechanismen einzusetzen. Zum einen hat sie jedoch nicht angegeben, auf welche alternativen Mechanismen sie die Kommission hätte aufmerksam machen können, wenn sie angehört worden wäre, und welche Auswirkungen dies auf den Inhalt der angefochtenen Beschlüsse hätte haben können, sondern sie hat sich auf den vagen und unsubstantiierten Hinweis auf einen Mechanismus namens „INSTEX“ beschränkt, dessen Relevanz die Kommission im Übrigen bestreitet. Zum anderen geht, wie im Rahmen der Prüfung des vierten Klagegrundes ausgeführt, aus dem relevanten rechtlichen Rahmen nicht hervor, dass die Kommission das Bestehen alternativer Mechanismen prüfen oder berücksichtigen musste. Folglich ist, selbst wenn die Klägerin ein solches Argument im Verwaltungsverfahren, das zum Erlass der angefochtenen Beschlüsse geführt hat, hätte geltend machen können, nicht dargetan worden, dass es sich auf den Inhalt dieser Beschlüsse hätte auswirken können.

131    Überdies ist das Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, sie hätte konstruktive Vorschläge unterbreiten können, um nach einem Kompromiss zu suchen, der es insbesondere ermöglicht hätte, ihr Portfolio umzustrukturieren und dem Anliegen der Streithelferin gerecht zu werden, ebenfalls unerheblich, da es die Beziehungen zwischen der Klägerin und der Streithelferin und nicht den Inhalt der angefochtenen Beschlüsse betrifft.

132    Fünftens macht die Klägerin geltend, da sie nicht angehört und über die angefochtenen Beschlüsse informiert worden sei, sei sie gezwungen gewesen, kostspielige Klagen gegen mehrere Wirtschaftsteilnehmer zu erheben, um die Auszahlung ihrer Dividenden zu erreichen oder auch nur deren Status in Erfahrung zu bringen. Selbst wenn dieses Vorbringen zuträfe, was das Gericht im Rahmen der vorliegenden Rechtssache nicht zu klären hat, ist es in Bezug auf die Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren, das zum Erlass der angefochtenen Beschlüsse geführt hat, unerheblich, da es nicht die Frage betrifft, ob die angefochtenen Beschlüsse inhaltlich anders hätten ausfallen können.

133    Sechstens macht die Klägerin geltend, die Kommission habe nur die Interessen der Streithelferin berücksichtigt, nicht aber ihre eigenen. Dazu genügt der Hinweis, dass sich dieses Vorbringen mit dem Vorbringen im Rahmen des vierten Klagegrundes überschneidet und daher zurückzuweisen ist. Zum einen war die Kommission nämlich, wie sich aus der Prüfung dieses Klagegrundes ergibt, nicht verpflichtet, die Interessen der Klägerin zu berücksichtigen. Zum anderen ist nicht dargetan worden, wie es sich auf den Inhalt der angefochtenen Beschlüsse hätte auswirken können, wenn die Klägerin in der Lage gewesen wäre, der Kommission ihre Interessen deutlich zu machen.

134    Siebtens macht die Klägerin geltend, sie sei nicht zu den „gewichtigen Gründen“ gehört worden, die von der Kommission insbesondere im 14. Erwägungsgrund und in Art. 1 des ersten angefochtenen Beschlusses als Begründung für die Erteilung der streitigen Genehmigung herangezogen worden seien. Dazu genügt die Feststellung, dass das Vorbringen der Klägerin auf einem Fehlverständnis der angefochtenen Beschlüsse beruht, denn die Kommission hat die angefochtenen Beschlüsse nicht auf das Vorliegen „gewichtiger Gründe“ gestützt. Wie oben in Rn. 41 dargelegt, diente der Ausdruck „gewichtige Gründe“ in Art. 1 der angefochtenen Beschlüsse nämlich zur Definition der Voraussetzungen für die Anwendung der von der Kommission erteilten Genehmigung.

135    Aus dem Vorstehenden folgt, dass das Vorbringen der Klägerin vor dem Gericht selbst unter der Annahme, dass sie in dem Verwaltungsverfahren, das zum Erlass der angefochtenen Beschlüsse geführt hat, hätte angehört werden müssen, nicht den Schluss zulässt, dass nicht ausgeschlossen ist, dass die angefochtenen Beschlüsse, wenn sie angehört worden wäre, inhaltlich anders hätten ausfallen können.

136    Die Klägerin fügt noch hinzu, die Kommission hätte, um ihren Anspruch auf rechtliches Gehör zu wahren, zumindest den verfügenden Teil der angefochtenen Beschlüsse veröffentlichen müssen.

137    Ohne dass über die – von der Kommission in der mündlichen Verhandlung in Abrede gestellte – Zulässigkeit dieser Rüge entschieden zu werden braucht, genügt der Hinweis, dass es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass der Kommission eine solche Veröffentlichungspflicht oblag, zumal die Klägerin ihre Rüge auf keine einschlägige Bestimmung stützt. Aus der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angeführten Fn. 40 der Schlussanträge des Generalanwalts Hogan in der Rechtssache Bank Melli Iran (C‑124/20, EU:C:2021:386) ergibt sich nämlich keine solche Veröffentlichungspflicht, während die von ihr in ihren Schriftsätzen angesprochenen, dem vorliegenden gerichtlichen Verfahren innewohnenden Regeln und Umstände unerheblich sind. Außerdem kann eine Veröffentlichung der angefochtenen Beschlüsse nach ihrem Erlass keine Auswirkung auf die Ausübung eines etwaigen Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör während des Verwaltungsverfahrens haben, das zu ihrem Erlass geführt hat; die Klägerin hat auch nichts vorgetragen, was den gegenteiligen Schluss zuließe. Aus den gleichen Gründen ist im Rahmen der gerügten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, alternativ hätte die Kommission ihr die angefochtenen Beschlüsse nach deren Erlass mitteilen müssen.

138    Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Kommission, weil sie die angefochtenen Beschlüsse nach ihrem Erlass weder veröffentlicht noch der Klägerin mitgeteilt hat, einen Verfahrensfehler begangen hat, der zu einer Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör führen kann.

139    Der erste Klagegrund ist daher ebenfalls zurückzuweisen.

140    Folglich ist die Klage insgesamt abzuweisen, ohne dass über ihre Zulässigkeit zu entscheiden ist, zu der die Parteien in der mündlichen Verhandlung befragt worden sind. Unter den Umständen des vorliegenden Falles ist es nämlich nach den Grundsätzen einer geordneten Rechtspflege gerechtfertigt, die Klage als unbegründet abzuweisen, ohne zuvor über ihre Zulässigkeit zu entscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Februar 2002, Rat/Boehringer, C‑23/00 P, EU:C:2002:118, Rn. 52).

 Kosten

141    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission ihre eigenen Kosten und die Kosten der Kommission aufzuerlegen.

142    Nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung trägt die Streithelferin ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die IFIC Holding AG trägt ihre eigenen Kosten sowie die der Europäischen Kommission entstandenen Kosten.

3.      Die Clearstream Banking AG trägt ihre eigenen Kosten.

Van der Woude

Marcoulli

Frimodt Nielsen

Schwarcz

 

Norkus

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. Juli 2023.

Der Kanzler

 

Der Präsident

V. Di Bucci

 

S. Papasavvas


*      Verfahrenssprache: Deutsch.