Language of document : ECLI:EU:C:2022:835

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)

27. Oktober 2022(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Rechtsangleichung – Kraftfahrzeuge – Richtlinie 2007/46/EG – Technische Spezifikationen – Angebot zur Lieferung von Ersatzteilen, die den Originalen einer bestimmten Marke gleichwertig sind – Fehlen eines Nachweises der Genehmigung – Erklärung der Gleichwertigkeit mit dem Original durch den Bieter – Begriff ‚Hersteller‘ – Nachweise – Öffentliche Aufträge – Richtlinie 2014/25/EU“

In den verbundenen Rechtssachen C‑68/21 und C‑84/21

betreffend zwei Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) mit Entscheidungen vom 14. Dezember 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 3. und 11. Februar 2021, in den Verfahren

Iveco Orecchia SpA

gegen

APAM Esercizio SpA (C‑68/21),

Brescia Trasporti SpA (C‑84/21),

Beteiligte:

Veneta Servizi International Srl unipersonale,

VAR Srl,

Di Pinto & Dalessandro SpA,

Bellizzi Srl,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. G. Xuereb (Berichterstatter), des Richters A. Kumin und der Richterin I. Ziemele,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: C. Di Bella, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. März 2022,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Iveco Orecchia SpA, vertreten durch F. Brunetti und A. Vitale, Avvocati,

–        der APAM Esercizio SpA, vertreten durch E. Zani, Avvocato,

–        der Brescia Trasporti SpA, vertreten durch A. Salvadori, Avvocato,

–        der Veneta Servizi International Srl unipersonale, vertreten durch S. Lago, A. Calegari, N. Creuso, N. de Zan und A. Manzi, Avvocati,

–        der Var Srl, vertreten durch M. Goria und S. E. Viscio, Avvocati,

–        der Di Pinto & Dalessandro SpA sowie der Bellizzi Srl, vertreten durch M. Lancieri, Avvocato,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von C. Pluchino, Avvocatessa dello Stato,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Gattinara, M. Huttunen und K. Talabér-Ritz als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. Mai 2022

folgendes

Urteil

1        Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 3 Nr. 27 sowie der Art. 10, 19 und 28 der Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (Rahmenrichtlinie) (ABl. 2007, L 263, S. 1) sowie der Art. 60 und 62 der Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser‑, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG (ABl. 2014, L 94, S. 243).

2        Diese Ersuchen ergehen im Rahmen zweier Rechtsstreitigkeiten zwischen der Iveco Orecchia SpA auf der einen und der APAM Esercizio SpA (C‑68/21) sowie der Brescia Trasporti SpA (C‑84/21) auf der anderen Seite über zwei von den beiden Letztgenannten vergebene öffentliche Aufträge.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Richtlinie 2007/46

3        In den Erwägungsgründen 2, 3 und 14 der Richtlinie 2007/46 heißt es:

„(2)      Im Interesse der Verwirklichung und des Funktionierens des Binnenmarktes der Gemeinschaft sollten die Genehmigungssysteme der Mitgliedstaaten durch ein gemeinschaftliches Genehmigungsverfahren ersetzt werden, das auf dem Grundsatz einer vollständigen Harmonisierung beruht.

(3)      Die technischen Anforderungen für Systeme, Bauteile, selbstständige technische Einheiten und Fahrzeuge sollten in Rechtsakten harmonisiert und spezifiziert werden. Diese Rechtsakte sollten vor allem auf eine hohe Verkehrssicherheit, hohen Gesundheits- und Umweltschutz, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Benutzung abzielen.

(14)      Mit den Rechtsvorschriften für die Genehmigung von Fahrzeugen soll in erster Linie sichergestellt werden, dass neue Fahrzeuge, Bauteile und selbstständige technische Einheiten, die in Verkehr gebracht werden, ein hohes Sicherheits- und Umweltschutzniveau bieten. …“

4        Art. 1 („Gegenstand“) dieser Richtlinie sieht vor:

„Diese Richtlinie schafft einen harmonisierten Rahmen mit den Verwaltungsvorschriften und allgemeinen technischen Anforderungen für die Genehmigung aller in ihren Geltungsbereich fallenden Neufahrzeuge und der zur Verwendung in diesen Fahrzeugen bestimmten Systeme, Bauteile und selbstständigen technischen Einheiten; damit sollen ihre Zulassung, ihr Verkauf und ihre Inbetriebnahme in der Gemeinschaft erleichtert werden.

Diese Richtlinie enthält außerdem die Vorschriften für den Verkauf und die Inbetriebnahme von Teilen und Ausrüstungen für Fahrzeuge, die nach dieser Richtlinie genehmigt wurden.

Zur Durchführung dieser Richtlinie werden in Rechtsakten besondere technische Anforderungen für den Bau und den Betrieb von Fahrzeugen festgelegt; Anhang IV enthält eine vollständige Auflistung dieser Rechtsakte.“

5        Art. 2 („Geltungsbereich“) Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Diese Richtlinie gilt für die Typgenehmigung von Fahrzeugen, die in einer oder mehreren Stufen zur Teilnahme am Straßenverkehr konstruiert und gebaut werden, sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten, die für derartige Fahrzeuge konstruiert und gebaut sind.

…“

6        In Art. 3 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie heißt es:

„Im Sinne dieser Richtlinie und der in Anhang IV aufgeführten Rechtsakte – soweit dort nichts anderes bestimmt ist – bezeichnet der Ausdruck

1.      ‚Rechtsakt‘ eine Einzelrichtlinie, eine Einzelverordnung oder eine dem Geänderten Übereinkommen von 1958 als Anhang beigefügte UN/ECE‑Regelung;

2.      ‚Einzelrichtlinie oder Einzelverordnung‘ eine in Anhang IV Teil 1 aufgeführte Richtlinie oder Verordnung. Dieser Begriff erfasst auch deren Durchführungsrechtsakte;

3.      ‚Typgenehmigung‘ das Verfahren, nach dem ein Mitgliedstaat bescheinigt, dass ein Typ eines Fahrzeugs, eines Systems, eines Bauteils oder einer selbstständigen technischen Einheit den einschlägigen Verwaltungsvorschriften und technischen Anforderungen entspricht;

5.      ‚EG-Typgenehmigung‘ das Verfahren, nach dem ein Mitgliedstaat bescheinigt, dass ein Typ eines Fahrzeugs, eines Systems, eines Bauteils oder einer selbstständigen technischen Einheit den einschlägigen Verwaltungsvorschriften und technischen Anforderungen dieser Richtlinie und der in Anhang IV oder XI aufgeführten Rechtsakte entspricht;

23.      ‚System‘ eine den Anforderungen eines der Rechtsakte unterliegende Gesamtheit von Einrichtungen, die gemeinsam eine oder mehrere bestimmte Funktionen in einem Fahrzeug erfüllen;

24.      ‚Bauteil‘ eine den Anforderungen eines Rechtsakts unterliegende Einrichtung, die Bestandteil eines Fahrzeugs sein soll und für die unabhängig von einem Fahrzeug eine Typgenehmigung erteilt werden kann, sofern der Rechtsakt dies ausdrücklich vorsieht;

25.      ‚selbstständige technische Einheit‘ eine den Anforderungen eines Rechtsakts unterliegende Einrichtung, die Bestandteil eines Fahrzeugs sein soll und für die gesondert, jedoch nur in Bezug auf einen oder mehrere bestimmte Fahrzeugtypen eine Typgenehmigung erteilt werden kann, sofern der Rechtsakt dies ausdrücklich vorsieht;

26.      ‚Originalteil oder ‑ausrüstung‘ ein Teil oder eine Ausrüstung, das/die nach den Spezifikationen und Produktionsnormen gefertigt wird, die der Fahrzeughersteller für die Fertigung von Teilen oder Ausrüstungen für den Bau des betreffenden Fahrzeugs vorschreibt. Hierzu gehören Teile oder Ausrüstungen, die auf derselben Fertigungsstraße gefertigt wurden wie die Teile oder Ausrüstungen für den Bau des Fahrzeugs. Bis zum Nachweis des Gegenteils ist davon auszugehen, dass Teile Originalteile sind, wenn der Hersteller bescheinigt, dass die Teile die gleiche Qualität aufweisen wie die für den Bau des betreffenden Fahrzeugs verwendeten Bauteile und nach den Spezifikationen und Produktionsnormen des Fahrzeugherstellers gefertigt wurden;

27.      ‚Hersteller‘ die Person oder Stelle, die gegenüber der Genehmigungsbehörde für alle Belange des Typgenehmigungs- oder Autorisierungsverfahrens sowie für die Sicherstellung der Übereinstimmung der Produktion verantwortlich ist. Die Person oder Stelle muss nicht notwendigerweise an allen Stufen der Herstellung des Fahrzeugs, des Systems, des Bauteils oder der selbstständigen technischen Einheit, das bzw. die Gegenstand des Genehmigungsverfahrens ist, unmittelbar beteiligt sein;

…“

7        In Art. 5 („Pflichten der Hersteller“) der Richtlinie 2007/46 heißt es:

„(1)      Der Hersteller ist gegenüber der Genehmigungsbehörde für alle Belange des Genehmigungsverfahrens und für die Sicherstellung der Übereinstimmung der Produktion verantwortlich, und zwar auch dann, wenn er nicht an allen Stufen der Herstellung des Fahrzeugs, des Systems, des Bauteils oder der selbstständigen technischen Einheit unmittelbar beteiligt ist.

…“

8        In Art. 10 („Spezifische Bestimmungen für Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten“) der Richtlinie heißt es:

„(1)      Die Mitgliedstaaten erteilen eine EG-Typgenehmigung für ein System, das mit den Angaben in der Beschreibungsmappe übereinstimmt und den technischen Anforderungen der in Anhang IV oder Anhang XI aufgeführten einschlägigen Einzelrichtlinie oder Einzelverordnung entspricht.

(2)      Die Mitgliedstaaten erteilen eine entsprechende EG-Typgenehmigung für ein Bauteil oder eine selbstständige technische Einheit, das/die mit den Angaben in der Beschreibungsmappe übereinstimmt und den technischen Anforderungen der in Anhang IV aufgeführten einschlägigen Einzelrichtlinie oder Einzelverordnung entspricht.

…“

9        In Art. 19 („EG-Typgenehmigungszeichen“) der Richtlinie heißt es:

„(1)      Der Hersteller eines Bauteils oder einer selbstständigen technischen Einheit versieht alle in Übereinstimmung mit dem genehmigten Typ hergestellten Bauteile bzw. selbstständigen technischen Einheiten, auch wenn sie Bestandteil von Systemen sind, mit dem in der betreffenden Einzelrichtlinie oder Einzelverordnung vorgeschriebenen EG-Typgenehmigungszeichen.

(2)      Ist kein EG-Typgenehmigungszeichen erforderlich, so bringt der Hersteller mindestens seinen Firmennamen oder sein Firmenzeichen sowie die Typennummer und/oder eine Identifizierungsnummer an.

…“

10      Art. 28 („Verkauf und Inbetriebnahme von Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten“) Abs. 1 der Richtlinie sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten gestatten den Verkauf oder die Inbetriebnahme von Bauteilen oder selbstständigen technischen Einheiten dann und nur dann, wenn sie den Anforderungen der einschlägigen Rechtsakte entsprechen und nach Artikel 19 ordnungsgemäß gekennzeichnet sind.“

11      Art. 38 („Für Hersteller von Bauteilen oder selbstständigen technischen Einheiten bestimmte Informationen“) Abs. 1 der Richtlinie 2007/46 bestimmt:

„Der Fahrzeughersteller muss den Herstellern von Bauteilen oder selbstständigen technischen Einheiten alle Angaben, gegebenenfalls auch Zeichnungen, zur Verfügung stellen, die im Anhang oder in der Anlage eines Rechtsakts ausdrücklich genannt sind und für die EG-Typgenehmigung von Bauteilen oder selbstständigen technischen Einheiten oder für den Erhalt einer Erlaubnis nach Artikel 31 benötigt werden.

…“

12      Anhang IV („Aufstellung der für die EG-Typgenehmigung für Fahrzeuge anzuwendenden Vorschriften“) der Richtlinie 2007/46 besteht aus zwei Teilen. Teil I dieses Anhangs enthält die Aufstellung der Rechtsakte der Union, während in Teil II bestimmte Regelungen der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UN/ECE) aufgelistet sind und klargestellt wird, dass eine Genehmigung nach diesen Regelungen als gleichwertige Alternative zu einer EG-Typgenehmigung nach der in der Tabelle des Teils I aufgeführten Einzelrichtlinie oder Einzelverordnung betrachtet wird.

 Verordnung (EG) Nr. 1400/2002

13      Art. 1 Buchst. u der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 der Kommission vom 31. Juli 2002 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrags auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugsektor (ABl. 2002, L 203, S. 30), die gemäß ihrem Art. 12 Abs. 3 bis zum 31. Mai 2010 galt, sah folgende Begriffsbestimmung vor:

„‚Qualitativ gleichwertige Ersatzteile‘ sind Ersatzteile, die von einem Unternehmen hergestellt werden, das jederzeit bescheinigen kann, dass die fraglichen Teile den Bauteilen, die bei der Montage der fraglichen Fahrzeuge verwendet werden oder wurden, qualitativ entsprechen.“

 Richtlinie 2014/25

14      In den Erwägungsgründen 56 und 83 der Richtlinie 2014/25 heißt es:

„(56)      Keine Bestimmung dieser Richtlinie sollte dem Erlass oder der Durchsetzung von Maßnahmen, die zum Schutz der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Sittlichkeit und der öffentlichen Sicherheit, zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen und Tieren oder zur Erhaltung pflanzlichen Lebens notwendig sind, oder von sonstigen Umweltschutzmaßnahmen, insbesondere mit Blick auf eine nachhaltige Entwicklung, entgegenstehen, sofern diese Maßnahmen mit dem AEUV im Einklang stehen.

(83)      …

Folglich sollten technische Spezifikationen so abgefasst sein, dass eine künstliche Einengung des Wettbewerbs vermieden wird, zu der es kommen könnte, wenn Anforderungen festgelegt würden, die einen bestimmten Wirtschaftsteilnehmer begünstigen, indem auf wesentliche Merkmale der vom betreffenden Wirtschaftsteilnehmer angebotenen Lieferungen, Dienstleistungen oder Bauleistungen abgestellt wird. Die Formulierung technischer Spezifikationen in Form von Funktions- und Leistungsanforderungen erlaubt es in der Regel, dieses Ziel bestmöglich zu erreichen. …

…“

15      Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich“) dieser Richtlinie sieht vor:

„(1)      Mit dieser Richtlinie werden die Regeln für die Verfahren von Auftraggebern zur Vergabe von Aufträgen und der Durchführung von Wettbewerben festgelegt, deren geschätzter Wert nicht unter den in Artikel 15 festgelegten Schwellenwerten liegt.

(2)      Auftragsvergabe im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet den Erwerb von Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen mittels eines Liefer‑, Bauleistungs- oder Dienstleistungsauftrags durch einen oder mehrere Auftraggeber von Wirtschaftsteilnehmern, die von diesen Auftraggebern ausgewählt werden, sofern die Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen für einen der in Artikel 8 bis 14 genannten Zwecke bestimmt sind.“

16      Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck ‚öffentliche Auftraggeber‘ den Staat, die Gebietskörperschaften, die Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder die Verbände, die aus einer oder mehrerer dieser Körperschaften oder Einrichtungen des öffentlichen Rechts bestehen.“

17      Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2014/25 lautet:

„Im Sinne dieser Richtlinie sind Auftraggeber Stellen, die

a)      öffentliche Auftraggeber oder öffentliche Unternehmen sind und eine Tätigkeit im Sinne der Artikel 8 bis 14 ausüben“.

18      In Art. 11 („Verkehrsleistungen“) der Richtlinie heißt es:

„Unter diese Richtlinie fallen die Bereitstellung oder das Betreiben von Netzen zur Versorgung der Allgemeinheit mit Verkehrsleistungen per Eisenbahn, automatischen Systemen, Straßenbahn, Trolleybus, Bus oder Seilbahn.

…“

19      Art. 15 der Richtlinie sah in seiner auf die Sachverhalte der Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung vor, dass die Richtlinie bei Lieferaufträgen für Aufträge galt, deren geschätzter Wert ohne Mehrwertsteuer den Schwellenwert von 414 000 Euro nicht unterschritt, sofern diese Aufträge nicht aufgrund der in den Art. 18 bis 23 vorgesehenen Ausnahmen oder gemäß Art. 34 in Bezug auf die Ausübung der betreffenden Tätigkeit ausgeschlossen waren.

20      In Art. 60 („Technische Spezifikationen“) der Richtlinie heißt es:

„(1)      Die technischen Spezifikationen im Sinne von Anhang VIII Nummer 1 sind in den Auftragsunterlagen darzulegen. In den technischen Spezifikationen werden die für die Bauleistungen, Dienstleistungen oder Lieferungen geforderten Merkmale festgelegt.

(2)      Die technischen Spezifikationen müssen allen Wirtschaftsteilnehmern den gleichen Zugang zum Vergabeverfahren garantieren und dürfen die Öffnung der öffentlichen Beschaffungsmärkte für den Wettbewerb nicht in ungerechtfertigter Weise behindern.

(3)      Unbeschadet zwingender nationaler Vorschriften, soweit diese mit dem Unionsrecht vereinbar sind, sind die technischen Spezifikationen auf eine der nachfolgend genannten Arten zu formulieren:

b)      unter Bezugnahme auf technische Spezifikationen und – in dieser Rangfolge – auf nationale Normen, mit denen europäische Normen umgesetzt werden, europäische technische Bewertungen, gemeinsame technische Spezifikationen, internationale Normen und andere technische Bezugssysteme, die von den europäischen Normungsgremien erarbeitet wurden oder – falls solche Normen und Spezifikationen fehlen – unter Bezugnahme auf nationale Normen, nationale technische Zulassungen oder nationale technische Spezifikationen für die Planung, Berechnung und Ausführung von Bauleistungen und den Einsatz von Lieferungen; jede Bezugnahme ist mit dem Zusatz ‚oder gleichwertig‘ zu versehen;

(4)      Soweit es nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist, darf in technischen Spezifikationen nicht auf eine bestimmte Herstellung oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren, das die von einem bestimmten Wirtschaftsteilnehmer bereitgestellten Waren oder Dienstleistungen charakterisiert, oder auf Marken, Patente, Typen, einen bestimmten Ursprung oder eine bestimmte Herstellung verwiesen werden, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden. Solche Verweise sind jedoch ausnahmsweise zulässig, wenn der Auftragsgegenstand nach Absatz 3 nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann. Ein derartiger Verweis ist mit dem Zusatz ‚oder gleichwertig‘ zu versehen.

(5)      Macht der Auftraggeber von der Möglichkeit Gebrauch, auf die in Absatz 3 Buchstabe b genannten technischen Spezifikationen zu verweisen, so kann [er] ein Angebot nicht mit der Begründung ablehnen, die angebotenen Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen entsprächen nicht den von [ihm] herangezogenen technischen Spezifikationen, sofern der Bieter in seinem Angebot de[m] Auftraggebe[r] mit geeigneten Mitteln – einschließlich der in Artikel 62 genannten – nachweist, dass die von ihm vorgeschlagenen Lösungen den Anforderungen der technischen Spezifikation, auf die Bezug genommen wurde, gleichermaßen entsprechen.

…“

21      In Art. 62 („Testberichte, Zertifizierung und sonstige Nachweise“) der Richtlinie 2014/25 heißt es:

„(1)      Die Auftraggeber können den Wirtschaftsteilnehmern vorschreiben, einen Testbericht einer Konformitätsbewertungsstelle oder eine von dieser ausgegebene Zertifizierung als Nachweis für die Konformität mit den Anforderungen oder Kriterien gemäß den technischen Spezifikationen, den Zuschlagskriterien oder den Bedingungen für die Auftragsausführung beizubringen.

In Fällen, in denen die Auftraggeber die Vorlage von Bescheinigungen einer bestimmten Konformitätsbewertungsstelle verlangen, akzeptieren sie auch Zertifikate anderer Konformitätsbewertungsstellen.

(2)      Die Auftraggeber akzeptieren auch andere geeignete Nachweise als die in Absatz 1 genannten, wie z. B. ein technisches Dossier des Herstellers, wenn der betreffende Wirtschaftsteilnehmer keinen Zugang zu den in Absatz 1 genannten Zertifikaten oder Testberichten oder keine Möglichkeit hatte, diese innerhalb der einschlägigen Fristen einzuholen, sofern der betreffende Wirtschaftsteilnehmer den fehlenden Zugang nicht zu verantworten hat und sofern er anhand dieser Nachweise belegt, dass die von ihm erbrachten Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen die in den technischen Spezifikationen, den Zuschlagskriterien oder den Bedingungen für die Auftragsausführung festgelegten Anforderungen oder Kriterien erfüllen.

…“

 Italienisches Recht

 Dekret Nr. 32721 des Ministeriums für Infrastruktur und Verkehr vom 28. April 2008

22      Die Richtlinie 2007/46 wurde durch das Decreto n.°32721 del Ministero delle Infrastrutture e dei Trasporti – Recepimento della direttiva 2007/46/CE del Parlamento europeo e del Consiglio del 5 settembre 2007, relativa all’omologazione dei veicoli a motore e dei loro rimorchi, nonché dei sistemi, componenti ed entità tecniche destinati a tali veicoli (Dekret Nr. 32721 des Ministeriums für Infrastruktur und Verkehr zur Umsetzung der Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge) vom 28. April 2008 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 162 vom 12. Juli 2008) in italienisches Recht umgesetzt.

23      In Art. 3 Buchst. ff dieses Dekrets ist „Hersteller“ definiert als „die Person oder Stelle, die gegenüber der Genehmigungsbehörde für alle Belange des Typgenehmigungs- oder Autorisierungsverfahrens sowie für die Sicherstellung der Übereinstimmung der Produktion verantwortlich ist. Die Person oder Stelle muss nicht notwendigerweise an allen Stufen der Herstellung des Fahrzeugs, des Systems, des Bauteils oder der selbstständigen technischen Einheit, das bzw. die Gegenstand des Genehmigungsverfahrens ist, unmittelbar beteiligt sein“.

 Dekret Nr. 445 des Präsidenten der Republik vom 28. Dezember 2000

24      In Art. 49 des Decreto del Presidente della Repubblica n.°445 – Testo unico delle disposizioni legislative e regolamentari in materia di documentazione amministrativa (Dekret Nr. 445 des Präsidenten der Republik – Einheitstext der Gesetze und Verordnungen betreffend Verwaltungsunterlagen) vom 28. Dezember 2000 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 42 vom 20. Februar 2001) heißt es: „… Ursprungsbescheinigungen, EG-Übereinstimmungsbescheinigungen sowie Bescheinigungen über Marken oder Patente können nicht durch ein anderes Dokument ersetzt werden, sofern in den Rechtsvorschriften in diesem Sektor nichts anderes bestimmt ist“.

 Decreto legislativo Nr. 50 vom 18. April 2016

25      In Art. 68 des Decreto legislativo n.°50 – Codice dei contratti pubblici (Decreto legislativo Nr. 50 – Gesetzbuch über öffentliche Aufträge) vom 18. April 2016 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 91 vom 19. April 2016) heißt es:

„(1)      Die technischen Spezifikationen im Sinne von Anhang XIII Nummer 1 sind in den Auftragsunterlagen darzulegen und beschreiben die für die Bauleistungen, Dienstleistungen oder Lieferungen geforderten Merkmale. …

(5)      Unbeschadet zwingender nationaler Vorschriften sind die technischen Spezifikationen auf eine der nachfolgend genannten Arten zu formulieren: … b) unter Bezugnahme auf technische Spezifikationen und – in dieser Rangfolge – auf nationale Normen, mit denen europäische Normen umgesetzt werden, europäische technische Bewertungen, gemeinsame technische Spezifikationen, internationale Normen und andere technische Bezugssysteme, die von den europäischen Normungsgremien erarbeitet wurden oder – falls solche Normen und Spezifikationen fehlen – unter Bezugnahme auf nationale Normen, nationale technische Zulassungen oder nationale technische Spezifikationen für die Planung, Berechnung und Ausführung von Bauleistungen und den Einsatz von Lieferungen. Jede Bezugnahme ist mit dem Zusatz ‚oder gleichwertig‘ zu versehen; …

(6)      Soweit es nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist, darf in technischen Spezifikationen nicht auf eine bestimmte Herstellung oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren, das die von einem bestimmten Wirtschaftsteilnehmer bereitgestellten Waren oder Dienstleistungen charakterisiert, oder auf Marken, Patente, Typen, einen bestimmten Ursprung oder eine bestimmte Herstellung verwiesen werden, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden. Solche Verweise sind jedoch ausnahmsweise zulässig, wenn der Auftragsgegenstand nach Absatz 5 nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann. Ein derartiger Verweis ist mit dem Zusatz ‚oder gleichwertig‘ zu versehen.

(7)      Macht der öffentliche Auftraggeber von der Möglichkeit Gebrauch, auf die in Absatz 5 Buchstabe b genannten technischen Spezifikationen zu verweisen, so kann er ein Angebot nicht mit der Begründung für unzulässig erklären oder ablehnen, die angebotenen Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen entsprächen nicht den von ihm herangezogenen technischen Spezifikationen, sofern der Bieter in seinem Angebot dem Auftraggeber mit geeigneten Mitteln – einschließlich der in Artikel 86 genannten – nachweist, dass die vorgeschlagenen Lösungen den Anforderungen der technischen Spezifikationen, auf die Bezug genommen wurde, gleichermaßen entsprechen.“

26      Art. 86 Abs. 5 dieses Decreto legislativo sieht vor, dass „[d]er Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit des Wirtschaftsteilnehmers … je nach Art, Menge oder Umfang oder Verwendungszweck der Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen auf eine oder mehrere der in Anhang XVII Teil II aufgelisteten Weisen erbracht werden [kann]“.

27      Gemäß Anhang XVII Teil II Buchst. k des Decreto legislativo kann der Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit in Bezug auf die zu liefernden Waren wie folgt erbracht werden: „i) durch Muster, Beschreibungen oder Fotografien, wobei die Echtheit auf Verlangen des öffentlichen Auftraggebers nachweisbar sein muss; ii) durch Bescheinigungen, die von als zuständig anerkannten Instituten oder amtlichen Stellen für Qualitätskontrolle ausgestellt wurden und in denen bestätigt wird, dass die durch entsprechende Bezugnahmen genau bezeichneten Waren bestimmten technischen Spezifikationen oder Normen entsprechen“.

 Ausgangsrechtsstreitigkeiten und Vorlagefragen

 Rechtssache C68/21

28      Mit einer am 21. August 2018 veröffentlichten Ausschreibungsbekanntmachung leitete APAM Esercizio, ein öffentliches Unternehmen, das im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs in Mantua (Italien) tätig ist, ein Verfahren zum Abschluss eines Rahmenvertrags über die Lieferung „von Iveco-Originalersatzteilen oder gleichwertigen Ersatzteilen für Omnibusse“ ein, dessen Wert auf 710 000 Euro veranschlagt wurde.

29      Art. 5.1 („Typologie der Ersatzteile“) des Lastenhefts unterschied zwischen drei Arten von Ersatzteilen, nämlich „Ersatzteile[n], die für die Sicherheit des Fahrzeugs und den Schutz der Umwelt bestimmt sind“, „Originalersatzteile[n] (bzw. Teile[n] für die Erstmontage)“ und „gleichwertige[n] Ersatzteile[n]“, wobei letztere definiert wurden als „Ersatzteile (Bauteile, Ausrüstungen) gleichwertiger Qualität wie das Original oder Teile, die den für die Montage des Fahrzeugs verwendeten Bauteilen, die gemäß den technischen Spezifikationen und den Produktionsstandards des Herstellers des Originalersatzteils hergestellt wurden, zumindest qualitativ gleichwertig sind“.

30      Insoweit wurde klargestellt, dass „die genannten [gleichwertigen] Ersatzteile nach Unionsrecht und den geltenden Rechtsvorschriften von jedem Unternehmen hergestellt werden können, das jederzeit nach geltendem Recht (UNI-CEI-ENISO/IEC 17050) nachweisen kann, dass die hergestellten Ersatzteile qualitativ den für die Montage der jeweiligen Fahrzeuge verwendeten Originalbauteilen entsprechen“.

31      In Art. 5.2 („Bescheinigungen und Erklärungen“) des Lastenhefts hieß es, dass der Bieter im Fall eines gleichwertigen Ersatzteils „im Rahmen der Ausschreibung für ein angebotenes gleichwertiges Ersatzteil die Übereinstimmungsbescheinigung oder eine vom Hersteller und/oder der Genehmigungsbehörde und/oder einem Labor für zertifizierte Prüfungen nach Norm ISO 45000 ausgestellte spezifische Genehmigung des Ersatzteils vorlegen muss“.

32      Als Verwaltungsunterlagen waren gemäß Art. 15 („Verwaltungsunterlagen“) Buchst. d des Lastenhefts mit dem Angebot einzureichen „für jedes angebotene gleichwertige Ersatzteil die geeigneten technischen Unterlagen zusammen mit: … einem Genehmigungsbogen für das Produkt, sofern ein solcher vorgeschrieben ist, ausgestellt vom Hersteller des angebotenen gleichwertigen Ersatzteils; einer Bescheinigung der Gleichwertigkeit des angebotenen Produkts mit dem entsprechenden Originalprodukt (oder dem für die erste Montage vorgesehene Produkt) in Bezug auf die perfekte Austauschbarkeit – ohne dass es irgendeiner Anpassung bedarf – des Ersatzteils der Baugruppe oder des Systems, in die bzw. das es eingebaut werden soll, und in Bezug auf Leistungsmerkmale, die eine regelmäßige Funktionalität und Sicherheit des Produkts innerhalb des Systems sowie eine identische Lebensdauer gewährleisten, ausgestellt vom Hersteller des angebotenen gleichwertigen Ersatzteils“.

33      Drei Unternehmen nahmen an dem Ausschreibungsverfahren teil, darunter die Veneta Servizi International Srl unipersonale (im Folgenden: VSI) und Iveco Orecchia, zwei in Italien ansässige Unternehmen.

34      Mit Entscheidung vom 29. Januar 2019 vergab APAM Esercizio den Auftrag endgültig an VSI.

35      Mit einer beim Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia – Sezione staccata di Brescia (Regionales Verwaltungsgericht für die Lombardei – Außenstelle Brescia, Italien) erhobenen Klage focht die zweitplatzierte Iveco Orecchia die Vergabe des Auftrags an VSI an. Zur Stützung dieser Klage machte Iveco Orecchia u. a. geltend, VSI hätte wegen der Unvollständigkeit des von ihr eingereichten Angebots von der Ausschreibung ausgeschlossen werden müssen, da dieses Unternehmen zum Nachweis der Konformität der angeblich von ihm hergestellten Ersatzteile mit den technischen Spezifikationen die Genehmigungs- oder Konformitätsbögen sowie die technischen Unterlagen, deren Vorlage unter Androhung des Ausschlusses im Lastenheft vorgesehen gewesen sei, nicht eingereicht habe. Nach Ansicht von Iveco Orecchia hatte VSI nämlich lediglich eine allgemeine Eigenbescheinigung der Gleichwertigkeit dieser Ersatzteile vorgelegt und dabei, obwohl sie nur Händlerin sei, behauptet, sie sei Herstellerin dieser Ersatzteile.

36      Mit Urteil vom 25. Juni 2019 wies das Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia – Sezione staccata di Brescia (Regionales Verwaltungsgericht für die Lombardei – Außenstelle Brescia) die Klage von Iveco Orecchia als unbegründet ab. Dieses Gericht war u. a. der Ansicht, dass die der Ausschreibung beigefügte Regelung über die von den Bietern einzureichenden Unterlagen die Vorlage einer Konformitätsbescheinigung oder einer spezifischen Genehmigung verlangt habe, was bedeute, dass die Vorlage einer solchen Bescheinigung genügt habe. Außerdem habe Iveco Orecchia hinsichtlich der vom relevanten Markt erfassten einzelnen Ersatzteile nicht nachgewiesen, auf welcher Rechtsgrundlage auch ein Nachweis über die Genehmigung dieser Ersatzteile hätte vorgelegt werden müssen.

37      Iveco Orecchia legte gegen dieses Urteil beim Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) ein Rechtsmittel ein.

 Rechtssache C84/21

38      Mit einer am 21. November 2018 veröffentlichten Ausschreibungsbekanntmachung leitete Brescia Trasporti, ein öffentliches Unternehmen, das im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs in Brescia (Italien) tätig ist, ein Vergabeverfahren mit einem auf 2 100 000 Euro veranschlagten Auftragswert „für die Lieferung von Ersatzteilen für mit einem Iveco-Motor ausgestattete Omnibusse der Marke Iveco – Cig 7680570EDB“ ein.

39      Art. 1 („Technische Definitionen“) der technischen Spezifikationen, die den Ausschreibungsunterlagen beigefügt waren, definierte drei Arten von Ersatzteilen, nämlich „Originalersatzteile“, „Ersatzteile, die für die Sicherheit des Fahrzeugs und den Schutz der Umwelt bestimmt sind“ und „gleichwertige Ersatzteile“, wobei letztere definiert wurden als „[Ersatzteile], die den für die Montage des Fahrzeugs verwendeten Bauteilen, die gemäß den technischen Spezifikationen und den Produktionsstandards des Herstellers des Originalersatzteils hergestellt wurden, zumindest qualitativ gleichwertig sind“.

40      Nach Art. 3 der technischen Spezifikationen war dem Angebot, was „qualitativ gleichwertige Ersatzteile“ anbelangt, unter Androhung des Ausschlusses ein „Zertifikat des Herstellers des Ersatzteils“ beizufügen, „das für jedes Ersatzteil bescheinigt, i) dass die Ersatzteile qualitativ so hochwertig sind, dass ihre Verwendung den Ruf des autorisierten Netzes nicht gefährdet und ii) dass sie mit den Originalersatzteilen vollständig austauschbar sind, … ohne dass es einer Anpassung des Ersatzteils, der Baugruppe oder des Systems, in die bzw. das es eingebaut werden muss, bedarf“. Diese Bestimmung sah auch vor, dass „[d]er Lieferant … außerdem den Genehmigungsbogen für das Produkt vorzulegen [hat], wenn dies vorgeschrieben ist. Für die Bremsbeläge, die Bremsscheiben und die Trommeln hat der Lieferant neben den oben genannten Unterlagen die Bescheinigung über die gemeinschaftliche Genehmigung [nach der Regelung Nr. 90 (UN/ECE)] vorzulegen.“

41      Zwei Unternehmen nahmen an dem Ausschreibungsverfahren teil, nämlich die VAR Srl, eine ebenfalls in Italien ansässige Gesellschaft, und Iveco Orecchia.

42      Mit Entscheidung vom 28. Februar 2019 vergab Brescia Trasporti den Auftrag endgültig an VAR.

43      Mit einer beim Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia – Sezione staccata di Brescia (Regionales Verwaltungsgericht für die Lombardei – Außenstelle Brescia) erhobenen Klage focht die zweitplatzierte Iveco Orecchia die Entscheidung über die Vergabe des Auftrags an VAR an. Zur Stützung dieser Klage machte Iveco Orecchia u. a. geltend, VAR hätte wegen der Unvollständigkeit des von ihr eingereichten Angebots von der Ausschreibung ausgeschlossen werden müssen, da dieses Unternehmen in Bezug auf die von ihm angebotenen gleichwertigen Ersatzteile keine Bescheinigungen des Herstellers vorgelegt habe, die die Gleichwertigkeit der von diesem Unternehmen angebotenen Ersatzteile belegen würden. Die von VAR selbst ausgestellten Bescheinigungen seien ohne Bedeutung, da VAR Händlerin für Ersatzteile und nicht Herstellerin von Ersatzteilen sei. Außerdem habe VAR weder Bescheinigungen vorgelegt, die die Genehmigung dieser Ersatzteile belegten, noch Angaben zu deren etwaiger Genehmigung gemacht.

44      Mit Urteil vom 26. August 2019 wies das Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia – Sezione staccata di Brescia (Regionales Verwaltungsgericht für die Lombardei – Außenstelle Brescia) die Klage von Iveco Orecchia als unbegründet ab. Dieses Gericht war u. a. der Ansicht, dass ein Bieter, der die Gleichwertigkeit seiner Produkte nachweise, nicht von einer Ausschreibung ausgeschlossen werden könne und dass die einschlägige Regelung nicht verlange, dass jedes Bauteil eines Fahrzeugs genehmigt worden sei. Die Auffassung, dass alle Ersatzteile, die von den in Anhang IV der Richtlinie 2007/46 aufgeführten Rechtsakten erfasst würden, eigens genehmigt werden müssten, sei unbegründet. Das Fehlen eines Nachweises einer Genehmigung für die von VAR angebotenen gleichwertigen Ersatztrommelbremsen, für die nach der UN/ECE‑Regelung Nr. 90 eine Genehmigung erforderlich sei, sei unbeachtlich, da diese Regelung insbesondere nur für Fahrzeuge gelte, die nach November 2016 zugelassen worden seien.

45      Iveco Orecchia legte gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel beim vorlegenden Gericht ein.

46      Die Di Pinto & Dalessandro Spa und die Bellizzi srl, zwei in Italien ansässige, auf dem Markt für die Wartung von Omnibussen tätige Unternehmen, traten diesem Verfahren bei.

 Vorlagefragen

47      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts sind zwei Aspekte der in Rede stehenden Ausschreibungsverfahren zu unterscheiden, nämlich zum einen der Aspekt der Gleichwertigkeit der von den Bietern für Originalersatzteile angebotenen Ersatzteile, der eine Beurteilung der Qualität der betreffenden Ersatzteile sowie einen Vergleich der betreffenden Produkte voraussetze, und zum anderen der Aspekt der Genehmigung solcher Ersatzteile, der impliziere, dass diese einer europäischen oder nationalen technischen Spezifikation entsprächen.

48      Das vorlegende Gericht weist außerdem darauf hin, dass der Grundsatz, dass im Rahmen einer Ausschreibung gleichwertige Produkte zugelassen würden, den freien Wettbewerb und die Gleichbehandlung der Bieter wahren solle.

49      Der Verkauf von Ersatzteilen, die einer Genehmigung unterlägen, sei vor allem dann, wenn sie die Sicherheit der Fahrzeuge und die Umweltleistungen beeinträchtigen könnten, nur zulässig, wenn sie von der zuständigen Genehmigungsbehörde genehmigt und autorisiert worden seien. Insoweit enthalte Anhang IV der Richtlinie 2007/46 die detaillierte Liste der Bauteilkategorien, für die einschlägige und spezifische Rechtsvorschriften über ihre Genehmigung gälten.

50      In den Vergabeverfahren, die in den Ausgangsverfahren in Rede stünden, habe die in der Ausschreibung enthaltene Regelung über die von den Bietern vorzulegenden Unterlagen die Vorlage des Genehmigungsbogens verlangt, falls eine solche Genehmigung verpflichtend gewesen sei. Im vorliegenden Fall hätten die Zuschlagsempfänger jedoch eine Bietererklärung als alternativen Nachweis für die Gleichwertigkeit der angebotenen Ersatzteile mit den Originalersatzteilen vorgelegt, die von den Vergabestellen auch akzeptiert worden sei, der aber weder der erforderliche Genehmigungsbogen noch andere gleichwertige technische Unterlagen, wie z. B. Konformitätsprüfungstests, beigefügt gewesen seien.

51      Als Erstes stelle sich daher die Frage, ob der Bieter bei gleichwertigen Ersatzteilen, die genehmigungspflichtig seien, unter Androhung des Ausschlusses seines Angebots auch den Genehmigungsbogen als Nachweis dafür vorlegen müsse, dass diese Teile den Originalteilen tatsächlich gleichwertig seien, oder zumindest den konkreten Nachweis erbringen müsse, dass das Ersatzteil genehmigt worden sei, oder ob es als Alternative zu diesen Unterlagen ausreiche, dass der Bieter eine Erklärung vorlege, wonach die in seinem Angebot angebotenen Ersatzteile den Originalteilen gleichwertig seien.

52      Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass ein Ersatzteil, wenn es unter einen der in Anhang IV der Richtlinie 2007/46 aufgeführten Rechtsakte falle, offenbar nur dann vertrieben werden dürfe, wenn es zuvor gemäß den einschlägigen Bestimmungen dieser Richtlinie und den Grundsätzen der Gleichbehandlung, der Angemessenheit, des ordnungsgemäßen Funktionierens und der Unparteilichkeit genehmigt worden sei. Es könne jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass es ausreiche, anstelle des Nachweises einer solchen Genehmigung eine Bescheinigung der Gleichwertigkeit vorzulegen, in der erklärt werde, dass das Ersatzteil den in der betreffenden Ausschreibung vorgesehenen technischen Spezifikationen entspreche.

53      Als Zweites sei zu bestimmen, von welcher Stelle die Erklärungen über die Gleichwertigkeit stammen müssten, insbesondere, ob sie zwingend vom Hersteller des angebotenen Ersatzteils ausgestellt werden müssten oder ob sie auch von einem Wiederverkäufer oder einem Händler ausgestellt werden könnten.

54      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts kann der Begriff „Hersteller“, wie er in Art. 3 Nr. 27 der Richtlinie 2007/46 definiert ist, eng ausgelegt werden, was zur Folge hätte, dass er mit dem Begriff „Produzent“ zusammenfällt. Art. 1 Abs. 1 Buchst. u der Verordnung Nr. 1400/2002 spreche für einen solchen Ansatz. Andererseits könne dieser Begriff auch in einem weiteren Sinne verstanden werden, nämlich dahin, dass er den Hersteller im Sinne des Verbraucherschutzrechts der Union oder den Wirtschaftsteilnehmer erfasse, der die von anderen hergestellten gleichwertigen Teile im eigenen Namen und in eigener Verantwortung vertreibe.

55      Unter diesen Umständen hat der Consiglio di Stato (Staatsrat) in den beiden Ausgangsverfahren beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende, in beiden Rechtssachen gleichlautende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist es mit dem Unionsrecht – und insbesondere mit den Bestimmungen der Richtlinie 2007/46 (Art. 10, 19 und 28 dieser Richtlinie) sowie mit den Grundsätzen der Gleichbehandlung, der Unparteilichkeit, des freien Wettbewerbs und der ordnungsgemäßen Verwaltung – vereinbar, dass es der Vergabestelle speziell in Bezug auf die Lieferung von Ersatzteilen für im öffentlichen Verkehr eingesetzte Omnibusse im Wege eines öffentlichen Auftrags gestattet ist, Ersatzteile für ein bestimmtes Fahrzeug zu akzeptieren, die ein anderer Hersteller als der Fahrzeughersteller hergestellt hat und die daher nicht zusammen mit dem Fahrzeug genehmigt wurden, die unter einen der in den technischen Vorschriften des Anhangs IV („Aufstellung der für die EG-Typgenehmigung für Fahrzeuge anzuwendenden Vorschriften“) dieser Richtlinie genannten Typen von Bauteilen fallen und die im Ausschreibungsverfahren ohne den Genehmigungsbogen und ohne Angabe über die tatsächliche Genehmigung, sondern unter der Annahme angeboten werden, dass die Genehmigung nicht erforderlich sei und deshalb eine Erklärung der Gleichwertigkeit mit dem genehmigten Original durch den Bieter ausreiche?

2.      Ist es mit dem Unionsrecht – und insbesondere mit Art. 3 Nr. 27 der Richtlinie 2007/46 – vereinbar, dass es dem einzelnen Wettbewerber in Bezug auf die Lieferung von Ersatzteilen für im öffentlichen Verkehr eingesetzte Omnibusse im Wege eines öffentlichen Auftrags gestattet ist, sich selbst als „Hersteller“ eines bestimmten nicht originalen Ersatzteils für ein bestimmtes Fahrzeug einzustufen, insbesondere wenn es unter einen der in den technischen Vorschriften des Anhangs IV dieser Richtlinie genannten Typen von Bauteilen fällt, oder muss dieser Wettbewerber – für jedes seiner so angebotenen Ersatzteile, um die Gleichwertigkeit mit den technischen Spezifikationen des Ausschreibungsverfahrens zu belegen – nachweisen, dass er gegenüber den Genehmigungsbehörden für alle Aspekte des Genehmigungsverfahrens sowie für die Übereinstimmung der Produktion und das jeweilige Qualitätsniveau verantwortlich ist und zumindest einige der Stufen der Herstellung des Ersatzteils, das Gegenstand der Genehmigung ist, unmittelbar ausführt? Bejahendenfalls: Mit welchen Mitteln ist dieser Beweis zu erbringen?

 Verfahren vor dem Gerichtshof

56      Mit Beschluss vom 16. März 2021 sind die Rechtssachen C‑68/21 und C‑84/21 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

 Zu den Vorlagefragen

 Vorbemerkungen

57      Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass es im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof Sache des Gerichtshofs ist, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat der Gerichtshof die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren. Es ist nämlich Aufgabe des Gerichtshofs, alle Bestimmungen des Unionsrechts auszulegen, die die nationalen Gerichte benötigen, um die bei ihnen anhängigen Verfahren zu entscheiden, auch wenn die Bestimmungen in den dem Gerichtshof von diesen Gerichten vorgelegten Fragen nicht ausdrücklich genannt sind (Urteil vom 19. Dezember 2019, Nederlands Uitgeversverbond und Groep Algemene Uitgevers, C‑263/18, EU:C:2019:1111, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

58      Zu diesem Zweck kann der Gerichtshof aus dem gesamten vom nationalen Gericht vorgelegten Material, insbesondere aus der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herausarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Ausgangsrechtsstreits einer Auslegung bedürfen (Urteil vom 19. Dezember 2019, Nederlands Uitgeversverbond und Groep Algemene Uitgevers, C‑263/18, EU:C:2019:1111, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59      Im vorliegenden Fall verweist das vorlegende Gericht in seinen Vorlagefragen zwar nur auf bestimmte Vorschriften der Richtlinie 2007/46 sowie auf eine Reihe von Rechtsgrundsätzen, doch geht sowohl aus den Erläuterungen dieses Gerichts als auch aus seinen Vorlagefragen hervor, dass sich diese Fragen auf die Nachweise beziehen, deren Vorlage von den Bietern im Rahmen einer Ausschreibung verlangt werden kann oder muss. Folglich sind für eine sachdienliche Beantwortung der Vorlagefragen auch die Bestimmungen des Unionsrechts zu berücksichtigen, die konkret die Nachweise betreffen, deren Vorlage von den Bietern im Rahmen einer Ausschreibung verlangt werden kann oder muss, um zu belegen, dass ihre Angebote den nach dieser Ausschreibung vorgesehenen technischen Spezifikationen entsprechen.

60      Diese Bestimmungen finden sich für Ausschreibungen, wie sie Gegenstand der Ausgangsverfahren sind, in den Art. 60 und 62 der Richtlinie 2014/25. Außerdem fallen die beiden in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Ausschreibungen, wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt hat, gemäß Art. 1 Abs. 1 und 2, Art. 4 Abs. 1, Art. 11 Abs. 1 und Art. 15 der genannten Richtlinie in deren Anwendungsbereich, da sie den Erwerb von Waren durch Auftraggeber betreffen, die ein Netz zur Versorgung der Allgemeinheit mit Verkehrsleistungen per Bus betreiben, diese Waren für die Ausübung dieser Tätigkeit bestimmt sind und der Wert der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Aufträge den in dieser Richtlinie vorgesehenen Schwellenwert überschreitet.

61      Als Zweites ist festzustellen, dass die Richtlinie 2007/46 zwar nach Art. 88 der Verordnung (EU) 2018/858 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 über die Genehmigung und die Marktüberwachung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge, zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 715/2007 und (EG) Nr. 595/2009 und zur Aufhebung der Richtlinie 2007/46/EG (ABl. 2018, L 151, S. 1) durch diese Verordnung mit Wirkung vom 1. September 2020 aufgehoben wurde, jedoch geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass sich die Sachverhalte, die den Ausgangsverfahren zugrunde liegen, vor diesem Zeitpunkt ereignet haben. Daher sind die Bestimmungen der Richtlinie 2007/46 für die Beantwortung der Vorlagefragen einschlägig.

62      Als Drittes ist festzustellen, dass aus den Vorlagefragen hervorgeht, dass diese nur die Regelung für Ersatzteile für Omnibusse betreffen, die zu den Typen von Bauteilen gemäß Art. 3 Nr. 24 der Richtlinie 2007/46 gehören, die von den Rechtsakten im Sinne von Art. 3 Nr. 1 dieser Richtlinie erfasst werden, die in Anhang IV dieser Richtlinie aufgeführt sind.

 Zur ersten Frage

63      Mit seiner ersten Frage, die sich in zwei Teile gliedert, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 10 Abs. 2, Art. 19 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46 dahin auszulegen sind, dass sie es einem öffentlichen Auftraggeber verwehren, im Rahmen einer Ausschreibung für die Lieferung von Ersatzteilen für Omnibusse, die für den öffentlichen Verkehr bestimmt sind, ein Angebot zu akzeptieren, mit dem Bauteile angeboten werden, die unter die in Anhang IV der Richtlinie 2007/46 aufgeführten Rechtsakte fallen, ohne dass eine Bescheinigung beigefügt ist, die die Genehmigung dieser Ersatzteile belegt, und ohne dass Informationen über das tatsächliche Bestehen einer solchen Genehmigung erteilt werden, oder ob in Anbetracht der Art. 60 und 62 der Richtlinie 2014/25 eine vom Bieter abgegebene Erklärung über die Gleichwertigkeit mit den genehmigten Originalteilen ausreicht, damit das Angebot akzeptiert werden kann.

64      Zum ersten Teil dieser Frage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2007/46, wie sich aus ihren Erwägungsgründen 2 und 3 ergibt, darauf abzielt, „die Genehmigungssysteme der Mitgliedstaaten durch ein gemeinschaftliches Genehmigungsverfahren [zu ersetzen], das auf dem Grundsatz einer vollständigen Harmonisierung beruht“, und dass „[d]ie technischen Anforderungen für Systeme, Bauteile, selbstständige technische Einheiten und Fahrzeuge … in Rechtsakten harmonisiert und spezifiziert werden [sollten]“.

65      Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46 legt den Gegenstand dieser Richtlinie dahin fest, dass sie „einen harmonisierten Rahmen mit den Verwaltungsvorschriften und allgemeinen technischen Anforderungen für die Genehmigung aller in ihren Geltungsbereich fallenden Neufahrzeuge und der zur Verwendung in diesen Fahrzeugen bestimmten Systeme, Bauteile und selbstständigen technischen Einheiten [schafft]; damit sollen [deren] Zulassung, … Verkauf und … Inbetriebnahme in der Gemeinschaft erleichtert werden“.

66      Nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie „enthält [diese] außerdem die Vorschriften für den Verkauf und die Inbetriebnahme von Teilen und Ausrüstungen für Fahrzeuge, die nach dieser Richtlinie genehmigt wurden“.

67      Zur Abgrenzung der Tragweite der ersten Frage ist außerdem erstens darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2007/46 zwar zwischen mehreren Arten der Genehmigung unterscheidet, dass aber aus dem Verweis in dieser Frage speziell auf die Art. 10, 19 und 28 dieser Richtlinie geschlossen werden kann, dass sich die erste Frage nur auf die EG-Typgenehmigung im Sinne von Art. 3 Nr. 5 der Richtlinie bezieht, d. h. das Verfahren, nach dem ein Mitgliedstaat bescheinigt, dass ein Typ eines Fahrzeugs, eines Systems, eines Bauteils oder einer selbstständigen technischen Einheit den einschlägigen Verwaltungsvorschriften und technischen Anforderungen der Richtlinie und der in deren Anhang IV oder XI aufgeführten Rechtsakte entspricht, wobei der letztgenannte Anhang Fahrzeuge mit besonderer Zweckbestimmung und die für sie geltenden Vorschriften betrifft.

68      Art. 10 der Richtlinie 2007/46 gehört nämlich zu Kapitel IV („Durchführung der EG-Typgenehmigungsverfahren“) dieser Richtlinie, während Art. 19 der Richtlinie, wie aus seiner Überschrift hervorgeht, das „EG-Typgenehmigungszeichen“ betrifft und Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie, den das vorlegende Gericht in seiner Vorlageentscheidung anführt, auf Art. 19 der Richtlinie 2007/46 verweist.

69      Zweitens legt die Richtlinie 2007/46 in Art. 6 die Verfahren für die Erteilung der EG-Typgenehmigung für Fahrzeuge und in Art. 7 das Verfahren für die Erteilung der EG-Typgenehmigung für Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten fest. Da aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, dass die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Bauteile nicht mit dem Fahrzeugtyp, für den sie von den Bietern angeboten wurden, genehmigt wurden, sondern als den mit diesem Fahrzeugtyp genehmigten Originalbauteilen gleichwertig präsentiert wurden, ist davon auszugehen, dass für die vorliegende Rechtssache die Bestimmungen der Richtlinie 2007/46 über die EG-Typgenehmigung für Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten einschlägig sind.

70      Insoweit geht zunächst aus dem Wortlaut von Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2007/46 hervor, dass die Mitgliedstaaten eine entsprechende EG-Typgenehmigung für ein Bauteil erteilen, das zum einen mit den Angaben in der Beschreibungsmappe übereinstimmt und zum anderen den technischen Anforderungen der in Anhang IV der Richtlinie aufgeführten einschlägigen Einzelrichtlinie oder Einzelverordnung entspricht.

71      Sodann sieht Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46 vor, dass der Hersteller eines Bauteils alle in Übereinstimmung mit dem genehmigten Typ hergestellten Bauteile mit dem in der betreffenden Einzelrichtlinie oder Einzelverordnung vorgeschriebenen EG-Typgenehmigungszeichen versieht.

72      Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46 schließlich sieht vor, dass die Mitgliedstaaten den Verkauf oder die Inbetriebnahme von Bauteilen dann und nur dann gestatten, wenn sie den Anforderungen der einschlägigen Rechtsakte entsprechen und nach Art. 19 dieser Richtlinie ordnungsgemäß gekennzeichnet sind.

73      Zum einen ergibt sich aus einer Gesamtbetrachtung von Art. 10 Abs. 2, Art. 19 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 und Anhang IV der genannten Richtlinie, dass die Bauteile, auf die sich die in diesem Anhang aufgeführten Rechtsakte im Sinne von Art. 3 Nr. 1 der Richtlinie beziehen, einer Genehmigungspflicht unterliegen, sofern diese Rechtsakte eine solche Genehmigung vorsehen.

74      Zum anderen folgt daraus, wie der Generalanwalt in Nr. 51 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, dass das vom Unionsgesetzgeber im Rahmen der Richtlinie 2007/46 gewählte Instrument für den Nachweis, dass die Bauteile eines Fahrzeugs den Anforderungen genügen, die in den Rechtsakten, auf die Anhang IV der Richtlinie verweist, festgelegt sind, das der Genehmigung ist.

75      Diese Auslegung wird durch das Hauptziel der Rechtsvorschriften für die Genehmigung von Fahrzeugen bestätigt, das nach dem 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 2007/46 darin besteht, „sicher[zustellen], dass neue Fahrzeuge, Bauteile und selbstständige technische Einheiten, die in Verkehr gebracht werden, ein hohes Sicherheits- und Umweltschutzniveau bieten“. Durch eine EG-Typgenehmigung für ein Bauteil bescheinigt der betreffende Mitgliedstaat, wie sich aus der Definition in Art. 3 Nr. 5 der Richtlinie 2007/46 ergibt, dass das Bauteil den einschlägigen technischen Anforderungen dieser Richtlinie und den in Anhang IV oder Anhang XI aufgeführten Rechtsakte entspricht, und bestätigt damit, dass das Bauteil ein hohes Sicherheits- und Umweltschutzniveau bietet.

76      Zwar ergibt sich aus Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie 2007/46, dass nicht für jeden Bauteiltyp eine EG-Typgenehmigung erforderlich ist. Diese Bestimmung bezieht sich nämlich auf den Fall, dass das Anbringen eines EG-Typgenehmigungszeichens nicht erforderlich ist, was bedeutet, dass bestimmte Bauteiltypen von der Verpflichtung, eine solche Genehmigung zu erhalten, befreit werden können.

77      Diese Feststellung ändert jedoch nichts an der in Rn. 73 des vorliegenden Urteils gezogenen Schlussfolgerung, dass die Bauteile, auf die sich die in Anhang IV der Richtlinie 2007/46 aufgeführten Rechtsakte beziehen, einer Genehmigungspflicht unterliegen, sofern diese Rechtsakte eine solche Genehmigung vorsehen. Solche Bauteile dürfen daher gemäß Art. 28 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 1 dieser Richtlinie nur verkauft oder in Betrieb genommen werden, wenn für sie eine solche Genehmigung erteilt wurde.

78      Diese Schlussfolgerung wird durch die vom vorlegenden Gericht angeführten Grundsätze der Gleichbehandlung, der Unparteilichkeit, des freien Wettbewerbs und der ordnungsgemäßen Verwaltung nicht in Frage gestellt. Was erstens den Grundsatz der Gleichbehandlung betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass, sofern für einen Bauteiltyp eine Genehmigung erforderlich ist, diese Verpflichtung jeden Hersteller trifft. Wie der Generalanwalt in Nr. 56 seiner Schlussanträge im Kern ausgeführt hat, ist diese Genehmigungspflicht somit nicht die Folge einer Diskriminierung zulasten der Hersteller von Ersatzteilen, die den Originalersatzteilen gleichwertig sind, gegenüber den Herstellern der letztgenannten Ersatzteile.

79      Was zweitens die Auswirkung einer solchen Genehmigungspflicht auf den Wettbewerb betrifft, genügt abgesehen davon, dass diese Verpflichtung, wie bereits festgestellt worden ist, jeden Hersteller von Bauteilen trifft, der Hinweis, dass der Hersteller eines Fahrzeugs nach Art. 38 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46 den Herstellern von Bauteilen für diesen Fahrzeugtyp alle für die EG-Typgenehmigung solcher Bauteile erforderlichen Angaben zur Verfügung stellen muss.

80      Was drittens die Grundsätze der Unparteilichkeit und der ordnungsgemäßen Verwaltung betrifft, so hat das vorlegende Gericht nicht erläutert, inwiefern diese Grundsätze für die Auslegung der in der ersten Frage genannten Bestimmungen der Richtlinie 2007/46 relevant sein könnten.

81      Was den zweiten Teil der ersten Frage anbelangt, mit dem bestimmt werden soll, ob ein öffentlicher Auftraggeber im Rahmen einer Ausschreibung wie den in dieser Frage genannten ein Angebot, mit dem Bauteile angeboten werden, die unter die in Anhang IV der Richtlinie 2007/46 aufgeführten Rechtsakte fallen, und mit dem nicht nachgewiesen wird, dass für diese Bauteile eine Genehmigung erteilt worden ist, akzeptieren darf, wenn einem solchen Angebot eine Erklärung des Bieters beigefügt ist, wonach diese Bauteile den genehmigten Originalteilen gleichwertig sind, ist, wie der Generalanwalt dies in Nr. 59 seiner Schlussanträge getan hat, festzustellen, dass die Begriffe „Genehmigung“ und „Gleichwertigkeit“ unterschiedliche Inhalte haben.

82      Wie aus Art. 3 Nr. 5 der Richtlinie 2007/46 hervorgeht, bescheinigt die Genehmigung nach geeigneten Kontrollen durch die zuständigen Behörden, dass bei einer EG-Typgenehmigung für ein Bauteil ein Bauteiltyp den Anforderungen der Richtlinie 2007/46, einschließlich der technischen Anforderungen der in den in Anhang IV dieser Richtlinie aufgeführten Rechtsakte, entspricht.

83      Der Begriff „Gleichwertigkeit“ ist in der Richtlinie 2007/46 nicht definiert und bezeichnet nach seiner gewöhnlichen Bedeutung die Eigenschaft, denselben Wert oder dieselbe Funktion aufzuweisen. Die Gleichwertigkeit eines Bauteils betrifft daher die Frage, ob dieses Bauteil dieselben Eigenschaften aufweist wie ein anderes Bauteil, unabhängig davon, ob letzteres genehmigt wurde oder nicht. Wie der Generalanwalt in Nr. 62 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, sind die Nachweise für die Genehmigung und diejenigen für die Gleichwertigkeit daher nicht gegeneinander austauschbar, da es sein kann, dass ein Bauteil eines genehmigten Typs dem Originalbauteil, auf das sich eine Ausschreibung bezieht, nicht gleichwertig ist.

84      Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass Bauteile eines nicht genehmigten Typs den Originalbauteilen, auf die sich die betreffende Ausschreibung bezieht, tatsächlich gleichwertig sind. Da jedoch der Unionsgesetzgeber, wie in Rn. 77 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, entschieden hat, dass Bauteile, die zu einem Typ gehören, für den die in Anhang IV der Richtlinie 2007/46 aufgeführten Rechtsakte eine Genehmigung vorsehen, gemäß Art. 28, Abs. 1 und Art. 19 Abs. 1 dieser Richtlinie nur dann verkauft oder in Betrieb genommen werden dürfen, wenn für sie eine solche Genehmigung erteilt wurde, ist festzustellen, dass für diese Bauteiltypen der Nachweis der Genehmigung nicht durch eine vom Bieter abgegebene Erklärung der Gleichwertigkeit ersetzt werden kann.

85      Diese Feststellung wird durch die Bestimmungen der Art. 60 und 62 der Richtlinie 2014/25 nicht in Frage gestellt, die sich auf die technischen Spezifikationen, die in einer Ausschreibung wie denjenigen, die zu den Ausgangsverfahren geführt haben, enthalten sein können, sowie auf die Nachweise beziehen, mit denen die Bieter belegen können, dass ihre Angebote diesen technischen Spezifikationen entsprechen.

86      Aus Art. 60 Abs. 2 dieser Richtlinie geht hervor, dass die technischen Spezifikationen, in denen nach Art. 60 Abs. 1 der Richtlinie die für die Bauleistungen, Dienstleistungen oder Lieferungen geforderten Merkmale festgelegt werden, allen Wirtschaftsteilnehmern den gleichen Zugang zum Vergabeverfahren garantieren müssen und die Öffnung der öffentlichen Beschaffungsmärkte für den Wettbewerb nicht in ungerechtfertigter Weise behindern dürfen.

87      Art. 60 Abs. 4 der Richtlinie 2014/25 erlaubt ausnahmsweise, dass in technischen Spezifikationen „auf Marken, Patente, Typen, einen bestimmten Ursprung oder eine bestimmte Herstellung“ verwiesen wird, wenn dies erforderlich ist, um den Auftragsgegenstand hinreichend genau und allgemein verständlich zu beschreiben, und wenn ein derartiger Verweis mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ versehen wird; von dieser Möglichkeit wurde bei den Ausschreibungen, die zu den Ausgangsverfahren geführt haben, Gebrauch gemacht.

88      In diesem Fall gestattet Art. 60 Abs. 5 der Richtlinie 2014/25 dem Bieter, „mit geeigneten Mitteln – einschließlich der in Artikel 62 [dieser Richtlinie] genannten – nach[zuweisen]“, dass die von ihm vorgeschlagenen Lösungen den in den technischen Spezifikationen festgelegten Anforderungen dieser Richtlinie gleichermaßen entsprechen, was neben den in Art. 62 Abs. 1 der Richtlinie genannten Mitteln, wie einer von einer Konformitätsbewertungsstelle ausgegebenen Zertifizierung, auch andere „geeignete Nachweise“ im Sinne von Art. 62 Abs. 2 der Richtlinie umfasst.

89      Diese Bestimmungen bezwecken, wie sich auch aus dem 83. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/25 ergibt, dass die technischen Spezifikationen in Form von Funktions- und Leistungsanforderungen formuliert werden, und dass vermieden wird, dass die technischen Spezifikationen den Wettbewerb künstlich einengen, wozu es kommen könnte, wenn Anforderungen festgelegt würden, die einen bestimmten Wirtschaftsteilnehmer begünstigen, indem auf wesentliche Merkmale der vom betreffenden Wirtschaftsteilnehmer angebotenen Lieferungen, Dienstleistungen oder Bauleistungen abgestellt wird.

90      Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2014/25 nach ihrem 56. Erwägungsgrund nicht die zwingenden Erfordernisse außer Acht lassen darf, die sich aus anderen unionsrechtlichen Vorschriften, insbesondere im Bereich der Sicherheit und des Umweltschutzes, ergeben, wie z. B. das aus eben diesen Gründen durch die Richtlinie 2007/46 aufgestellte Erfordernis der Genehmigung.

91      Daher darf die Richtlinie 2014/25, wie der Generalanwalt in Nr. 80 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, der Anwendung der Richtlinie 2007/46 nicht entgegenstehen, soweit letztere nach ihrem dritten Erwägungsgrund auf eine hohe Verkehrssicherheit, hohen Gesundheits- und Umweltschutz, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Benutzung abzielen soll. Da die Richtlinie 2007/46 die Genehmigung bestimmter Fahrzeugersatzteile gerade mit Blick auf diese Ziele vorschreibt, wird dieses Erfordernis unabdingbar und kann nicht unter Berufung auf die Richtlinie 2014/25 umgangen werden.

92      In den Ausgangsverfahren betrafen die Ausschreibungen die Lieferung von Bauteilen, bei denen es sich um Iveco-Originalteile oder um gleichwertige Teile handeln konnte. Wie in Rn. 77 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, dürfen die Bauteile, auf die sich die in Anhang IV der Richtlinie 2007/46 aufgeführten Rechtsakte beziehen und die einer Genehmigungspflicht unterliegen, aber nur verkauft oder in Betrieb genommen werden, wenn für sie eine solche Genehmigung erteilt wurde.

93      Um den zwingenden Erfordernissen der Richtlinie 2007/46 zu genügen, dürfen daher, wenn die Bauteile einer Genehmigungspflicht unterliegen, nur solche Bauteile als gleichwertig im Sinne der Ausschreibungsbedingungen angesehen werden, für die eine solche Genehmigung erteilt wurde und die somit vermarktet werden dürfen.

94      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 10 Abs. 2, Art. 19 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46 dahin auszulegen sind, dass sie es einem öffentlichen Auftraggeber verwehren, im Rahmen einer Ausschreibung für die Lieferung von Ersatzteilen für Omnibusse, die für den öffentlichen Verkehr bestimmt sind, ein Angebot zu akzeptieren, mit dem Bauteile angeboten werden, die unter einen Bauteiltyp fallen, auf den sich die in Anhang IV der Richtlinie 2007/46 aufgeführten Rechtsakte beziehen, ohne dass eine Bescheinigung beigefügt ist, die die Genehmigung dieses Bauteiltyps belegt, und ohne dass Informationen über das tatsächliche Bestehen einer solchen Genehmigung erteilt werden, sofern diese Rechtsakte eine solche Genehmigung vorsehen.

 Zur zweiten Frage

95      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Art. 60 und 62 der Richtlinie 2014/25 dahin auszulegen sind, dass sie es in Anbetracht der Definition des Begriffs „Hersteller“ in Art. 3 Nr. 27 der Richtlinie 2007/46 einem öffentlichen Auftraggeber verwehren, im Rahmen einer Ausschreibung für die Lieferung von Ersatzteilen für Omnibusse, die für den öffentlichen Verkehr bestimmt sind, als Nachweis der Gleichwertigkeit von Bauteilen, die unter die in Anhang IV der Richtlinie 2007/46 aufgeführten Rechtsakte fallen und vom Bieter angeboten werden, eine von diesem Bieter abgegebene Erklärung der Gleichwertigkeit zu akzeptieren, wenn dieser Bieter zwar sich selbst als Hersteller dieser Bauteile einstuft, aber nur Wiederverkäufer oder Händler ist.

96      Wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 12. Juli 2018, VAR und ATM (C‑14/17, EU:C:2018:568, Rn. 35) zur Auslegung von Art. 34 der Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser‑, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (ABl. 2004, L 134, S. 1) festgestellt hat, „[muss], wenn sich die technischen Spezifikationen in den Auftragsunterlagen auf eine bestimmte Marke, Herkunft oder Produktion beziehen, der Auftraggeber vom Bieter verlangen …, bereits in seinem Angebot den Nachweis der Gleichwertigkeit der von ihm angebotenen Erzeugnisse mit den in den genannten technischen Spezifikationen angeführten Produkten zu erbringen“.

97      In diesem Urteil hat der Gerichtshof außerdem klargestellt, dass der Auftraggeber „über einen Ermessensspielraum bei der Beurteilung verfügt, welche Mittel die Bieter zum Nachweis dieser Gleichwertigkeit in ihren Angeboten verwenden dürfen. Dieses Ermessen ist allerdings so auszuüben, dass die vom Auftraggeber zugelassenen Beweismittel es diesem tatsächlich ermöglichen müssen, eine sachgerechte Prüfung der ihm vorgelegten Angebote vorzunehmen, und dass sie nicht über das dazu erforderliche Ausmaß hinausgehen“.

98      Diese Auslegung ist auch bei den Art. 60 und 62 der Richtlinie 2014/25, die die Richtlinie 2004/17 ersetzt hat, zugrunde zu legen, da diese Vorschriften wie Art. 34 der letztgenannten Richtlinie verlangen, dass ein Bieter, der von der Möglichkeit Gebrauch machen möchte, Produkte anzubieten, die jenen gleichwertig sind, auf die mittels einer bestimmten Marke, eines bestimmten Ursprungs oder einer bestimmten Produktion verwiesen wird, bereits in seinem Angebot mit geeigneten Mitteln den Nachweis der Gleichwertigkeit der betreffenden Erzeugnisse erbringt.

99      Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass ungeachtet des Ermessens, über das der öffentliche Auftraggeber insoweit verfügt, die von ihm zugelassenen Nachweise es ihm ermöglichen müssen, tatsächlich eine sachdienliche Bewertung des Angebots vorzunehmen, um festzustellen, ob dieses den in der betreffenden Ausschreibung genannten technischen Spezifikationen entspricht.

100    Um als „geeignetes Mittel“ im Sinne von Art. 60 Abs. 5 und Art. 62 Abs. 2 der Richtlinie 2014/25 angesehen werden zu können, muss eine Erklärung der Gleichwertigkeit daher von einer Stelle abgegeben worden sein, die in der Lage ist, eine solche Gleichwertigkeit zu garantieren, was voraussetzt, dass diese Stelle die technische Verantwortung für die betreffenden Bauteile übernimmt und über die erforderlichen Mittel verfügt, um die Qualität dieser Bauteile sicherzustellen. Diese Voraussetzungen können aber nur vom Hersteller dieser Bauteile erfüllt werden.

101    Diese Auslegung wird durch Art. 62 Abs. 2 der Richtlinie 2014/25 bestätigt, wonach ein „technisches Dossier des Herstellers“ ein geeigneter Nachweis sein kann, was bedeutet, dass dieser Nachweis vom Hersteller des in Rede stehenden Ersatzteils stammt. Diese Auslegung steht auch im Einklang mit Art. 1 Buchst. u der Verordnung Nr. 1400/2002, wonach für die Anwendung dieser Verordnung „qualitativ gleichwertige Ersatzteile“ „Ersatzteile [sind], die von einem Unternehmen hergestellt werden, das jederzeit bescheinigen kann, dass die fraglichen Teile den Bauteilen, die bei der Montage der fraglichen Fahrzeuge verwendet werden oder wurden, qualitativ entsprechen“. Obwohl diese Verordnung am 31. Mai 2010 außer Kraft trat, bestätigte ihr Art. 1 Buchst. u, dass eine Erklärung der Gleichwertigkeit vom Hersteller stammen muss, damit ihr Bedeutung zukommt.

102    Außerdem wird der Begriff „Hersteller“ in Art. 3 Nr. 27 der Richtlinie 2007/46 definiert als „die Person oder Stelle, die gegenüber der Genehmigungsbehörde für alle Belange des Typgenehmigungs- oder Autorisierungsverfahrens sowie für die Sicherstellung der Übereinstimmung der Produktion verantwortlich ist“, wobei die Person oder Stelle nicht notwendigerweise an allen Stufen der Herstellung des Fahrzeugs, des Systems, des Bauteils oder der selbstständigen technischen Einheit, das bzw. die Gegenstand des Genehmigungsverfahrens ist, unmittelbar beteiligt sein muss.

103    Diese Definition bezieht sich zwar nur auf genehmigungspflichtige Fahrzeuge und Ersatzteile, liefert aber auch nützliche Hinweise für die Feststellung, wer als „Hersteller“ eines Bauteils angesehen werden kann, um zu prüfen, ob eine Erklärung der Gleichwertigkeit, die von einer Person abgegeben wird, die sich als „Hersteller“ dieses Bauteils einstuft, einen geeigneten Nachweis darstellen kann. Aus dieser Definition ergibt sich nämlich, dass ein Unternehmen, um als „Hersteller“ eines Bauteils eingestuft werden zu können, nicht notwendigerweise an allen Stufen der Herstellung des Bauteils unmittelbar beteiligt sein muss.

104    In diesem Zusammenhang ist auch die Definition des Begriffs „Originalteil oder ‑ausrüstung“ in Art. 3 Nr. 26 der Richtlinie 2007/46 hilfreich, wonach „[b]is zum Nachweis des Gegenteils … davon auszugehen [ist], dass Teile Originalteile sind, wenn der Hersteller bescheinigt, dass die Teile die gleiche Qualität aufweisen wie die für den Bau des betreffenden Fahrzeugs verwendeten Bauteile und nach den Spezifikationen und Produktionsnormen des Fahrzeugherstellers gefertigt wurden“.

105    Aus dieser Definition ergibt sich nämlich, dass, um für den Nachweis, dass ein Ersatzteil als Originalteil angesehen werden kann, geeignet zu sein, eine dahin gehende Erklärung vom Hersteller dieses Bauteils stammen muss, ungeachtet dessen, dass die Herstellung dieses Bauteils gemäß den Spezifikationen und den Produktionsnormen erfolgt ist, die der Hersteller des Fahrzeugs, für das es bestimmt ist, vorgesehen hat.

106    Daher ist festzustellen, dass eine Erklärung der Gleichwertigkeit eines Bauteils, um im Rahmen einer Ausschreibung wie derjenigen, die zu den Ausgangsverfahren geführt haben, als geeigneter Nachweis angesehen werden zu können, vom Hersteller des Bauteils stammen muss, auch wenn dieser Hersteller nicht notwendigerweise an allen Stufen der Herstellung des Bauteils unmittelbar beteiligt sein muss.

107    Dagegen kann eine von einem Wiederverkäufer oder Händler stammende Erklärung der Gleichwertigkeit nicht als geeignetes Beweismittel angesehen werden.

108    Zwar ist es Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob die Bieter in den Ausgangsverfahren als „Hersteller“ der von ihnen angebotenen Bauteile eingestuft werden können, doch ist, um diesem Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, klarzustellen, dass entgegen dem Vorbringen einiger am Verfahren vor dem Gerichtshof beteiligter Parteien der Umstand, dass ein Bieter andere Ersatzteile als die in der betreffenden Ausschreibung genannten herstellt, dass er bei einer Handelskammer eingetragen ist oder dass seine Tätigkeit Gegenstand einer Qualitätszertifizierung war, für die Feststellung, ob dieser Bieter als Hersteller der von ihm in seinem Angebot angebotenen Bauteile angesehen werden kann, unerheblich ist.

109    Im Übrigen ist auch das Vorbringen zurückzuweisen, wonach eine weitere Auslegung des Begriffs „Hersteller“ erforderlich sei, weil nach bestimmten Richtlinien der Union im Bereich Verbraucherschutz, insbesondere nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. 1999, L 171, S. 12) sowie nach Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie (EU) 2019/771 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs, zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/2394 und der Richtlinie 2009/22/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 1999/44/EG (ABl. 2019, L 136, S. 28) der Begriff „Hersteller“ so verstanden werde, dass er auch den Wirtschaftsteilnehmer umfasse, der das Produkt lediglich vermarkte, indem er seine Marke daran anbringe, ohne materiell am Herstellungsprozess beteiligt gewesen zu sein. Diese Rechtsvorschriften bezwecken nämlich insbesondere die Gewährleistung des Verbraucherschutzes, wie aus Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 1999/44 und Art. 1 der Richtlinie 2019/771 hervorgeht, und sind daher für die Auslegung der Unionsvorschriften über das öffentliche Beschaffungswesen nicht einschlägig.

110    Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass, wie sich aus der in Rn. 96 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt, der Nachweis der Gleichwertigkeit der von einem Bieter angebotenen Produkte mit den Produkten, die in den in der Ausschreibung enthaltenen technischen Spezifikationen definiert sind, bereits im Angebot erbracht werden muss und dass dieser Nachweis es dem Auftraggeber tatsächlich ermöglicht, eine sachdienliche Bewertung der bei ihm eingereichten Angebote vorzunehmen. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob das in den Ausgangsverfahren der Fall ist.

111    Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass die Art. 60 und 62 der Richtlinie 2014/25 dahin auszulegen sind, dass sie es in Anbetracht der Definition des Begriffs „Hersteller“ in Art. 3 Nr. 27 der Richtlinie 2007/46 einem öffentlichen Auftraggeber verwehren, im Rahmen einer Ausschreibung für die Lieferung von Ersatzteilen für Omnibusse, die für den öffentlichen Verkehr bestimmt sind, als Nachweis der Gleichwertigkeit von Bauteilen, die unter die in Anhang IV der Richtlinie 2007/46 aufgeführten Rechtsakte fallen und vom Bieter angeboten werden, eine von diesem Bieter abgegebene Erklärung der Gleichwertigkeit zu akzeptieren, wenn dieser Bieter nicht als Hersteller dieser Bauteile angesehen werden kann.

 Kosten

112    Für die Beteiligten der Ausgangsverfahren ist das Verfahren Teil der bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahren; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 10 Abs. 2, Art. 19 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (Rahmenrichtlinie)

sind dahin auszulegen, dass

sie es einem öffentlichen Auftraggeber verwehren, im Rahmen einer Ausschreibung für die Lieferung von Ersatzteilen für Omnibusse, die für den öffentlichen Verkehr bestimmt sind, ein Angebot zu akzeptieren, mit dem Bauteile angeboten werden, die unter einen Bauteiltyp fallen, auf den sich die in Anhang IV der Richtlinie 2007/46 aufgeführten Rechtsakte beziehen, ohne dass eine Bescheinigung beigefügt ist, die die Genehmigung dieses Bauteiltyps belegt, und ohne dass Informationen über das tatsächliche Bestehen einer solchen Genehmigung erteilt werden, sofern diese Rechtsakte eine solche Genehmigung vorsehen.

2.      Die Art. 60 und 62 der Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG

sind dahin auszulegen, dass

sie es in Anbetracht der Definition des Begriffs „Hersteller“ in Art. 3 Nr. 27 der Richtlinie 2007/46 einem öffentlichen Auftraggeber verwehren, im Rahmen einer Ausschreibung für die Lieferung von Ersatzteilen für Omnibusse, die für den öffentlichen Verkehr bestimmt sind, als Nachweis der Gleichwertigkeit von Bauteilen, die unter die in Anhang IV der Richtlinie 2007/46 aufgeführten Rechtsakte fallen und vom Bieter angeboten werden, eine von diesem Bieter abgegebene Erklärung der Gleichwertigkeit zu akzeptieren, wenn dieser Bieter nicht als Hersteller dieser Bauteile angesehen werden kann.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Italienisch.