URTEIL DES GERICHTS (Dritte erweiterte Kammer)
14. Mai 1998 (1)
„Wettbewerb Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag Begriff der Vereinbarung
Anordnung Geldbuße Bestimmung der Höhe Begründung Mildernde
Umstände“
In der Rechtssache T-317/94
Moritz J. Weig GmbH & Co. KG, Gesellschaft deutschen Rechts mit Sitz in Mayen,
Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Thomas Jestaedt, Karsten Metzlaff und
Hanns-Christian Salger, Düsseldorf, Hamburg und Frankfurt am Main, sodann auch
Rechtsanwältin Verena von Bomhard, Hamburg, Zustellungsanschrift: Kanzlei des
Rechtsanwalts Philippe Dupont, 8-10, rue Mathias Hardt, Luxemburg,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Bernd Langeheine
und Richard Lyal, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, Beistand: Rechtsanwalt
Dirk Schroeder, Köln, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz,
Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 94/601/EG der Kommission vom 13. Juli
1994 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (IV/C/33.833 Karton, ABl.
L 243, S. 1)
erläßt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte erweiterte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten B. Vesterdorf sowie des Richters C. P. Briët, der
Richterin P. Lindh und der Richter A. Potocki und J. D. Cooke,
Kanzler: J. Palacio González, Verwaltungsrat
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25.
Juni bis zum 8. Juli 1997,
folgendes
Urteil
Sachverhalt
- 1.
- Die vorliegende Rechtssache betrifft die Entscheidung 94/601/EG der Kommission
vom 13. Juli 1994 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (IV/C/33.833
Karton, ABl. L 243, S. 1), die vor ihrer Veröffentlichung durch eine Entscheidung
der Kommission vom 26. Juli 1994 (K[94] 2135 endg.) berichtigt wurde (im
folgenden: Entscheidung). In der Entscheidung wurden gegen 19 Kartonhersteller
und -lieferanten aus der Gemeinschaft wegen Verstößen gegen Artikel 85 Absatz 1
des Vertrages Geldbußen festgesetzt.
- 2.
- Gegenstand der Entscheidung ist das Erzeugnis Karton. In der Entscheidung
werden drei Kartonsorten erwähnt, die den Qualitäten „GC“, „GD“ und „SBS“
zugeordnet werden.
- 3.
- Karton der Qualität GD (im folgenden: GD-Karton) ist ein Karton mit einer
grauen unteren Lage (Altpapier), der in der Regel für die Verpackung von Non-food-Produkten verwendet wird.
- 4.
- Karton der Qualität GC (im folgenden: GC-Karton) besitzt eine obere weiße Lage
und wird gewöhnlich für die Verpackung von Nahrungsmitteln verwendet. GC-Karton ist von höherer Qualität als GD-Karton. In dem von der Entscheidung
erfaßten Zeitraum bestand zwischen diesen beiden Produkten im allgemeinen ein
Preisunterschied von etwa 30 %. In geringerem Umfang wird hochwertiger GC-Karton auch für graphische Zwecke verwendet.
- 5.
- SBS ist die Bezeichnung für durch und durch weißen Karton (im folgenden: SBS-Karton). Sein Preis liegt etwa 20 % über dem von GC-Karton. Er dient zur
Verpackung von Lebensmitteln, Kosmetika, Arzneimitteln und Zigaretten, ist aber
hauptsächlich für graphische Zwecke bestimmt.
- 6.
- Mit Schreiben vom 22. November 1990 legte die British Printing Industries
Federation (BPIF), eine Branchenorganisation der Mehrzahl der britischen
Kartonbedrucker, bei der Kommission eine informelle Beschwerde ein. Sie machte
geltend, daß die das Vereinigte Königreich beliefernden Kartonhersteller eine
Reihe gleichzeitiger und einheitlicher Preiserhöhungen vorgenommen hätten, und
ersuchte die Kommission, das Vorliegen eines Verstoßes gegen die
Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft zu prüfen. Um ihr Vorgehen publik zu
machen, gab die BPIF eine Pressemitteilung heraus. Deren Inhalt wurde von der
Fachpresse im Dezember 1990 verbreitet.
- 7.
- Am 12. Dezember 1990 reichte die Fédération française du cartonnage bei der
Kommission ebenfalls eine informelle Beschwerde mit Behauptungen betreffend
den französischen Kartonmarkt ein, die ähnlich wie die BPIF-Beschwerde lautete.
- 8.
- Am 23. und 24. April 1991 nahmen Beamte der Kommission gemäß Artikel 14
Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste
Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962,
Nr. 13, S. 204), in den Geschäftsräumen verschiedener Unternehmen und
Branchenorganisationen des Kartonsektors ohne Vorankündigung gleichzeitig
Nachprüfungen vor.
- 9.
- Im Anschluß an diese Nachprüfungen richtete die Kommission an alle Adressaten
der Entscheidung Auskunftsverlangen gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 und
ersuchte um die Vorlage von Dokumenten.
- 10.
- Aufgrund der im Rahmen dieser Nachprüfungen und Ersuchen um Auskünfte und
Vorlage von Dokumenten erlangten Informationen kam die Kommission zu dem
Ergebnis, daß sich die betreffenden Unternehmen von etwa Mitte 1986 bis (in den
meisten Fällen) mindestens April 1991 an einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85
Absatz 1 des Vertrages beteiligt hätten.
- 11.
- Sie beschloß daher, ein Verfahren gemäß dieser Bestimmung einzuleiten. Mit
Schreiben vom 21. Dezember 1992 richtete sie eine Mitteilung der
Beschwerdepunkte an alle fraglichen Unternehmen. Sämtliche Adressaten
antworteten darauf schriftlich. Neun Unternehmen baten um eine mündliche
Anhörung. Ihre Anhörung fand vom 7. bis zum 9. Juni 1993 statt.
- 12.
- Am Ende des Verfahrens erließ die Kommission die Entscheidung, die folgende
Bestimmungen enthält:
„Artikel 1
Buchmann GmbH, Cascades S.A., Enso-Gutzeit Oy, Europa Carton AG, Finnboard
the Finnish Board Mills Association, Fiskeby Board AB, Gruber & Weber GmbH
& Co. KG, Kartonfabriek .De Eendracht' NV (unter der Firma BPB de
Eendracht handelnd), NV Koninklijke KNP BT NV (ehemals Koninklijke
Nederlandse Papierfabrieken NV), Laakmann Karton GmbH & Co. KG, Mo Och
Domsjö AB (MoDo), Mayr-Melnhof Gesellschaft mbH, Papeteries de Lancey S.A.,
Rena Kartonfabrik A/S, Sarrió SpA, SCA Holding Ltd (ehemals Reed Paper &
Board (UK) Ltd), Stora Kopparbergs Bergslags AB, Enso Española S.A. (früher
Tampella Española S.A.) und Moritz J. Weig GmbH & Co. KG haben gegen
Artikel 85 Absatz 1 des EG-Vertrages verstoßen, indem sie sich
im Falle von Buchmann und Rena von etwa März 1988 bis mindestens
Ende 1990,
im Falle von Enso Española von mindestens März 1988 bis mindestens
Ende April 1991 und
im Falle von Gruber & Weber von mindestens 1988 bis Ende 1990,
in den [übrigen] Fällen von Mitte 1986 bis mindestens April 1991,
an einer seit Mitte 1986 bestehenden Vereinbarung und abgestimmten
Verhaltensweise beteiligten, durch die die Kartonanbieter in der Gemeinschaft
sich regelmäßig an einer Reihe geheimer und institutionalisierter Sitzungen
zwecks Erörterung und Festlegung eines gemeinsamen Branchenplans zur
Einschränkung des Wettbewerbs trafen;
sich über regelmäßige Preiserhöhungen für jede Kartonsorte in jeder
Landeswährung verständigten;
gleichzeitige und einheitliche Preiserhöhungen für die gesamte Gemeinschaft
planten und durchführten;
sich vorbehaltlich gelegentlicher Änderungen über die Aufrechterhaltung
konstanter Marktanteile der führenden Hersteller verständigten;
in zunehmendem Maße ab Anfang 1990 abgestimmte Maßnahmen zur
Kontrolle des Kartonangebots in der Gemeinschaft trafen, um die
Durchsetzung der vorerwähnten abgestimmten Preiserhöhungen
sicherzustellen;
als Absicherung der vorgenannten Maßnahmen Geschäftsinformationen
(über Lieferungen, Preise, Abstellzeiten, Auftragsbestände und
Kapazitätsauslastung) austauschten.
...
Artikel 3
Gegen die nachstehenden Unternehmen werden für den in Artikel 1 festgestellten
Verstoß folgende Geldbußen festgesetzt:
...
xix) gegen Moritz J. Weig GmbH & Co. KG eine Geldbuße in Höhe von
3 000 000 ECU;
...“
- 13.
- Der Entscheidung zufolge geschah die Zuwiderhandlung im Rahmen einer aus
mehreren Gruppen oder Ausschüssen bestehenden Organisation namens
„Produktgruppe Karton“ (im folgenden: PG Karton).
- 14.
- Im Rahmen dieser Organisation sei Mitte 1986 ein Ausschuß namens „Presidents'
Working Group“ (PWG) eingesetzt worden, der aus hochrangigen Vertretern der
(etwa acht) führenden Kartonlieferanten der Gemeinschaft bestanden habe.
- 15.
- Der PWG habe sich u. a. mit der Erörterung und Abstimmung der Märkte,
Marktanteile, Preise und Kapazitäten beschäftigt. Er habe insbesondere umfassende
Beschlüsse über die zeitliche Folge und die Höhe der von den Herstellern
vorzunehmenden Preiserhöhungen gefaßt.
- 16.
- Der PWG habe der „Präsidentenkonferenz“ (PK) Bericht erstattet, an der (mehr
oder weniger regelmäßig) fast alle Generaldirektoren der betreffenden
Unternehmen teilgenommen hätten. Die PK habe im maßgeblichen Zeitraum
zweimal pro Jahr getagt.
- 17.
- Ende 1987 sei das „Joint Marketing Committee“ (JMC) eingesetzt worden. Die
Hauptaufgabe des JMC habe darin bestanden, zum einen zu ermitteln, ob und,
wenn ja, wie sich Preiserhöhungen durchsetzen ließen, und zum anderen die vom
PWG beschlossenen Preisinitiativen nach Ländern und wichtigsten Kunden im
Detail auszuarbeiten, um zu einem einheitlichen Preissystem in Europa zu
gelangen.
- 18.
- Schließlich habe die „Wirtschaftliche Kommission“ (WK) u. a. die Preisentwicklung
auf den nationalen Märkten und die Auftragslage erörtert und dem JMC oder bis
Ende 1987 dessen Vorgänger, dem „Marketing Committee“, über die Ergebnisse
ihrer Arbeit berichtet. Die WK habe aus Vertriebs- und/oder Verkaufsleitern der
meisten fraglichen Unternehmen bestanden und sei mehrmals pro Jahr
zusammengetreten.
- 19.
- Aus der Entscheidung geht ferner hervor, daß die Tätigkeiten der PG Karton nach
Ansicht der Kommission durch einen Informationsaustausch über die
Treuhandgesellschaft FIDES mit Sitz in Zürich (Schweiz) unterstützt wurden. In
der Entscheidung heißt es, die meisten Mitglieder der PG Karton hätten der
FIDES regelmäßig Berichte über Auftragslage, Produktion, Verkäufe und
Kapazitätsauslastung geliefert. Diese Berichte seien im Rahmen des FIDES-Systems bearbeitet worden, und die Teilnehmer hätten die zusammengefaßten
Daten erhalten.
- 20.
- Die Klägerin nahm nach den Erkenntnissen der Kommission in dem von der
Entscheidung erfaßten Zeitraum an Sitzungen der PK sowie ab 1988 an Sitzungen
des JMC und des PWG teil.
Verfahren
- 21.
- Mit Klageschrift, die am 9. Oktober 1994 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen
ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.
- 22.
- Sechzehn der achtzehn anderen für die Zuwiderhandlung verantwortlich gemachten
Unternehmen haben ebenfalls Klage gegen die Entscheidung erhoben
(Rechtssachen T-295/94, T-301/94, T-304/94, T-308/94, T-309/94, T-310/94,
T-311/94, T-319/94, T-327/94, T-334/94, T-337/94, T-338/94, T-347/94, T-348/94,
T-352/94 und T-354/94).
- 23.
- Die Klägerin in der Rechtssache T-301/94, die Laakmann Karton GmbH, hat ihre
Klage mit Schreiben, das am 10. Juni 1996 bei der Kanzlei des Gerichts
eingegangen ist, zurückgenommen; durch Beschluß vom 18. Juli 1996 in der
Rechtssache T-301/94 (Laakmann Karton/Kommission, nicht in der amtlichen
Sammlung veröffentlicht) ist diese Rechtssache im Register des Gerichts gestrichen
worden.
- 24.
- Vier finnische Unternehmen, die als Mitglieder der Wirtschaftsvereinigung
Finnboard gesamtschuldnerisch für die Zahlung der gegen diese festgesetzten
Geldbuße haftbar gemacht wurden, haben ebenfalls gegen die Entscheidung geklagt
(verbundene Rechtssachen T-339/94, T-340/94, T-341/94 und T-342/94).
- 25.
- Schließlich hat der Verband CEPI-Cartonboard, der nicht zu den Adressaten der
Entscheidung gehört, Klage erhoben. Er hat sie jedoch mit Schreiben, das am 8.
Januar 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, zurückgenommen; durch
Beschluß vom 6. März 1997 in der Rechtssache T-312/94 (CEPI-Cartonboard/Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) ist diese
Rechtssache im Register des Gerichts gestrichen worden.
- 26.
- Mit Schreiben vom 5. Februar 1997 hat das Gericht die Parteien zu einer
informellen Sitzung geladen, in der sie sich u. a. zu einer etwaigen Verbindung der
Rechtssachen T-295/94, T-304/94, T-308/94, T-309/94, T-310/94, T-311/94, T-317/94,
T-319/94, T-327/94, T-334/94, T-337/94, T-338/94, T-347/94, T-348/94, T-352/94 und
T-354/94 zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung äußern sollten. In dieser
Sitzung, die am 29. April 1997 stattfand, haben sich die Parteien mit einer solchen
Verbindung einverstanden erklärt.
- 27.
- Mit Beschluß vom 4. Juni 1997 hat der Präsident der Dritten erweiterten Kammer
des Gerichts die genannten Rechtssachen wegen ihres Zusammenhangs gemäß
Artikel 50 der Verfahrensordnung zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung
verbunden und einem Antrag der Klägerin in der Rechtssache T-334/94 auf
vertrauliche Behandlung stattgegeben.
- 28.
- Mit Beschluß vom 20. Juni 1997 hat er einem Antrag der Klägerin in der
Rechtssache T-337/94 auf vertrauliche Behandlung eines in Beantwortung einer
schriftlichen Frage des Gerichts vorgelegten Dokuments stattgegeben.
- 29.
- Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Dritte erweiterte Kammer)
beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und hat prozeßleitende
Maßnahmen getroffen, indem es die Parteien ersucht hat, einige schriftliche Fragen
zu beantworten und bestimmte Dokumente vorzulegen. Die Parteien sind diesen
Ersuchen nachgekommen.
- 30.
- Die Parteien in den in Randnummer 26 genannten Rechtssachen haben in der
Sitzung, die vom 25. Juni bis zum 8. Juli 1997 stattfand, mündlich verhandelt und
Fragen des Gerichts beantwortet.
Anträge der Parteien
- 31.
- Die Klägerin beantragt,
die Entscheidung ganz oder teilweise für nichtig zu erklären;
der Kommission die Kosten des Verfahrens einschließlich der durch die
Stellung einer Bürgschaft entstandenen Kosten aufzuerlegen;
hilfsweise
die ihr in der Entscheidung auferlegte Geldbuße herabzusetzen;
der Kommission die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten
aufzuerlegen, die ihr durch die Stellung einer Bürgschaft in Höhe des
Betrages entstanden sind, um den die Geldbuße herabgesetzt wird.
- 32.
- Die Kommission beantragt,
die Klage abzuweisen;
die Klägerin zu verurteilen, die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Zum Antrag auf völlige oder teilweise Nichtigerklärung von Artikel 1 der
Entscheidung
Zum Klagegrund der fehlenden Beteiligung der Klägerin an Maßnahmen zur
Mengenkontrolle
Vorbringen der Parteien
- 33.
- Dieser Klagegrund besteht aus zwei Teilen.
- 34.
- Mit dem ersten Teil weist die Klägerin darauf hin, daß nach Artikel 1 der
Entscheidung die dort genannten Unternehmen „sich vorbehaltlich gelegentlicher
Änderungen über die Aufrechterhaltung konstanter Marktanteile der führenden
Hersteller verständigten“ und daß sie „in zunehmendem Maße ab Anfang 1990
abgestimmte Maßnahmen zur Kontrolle des Kartonangebots in der Gemeinschaft
trafen“.
- 35.
- Da sie nur gelegentlich an Sitzungen der PG Karton teilgenommen habe, seien ihr
derartige umfassende Maßnahmen oder Verständigungen nicht bekannt gewesen.
Auf den von ihren Vertretern besuchten Sitzungen der PK, des PWG und des JMC
sei nur in allgemeiner Form über die Mengenbeibehaltung bei bestimmten
Ländergruppen von Herstellern und über die Abstellzeiten gesprochen worden.
- 36.
- Auf den von ihren Vertretern besuchten Sitzungen des PWG sei es um die
Absatzmengen der Unternehmen aus den einzelnen Staaten auf dem europäischen
Markt gegangen. Dabei seien Statistiken über die Absatzmengen der einzelnen
Ländergruppen mit den auf den vorangegangenen Treffen besprochenen Statistiken
verglichen worden. Diese Angaben seien mit der Erwartung verknüpft worden, daß
die einzelnen nationalen Gruppen ihren Anteil am europäischen Markt nicht
erhöhen würden.
- 37.
- Außerdem sei auf Sitzungen des JMC, an denen ihre Vertreter teilgenommen
hätten, gelegentlich über Abstellzeiten der Maschinen gesprochen worden. Ihr ab
1990 entsandter Vertreter habe aber regelmäßig erklärt, daß er für Aussagen zur
Mengenpolitik seines Unternehmens kein Mandat habe. Die Marktsituation habe
im übrigen ein Abstellen ihrer Maschinen in dem von der Entscheidung erfaßten
Zeitraum nicht gerechtfertigt.
- 38.
- Die Behauptungen der Kommission zur angeblichen Mengenkontrolle beruhten auf
drei Beweismitteln, und zwar auf der Antwort von Stora vom 14. Februar 1992 auf
ein Auskunftsverlangen gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 (Anlage 43 der
Mitteilung der Beschwerdepunkte), auf der vertraulichen Aktennotiz des
Verkaufsleiters von FS-Karton (Mayr-Melnhof-Gruppe) vom 28. Dezember 1988
(Anlage 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) und auf einem Vermerk des
Geschäftsführers von Rena über eine Sondersitzung des Nordic Paper Institute
(NPI) vom 3. Oktober 1988 (Anlage 102 der Mitteilung der Beschwerdepunkte).
- 39.
- Die Kommission hätte die Aussagen von Stora nach Ansicht der Klägerin nicht als
zentrales Beweismittel verwenden dürfen.
- 40.
- In den Anlagen 73 und 102 der Mitteilung der Beschwerdepunkte komme der von
Stora in ihrer Antwort an die Kommission verwendete Begriff „Preis-vor-Menge-Politik“ nicht vor. Sie enthielten nur allgemeine Wunschvorstellungen
oder Bedenken und könnten nicht als Beleg dafür angesehen werden, daß
Maßnahmen zur Produktionsbeschränkung vereinbart oder gar getroffen worden
seien.
- 41.
- Mit dem zweiten Teil ihres Klagegrundes macht die Klägerin geltend, die Angaben
zu ihrer eigenen Produktion zeigten, daß sie nicht an Mengenkontrollen
teilgenommen habe. Sie stellt eingehend ihre Absatzentwicklung dar und erklärt,
sie habe ihren Absatz auf dem Gesamtmarkt der Gemeinschaft zwischen 1986 und
1991 mehr als verdoppelt, obwohl der Absatz von Karton nur um knapp 20 %
zugenommen habe. Auf dem für sie wichtigsten räumlichen Markt, dem deutschen
Markt, sei der mengenmäßige Absatz noch stärker gestiegen.
- 42.
- Schließlich habe sie den anderen Teilnehmern an den Sitzungen des JMC zu
keinem Zeitpunkt mitgeteilt, daß sie ihre Maschinen abstellen werde, um die
Mengen zu drosseln. Die in handschriftlichen Notizen des Verkaufsleiters von
FS-Karton (Anlage 115 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) angesprochenen
Produktionsunterbrechungen Ende 1990 und Anfang 1991 hätten mit den
Weihnachtsferien zusammengehangen.
- 43.
- Die Kommission führt aus, es gebe keinen Widerspruch zwischen ihren eigenen
Feststellungen und den Angaben der Klägerin, daß im PWG und im JMC nur in
allgemeiner Form über die Beibehaltung der Mengen und über
Produktionsunterbrechungen diskutiert worden sei, auch wenn die Beibehaltung der
Mengen bestimmter Ländergruppen von Herstellern und Abstellzeiten
angesprochen worden seien (siehe oben, Randnrn. 36 und 37). Bei den fraglichen
Diskussionen sei es nämlich offensichtlich um die Begrenzung des Absatzes
individueller Hersteller, d. h. um präzise Fragestellungen, gegangen.
- 44.
- Schon diese Ausführungen bestätigten somit, daß die Beibehaltung der Mengen und
die Abstellzeiten auf den Sitzungen der PG Karton erörtert worden seien; die von
der Kommission gefundenen Beweise belegten darüber hinaus, daß sich die
Diskussionen nicht auf einen allgemeinen Gedankenaustausch beschränkt hätten,
sondern daß die Teilnehmer feste Absprachen über die Beibehaltung bestimmter
Produktionsmengen und Marktanteile getroffen hätten.
- 45.
- In ihrer zweiten Aussage (Anlage 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) habe
Stora die von ihr als „Preis-vor-Menge“-Politik bezeichnete Politik der
Aufrechterhaltung eines annähernden Gleichgewichts zwischen Angebot und
Nachfrage ausführlich beschrieben. Aus der Beschreibung dieser Politik ergebe sich,
daß sie ein wesentlicher Bestandteil der wettbewerbswidrigen Kooperation in der
PG Karton gewesen sei und daß Einigkeit darüber bestanden habe, daß die
Aufrechterhaltung eines Gleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage zur
Sicherung der Preisstabilität erforderlich sei. Außerdem hätten die Hersteller wegen
des Nachfragerückgangs im Jahr 1990 Abstellzeiten hingenommen, die anhand der
jährlichen Kapazitätsberichte ermittelt worden seien (Punkte 24 und 25 der
Aussage).
- 46.
- Die Aussagen von Stora zur „Preis-vor-Menge“-Politik, die eine Mengenkontrolle
und die Begrenzung der Marktanteile umfaßt habe, würden durch zahlreiche
andere Beweise bestätigt, u. a. durch die vertrauliche Aktennotiz des
Verkaufsleiters von FS-Karton (Anlage 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte,
S. 3, Punkt 1, und S. 5, Punkt 5).
- 47.
- Ferner sei auf die handschriftlichen Notizen dieses Verkaufsleiters (Anlage 115 der
Mitteilung der Beschwerdepunkte) zu verweisen, in denen die individuellen
Auftragsbestände zahlreicher Hersteller, teilweise sogar bezogen auf einzelne
Kartonmaschinen, in Tagen oder Wochen wiedergegeben würden. Diese
Informationen hätten zusammen mit den Kapazitätsdaten dazu gedient, die
Auslastung zu ermitteln und gegebenenfalls Abstellzeiten zu planen.
- 48.
- Die von Stora in ihrer Aussage gemachten Angaben würden auch durch die Notiz
„Highlights“ bestätigt, die sich auf die Sitzung der WK vom 3. Oktober 1989
beziehe (Anlage 70 der Mitteilung der Beschwerdepunkte).
- 49.
- Ausgehend von diesen Erwägungen sei im Ergebnis festzustellen, daß die Klägerin
an Sitzungen der PG Karton teilgenommen habe, auf denen die Begrenzung von
Produktionsmengen, die Beibehaltung von Marktanteilen und Abstellzeiten erörtert
worden seien.
- 50.
- Unter diesen Umständen spiele das im zweiten Teil des Klagegrundes enthaltene
Vorbringen der Klägerin zu ihrem Verhalten keine Rolle.
Würdigung durch das Gericht
Zum Vorliegen einer Absprache über das Einfrieren der Marktanteile und
einer Absprache über die Angebotskontrolle
- 51.
- Zum ersten Teil des Klagegrundes ist darauf hinzuweisen, daß nach Artikel 1 der
Entscheidung die in dieser Bestimmung genannten Unternehmen gegen Artikel 85
Absatz 1 des Vertrages verstoßen haben, indem sie sich im Referenzzeitraum an
einer Vereinbarung und abgestimmten Verhaltensweise beteiligten, durch die die
Kartonanbieter in der Gemeinschaft „sich vorbehaltlich gelegentlicher Änderungen
über die Aufrechterhaltung konstanter Marktanteile der führenden Hersteller
verständigten“ und „in zunehmendem Maße ab Anfang 1990 abgestimmte
Maßnahmen zur Kontrolle des Kartonangebots in der Gemeinschaft trafen, um die
Durchsetzung der vorerwähnten abgestimmten Preiserhöhungen sicherzustellen“.
- 52.
- Nach Ansicht der Kommission wurden diese beiden Formen von Absprachen, die
in der Entscheidung unter der Überschrift „Mengenkontrollen“ behandelt werden,
im Referenzzeitraum von den Teilnehmern an den Sitzungen des PWG eingeführt.
Aus Randnummer 37 Absatz 3 der Entscheidung geht nämlich hervor, daß der
eigentliche Auftrag des PWG nach der Darstellung von Stora „die Erörterung und
Abstimmung der Märkte, Marktanteile, Preise, Preiserhöhungen und Kapazitäten“
umfaßte.
- 53.
- Zur Rolle des PWG bei der Absprache über die Marktanteile wird in der
Entscheidung (Randnr. 37 Absatz 5) folgendes ausgeführt: „Im Zusammenhang mit
den Preiserhöhungsinitiativen führte der PWG ausführliche Diskussionen über die
Marktanteile, die die nationalen Gruppierungen und einzelne Herstellergruppen
in Westeuropa innehaben. Das Ergebnis waren eine Reihe von .Vereinbarungen'
zwischen den Teilnehmern über ihre jeweiligen Marktanteile, die sicherstellen
sollten, daß die konzertierten Preisinitiativen nicht durch ein die Nachfrage
überschreitendes Angebot gefährdet werden. So einigten sich die großen
Herstellergruppen darauf, ihre Marktanteile auf den Niveaus zu belassen, wie sie
aus den jährlichen Produktions- und Verkaufszahlen resultierten, die jeweils im
März des darauffolgenden Jahres über die FIDES bekanntgegeben wurden. Auf
jeder PWG-Sitzung wurde die Entwicklung der Marktanteile auf der Grundlage der
monatlichen FIDES-Meldungen analysiert; bei größeren Schwankungen wurden von
den vermuteten Schuldigen Erklärungen verlangt.“
- 54.
- In Randnummer 52 der Entscheidung heißt es: „Die 1987 im PWG erzielte
Vereinbarung umfaßte auch ein .Einfrieren' der Marktanteile der führenden
Hersteller in Westeuropa auf dem erreichten Niveau, ohne daß Versuche
unternommen wurden, neue Kunden zu gewinnen oder durch aggressive
Preispolitik bestehende Geschäftsbeziehungen auszubauen.“
- 55.
- Nach Randnummer 56 Absatz 1 der Entscheidung bestand die „Grundvereinbarung
zwischen den führenden Herstellern über das Einfrieren ihrer Marktanteile ...
während des gesamten von der vorliegenden Entscheidung erfaßten Zeitraums
weiter“. In Randnummer 57 heißt es: „Die .Entwicklung der Marktanteile' wurde
auf jeder PWG-Sitzung auf der Grundlage vorläufiger Statistiken analysiert ...“
Schließlich wird in Randnummer 56 letzter Absatz folgendes ausgeführt: „Die
Unternehmen, die an den Beratungen über die Marktanteile teilnahmen, waren die
gleichen wie die Mitglieder des PWG, nämlich Cascades, Finnboard, KNP (bis
1988), [Mayr-Melnhof], MoDo, Sarrió, die beiden zur Stora-Gruppe gehörenden
Hersteller CBC und Feldmühle und (ab 1988) Weig.“
- 56.
- Die Kommission hat das Vorliegen einer Absprache der Teilnehmer an den
Sitzungen des PWG über die Marktanteile ordnungsgemäß nachgewiesen.
- 57.
- Die Analyse der Kommission beruht im wesentlichen auf den Aussagen von Stora
(Anlagen 39 und 43 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) und wird durch Anlage
73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte bestätigt.
- 58.
- In Anlage 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte erläutert Stora: „Der PWG trat
ab 1986 zusammen, um bei der Einführung von Marktdisziplin zu helfen ... Neben
anderen (legitimen) Tätigkeiten bestand sein Zweck in der Erörterung und
Abstimmung hinsichtlich der Märkte, Marktanteile, Preise, Preiserhöhungen,
Nachfrage und Kapazität. Zu seiner Rolle gehörte es, die genaue Angebots- und
Nachfragesituation auf dem Markt sowie die beim Versuch, Ordnung in den Markt
zu bringen, zu treffenden Maßnahmen zu beurteilen und der Präsidentenkonferenz
zu erläutern.“
- 59.
- Zur Absprache über die Marktanteile führt Stora aus: „Die von nationalen
Gruppen in EG-, EFTA- und anderen Ländern, die von Mitgliedern der PG Karton
beliefert wurden, übernommenen Anteile wurden im PWG geprüft ... [Der PWG]
erörterte ... die Möglichkeit, die Marktanteile auf dem Niveau des Vorjahrs zu
halten“ (Anlage 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 19). Ferner gab
sie folgendes an (gleiches Dokument, Punkt 6): „Auch die europäischen
Marktanteile der Hersteller wurden in diesem Zeitraum erörtert, wobei das Niveau
von 1987 den ersten Referenzzeitraum darstellte.“
- 60.
- In ihrer am 14. Februar 1992 übersandten Antwort auf ein Ersuchen der
Kommission vom 23. Dezember 1991 (Anlage 43 der Mitteilung der
Beschwerdepunkte) fügte Stora hinzu: „Die Verständigungen der PWG-Mitglieder
über das Niveau der Marktanteile bezogen sich auf Europa als Ganzes. Die
Verständigungen beruhten auf den Gesamtzahlen des Vorjahrs, die in der Regel
im März des Folgejahrs endgültig verfügbar waren“ (Punkt 1.1).
- 61.
- Diese Behauptung wird im selben Dokument mit folgenden Worten bestätigt:
„[D]ie Erörterungen [führten] in der Regel im März jeden Jahres zu
Verständigungen zwischen den Mitgliedern des PWG über die Beibehaltung ihrer
Marktanteile auf dem Niveau des Vorjahrs“ (Punkt 1.4). Stora führt aus: „Es
wurden keine Maßnahmen getroffen, um die Einhaltung der Verständigungen
sicherzustellen ...“ Den Teilnehmern an den Sitzungen des PWG sei bewußt
gewesen, „daß, wenn sie sich auf bestimmten von anderen belieferten Märkten
ungewöhnlich verhielten, diese anderen auf anderen Märkten Vergeltung üben
könnten“ (gleicher Punkt).
- 62.
- Schließlich erklärt Stora, daß die Klägerin an den Erörterungen der Marktanteile
teilgenommen habe (Punkt 1.2).
- 63.
- Die Behauptungen von Stora hinsichtlich der Absprache über die Marktanteile
werden durch Anlage 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte untermauert. Dieses
bei FS-Karton gefundene Schriftstück ist eine vertrauliche Aktennotiz des für die
Verkaufsaktivitäten der Mayr-Melnhof-Gruppe in Deutschland zuständigen
Verkaufsleiters (Herrn Katzner) an den Geschäftsführer von Mayr-Melnhof in
Österreich (Herrn Gröller) vom 28. Dezember 1988, die die Marktsituation betrifft.
- 64.
- Nach diesem in den Randnummern 53 bis 55 der Entscheidung behandelten
Schriftstück gab es bei der 1987 beschlossenen engeren Zusammenarbeit im
„Präsidentenkreis“ „Gewinner und Verlierer“. Der Verfasser der Aktennotiz zählt
Mayr-Melnhof u. a. aus folgenden Gründen zu den Verlierern:
„2.) Eine Einigung konnte nur durch unsere .Bestrafung' erzielt werden man
verlangte von uns .Opfer'.
3.) Die 1987-Marktanteile sollten .eingefroren', die bestehenden Kontakte
beibehalten und keine neuen Aktivitäten und Sorten über den Preis
gewonnen werden (im Januar 1989 wird sich ja das Resultat zeigen wenn
alle ehrlich sind).“
- 65.
- Diese Ausführungen sind im allgemeineren Kontext der Aktennotiz zu sehen.
- 66.
- Insoweit verweist ihr Verfasser einleitend auf die engere Zusammenarbeit auf
europäischer Ebene im „Präsidentenkreis“. Dieser Ausdruck ist nach der Auslegung
von Mayr-Melnhof eine gemeinsame Bezeichnung für PWG und PK in allgemeinem
Zusammenhang, d. h. ohne Bezugnahme auf ein bestimmtes Ereignis oder Treffen
(Anlage 75 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 2.a); diese Auslegung
braucht im vorliegenden Zusammenhang nicht erörtert zu werden.
- 67.
- Der Verfasser führt sodann aus, daß diese Zusammenarbeit zu „Preisdisziplin“
geführt habe, bei der es „Gewinner und Verlierer“ gegeben habe.
- 68.
- Folglich sind die Ausführungen zu den auf dem Niveau von 1987 einzufrierenden
Marktanteilen im Kontext dieser vom „Präsidentenkreis“ beschlossenen
Preisdisziplin zu verstehen.
- 69.
- Außerdem steht die Verweisung auf 1987 als Referenzjahr mit der zweiten Aussage
von Stora (Anlage 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte; siehe oben, Randnr.
58) im Einklang.
- 70.
- Schließlich ist festzustellen, daß das Vorbringen der Klägerin die Beweiskraft der
oben genannten Unterlagen nicht mindern kann, da sie lediglich behauptet, daß die
im PWG vertretenen Unternehmen nur allgemeine Diskussionen geführt hätten.
In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist die Einräumung dieser Tatsache
sogar geeignet, die in der Entscheidung enthaltenen Angaben der Kommission zu
untermauern.
- 71.
- Zur Rolle des PWG bei der Absprache über die Lieferkontrolle, die durch die
Prüfung der Abstellzeiten der Maschinen gekennzeichnet war, heißt es in der
Entscheidung, daß der PWG bei der Durchsetzung der Abstellzeiten eine
entscheidende Rolle gespielt habe, als ab 1990 die Produktionskapazität
zugenommen habe und die Nachfrage gesunken sei: „Von Anfang 1990 an [hielt
es] die Branche ... für erforderlich ..., sich im Rahmen des PWG über Abstellzeiten
zu verständigen. Die großen Hersteller räumten ein, daß sie die Nachfrage nicht
durch Preissenkungen steigern konnten und daß die Aufrechterhaltung der vollen
Produktion lediglich einen Preisrückgang bewirken würde. Theoretisch ließ sich
anhand der Kapazitätsberichte errechnen, wie lange die Maschinen abgestellt
werden mußten, um Angebot und Nachfrage wieder ins Gleichgewicht zu bringen“
(Randnr. 70 der Entscheidung).
- 72.
- Ferner heißt es in der Entscheidung: „Der PWG wies jedoch nicht formell jedem
Hersteller seine .Abstellzeiten' zu. Laut Stora bestanden praktische
Schwierigkeiten, einen koordinierten Plan für Abstellzeiten für alle Hersteller
aufzustellen. Aus diesen Gründen bestand laut Stora nur .ein loses System der
Ermutigung'“ (Randnr. 71 der Entscheidung).
- 73.
- Die Kommission hat das Vorliegen einer Absprache der Teilnehmer an den
Sitzungen des PWG über die Produktionsunterbrechungen hinreichend
nachgewiesen.
- 74.
- Die von ihr vorgelegten Unterlagen stützen ihre Analyse.
- 75.
- In ihrer zweiten Aussage (Anlage 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt
24) führt Stora aus: „Mit der Einführung der Preis-vor-Menge-Politik durch den
PWG und der allmählichen Anwendung eines einheitlichen Preissystems ab 1988
erkannten die Mitglieder des PWG an, daß Abstellzeiten erforderlich sein würden,
um diese Preise angesichts geringerer Nachfragesteigerung zu halten. Ohne
Abstellzeiten hätten die Hersteller vereinbarte Preisniveaus angesichts
zunehmender Überkapazität nicht halten können.“
- 76.
- Im folgenden Punkt ihrer Erklärung fügt sie hinzu: „1988 und 1989 konnte die
Industrie mit nahezu voller Kapazität arbeiten. Abstellzeiten neben der normalen
Schließung wegen Reparaturen und Feiertagen wurden ab 1990 erforderlich ...
Schließlich waren Abstellzeiten nötig, wenn der Auftragseingang stockte, um die
Preis-vor-Menge-Politik aufrechtzuerhalten. Die Länge der von den Herstellern (zur
Aufrechterhaltung des Gleichgewichts zwischen Produktion und Verbrauch)
einzuhaltenden Abstellzeit konnte anhand der Kapazitätsberichte errechnet werden.
Der PWG nahm keine formelle Zuweisung von Abstellzeiten vor, obwohl ein loses
System der Ermutigung bestand ...“
- 77.
- Die in Anlage 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte vom Verfasser genannten
Gründe dafür, daß er Mayr-Melnhof bei Abfassung der Aktennotiz als „Verlierer“
ansah, stellen wichtige Beweise für das Vorliegen einer Absprache der Teilnehmer
an den Sitzungen des PWG über die Abstellzeiten dar.
- 78.
- Der Verfasser stellt nämlich folgendes fest:
„4.) Und an dieser Stelle beginnt die unterschiedliche Auffassung der Beteiligten
über das Gewollte.
...
c) Alle Außendienstler und europäischen Vertreter wurden von ihren
Mengenbudgets entbunden, und es wurde eine fast lückenlose, harte
Preispolitik vertreten (die Mitarbeiter verstanden oftmals unsere
geänderte Einstellung zum Markt nicht früher wurde nur Tonnage
gefordert und jetzt nur Preisdisziplin mit der Gefahr, die Maschinen
abzustellen).“
- 79.
- Mayr-Melnhof macht geltend (Anlage 75 der Mitteilung der Beschwerdepunkte),
daß der oben wiedergegebene Abschnitt einen unternehmensinternen Sachverhalt
betreffe. Bei einer Analyse im allgemeineren Kontext der Aktennotiz läßt dieser
Auszug jedoch erkennen, daß auf der Ebene des Verkaufspersonals eine im
„Präsidentenkreis“ beschlossene rigorose Politik durchgesetzt wurde. Das
Schriftstück ist somit dahin auszulegen, daß die Teilnehmer an der Vereinbarung
von 1987, d. h. zumindest die Teilnehmer an den Sitzungen des PWG, unbestreitbar
die Folgen der beschlossenen Politik für den Fall erwogen haben, daß diese rigoros
angewandt wird.
- 80.
- Aus alledem ist zu schließen, daß der Kommission der Beweis für das Vorliegen
einer Absprache der Teilnehmer an den Sitzungen des PWG über die Marktanteile
sowie einer Absprache dieser Unternehmen über die Abstellzeiten rechtlich
gelungen ist. Da die Klägerin unstreitig an den Sitzungen des PWG teilnahm und
in den Aussagen von Stora ausdrücklich erwähnt wird, hat die Kommission sie
zumindest ab dem Zeitpunkt, zu dem sie an den Sitzungen des PWG teilzunehmen
begann, d. h. ab 1988, zu Recht für eine Teilnahme an diesen beiden Absprachen
zur Verantwortung gezogen.
- 81.
- Die Einwände der Klägerin gegen die Aussagen von Stora, mit denen ihr
Beweiswert in Abrede gestellt wird, sind nicht geeignet, diese Feststellung zu
entkräften.
- 82.
- Diese Aussagen stammen nämlich unstreitig von einem der Unternehmen, die an
der geltend gemachten Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sein sollen, und
enthalten eine eingehende Beschreibung der Art der Erörterungen in den Gremien
der PG Karton, des von den ihr angehörenden Unternehmen verfolgten Zieles
sowie der Teilnahme dieser Unternehmen an den Sitzungen ihrer verschiedenen
Gremien. Da dieses zentrale Beweismittel durch andere Aktenstücke bestätigt wird,
stellt es eine stichhaltige Stütze des Vorbringens der Kommission dar.
- 83.
- Da die Kommission das Vorliegen der beiden fraglichen Absprachen nachgewiesen
hat, brauchen die übrigen Einwände der Klägerin gegen die Anlagen 102 und 115
der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht geprüft zu werden.
Zum tatsächlichen Verhalten der Klägerin
- 84.
- Auch dem zweiten Teil des Klagegrundes, wonach das tatsächliche Verhalten der
Klägerin nicht den Behauptungen der Kommission zum Vorliegen der beiden
streitigen Absprachen entspreche, kann nicht gefolgt werden.
- 85.
- Erstens darf die Existenz von Absprachen der Mitglieder des PWG über die beiden
Aspekte der „Preis-vor-Menge“-Politik nicht mit der Durchführung dieser
Absprachen verwechselt werden. Die von der Kommission vorgelegten Beweise
haben nämlich ein solches Gewicht, daß Informationen über das tatsächliche
Marktverhalten der Klägerin keinen Einfluß auf die Ergebnisse haben können, zudenen die Kommission hinsichtlich des Vorliegens von Absprachen über die beiden
Aspekte der streitigen Politik gelangt ist. Die Behauptungen der Klägerin könnten
allenfalls als Beleg dafür dienen, daß ihr Verhalten nicht dem entsprach, was die
dem PWG angehörenden Unternehmen vereinbart hatten.
- 86.
- Zweitens stehen die Ergebnisse, zu denen die Kommission gelangt ist, nicht im
Widerspruch zu den von der Klägerin erteilten Auskünften. Die Kommission räumt
ausdrücklich ein, daß die Absprache über die Marktanteile „kein formelles System
von Strafen oder Kompensationsmaßnahmen, um die in der Frage der Marktanteile
erzielte Einigung durchzusetzen,“ einschloß und daß die Marktanteile einzelner
großer Hersteller von Jahr zu Jahr wuchsen (vgl. insbesondere Randnrn. 59 und 60
der Entscheidung). Außerdem räumt die Kommission ein, daß die Industrie bis
Anfang 1990 mit voller Kapazitätsauslastung arbeitete, so daß bis dahin praktisch
keine Abstellzeiten notwendig wurden (Randnr. 70 der Entscheidung).
- 87.
- Drittens ist nach ständiger Rechtsprechung die Tatsache, daß sich ein
Unternehmen den Ergebnissen von Sitzungen mit offensichtlich
wettbewerbsfeindlichem Gegenstand nicht beugt, nicht geeignet, es von seiner
vollen Verantwortlichkeit für seine Teilnahme am Kartell zu entlasten, wenn es sich
nicht offen vom Inhalt der Sitzungen distanziert hat (vgl. z. B. Urteil des Gerichts
vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-141/89, Tréfileurope/Kommission, Slg.
1995, II-791, Randnr. 85). Selbst wenn man annimmt, daß das Marktverhalten der
Klägerin nicht dem vereinbarten Verhalten entsprach, ändert dies somit nichts an
ihrer Verantwortlichkeit für eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des
Vertrages.
- 88.
- Folglich ist der Klagegrund in vollem Umfang zurückzuweisen.
Zum Klagegrund eines Fehlers der Kommission hinsichtlich der Dauer der
Zuwiderhandlung
Vorbringen der Parteien
- 89.
- Die Klägerin wendet sich erstens dagegen, daß ihr die Zuwiderhandlung ab Mitte
1986 zur Last gelegt wird. Sie habe in Wirklichkeit vor Februar/März 1988 keine
Zuwiderhandlung begangen.
- 90.
- Die Kommission habe die Einsetzung des PWG und die „Intensivierung der
Absprachen“ der Hersteller als wesentliche Ereignisse für den Beginn des
Verstoßes angesehen (Randnr. 161 der Entscheidung). Der Klägerin sei jedoch
nicht bekannt, ob der PWG schon 1986 gebildet worden sei. Selbst wenn dies der
Fall gewesen sein sollte, sei die Schaffung dieses Gremiums den darin nicht
vertretenen Mitgliedern der PG Karton verborgen geblieben. Im übrigen gebe es
für die von der Kommission behauptete „Intensivierung der Absprachen“ ab Mitte
1986 keinen Beleg.
- 91.
- Ihre Teilnahme an Sitzungen der Gremien der PG Karton habe sich bis
Februar/März 1988 auf eine Sitzung der PK beschränkt. Die Teilnahme an dieser
Sitzung könne jedoch nicht die Auffassung der Kommission rechtfertigen, daß sie
seit Juni 1986 an dem angeblichen Verstoß mitgewirkt habe. Die Praxis, daß der
Vorsitzende des PWG über die wesentlichen Ergebnisse in der PK berichtet habe,
habe erst Ende 1988/Anfang 1989 eingesetzt. Die einem Vertreter ihrer Firma
zugeschriebene Aussage auf einer „FIDES-Sitzung“ von 1986, daß eine Erhöhung
um 9 % für das Vereinigte Königreich zu hoch sei, so daß man sich auf 7 %
einstelle (vgl. Randnummer 41 der Entscheidung), könne nicht auf einer Sitzung
der PK gemacht worden sein. Ihr Vertreter auf der Sitzung der PK vom 10.
November 1986 könne sich an eine derartige Äußerung nicht erinnern. Sie könne
allenfalls am Rande einer Sitzung gefallen sein.
- 92.
- Sie habe an einer etwaigen Preisabsprache vor der Abstimmung der Preiserhöhung
im Frühjahr 1988 nicht teilgenommen. Insbesondere habe sie, wie die Kommission
im übrigen nicht bestreite, an der Preiserhöhung im Vereinigten Königreich im
Januar 1987, die von der Kommission als Ergebnis einer Abstimmung unter den
Herstellern angesehen worden sei, nicht teilgenommen.
- 93.
- Zweitens sei die Kommission, wie sich aus Randnummer 164 der Entscheidung
ergebe, fälschlich von einer Fortdauer der Zuwiderhandlung bis Juni 1991
ausgegangen. Nach den Nachprüfungen, die die Kommission im April 1991
vorgenommen habe, hätten jedoch keine wettbewerbswidrigen Gespräche
stattgefunden.
- 94.
- Die Kommission trägt vor, sie sei zu Recht davon ausgegangen, daß die
Zuwiderhandlung im Fall der Klägerin von Mitte 1986 bis mindestens April 1991
gedauert habe.
- 95.
- Die Klägerin habe seit Februar 1986 der PG Karton angehört und regelmäßig an
Sitzungen der PK teilgenommen. Sie habe daher von den kartellrechtswidrigen
Absprachen der Kartonhersteller über gemeinschaftliche und einheitliche
Preiserhöhungen gewußt, denn es sei u. a. Aufgabe der PK gewesen, die Direktoren
über die im PWG gefaßten Beschlüsse und die ihren Vertriebsabteilungen zur
Durchführung der Preisinitiativen zu erteilenden Anweisungen zu unterrichten. Die
Unterrichtung sei in der Regel durch den Vorsitzenden der PK erfolgt, der zugleich
Vorsitzender des PWG gewesen sei.
- 96.
- Daß sich die Klägerin angeblich nicht an der Initiative zur Erhöhung der Preise im
Vereinigten Königreich im Jahr 1987 beteiligt habe, spiele keine Rolle. Ihre
fortgesetzte Teilnahme an den Sitzungen der PK reiche nämlich aus, um sie als
Kartellmitglied einzustufen und ihr die Zuwiderhandlung zuzurechnen, denn sie
habe bei der Planung ihres eigenen Marktverhaltens notwendigerweise ihr Wissen
von den bevorstehenden Preiserhöhungen ihrer Konkurrenten berücksichtigt.
- 97.
- In bezug auf das Ende der Zuwiderhandlung habe die Kommission nie behauptet,
daß die Klägerin nach April 1991 an einer Zuwiderhandlung teilgenommen habe.
Würdigung durch das Gericht
- 98.
- Gemäß Artikel 1 der Entscheidung hat die Klägerin von Mitte 1986 bis mindestens
April 1991 gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstoßen.
- 99.
- In bezug auf den Beginn der Zuwiderhandlung wird in Randnummer 161 der
Entscheidung ausgeführt, daß die meisten Adressaten der Entscheidung ab Juni
1986 an der Zuwiderhandlung teilgenommen hätten, d. h. ab dem Zeitpunkt, zu
dem „der PWG eingesetzt wurde und die Absprachen zwischen den Herstellern
sich intensivierten und wirksamer zu werden begannen“. Ferner heißt es in
Randnummer 74 Absatz 1 der Entscheidung, daß die erste abgestimmte
Preisinitiative Ende 1986 im Vereinigten Königreich stattfand, „[w]ährend der neue
Mechanismus der PG Karton noch nicht voll funktionierte“. Nach Ansicht der
Kommission „ist daher zweifelsfrei erwiesen, daß die Kartonhersteller bereits
spätestens Mitte 1986 an einer Form von Absprache beteiligt waren, die als eine
aufeinander abgestimmte Verhaltensweise ... bezeichnet werden kann“ (Randnr.
132 Absatz 3 der Entscheidung).
- 100.
- Da die Klägerin einräumt, an einer Abstimmung der Preiserhöhung im März/April
1988 teilgenommen zu haben, hat sie zumindest ab diesem Zeitpunkt an einer
Preisabsprache mitgewirkt.
- 101.
- Was die Zeit von Mitte 1986 bis März 1988 anbelangt, so beweist die Mitte 1986
erfolgte Einsetzung des PWG als solche nicht, daß sich die Klägerin ab diesem
Zeitpunkt an einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der
Gemeinschaft beteiligte. Die Kommission beruft sich im übrigen auf kein
Beweismittel, aus dem hervorginge, daß die Klägerin Mitte 1986 von der Schaffung
dieses Gremiums oder gar vom wettbewerbswidrigen Zweck seiner Sitzungen
wußte.
- 102.
- Somit ist zu prüfen, ob die Tatsache, daß die Klägerin an einigen Sitzungen der PK
teilnahm, und zwar an den Sitzungen vom 29. Mai 1986, vom 10. November 1986
und vom 4. Dezember 1987 (Tabelle 3 im Anhang der Entscheidung), ein Beleg für
ihre Beteiligung an einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages
vor März 1988 ist.
- 103.
- Die Klägerin stellt die Beweiskraft von Anlage 61 der Mitteilung der
Beschwerdepunkte sowie die Behauptung der Kommission in Abrede, daß die
Teilnehmer an den Sitzungen der PK vor Ende 1988 über die vom PWG
getroffenen Entscheidungen informiert worden seien.
- 104.
- Bei Anlage 61 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, einer beim Verkaufsagenten
von Mayr-Melnhof im Vereinigten Königreich gefundenen Notiz, handelt es sich
nach Ansicht der Kommission um eine „interne Notiz über eine
Präsidentenkonferenz“, die eine „Bestätigung für die Aussage von Stora, daß in der
Präsidentenkonferenz tatsächlich über Preisabsprachen geredet wurde, liefert“
(Randnrn. 41 Absatz 3 und 75 Absatz 2 der Entscheidung).
- 105.
- Dieses Schriftstück, das sich auf eine Sitzung in Wien am 12. und 13. Dezember
1986 bezieht, enthält folgende Angaben:
„Preisfestsetzung VK
An der letzten FIDES-Sitzung nahm der Vertreter von Weig teil, der erklärte, daß
sie 9 % für das VK für zu hoch halten und sich mit 7 % zufriedengeben!! Große
Enttäuschung, da dies eine .Verhandlungsmarge' für alle anderen signalisiert. Die
Preispolitik im VK bleibt RHU mit Unterstützung durch [Mayr-Melnhof]
überlassen, selbst wenn dies eine vorübergehende Verringerung der Tonnage
bedeutet, während wir versuchen (und dies auch deutlich machen), auf 9 % zu
kommen. [Mayr-Melnhof/FS] behalten eine Wachstumspolitik im VK bei, aber der
Rückgang der Erträge ist ernst, und wir müssen kämpfen, um die Kontrolle über
die Preisfestsetzung zurückzugewinnen. [Mayr-Melnhof] räumt ein, daß es nicht
hilfreich ist, daß sie bekanntermaßen ihre Tonnage in Deutschland um 6 000 erhöht
haben!“
- 106.
- Bei der „FIDES-Sitzung“, auf die am Anfang des Zitats Bezug genommen wird,
handelt es sich nach Angaben von Mayr-Melnhof (Antwort auf ein
Auskunftsverlangen, Anlage 62 der Mitteilung der Beschwerdepunkte)
wahrscheinlich um das Treffen der PK am 10. November 1986.
- 107.
- Das analysierte Schriftstück zeigt, daß der Vertreter der Klägerin mit Angaben
über ihre künftige Preispolitik im Vereinigten Königreich auf das ursprüngliche
Ausmaß einer Preiserhöhung reagierte.
- 108.
- Es kann jedoch nicht als Beweis dafür angesehen werden, daß die Klägerin auf ein
bestimmtes Ausmaß einer Preiserhöhung reagierte, das zwischen den der PG
Karton angehörenden Unternehmen vor dem 10. November 1986 vereinbart
worden war.
- 109.
- Die Kommission beruft sich nämlich insoweit auf kein anderes Beweismittel.
Außerdem kann die Bezugnahme der Klägerin auf eine Preiserhöhung um „9 %“
damit zu erklären sein, daß Thames Board Ltd am 5. November 1986 eine
Preiserhöhung im Vereinigten Königreich ankündigte (Anlage A-12-1). Diese
Ankündigung wurde innerhalb kurzer Zeit publik gemacht, wie aus einem
Pressebericht hervorgeht (Anlage A-12-3). Schließlich hat die Kommission kein
anderes Schriftstück vorgelegt, das einen unmittelbaren Beweis dafür darstellen
könnte, daß die Preiserhöhungen auf Sitzungen der PK erörtert wurden. Unter
diesen Umständen ist nicht auszuschließen, daß die in Anlage 61 der Mitteilung der
Beschwerdepunkte wiedergegebenen Äußerungen der Klägerin am Rand der
Sitzung der PK vom 10. November 1986 fielen, wie die Klägerin in der mündlichen
Verhandlung wiederholt geltend gemacht hat.
- 110.
- Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich bei der aufeinander abgestimmten
Verhaltensweise um eine Form der Koordinierung zwischen Unternehmen, die
zwar noch nicht bis zum Abschluß eines Vertrages im eigentlichen Sinn gediehen
ist, jedoch bewußt eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken
verbundenen Wettbewerbs treten läßt. Die Kriterien der Koordinierung und der
Zusammenarbeit, die es ermöglichen, diesen Begriff näher zu bestimmen, sind im
Licht des Grundgedankens der Wettbewerbsvorschriften des Vertrages zu
verstehen, daß jeder Wirtschaftsteilnehmer autonom zu bestimmen hat, welche
Politik er auf dem Markt zu betreiben gedenkt (Urteil des Gerichtshofes vom 31.
März 1993 in den Rechtssachen C-89/85, C-104/85, C-114/85, C-116/85, C-117/85
und C-125/85 bis C-129/85, Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, Slg. 1993,
I-1307). Folglich ist die Tatsache, daß ein Unternehmen einseitig seine künftigen
Marktpreise bekanntgibt, kein hinreichender Beweis für das Vorliegen eines
Verstoßes gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages, sofern nicht feststeht, daß diese
Bekanntgabe im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen Unternehmen erfolgt.
- 111.
- Im Zusammenhang mit der Frage, ob die Erklärung des Vertreters der Klägerin,
von der in Anlage 61 der Mitteilung der Beschwerdepunkte die Rede ist, im
Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen Unternehmen abgegeben wurde, sind die
übrigen von der Kommission zur Stützung ihres Vorbringens, daß es im Januar
1987 eine Preisabsprache im Vereinigten Königreich gegeben habe, angeführten
Beweismittel zu prüfen.
- 112.
- Insoweit bestätigt die von der Kommission in der Entscheidung (Randnr. 74 Absatz
3) herangezogene Niederschrift einer Vorstandssitzung von Feldmühle (UK) Ltdam 7. November 1986 (Anlage A-17-2) lediglich, daß dieser britischen
Tochtergesellschaft von Feldmühle die Ankündigung einer Preiserhöhung um etwa
9 % durch Thames Board Ltd vor dem 10. November 1986 bekannt war: „TBM
and the Fins have announced price increases of approximately 9 % to be effective
from February 1987 and it would appear that most other mills will be looking for
the same sort of increase“ [„TBM und die Finnen haben Preiserhöhungen von
annähernd 9 % für Februar 1987 angekündigt. Die meisten anderen Werke
erwägen offensichtlich eine Preisanhebung im gleichen Umfang.“] (Anlage A-17-2,
zitiert von der Kommission in Randnr. 74 der Entscheidung).
- 113.
- In bezug auf Anlage 44 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, eine handschriftliche
Eintragung im Terminkalender eines Angestellten von Feldmühle auf den Seiten
für den 15. bis 17. Januar 1987, vertritt die Kommission die Auffassung, daß sie
einen „weiteren Beweis für eine Absprache“ darstelle (Randnr. 75 Absatz 3 der
Begründungserwägungen der Entscheidung).
- 114.
- Diese Eintragung hat jedoch nicht den ihr von der Kommission beigemessenen
Beweiswert. Aus ihr geht nicht hervor, welche Sitzung darin protokolliert wird, so
daß nicht auszuschließen ist, daß es sich um eine interne Sitzung des Unternehmens
Feldmühle handelte. Da die Eintragung vermutlich Mitte Januar 1987
vorgenommen wurde, beweist sie außerdem nicht, daß die Durchsetzung der
Preiserhöhung, „incl. TBM“, das Ergebnis einer Abstimmung war, da diese Angabe
eine bloße Feststellung sein kann.
- 115.
- Einige Angaben in der Eintragung sprechen sogar gegen die Behauptung der
Kommission, daß diese Eintragung das Vorliegen einer Absprache über die
Entscheidung belege, die Preise im Vereinigten Königreich anzuheben.
Insbesondere kann die Bemerkung, daß der Direktor von Feldmühle „Skepsis“
gegenüber Kopparfors gezeigt und Mayr-Melnhof beschuldigt habe, „ohne
Verantwortung“ zu handeln, nicht als Stütze für die These der Kommission
angesehen werden. Gleiches gilt für die Bemerkung: „Finnboard: Preisautonomie
auch f. Tako“.
- 116.
- Im übrigen waren nach den Angaben in der Tabelle A im Anhang der
Entscheidung die Informationen über die angebliche abgestimmte Initiative zur
Erhöhung der Preise im Vereinigten Königreich im Januar 1987 enthält weder
Höhe noch Zeitpunkt der Ankündigung und Durchführung der Preiserhöhungen
so einheitlich, daß diese Angaben als beweiskräftiger Anhaltspunkt für das
Vorliegen einer Preisabsprache angesehen werden könnten. Die Kommission hat
im übrigen in der Verhandlung eingeräumt, daß sie keinen unmittelbaren Beweis
dafür habe, daß die Klägerin ihre Preise im Vereinigten Königreich Anfang 1987
erhöht habe.
- 117.
- Nach alledem hat die Kommission nicht nachgewiesen, daß sich die Unternehmen
über die Erhöhung der Preise im Vereinigten Königreich im Januar 1987
verständigt haben, und erst recht nicht, daß die Klägerin an Erörterungen dieser
Frage beteiligt war.
- 118.
- Schließlich ist die Behauptung der Kommission zurückzuweisen, daß die Klägerin
zwangsläufig von den kartellrechtswidrigen Absprachen der Kartonhersteller gewußt
habe, da es u. a. Aufgabe der PK gewesen sei, die Direktoren über die im PWG
gefaßten Beschlüsse und die ihren Vertriebsabteilungen zur Durchführung der
Preisinitiativen zu erteilenden Anweisungen zu unterrichten. Ohne daß geprüft zu
werden braucht, ob bewiesen ist, daß die Teilnehmer an den Sitzungen der PK ab
Anfang 1988 über die vom PWG gefaßten Beschlüsse informiert wurden, ist
festzustellen, daß die Kommission mit Ausnahme der Mitteilung über die
Preiserhöhung im Vereinigten Königreich im Januar 1987 keine konkrete
Information angeführt hat, die den Teilnehmern an den Sitzungen der PK vor
Beginn des Jahres 1988 übermittelt worden sein soll. Folglich ist davon auszugehen,
daß die Preisabsprache, an der die Klägerin eine Beteiligung zugegeben hat, im
März 1988 begann.
- 119.
- In bezug auf den Beginn der Absprache über die Marktanteile und der Absprache
über die Abstellzeiten führt die Kommission in der Entscheidung aus:
„Schriftstücke, die die Kommission bei FS-Karton (zur M-M-Gruppe gehörend)
vorfand, bestätigen, daß Ende 1987 im Rahmen der beiden Präsidentengremien
eine Vereinbarung über die beiden miteinander verbundenen Fragen der
Mengenkontrolle und der Preisdisziplin gefunden worden war“ (Randnr. 53 Absatz
1). Sie nimmt insoweit auf Anlage 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte Bezug
(siehe oben, Randnr. 63). Der Verfasser des Schriftstücks verweist einleitend auf
die engere Zusammenarbeit auf europäischer Ebene im „Präsidentenkreis“, wobei
dieser Ausdruck von Mayr-Melnhof als gemeinsame Bezeichnung für PWG und PK
in allgemeinem Zusammenhang, d. h. ohne Bezugnahme auf ein bestimmtes
Ereignis oder Treffen, ausgelegt wird (Anlage 75 der Mitteilung der
Beschwerdepunkte, Punkt 2.a).
- 120.
- Anlage 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte stellt zwar einen Beweis für die
Richtigkeit der Aussagen von Stora zum Vorliegen einer Absprache der zum
„Präsidentenkreis“ gehörenden Unternehmen über die Marktanteile und einer
Absprache dieser Unternehmen über die Abstellzeiten dar (siehe oben, Randnrn.
51 ff.). Es gibt jedoch kein weiteres Beweismittel, das die Behauptung der
Kommission bestätigt, wonach in der PK u. a. die Absprache über die Marktanteile
und die Kontrolle der Produktionsmengen erörtert worden seien. Somit kann das
in Anlage 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte verwendete Wort
„Präsidentenkreis“ trotz der Erläuterungen von Mayr-Melnhof nicht als
Bezugnahme auf andere Gremien als den PWG ausgelegt werden.
- 121.
- Folglich ist auch die Beteiligung der Klägerin an einer Absprache über die
Marktanteile und einer Absprache über die Abstellzeiten erst ab März 1988, als sie
erstmals an einer Sitzung des PWG teilnahm (siehe unten, Randnr. 261), als
erwiesen anzusehen.
- 122.
- In bezug auf das Ende der Zuwiderhandlung geht aus Artikel 1 der Entscheidung
hervor, daß die Zuwiderhandlung, an der die Klägerin mitwirkte, nach Ansicht der
Kommission im April 1991 endete. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ergibt
sich aus Randnummer 164 der Entscheidung nicht, daß die Kommission von einer
Fortdauer der Zuwiderhandlung bis Juni 1991 ausging.
- 123.
- Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist Artikel 1 der Entscheidung insofern
für nichtig zu erklären, als darin festgestellt wird, daß sich die Klägerin vor März
1988 an einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages beteiligt
habe. Im übrigen ist der Klagegrund zurückzuweisen.
Zum Klagegrund des Fehlens von Vereinbarungen über Preiserhöhungen
Vorbringen der Parteien
- 124.
- Die Klägerin räumt ein, daß es innerhalb der PG Karton abgestimmte
Preiserhöhungen der verschiedenen Hersteller gegeben habe, bestreitet aber, daß
insoweit Vereinbarungen getroffen worden seien.
- 125.
- Die Teilnehmer an den Sitzungen des PWG hätten sich gegenseitig darüber
informiert, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang sie die Preise erhöhen
würden. In der Regel hätten sich die im PWG vertretenen Unternehmen
gegenseitig über die geplanten Preiserhöhungen informiert, aber nicht über die
Höhe der absoluten Preise gesprochen.
- 126.
- Die Teilnehmer an den Sitzungen des JMC hätten sich im einzelnen darüber
ausgetauscht, wann und in welchem Umfang eine bestimmte Preiserhöhung
durchgeführt werde, und hätten die Reihenfolge für die Ankündigung der
Preiserhöhungen festgelegt.
- 127.
- Die Unternehmen hätten sich zwar gegenseitig über die geplanten Preiserhöhungen
unterrichtet, diese aber nicht willkürlich kalkuliert oder nach einem gemeinsamen
Plan gleichförmig festgesetzt. Über die Preiserhöhungen habe nämlich jedes
einzelne Unternehmen kosten- und marktorientiert entschieden, so daß sich eine
etwaige Übereinstimmung der Erhöhungen nur aus den Marktgegebenheiten und
der gleichen Betroffenheit der Unternehmen durch Kostensteigerungen ergeben
habe.
- 128.
- Im übrigen seien keine Maßnahmen vorgesehen gewesen, um die Unternehmen zur
Befolgung von Vereinbarungen zu zwingen.
- 129.
- Schließlich beruhten die Behauptungen der Kommission allein auf den Aussagen
von Stora. Diese Aussagen hätten jedoch vor allem deshalb keinen Beweiswert, weil
dieses Unternehmen den Umfang der Zuwiderhandlungen übertrieben habe, um
seine Aussage zu untermauern und später ein geringeres Bußgeld zu erhalten.
- 130.
- Die Kommission trägt vor, es sei als erwiesen anzusehen, daß sich die im PWG
vertretenen Unternehmen in der Weise über geplante Preiserhöhungen verständigt
hätten, daß sie verbindliche Entscheidungen über den Zeitpunkt, die Reihenfolge
der Ankündigung durch die einzelnen Unternehmen und den Umfang der
Erhöhungen getroffen hätten (vgl. Randnrn. 72 und 73 der Entscheidung). Die
Mitglieder des Kartells hätten folglich Vereinbarungen über ihr beabsichtigtes
Marktverhalten geschlossen. Unter diesen Umständen sei vom Vorliegen einer
Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages auszugehen (vgl.
Urteil des Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-13/89,
ICI/Kommission, Slg. 1992, II-1021, Randnr. 253). Dieses Ergebnis werde u. a.
durch die zweite Aussage von Stora (Anlage 39 der Mitteilung der
Beschwerdepunkte) bestätigt, die jedoch nicht das einzige Beweismittel sei, auf das
sie sich gestützt habe.
Würdigung durch das Gericht
- 131.
- Die Klägerin räumt ihre Beteiligung an einer Abstimmung der geplanten
Preiserhöhungen ein. Im übrigen ist davon auszugehen, daß diese Beteiligung im
März 1988 begann (siehe oben, Randnrn. 98 ff., insbesondere Randnr. 118).
- 132.
- Gemäß der Entscheidung setzten die in ihrem Artikel 1 genannten Unternehmen
die „auf jedem nationalen Markt anzuwendenden regelmäßigen Preiserhöhungen
im Wege der Absprache“ fest (Randnr. 130 Absatz 2, dritter Gedankenstrich). Der
Kommission zufolge sind die „halbjährlichen Preisinitiativen ... nicht als eine Reihe
getrennter Vereinbarungen oder getrennter abgestimmter Verhaltensweisen,
sondern als Teil ein und derselben fortdauernden Vereinbarung anzusehen“
(Randnr. 131 Absatz 2 der Entscheidung).
- 133.
- Im vorliegenden Fall ist somit zu prüfen, ob die Preisabsprache, an der die
Klägerin ab März 1988 teilnahm, von der Kommission zutreffend als Vereinbarung
eingestuft wurde.
- 134.
- Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 85
Absatz 1 des Vertrages schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren
gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer
bestimmten Weise zu verhalten (vgl. u. a. Urteile des Gerichtshofes vom 15. Juli
1970 in der Rechtssache 41/69, ACF Chemiefarma/Kommission, Slg. 1970, 661,
Randnr. 112, und vom 29. Oktober 1980 in den Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und
218/78, Van Landewyck u. a./Kommission, Slg. 1980, 3125, Randnr. 86, sowie Urteil
des Gerichts vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T-7/89, Hercules
Chemicals/Kommission, Slg. 1991, II-1711, Randnr. 256). Unter diesen Umständen
braucht entgegen der offenbar von der Klägerin vertretenen Ansicht nicht geprüft
zu werden, ob Sanktionen verhängt wurden, um die Unternehmen zu zwingen, sich
absprachegemäß zu verhalten.
- 135.
- Somit ist zu prüfen, ob die Kommission nachgewiesen hat, daß die Adressaten der
Entscheidung ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck brachten, auf dem Markt
ein bestimmtes Preisverhalten zu zeigen.
- 136.
- In bezug auf die Preisinitiativen führt Stora u. a. aus (Anlage 39 der Mitteilung der
Beschwerdepunkte, Punkte 27, 28 und 30):
„1987 [war] ein annäherndes Gleichgewicht zwischen Kapazität und Verbrauch
eingetreten. In diesem Jahr lag die Kapazität um 5 % über dem Verbrauch. Diese
Diskrepanz (die viel geringer war, als der Industrie selbst bis dahin bewußt war)
gab dem PWG Gelegenheit, ab 1987 Preiserhöhungen zu vereinbaren und dabei
eine gewisse Sicherheit zu haben, daß diese Erhöhungen mit Erfolg durchgeführt
würden. Als sich diese Gelegenheit bot, waren die Hersteller bestrebt, die in den
Vorjahren eingetretenen Verluste wettzumachen.
Der PWG war der Ansicht, daß 1988 eine erste Erhöhung um 10 % durchgeführt
werden sollte. Sie betrug z. B. auf dem französischen Markt 50 FF pro 100
Kilogramm für GC-Sorten und 35 FF pro 100 Kilogramm für GD-Sorten. Ähnliche
Erhöhungen erfolgten in anderen Ländern. Bei späteren Erhöhungen wurden
ähnliche absolute Beträge vereinbart, so daß sich der Prozentsatz der Erhöhungen
verringerte ...
...
... Im PWG wurde erörtert und vereinbart, wer die jeweilige Preiserhöhung zuerst
ankündigen würde und wann die Ankündigungen der anderen führenden Hersteller
folgen. Der Ablauf war nicht immer gleich.“
- 137.
- Sie fügt hinzu (Anlage 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkte 13 und
14):
„[Der] Zweck [des JMC] bestand u. a. darin, Preisvergleiche in bezug auf einige
Großkunden anzustellen und Einzelheiten für die Durchführung der
Preisentscheidungen des PWG sowohl für GC- als auch für GD-Sorten in den
einzelnen Ländern auszuarbeiten.
Das JMC erörterte für jeden Markt die genaue Durchführung der
Preisentscheidungen des PWG und erstattete dem PWG Bericht.“
- 138.
- Nach Angaben von Stora brachten die dem PWG und dem JMC angehörenden
Unternehmen somit ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck, auf den einzelnen
nationalen Märkten identische und gleichzeitige Preiserhöhungen vorzunehmen.
- 139.
- Die Aussagen von Stora werden in diesem Punkt durch mehrere schriftliche
Beweise gestützt, auf die sich die Kommission in den Randnummern 74 ff. der
Entscheidung berufen hat.
- 140.
- Insoweit genügt es, auf die drei in den Randnummern 79, 80 und 83 der
Entscheidung erwähnten Preislisten hinzuweisen. Die Listen, die die Kommission
von Rena (Anlagen 110 und 111 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) und von
Finnboard (UK) Ltd erlangte, enthalten für mehrere Kartonsorten und mehrere
Länder der Gemeinschaft Angaben über die genauen Daten und Beträge der von
den fraglichen Unternehmen im April 1989, im September/Oktober 1989 und im
April 1990 vorgenommenen Preiserhöhungen. Die in den drei Preislisten
enthaltenen Angaben entsprechen hinsichtlich des Umfangs der Preiserhöhungen
und der Daten ihrer Vornahme dem tatsächlichen Marktverhalten der betreffenden
Unternehmen (vgl. die der Entscheidung beigefügten Tabellen D, E und F).
- 141.
- Außerdem erlangte die Kommission von Rena handschriftliche Notizen über eine
Sitzung des JMC vom 6. September 1990 (Anlage 118 der Mitteilung der
Beschwerdepunkte), in denen es u. a. heißt:
„Preiserhöhung wird nächste Woche im September angekündigt:
Frankreich 40 FF
Niederlande 14
Deutschland 12 DM
Italien 80 LIT
Belgien 2,50 BFR
Schweiz 9 FS
England 40 UKL
Irland 45 IRL
Alle Sorten sollten gleich heraufgesetzt werden: GD, UD, GT, GC usw.
Nur 1 Preiserhöhung pro Jahr.
Für Lieferungen ab 7. Januar.
Nicht später als 31. Januar.
Schreiben vom 14. September mit Preiserhöhung (Mayr-Melnhof).
19. September. Brief von Feldmühle geht raus.
Cascades vor Ende September.
Alle Schreiben müssen vor dem 8. Oktober raus sein.“
- 142.
- Die Klägerin bestreitet weder, daß sich die drei oben erwähnten Preislisten auf eine
Preisabsprache beziehen, noch daß sich Anlage 118 der Mitteilung der
Beschwerdepunkte auf die Sitzung des JMC vom 6. September 1990 bezieht.
- 143.
- Ohne daß die übrigen Beweismittel geprüft zu werden brauchen, ist das Gericht
deshalb der Ansicht, daß die Kommission den Beweis dafür erbracht hat, daß die
an den Sitzungen des PWG und des JMC teilnehmenden Unternehmen ihren
gemeinsamen Willen zum Ausdruck brachten, einheitliche und gleichzeitige
Preiserhöhungen vorzunehmen. Die Kommission war daher berechtigt, die
Willensübereinstimmung zwischen der Klägerin und anderen Kartonherstellern über
die Preisinitiativen als Vereinbarung einzustufen.
- 144.
- Der vorliegende Klagegrund ist daher zurückzuweisen.
Zum Antrag auf Nichtigerklärung von Artikel 2 der Entscheidung
Vorbringen der Parteien
- 145.
- Dieser Klagegrund besteht aus zwei Teilen.
- 146.
- Mit dem ersten Teil macht die Klägerin geltend, Artikel 2 der Entscheidung sei zu
vage und unbestimmt formuliert. Jeder Informationsaustausch könnte unter das
dort aufgestellte Verbot fallen. Insbesondere bestehe immer ein Risiko, daß die
ausgetauschten Informationen zu einer Kooperation der Unternehmen benutzt
werden könnten. Auch das Verbot des künftigen Informationsaustauschs sei
insofern zu vage, als es den Austausch wettbewerbsrelevanter Informationen
untersage, denn jeder Informationsaustausch sei wettbewerbsrelevant.
- 147.
- Mit dem zweiten Teil des Klagegrundes macht sie geltend, in der Entscheidung
werde erstmals der Austausch globaler Informationen über Auftragseingänge und
Auftragslage sowie die erwartete Kapazitätsausnutzung verboten, die keine
Rückschlüsse auf das Verhalten einzelner Unternehmen zuließen. Das Verbot stehe
insoweit im Widerspruch zur früheren Praxis der Kommission.
- 148.
- Außerdem sei im Kartonsektor ein möglichst genaues Informationsaustauschsystem
unerläßlich, denn es erlaube den Unternehmen, individuelle betriebswirtschaftliche
Entscheidungen, insbesondere in bezug auf Investitionen, zu treffen.
- 149.
- Die Kommission begründe das umfassende Informationsaustauschverbot damit, daß
die Statistiken in einer gegen Artikel 85 des Vertrages verstoßenden Weise benutzt
worden seien. Folglich sei die Kommission selbst der Ansicht, daß nicht die
Statistiken als solche gegen den Vertrag verstießen, sondern lediglich ihr Gebrauch.
- 150.
- Die Kommission widerspricht in bezug auf den ersten Teil des Klagegrundes der
Auffassung, daß das Verbot des künftigen Informationsaustauschs unbestimmt sei.
Es reiche nämlich aus, wenn sich aus dem Tenor und der Begründung der
Entscheidung ergebe, welches wettbewerbswidrige Verhalten abzustellen sei (vgl.
Urteil des Gerichtshofes vom 16. Dezember 1975 in den Rechtssachen 40/73 bis
48/73, 50/73, 54/73, 55/73, 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Suiker Unie
u. a./Kommission, Slg. 1975, 1663, Randnrn. 122 bis 124). Im vorliegenden Fall
enthalte bereits Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben a, b und c der Entscheidung eine
detaillierte Umschreibung der Art des unzulässigen Informationsaustauschs.
Außerdem seien die tatsächlichen Feststellungen zu den ausgetauschten
Informationen in den Randnummern 61 bis 68, 105 und 106 der Entscheidung im
einzelnen dargelegt worden. Ferner enthalte die Entscheidung eine genaue
Darstellung der wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen des
Informationsaustauschs (Randnrn. 134 und 166). Die Tragweite des Verbotes gehe
daher aus Artikel 2 der Entscheidung in Verbindung mit ihrer Begründung klar
hervor.
- 151.
- In Artikel 2 Absätze 2 und 3 der Entscheidung habe sie nur die mögliche
Gestaltung eines zulässigen Informationsaustauschs erläutert.
- 152.
- Zum zweiten Teil des Klagegrundes trägt die Kommission vor, sie habe den
Austausch globaler Angaben über Auftragseingänge und Auftragslage sowie die
erwartete Kapazitätsausnutzung zu Recht als unzulässig angesehen.
- 153.
- Das Verbot in Artikel 2 der Entscheidung sei vor dem Hintergrund der
Feststellungen in den Randnummern 68 bis 70 der Entscheidung zu verstehen. Das
Verbot des Austauschs zusammengefaßter Informationen betreffe nur
Informationen über Auftragseingänge, Auftragslage und Kapazitätsauslastungen.
Bei der Beurteilung des Austauschs dieser Art von Informationen müsse die
Struktur des fraglichen Marktes berücksichtigt werden, der durch einen hohen
Konzentrationsgrad und eine weitgehende Austauschbarkeit der Erzeugnisse
gekennzeichnet sei. Aufgrund der früheren Zusammenarbeit in der PG Karton
seien die Hersteller über die Struktur und Politik der verschiedenen Unternehmen
genau im Bilde.
- 154.
- Auf konzentrierten Märkten bestünden die Wettbewerbsreserven im wesentlichen
in der Ungewißheit und Geheimhaltung zwischen den Hauptanbietern. Der in
kurzen Zeitabständen erfolgende Austausch von Informationen über den
Auftragsbestand und die Kapazitätsauslastung bewirke aber eine so große
Markttransparenz, daß die Entfaltung der verbliebenen Wettbewerbsreserven
letztlich verhindert werde. Auf der Grundlage solcher Informationen seien die
Hersteller nämlich in der Lage, branchenweite Produktionsunterbrechungen zu
planen, um das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage aufrechtzuerhalten
und damit einen Preisverfall bei rückläufiger Nachfrage zu verhindern und bei
starker Nachfrage Preiserhöhungen durchzusetzen.
- 155.
- Durch den Austausch solcher Informationen würden folglich Ungewißheit und
Geheimhaltung zwischen Anbietern beseitigt und ein gemeinsames branchenweites
Verhalten gefördert; dies gelte um so mehr, als solche Statistiken tatsächlich zur
branchenweiten Koordinierung des Geschäftsverhaltens eingesetzt worden seien.
Der in kurzen Abständen erfolgende Austausch globalisierter Daten über
Auftragsbestand und Kapazitätsauslastung führe bereits zur Einschränkung des
Wettbewerbs. Sie sei daher zu Recht davon ausgegangen, daß der Austausch der
fraglichen Informationen auch in globaler Form gegen Artikel 85 Absatz 1 des
Vertrages verstoße.
Würdigung durch das Gericht
- 156.
- Artikel 2 der Entscheidung lautet:
„Die in Artikel 1 bezeichneten Unternehmen stellen, soweit noch nicht geschehen,
den genannten Verstoß unverzüglich ab. Sie sehen im Zusammenhang mit ihren
Tätigkeiten im Kartonbereich künftig von allen Vereinbarungen oder abgestimmten
Verhaltensweisen ab, mit denen gleiches oder ähnliches bezweckt oder bewirkt
wird, einschließlich jedes Austauschs von Geschäftsinformationen,
a) durch den die Teilnehmer mittel- oder unmittelbar Kenntnis von der
Produktion, den Verkäufen, dem Auftragsbestand, der
Kapazitätsausnutzung, den Verkaufspreisen, den Kosten oder den
Absatzplänen anderer einzelner Hersteller erlangen, oder
b) durch den auch ohne Offenlegung individueller Informationen eine
gemeinsame Reaktion der Branche auf wirtschaftliche Verhältnisse
hinsichtlich der Preise oder der Kontrolle der Produktion gefördert oder
erleichtert wird, oder
c) durch die die Teilnehmer in die Lage versetzt werden könnten, die
Erfüllung oder Beachtung ausdrücklicher oder stillschweigender
Vereinbarungen betreffend die Preise oder die Marktaufteilung in der
Gemeinschaft zu überwachen.
Jedes System für den Austausch allgemeiner Informationen (wie das FIDES-System
oder dessen Nachfolgesystem), an dem sie sich beteiligen, ist so zu gestalten, daß
es nicht nur alle Informationen, mit denen sich das Verhalten einzelner Hersteller
ermitteln läßt, sondern auch alle Daten über den gegenwärtigen Stand der
Auftragseingänge und der Auftragslage, die erwartete Kapazitätsausnutzung (in
beiden Fällen auch in globaler Form) oder die Produktionskapazität jeder
Maschine ausschließt.
Ein eventueller Informationsaustausch beschränkt sich auf die Beschaffung und
Verbreitung von Produktions- und Verkaufsstatistiken in globaler Form, die nicht
dazu benutzt werden können, ein gemeinsames Geschäftsverhalten zu fördern oder
zu erleichtern.
Die Unternehmen nehmen außerdem von jedem Austausch weiterer
wettbewerbsrelevanter Informationen über den zulässigen Informationsaustausch
hinaus sowie von allen Treffen oder sonstigen Kontakten zur Erörterung des
Aussagegehalts der ausgetauschten Informationen oder der möglichen oder
wahrscheinlichen Reaktion der Branche oder einzelner Hersteller auf diese
Informationen Abstand.
Für die notwendigen Änderungen an einem etwaigen Informationsaustauschsystem
wird eine Frist von drei Monaten ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser
Entscheidung eingeräumt.“
- 157.
- Wie sich aus Randnummer 165 der Entscheidung ergibt, wurde Artikel 2 der
Entscheidung gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 erlassen. Nach
dieser Bestimmung kann die Kommission u. a. dann, wenn sie eine
Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 des Vertrages feststellt, die beteiligten
Unternehmen durch Entscheidung verpflichten, die festgestellte Zuwiderhandlung
abzustellen.
- 158.
- Nach ständiger Rechtsprechung kann die Anwendung von Artikel 3 Absatz 1 der
Verordnung Nr. 17 das Verbot umfassen, bestimmte Tätigkeiten, Praktiken oder
Sachverhalte fortzuführen oder fortdauern zu lassen, deren Rechtswidrigkeit
festgestellt worden ist (Urteile des Gerichtshofes vom 6. März 1974 in den
Rechtssachen 6/73 und 7/73, Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial
Solvents/Kommission, Slg. 1974, 223, Randnr. 45, und vom 6. April 1995 in den
Rechtssachen C-241/91 P und C-242/91 P, RTE und ITP/Kommission, Slg. 1995,
I-743, Randnr. 90), aber auch das Verbot, sich künftig ähnlich zu verhalten (Urteil
des Gerichts vom 6. Oktober 1994 in der Rechtssache T-83/91, Tetra
Pak/Kommission, Slg. 1994, II-755, Randnr. 220).
- 159.
- Da die Anwendung von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 der
festgestellten Zuwiderhandlung angepaßt sein muß, ist die Kommission außerdem
befugt, den Umfang der Verpflichtungen anzugeben, die die betroffenen
Unternehmen erfüllen müssen, damit die Zuwiderhandlung abgestellt wird.
Derartige den Unternehmen auferlegte Verpflichtungen dürfen jedoch nicht die
Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung des angestrebten Zieles
Wiederherstellung der Legalität im Hinblick auf die verletzten Vorschriften
angemessen und erforderlich ist (Urteil RTE und ITP/Kommission, Randnr. 93; in
diesem Sinne auch Urteile des Gerichts vom 8. Juni 1995 in den Rechtssachen
T-7/93, Langnese Iglo/Kommission, Slg. 1995, II-1533, Randnr. 209, und T-9/93,
Schöller/Kommission, Slg. 1995, II-1611, Randnr. 163).
- 160.
- Um im vorliegenden Fall festzustellen, ob die Anordnung in Artikel 2 derEntscheidung wie die Klägerin behauptet zu weit geht, ist der Umfang der
verschiedenen Verbote zu prüfen, die den Unternehmen damit auferlegt werden.
- 161.
- Das Verbot in Artikel 2 Absatz 1 Satz 2, wonach die Unternehmen künftig von
allen Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen absehen müssen, mit
denen gleiches oder ähnliches wie mit den in Artikel 1 der Entscheidung
festgestellten Zuwiderhandlungen bezweckt oder bewirkt wird, soll die
Unternehmen nur daran hindern, die Verhaltensweisen zu wiederholen, deren
Rechtswidrigkeit festgestellt wurde. Folglich hat die Kommission mit der
Aufstellung dieses Verbotes die ihr durch Artikel 3 der Verordnung Nr. 17
verliehenen Befugnisse nicht überschritten.
- 162.
- Die Bestimmungen von Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben a, b und c betreffen
Einzelheiten zum Verbot des künftigen Austauschs von Geschäftsinformationen.
- 163.
- Die Anordnung in Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a, der für die Zukunft jeden
Austausch von Geschäftsinformationen verbietet, der es den Teilnehmern
ermöglicht, unmittelbar oder mittelbar individuelle Informationen über die
Konkurrenzunternehmen zu erlangen, setzt voraus, daß die Kommission in der
Entscheidung die Rechtswidrigkeit eines derartigen Informationsaustauschs im
Hinblick auf Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages festgestellt hat.
- 164.
- In Artikel 1 der Entscheidung heißt es nicht, daß der Austausch individueller
Geschäftsinformationen als solcher gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages
verstößt.
- 165.
- Dort wird in allgemeinerer Form ausgeführt, daß die Unternehmen gegen diesen
Artikel des Vertrages verstoßen hätten, indem sie sich an einer Vereinbarung und
abgestimmten Verhaltensweise beteiligt hätten, durch die sie u. a. „als Absicherung
der vorgenannten Maßnahmen Geschäftsinformationen (über Lieferungen, Preise,
Abstellzeiten, Auftragsbestände und Kapazitätsauslastung) austauschten“.
- 166.
- Da der verfügende Teil der Entscheidung im Licht ihrer Gründe auszulegen ist
(Urteil Suiker Unie u. a./Kommission, Randnr. 122), ist jedoch darauf hinzuweisen,
daß es in Randnummer 134 Absatz 2 der Entscheidung heißt:
„Der von den Herstellern in Sitzungen der PG Karton (vor allem des JMC)
praktizierte Austausch von normalerweise vertraulichen und sensitiven individuellen
Informationen über Auftragslage, Abstellzeiten und Produktionshöhe war
offenkundig wettbewerbsfeindlich, da mit ihm bezweckt wurde, möglichst günstige
Voraussetzungen für die Durchführung der vereinbarten Preisinitiativen zu
schaffen.“
- 167.
- Da die Kommission somit in der Entscheidung ordnungsgemäß ihre Ansicht
geäußert hat, daß im Austausch individueller Geschäftsinformationen als solchem
ein Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages zu sehen sei, erfüllt das
Verbot, künftig einen derartigen Informationsaustausch vorzunehmen, die
Voraussetzungen für die Anwendung von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung
Nr. 17.
- 168.
- Die in Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben b und c der Entscheidung aufgestellten
Verbote des Austauschs von Geschäftsinformationen sind im Licht der Absätze 2,
3 und 4 dieses Artikels zu prüfen, die ihren Inhalt näher ausgestalten. In diesem
Kontext ist zu ermitteln, ob und, wenn ja, inwieweit die Kommission den fraglichen
Austausch als rechtswidrig angesehen hat, da der Umfang der den Unternehmen
auferlegten Verpflichtungen auf das zur Wiederherstellung der Rechtmäßigkeit
ihres Verhaltens im Hinblick auf Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages erforderliche
Maß zu beschränken ist.
- 169.
- Die Entscheidung ist dahin auszulegen, daß die Kommission den Verstoß des
FIDES-Systems gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages darin sah, daß es das
festgestellte Kartell stützte (Randnr. 134 Absatz 3 der Entscheidung). Diese
Auslegung wird durch den Wortlaut von Artikel 1 der Entscheidung bestätigt, aus
dem hervorgeht, daß die Geschäftsinformationen zwischen den Unternehmen „als
Absicherung“ der als Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages
angesehenen Maßnahmen ausgetauscht wurden.
- 170.
- Im Licht dieser Auffassung der Kommission zur Frage der Vereinbarkeit des
FIDES-Systems mit Artikel 85 des Vertrages im vorliegenden Fall ist die Tragweite
der in die Zukunft gerichteten Verbote in Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben b und c
der Entscheidung zu beurteilen.
- 171.
- Die fraglichen Verbote beschränken sich zum einen nicht auf den Austausch
individueller Geschäftsinformationen, sondern betreffen auch den Austausch
bestimmter globaler statistischer Daten (Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b und
Absatz 2 der Entscheidung). Zum anderen verbietet Artikel 2 Absatz 1
Buchstaben b und c der Entscheidung den Austausch bestimmter statistischer
Informationen, um dem Aufbau einer möglichen Stütze potentieller
wettbewerbswidriger Verhaltensweisen vorzubeugen.
- 172.
- Da ein solches Verbot den Austausch rein statistischer Informationen, die nicht den
Charakter individueller oder individualisierbarer Informationen haben, mit der
Begründung verhindern soll, daß die ausgetauschten Informationen zu
wettbewerbswidrigen Zwecken verwendet werden könnten, überschreitet es das zur
Wiederherstellung der Rechtmäßigkeit der festgestellten Verhaltensweisen
erforderliche Maß. Zum einen geht nämlich aus der Entscheidung nicht hervor, daß
die Kommission den Austausch statistischer Daten als solchen als Verstoß gegen
Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages angesehen hat. Zum anderen führt die bloße
Tatsache, daß ein System des Austauschs statistischer Informationen zu
wettbewerbswidrigen Zwecken verwendet werden kann, nicht zu seiner
Unvereinbarkeit mit Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages; vielmehr sind unter
derartigen Umständen seine konkreten wettbewerbswidrigen Auswirkungen zu
bestimmen.
- 173.
- Daher ist Artikel 2 Absätze 1 bis 4 der Entscheidung mit Ausnahme folgender
Passagen für nichtig zu erklären:
„Die in Artikel 1 bezeichneten Unternehmen stellen, soweit noch nicht geschehen,
den genannten Verstoß unverzüglich ab. Sie sehen im Zusammenhang mit ihren
Tätigkeiten im Kartonbereich künftig von allen Vereinbarungen oder abgestimmten
Verhaltensweisen ab, mit denen gleiches oder ähnliches bezweckt oder bewirkt
wird, einschließlich jedes Austauschs von Geschäftsinformationen,
a) durch den die Teilnehmer mittel- oder unmittelbar Kenntnis von der
Produktion, den Verkäufen, dem Auftragsbestand, der
Kapazitätsausnutzung, den Verkaufspreisen, den Kosten oder den
Absatzplänen anderer einzelner Hersteller erlangen.
Jedes System für den Austausch allgemeiner Informationen (wie das FIDES-System
oder dessen Nachfolgesystem), an dem sie sich beteiligen, ist so zu gestalten, daß
es alle Informationen, mit denen sich das Verhalten einzelner Hersteller ermitteln
läßt, ausschließt.“
Zum Antrag auf Nichtigerklärung oder Herabsetzung der Geldbuße
Zum Klagegrund einer Verletzung von Artikel 190 des Vertrages bei der
Bußgeldbemessung
Vorbringen der Parteien
- 174.
- Die Klägerin macht geltend, die Entscheidung sei unzureichend begründet, da die
Adressaten nicht prüfen könnten, ob die gegen sie verhängte Geldbuße der Höhe
nach gerechtfertigt sei und ob sie in angemessenem Verhältnis zu den Geldbußen
der anderen Unternehmen stehe. Die Entscheidungen der Kommission müßten in
bezug auf jeden Adressaten hinreichend begründet sein (Urteil des Gerichts vom
28. April 1994 in der Rechtssache T-38/92, AWS Benelux/Kommission, Slg. 1994,
II-211).
- 175.
- Diesen Anforderungen werde im vorliegenden Fall nicht genügt. Insbesondere sei
die Begründung nicht so ausführlich und präzise wie in der Entscheidung
86/398/EWG der Kommission vom 23. April 1986 betreffend ein Verfahren nach
Artikel 85 des EWG-Vertrags (IV/31.149 Polypropylen, ABl. L 230, S. 1; im
folgenden: Polypropylen-Entscheidung), da in der vorliegenden Entscheidung nur
die abstrakten Kriterien genannt würden, nach denen die Kommission die
Geldbuße der einzelnen Unternehmen bemessen habe. Darüber hinaus habe die
Kommission nicht angegeben, welche dieser Kriterien sie mit welcher Gewichtung
bei der Bemessung der Geldbuße jedes Unternehmens herangezogen habe.
- 176.
- Auf einer Pressekonferenz am 13. Juli 1994 habe das für die Wettbewerbspolitik
zuständige Mitglied der Kommission zur Bußgeldbemessung erheblich genauere als
die in der Entscheidung enthaltenen Angaben gemacht. Für die Unternehmen sei
daher nicht ersichtlich, ob die der Presse genannten oder die in der Entscheidung
enthaltenen Gründe die wahren Gründe seien.
- 177.
- Sie werde in der Entscheidung (Randnr. 170) zu den „Anführern“ des Kartells
gezählt, und das verantwortliche Mitglied der Kommission habe mitgeteilt, daß nur
bei den „Anführern“ ein Satz von 9 % zugrunde gelegt worden sei. Unter diesen
Umständen sei für sie nicht erkennbar, ob die gegen sie festgesetzte Geldbuße 9 %
des herangezogenen Referenzumsatzes betrage. Sie wisse ebensowenig, ob sie
worauf die Erklärung des verantwortlichen Mitglieds der Kommission schließen
lasse den Nachlaß von einem Drittel erhalten habe. Schließlich habe die
Kommission nach der vor der Presse abgegebenen Erklärung die Dauer der
Zuwiderhandlung jedes Unternehmens berücksichtigt, was in ihrem Fall aus der
Entscheidung nicht hervorgehe.
- 178.
- Da sie einerseits zu den „Anführern“ des Kartells gezählt und andererseits als ein
Unternehmen bezeichnet worden sei, das „in der Gestaltung der Politik des
Kartells keine so wichtige Rolle wie die großen Industriekonzerne“ gespielt habe
(Randnr. 170 der Entscheidung), wisse sie nicht, nach welchen Gesichtspunkten die
Geldbuße gegen sie verhängt worden sei.
- 179.
- Aufgrund dieser Widersprüche habe sie sich im übrigen nicht sachgerecht
verteidigen können.
- 180.
- Die Kommission trägt vor, sie habe die von ihr bei der Bußgeldbemessung
angewandten Kriterien hinreichend individualisiert. Die für die Festsetzung des
allgemeinen Bußgeldniveaus maßgeblichen Gründe und die bei der
Bußgeldbemessung gegenüber jedem einzelnen Unternehmen angewandten
Kriterien seien in den Randnummern 168 und 169 der Entscheidung angegeben
worden. Diese Kriterien seien ebenso ausführlich und präzise wie die Kriterien in
der Polypropylen-Entscheidung, die als ausreichend begründet angesehen worden
sei (Urteil ICI/Kommission, Randnrn. 353 und 354).
- 181.
- Der Entscheidung lasse sich auch entnehmen, wie sie die in Randnummer 169
aufgeführten Kriterien bei der Festsetzung der gegen die Klägerin verhängten
Geldbuße angewandt habe. Die Begründung der Bußgeldbemessung sei im Licht
der gesamten Entscheidungsbegründung zu sehen (Urteil ICI/Kommission,
Randnr. 355). Die Entscheidung enthalte Ausführungen zu der Rolle, die die
Klägerin im Rahmen des Kartells gespielt habe (Randnr. 170), zur Dauer ihrer
Beteiligung am Kartell (Randnr. 43 und Tabelle 3 der Entscheidung) und zur Form
der Berücksichtigung ihrer Kooperation während des Verfahrens (Randnr. 172).
Schließlich gehe aus Randnummer 8 der Entscheidung hervor, daß die Kommission
der Stellung der Klägerin in der Branche als kleinem, aber dennoch bedeutendem
Hersteller Rechnung getragen habe.
Würdigung durch das Gericht
- 182.
- Nach ständiger Rechtsprechung hat die Pflicht zur Begründung von
Einzelfallentscheidungen den Zweck, dem Gemeinschaftsrichter die Überprüfung
der Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu ermöglichen und den Betroffenen
so ausreichend zu unterrichten, daß er erkennen kann, ob die Entscheidung
zutreffend begründet oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der ihre
Anfechtung ermöglicht; dabei hängt der Umfang der Begründungspflicht von der
Art des fraglichen Rechtsakts und den Umständen ab, unter denen er erlassen
wurde (vgl. u. a. Urteil des Gerichts vom 11. Dezember 1996 in der Rechtssache
T-49/95, Van Megen Sports/Kommission, Slg. 1996, II-1799, Randnr. 51).
- 183.
- Handelt es sich um eine Entscheidung, mit der wie im vorliegenden Fall gegen
mehrere Unternehmen wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln
der Gemeinschaft Geldbußen festgesetzt werden, so ist bei der Bestimmung des
Umfangs der Begründungspflicht insbesondere zu berücksichtigen, daß die Schwere
der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln
ist, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die
Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne daß es eine zwingende oder
abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden
müßten (Beschluß des Gerichtshofes vom 25. März 1996 in der Rechtssache
C-137/95 P, SPO u. a./Kommission, Slg. 1996, I-1611, Randnr. 54).
- 184.
- Außerdem verfügt die Kommission bei der Festlegung der Höhe der einzelnen
Geldbußen über ein Ermessen und ist nicht verpflichtet, insoweit eine genaue
mathematische Formel anzuwenden (in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom
6. April 1995 in der Rechtssache T-150/89, Martinelli/Kommission, Slg. 1995,
II-1165, Randnr. 59).
- 185.
- Die zur Ermittlung des allgemeinen Niveaus der Geldbußen und der Höhe der
individuellen Geldbußen herangezogenen Kriterien finden sich in den
Randnummern 168 und 169 der Entscheidung. Zudem führt die Kommission in
bezug auf die individuellen Geldbußen in Randnummer 170 aus, daß die
Unternehmen, die an den Sitzungen des PWG teilgenommen hätten, grundsätzlich
als „Anführer“ des Kartells und die übrigen Unternehmen als dessen „gewöhnliche
Mitglieder“ angesehen worden seien. Dabei wird die Klägerin nicht zu den
„Anführern“ des Kartells gezählt, und in Randnummer 170 Absatz 3 heißt es:
„Obschon Weig von 1988 an Mitglied des PWG war, scheint sie in der Gestaltung
der Politik des Kartells keine so wichtige Rolle wie die großen Industriekonzerne
gespielt zu haben.“ Schließlich weist die Kommission in den Randnummern 171
und 172 darauf hin, daß die gegen Rena und Stora festgesetzten Geldbußen
erheblich niedriger auszufallen hätten, um deren aktiver Kooperation mit der
Kommission Rechnung zu tragen, und daß acht andere Unternehmen, darunter die
Klägerin, ebenfalls in den Genuß einer in geringerem Umfang herabgesetzten
Geldbuße kommen könnten, da sie in ihren Erwiderungen auf die Mitteilung der
Beschwerdepunkte die vorgebrachten Tatsachenbehauptungen der Kommission in
der Substanz nicht bestritten hätten.
- 186.
- In ihren beim Gericht eingereichten Schriftsätzen und in ihrer Antwort auf eine
schriftliche Frage des Gerichts hat die Kommission erläutert, daß die Geldbußen
auf der Grundlage des von den einzelnen Adressaten der Entscheidung auf dem
Kartonmarkt der Gemeinschaft im Jahr 1990 erzielten Umsatzes berechnet worden
seien. Gegen die als „Anführer“ des Kartells angesehenen Unternehmen seien
Geldbußen mit einem Basissatz von 9 % und gegen die übrigen Unternehmen
Geldbußen mit einem Basissatz von 7,5 % festgesetzt worden. Im Fall der Klägerin
hat die Kommission erläutert, daß sie einen Satz von 8 % des individuellen
Umsatzes angewandt habe, da das Unternehmen zwar „Mitglied des PWG“
gewesen sei, aber keine so wichtige Rolle wie die übrigen Unternehmen, die an den
Sitzungen dieses Gremiums teilnahmen, gespielt zu haben scheine. Schließlich habe
die Kommission gegebenenfalls dem kooperativen Verhalten bestimmter
Unternehmen während des Verwaltungsverfahrens Rechnung getragen. Bei zwei
Unternehmen seien die Geldbußen aus diesem Grund um zwei Drittel und bei
anderen Unternehmen um ein Drittel herabgesetzt worden.
- 187.
- Im übrigen ergibt sich aus einer von der Kommission vorgelegten Tabelle, die
Angaben zur Festlegung der Höhe aller individuellen Geldbußen enthält, daß diese
zwar nicht durch streng mathematische Anwendung allein der oben genannten
Zahlen ermittelt wurden, daß diese Zahlen jedoch bei der Berechnung der
Geldbußen systematisch herangezogen wurden.
- 188.
- In der Entscheidung wird aber nicht erläutert, daß die Geldbußen auf der
Grundlage des von den einzelnen Unternehmen auf dem Kartonmarkt der
Gemeinschaft im Jahr 1990 erzielten Umsatzes berechnet wurden. Auch die zur
Berechnung der festgesetzten Geldbußen angewandten Basissätze von 9 % für die
als „Anführer“ angesehenen Unternehmen und von 7,5 % für die „gewöhnlichen
Mitglieder“ sind in der Entscheidung nicht zu finden. Gleiches gilt für den Umfang
der Herabsetzung bei Rena und Stora einerseits und bei acht anderen
Unternehmen andererseits.
- 189.
- Im vorliegenden Fall ist erstens davon auszugehen, daß die Randnummern 169 bis
172 der Entscheidung bei einer Auslegung im Licht der in der Entscheidung zu
findenden eingehenden Darstellung der jedem ihrer Adressaten zur Last gelegten
Sachverhalte ausreichende und sachgerechte Angaben zu den Gesichtspunkten
enthalten, die bei der Beurteilung der Schwere und der Dauer der von den
einzelnen Unternehmen begangenen Zuwiderhandlung herangezogen wurden (in
diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 1991 in der Rechtssache
T-2/89, Petrofina/Kommission, Slg. 1991, II-1087, Randnr. 264). Die Entscheidung
enthält insoweit eine spezielle Begründung zur Beurteilung der Schwere der von
der Klägerin begangenen Zuwiderhandlung (Randnr. 170 Absatz 3), der sich
entnehmen läßt, weshalb sie weder den „Anführern“ des Kartells noch dessen
„gewöhnlichen Mitgliedern“ gleichgestellt wurde.
- 190.
- Ebenso enthält Randnummer 168 der Entscheidung, die im Licht der allgemeinen
Erwägungen über die Geldbußen in Randnummer 167 zu sehen ist, ausreichende
Angaben zu den Gesichtspunkten, die bei der Festlegung des allgemeinen Niveaus
der Geldbußen herangezogen wurden.
- 191.
- Zweitens würde, wenn die Höhe der jeweiligen Geldbußen wie hier auf der
Grundlage der systematischen Heranziehung einiger ganz bestimmter Daten
ermittelt wird, die Angabe all dieser Faktoren in der Entscheidung den
Unternehmen die Beurteilung der Frage erleichtern, ob die Kommission bei der
Festlegung der Höhe der individuellen Geldbuße Fehler begangen hat und ob die
Höhe jeder individuellen Geldbuße in Anbetracht der angewandten allgemeinen
Kriterien gerechtfertigt ist. Im vorliegenden Fall wäre mit der Angabe der
fraglichen Faktoren Referenzumsatz, Referenzjahr, angewandte Basissätze und
Umfang der Herabsetzung der Geldbußen in der Entscheidung keine
möglicherweise gegen Artikel 214 des Vertrages verstoßende implizite Preisgabe
des genauen Umsatzes der Adressaten der Entscheidung verbunden gewesen. Denn
der Endbetrag der individuellen Geldbußen ergibt sich, wie die Kommission selbst
ausgeführt hat, nicht aus einer streng mathematischen Anwendung dieser Faktoren.
- 192.
- Die Kommission hat im übrigen in der Verhandlung eingeräumt, daß sie in der
Entscheidung die systematisch berücksichtigten und in der Pressekonferenz am 13.
Juli 1994, dem Tag ihres Erlasses, bekanntgegebenen Faktoren durchaus hätte
aufzählen können. Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß die Begründung einer
Entscheidung nach ständiger Rechtsprechung in der Entscheidung selbst enthalten
sein muß und daß nachträgliche Erläuterungen der Kommission nur unter
außergewöhnlichen Umständen berücksichtigt werden können (vgl. Urteil des
Gerichts vom 2. Juli 1992 in der Rechtssache T-61/89, Dansk
Pelsdyravlerforening/Kommission, Slg. 1992, II-1931, Randnr. 131; in diesem Sinne
auch Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1991 in der Rechtssache T-30/89,
Hilti/Kommission, Slg. 1991, II-1439, Randnr. 136).
- 193.
- Gleichwohl ist festzustellen, daß die Begründung zur Festlegung der Höhe der
Geldbußen in den Randnummern 167 bis 172 der Entscheidung mindestens ebenso
detailliert ist wie die Begründung in früheren Entscheidungen der Kommission, die
ähnliche Zuwiderhandlungen betrafen. Zwar ist der Klagegrund eines
Begründungsmangels von Amts wegen zu berücksichtigen, doch hatte der
Gemeinschaftsrichter zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung noch in keinem
Fall die Praxis der Kommission bei der Begründung der festgesetzten Geldbußen
gerügt. Erst im Urteil vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-148/89
(Tréfilunion/Kommission, Slg. 1995, II-1063, Randnr. 142) und in zwei anderen
Urteilen vom selben Tag in den Rechtssachen T-147/89 (Société métallurgique de
Normandie/Kommission, Slg. 1995, II-1057, abgekürzte Veröffentlichung) und
T-151/89 (Société des treillis et panneaux soudés/Kommission, Slg. 1995, II-1191,
abgekürzte Veröffentlichung) hat es das Gericht erstmals als wünschenswert
bezeichnet, daß die Unternehmen die Berechnungsweise der gegen sie verhängten
Geldbuße im einzelnen in Erfahrung bringen können, ohne zu diesem Zweck
gerichtlich gegen die Entscheidung der Kommission vorgehen zu müssen.
- 194.
- Folglich muß die Kommission, wenn sie in einer Entscheidung eine
Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln feststellt und gegen die daran
beteiligten Unternehmen Geldbußen verhängt und wenn sie systematisch bestimmte
Grundelemente bei der Festlegung der Höhe der Geldbußen heranzieht, diese
Elemente in der Entscheidung selbst angeben, um es deren Adressaten zu
ermöglichen, die Richtigkeit der Höhe der Geldbuße zu überprüfen und
festzustellen, ob eine Diskriminierung vorliegt.
- 195.
- Unter den zuvor in Randnummer 193 genannten besonderen Umständen und unter
Berücksichtigung der Tatsache, daß die Kommission bereit war, im gerichtlichen
Verfahren alle Auskünfte über den Berechnungsmodus der Geldbußen zu geben,
kann das Fehlen einer speziellen Begründung für den Berechnungsmodus der
Geldbußen in der Entscheidung im vorliegenden Fall nicht als Verstoß gegen die
Begründungspflicht angesehen werden, der die völlige oder teilweise
Nichtigerklärung der festgesetzten Geldbußen rechtfertigt. Die Klägerin hat
überdies auch nicht dargelegt, daß sie daran gehindert worden wäre, von ihren
Verteidigungsrechten sachgerecht Gebrauch zu machen.
- 196.
- Der vorliegende Klagegrund ist daher zurückzuweisen.
Zum Klagegrund des Fehlens wirtschaftlicher Auswirkungen der Zuwiderhandlungen
Vorbringen der Parteien
- 197.
- Die Klägerin trägt vor, bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und
der Bußgeldbemessung seien die wirtschaftlichen Auswirkungen einer
Zuwiderhandlung zu berücksichtigen (Urteil ICI/Kommission, Randnr. 359). Im
vorliegenden Fall hätten sich die Preisabsprachen aber überhaupt nicht oder
allenfalls geringfügig auf den Markt ausgewirkt.
- 198.
- Dies belege erstens der im Zusammenhang mit dem Verfahren vor der
Kommission im Auftrag mehrerer Verfahrensbeteiligter, darunter auch der
Klägerin, erstellte Bericht von London Economics (im folgenden: LE-Bericht).
- 199.
- Der LE-Bericht komme zu folgendem Ergebnis: a) Die im fraglichen Zeitraum
eingetretenen Preisänderungen im Kartonsektor seien durch Änderungen der
variablen Kosten und der Nachfrage zu erklären; b) aufgrund der bei einer
repräsentativen Zahl von Kunden durchgeführten Untersuchung lasse sich keine
Änderung des Preisverhaltens nach 1986 feststellen; c) es gebe nur einen sehr losen
Zusammenhang zwischen den angekündigten Preiserhöhungen und den von den
Kunden tatsächlich gezahlten Preisen; d) die von der Industrie im fraglichen
Zeitraum erzielten Erlöse hätten nicht ausgereicht, um langfristig die
Investitionskosten in adäquater Weise zu decken.
- 200.
- Die Kommission habe in der Entscheidung nicht einmal versucht, die Ergebnisse
des LE-Berichts zu widerlegen, nach denen sich die Preise auf dem Kartonmarkt
im fraglichen Zeitraum nicht anders entwickelt hätten als ohne jede Absprache
über Preiserhöhungen. Folglich habe es an einem Kausalzusammenhang zwischen
den Absprachen über Preiserhöhungsinitiativen und der tatsächlichen Entwicklung
der Verkaufspreise gefehlt.
- 201.
- Zweitens ergebe sich das Fehlen wirtschaftlicher Auswirkungen der
Preisabsprachen daraus, daß die Klägerin die von ihr angekündigten
Preiserhöhungen nur in sehr begrenztem Umfang auf dem Markt habe durchsetzen
können. Dies zeige ein Vergleich zwischen der Entwicklung der Nettoverkaufspreise
vor den Erhöhungen und der Entwicklung der angekündigten Preise. Der
durchschnittliche Realisierungsgrad der Preiserhöhungsinitiativen habe für sie in
Deutschland 38,8 % und in Frankreich 36 % betragen.
- 202.
- Die Klägerin nimmt ferner auf eine Übersicht Bezug, in der sie zum einen die
Entwicklung ihrer Preise für GD2-Karton in der Gemeinschaft von 1986 bis 1994
und zum anderen die Entwicklung des Preisindexes im gleichen Zeitraum darstellt.
Sie leitet daraus ab, daß das Preisniveau des ersten Quartals 1986 später nie wieder
erreicht worden sei, da die Preise bis Ende 1987 kontinuierlich gefallen seien und
1988 nur auf niedrigem Niveau hätten konsolidiert werden können. 1989/90 seien
die Preise zwar wieder nachhaltig gestiegen, aber dies sei nur die Folge der
allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung (der deutschen Wiedervereinigung)
gewesen, und mit Beginn der Rezession im Jahr 1991 seien die Preise erneut
gefallen.
- 203.
- Die Entwicklung der Verkaufspreise im Verhältnis zu den angekündigten Preisen
belege somit, daß die angekündigten Preise nur eine geringe Rolle bei der
Festsetzung der Preise gegenüber den einzelnen Kunden spielten und daß durch
die gerügten Praktiken, wenn überhaupt, ein wesentlich geringerer wirtschaftlicher
Schaden entstanden sei, als die Kommission behaupte.
- 204.
- Die Kommission führt aus, das Kartell habe sich mit Sicherheit auf den Markt
ausgewirkt, da die vereinbarten Preiserhöhungen als Grundlage für die
Preisverhandlungen mit den Kunden gedient hätten.
- 205.
- Die abgestimmten Preiserhöhungen hätten noch eine weitere Auswirkung auf den
Markt gehabt, denn die Entwicklung der den Kunden in Rechnung gestellten Preise
entspreche den von den Herstellern vereinbarten Preisen. Der LE-Bericht beweise
keineswegs, daß sich die unzulässigen Absprachen nicht auf das Preisniveau
ausgewirkt hätten; dies habe der Verfasser des Berichts bei der Anhörung vor der
Kommission bestätigt (Protokoll, S. 28). Darüber hinaus stehe fest, daß die
vereinbarten Preiserhöhungen gegenüber den Kunden zumindest teilweise
durchgesetzt worden seien. Der LE-Bericht habe ferner gezeigt, daß in den Jahren
1988 und 1989 ein linearer Zusammenhang zwischen den angekündigten und den
tatsächlichen Preisen bestanden habe, da die Nettopreiserhöhungen die
Preisankündigungen nachvollzogen hätten. Mit gewisser zeitlicher Verzögerunghabe die Entwicklung der den Kunden in Rechnung gestellten Preise folglich mit
den vereinbarten Preiserhöhungen übereingestimmt, wie der Verfasser des LE-Berichts selbst eingeräumt habe (Protokoll der Anhörung, S. 21 und 28).
- 206.
- Der Verfasser des LE-Berichts habe bei der Anhörung (Protokoll, S. 31)
ausgeführt, daß eine rückläufige oder nur langsam steigende Nachfrage in einem
Industriezweig wie dem Kartonsektor, der durch eine unelastische Nachfrage und
hohe Kapitalkosten gekennzeichnet sei, häufig zu zerstörerischen Preiskriegen
führen könne. Im vorliegenden Fall sei es jedoch noch nicht einmal zu dem
üblichen gesunden Preiswettbewerb gekommen, obwohl der Gesamtverbrauch in
der Gemeinschaft im fraglichen Zeitraum nur geringfügig gestiegen sei. Die
Preiserhöhungen hätten nicht auf individuellen unternehmerischen Entscheidungen
beruht, sondern auf entsprechenden Vereinbarungen der Hersteller. Folglich sei
davon auszugehen, daß sich die Preise trotz möglicherweise gestiegener Kosten
ohne die Preisinitiativen nicht in der gleichen Weise entwickelt hätten.
- 207.
- Daß die Hersteller insbesondere gegenüber Großkunden bei individuellen
Preisverhandlungen Zugeständnisse hätten machen müssen, habe die Kommission
gebührend berücksichtigt (Randnrn. 102 und 115 der Entscheidung). Auch wenn
Zugeständnisse gemacht worden seien, sei dies doch auf der Basis bereits erhöhter
Preise geschehen.
- 208.
- Die Angaben der Klägerin zur Entwicklung ihrer Preise in Deutschland und
Frankreich stünden zu den Feststellungen der Kommission nicht im Widerspruch.
- 209.
- Diese Feststellungen stünden auch nicht im Widerspruch zu der Übersicht, in der
die Entwicklung der Kartonpreise der Klägerin in der Gemeinschaft der
Entwicklung des Preisindexes gegenübergestellt werde. Aus dieser Übersicht gehe
hervor, daß die Preise der Klägerin zwischen 1988 und 1991 mit Ausnahme eines
kurzfristigen Rückgangs Ende 1989/Anfang 1990 ständig gestiegen seien und sich
in diesem Zeitraum um mehr als 20 % erhöht hätten.
- 210.
- Im Ergebnis habe die Kommission die Auswirkungen des Kartells zutreffend
gewürdigt. Ihre Feststellung, daß das Kartell weitgehend erfolgreich gewesen sei
(Randnr. 168 der Entscheidung), beziehe sich nicht nur auf die tatsächlichen
Preiserhöhungen, sondern auch auf andere Gesichtspunkte des Kartells (vgl. u. a.
Randnrn. 136 und 137 der Entscheidung). Ihre Einschätzung entspreche im übrigen
der Bewertung durch die Kartellmitglieder selbst, die die Preiserhöhungsinitiativen
zumeist als erfolgreich betrachtet hätten.
Würdigung durch das Gericht
- 211.
- Gemäß Randnummer 168, siebter Gedankenstrich, der Entscheidung hat die
Kommission bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen u. a. berücksichtigt, daß
das Kartell, „was die Erreichung seiner Ziele betrifft, weitgehend erfolgreich“ war.
Es ist unstreitig, daß mit dieser Erwägung auf die Auswirkungen der in Artikel 1
der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung auf den Markt Bezug genommen
wird.
- 212.
- Zur Überprüfung der von der Kommission vorgenommenen Beurteilung der
Auswirkungen der Zuwiderhandlung braucht nach Ansicht des Gerichts nur die
Beurteilung der Auswirkungen der Preisabsprache der einzigen Auswirkungen,
die die Klägerin bestreitet untersucht zu werden. Aus der Entscheidung geht
nämlich hervor, daß die Feststellung, wonach die Ziele weitgehend erreicht worden
seien, im wesentlichen auf den Auswirkungen der Preisabsprache beruht (vgl.
Randnrn. 100 bis 102, 115 und 135 bis 137).
- 213.
- Bei der Preisabsprache hat die Kommission die allgemeinen Auswirkungen
beurteilt. Selbst wenn die von der Klägerin gemachten individuellen Angaben wie
sie behauptet zeigen sollten, daß die Preisabsprache für sie geringere als die auf
dem europäischen Kartonmarkt als Ganzem festgestellten Auswirkungen hatte,
würden diese individuellen Gegebenheiten daher als solche nicht ausreichen, um
die Beurteilung der Kommission in Frage zu stellen.
- 214.
- Wie die Kommission in der Verhandlung bestätigt hat, ist der Entscheidung zu
entnehmen, daß zwischen drei Arten von Auswirkungen unterschieden wurde.
Außerdem hat sich die Kommission darauf gestützt, daß die Hersteller selbst die
Preisinitiativen im wesentlichen als Erfolg gewertet hätten.
- 215.
- Die erste von der Kommission berücksichtigte und von der Klägerin nicht in
Abrede gestellte Art von Auswirkungen besteht darin, daß die vereinbarten
Preiserhöhungen den Kunden tatsächlich angekündigt wurden. Die neuen Preise
dienten somit als Referenz bei der individuellen Aushandlung der tatsächlichen
Verkaufspreise mit den Kunden (vgl. u. a. Randnrn. 100 und 101 Absätze 5 und 6
der Entscheidung).
- 216.
- Die zweite Art von Auswirkungen besteht darin, daß die Entwicklung der
tatsächlichen Verkaufspreise der Entwicklung der angekündigten Preise folgte.
Hierzu führt die Kommission aus, daß „sich die Hersteller nicht darauf
[beschränkten], die vereinbarten Preiserhöhungen anzukündigen, sondern ... mit
wenigen Ausnahmen auch alles [taten], um sicherzustellen, daß sie bei den
Kunden durchgesetzt wurden“ (Randnr. 101 Absatz 1 der Entscheidung). Sie räumt
ein, daß den Kunden bisweilen Zugeständnisse hinsichtlich des Termins des
Inkrafttretens der Erhöhungen gemacht oder vor allem bei Großaufträgen
individuelle Rabatte oder Skonti gewährt worden seien und daß „die
durchschnittliche Netto-Preiserhöhung, die nach allen Nachlässen, Rabatten und
sonstigen Zugeständnissen erzielt wurde, stets geringer [war] als der volle Betrag
der angekündigten Preisanhebung“ (Randnr. 102 letzter Absatz der Entscheidung).
Unter Bezugnahme auf Schaubilder im LE-Bericht macht sie jedoch geltend, in
dem von der Entscheidung erfaßten Zeitraum habe es einen „engen linearen
Zusammenhang“ zwischen der Entwicklung der angekündigten Preise und der
Entwicklung der tatsächlichen Verkaufspreise ausgedrückt in Landeswährung
oder umgerechnet in Ecu gegeben. Sie zieht daraus folgenden Schluß: „Die
erzielten Netto-Preiserhöhungen vollzogen die Preisankündigungen wenngleich
mit etwas zeitlichem Abstand nach. Der Verfasser des Berichts räumte bei der
mündlichen Anhörung selbst ein, daß dies für die Jahre 1988 und 1989 zutrifft“
(Randnr. 115 Absatz 3 der Entscheidung).
- 217.
- Bei der Beurteilung dieser zweiten Art von Auswirkungen war die Kommission
zweifellos zu der Annahme berechtigt, daß die Existenz eines linearen
Zusammenhangs zwischen der Entwicklung der angekündigten Preise und der
Entwicklung der tatsächlichen Verkaufspreise den Beweis für eine Auswirkung der
Preisinitiativen auf die letztgenannten Preise entsprechend dem von den Herstellern
verfolgten Ziel darstellte. Denn unstreitig hat die Praxis individueller
Verhandlungen mit den Kunden auf dem fraglichen Markt zur Folge, daß die
tatsächlichen Verkaufspreise im allgemeinen nicht mit den angekündigten Preisen
übereinstimmen. Es war daher nicht zu erwarten, daß der Anstieg der tatsächlichen
Verkaufspreise mit den Erhöhungen der angekündigten Preise übereinstimmen
würde.
- 218.
- Hinsichtlich des Bestehens einer Wechselbeziehung zwischen den angekündigten
Preiserhöhungen und dem Anstieg der tatsächlichen Verkaufspreise hat die
Kommission zu Recht auf den LE-Bericht Bezug genommen, da in diesem die
Entwicklung des Kartonpreises in dem von der Entscheidung erfaßten Zeitraum
unter Heranziehung der von mehreren Herstellern gemachten Angaben untersucht
wird.
- 219.
- Dieser Bericht bestätigt jedoch in zeitlicher Hinsicht nur teilweise, daß es einen
„engen linearen Zusammenhang“ gab. Bei der Prüfung des Zeitraums von 1987 bis
1991 ergeben sich nämlich drei gesonderte Abschnitte. Während der Anhörung vor
der Kommission hat der Verfasser des LE-Berichts seine Schlußfolgerungen hierzu
wie folgt zusammengefaßt: „Es gibt keinen engen Zusammenhang, auch nicht in
zeitlichem Abstand, zwischen den angekündigten Preiserhöhungen und den
Marktpreisen zu Beginn des Zeitraums, von 1987 bis 1988. 1988/89 besteht ein
solcher Zusammenhang, und dann löst sich der Zusammenhang auf und verhält
sich im Zeitraum 1990/91 recht seltsam [oddly]“ (Anhörungsprotokoll, S. 28).
Ferner führte er aus, daß diese Veränderungen im Lauf der Zeit eng mit den
Nachfrageschwankungen zusammenhingen (vgl. u. a. Anhörungsprotokoll, S. 20).
- 220.
- Diese mündlichen Schlußfolgerungen des Verfassers stimmen mit der in seinem
Bericht vorgenommenen Analyse und insbesondere mit den Schaubildern überein,
in denen die Entwicklung der angekündigten Preise mit der Entwicklung der
tatsächlichen Verkaufspreise verglichen wird (LE-Bericht, Schaubilder 10 und 11,
S. 29). Somit ist festzustellen, daß die Kommission nur teilweise nachgewiesen hat,
daß es den von ihr geltend gemachten „engen linearen Zusammenhang“ gab.
- 221.
- In der Verhandlung hat die Kommission erklärt, daß sie noch eine dritte Art von
Auswirkungen der Preisabsprache berücksichtigt habe, die darin bestehe, daß die
tatsächlichen Verkaufspreise stärker gestiegen seien, als wenn es keinerlei
Absprache gegeben hätte. Hierzu hat die Kommission unter Hinweis darauf, daß
Zeitpunkt und Reihenfolge der Ankündigungen von Preiserhöhungen vom PWG
festgelegt worden seien, in der Entscheidung die Ansicht vertreten, es sei „unter
solchen Umständen undenkbar, daß die abgestimmten Preisankündigungen keine
Auswirkungen auf das tatsächliche Preisniveau hatten“ (Randnr. 136 Absatz 3 der
Entscheidung). Im LE-Bericht (Abschnitt 3) wurde jedoch eine Modellrechnung
vorgenommen, die die Vorhersage des Preisniveaus ermöglicht, das sich aus den
objektiven Marktbedingungen ergibt. Nach diesem Bericht hätte sich das anhand
objektiver wirtschaftlicher Faktoren in der Zeit von 1975 bis 1991 ermittelte
Preisniveau mit unerheblichen Abweichungen ebenso entwickelt wie das Niveau der
tatsächlichen Verkaufspreise; dies gilt auch für den von der Entscheidung erfaßten
Zeitraum.
- 222.
- Trotz dieser Ergebnisse läßt die im Bericht vorgenommene Analyse nicht den
Schluß zu, daß die konzertierten Preisinitiativen es den Herstellern nicht ermöglicht
haben, höhere tatsächliche Verkaufspreise als bei freiem Wettbewerb zu erzielen.
Insoweit ist es möglich, wie die Kommission in der Verhandlung ausgeführt hat,
daß die bei dieser Analyse herangezogenen Faktoren durch die Existenz der
Absprache beeinflußt wurden. So hat die Kommission zu Recht geltend gemacht,
daß das abgesprochene Verhalten z. B. den Anreiz für die Unternehmen verringern
konnte, ihre Kosten zu senken. Sie hat jedoch keinen direkten Fehler in der im LE-Bericht enthaltenen Analyse gerügt und auch keine eigenen wirtschaftlichen
Analysen zur hypothetischen Entwicklung der tatsächlichen Verkaufspreise bei
Fehlen jeder Abstimmung vorgelegt. Unter diesen Umständen geht ihre
Behauptung, daß die tatsächlichen Verkaufspreise ohne die Absprache zwischen
den Herstellern niedriger gewesen wären, fehl.
- 223.
- Folglich gibt es für die Existenz dieser dritten Art von Auswirkungen der
Preisabsprache keinen Beweis.
- 224.
- Auf die vorstehenden Feststellungen hat die subjektive Einschätzung der Hersteller
keinen Einfluß, auf die die Kommission ihre Annahme gestützt hat, daß das Kartell,
was die Erreichung seiner Ziele betreffe, weitgehend erfolgreich gewesen sei. Dabei
hat die Kommission auf eine von ihr in der Verhandlung vorgelegte Liste von
Schriftstücken Bezug genommen. Selbst wenn man unterstellt, daß sie ihre
Beurteilung des möglichen Erfolges der Preisinitiativen auf Schriftstücke stützen
konnte, in denen die subjektiven Empfindungen einiger Hersteller zum Ausdruck
kommen, ist aber festzustellen, daß mehrere Unternehmen, zu denen auch die
Klägerin gehört, in der Verhandlung zu Recht auf zahlreiche andere Aktenstücke
verwiesen haben, in denen von den Problemen die Rede ist, die die Hersteller bei
der Durchführung der vereinbarten Preiserhöhungen hatten. Unter diesen
Umständen reicht die Bezugnahme der Kommission auf Erklärungen der Hersteller
selbst nicht aus, um zu dem Ergebnis zu kommen, daß das Kartell, was die
Erreichung seiner Ziele betrifft, weitgehend erfolgreich war.
- 225.
- In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen sind die von der Kommission geltend
gemachten Auswirkungen der Zuwiderhandlung nur teilweise bewiesen. Das
Gericht wird die Tragweite dieses Ergebnisses im Rahmen seiner Befugnis zur
unbeschränkten Nachprüfung von Geldbußen bei der Beurteilung der Schwere der
im vorliegenden Fall festgestellten Zuwiderhandlung prüfen (siehe unten,
Randnr. 246).
Zum Klagegrund des Fehlens eines Systems von Sanktionen, mit denen die
Unternehmen zur Einhaltung der vom Kartell aufgestellten Regeln gezwungen werden
sollten
Vorbringen der Parteien
- 226.
- Die Klägerin trägt vor, die Tatsache, daß keine Maßnahmen wirtschaftlicher oder
moralischer Art vorgesehen gewesen seien, um die Unternehmen zur Befolgung
der angekündigten Preiserhöhungen zu zwingen, müsse zu einer Herabsetzung der
Geldbuße führen. Die Behauptung der Kommission, daß es ein System von
Sanktionen gegeben habe, sei falsch und werde nicht durch Beweise gestützt.
- 227.
- Nach der Aussage von Herrn Roos (der Feldmühle auf Sitzungen des PWG
vertreten und die Aussage auf Ersuchen der Klägerin gemacht habe) vom 22. März
1993 sei sie zwar aufgrund ihres unkooperativen Verhaltens zur Rede gestellt
worden. Dies sei jedoch keine Sanktion. Sie habe ihre Einstellung nicht geändert,
und das Verhalten der Unternehmen habe auf deren freiwilligen Entscheidungen
beruht. Auch in den Aussagen von Stora sei von einem System von Sanktionen
keine Rede.
Würdigung durch das Gericht
- 228.
- Entgegen dem Vorbringen der Klägerin wird in der Entscheidung nicht behauptet,
daß ihre Adressaten ein „System von Sanktionen“ eingeführt hätten, um die
Unternehmen zur Einhaltung der vom Kartell getroffenen Entscheidungen zu
zwingen. Die Klägerin gibt im übrigen nicht an, welche in der Entscheidung
enthaltenen Feststellungen der Kommission falsch sein sollen.
- 229.
- Schließlich ist den Randnummern 167 bis 172 der Entscheidung nicht zu
entnehmen, daß das etwaige Vorliegen von Sanktions- oder Zwangsmaßnahmen bei
der Bußgeldbemessung berücksichtigt worden wäre.
- 230.
- Unter diesen Umständen ist der Klagegrund zurückzuweisen.
Zum Klagegrund, daß das allgemeine Bußgeldniveau überhöht sei
Vorbringen der Parteien
- 231.
- Die Klägerin weist darauf hin, daß nach den Informationen, die das für die
Wettbewerbspolitik zuständige Mitglied der Kommission auf einer Pressekonferenz
am 13. Juli 1994 gegeben habe, die gegen die angeblichen „Anführer“ des Kartells
verhängten Geldbußen von 9 % die maximale oder nahezu maximale Geldbuße
darstellten.
- 232.
- Die vorliegend festgestellte Zuwiderhandlung sei jedoch nicht der verwerflichste
Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages. Es habe keine Mengenkontrolle
gegeben, über die Preiserhöhungen seien keine Vereinbarungen getroffen worden,
sondern sie hätten sich lediglich aus einer gegenseitigen Abstimmung der Hersteller
ergeben, die Verstöße seien nicht durch ein System von Sanktionen durchgesetzt
worden, und sie hätten allenfalls ganz geringe Auswirkungen auf den Markt gehabt.
Die Geldbuße müsse auch deshalb herabgesetzt werden, weil das
Informationsaustauschsystem der FIDES als Gesichtspunkt angesehen worden sei,
der die Zuwiderhandlung besonders verwerflich mache.
- 233.
- Darüber hinaus habe die Kommission die Schwere der gerügten
Zuwiderhandlungen dadurch falsch beurteilt, daß sie außer acht gelassen habe, daß
diese im Rahmen eines Berufsverbands begangen worden seien, der rechtmäßige
Tätigkeiten ausgeübt habe.
- 234.
- Schließlich sei die Kommission zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Sitzungen
der PG Karton geheim gewesen seien. Es habe vielmehr Teilnehmerlisten gegeben,
und das Fehlen von Protokollen sei mit dem Inhalt der während der Sitzungen
geführten Gespräche zu erklären. Das Fehlen von Protokollen sei im übrigen ein
Wesensmerkmal einer Kooperation, die Gespräche mit zum Teil
wettbewerbswidrigem Inhalt umfasse.
- 235.
- Somit sei der im vorliegenden Fall festgestellte Verstoß bei weitem nicht so
schwerwiegend wie die Kartelle, die die Kommission bereits aufgedeckt habe (vgl.
u. a. die Polypropylen-Entscheidung).
- 236.
- Die Kommission vertritt die Ansicht, daß die Schwere der Zuwiderhandlung die
Höhe der verhängten Geldbußen voll und ganz rechtfertige. Sie weist darauf hin,
daß das in Rede stehende Kartell nicht nur Preis- und Marktaufteilungsabsprachen
umfaßt habe, sondern auch Maßnahmen zur Kontrolle des Kartonangebots und
Maßnahmen, die die Durchführung der Preisinitiativen gefördert und die natürliche
Preisentwicklung verhindert hätten. Die Rechtswidrigkeit dieser Handlungen sei
offenkundig, da Preisvereinbarungen und Marktaufteilungsabsprachen in Artikel 85
des Vertrages ausdrücklich untersagt würden.
- 237.
- Das Vorbringen der Klägerin, daß die PG Karton in erster Linie normale
Verbandsaufgaben wahrgenommen habe, sei weder glaubhaft noch substantiiert.
Ferner spiele es keine Rolle, daß die PG Karton möglicherweise auch rechtmäßige
Ziele verfolgt habe.
- 238.
- Ein weiterer Umstand, der bei der Bewertung der Schwere des Verstoßes ins
Gewicht falle, sei die Geheimhaltungspraxis des Kartells. Das Fehlen von
Aufzeichnungen sei zwar ein typisches Wesensmerkmal von verbotenen
Absprachen, aber die Maßnahmen der PG Karton seien weit über das übliche Maß
an Geheimhaltung hinausgegangen. Zum einen seien die Mitglieder ausdrücklich
angewiesen worden, keine Notizen anzufertigen, wie der Geschäftsführer von
Gruber & Weber bei der Anhörung eingeräumt habe (Protokoll, S. 46). Zum
anderen hätten die Unternehmen versucht, die Existenz der Absprachen zu
verschleiern, indem sie die Reihenfolge, in der sie die jeweilige Preiserhöhung
angekündigt hätten, bei jeder Preisinitiative geändert hätten (Randnr. 73 der
Entscheidung).
- 239.
- Schließlich müsse bei der Beurteilung der Schwere auch auf die übrigen in
Randnummer 168 der Entscheidung aufgezählten Kriterien abgestellt werden.
Würdigung durch das Gericht
- 240.
- Angesichts der Feststellungen, die bei der Prüfung der Klagegründe zur Stützung
des Antrags auf völlige oder teilweise Nichtigerklärung von Artikel 1 der
Entscheidung getroffen worden sind, ist das Vorbringen der Klägerin zum Fehlen
einer Mengenkontrolle und zum Fehlen von Preisabsprachen zurückzuweisen.
Gleiches gilt für das Vorbringen, daß es im vorliegenden Fall kein „System von
Sanktionen“ gegeben habe (siehe oben, Randnrn. 228 und 229).
- 241.
- Im vorliegenden Fall hat die Kommission bei der Festsetzung des allgemeinen
Niveaus der Geldbußen der Dauer der Zuwiderhandlung (Randnr. 167 der
Entscheidung) und folgenden Erwägungen Rechnung getragen (Randnr. 168 der
Entscheidung):
„ Preis- und Marktaufteilungsabsprachen stellen als solche schwere
Wettbewerbsbeschränkungen dar;
das Kartell erstreckte sich praktisch auf das ganze Gebiet der Gemeinschaft;
der EG-Kartonmarkt ist ein bedeutender Industriesektor, der jedes Jahr
einen Wert von bis zu 2,5 Milliarden ECU darstellt;
die an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen repräsentieren
praktisch den gesamten Markt;
das Kartell wurde in einem System regelmäßiger Sitzungen institutionalisiert,
in denen der Kartonmarkt in der Gemeinschaft im einzelnen reguliert
wurde;
es wurden aufwendige Schritte unternommen, um die wahre Natur und das
wahre Ausmaß der Absprachen zu verschleiern (Fehlen jeglicher offiziellen
Sitzungsniederschriften oder Dokumente für den PWG und das JMC;
Vorkehrungen gegen das Anfertigen von Notizen; Maßnahmen mit dem
Ziel, die Zeitpunkte und die zeitliche Reihenfolge der
Preiserhöhungsankündigungen so zu inszenieren, daß die Unternehmen
behaupten können, einem Preisführer zu folgen usw.);
das Kartell war, was die Erreichung seiner Ziele betrifft, weitgehend
erfolgreich.“
- 242.
- Außerdem geht, wie bereits ausgeführt, aus einer Antwort der Kommission auf eine
schriftliche Frage des Gerichts hervor, daß gegen die als „Anführer“ des Kartells
angesehenen Unternehmen Geldbußen mit einem Basissatz von 9 % und gegen die
übrigen Unternehmen Geldbußen mit einem Basissatz von 7,5 % des von den
Adressaten der Entscheidung auf dem Kartonmarkt der Gemeinschaft im Jahr 1990
erzielten Umsatzes festgesetzt wurden.
- 243.
- Erstens ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission bei ihrer Beurteilung des
allgemeinen Niveaus der Geldbußen der Tatsache Rechnung tragen darf, daß
offenkundige Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft
immer noch verhältnismäßig häufig sind, und daß es ihr daher freisteht, das Niveau
der Geldbußen anzuheben, um deren abschreckende Wirkung zu verstärken.
Folglich ist die Kommission dadurch, daß sie in der Vergangenheit für bestimmte
Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in bestimmter Höhe verhängt hat, nicht
daran gehindert, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 17 gezogenen
Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der
gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen (vgl. u. a. Urteil des
Gerichtshofes vom 7. Juni 1983 in den Rechtssachen 100/80, 101/80, 102/80 und
103/80, Musique Diffusion française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825, Randnrn.
105 bis 108, und Urteil ICI/Kommission, Randnr. 385).
- 244.
- Zweitens hat die Kommission zu Recht geltend gemacht, daß aufgrund der
Besonderheiten des vorliegenden Falles kein direkter Vergleich zwischen dem
allgemeinen Niveau der Geldbußen in der streitigen Entscheidung und dem Niveau
nach der früheren Entscheidungspraxis der Kommission insbesondere in der
Polypropylen-Entscheidung, die die Kommission selbst als die mit dem vorliegenden
Fall am besten vergleichbare Entscheidung ansieht vorgenommen werden kann.
Im Gegensatz zu dem Fall, der Gegenstand der Polypropylen-Entscheidung war,
wurde hier nämlich bei der Festlegung des allgemeinen Niveaus der Geldbußen
kein genereller mildernder Umstand berücksichtigt. Außerdem zeigen die zur
Verschleierung der Absprache getroffenen Maßnahmen, daß sich die betreffenden
Unternehmen der Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens voll und ganz bewußt waren.
Die Kommission konnte diese Maßnahmen folglich bei der Beurteilung der
Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigen, da sie einen besonders
schwerwiegenden Aspekt der Zuwiderhandlung darstellten, der diese von den zuvor
aufgedeckten Zuwiderhandlungen unterscheidet.
- 245.
- Drittens ist auf die lange Dauer und die Offenkundigkeit der Zuwiderhandlung
gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages hinzuweisen, die trotz der Warnung
begangen wurde, die die frühere Entscheidungspraxis der Kommission und
insbesondere die Polypropylen-Entscheidung hätte darstellen müssen. Das
Vorbringen der Klägerin, daß die PG Karton rechtmäßige Tätigkeiten ausgeübt
habe, ist unerheblich, da festgestellt wurde, daß die Gremien dieses Berufsverbands
insbesondere PWG und JMC einen im wesentlichen wettbewerbswidrigen
Zweck hatten.
- 246.
- Aufgrund dieser Gesichtspunkte rechtfertigen die in Randnummer 168 der
Entscheidung wiedergegebenen Kriterien das von der Kommission festgelegte
allgemeine Niveau der Geldbußen. Das Gericht hat zwar bereits festgestellt, daß
die Auswirkungen der Preisabsprache, die die Kommission der Bestimmung des
allgemeinen Niveaus der Geldbußen zugrunde gelegt hat, nur teilweise bewiesen
sind. Angesichts der vorstehenden Erwägungen kann dieses Ergebnis die
Beurteilung der Schwere der festgestellten Zuwiderhandlung jedoch nicht spürbar
beeinflussen. Insoweit läßt sich schon allein daraus, daß die Unternehmen die
vereinbarten Preiserhöhungen tatsächlich angekündigt und daß die angekündigten
Preise als Grundlage für die Bestimmung der individuellen tatsächlichen
Verkaufspreise gedient haben, ableiten, daß die Preisabsprache eine schwere
Wettbewerbsbeschränkung sowohl bezweckt als auch bewirkt hat. Das Gericht ist
daher im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Ansicht, daß
die Feststellungen zu den Auswirkungen der Zuwiderhandlung keine Herabsetzung
des von der Kommission festgelegten allgemeinen Niveaus der Geldbußen
rechtfertigen.
- 247.
- Der Klagegrund greift daher nicht durch.
Zum Klagegrund eines Beurteilungsfehlers der Kommission hinsichtlich der Beteiligung
der Klägerin am Kartell
Vorbringen der Parteien
- 248.
- Die Klägerin macht geltend, die gegen sie festgesetzte Geldbuße sei überhöht, weil
die Kommission ihre Beteiligung an dem gerügten Verstoß falsch eingeschätzt habe.
- 249.
- Erstens habe die Kommission den geringen Umfang ihrer Teilnahme an den
Sitzungen der verschiedenen Gremien der PG Karton nicht angemessen
berücksichtigt.
- 250.
- In bezug auf den PWG sei die Kommission zu Unrecht davon ausgegangen, daß
sie seit 1988 dessen „Mitglied“ gewesen sei (Randnr. 170 Absatz 3 der
Entscheidung). Zwar habe offenbar ein Vertreter der Klägerin an einer Sitzung des
PWG im Februar/März 1988 teilgenommen, aber dieser habe die
Unternehmensleitung weder von seiner Teilnahme noch von der Existenz des PWG
unterrichtet. Die Unternehmensleitung habe von der Existenz des PWG erst auf
der Generalversammlung der PG Karton im Mai 1988 in Barcelona erfahren. Sie
seien zur Teilnahme an der Sitzung des PWG eingeladen worden und hätten nur
deshalb beschlossen, dieser vor der PK stattfindenden Sitzung beizuwohnen, um
den Inhalt der Gespräche zu erfahren. Da die Sitzungen dieses Gremiums für sie
letztlich nicht von Interesse gewesen seien, hätten sie im Jahr 1988 an keiner
Sitzung mehr teilgenommen.
- 251.
- Erst im Mai 1989 habe die Klägerin begonnen, mehr oder weniger regelmäßig an
den Sitzungen des PWG teilzunehmen. Der Vertreter von Feldmühle bei den
Sitzungen des PWG (Herr Roos) habe der Unternehmensleitung im Zeitraum1988/89 zwei Besuche abgestattet, um sie zur regelmäßigen Teilnahme an den
Sitzungen zu veranlassen. Die Entscheidung der Klägerin, an den Sitzungen
teilzunehmen, hänge damit zusammen, daß die Großkonzerne, die damals bereits
den Markt kontrolliert hätten, einen Preiskrieg hätten beginnen können, um die
kleinen Konkurrenten vom Markt zu verdrängen. Zur Wahrung ihrer
Selbständigkeit habe sie deshalb beschlossen, an den Sitzungen des PWG
teilzunehmen, um sich Zugang zum Informationsaustausch zwischen den im PWG
und im JMC vertretenen Unternehmen zu verschaffen.
- 252.
- Sie habe letztlich nur an neun der von der Kommission festgestellten 21 Sitzungen
des PWG (Randnr. 39 der Entscheidung) teilgenommen.
- 253.
- An den Sitzungen der übrigen Gremien der PG Karton habe sie nur sporadisch
oder gar nicht teilgenommen. So habe sie zwischen März 1988 und April 1991 an
acht Sitzungen des JMC und von 1986 bis 1991 an sieben der elf von der
Kommission festgestellten Sitzungen der PK, aber an keiner Sitzung der WK
teilgenommen.
- 254.
- Zweitens habe die Kommission ihrer völlig passiven Rolle in den verschiedenen
Gremien der PG Karton nicht angemessen Rechnung getragen. Dies belege die
Aussage von Herrn Roos (siehe oben, Randnr. 227), der bestätigt habe, daß sie erst
an den Sitzungen des PWG teilgenommen habe, nachdem er sie dazu überredet
habe, und daß sie eine passive Rolle gespielt und insbesondere keinen Anteil am
Zustandekommen der Absprachen gehabt habe. Die Aussage von Herrn Roos
bestätige ferner, daß sie im JMC eine passive Rolle gespielt habe und dort als ein
eher widerwilliger und wenig kooperativer Teilnehmer angesehen worden sei.
- 255.
- Schließlich habe sie keine Rolle beim Informationsaustausch zwischen PWG und
PK gespielt.
- 256.
- Die Kommission weist darauf hin, daß die Klägerin zugebe, an Sitzungen von drei
der vier Gremien der PG Karton teilgenommen zu haben. Auf vielen Sitzungen,
denen sie beigewohnt habe, hätten sich die Teilnehmer gegenseitig über
Preiserhöhungen, Kapazitäten, Mengen und etwaige Abstellzeiten unterrichtet und
abgestimmt. Außerdem habe die Klägerin ihr Verhalten zumindest im Hinblick
auf Preiserhöhungen an dem Vorgehen der anderen Unternehmen ausgerichtet
und somit die erlangten Informationen zu ihrem eigenen Nutzen eingesetzt.
- 257.
- Darüber hinaus habe die Klägerin ab 1988 dem PWG angehört und ab 1989 an fast
allen Sitzungen dieses Gremiums teilgenommen. Der PWG sei das zentrale
Gremium des Kartells gewesen, in dem die Strategien des Kartells diskutiert und
erarbeitet worden seien. Die Teilnahme der Klägerin an den Sitzungen dieses
Gremiums rechtfertige die Annahme, daß sie in überdurchschnittlichem Maß am
Kartell mitgewirkt habe.
- 258.
- Aufgrund dieser Teilnahme der Klägerin an den Sitzungen des zentralen Gremiums
des Kartells und ihrer Stellung als zweitgrößter deutscher Hersteller von GD-Sorten
habe sich die Kommission zu Recht auf den Standpunkt gestellt, daß gegen sie eine
höhere Geldbuße von etwa 8 % ihres Kartonumsatzes in der Gemeinschaft im
Jahr 1990 festzusetzen sei als gegen die Unternehmen, die in durchschnittlichem
Umfang am Kartell mitgewirkt hätten. Indem sie gegen die Klägerin keine
vergleichbare Geldbuße verhängt habe wie gegen die „Anführer“ des Kartells, habe
die Kommission jedoch angemessen berücksichtigt, daß die Klägerin keine so
wichtige Rolle gespielt habe wie die großen Industriekonzerne.
- 259.
- Schließlich müsse der Versuch der Klägerin, ihre Rolle im Kartell unter Berufung
auf die Aussage von Herrn Roos zu verharmlosen, erfolglos bleiben. Selbst wenn
man unterstelle, daß die Klägerin von den übrigen teilnehmenden Unternehmen
für wenig kooperativ gehalten worden sei, ändere dies nichts daran, daß sie sich an
den Preisinitiativen beteiligt und somit zum Erfolg des Kartells beigetragen habe.
Würdigung durch das Gericht
- 260.
- Wie bereits ausgeführt, geht aus einer Antwort der Kommission auf eine
schriftliche Frage des Gerichts hervor, daß gegen die als „Anführer“ des Kartells
angesehenen Unternehmen Geldbußen mit einem Basissatz von 9 % und gegen die
übrigen Unternehmen Geldbußen mit einem Basissatz von 7,5 % des von den
Adressaten der Entscheidung auf dem Kartonmarkt der Gemeinschaft im Jahr 1990
erzielten Umsatzes festgesetzt wurden. Ferner wurde ausgeführt, daß gegen die
Klägerin eine Geldbuße in Höhe von 8 % ihres Kartonumsatzes in der
Gemeinschaft im Jahr 1990 festgesetzt wurde, die um ein Drittel herabgesetzt
wurde, weil sie in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte die
gegen sie vorgebrachten Tatsachenbehauptungen der Kommission in der Substanz
nicht bestritt.
- 261.
- Im Rahmen der Beurteilung, ob dieses Bußgeldniveau gerechtfertigt ist, ist zunächst
festzustellen, daß die Klägerin die Teilnahme an einer Sitzung des PWG im Mai
1988 und eine „mehr oder weniger regelmäßige Teilnahme“ an den Sitzungen
dieses Gremiums ab Mai 1989 einräumt. Außerdem erklärt sie, durch
Nachforschungen ihres Rechtsanwalts erfahren zu haben, daß ein früherer
Geschäftsführer „offenbar im Februar/März 1988 an einer einzigen Sitzung de[s]
PWG teilgenommen hat“, ohne die Unternehmensleitung von seiner Teilnahme
oder von der Existenz des PWG zu unterrichten. Dazu ist zu sagen, daß die
Klägerin nach den Angaben der Kommission zwar seit 1988 „Mitglied“ des PWG
war (Randnr. 170 Absatz 3 der Entscheidung); die Kommission macht jedoch nicht
geltend, daß die Klägerin an anderen als den von ihr selbst angegebenen Sitzungen
des PWG teilgenommen habe.
- 262.
- Sodann ist festzustellen, daß aus der Prüfung der von der Klägerin zur Stützung
ihres Antrags auf völlige oder teilweise Nichtigerklärung von Artikel 1 der
Entscheidung geltend gemachten Klagegründe hervorgeht, daß die Kommission
nachgewiesen hat, daß der PWG die in der Entscheidung beschriebenen
Funktionen hatte.
- 263.
- Unter diesen Umständen war die Kommission zu dem Schluß berechtigt, daß die
Unternehmen, die an den Sitzungen dieses Gremiums teilnahmen, grundsätzlich als
„Anführer“ der festgestellten Zuwiderhandlung anzusehen waren und aus diesem
Grund eine besondere Verantwortung zu tragen hatten (vgl. Randnr. 170 Absatz
1 der Entscheidung). Sie hat die Klägerin dennoch nicht zu den „Anführern“ der
festgestellten Zuwiderhandlung gezählt, weil sie in der Gestaltung der Politik des
Kartells keine so wichtige Rolle wie die übrigen Teilnehmer an den Sitzungen
dieses Gremiums gespielt zu haben schien (Randnr. 170 Absatz 3 der
Entscheidung).
- 264.
- Sie hat somit durch die Berücksichtigung der Tatsache, daß die Klägerin an den
Sitzungen des PWG teilnahm, in dem die wichtigsten wettbewerbswidrigen
Entscheidungen getroffen wurden, und der Tatsache, daß sie in der Gestaltung der
Politik des Kartells eine weniger wichtige Rolle spielte, die Rolle der Klägerin
zutreffend gewürdigt. Dabei hat sie auch den in der Aussage von Herrn Roos
enthaltenen Informationen zur Rolle der Klägerin im Kartell Rechnung getragen.
- 265.
- Unter diesen Umständen bestätigen die Erläuterungen der Klägerin, nach denen
sie nur deshalb an den Sitzungen des PWG teilnahm, um sich Zugang zum
Informationsaustausch zwischen den dort vertretenen Unternehmen zu verschaffen,
lediglich das im wesentlichen wettbewerbsfeindliche Ziel ihrer Teilnahme.
- 266.
- Schließlich hat die Kommission in Anbetracht der Teilnahme der Klägerin an den
Sitzungen des PWG, in dem die wichtigsten wettbewerbswidrigen Entscheidungen
getroffen wurden, die von der Klägerin begangene Zuwiderhandlung zu Recht als
schwerwiegender angesehen als die Zuwiderhandlung der als „gewöhnliche
Mitglieder“ des Kartells eingestuften Unternehmen, die im PWG nicht vertreten
waren.
- 267.
- Nach alledem ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.
Zum Klagegrund der unzureichenden Berücksichtigung der Kooperation der Klägerin
im Verfahren
Vorbringen der Parteien
- 268.
- Dieser Klagegrund besteht aus drei Teilen.
- 269.
- Mit dem ersten Teil macht die Klägerin geltend, die Kommission hätte
berücksichtigen müssen, daß sie auf das Auskunftsverlangen nach Artikel 11 der
Verordnung Nr. 17 wahrheitsgemäß und vollständig geantwortet habe. Da die
Kommission bei ihr keine Nachprüfungen durchgeführt habe, habe sie nicht
gewußt, daß die Kommission in den Besitz von Unterlagen gelangt sei, aufgrund
deren sie auf einen schwerwiegenden Verstoß gegen Artikel 85 des Vertrages
schließen würde. Außerdem sei ihr der von der Kommission festgestellte
Sachverhalt aufgrund des beschränkten Umfangs ihrer Teilnahme an der
PG Karton nicht vollständig bekannt gewesen. Unter diesen Umständen habe sie
damals noch nicht aktiver mit der Kommission kooperieren können.
- 270.
- Mit dem zweiten Teil des Klagegrundes macht sie geltend, die sofortige Einstellung
ihrer Beteiligung an den Sitzungen der PG Karton und an allen möglicherweise
rechtswidrigen Praktiken nach den von der Kommission am 23. April 1991
durchgeführten Nachprüfungen sei nach der Rechtsprechung und der Praxis der
Kommission als mildernder Umstand anzusehen (vgl. u. a. Urteil des Gerichts vom
7. Juli 1994 in der Rechtssache T-43/92, Dunlop Slazenger/Kommission, Slg. 1994,
II-441, Randnr. 146).
- 271.
- Mit dem dritten Teil des Klagegrundes macht sie geltend, die Kommission habe bei
der Bußgeldbemessung ihre aktive Kooperation nicht berücksichtigt, die zum
beschleunigten Abschluß des Verfahrens beigetragen habe. Sie habe erst nach der
Zustellung der Mitteilung der Beschwerdepunkte erkannt, daß die Kommission ihr
einen schweren Verstoß gegen Artikel 85 des Vertrages vorwerfe. Mit Schreiben
vom 23. März 1993, also vor Ablauf der Frist zur Stellungnahme zu den
Beschwerdepunkten, habe sie eingeräumt, durch die Teilnahme an Gesprächen
über Preiserhöhungen und an einem allgemeinen Meinungsaustausch über die
Beibehaltung der Absatzmengen gegen Artikel 85 des Vertrages verstoßen zu
haben. Dieses Eingeständnis einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 des Vertrages
habe sie aus völlig freien Stücken abgegeben, und es habe offensichtlich auch
andere Unternehmen dazu veranlaßt, die Zuwiderhandlung zuzugeben oder
zumindest im Kern nicht zu bestreiten.
- 272.
- Sie sei das einzige Unternehmen gewesen, das in der Anhörung vor der
Kommission ausdrücklich erklärt habe, daß die von der Kommission behauptete
Zuwiderhandlung im wesentlichen nicht bestritten werde. Sie sei auch neben
Cascades das einzige Unternehmen gewesen, das die Daten sämtlicher von ihm
besuchter Sitzungen mitgeteilt habe. Schließlich habe sie der Kommission die
Stellungnahme von Herrn Roos übermittelt, auf die die Kommission mehrfach in
der Anhörung und indirekt auch in Randnummer 59 der Entscheidung Bezug
genommen habe, wo davon gesprochen werde, daß die Klägerin zur Ordnung
gerufen worden sei, weil sie ihre Marktanteile ausgeweitet habe.
- 273.
- Da diese aktive Kooperation nicht berücksichtigt worden sei, sei sie insbesondere
gegenüber Stora benachteiligt worden. Stora habe erst nach den von der
Kommission durchgeführten Nachprüfungen mit dieser kooperiert. Außerdem habe
sie nicht nur das von der Kommission bei den Unternehmen des Stora-Konzerns
gefundene belastende Material, sondern auch die bei anderen Unternehmen
gefundenen Unterlagen gekannt. Schließlich gehe aus dem Schriftwechsel zwischen
Stora und der Kommission (Anlagen 34 bis 43 der Mitteilung der
Beschwerdepunkte) hervor, daß Stora nicht sofort alles zugegeben habe, sondern
daß die Kommission die verschiedenen Informationen aus ihr habe herauslocken
müssen. Unter diesen Umständen hätte die Klägerin für ihre Kooperation in
gleichem Maß belohnt werden müssen wie Stora, d. h. durch eine Herabsetzung der
Geldbuße um zwei Drittel.
- 274.
- Überdies habe die Kommission den kleinen Herstellern keine Gelegenheit gegeben,
in einem frühen Stadium zu kooperieren, da diese Hersteller von der Kooperation
von Stora und den im Besitz der Kommission befindlichen Beweisen nichts gewußt
hätten.
- 275.
- Schließlich sei die Klägerin aufgrund der mangelnden Berücksichtigung der
Gesichtspunkte, die ihre aktive Kooperation mit der Kommission belegten, auch
gegenüber anderen Unternehmen benachteiligt worden, deren Geldbuße um ein
Drittel herabgesetzt worden sei, weil sie die Tatsachenbehauptungen in der
Substanz nicht bestritten hätten.
- 276.
- Die Kommission weist darauf hin, daß die Geldbuße der Klägerin um ein Drittel
herabgesetzt worden sei, weil sie die Tatsachenbehauptungen in der Mitteilung der
Beschwerdepunkte in der Substanz nicht bestritten habe (Randnr. 172 der
Entscheidung). Für eine darüber hinausgehende Herabsetzung habe kein Anlaß
bestanden.
- 277.
- Die vollständige und wahrheitsgemäße Beantwortung des Auskunftsersuchens durch
die Klägerin könne keine Herabsetzung der Geldbuße rechtfertigen, da es sich um
ein rechtlich gebotenes Verhalten handele.
- 278.
- Dem Vorbringen der Klägerin, daß sie in einem früheren Verfahrensstadium nicht
aktiv habe kooperieren können, könne nicht gefolgt werden. Es habe ihr vielmehr
freigestanden, den Sachverhalt aufzuklären und so aktiv zum raschen Abschluß des
Verfahrens beizutragen. Im übrigen schätze sie den Wert der Stellungnahme von
Herrn Roos zu hoch ein; dieser habe nicht nur zur Aufklärung des Sachverhalts,
sondern auch zur Verteidigung der Klägerin beigetragen.
- 279.
- Die Klägerin sei somit gegenüber Stora nicht benachteiligt worden. Stora habe aus
freien Stücken kooperiert und in ihren Antworten auf die Auskunftsverlangen vom
30. August 1991 und vom 23. Oktober 1991 einen aktiven und wesentlichen Beitrag
zur Aufklärung des Sachverhalts geleistet. Die Klägerin habe dagegen erst mit
Schreiben vom 23. März 1993, d. h. nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte,
ihre mögliche Beteiligung an einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht
eingeräumt. Ihre Kooperation habe sich auch in diesem Stadium darauf beschränkt,
die gegen sie erhobenen Vorwürfe in der Substanz nicht zu bestreiten. Ein solches
Verhalten, das bereits durch die Herabsetzung der Geldbuße um ein Drittel
belohnt worden sei, könne nicht als aktive Kooperation gewertet werden.
Würdigung durch das Gericht
- 280.
- Die gegen die Klägerin festgesetzte Geldbuße wurde um ein Drittel herabgesetzt,
weil sie der Entscheidung zufolge in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der
Beschwerdepunkte die gegen sie vorgebrachten Tatsachenbehauptungen der
Kommission in der Substanz nicht bestritt.
- 281.
- Eine Herabsetzung der Geldbuße wegen einer Kooperation im
Verwaltungsverfahren vor der Kommission ist nur dann gerechtfertigt, wenn das
Verhalten des Unternehmens es der Kommission ermöglicht hat, eine
Zuwiderhandlung leichter festzustellen und gegebenenfalls zu beenden (Urteil
ICI/Kommission, Randnr. 393). Folglich kann bei einem Unternehmen, das im
Verwaltungsverfahren ausdrücklich erklärt, daß es die von der Kommission
vorgebrachten Tatsachenbehauptungen nicht bestreite, davon ausgegangen werden,
daß es zur Erleichterung der in der Feststellung und Verfolgung von
Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft bestehenden
Aufgabe der Kommission beigetragen hat. Die Kommission ist nämlich berechtigt,
ein solches Verhalten als Eingeständnis der behaupteten Tatsachen und damit als
Beweis für die Begründetheit der fraglichen Behauptungen zu werten.
- 282.
- Im vorliegenden Fall enthält das Vorbringen der Klägerin keinen Beleg dafür, daß
sie über die Anerkennung der Tatsachenbehauptungen der Kommission hinaus mit
dieser kooperierte.
- 283.
- Mit dem ersten Teil des Klagegrundes macht die Klägerin geltend, sie habe auf das
Auskunftsverlangen der Kommission nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17
wahrheitsgemäß und vollständig geantwortet. Nach ständiger Rechtsprechung
rechtfertigt aber eine Mitwirkung an der Untersuchung, die nicht über das
hinausgeht, wozu die Unternehmen nach Artikel 11 Absätze 4 und 5 der
Verordnung Nr. 17 verpflichtet sind, keine Herabsetzung der Geldbuße (vgl. z. B.
Urteil des Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-12/89,
Solvay/Kommission, Slg. 1992, II-907, Randnrn. 341 und 342). Im übrigen hätte die
Klägerin, die seit März 1988 an der Zuwiderhandlung teilnahm und daher die
Aufgaben des PWG und des JMC kannte, durchaus ebenso wie Stora aktiver
als geschehen mit der Kommission kooperieren können, wodurch eine größere
Herabsetzung der Geldbuße gerechtfertigt gewesen wäre. Folglich muß ihr
Vorbringen, daß sie damals nicht die nötigen Informationen besessen habe, um der
Kommission aktiv zu helfen, zurückgewiesen werden.
- 284.
- Zum zweiten Teil des Klagegrundes, der sich darauf stützt, daß die Klägerin ihre
Beteiligung an den Sitzungen der PG Karton und an allen möglicherweise
rechtswidrigen Praktiken nach den von der Kommission am 23. April 1991
durchgeführten Nachprüfungen (siehe oben, Randnr. 8) sofort eingestellt habe, ist
darauf hinzuweisen, daß die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer
Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln ist, ohne daß es eine zwingende oder
abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden
müßten (siehe oben, Randnr. 183). Auch wenn die Einstellung der
Zuwiderhandlung vor der Übersendung der Beschwerdepunkte somit grundsätzlich
als Umstand angesehen werden kann, der die Schwere der Zuwiderhandlung eines
Unternehmens mindert, war die Kommission unter den besonderen Umständen des
vorliegenden Falles nicht zu einer solchen Bewertung verpflichtet. Da die Klägerin
nichts vorgebracht hat, was zum Nachweis dafür dienen könnte, daß die
Kommission im vorliegenden Fall den Ermessensspielraum überschritten hat, über
den sie bei der Auswahl der Gesichtspunkte verfügt, die bei der Festlegung der
Höhe der Geldbußen berücksichtigt werden, ist der zweite Teil des Klagegrundes
zurückzuweisen.
- 285.
- Auch dem dritten Teil des Klagegrundes, der sich darauf stützt, daß die Klägerin
aktiv mit der Kommission kooperiert habe, kann nicht gefolgt werden.
- 286.
- Die Klägerin trägt vor, sie habe vollständige Angaben zu ihrer Teilnahme an den
Sitzungen der verschiedenen Gremien der PG Karton gemacht. Sie habe ferner bei
der Anhörung vor der Kommission ausdrücklich erklärt, daß sie die von dieser
vorgebrachten Tatsachenbehauptungen in der Substanz nicht bestreite. Eine
derartige Kooperation mit der Kommission rechtfertigte jedoch keine über das
tatsächlich gewährte Drittel hinausgehende Herabsetzung der Geldbuße. Die
Stellungnahme von Herrn Roos, die der Kommission von der Klägerin mit ihrer
Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte übermittelt wurde, enthält
nichts, was spürbar zur Erleichterung der Aufgabe des Organs beitragen konnte.
Insoweit genügt der Hinweis, daß in der Entscheidung nur an einer Stelle im
übrigen indirekt auf die Angaben in dieser Stellungnahme Bezug genommen wird
(Randnr. 59 letzter Absatz).
- 287.
- Schließlich ist zum Vorbringen der Klägerin, daß sie im Verhältnis zu Stora
benachteiligt worden sei, darauf hinzuweisen, daß ein Verstoß gegen den Grundsatz
der Gleichbehandlung, der ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts ist,
nach ständiger Rechtsprechung nur dann vorliegt, wenn vergleichbare Sachverhalte
unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt werden, sofern
eine Differenzierung nicht objektiv gerechtfertigt ist (Urteile des Gerichtshofes vom
13. Dezember 1984 in der Rechtssache 106/83, Sermide, Slg. 1984, 4209, Randnr.
28, und vom 28. Juni 1990 in der Rechtssache C-174/89, Hoche, Slg. 1990, I-2681,
Randnr. 25; im gleichen Sinne Urteil des Gerichts vom 15. März 1994 in der
Rechtssache T-100/92, La Pietra/Kommission, Slg. ÖD 1994, II-275, Randnr. 50).
- 288.
- Stora hat im vorliegenden Fall gegenüber der Kommission Aussagen gemacht, die
eine eingehende Beschreibung von Art und Gegenstand der Zuwiderhandlung, der
Funktionsweise der verschiedenen Gremien der PG Karton und der Beteiligung der
einzelnen Hersteller an der Zuwiderhandlung enthalten. Durch diese Aussagen hat
Stora Auskünfte gegeben, die weit über das hinausgehen, was die Kommission
gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 verlangen kann. Auch wenn die
Kommission in der Entscheidung erklärt, daß sie Beweise erlangt habe, die die in
den Aussagen von Stora enthaltenen Auskünfte bestätigten (Randnrn. 112 und
113), geht aus ihr klar hervor, daß die Aussagen von Stora für die Kommission den
wichtigsten Beweis für das Vorliegen der Zuwiderhandlung darstellten. Somit ist
davon auszugehen, daß es für die Kommission ohne die Aussagen von Stora
zumindest sehr viel schwieriger gewesen wäre, die den Gegenstand der
Entscheidung bildende Zuwiderhandlung fest- und gegebenenfalls abzustellen. In
Anbetracht dessen kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, daß ihre
Geldbuße nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung in gleichem Maß wie die von
Stora hätte herabgesetzt werden müssen.
- 289.
- Da die Klägerin über die Anerkennung der von der Kommission vorgebrachten
Tatsachenbehauptungen hinaus nicht mit dieser kooperierte, wurde sie auch nicht
gegenüber den anderen Unternehmen benachteiligt, deren Geldbuße um ein Drittel
herabgesetzt wurde.
- 290.
- Nach alledem ist der Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.
Zum Klagegrund der Unangemessenheit der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbuße
angesichts der bisherigen Praxis der Kommission
- 291.
- Die Klägerin trägt vor, die Kommission müsse nach eigenem Bekunden (Dreizehnter
Bericht über die Wettbewerbspolitik, Nr. 64) bei der Festsetzung der Geldbußen dem
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen. Die gegen sie verhängte Buße
sei jedoch im Vergleich zur früheren Praxis der Kommission überhöht.
- 292.
- Die Kommission habe Geldbußen von 3 Millionen ECU nur gegen Unternehmen
mit Milliardenumsätzen verhängt. Außerdem seien derartige Geldbußen meist bei
wiederholten Verstößen verhängt worden.
- 293.
- Im vorliegenden Fall wurde festgestellt, daß das von der Kommission zugrunde
gelegte allgemeine Niveau der Geldbußen auch im Hinblick auf ihre frühere Praxis
gerechtfertigt war (siehe oben, Randnrn. 240 ff.). Ferner wurde festgestellt, daß die
Kommission die Rolle der Klägerin bei der beanstandeten Zuwiderhandlung
zutreffend gewürdigt hat (siehe oben, Randnrn. 260 ff.).
- 294.
- Folglich greift der vorliegende Klagegrund nicht durch.
Zum Klagegrund der mangelnden Berücksichtigung der Tatsache, daß die Klägerin nur
ein Produkt herstellt, und ihrer beschränkten Leistungsfähigkeit
Vorbringen der Parteien
- 295.
- Die Klägerin führt aus, die Kommission müsse bei der Festsetzung der Geldbußen
vom Gesamtumsatz jedes Unternehmens ausgehen, der etwas über dessen Größe
und Wirtschaftskraft aussage (Urteil Dunlop Slazenger/Kommission, Randnr. 160).
In seinem Urteil vom 14. Juli 1994 in der Rechtssache T-77/92 (Parker
Pen/Kommission, Slg. 1994, II-549, Randnr. 94) habe das Gericht entschieden, daß
die Kommission bei der Festsetzung der Geldbuße nicht nur den Umsatz mit den
von der Zuwiderhandlung betroffenen Produkten ansetzen dürfe (vgl. auch Urteil
Musique Diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 121).
- 296.
- Im vorliegenden Fall habe sich die Kommission jedoch ausschließlich auf den
Umsatz mit den von der Zuwiderhandlung betroffenen Produkten gestützt. Ein
Unternehmen wie die Klägerin, das seinen Umsatz im wesentlichen mit einem von
der Zuwiderhandlung betroffenen Produkt erziele, werde dadurch gegenüber den
Unternehmen benachteiligt, die auch andere Produkte herstellten. Die gegen sie
verhängte Geldbuße belaufe sich auf einen erheblichen Teil ihres Gesamtumsatzes,
während sie zum Beispiel bei Stora nur einen unwesentlichen Teil des
Gesamtumsatzes ausmache. Selbst im Vergleich zu Unternehmen, die eine weit
schwerere Zuwiderhandlung begangen hätten, treffe die Geldbuße sie daher viel
härter.
- 297.
- Schließlich werde durch die überhöhte Geldbuße ihre Fähigkeit, Investitionen zu
tätigen, für mehrere Jahre stark beeinträchtigt, so daß sich die Gefahr erhöhe, daß
sie von einem der großen Unternehmen auf dem Markt übernommen werde.
- 298.
- Die Kommission trägt vor, die Klägerin habe als Herstellerin nur eines Produktes
in besonderem Maß von dem Kartell profitiert, das ihre gesamte Kartonproduktion
betroffen habe. Die Geldbuße sei daher zu Recht auf der Grundlage des von ihr
auf dem Kartonmarkt der Gemeinschaft erzielten Umsatzes berechnet worden.
Davon abgesehen sei ihr Gesamtumsatz im Jahr 1990 knapp 11 Millionen ECU
höher gewesen als der Umsatz, anhand dessen die Geldbuße berechnet worden sei.
Würdigung durch das Gericht
- 299.
- Wie bereits ausgeführt, ist die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer
Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln, ohne daß es eine zwingende oder
abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden
müßten (siehe oben, Randnr. 183).
- 300.
- Zu den Gesichtspunkten, deren Heranziehung in Betracht kommt, können je nach
den Umständen die Menge und der Wert der Waren, auf die sich die
Zuwiderhandlung erstreckte, sowie die Größe und die Wirtschaftskraft des
Unternehmens und damit der Einfluß gehören, den es auf den Markt ausüben
konnte. Folglich darf die Kommission bei der Festsetzung der Geldbuße sowohl den
Gesamtumsatz des Unternehmens, der wenn auch nur annähernd und
unvollständig etwas über dessen Größe und Wirtschaftskraft aussagt, als auch den
Teil dieses Umsatzes heranziehen, der mit den Waren erzielt wurde, auf die sich
die Zuwiderhandlung erstreckte, und der somit einen Anhaltspunkt für das Ausmaß
dieser Zuwiderhandlung liefern kann (Urteil Musique Diffusion française
u. a./Kommission, Randnrn. 120 und 121).
- 301.
- Außerdem muß die Kommission bei der Berechnung der Geldbußen, die sie gegen
Unternehmen verhängt, die sich an derselben Zuwiderhandlung beteiligt haben,normalerweise dieselbe Methode anwenden (Urteil Musique Diffusion française
u. a./Kommission, Randnr. 122). Der Kommission kann somit kein Vorwurf daraus
gemacht werden, daß sie sich bei der Festlegung der Höhe der Geldbußen im
vorliegenden Fall systematisch auf den Umsatz gestützt hat, den die einzelnen
Unternehmen im Jahr 1990 auf dem Kartonmarkt der Gemeinschaft allein mit den
Waren erzielten, auf die sich die Zuwiderhandlung erstreckte.
- 302.
- Unter diesen Umständen kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen,
daß die von der Kommission angewandte Methode für sie nachteilige Folgen
gehabt habe, zumal sie die Behauptung der Kommission, daß ihr Gesamtumsatz im
Jahr 1990 über dem von der Kommission herangezogenen Umsatz gelegen habe,
nicht in Abrede stellt.
- 303.
- Der vorliegende Klagegrund ist deshalb ebenfalls zurückzuweisen.
- 304.
- Nach alledem ist Artikel 1 der Entscheidung in bezug auf die Klägerin insoweit für
nichtig zu erklären, als darin ausgeführt wird, daß sich die Klägerin vor März 1988
an einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages beteiligt habe.
Außerdem ist Artikel 2 der Entscheidung in bezug auf die Klägerin teilweise für
nichtig zu erklären.
- 305.
- Hinsichtlich der Höhe der festgesetzten Geldbuße ist zu berücksichtigen, daß die
Klägerin nur für eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages
in der Zeit von März 1988 bis April 1991 zur Verantwortung gezogen werden kann.
- 306.
- Da die anderen von der Klägerin zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung
oder Herabsetzung der Geldbuße geltend gemachten Klagegründe zurückgewiesen
worden sind, setzt das Gericht diese in Ausübung seiner Befugnis zu
unbeschränkter Nachprüfung auf 2 500 000 ECU fest.
Kosten
- 307.
- Gemäß Artikel 87 § 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen
oder beschließen, daß jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils
obsiegt, teils unterliegt. Da der Klage nur teilweise stattgegeben wurde, hält es das
Gericht bei angemessener Berücksichtigung der Umstände des Falles für geboten,
jeder Partei ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.
- 308.
- Die Klägerin hat beantragt, der Kommission die Kosten des Verfahrens
einschließlich der durch die Stellung einer Bürgschaft entstandenen Kosten
aufzuerlegen. Nach ständiger Rechtsprechung sind die durch die Stellung einer
Bürgschaft zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung der Entscheidung
entstandenen Kosten jedoch keine Aufwendungen für das Verfahren im Sinne von
Artikel 91 Buchstabe b der Verfahrensordnung (vgl. Beschluß des Gerichtshofes
vom 20. November 1987 in der Rechtssache 183/83, Krupp/Kommission, Slg. 1987,
4611, Randnr. 10, und Urteil Parker Pen/Kommission, Randnr. 101).
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Artikel 1 der Entscheidung 94/601/EG der Kommission vom 13. Juli 1994
in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (IV/C/33.833 Karton) wird
in bezug auf die Klägerin für nichtig erklärt, soweit ein vor März 1988
liegender Zeitpunkt als Beginn der ihr zur Last gelegten Zuwiderhandlung
angesetzt wurde.
2. Artikel 2 Absätze 1 bis 4 der Entscheidung 94/601 wird in bezug auf die
Klägerin mit Ausnahme folgender Passagen für nichtig erklärt:
„Die in Artikel 1 bezeichneten Unternehmen stellen, soweit noch nicht
geschehen, den genannten Verstoß unverzüglich ab. Sie sehen im
Zusammenhang mit ihren Tätigkeiten im Kartonbereich künftig von allen
Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen ab, mit denen gleiches
oder ähnliches bezweckt oder bewirkt wird, einschließlich jedes Austauschs
von Geschäftsinformationen,
a) durch den die Teilnehmer mittel- oder unmittelbar Kenntnis von der
Produktion, den Verkäufen, dem Auftragsbestand, der
Kapazitätsausnutzung, den Verkaufspreisen, den Kosten oder den
Absatzplänen anderer einzelner Hersteller erlangen.
Jedes System für den Austausch allgemeiner Informationen (wie das
FIDES-System oder dessen Nachfolgesystem), an dem sie sich beteiligen,
ist so zu gestalten, daß es alle Informationen, mit denen sich das Verhalten
einzelner Hersteller ermitteln läßt, ausschließt.“
3. Die Höhe der in Artikel 3 der Entscheidung 94/601 gegen die Klägerin
verhängten Geldbuße wird auf 2 500 000 ECU festgesetzt.
4. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.
VesterdorfBriët
Lindh
Potocki Cooke
|
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. Mai 1998.
Der Kanzler
Der Präsident
H. Jung
B. Vesterdorf
Inhaltsverzeichnis
Sachverhalt
II - 2
Verfahren
II - 6
Anträge der Parteien
II - 7
Zum Antrag auf völlige oder teilweise Nichtigerklärung von Artikel 1 der Entscheidung
II - 8
Zum Klagegrund der fehlenden Beteiligung der Klägerin an Maßnahmen zur
Mengenkontrolle
II - 8
Vorbringen der Parteien
II - 8
Würdigung durch das Gericht
II - 11
Zum Vorliegen einer Absprache über das Einfrieren der Marktanteile
und einer Absprache über die Angebotskontrolle
II - 11
Zum tatsächlichen Verhalten der Klägerin
II - 16
Zum Klagegrund eines Fehlers der Kommission hinsichtlich der Dauer der
Zuwiderhandlung
II - 17
Vorbringen der Parteien
II - 17
Würdigung durch das Gericht
II - 18
Zum Klagegrund des Fehlens von Vereinbarungen über Preiserhöhungen
II - 23
Vorbringen der Parteien
II - 23
Würdigung durch das Gericht
II - 24
Zum Antrag auf Nichtigerklärung von Artikel 2 der Entscheidung
II - 27
Vorbringen der Parteien
II - 27
Würdigung durch das Gericht
II - 29
Zum Antrag auf Nichtigerklärung oder Herabsetzung der Geldbuße
II - 33
Zum Klagegrund einer Verletzung von Artikel 190 des Vertrages bei der
Bußgeldbemessung
II - 33
Vorbringen der Parteien
II - 33
Würdigung durch das Gericht
II - 35
Zum Klagegrund des Fehlens wirtschaftlicher Auswirkungen der
Zuwiderhandlungen
II - 38
Vorbringen der Parteien
II - 38
Würdigung durch das Gericht
II - 40
Zum Klagegrund des Fehlens eines Systems von Sanktionen, mit denen die
Unternehmen zur Einhaltung der vom Kartell aufgestellten Regeln gezwungen
werden sollten
II - 44
Vorbringen der Parteien
II - 44
Würdigung durch das Gericht
II - 44
Zum Klagegrund, daß das allgemeine Bußgeldniveau überhöht sei
II - 45
Vorbringen der Parteien
II - 45
Würdigung durch das Gericht
II - 46
Zum Klagegrund eines Beurteilungsfehlers der Kommission hinsichtlich der
Beteiligung der Klägerin am Kartell
II - 48
Vorbringen der Parteien
II - 48
Würdigung durch das Gericht
II - 50
Zum Klagegrund der unzureichenden Berücksichtigung der Kooperation der Klägerin
im Verfahren
II - 52
Vorbringen der Parteien
II - 52
Würdigung durch das Gericht
II - 54
Zum Klagegrund der Unangemessenheit der gegen die Klägerin festgesetzten
Geldbuße angesichts der bisherigen Praxis der Kommission
II - 56
Zum Klagegrund der mangelnden Berücksichtigung der Tatsache, daß die Klägerin
nur ein Produkt herstellt, und ihrer beschränkten Leistungsfähigkeit
II - 57
Vorbringen der Parteien
II - 57
Würdigung durch das Gericht
II - 58
Kosten
II - 59