SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
MACIEJ SZPUNAR
vom 31. Mai 2018(1)
Rechtssache C‑105/17
Komisia za zashtita na potrebitelite
gegen
Evelina Kamenova,
Beteiligte:
Okrazhna prokuratura – Varna
(Vorabentscheidungsersuchen des Administrativen sad – Varna [Verwaltungsgericht Varna, Bulgarien])
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verbraucherschutz – Unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern – Online-Kaufverträge – Begriff ‚Gewerbetreibender‘“
I. Einleitung
1. Die Suche nach Waren und Dienstleistungen im Internet ist Teil unseres Alltags und künftig wohl auch unserer Kultur. Die Zahl der Online-Verkaufsplattformen hat stetig zugenommen, und 2016 belief sich der Anteil der 16- bis 74‑jährigen Bürger in der Europäischen Union, die über das Internet Waren oder Dienstleistungen für den persönlichen Gebrauch bestellt haben, auf 55 %(2). Die Funktion dieser Plattformen besteht darin, als Online-Vermittler oder ‑Makler aufzutreten. Sie stellen somit den unmittelbaren Kontakt zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher, zwischen zwei Gewerbetreibenden oder zwischen zwei Verbrauchern her, die neue oder gebrauchte Waren für den persönlichen Gebrauch kaufen oder verkaufen möchten(3).
2. Häufig lassen die auf den Online-Plattformen veröffentlichten Angebote nicht klar erkennen, ob der Verkäufer ein Gewerbetreibender oder eine Privatperson ist.
3. Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen des Administrativen sad – Varna (Verwaltungsgericht Varna, Bulgarien) betrifft die Auslegung von Art. 2 Buchst. b und d der Richtlinie 2005/29/EU(4).
4. Das Vorabentscheidungsersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Evelina Kamenova und der Komisia za zashtita na potrebitelite (bulgarische Kommission für Verbraucherschutz, im Folgenden: KfV) wegen eines Bescheids der KfV, mit dem eine Ordnungswidrigkeit festgestellt wurde. Die Frau Kamenova zur Last gelegte Zuwiderhandlung soll in einem Verstoß gegen den Zakon za zashtita na potrebitelite (ZZP) (Verbraucherschutzgesetz, im Folgenden: ZZP) bestanden haben, weil sie es unterlassen habe, anlässlich von auf einer Online-Plattform veröffentlichten Angeboten zum Verkauf von Waren Verbrauchern bestimmte Auskünfte zu erteilen.
5. Das vorlegende Gericht möchte im Wesentlichen wissen, ob eine natürliche Person, die auf einer Online-Verkaufsplattform gleichzeitig acht Anzeigen für den Verkauf verschiedener Produkte veröffentlicht hat, als „Gewerbetreibende“ angesehen werden kann und ob ihre Tätigkeit eine „Geschäftspraxis“ im Sinne der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken darstellt.
6. Die vorliegende Rechtssache bietet dem Gerichtshof daher Gelegenheit, den Begriff „Gewerbetreibender“ im Sinne dieser Richtlinie sowie die Kriterien zu präzisieren, die die nationalen Gerichte bei der Beurteilung dieses Begriffs im besonderen Rahmen des Online-Verkaufs zu berücksichtigen haben.
II. Rechtlicher Rahmen
A. Unionsrecht
1. Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken
7. Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken verfolgt nach ihrem Art. 1 in Verbindung mit ihren Erwägungsgründen 14 und 15 den Zweck, durch eine vollständige und umfassende Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften über unlautere Geschäftspraktiken zum Erreichen eines hohen Verbraucherschutzniveaus beizutragen.
8. Art. 2 dieser Richtlinie bestimmt:
„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
…
b) ‚Gewerbetreibender‘ jede natürliche oder juristische Person, die im Geschäftsverkehr im Sinne dieser Richtlinie im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, und jede Person, die im Namen oder Auftrag des Gewerbetreibenden handelt;
…
d) ‚Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern‘ … jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marketing eines Gewerbetreibenden, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher zusammenhängt;
…“.
9. Gemäß ihrem Art. 3 Abs. 1 gilt diese Richtlinie „für unlautere Geschäftspraktiken im Sinne des Art. 5 zwischen Unternehmen und Verbrauchern vor, während und nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts“.
2. Richtlinie 2011/83/EU
10. Wie sich aus Art. 1 der Richtlinie 2011/83/EU(5) ergibt, besteht ihr Zweck darin, „durch Angleichung bestimmter Aspekte der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten in Bezug auf Verträge, die zwischen Verbrauchern und Unternehmern geschlossen werden, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu erreichen und damit zum ordnungsgemäßen Funktionieren des Binnenmarkts beizutragen“.
11. Art. 2 dieser Richtlinie bestimmt:
„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnen die Ausdrücke
…
2. ‚Unternehmer‘ jede natürliche oder juristische Person, unabhängig davon, ob letztere öffentlicher oder privater Natur ist, die bei von dieser Richtlinie erfassten Verträgen selbst oder durch eine andere Person, die in ihrem Namen oder Auftrag handelt, zu Zwecken tätig wird, die ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können;
…“
12. Gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher gilt diese „unter den Bedingungen und in dem Umfang, wie sie in ihren Bestimmungen festgelegt sind, für jegliche Verträge, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossen werden …“.
B. Bulgarisches Recht
13. Art. 47 des im DV Nr. 99 vom 9. Dezember 2005 verkündeten ZZP in der im DV Nr. 61 von 2014 veröffentlichten und seit dem 25. Juli 2014 geltenden Fassung sowie Art. 50 ZZP setzen die Art. 6 und 9 der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher um, die zum einen die Informationspflichten bei Fernabsatzverträgen und zum anderen das Widerrufsrecht betreffen.
III. Sachverhalt des Ausgangsverfahrens, Vorlagefrage und Verfahren vor dem Gerichtshof
14. Aus den Akten des Ausgangsverfahrens geht hervor, dass Herr K. K. (der Verbraucher in dieser Sache) auf der Website http://olx.bg eine gebrauchte Armbanduhr der Marke „Longines“ im Rahmen eines Fernabsatzvertrags erwarb.
15. Am 20. Oktober 2014 wurde die von einem Nutzer unter dem Aliasnamen „eveto‑ZZ“ zum Verkauf angebotene Uhr dem Verbraucher durch einen Kurierdienst zugestellt. Die Angaben zum Absender enthielten dessen Namen, Anschrift und Telefonnummer. Nachdem der Verbraucher festgestellt hatte, dass die Uhr nicht die Eigenschaften besaß, die in der auf der Online-Plattform veröffentlichten Anzeige angegeben waren, teilte er dem Verkäufer telefonisch mit, den Vertrag auflösen zu wollen. Dieser weigerte sich jedoch, die Ware gegen Erstattung des Kaufpreises zurückzunehmen.
16. Der Verbraucher legte daher Beschwerde bei der KfV ein. Bei der Prüfung durch die KfV stellte sich heraus, dass der unter dem Aliasnamen „eveto-ZZ“ handelnde Absender der Uhr Frau Kamenova war. Nach Angaben des Betreibers der Website hatte der Nutzer „eveto‑ZZ“ am 10. Dezember 2014 insgesamt acht Anzeigen für den Verkauf verschiedener Waren veröffentlicht(6).
17. Mit Bescheid vom 27. Februar 2015 stellte die KfV eine Ordnungswidrigkeit fest. Am 17. März 2015 widersprach Frau Kamenova diesem Bescheid mit der Begründung, sie sei keine Gewerbetreibende und unterliege daher nicht den Bestimmungen des ZZP. Die KfV erließ gegen Frau Kamenova einen Bußgeldbescheid auf der Grundlage des Art. 207 ZZP wegen Verstoßes gegen Art. 47 Abs. 1 Nrn. 2, 3, 5, 7, 8 und 12 und Art. 50 ZZP. Die KfV stützte sich auf die Tatsache, dass Frau Kamenova es in sämtlichen Anzeigen unterlassen hatte, Angaben zum Namen und zur Anschrift des gewerblichen Anbieters sowie zu dessen E‑Mail-Adresse, zum Endpreis einschließlich aller Steuern und Abgaben, zu den Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen, zum Recht des Verbrauchers auf Widerruf des Fernabsatzvertrags und zu Bedingungen, Frist und Verfahren für die Ausübung dieses Rechts zu machen sowie darauf hinzuweisen, dass eine gesetzliche Gewährleistung für die Vertragsgemäßheit der Ware besteht.
18. Gegen den Bußgeldbescheid erhob Frau Kamenova Klage vor dem Varnenski rayonen sad (Kreisgericht Varna, Bulgarien). Mit Urteil vom 22. März 2016 hob dieses Gericht den Bußgeldbescheid der KfV mit der Begründung auf, Frau Kamenova sei keine „Gewerbetreibende“ im Sinne von § 13 Nr. 2 der Ergänzenden Vorschriften zum ZZP, und bezog sich dabei auf die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, indem es ausführte, der dort verwendete Begriff „Gewerbetreibender“ knüpfe nicht an ein einmaliges und isoliertes Verhalten, sondern an die systematische Ausübung einer Tätigkeit im Rahmen eines Gewerbes oder eines Berufs an.
19. Gegen dieses Urteil legte die KfV Kassationsbeschwerde zum vorlegenden Gericht ein.
20. Da der Administrativen sad – Varna (Verwaltungsgericht Varna) der Auffassung war, die Entscheidung des Rechtsstreits hänge von der Auslegung der einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts ab, hat er mit Entscheidung vom 16. Februar 2017, bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen am 28. Februar 2017, beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist Art. 2 Buchst. b und d der Richtlinie 2005/29 dahin auszulegen, dass die Tätigkeit einer natürlichen Person, die auf einer Internetseite für den Verkauf von Waren registriert ist und dort gleichzeitig acht Anzeigen für den Verkauf verschiedener Waren veröffentlicht hat, eine Tätigkeit eines Gewerbetreibenden im Sinne der Legaldefinition von Art. 2 Buchst. b ist, eine Geschäftspraxis von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Sinne von Art. 2 Buchst. d darstellt und in den Anwendungsbereich der Richtlinie gemäß Art. 3 Abs. 1 fällt?
21. Die deutsche Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht.
IV. Würdigung
A. Einleitende Bemerkungen
1. Inhalt der dem Gerichtshof vorgelegten Frage
22. Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen zum einen wissen, ob Art. 2 Buchst. b der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken dahin auszulegen ist, dass eine natürliche Person, die auf einer Website für den Verkauf von Waren registriert ist, als „Gewerbetreibende“ angesehen werden kann, wenn sie auf dieser Website gleichzeitig acht Anzeigen für den Verkauf verschiedener Waren veröffentlicht, und zum anderen, ob ihre Tätigkeit eine „Geschäftspraxis“ im Sinne von Art. 2 Buchst. d dieser Richtlinie darstellt.
23. Somit stellt sich die Frage, ob eine natürliche Person wie die Kassationsbeschwerdegegnerin des Ausgangsverfahrens, die auf einer Online-Verkaufsplattform acht Anzeigen für den Verkauf verschiedener Waren veröffentlicht hat, im Rahmen der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken als „Gewerbetreibende“ einzustufen ist oder ob sie vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen ist, weil sie in Anbetracht des beschränkten Umfangs ihrer Tätigkeit nicht unter den Begriff „Gewerbetreibender“ fällt.
24. Vor der Prüfung dieser Frage ist darauf hinzuweisen, dass das vorlegende Gericht mit seiner Vorlagefrage nur um Auslegung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken ersucht(7). Der in der Vorlageentscheidung dargestellte Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits scheint jedoch auf einen Verstoß gegen die Rechte hinzuweisen, die die Richtlinie über die Rechte der Verbraucher gewährt. Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich nämlich, dass die Kassationsbeschwerdegegnerin des Ausgangsverfahrens wegen Verstoßes gegen Art. 47 Abs. 1 Nrn. 2, 3, 5, 7, 8 und 12 und Art. 50 ZZP mit einem Bußgeld belegt worden ist. Wie die Kommission ausgeführt hat, setzen diese Bestimmungen Art. 6 der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher in Bezug auf die Informationspflichten bei Fernabsatzverträgen und Art. 9 dieser Richtlinie in Bezug auf das Widerrufsrecht um.
25. Daher kann die Frage, ob eine natürliche Person in Anbetracht der in der Vorlageentscheidung beschriebenen Tätigkeit als „Unternehmer“ im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher eingestuft werden kann, für das Ausgangsverfahren von Bedeutung sein.
26. Es ist darauf hinzuweisen, dass es im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof dessen Aufgabe ist, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat der Gerichtshof die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren. Außerdem kann er veranlasst sein, unionsrechtliche Vorschriften zu berücksichtigen, die das nationale Gericht in seiner Frage nicht angeführt hat(8).
27. Unter diesen Umständen ist die Vorlagefrage so zu verstehen, dass im Wesentlichen zum einen geklärt werden soll, ob Art. 2 Buchst. b der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken und Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher dahin auszulegen sind, dass eine natürliche Person, die auf einer Website für den Verkauf von Waren registriert ist, als „Gewerbetreibende“ bzw. „Unternehmerin“ anzusehen ist, wenn sie auf dieser Website gleichzeitig acht Anzeigen für den Verkauf verschiedener Waren veröffentlicht, und zum anderen, ob ihre Tätigkeit eine „Geschäftspraxis“ im Sinne von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken darstellt.
28. Zur Beantwortung dieser Frage halte ich es für erforderlich, vorab zu prüfen, ob es im vorliegenden Fall zweckmäßig erscheint, eine einheitliche Auslegung der Definition des Begriffs „Gewerbetreibender“ bzw. „Unternehmer“ vorzuschlagen, da dieser Begriff im Rahmen der einschlägigen Richtlinien nahezu identisch ist(9). Der Nutzen eines solchen Ansatzes setzt meines Erachtens voraus, vorab festzustellen, in welchem Maße diese Richtlinien zu einer Harmonisierung geführt haben.
2. Ausmaß der durch die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken und die Richtlinie über die Rechte der Verbraucher bewirkten Harmonisierung
29. Vor der Befassung mit der Frage, welches Ausmaß an Harmonisierung die beiden betreffenden Richtlinien bewirkt haben, ist als Erstes auf einen grundlegenden Gesichtspunkt hinzuweisen: Der Begriff des „Gewerbetreibenden“ bzw. „Unternehmers“ ist im Rahmen der beiden Richtlinien nahezu identisch definiert(10), und diese beiden Definitionen sind eng mit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit verbunden.
30. Dem ist als Zweites hinzuzufügen, dass es, um eine einheitliche Auslegung der Definition des Begriffs des „Gewerbetreibenden“ bzw. „Unternehmers“ im Sinne der betreffenden Richtlinien vorschlagen zu können, der Prüfung bedarf, ob das durch die beiden Richtlinien bewirkte Ausmaß der Harmonisierung, in die sich ihre jeweiligen Regelungen einfügen, vergleichbar ist. Hierzu weise ich darauf hin, dass sich die Beurteilung des Umfangs der durch eine Richtlinie bewirkten Harmonisierung auf den Wortlaut sowie den Sinn und Zweck dieser Richtlinie stützen muss(11).
31. Ich stelle zunächst fest, dass die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken nach ihrem Art. 3 Abs. 1 „für unlautere Geschäftspraktiken im Sinne des Artikels 5 zwischen Unternehmen und Verbrauchern vor, während und nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts“(12) gilt, während die Richtlinie über die Rechte der Verbraucher nach ihrem Art. 3 Abs. 1 „unter den Bedingungen und in dem Umfang, wie sie in ihren Bestimmungen festgelegt sind, für jegliche Verträge [gilt], die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossen werden“.
32. Somit stützen sich diese Richtlinien trotz ihrer unterschiedlichen Anwendungsbereiche auf Art. 114 AEUV(13) und verfolgen aus diesem Grund dieselben Zwecke, nämlich im Rahmen der von ihnen erfassten Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu einem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts beizutragen und ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherzustellen(14).
33. Außerdem stelle ich fest, dass der Unionsgesetzgeber zur Erreichung dieser Ziele eine vollständige(15) Angleichung der unter die betreffenden Richtlinien fallenden Regelungen herbeigeführt hat(16).
34. Was die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken betrifft, geht aus deren 14. Erwägungsgrund klar hervor, dass sie eine „vollständige Angleichung“ („harmonisation complète“) bewirkt(17). Diese Angleichung betrifft die Regelungen über unlautere Geschäftspraktiken einschließlich der unlauteren Werbung von Unternehmern gegenüber Verbrauchern, die auf Unionsebene die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher schädigen(18). Genauer gesagt erstreckt sich eine solche vollständige oder abschließende Harmonisierung auf den gesamten von dieser Richtlinie erfassten Bereich(19).
35. Außerdem geht aus dem 15. Erwägungsgrund der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken hervor, dass diese Richtlinie eine „vollständige Angleichung“ der innerstaatlichen Regelungen unter dem Vorbehalt bestimmter Ausnahmen bewirkt(20). Daher dürfen die Mitgliedstaaten, wie Art. 4 („Binnenmarkt“) dieser Richtlinie ausdrücklich bestimmt, keine strengeren als die in der Richtlinie festgelegten Maßnahmen erlassen, und zwar auch nicht, um ein höheres Verbraucherschutzniveau zu erreichen(21).
36. Die Richtlinie über die Rechte der Verbraucher verfolgt ihrerseits den Zweck einer Angleichung der innerstaatlichen Regelungen über die in ihren Anwendungsbereich fallenden Aspekte(22). Genauer gesagt geht aus der Zusammenschau ihrer Erwägungsgründe 4, 5 und 7 hervor, dass diese Richtlinie das Ziel verfolgt, bestimmte Aspekte von im Fernabsatz und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verbraucherverträgen „vollständig“ zu harmonisieren, nämlich die Verbraucherinformation und das Widerrufsrecht in dieser Art von Verträgen(23).
37. Hinzu kommt, dass nach Art. 4 („Grad der Harmonisierung“) dieser Richtlinie, „[s]ofern diese … nichts anderes bestimmt, … die Mitgliedstaaten weder von den Bestimmungen dieser Richtlinie abweichende innerstaatliche Rechtsvorschriften aufrecht[erhalten] noch … solche ein[führen]; dies gilt auch für strengere oder weniger strenge Rechtsvorschriften zur Gewährleistung eines anderen Verbraucherschutzniveaus“(24). Diese Richtlinie bewirkt somit eine „totale“ oder maximale Harmonisierung.
38. Letztlich deutet alles darauf hin, dass der Unionsgesetzgeber die jeweiligen Regelungen der beiden untersuchten Richtlinien im gleichen Ausmaß harmonisiert hat. Meines Erachtens ist nämlich für die vorliegende Analyse allein die „totale“ oder maximale Harmonisierung von Belang, weil es ohne diese Art von Harmonisierung zu Problemen für die einheitliche Auslegung der Definition des Begriffs „Gewerbetreibender“ bzw. „Unternehmer“ kommen könnte.
39. Nach alledem halte ich es für angebracht, die Definition des Begriffs „Gewerbetreibender“ bzw. „Unternehmer“ im Rahmen dieser beiden Richtlinien einheitlich auszulegen, und zwar in Anbetracht der nahezu identischen – nämlich eng mit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit verbundenen – Definitionen dieses Begriffs, die der Unionsgesetzgeber eingeführt hat, und des von ihm vorgesehenen Ausmaßes der totalen Harmonisierung der einzelstaatlichen Regelungen, die unter die untersuchten Richtlinien fallen.
B. Bedeutung und Tragweite des Begriffs „Gewerbetreibender“ bzw. „Unternehmer“ im Rahmen von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken und Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher
40. Nach der Definition des Art. 2 Buchst. d der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken umfasst der Begriff „Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern … jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marketing eines Gewerbetreibenden, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher zusammenhängt“. Die Begriffe „Verbraucher“ und „Gewerbetreibender“ stehen daher im Mittelpunkt dieser Definition, so dass die Frage, ob ein Sachverhalt in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt, maßgeblich von der Auslegung dieser Begriffe abhängt. Das Bestehen einer Geschäftspraxis im Sinne dieser Richtlinie kommt nämlich nur in Betracht, wenn sie einerseits einen Gewerbetreibenden und andererseits einen Verbraucher betrifft.
41. Die Analyse des personenbezogenen sachlichen Anwendungsbereichs der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken ist von grundlegender Bedeutung, weil die Frage, ob die Tätigkeit der Kassationsbeschwerdegegnerin des Ausgangsverfahrens eine Geschäftspraxis im Sinne dieser Richtlinie sein kann, nur zu prüfen ist, wenn diese die Merkmale einer „Gewerbetreibenden“ erfüllt.
42. Der Begriff „Gewerbetreibender“ wird in Art. 2 Buchst. b der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken definiert als „jede natürliche oder juristische Person, die im Geschäftsverkehr im Sinne dieser Richtlinie im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, und jede Person, die im Namen oder Auftrag des Gewerbetreibenden handelt“.
43. Insoweit weise ich darauf hin, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, aus dem Wortlaut von Art. 2 Buchst. b dieser Richtlinie ergebe sich, dass „der Unionsgesetzgeber den Begriff des ‚Gewerbetreibenden‘ besonders weit konzipiert hat, weil er ‚jede natürliche oder juristische Person‘ umfasst, die eine entgeltliche Tätigkeit ausübt, und davon weder Einrichtungen, die eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe erfüllen, noch öffentlich-rechtliche Einrichtungen ausnimmt“(25). In diesem Zusammenhang präzisiere ich, dass eine solche natürliche oder juristische Person meines Erachtens zu Zwecken handelt, die in den Rahmen einer in den Grenzen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vorgenommenen Handlung fallen.
44. Im vorliegenden Fall schließt der Umstand, dass die Kassationsbeschwerdegegnerin des Ausgangsverfahrens eine natürliche Person ist, ihre Einstufung als „Gewerbetreibende“ nicht aus. Um aber zu beurteilen, ob sie unter diesen Begriff im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken fällt, bleibt noch zu prüfen, ob diese Person zu Zwecken, die in den Rahmen einer solchen gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit fallen, oder im Namen oder Auftrag eines Gewerbetreibenden handelt.
45. Der Gerichtshof hat ferner festgestellt, dass der Sinn und die Bedeutung des Begriffs „Gewerbetreibender“, wie er in dieser Richtlinie verwendet wird, im Hinblick auf den Wortlaut der Definitionen in ihrem Art. 2 Buchst. a und b anhand des korrelativen, aber antinomischen Begriffs „Verbraucher“ zu bestimmen sind, der jeden nicht gewerblich oder beruflich Tätigen bezeichnet(26). Er hat insoweit betont, dass das mit der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken verfolgte Ziel, die Verbraucher umfassend vor derartigen Praktiken zu schützen, auf dem Umstand beruht, dass sich ein Verbraucher im Vergleich zu einem Gewerbetreibenden in einer unterlegenen Position befindet, weil er als wirtschaftlich schwächer und rechtlich weniger erfahren als sein Vertragspartner anzusehen ist(27). Somit kommt dem Begriff „Verbraucher“ entscheidende Bedeutung zu, und die Bestimmungen dieser Richtlinie sind im Wesentlichen aus der Sicht des Verbrauchers als des Adressaten und Opfers unlauterer Geschäftspraktiken konzipiert(28).
46. In Anbetracht der Ausführungen in den Nrn. 29 bis 39 der vorliegenden Schlussanträge, dass nämlich erstens die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken und die Richtlinie über die Rechte der Verbraucher den Begriff „Gewerbetreibender“ bzw. „Unternehmer“ nahezu identisch definieren, zweitens dieser Begriff eng mit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit verbunden ist und drittens diese Richtlinien einen vergleichbaren Grad der Harmonisierung bewirken, bin ich der Auffassung, dass die vom Gerichtshof im Rahmen der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken vorgenommene Auslegung des Begriffs „Gewerbetreibender“ auch für die Definition des Begriffs „Unternehmer“ im Rahmen der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher gilt.
47. Wie Generalanwalt Bot in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs(29) hervorhebt, steht eine solche Auslegung des Begriffs „Gewerbetreibender“ im Einklang mit derjenigen, die der Unionsgesetzgeber im weiteren Rahmen der den Verbraucherschutz betreffenden Richtlinien und insbesondere der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher zum Ausdruck gebracht hat, in deren Art. 2 Nr. 2 er den Unternehmer definiert als „jede natürliche oder juristische Person, unabhängig davon, ob letztere öffentlicher oder privater Natur ist, die bei von dieser Richtlinie erfassten Verträgen selbst oder durch eine andere Person, die in ihrem Namen oder Auftrag handelt, zu Zwecken tätig wird, die ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können“. Generalanwalt Bot zufolge ist den Richtlinien zum Schutz der Verbraucher gemeinsam, „dass der Gewerbetreibende sowohl eine natürliche als auch eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder des Privatrechts sein kann, die gegenüber dem Verbraucher im Rahmen ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, was voraussetzt, dass sie im Rahmen einer regelmäßigen und gewinnbringenden Tätigkeit handelt“(30).
C. Im vorliegenden Fall zugrunde zu legende Einstufung im Hinblick auf den Begriff „Gewerbetreibender“
48. Fällt eine natürliche Person wie die Kassationsbeschwerdegegnerin des Ausgangsverfahrens in Anbetracht der vorstehenden Erwägungen unter die Definition des Begriffs „Gewerbetreibender“ in Art. 2 Buchst. b der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken bzw. „Unternehmer“ in Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher?
49. Meiner Ansicht nach ist das nicht der Fall. Insgesamt acht gleichzeitig auf einer Online-Plattform veröffentlichte Anzeigen für den Verkauf verschiedener neuer und gebrauchter Waren reichen meines Erachtens für eine Einstufung als „Gewerbetreibender“ bzw. „Unternehmer“ im Sinne dieser Richtlinien nicht aus.
50. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass eine solche Einstufung eine „Vorgehensweise von Fall zu Fall“ erfordert(31). Im vorliegenden Fall empfiehlt es sich daher, dass das vorlegende Gericht eine konkrete Prüfung auf der Grundlage aller ihm vorliegenden tatsächlichen Angaben durchführt, um zu ermitteln, ob eine Person wie die Kassationsbeschwerdegegnerin des Ausgangsverfahrens unter den Begriff „Gewerbetreibender“ fällt.
51. Wie die deutsche Regierung und die Kommission zu Recht ausgeführt haben, muss dabei insbesondere untersucht werden, ob der Verkauf über die Online-Plattform planmäßig und zu Erwerbszwecken erfolgte(32), ob dieser Verkauf sich in eine Tätigkeit von gewisser Dauer und Häufigkeit einfügt(33), ob der Verkäufer eine Rechtsform hat, die ihm die Vornahme von Handelsgeschäften erlaubt, und in welchem Ausmaß der Online-Verkauf mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit des Verkäufers zusammenhängt(34), ob der Verkäufer mehrwertsteuerpflichtig ist(35), ob der Verkäufer, der im Namen oder im Auftrag eines bestimmten Gewerbetreibenden oder durch eine andere Person auftritt, die in seinem Namen oder Auftrag handelt, eine Vergütung oder Erfolgsbeteiligung erhalten hat(36), ob der Verkäufer neue oder gebrauchte Waren zum Zweck des Wiederverkaufs erwirbt und dieser Tätigkeit auf diese Weise eine gewisse Regelmäßigkeit, Häufigkeit und/oder Gleichzeitigkeit im Verhältnis zu seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit verleiht(37), ob der durch den Verkauf erzielte Gewinn bestätigt, dass das durchgeführte Geschäft einer wirtschaftlichen Tätigkeit zuzurechnen ist(38), und/oder ob die zum Verkauf gestellten Waren alle gleichartig sind oder denselben Wert haben, insbesondere, ob sich das Angebot auf eine begrenzte Anzahl von Waren konzentriert(39).
52. Es ist darauf hinzuweisen, dass diese Kriterien weder abschließend noch ausschließlich sind, so dass der Umstand, dass eines oder mehrere von ihnen erfüllt sind, für sich genommen grundsätzlich nicht ausreicht, um zu beurteilen, ob der Online-Verkäufer unter den Begriff „Gewerbetreibender“ fällt. Für die Entscheidung über die Einstufung ist daher eine Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Kriterien vorzunehmen. Anhand dieser Kriterien können die nationalen Gerichte somit bestimmen, ob eine Person wie die Kassationsbeschwerdegegnerin des Ausgangsverfahrens eine gewerbliche Tätigkeit ausübt, die ihr somit dem Verbraucher gegenüber eine überlegene Stellung verschafft, und ob folglich zwischen dem Gewerbetreibenden und dem Verbraucher ein Ungleichgewicht besteht.
53. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist es jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, anhand der ihm vorliegenden tatsächlichen Angaben und insbesondere auf der Grundlage der in den vorhergehenden Nummern angeführten Kriterien zu beurteilen, ob diese Person als „Gewerbetreibende“ bzw. „Unternehmer“ im Sinne dieser Richtlinien einzustufen ist.
54. Wenn das vorlegende Gericht der Auffassung ist, dass die betroffene Person eine „Gewerbetreibende“ im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken ist, wird zu bestimmen sein, ob die von ihr ausgeübte Tätigkeit eine „Geschäftspraxis“ im Sinne von Art. 2 Buchst. d dieser Richtlinie darstellt.
D. Begriff der „Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern“ im Sinne von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken
55. Zu der Frage, ob die Tätigkeit einer natürlichen Person wie der Kassationsbeschwerdegegnerin des Ausgangsverfahrens in den Anwendungsbereich der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken fallen kann, weise ich vorab darauf hin, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass Art. 2 Buchst. d dieser Richtlinie den Begriff „Geschäftspraktiken“ mit einer besonders weiten Formulierung definiert als „jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marketing eines Gewerbetreibenden, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher zusammenhängt“(40).
56. Um zu beurteilen, ob die fragliche Tätigkeit eine Geschäftspraxis im Sinne dieses Artikels darstellt, ist somit zu prüfen, ob sie als eine Praxis angesehen werden kann, die „gewerblicher Natur [ist], d. h. von Gewerbetreibenden ausgeübt [wird]“, und zudem eine Handlung oder kommerzielle Mitteilung ist, die „unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung ihrer Produkte an Verbraucher zusammenhäng[t]“(41).
57. Insoweit weise ich darauf hin, dass das Kriterium der wirtschaftlichen Tätigkeit, deren Bestehen zu überprüfen ist, der Vorstellung entspricht, auf der das von den Richtlinien der Union auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes eingeführte Schutzsystem beruht, nämlich dass sich der Verbraucher gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt und dass eine nicht zu unterschätzende Gefahr besteht, dass sich der Verbraucher vor allem aus Unkenntnis nicht auf eine seinem Schutz dienende Rechtsnorm beruft(42).
58. Angesichts der Ausführungen in den Nrn. 40 bis 52 der vorliegenden Schlussanträge scheint nichts darauf hinzudeuten, dass die gleichzeitige Veröffentlichung von acht Anzeigen für den Verkauf verschiedener Waren als eine Tätigkeit angesehen werden kann, die unter den Begriff „Gewerbetreibender“ im Sinne von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken fällt und demzufolge im vorliegenden Fall aufgrund einer solchen Tätigkeit eine Situation bestehen könnte, in der sich der Käufer gegenüber der Kassationsbeschwerdegegnerin des Ausgangsverfahrens in einer schwächeren Position befindet.
59. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, über diesen Punkt bei der Beurteilung der Eigenschaft einer natürlichen Person wie der Kassationsbeschwerdegegnerin des Ausgangsverfahrens als „Gewerbetreibende“ zu befinden und dabei sämtliche Kriterien zu berücksichtigen, die in den Nrn. 51 und 52 der vorliegenden Schlussanträge dargestellt sind.
V. Ergebnis
60. In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die vom Administrativen sad – Varna (Verwaltungsgericht Varna, Bulgarien) gestellte Vorlagefrage wie folgt zu antworten:
Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates („Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken“) und Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sind dahin auszulegen, dass eine natürliche Person wie die Kassationsbeschwerdegegnerin des Ausgangsverfahrens, die auf einer Online-Plattform für den Verkauf von Waren registriert ist, nicht als „Gewerbetreibende“ anzusehen ist, wenn sie auf dieser Website gleichzeitig acht Anzeigen für den Verkauf verschiedener Waren veröffentlicht.
Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob diese Person in Anbetracht aller übrigen Umstände des Einzelfalls als „Gewerbetreibende“ im Sinne der genannten Richtlinien einzustufen ist und ob die von ihr ausgeübte Tätigkeit folglich eine „Geschäftspraxis“ im Sinne von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 2005/29 darstellt.