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Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 9. November 2010 (Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts Wiesbaden - Deutschland) - Volker und Markus Schecke GbR (C-92/09), Hartmut Eifert (C-93/09)/Land Hessen

(Verbundene Rechtssachen C-92/09 und C-93/09)1

(Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten - Veröffentlichung von Informationen über die Empfänger von Agrarbeihilfen - Gültigkeit der Unionsrechtsvorschriften, die diese Veröffentlichung vorsehen und deren Modalitäten festlegen - Charta der Grundrechte der Europäischen Union - Art. 7 und 8 - Richtlinie 95/46/EG - Auslegung der Art. 18 und 20)

Verfahrenssprache: Deutsch

Vorlegendes Gericht

Verwaltungsgericht Wiesbaden

Parteien des Ausgangsverfahrens

Kläger: Volker und Markus Schecke GbR (C-92/09), Hartmut Eifert (C-93/09)

Beklagter: Land Hessen

Sonstige Beteiligte: Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung

Gegenstand

Vorabentscheidungsersuchen - Verwaltungsgerichts Wiesbaden - Gültigkeit von Art. 42 Abs. 1 Nr. 8b und Art. 44a der Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 des Rates vom 21. Juni 2005 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. L 209, S. 1), der Verordnung (EG) Nr. 259/2008 der Kommission vom 18. März 2008 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 des Rates hinsichtlich der Veröffentlichung von Informationen über die Empfänger von Mitteln aus dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) und dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) (ABl. L 76, S. 28) und der Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG (ABl. L 105, S. 54) - Auslegung der Art. 7, 18 Abs. 2 und 20 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281, S. 31) - Verarbeitung personenbezogener Daten der Empfänger von Mitteln aus europäischen Landwirtschaftsfonds, die in der Veröffentlichung dieser Daten auf einer mit einer Suchfunktion ausgestatteten Internetseite besteht - Gültigkeit der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen, die diese Veröffentlichung vorsehen und deren Modalitäten regeln, im Hinblick auf das Recht auf Schutz personenbezogener Daten - Voraussetzungen, unter denen eine derartige Veröffentlichung erfolgen darf

Tenor

Die Art. 42 Nr. 8b und 44a der Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 des Rates vom 21. Juni 2005 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1437/2007 des Rates vom 26. November 2007 geänderten Fassung und die Verordnung (EG) Nr. 259/2008 der Kommission vom 18. März 2008 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 1290/2005 hinsichtlich der Veröffentlichung von Informationen über die Empfänger von Mitteln aus dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) und dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) sind ungültig, soweit diese Bestimmungen bei natürlichen Personen, die Empfänger von EGFL- und ELER-Mitteln sind, die Veröffentlichung personenbezogener Daten hinsichtlich aller Empfänger vorschreiben, ohne nach einschlägigen Kriterien wie den Zeiträumen, während deren sie solche Beihilfen erhalten haben, der Häufigkeit oder auch Art und Umfang dieser Beihilfen zu unterscheiden.

Die Ungültigkeit der in Nr. 1 dieses Tenors genannten Unionsrechtsbestimmungen lässt es nicht zu, die Wirkungen der Veröffentlichung der Listen von Empfängern von EGFL- und ELER-Mitteln in Frage zu stellen, die die nationalen Behörden in der Zeit vor dem Tag der Verkündung des vorliegenden Urteils auf der Grundlage dieser Bestimmungen vorgenommen haben.

Art. 18 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr ist dahin auszulegen, dass er den Datenschutzbeauftragten nicht zur Führung des in dieser Bestimmung vorgesehenen Verzeichnisses verpflichtet, bevor eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne der Art. 42 Nr. 8b und 44a der Verordnung Nr. 1290/2005 in der durch die Verordnung Nr. 1437/2007 geänderten Fassung und der Verordnung Nr. 259/2008 durchgeführt wurde.

Art. 20 der Richtlinie 95/46 ist dahin auszulegen, dass er die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, die Veröffentlichung von Informationen im Sinne der Art. 42 Nr. 8b und 44a der Verordnung Nr. 1290/2005 in der durch die Verordnung Nr. 1437/2007 geänderten Fassung und der Verordnung Nr. 259/2008 der in dieser Bestimmung vorgesehenen Vorabkontrolle zu unterwerfen.

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1 - ABl. C 129 vom 6.6.2009. ABl. C 119 vom 16.5.2009.