Language of document : ECLI:EU:C:2005:373

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

FRANCIS G. JACOBS

vom 9. Juni 20051(1)

Rechtssache C-120/04

Medion AG

gegen

Thomson multimedia Sales Germany & Austria GmbH






1.     In der vorliegenden Rechtssache hat das Oberlandesgericht Düsseldorf dem Gerichtshof eine Frage nach der Auslegung von Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie vorgelegt(2).

2.     Nach dieser Vorschrift hat der Inhaber einer Marke das Recht, anderen zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr „ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder der Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht“.

3.     Das vorlegende Gericht möchte im Wesentlichen wissen, ob im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, wenn ein zusammengesetztes Wortzeichen oder Wort‑/Bildzeichen (vorliegend THOMSON LIFE) eine Unternehmensbezeichnung gefolgt von einer älteren Marke enthält, die aus einem einzigen „normal kennzeichnungskräftigen“ Wort (LIFE) besteht und zwar nicht den Gesamteindruck des zusammengesetzten Zeichens prägt, aber darin eine selbständig kennzeichnende Stellung behält. Die Frage des vorlegenden Gerichts wurde insbesondere durch die „Prägetheorie“(3) veranlasst, eine vom Bundesgerichtshof entwickelte Theorie des deutschen Markenrechts, die unten betrachtet wird.

 Sachverhalt und Ausgangsverfahren

4.     Die Klägerin, die Medion AG, ist Inhaberin der für Geräte der Unterhaltungselektronik eingetragenen deutschen Wortmarke „LIFE“.

5.     Die Beklagte, die Thomson multimedia Sales Germany & Austria GmbH, die vom vorlegenden Gericht als ein weltweit führendes Unternehmen in der Unterhaltungselektronikbranche beschrieben wird, versieht einen Teil ihrer Unterhaltungselektronikprodukte mit der Bezeichnung „THOMSON LIFE“, in manchen Fällen als einfaches Wortzeichen, in anderen als Wort‑/Bildkennzeichnung mit dem Bestandteil „THOMSON“ grafisch abgesetzt in Bezug auf Größe, Farbe oder Stil.

6.     Das Landgericht Düsseldorf wies eine Klage der Klägerin auf Untersagung der Benutzung des Zeichens „THOMSON LIFE“ durch die Beklagte wegen fehlender Verwechslungsgefahr mit der Marke „LIFE“ ab.

7.     Die Klägerin legte Berufung beim vorlegenden Oberlandesgericht ein. Dieses Gericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die oben umrissene Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt.

8.     Das vorlegende Gericht stellt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, in der die Prägetheorie vertreten wird, wie folgt dar. Für die Beurteilung der Markenähnlichkeit sei, wenn einzelne Bestandteile sich gegenüberstehender Zeichen übereinstimmten, vom Gesamteindruck der Zeichen auszugehen und zu ermitteln, ob der übereinstimmende Teil das zusammengesetzte Zeichen derart präge, dass die anderen Bestandteile für den Gesamteindruck weitgehend in den Hintergrund träten. Nur weil der übereinstimmende Bestandteil den Gesamteindruck des Zeichens lediglich mitbestimme, bestehe noch keine Verwechslungsgefahr. Auch spiele es keine Rolle, ob ein übernommenes Zeichen im zusammengesetzten Zeichen eine selbständig kennzeichnende Stellung behalten habe. Einzelnen Elementen in der Gesamtaufmachung einer Ware könne aber durchaus eine eigenständige, von der Kennzeichnungsfunktion anderer Bestandteile unabhängige Stellung zuzuerkennen sein; die Elemente würden dann isoliert betrachtet und gegenübergestellt. Dem Bestandteil eines Zeichens, der für den Verkehr erkennbar nicht das Produkt als solches, sondern das Herkunftsunternehmen bezeichne, komme im Regelfall keine prägende Bedeutung zu. Ein als solches erkennbares Unternehmenskennzeichen solle regelmäßig in der Bedeutung für den Gesamteindruck zurücktreten, weil der betreffende Markt eben im anderen Zeichenbestandteil die eigentliche Produktkennzeichnung erblicke.

9.     Es sei jedoch in jedem Fall zu ermitteln, ob nicht doch ausnahmsweise etwas anderes gelte und in der Sicht des betreffenden Marktes nicht doch die Herstellerangabe im Vordergrund stehe. Maßgeblich seien die besonderen Gegebenheiten und Gewohnheiten auf dem in Frage stehenden Warengebiet. Der Bundesgerichtshof habe angenommen, dass für die Ware „Bier“ und die Modebranche die Herstellerangabe besonders wichtig sei, weshalb hier Herstellerangaben den Gesamteindruck der Zeichen stets mitprägten; bei Aufnahme einer älteren Marke in ein mit der Herstellerangabe zusammengesetztes Zeichen liege daher keine Verwechslungsgefahr vor. Wenn dies den Gewohnheiten in der betreffenden Branche entspreche, so präge die Herstellerangabe in einem zusammengesetzten Zeichen den Gesamteindruck auch dann mit, wenn der andere Bestandteil mehr als nur eine schwache, nämlich eine normale Kennzeichnungskraft habe. Erst recht gelte das bei einer gesteigerten Kennzeichnungskraft des Herstellernamens.

10.   Bei Anwendung der vorstehenden Grundsätze auf den vorliegenden Fall gelangt das vorlegende Gericht zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr, weil die Herstellerbezeichnung „THOMSON“ den Gesamteindruck der angegriffenen Bezeichnung „THOMSON LIFE“ mitpräge, also keine Alleinprägung durch den Bestandteil „LIFE“ vorliege. Aus dem von den Parteien vorgelegten Material ergebe sich für den relevanten Warensektor der Geräte der Unterhaltungselektronik die Bezeichnungsgewohnheit, den Herstellernamen in den Vordergrund zu rücken. In der Branche überwiege die Bezeichnung der Produkte mit dem Herstellernamen und einer schlecht merkfähigen Buchstaben‑/Zahlenkombination.

11.   Die Untersuchungen der Verwechslungsgefahr im Hinblick auf Klang, Schriftbild und Sinngehalt der angegriffenen Bezeichnung führten nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen: In jeder Hinsicht spreche der Herstellername „THOMSON“ im Gesamteindruck des Zeichens „THOMSON LIFE“ wesentlich mit.

12.   Die Auslegung des Begriffs der Verwechslungsgefahr durch den Bundesgerichtshof sei in Bezug auf Fallgestaltungen wie der vorliegenden in Deutschland aber nicht unbestritten. Es werde als unbillig empfunden, dass ein älteres Zeichen, und zwar selbst bei normaler Kennzeichnungskraft, von einem Dritten durch Hinzufügen einer Unternehmensbezeichnung usurpiert werden könne. Nach dieser Gegenmeinung sei im vorliegenden Fall eine Verwechslungsgefahr gegeben. Im zusammengesetzten Zeichen „THOMSON LIFE“ behalte die klägerische Marke „LIFE“ eine selbständig kennzeichnende Stellung. Die beiden Wörter stünden unverbunden nebeneinander; eine begriffliche Verknüpfung zwischen „THOMSON“ und „LIFE“ gebe es nicht. Im Schriftbild seien die beiden Wörter in drei der vier angegriffenen Benutzungsformen farblich und auch sonst grafisch unterschiedlich gestaltet. Die mit dem zusammengesetzten Zeichen bezeichneten Waren könnten als „LIFE“‑Erzeugnisse aus dem Hause „THOMSON“ verstanden werden; dies könnte die Fehlvorstellung erwecken, dass von der Klägerin nur mit „LIFE“ gekennzeichnete Produkte von der Beklagten stammten.

13.   Das vorlegende Gericht schließt mit der Bemerkung, dass der Gerichtshof im Urteil Sabèl(4) entschieden habe, dass es für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Zeichenähnlichkeit auf den Gesamteindruck der Zeichen ankomme. Der Gerichtshof habe sich aber noch nicht mit der Situation befasst, in der dieses Kriterium bewirken könne, dass es einem Dritten ermöglicht werde, sich eine fremde Marke durch Hinzufügung seiner Unternehmensbezeichnung anzueignen.

14.   Schriftliche Erklärungen haben die Berufungsklägerin, die Berufungsbeklagte und die Kommission abgegeben, die alle in der mündlichen Verhandlung vertreten waren.

 Beurteilung

15.   Das vorlegende Gericht möchte im Wesentlichen wissen, ob im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, wenn ein zusammengesetztes Wortzeichen oder Wort‑/Bildzeichen eine Unternehmensbezeichnung gefolgt von einer älteren Marke enthält, die aus einem einzigen „normal kennzeichnungskräftigen“ Wort besteht und zwar nicht den Gesamteindruck des zusammengesetzten Zeichens prägt, aber darin eine selbständig kennzeichnende Stellung behält.

16.   Ausweislich des Vorlagebeschlusses hat das Landgericht Düsseldorf die auf eine Markenrechtsverletzung gestützte Klage in erster Instanz wegen Fehlens einer Verwechslungsgefahr abgewiesen. Das Landgericht habe die das zusammengesetzte Zeichen THOMSON LIFE bildenden Bestandteile als gleichgewichtig angesehen und sei davon ausgegangen, dass der übereinstimmende Bestandteil LIFE nicht geeignet sei, den Gesamteindruck dieses Zeichens zu prägen.

17.   Aus dem Vorlagebeschluss und den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen ist offensichtlich, dass diese Entscheidung die vom deutschen Bundesgerichtshof entwickelte und oben in den Nummern 8 und 9 zusammengefasste Prägetheorie widergespiegelt hat. Das vorlegende Gericht möchte im Wesentlichen wissen, ob diese Theorie mit der Richtlinie in Einklang steht.

18.   Vorab bemerkt, bin ich nicht überzeugt, dass eine bestimmte Theorie, die förmlich eine Reihe von Regeln aufstellt, die automatisch in bestimmten Fällen anzuwenden sind, immer oder zwangsläufig einen zweckdienlichen Ansatz dafür bietet, wie ein konkreter Markenrechtsstreit zu entscheiden ist. Nach meiner Ansicht liefern die Grundsätze, die der Gerichtshof schon in seinen Serien von Entscheidungen zu den einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie, den Artikeln 4 Absatz 1 Buchstabe b und 5 Absatz 1 Buchstabe b(5), aufgestellt hat, einen ausreichenden begrifflichen Rahmen zur Lösung solcher Streitigkeiten. Das Vertrauen in eine theoretische Antwort birgt nach meiner Meinung die Gefahr in sich, dass nationale Gerichte davon abgebracht werden, selbst die wesentlichen Prüfungen in Bezug auf Ähnlichkeit und Verwechslung vorzunehmen, die vom Gemeinschaftsgesetzgeber angeordnet und vom Gerichtshof weiterentwickelt worden sind. Wenn eine Theorie jedoch einfach darüber Aufschluss gibt, wie diese wesentlichen Prüfungen in einem bestimmten Bereich oder auf bestimmte Arten von Marken anzuwenden sind, so meine ich, dass sie trotzdem hilfreich sein kann, sofern das nationale Gericht nie vergisst, dass es letzten Endes gewährleisten muss, dass die vom Gerichtshof aufgestellten Grundsätze auf eine bestimmte Situation angewandt werden.

19.   Nachdem dies vorausgeschickt ist, wende ich mich nun diesen Grundsätzen zu.

20.   Die zehnte Begründungserwägung der Richtlinie bestimmt, dass das Vorliegen von Verwechslungsgefahr „von einer Vielzahl von Umständen ab[hängt], insbesondere dem Bekanntheitsgrad der Marke im Markt, der gedanklichen Verbindung, die das ... Zeichen zu ihr hervorrufen kann, sowie dem Grad der Ähnlichkeit zwischen der Marke und dem Zeichen und zwischen den damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen“. Der Gerichtshof hat entschieden, dass das Vorliegen von Verwechslungsgefahr daher unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen sei(6). Das nationale Gericht habe das Bestehen einer Verwechslungsgefahr festzustellen(7).

21.   Die Ähnlichkeit der fraglichen Marken ist daher eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für die Feststellung der Verwechslungsgefahr: Mehrere andere Faktoren, über die der Gerichtshof Aufschluss gegeben hat, sind vom nationalen Gericht ebenfalls zu beurteilen.

22.   So ist es klar, dass es eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den für eine umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere zwischen der Ähnlichkeit von Marke und Zeichen und der Ähnlichkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen, gibt. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt(8).

23.   Außerdem ist die Verwechslungsgefahr umso größer, je größer sich die Kennzeichnungskraft der älteren Marke darstellt, sei es von Hause aus oder weil ihr kraft Verkehrsgeltung eine besondere Kennzeichnungskraft zukommt(9). Das nationale Gericht hat die Unterscheidungskraft einer Marke zu bestimmen; dabei muss dieses Gericht eine umfassende Bewertung der größeren oder geringeren Eignung der Marke vornehmen, die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren oder Dienstleistungen damit von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden(10).

24.   Weiter geht aus der Bezugnahme auf das Bestehen von Verwechslungsgefahr „für das Publikum“ in Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie hervor, dass es für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr entscheidend darauf ankommt, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher dieser Art von Waren oder Dienstleistungen wirkt. Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke aber normalerweise als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten(11). Dabei ist auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Warenart abzustellen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass sich dem Durchschnittsverbraucher nur selten die Möglichkeit bietet, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern dass er sich auf das unvollkommene Bild verlassen muss, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers je nach Art der betreffenden Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann(12).

25.   Aus diesen Grundsätzen kann gefolgert werden, dass das nationale Gericht in einem Fall wie dem vorliegenden bei seiner umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr berücksichtigen muss, dass i), wenn wie hier die von den Marken erfassten Waren identisch sind, bereits eine geringere Ähnlichkeit zwischen den Marken zu einer Verwechslungsgefahr führen kann, aber ii) die Verwechslungsgefahr umso größer ist, je kennzeichnungskräftiger die ältere Marke ist, so dass im Fall von LIFE, das vom vorlegenden Gericht als „normal kennzeichnungskräftig“ beschrieben wird, die Verwechslungsgefahr nicht groß sein kann. Das vorlegende Gericht hat zu berücksichtigen, dass der Durchschnittsverbraucher dazu neigt, die zusammengesetzte Marke als Ganzes wahrzunehmen und nicht auf ihre Bestandteile zu achten. In der vorliegenden Rechtssache wird die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers in Bezug auf die Marke in Anbetracht der (von den nationalen Gerichten festgestellten) Tatsache geringer sein, dass Verbraucher in der Branche der Unterhaltungselektronikgeräte wie in den oben in Nummer 9 erwähnten Branchen besonders auf die Herstellerbezeichnung achten. Vor diesem Hintergrund hat das vorlegende Gericht zu bestimmen, ob die Marke und das Zeichen hinreichend ähnlich sind, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen.

26.   Bei dieser Frage hat die Beurteilung der Ähnlichkeit durch das nationale Gericht auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind(13). Um zu beurteilen, wie weit die Ähnlichkeit zwischen den betreffenden Marken geht, muss das vorlegende Gericht den Grad ihrer Ähnlichkeit im Bild, im Klang und in der Bedeutung bestimmen sowie gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Art der betreffenden Waren oder Dienstleistungen und der Bedingungen, unter denen sie vertrieben werden, bewerten, welche Bedeutung diesen einzelnen Elementen beizumessen ist(14).

27.   Der Gerichtshof hatte bisher noch keine Gelegenheit, unmittelbar über die Kriterien zu entscheiden, nach denen sich eigens bestimmt, ob eine zusammengesetzte Marke, die eine Unternehmensbezeichnung gefolgt von einer aus einem einzigen Wort bestehenden älteren Marke enthält, dieser älteren Marke ähnlich ist im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie. Er hat jedoch mit einem mit Gründen versehenen Beschluss ein Rechtsmittel gegen ein Urteil des Gerichts erster Instanz (Matratzen Concord/HABM)(15) zurückgewiesen, das diese Frage behandelte. Die Rechtssache betraf Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Gemeinschaftsmarkenverordnung(16), dessen relevante Bestimmungen im Wesentlichen die gleichen sind wie in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie.

28.   Das Gericht hatte in seinem Urteil unter Anwendung der oben in den Nummern 20, 22 und 24 zusammengefassten Rechtsprechung(17) ausgeführt:

„Eine zusammengesetzte Marke kann ... nur dann als einer anderen Marke, die mit einem ihrer Bestandteile identisch oder diesem ähnlich ist, ähnlich angesehen werden, wenn dieser Bestandteil das dominierende Element in dem von der zusammengesetzten Marke hervorgerufenen Gesamteindruck ist. Das ist dann der Fall, wenn dieser Bestandteil allein schon geeignet ist, das Bild dieser Marke, das die angesprochenen Verkehrskreise im Gedächtnis behalten, so zu prägen, dass alle übrigen Bestandteile der Marke in dem durch diese hervorgerufenen Gesamteindruck zu vernachlässigen sind.

Das bedeutet nicht, dass nur ein Bestandteil einer zusammengesetzten Marke zu berücksichtigen und mit einer anderen Marke zu vergleichen wäre. Vielmehr sind die fraglichen Marken jeweils als Ganzes miteinander zu vergleichen. Das schließt jedoch nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer zusammengesetzten Marke für den durch diese im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können.

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein bestimmter oder mehrere bestimmte Bestandteile einer zusammengesetzten Marke dominierend sind, sind die Eigenschaften jedes einzelnen dieser Bestandteile insbesondere in der Weise zu berücksichtigen, dass sie mit den Eigenschaften der anderen Bestandteile verglichen werden. In zweiter Linie kann auch auf die jeweilige Rolle der einzelnen Bestandteile bei der Gesamtgestaltung der zusammengesetzten Marke abgestellt werden.“(18)

29.   Das Gericht hatte sodann die verschiedenen Elemente des in dieser Rechtssache betroffenen zusammengesetzten Zeichens (MATRATZEN MARKT CONCORD) beurteilt, wobei es u. a. den Grad der Unterscheidungskraft jedes Elements und die Frage berücksichtigt hatte, ob jedes einzelne Element eine dominierende oder marginale Stellung im zusammengesetzten Zeichen hatte(19). Es war zu dem Ergebnis gelangt, dass die zusammengesetzte Marke der Marke MATRATZEN hinreichend ähnlich sei, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen, da die von den Marken erfassten Waren teils identisch seien, teils ein hohes Maß an Ähnlichkeit aufwiesen(20).

30.   Der Inhaber des zusammengesetzten Zeichens legte ein Rechtsmittel beim Gerichtshof ein, das u. a. darauf gestützt wurde, dass das Gericht bei der Auslegung des Ähnlichkeitsbegriffs nicht das in der Rechtsprechung des Gerichtshofes aufgestellte Erfordernis der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr für die Verkehrskreise unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls erfüllt habe.

31.   Bei der Zurückweisung dieses Rechtsmittels hat der Gerichtshof unter Bezugnahme auf seine frühere Rechtsprechung entschieden, dass das Gericht bei der Entscheidung über die Ähnlichkeit der Marken keinen Rechtsfehler bei seiner Auslegung von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie über die Gemeinschaftsmarke begangen habe(21). Der Gerichtshof hat insbesondere festgestellt:

„Das Gericht hat in Randnummer 34 des angefochtenen Urteils zutreffend festgestellt, dass die Beurteilung der Ähnlichkeit zweier Marken nicht bedeute, dass nur ein Bestandteil einer zusammengesetzten Marke zu berücksichtigen und mit einer anderen Marke zu vergleichen wäre, vielmehr seien die fraglichen Marken jeweils als Ganzes miteinander zu vergleichen. Das Gericht hat weiter ausgeführt, dass das jedoch nicht ausschließe, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer zusammengesetzten Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein könnten.

[D]as Gericht [hat] ferner bei der Prüfung der Frage, ob die beiden Marken aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise ähnlich sind, einen Großteil seiner Erwägungen der Beurteilung der sie unterscheidenden und dominierenden Elemente sowie der Verwechslungsgefahr für diese Verkehrskreise gewidmet, die das Gericht unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Falles umfassend beurteilt hat.“(22)

32.   Der Gerichtshof hat demgemäß das Rechtsmittel als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.

33.   Er hat daher offenbar einen ähnlichen Ansatz wie die Prägetheorie verfolgt, der im Wesentlichen darin besteht, den Gesamteindruck der beiden sich gegenüberstehenden Marken zu vergleichen, von denen die eine Bestandteil der anderen ist. Das ist für mich vollkommen verständlich, da dies als eine Anwendung der in der früheren Rechtsprechung des Gerichtshofes formulierten Grundsätze auf eine bestimmte Gruppe von Fällen angesehen werden kann. Es ist daran zu erinnern, dass nach dieser Rechtsprechung bei einer umfassenden Beurteilung auf den Gesamteindruck abzustellen ist, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind(23). Die Feststellung des Gerichtshofes im Urteil Matratzen, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer zusammengesetzten Marke für den Gesamteindruck dominierend sein können, spiegelt diese Auffassung wider. In welchem Ausmaß der Gesamteindruck in dieser Weise dominiert wird, ist eine Tatsachenfrage für das nationale Gericht.

34.   Das Gericht hat vor kurzem ein Urteil in einer anderen Rechtssache erlassen, die man mit der vorliegenden Rechtssache für vergleichbar halten kann. In der Rechtssache Reemark/HABM(24) war streitig, ob die deutsche Wortmarke WEST der beantragten Gemeinschaftsmarke WESTLIFE, die identische oder ähnliche Waren und Dienstleistungen erfassen sollte, zum Verwechseln ähnlich war. Die Widerspruchsabteilung des HABM(25) hatte die Anmeldung für die letztgenannte Marke mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Marken zum Verwechseln ähnlich seien. Diese Entscheidung hatte die Zweite Beschwerdekammer des HABM aufgehoben, weil die betroffenen Zeichen klanglich und bildlich wenig Ähnlichkeit aufwiesen und sich nur begrifflich in gewisser Weise ähnelten, weil die Unterschiede zwischen ihnen hinreichend bedeutsam seien und sie damit nebeneinander auf dem Markt bestehen könnten und weil deshalb keine Verwechslungsgefahr bestehe.

35.   Auf die Klage hat das Gericht entschieden, dass sich die einander gegenüberstehenden Zeichen in einem gewissen Maße klanglich und insbesondere begrifflich ähnlich seien und dass der einzige bildliche Unterschied darin bestehe, dass ein Zeichen einen zusätzlichen Bestandteil enthalte, der dem ersten hinzugefügt sei. Das Gericht hat entschieden, dass der Umstand, dass die Marke WESTLIFE ausschließlich aus der älteren Marke WEST bestehe, der ein anderes Wort, „LIFE“, hinzugefügt sei, auf die Ähnlichkeit zwischen den beiden Marken hinweise. Das Bestehen der älteren Marke WEST könne bei den maßgeblichen Verkehrskreisen eine gedankliche Verbindung zwischen diesem Ausdruck und den vom Markeninhaber vertriebenen Waren geschaffen haben, so dass für jede neue Marke, die aus dem Ausdruck „WEST“ in Verbindung mit einem anderen Ausdruck bestehe, die Gefahr bestehe, dass sie als Variante der älteren Marke wahrgenommen werde. Die maßgeblichen Verkehrskreise könnten daher denken, dass die unter der Marke WESTLIFE vermarkteten Waren und Dienstleistungen gleicher Herkunft seien wie die unter der Marke WEST vermarkteten Waren und Dienstleistungen oder dass es zumindest eine wirtschaftliche Verbindung zwischen den jeweiligen Gesellschaften oder Unternehmen gebe, die die Waren und Dienstleistungen vermarkteten. Es hat daher entschieden, dass zwischen den beiden Marken Verwechslungsgefahr bestehe(26).

36.   Es ist daran zu erinnern, dass das Gericht bei der Entscheidung über eine Klage gegen eine Entscheidung der Beschwerdekammer des HABM in einer anderen rechtsprechenden Funktion tätig ist als der Gerichtshof bei einer Vorlageentscheidung nach Artikel 234 EG. Das Gericht überprüft die Anwendung bestehender Rechtsgrundsätze auf bestimmte Tatsachen durch die Beschwerdekammer. Der Gerichtshof dagegen beantwortet eine Rechtsfrage; das vorlegende Gericht wendet dann die vom Gerichtshof in seiner Antwort entwickelten Grundsätze auf die bei ihm anhängige Rechtssache an. Den Sachverhalt haben die nationalen Gerichte festzustellen. Der Kontrast zwischen dem Rechtsprechungskontext der beiden Gerichte wird dadurch beleuchtet, dass eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes in ihrem Anwendungsbereich ganz allgemein sein muss, damit sie überall in der Gemeinschaft angewendet werden kann; es ist daher wünschenswert – oder sogar unbedingt erforderlich –, fallspezifische und immer detailliertere Entscheidungen zu vermeiden. Dies gilt vielleicht besonders für den Markenbereich, in dem das Ergebnis einer Rechtssache wahrscheinlich weitgehend durch den ins Einzelne gehenden Sachverhalt bestimmt ist, der den sprachlichen Zusammenhang, den relevanten Markt, die relevanten Verbraucher sowie die kulturellen Normen und Erwartungen umfasst.

37.   In der vorliegenden Rechtssache kann nach meiner Ansicht nicht angenommen werden, dass, weil das Gericht erster Instanz der Meinung war, dass die Marken WESTLIFE und WEST in dem ihm vorliegenden tatsächlichen Zusammenhang einander zum Verwechseln ähnlich gewesen seien, in der vorliegenden Rechtssache die Marken „THOMSON LIFE“ und „LIFE“ in einem anderen tatsächlichen Zusammenhang zwangsläufig einander zum Verwechseln ähnlich sind. Wie oben erwähnt, ist es Sache des vorlegenden Gerichts, die vom Gerichtshof in der Rechtsprechung zur Markenrichtlinie aufgestellten Grundsätze anzuwenden und anhand des ihm vorliegenden Sachverhalts zu bestimmen, ob diese beiden Marken zum Verwechseln ähnlich sind.

38.   Das vorlegende Gericht hat folglich festzustellen, ob die beiden Marken ähnlich genug sind, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen, wobei die verschiedenen vom Gerichtshof festgelegten Faktoren zu berücksichtigen sind, nämlich der Ähnlichkeitsgrad der Waren oder Dienstleistungen zum einen und derjenigen der Marken zum anderen, und das Ausmaß der Unterscheidungskraft der älteren Marke.

39.   Insbesondere im Hinblick auf die Frage, ob eine zusammengesetzte Marke und ein Zeichen, das aus einem ihrer Bestandteile besteht, ähnlich genug sind, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen, hat das vorlegende Gericht auf den Gesamteindruck jeder Marke abzustellen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente, die Art der betroffenen Verkehrskreise, die Art der betreffenden Waren oder Dienstleistungen und die Bedingungen, unter denen sie vertrieben werden, zu berücksichtigen sind. Im Zusammenhang der im Licht dieser Grundsätze geprüften vorliegenden Rechtssache möchte ich nur bemerken, dass das Wort „LIFE“ auf den ersten Blick in der fraglichen zusammengesetzten Marke nicht besonders dominierend oder kennzeichnungskräftig zu sein scheint; ich betone aber, dass es Sache des vorlegenden Gerichts ist, eine Entscheidung zu diesem Punkt zu treffen.

40.   Schließlich möchte ich die vom vorlegenden Gericht in dieser Rechtssache ausgedrückte Besorgnis erwähnen, dass es als unbillig empfunden werde, dass ein älteres Zeichen von einem Dritten durch Hinzufügen einer Unternehmensbezeichnung usurpiert werden könne. Es erscheint offensichtlich, dass solche Bedenken richtigerweise nicht im Rahmen des Markenrechts, sondern im Zusammenhang mit nationalen Gesetzen zum unlauteren Wettbewerb anzusprechen sind. In der sechsten Begründungserwägung der Richtlinie heißt es, dass „[d]iese Richtlinie ... nicht aus[schließt], dass auf die Marken andere Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten als die des Markenrechts, wie die Vorschriften gegen den unlauteren Wettbewerb, über die zivilrechtliche Haftung oder den Verbraucherschutz, Anwendung finden“.

 Ergebnis

41.   Meiner Auffassung nach sollte deshalb die Vorlagefrage des Oberlandesgerichts Düsseldorf wie folgt beantwortet werden:

Bei der Entscheidung der Frage, ob ein zusammengesetztes Wortzeichen oder Wort‑/Bildzeichen, das eine Unternehmensbezeichnung gefolgt von einer älteren Marke enthält, die aus einem einzigen „normal kennzeichnungskräftigen“ Wort besteht und zwar nicht den Gesamteindruck des zusammengesetzten Zeichens prägt, aber darin eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, der älteren Marke hinreichend ähnlich ist, um im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen zu begründen, hat das nationale Gericht auf den Gesamteindruck jeder Marke abzustellen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente, die Art der betroffenen Verkehrskreise, die Art der betreffenden Waren oder Dienstleistungen und die Bedingungen, unter denen sie vertrieben werden, zu berücksichtigen sind.


1 – Originalsprache: Englisch.


2 – Erste Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1).


3 – [Diese Fußnote betrifft nur die englische Fassung der Schlussanträge].


4 – Urteil vom 11. November 1997 in der Rechtssache C‑251/95 (Sabèl, Slg. 1997, I‑6191).


5 – Die Ausdrücke, die in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie, der die Gründe nennt, aus denen eine Marke von der Eintragung ausgeschlossen sein oder im Fall der Eintragung der Ungültigerklärung unterliegen kann, verwendet werden, sind im Wesentlichen die gleichen wie in Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b. Die Auslegung des Gerichtshofes von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b hat daher auch für Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b zu gelten (Urteil vom 22. Juni 2000 in der Rechtssache C‑425/98, Marca Mode, Slg. 2000, I‑4861, Randnrn. 26 bis 28).


6 – Urteil Sabèl (zitiert in Fußnote 4, Randnr. 22).


7 – Urteil Marca Mode (zitiert in Fußnote 5, Randnr. 39).


8 – Urteil vom 29. September 1998 in der Rechtssache C‑39/97 (Canon, Slg. 1998, I‑5507, Randnr. 17).


9 – Urteil Sabèl (zitiert in Fußnote 4, Randnr. 24).


10 – Urteil vom 22. Juni 1999 in der Rechtssache C‑342/97 (Lloyd Schuhfabrik Meyer, Slg. 1999, I‑3819, Randnr. 22).


11 – Urteil Sabèl (zitiert in Fußnote 4, Randnr. 23).


12 – Urteil Lloyd Schuhfabrik Meyer (Randnr. 26).


13 – Urteil Sabèl (zitiert in Fußnote 4, Randnr. 23).


14 – Urteil Lloyd Schuhfabrik Meyer (zitiert in Fußnote 10, Randnr. 27).


15 – Urteil vom 23. Oktober 2002 in der Rechtssache T‑6/01 (Matratzen Concord/HABM, Slg. 2002, II‑4335). Beim Gerichtshof ist gegenwärtig ein Ersuchen der Audiencia Provincial Barcelona um Vorabentscheidung über eine andere Frage anhängig, die sich in einem Verfahren vor diesem Gericht in Bezug auf dieselben Marken stellt (Rechtssache C-421/04, Matratzen Concord).


16 – Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1).


17 – Vgl. Randnrn. 24 bis 26 des Urteils.


18 –      Randnrn. 33 bis 35.


19 – Randnrn. 38 bis 43.


20 – Randnrn. 44 bis 48.


21 – Beschluss vom 28. April 2004 in der Rechtssache C‑3/03 P (Matratzen Concord/HABM).


22 –      Randnrn. 32 und 33.


23 – Urteil Sabèl (zitiert in Fußnote 4, Randnr. 23).


24 – Urteil vom 4. Mai 2005 in der Rechtssache T‑22/04.


25 – Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle).


26 – Randnrn. 39, 40, 42 und 43.