Language of document : ECLI:EU:T:2016:378

T‑424/13

Jinan Meide Casting Co. Ltd

gegen

Rat der Europäischen Union

„Dumping – Einfuhren von gegossenen Rohrformstücken, Rohrverschlussstücken und Rohrverbindungsstücken, mit Gewinde, aus verformbarem Gusseisen mit Ursprung in China – Endgültiger Antidumpingzoll – Vertrauliche Behandlung der Berechnungen des Normalwerts – Rechtzeitig übermittelte Information – Frist für den Erlass einer Entscheidung über die Marktwirtschaftsbehandlung – Verteidigungsrechte – Gleichbehandlung – Rückwirkungsverbot – Art. 2 Abs. 7 bis 11, Art. 3 Abs. 1 bis 3, Art. 6 Abs. 7, Art. 19 Abs. 1 und 5 sowie Art. 20 Abs. 2 und 4 der Verordnung (EG) Nr. 1225/2009“

Leitsätze – Urteil des Gerichts (Achte Kammer) vom 30. Juni 2016

1.      Handlungen der Organe – Zeitliche Geltung – Verfahrensvorschriften – Materiell-rechtliche Vorschriften – Unterscheidung – Zeitliche Anwendung der Verordnung Nr. 1168/2012 zur Änderung der Grundverordnung Nr. 1225/2009 – Änderung der Frist zur Entscheidung über den Status eines in einer Marktwirtschaft tätigen Unternehmens – Anwendung auf eine vor Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1168/2012 ergangene Entscheidung – Unzulässigkeit

(Verordnung Nr. 1168/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 1 Nrn. 1 Buchst. a und 2; Verordnung Nr. 1225/2009 des Rates, Art. 2 Abs. 7 Buchst. c Unterabs. 2)

2.      Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Einfuhren aus Ländern ohne Marktwirtschaft wie den in Art. 2 Abs. 7 Buchst. b der Verordnung Nr. 1225/2009 genannten – Verfahren zur Beurteilung der Bedingungen, unter denen einem Hersteller der Status eines in einer Marktwirtschaft tätigen Unternehmens zuerkannt werden kann – Frist – Zwingender Charakter

(Verordnung Nr. 1225/2009 des Rates, Art. 2 Abs. 7 Buchst. c Unterabs. 2)

3.      Recht der Europäischen Union – Grundsätze – Höhere Gewalt – Begriff

4.      Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Antidumpingverfahren – Verteidigungsrechte – Verfahrensfehler – Möglichkeit, die Nichtigerklärung einer Verordnung zur Verhängung endgültiger Antidumping-Zölle durch den Nachweis der bloßen Möglichkeit, dass es ohne Unregelmäßigkeit zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre, zu erwirken

(Verordnung Nr. 1225/2009 des Rates)

5.      Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Untersuchung – Wahrung der Verteidigungsrechte – Verpflichtung der Organe zur Unterrichtung der betroffenen Unternehmen im Einklang mit der Verpflichtung zur Wahrung der Vertraulichkeit der Informationen – Beachtung des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung – Verpflichtung der Organe zur Wahrung der Vertraulichkeit der Informationen

(Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 41 Abs. 1 und 2; Verordnung Nr. 1225/2009 des Rates, Art. 6 Abs. 7, 19 und 20)

6.      Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Untersuchung – Wahrung der Verteidigungsrechte – Verpflichtung der Organe zur Unterrichtung der betroffenen Unternehmen – Umfang – Der Kommission vom Vergleichslandhersteller zur Verfügung gestellte Informationen, die im Verlauf der Untersuchung nicht verwendet werden können – Nichteinbeziehung

(Verordnung Nr. 1225/2009 des Rates, Art. 6 Abs. 7)

7.      Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Untersuchung – Wahrung der Verteidigungsrechte – Verpflichtung der Organe zur Unterrichtung der betroffenen Unternehmen – Umfang – Verpflichtung der Kommission, ein Ersuchen um Klarstellung zu Informationen im endgültigen Informationsschreiben bis einen Monat vor Übermittlung des Vorschlags für eine endgültige Verordnung schriftlich zu beantworten – Fehlen

(Verordnung Nr. 1225/2009 des Rates, Art. 15 und 20 Abs. 4)

8.      Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Antidumpingverfahren – Verteidigungsrechte – Recht auf Anhörung – Umfang – Verpflichtung der Organe, den Standpunkt der Beteiligten zu übernehmen – Fehlen – Verpflichtung zur Beantwortung sämtlicher Argumente der Beteiligten – Fehlen

(Verordnung Nr. 1225/2009 des Rates)

9.      Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Antidumpingverfahren – Verteidigungsrechte – Gerichtliche Überprüfung – Berücksichtigung von Gründen, die keine Grundlage für den Rechtsakt bilden, aus dem sich die geltend gemachte Verletzung der Verteidigungsrechte ergibt – Unzulässigkeit

10.    Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Antidumpingverfahren – Übermittlung von Informationen an die Unternehmen durch die Kommission – Beachtung der Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Gleichbehandlung

(Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 41 Abs. 2; Verordnung Nr. 1225/2009 des Rates, Art. 19 und 20)

11.    Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Antidumpingverfahren – Übermittlung von Informationen an die Unternehmen durch die Kommission – Möglichkeit zur Offenlegung einer vertraulichen Information gegenüber einem ganz bestimmten Beteiligten mit der spezifischen Erlaubnis des Auskunftgebers

(Übereinkommen zur Durchführung des Artikels VI des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens, „Antidumping-Übereinkommen 1994“, Art. 6.5; Verordnung Nr. 1225/2009 des Rates, Art. 19 Abs. 1 und 5, Art. 20 Abs. 2 und 4)

12.    Völkerrechtliche Verträge – Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation – GATT 1994 – Verpflichtung zur Auslegung von Rechtsakten des abgeleiteten Rechts in Übereinstimmung mit diesen Übereinkommen – Anwendung im Antidumpingbereich

(Übereinkommen zur Durchführung des Artikels VI des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens, „Antidumping-Übereinkommen 1994“, Art. 6.5; Verordnung Nr. 1225/2009 des Rates, Art. 19 Abs. 1 und 5)

1.      Art. 2 der Verordnung Nr. 1168/2012 (Änderungsverordnung) zur Änderung der Antidumpinggrundverordnung Nr. 1225/2009 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern sieht vor, dass die Änderungsverordnung ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens für alle neuen und für alle noch nicht abgeschlossenen Untersuchungen gilt. Im Übrigen wäre die von Art. 1 Nr. 1 Buchst. a dieser Verordnung eingeführte Änderung der Frist zur Entscheidung über die MWB auch ohne diesen Art. 2 ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens auf jede laufende Untersuchung anwendbar gewesen, da es sich hierbei um die Änderung einer Verfahrensvorschrift handelt.

Somit ist die angeführte Änderung der Frist zur Entscheidung über die MWB grundsätzlich im Rahmen einer noch nicht abgeschlossenen Antidumpinguntersuchung auf jede Entscheidung der Kommission darüber, ob ein Unternehmen den Kriterien für die Zuerkennung der MWB im Sinne von Art. 2 Abs. 7 Buchst. c Unterabs. 2 der Antidumpinggrundverordnung entspricht, und die zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens oder später erlassen wurde, anwendbar.

Art. 2 der Änderungsverordnung kann hingegen nicht bewirken, dass Art. 1 Nr. 1 Buchst. a der Änderungsverordnung für eine Entscheidung über die MWB gilt, die vor dem Inkrafttreten der Verordnung erlassen wurde. Das würde nämlich dieser Bestimmung Rückwirkung verleihen, was aus dem Wortlaut von Art. 2 der Änderungsverordnung nicht hervorgeht. Außerdem können zwar neue Vorschriften, insbesondere Verfahrensvorschriften, unter dem alten Recht entstandene und endgültig erworbene Rechtspositionen betreffen, doch hat die Anwendung dieser neuen Vorschriften das Rückwirkungsverbot zu beachten. Die Beachtung dieses Verbots der Rückwirkung hat u. a. zur Folge, dass die Rechtmäßigkeit eines Rechtsakts der Union grundsätzlich im Hinblick auf die Bestimmung zu beurteilen ist, die die Rechtsgrundlage dieses Rechtsakts bildet und die zum Zeitpunkt seines Erlasses in Kraft war.

(vgl. Rn. 66-68)

2.      Der bloße Umstand, dass die Kommission die Möglichkeit oder gar die Verpflichtung zur Änderung einer ursprünglichen Entscheidung über den Status eines in einer Marktwirtschaft tätigen Unternehmens (MWB) hat, die einen Beurteilungsfehler aufweist, ändert nichts an ihrer Verpflichtung, die von der Antidumpinggrundverordnung Nr. 1225/2009 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern für den Erlass einer solchen ursprünglichen Entscheidung festgesetzte Frist einzuhalten. Außerdem enthält der Wortlaut von Art. 2 Abs. 7 Buchst. c Unterabs. 2 der Antidumpinggrundverordnung keinen Anhaltspunkt, der der von ihm vorgesehenen Frist lediglich Hinweischarakter verleihen könnte. Folglich stellt die Einhaltung der Frist von drei Monaten zur Entscheidung über die MWB nach Art. 2 Abs. 7 Buchst. c Unterabs. 2 der Antidumpinggrundverordnung für die Kommission keine Möglichkeit, sondern eine Verpflichtung dar.

(vgl. Rn. 70-72)

3.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 76)

4.      Im Bereich des Dumpings kann eine Unregelmäßigkeit in Bezug auf die Verteidigungsrechte nur dann zur Nichtigerklärung einer Verordnung zur Einführung endgültiger Antidumpingzölle führen, wenn die Möglichkeit nicht völlig ausgeschlossen werden kann, dass wegen dieser Unregelmäßigkeit das Verwaltungsverfahren zu einem anderen Ergebnis hätte führen können und damit die Verteidigungsrechte des Antragstellers konkret beeinträchtigt wurden.

Insoweit ist der Kläger nicht verpflichtet, nachzuweisen, dass die angefochtene Entscheidung der Organe anders ausgefallen wäre, sondern nur, dass dies nicht völlig ausgeschlossen ist, da er sich ohne des festgestellten Verfahrensfehler besser hätte verteidigen können.

(vgl. Rn. 81, 152, 194, 214)

5.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 92-97, 103, 105)

6.      Im Rahmen einer Antidumpinguntersuchung verstößt die Kommission weder gegen Art. 6 Abs. 7 der Antidumpinggrundverordnung Nr. 1225/2009 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern, noch verletzt sie die Verteidigungsrechte eines Klägers, indem sie ihm nicht gestattet, die per E‑Mail versandten Kommunikationen einzusehen, die nur die Schwierigkeiten des Herstellers des Vergleichslands zum Ausfuhrland bei der Übermittlung der von der Kommission im Hinblick auf die Ermittlung des Normalwerts der Ware, deren Einfuhren Gegenstand des Antidumpingzolls sind, verlangten Daten und die Ausführungen der Kommission betreffen, um diesen Schwierigkeiten zu begegnen. Solche Kommunikationen enthalten nämlich keine der Kommission von diesem Hersteller zur Verfügung gestellte Unterlagen, die bei der Untersuchung verwendet worden sind, wie es Art. 6 Abs. 7 der Antidumpinggrundverordnung für einen Anspruch auf Einsichtnahme verlangt.

(vgl. Rn. 111, 114)

7.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 120-122, 124, 125)

8.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 126)

9.      Fordert eines der Unionsorgane das Gericht auf, den Grund, auf den sich eines von ihnen im Untersuchungsverfahren zur Verhängung eines Antidumpingzolls berief, um den Antrag des Klägers auf Offenlegung der Berechnungen des Normalwerts abzulehnen, gegen andere Gründe auszuwechseln, ist davon auszugehen, dass die Rechtmäßigkeit eines Rechtsakts der Union anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses zu beurteilen ist.

Im Übrigen kann die Verletzung der Verteidigungsrechte im Verwaltungsverfahren über Dumpingpraktiken die Nichtigerklärung einer Antidumpingverordnung nach sich ziehen. Folglich kann diese Verletzung nicht bloß dadurch geheilt werden, dass der Unionsrichter die Gründe prüft, die die Entscheidung, aus der sich die geltend gemachte Verletzung ergibt, stützen können. Eine solche Prüfung beschränkt sich nämlich auf eine gerichtliche Kontrolle der vorgetragenen Klagegründe und kann kein Ersatz für die umfassende Sachverhaltsermittlung im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens sein. Außerdem wird der Kläger dadurch, dass er im Rahmen der Klage erstmals Kenntnis von den Gründen erlangt, die die Organe vor dem Gericht geltend gemacht haben, nicht in die Lage versetzt, in der er sich befunden hätte, wenn er zu diesen Gründen im Untersuchungsverfahren hätte Stellung nehmen können. Folglich kann das Gericht jedenfalls nicht wegen der Ablehnung, dem Beteiligten gegenüber im Stadium des Verwaltungsverfahrens die Berechnungen des Normalwerts offenzulegen, eine Verletzung seiner Verteidigungsrechte auf der Basis von Gründen feststellen, auf die sich diese Ablehnung nicht stützte.

(vgl. Rn. 150, 151)

10.    Im Rahmen der Anwendung von Art. 19 in Verbindung mit Art. 20 der Antidumpinggrundverordnung Nr. 1225/2009 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern haben die Organe über die Einhaltung der Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Gleichbehandlung zu wachen.

Insbesondere erhält dieser Grundsatz eine besondere Ausgestaltung im Rahmen von Art. 9 Abs. 5 der Antidumpinggrundverordnung. Ferner beruht eine unterschiedliche Behandlung auf einem objektiven und angemessenen Kriterium, wenn sie im Zusammenhang mit einem rechtlich zulässigen Ziel steht, das mit der in Rede stehenden Regelung verfolgt wird, und wenn diese unterschiedliche Behandlung in angemessenem Verhältnis zu dem mit der betreffenden Behandlung verfolgten Ziel steht.

Die Tatsache, dass der Vergleichslandhersteller einem ausführenden Hersteller im Sinne von Art. 19 Abs. 5 der Antidumpinggrundverordnung die Konsultation seiner Daten erlaubt hat, stellt einen objektiven Unterschied mit den anderen in die Stichprobe einbezogenen ausführenden Herstellern dar, der eine Ungleichbehandlung im Hinblick auf die Vertraulichkeit der Berechnungen des Normalwerts rechtfertigt, die sich auf diese Daten stützen. Bei Fehlen einer solchen Erlaubnis verpflichtet Art. 19 Abs. 5 die Organe, eine Information, deren vertrauliche Behandlung beantragt wurde, nicht offenzulegen. Bei Vorliegen einer solchen Erlaubnis verfügt der betreffende ausführende Hersteller zumindest über das Recht, dass die Begründetheit seines Antrags auf der Grundlage einer Abwägung zwischen seinen Verteidigungsrechten und den von der Vertraulichkeit der beantragten Informationen geschützten Interessen geprüft wird.

Die Tragweite einer solchen Erlaubnis kann nicht durch den Umstand in Frage gestellt werden, dass diese Erlaubnis nur die vom Vergleichslandhersteller vorgelegten Daten betreffen kann, und nicht die auf der Grundlage dieser Daten vorgenommenen Berechnungen des Normalwerts, da die Kommission diese Berechnungen geschwärzt hat, um die Vertraulichkeit genau dieser Daten zu schützen.

Ebenso wenig kann der Annahme gefolgt werden, eine solche Erlaubnis habe keine Bedeutung für ihrer Natur nach vertrauliche Informationen im Sinne von Art. 19 Abs. 5 der Antidumpinggrundverordnung. Aus Art. 19 Abs. 5 dieser Verordnung geht nämlich hervor, dass die Erlaubnis nach dieser Bestimmung alle Informationen betrifft, deren vertrauliche Behandlung beantragt worden ist. Ferner schließt der Wortlaut von Art. 19 Abs. 5 der Verordnung nicht aus, dass die Kategorie der ihrer Natur nach vertraulichen Informationen auch Informationen enthalten kann, für die der Auskunftgeber einen Antrag auf vertrauliche Behandlung gestellt hat. Da die Offenlegung ihrer Natur nach vertraulicher Informationen in gewissen Fällen nicht ausgeschlossen werden kann, hat die Tatsache, dass die Offenlegung von der Person, die in Rede stehende Information vorlegte, erlaubt wurde, zwangsläufig Auswirkungen.

Diese Auslegung wird durch den Wortlaut von Art. 6.5 des Übereinkommens zur Durchführung des Artikels VI des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens von 1994 (Antidumping-Übereinkommen), den Art. 19 der Antidumpinggrundverordnung übernimmt, bestätigt, wonach die Erlaubnis einer Person, die den Untersuchungsbehörden vertrauliche Informationen vorlegte, sowohl die Kategorie der ihrer Natur nach vertraulichen Informationen betrifft als auch die Kategorie der Informationen, die von den Parteien auf vertraulicher Grundlage für eine Antidumpinguntersuchung zur Verfügung gestellt werden.

(vgl. Rn. 156-158, 177, 178, 180, 182-188)

11.    Im Rahmen einer Antidumpinguntersuchung findet die Auffassung, wonach es nicht möglich sei, auf die Vertraulichkeit einer Information gegenüber einem spezifischen Beteiligten zu verzichten, keine Stütze in den einschlägigen Bestimmungen der Antidumpinggrundverordnung Nr. 1225/2009 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern.

Zunächst geht aus dem Wortlaut von Art. 19 Abs. 5 der Antidumpinggrundverordnung nicht hervor, dass die Erlaubnis des Auskunftgebers, die für die Offenlegung der Informationen, deren vertrauliche Behandlung von diesem Auskunftgeber beantragt worden ist, erforderlich ist, nicht nur für einen spezifischen Beteiligten oder mehrere spezifische Beteiligte gegeben werden könnte.

Sodann ergibt sich aus den in Art. 19 Abs. 1 der Antidumpinggrundverordnung beispielhaft angeführten Vertraulichkeitsgründen, dass die Beurteilung des vertraulichen Charakters einer im Rahmen einer Antidumpinguntersuchung vorgelegten Information die Berücksichtigung der jeweiligen Situation der Auskunftgeber und der Beteiligten, die Zugang zu dieser Information erhalten können, implizieren kann.

Aus dem Wortlaut von Art. 19 Abs. 1 der Antidumpinggrundverordnung ergibt sich jedoch nicht, dass der Schutz solcher unter das Geschäftsgeheimnis fallender Informationen, die ihrer Natur nach vertraulich sind und grundsätzlich nicht offengelegt werden, es verlangte, grundsätzlich jede Möglichkeit der Offenlegung und daher jede Beurteilung der besonderen Situation eines Beteiligten, der den Zugang zu dieser Information beantragt, auszuschließen.

Eine solche Auslegung findet auch keine Stütze in den Erwägungen zum Schutz des Geschäftsgeheimnisses. Wenn die Art des Verfahrens es erfordert, sind somit die durch den besonderen Schutz, den das Geschäftsgeheimnis genießt, gewahrten Interessen mit den Verteidigungsrechten der Beteiligten dieses Verfahrens abzuwägen. Das ist bei einem Antidumping-Untersuchungsverfahren der Fall, was bedeutet, dass die Kommission selbst bei Vorliegen von unter das Geschäftsgeheimnis fallenden Informationen keine absolute Verpflichtung zur Ablehnung ihrer Offenlegung haben kann, ohne die besonderen Umstände des betreffenden Falls und insbesondere die spezifische Situation des betreffenden Beteiligten zu beurteilen.

Der Wertungsspielraum der Kommission, das Recht der Beteiligten auf Information mit dem Schutz der vertraulichen Informationen in Einklang zu bringen, ist nicht beschränkt, wenn der fragliche Beteiligte ein ausführender Hersteller ist, dem der Status eines in einer Marktwirtschaft tätigen Unternehmens (MWB) nicht gewährt wurde.

Insbesondere können, wie bei jedem Beteiligten, die Anträge eines solchen ausführenden Herstellers auf Offenlegung seiner Berechnungen ohne Prüfung der besonderen Umstände des betreffenden Falls nicht grundsätzlich allein deshalb abgelehnt werden, weil die Möglichkeit, ihm diese Offenlegung zu gewähren, ein „systemisches Ungleichgewicht“ in den Beziehungen zwischen der Kommission zum einen und den an der Untersuchung teilnehmenden Unternehmen, wie insbesondere den Herstellern, denen keine MWB gewährt wurde, sowie dem Vergleichslandhersteller, zum anderen, schaffen würde.

Schließlich geht aus Art. 20 Abs. 2 bis 4 der Antidumpinggrundverordnung nicht hervor, dass den Organen die Offenlegung einer in diese endgültige Unterrichtung nicht aufgenommenen Information gegenüber einem bestimmten Beteiligten, der dies beantragt, aus dem Grund unmöglich wäre, weil alle Beteiligten Zugang haben müssten. Insbesondere kann einem Beteiligten gegenüber die Offenlegung einer Information, wie der in Art. 20 Abs. 2 bis 4 der Antidumpinggrundverordnung genannten, nicht einzig deshalb abgelehnt werden, weil auch andere Beteiligte Recht auf den Zugang zu ihr hätten, wenn die Letzteren keinen entsprechenden Antrag gestellt haben.

Die Kommission hat nach alledem die Anträge eines Beteiligten auf Zugang zu vertraulichen Informationen im Hinblick auf die besondere Lage des Beteiligten, von dem dieser Antrag stammt, unabhängig von der Situation der anderen Beteiligten, denen diese Informationen nützlich sein könnten, zu beurteilen.

Eine entgegenstehende Auslegung führt zu einer grundsätzlichen Beschränkung der für die an einer Antidumpinguntersuchung Beteiligten verfügbaren Informationen, die nicht mit den Erfordernissen vereinbar ist, die sich aus der Wahrung der Verteidigungsrechte der Beteiligten ergeben, und läuft in Fällen wie dem vorliegenden darauf hinaus, dem betreffenden ausführenden Hersteller systematisch Informationen zu verwehren, die angesichts der Auswirkung der Berechnung des Normalwerts auf die Ermittlung seiner Dumpingspanne von entscheidender Bedeutung für seine Verteidigungsrechte sein können.

(vgl. Rn. 159-162, 164, 165, 167, 168, 170, 171, 175)

12.    Im Rahmen der Durchführung der Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) gebietet der Vorrang der von der Union abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge vor den Bestimmungen des abgeleiteten Unionsrechts, diese Bestimmungen nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit den genannten Verträgen auszulegen. Diese Erwägung ist insbesondere im Antidumpingbereich anwendbar, wenn feststeht, dass die betreffende Bestimmung der Antidumpinggrundverordnung Nr. 1225/2009 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern erlassen wurde, um eine im Rahmen des Übereinkommens zur Durchführung des Artikels VI des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens von 1994 (Antidumping-Übereinkommen) übernommene Verpflichtung durchzuführen.

Aus dem Wortlaut von Art. 19 Abs. 1 und 5 der Antidumpinggrundverordnung, der den Wortlaut von Art 6.5 des Antidumping-Übereinkommens übernimmt, ergibt sich, dass der Unionsgesetzgeber darin seine Absicht zum Ausdruck gebracht hat, die bestimmten Verpflichtungen aus dieser Bestimmung des Antidumping-Übereinkommens umzusetzen. Die Tatsache, dass der Unionsgesetzgeber eine andere Struktur als die von Art. 65. des Antidumping-Übereinkommens gewählt hat, indem er insbesondere die beiden Teile dieses Artikels in zwei verschiedene Absätze von Art. 19 der Antidumpinggrundverordnung übernommen hat, kann für sich genommen nicht eine Absicht des Unionsgesetzgebers erkennen lassen, eine spezifische unionsrechtliche Maßnahme zu erlassen, die sich von derjenigen des Antidumping-Übereinkommens unterscheidet. Diese Entscheidung fügt sich nämlich in den Rahmen des Wertungsspielraums ein, über den der Unionsgesetzgeber verfügt, um die Verpflichtungen aus Art. 6.5 des Antidumping-Übereinkommens umzusetzen, so dass sie einer Auslegung von Art. 19 Abs. 1 und 5 der Antidumpinggrundverordnung im Licht dieser Bestimmung des Antidumping-Übereinkommens nicht entgegenstehen kann.

(vgl. Rn. 188, 190)