Language of document : ECLI:EU:C:2024:300

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

ANTHONY M. COLLINS

vom 11. April 2024(1)

Rechtssache C710/22 P

JCDecaux Street Furniture Belgium

gegen

Europäische Kommission

„Rechtsmittel – Staatliche Beihilfen – Art. 107 Abs. 1 AEUV – Beihilfe der belgischen Behörden zugunsten von JCDecaux Street Furniture Belgium – Nichtzahlung von Miete und Abgaben für im Gebiet der Stadt Brüssel (Belgien) aufgestellte Werbevorrichtungen – Wirtschaftlicher Vorteil – Ausgleichsmechanismus – Beschluss der Kommission, mit dem die Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt und ihre Rückforderung angeordnet wird – Keine widersprüchliche Begründung – Überprüfung der Tatsachen- und Beweiswürdigung durch den Gerichtshof – Ausschluss außer bei Verfälschung“






 Einleitung

1.        Mit dem vorliegenden Rechtsmittel beantragt JCDecaux Street Furniture Belgium (im Folgenden: JCDecaux) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union in der Rechtssache T‑642/19(2), mit dem dieses ihre Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses (EU) 2019/2120 der Europäischen Kommission vom 24. Juni 2019 über die staatliche Beihilfe SA.33078 (2015/C) (ex 2015/NN) Belgiens zugunsten von JCDecaux Belgium Publicité(3) abgewiesen hat. Die vorliegende Rechtssache gibt dem Gerichtshof u. a. Gelegenheit, sich zu Art und Umfang der gerichtlichen Kontrolle zu äußern, die er im Rahmen eines Rechtsmittels vorzunehmen hat.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2.        Die Stadt Brüssel (Belgien) und JCDecaux schlossen zwei aufeinanderfolgende Verträge mit einer Laufzeit von jeweils 15 Jahren über die Aufstellung von mit Werbeflächen versehenen Buswartehäuschen und Straßenmöbelstücken zu Informationszwecken (City Information Panels, im Folgenden: CIP) im Gebiet dieser Stadt, die teilweise zu Werbezwecken genutzt werden konnten(4).

3.        Der erste Vertrag vom 16. Juli 1984 (im Folgenden: Vertrag von 1984) bezog sich auf mit Werbeflächen versehene Buswartehäuschen und CIP, die im Eigentum von JCDecaux blieben. Er sah u. a. vor, dass diese der Stadt Brüssel für die Buswartehäuschen und die CIP keine Miete, Nutzungs- oder Lizenzgebühren zu zahlen hatte, ihr aber bestimmte Sachleistungen erbringen musste: kostenlose Bereitstellung von Papierkörben, öffentlichen Toiletten und elektronischen Publikationen, Erstellung eines allgemeinen Stadtplans, eines Tourismus- und Hotelplans sowie eines Plans des Fußgängernetzes der Stadt. Als Gegenleistung war JCDecaux berechtigt, bestimmte Vorrichtungen, die in den zur Verfügung gestellten Buswartehäuschen und CIP integriert oder von ihnen getrennt waren, zu Werbezwecken zu nutzen. Die einzelnen Vorrichtungen konnten ab dem im kontradiktorischen Protokoll festgestellten Bereitstellungszeitpunkt für eine Dauer von 15 Jahren betrieben werden(5).

4.        Im Jahr 1998 führte die Stadt Brüssel ein Ausschreibungsverfahren über „die Herstellung, Lieferung, Aufstellung, Inbetriebnahme sowie die Wartung und Verwaltung von [CIP], Bus-/Bahnwartehäuschen und Plakatstellen [durch], die teilweise für Werbezwecke eingesetzt werden können“. Um ihre Verpflichtungen aus dem Vertrag von 1984 zu wahren und um die Transparenz des Ausschreibungsverfahrens zu gewährleisten, listete die Stadt Brüssel in Anhang 10 des besonderen Lastenhefts des Ausschreibungsverfahrens (im Folgenden: Anhang 10) 282 Buswartehäuschen und 198 CIP auf, die unter den Vertrag von 1984 fielen (im Folgenden: in Anhang 10 aufgelistete Vorrichtungen) und hinsichtlich deren das Nutzungsrecht von JCDecaux nach den Bestimmungen dieses Vertrags noch nicht ausgelaufen war; dabei wurden der Standort der einzelnen Vorrichtungen und das Datum für das Auslaufen ihrer Nutzung (im Folgenden: Termin) angegeben.

5.        Nachdem JCDecaux erfolgreich am Ausschreibungsverfahren teilgenommen hatte, wurde am 14. Oktober 1999 zwischen ihr und der Stadt Brüssel ein zweiter Vertrag geschlossen (im Folgenden: Vertrag von 1999). Dieser Vertrag, der aus einer Auftragserteilung, dem besonderen Lastenheft und dessen Anhängen, einschließlich des Anhangs 10, bestand, ersetzte den Vertrag von 1984. Er sah u. a. vor, dass die Stadt Brüssel gegen Zahlung eines Netto-Pauschalpreises pro geliefertem, vollständig ausgestattetem, aufgestelltem und betriebsbereitem Werbeträger Eigentümerin der bereitgestellten Stadtmöbelstücke wurde und dass JCDecaux für die Nutzung dieser Stadtmöbelstücke zu Werbezwecken eine Monatsmiete zu zahlen hatte.

6.        Im Lauf der Durchführung des Vertrags von 1999 wurden einige in Anhang 10 aufgelistete Vorrichtungen vor den jeweiligen in diesem Anhang für sie vorgesehenen Terminen abgebaut, wohingegen andere Vorrichtungen (im Folgenden: streitige Vorrichtungen) von JCDecaux über diese Termine hinaus weiter genutzt wurden. Für Letztere forderte die Stadt Brüssel keine Miete und keine Abgaben. Diese Situation dauerte bis August 2011 an, als die letzten in Anhang 10 aufgelisteten Vorrichtungen abgebaut wurden.

7.        Am 19. April 2011 erhob Clear Channel Belgium (im Folgenden: CCB) bei der Kommission Beschwerde; darin vertrat sie die Auffassung, JCDecaux habe, indem sie die streitigen Vorrichtungen über die für sie vorgesehenen Termine weiterbetreibe, ohne dafür an die Stadt Brüssel Miete oder Abgaben zu entrichten, eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfe erhalten.

8.        Am 24. März 2015 leitete die Kommission das förmliche Prüfverfahren gemäß Art. 108 Abs. 2 AEUV ein und forderte das Königreich Belgien und die anderen Beteiligten zur Stellungnahme auf. Die Kommission erhielt Stellungnahmen vom Königreich Belgien, von CCB und von JCDecaux. Zwischen diesen und der Kommission fanden weitere Gespräche und Schriftwechsel statt.

9.        In ihrer Stellungnahme wiesen die belgischen Behörden u. a. darauf hin, dass sie den Verbleib und den Betrieb der streitigen Vorrichtungen über die in Anhang 10 vorgesehenen Termine hinaus geduldet hätten, um das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrags von 1984 zu wahren, da einige in diesem Anhang aufgeführte Vorrichtungen auf Ersuchen der Stadt Brüssel, die u. a. aus ästhetischen Gründen andere Modelle habe aufstellen wollen, vorzeitig entfernt worden seien. Da JCDecaux durch die vorzeitige Entfernung einen Nachteil erlitten habe, sei es hinnehmbar, dass sie zum Ausgleich dafür andere Vorrichtungen länger als geplant weiterbetreiben dürfe und für diese keine Miete oder Abgaben zahlen müsse(6). Die belgischen Behörden räumten ein, dass es zwischen der Anzahl vorzeitig entfernter Vorrichtungen und der Anzahl über ihre jeweiligen Termine hinaus weiterbetriebener Vorrichtungen ein begrenztes Ungleichgewicht gebe. Bei Berechnung der Differenz zwischen den Miet- und Abgabeneinsparungen, auf die JCDecaux durch die Zustimmung zu den vorzeitigen Entfernungen verzichtet habe, und den von ihr mit dem Weiterbetrieb anderer Vorrichtungen über diese Termine hinaus erzielten Miet- und Abgabeneinsparungen ergebe sich für die Zeit zwischen Dezember 1999 und 2011 lediglich ein finanzieller Vorteil von höchstens 100 000 bis 150 000 Euro(7). Die fragliche Maßnahme könne somit eine „De-minimis“-Beihilfe im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1998/2006 der Kommission vom 15. Dezember 2006 über die Anwendung der Artikel [107 und 108 AEUV] auf „De-minimis“-Beihilfen(8) darstellen.

10.      Am 24. Juni 2019 erließ die Kommission den streitigen Beschluss.

11.      In den Erwägungsgründen 66 bis 69 des streitigen Beschlusses grenzte die Kommission den Gegenstand ihrer Analyse ein und stellte u. a. klar, dass die Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 [AEUV](9) angesichts der in ihrem Art. 17 genannten Verjährungsvorschriften nur das Ausmaß betreffe, in dem der Weiterbetrieb der streitigen Vorrichtungen über die in Anhang 10 vorgesehenen Termine hinaus ohne Zahlung von Miete oder Abgaben eine staatliche Beihilfe darstelle, die JCDecaux nach dem 15. September 2001 gewährt worden sei.

12.      In den Erwägungsgründen 72 bis 81 des streitigen Beschlusses prüfte die Kommission die Voraussetzungen im Zusammenhang mit der Zurechenbarkeit an den Staat und der Übertragung staatlicher Mittel. Sie hob u. a. hervor, dass die belgischen Behörden weder bestritten, dass die fragliche Maßnahme ihnen zuzurechnen sei, noch, dass diese bei der Stadt Brüssel zu einem Gewinnausfall in Form entgangener Miete und Abgaben auf die streitigen Vorrichtungen geführt habe, die normalerweise durch unter den Vertrag von 1999 fallende Vorrichtungen ersetzt worden wären.

13.      In den Erwägungsgründen 82 bis 96 des streitigen Beschlusses prüfte die Kommission die Voraussetzung im Zusammenhang mit dem Vorliegen eines wirtschaftlichen Vorteils.

14.      Die Kommission stellte insoweit zunächst fest, dass JCDecaux seit 1999 im Zuge des Auslaufens der auf dem Vertrag von 1984 beruhenden Genehmigungen weiterhin Werbevorrichtungen im Gebiet der Stadt Brüssel betrieben habe, ohne Miete oder Abgaben zu zahlen, obwohl diese Vorrichtungen nach dem Vertrag von 1999 hätten entfernt werden müssen. Gemäß demselben Vertrag hätten für den Betrieb neuer Werbevorrichtungen, die an ihre Stelle getreten wären, Miete und Abgaben gezahlt werden müssen(10).

15.      Sodann wies die Kommission darauf hin, dass die belgischen Behörden anerkannt hätten, dass JCDecaux „insgesamt“ einen wirtschaftlichen Vorteil genossen habe, und dass sie lediglich das Ausmaß dieses Vorteils bestritten. In Bezug auf das Argument der belgischen Behörden, dass es einen Ausgleichsmechanismus gebe, erinnerte sie unter Bezugnahme auf das Urteil Orange/Kommission(11) daran, dass eine staatliche Maßnahme nur dann nicht unter Art. 107 Abs. 1 AEUV falle, soweit sie nach den im Urteil Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg(12) aufgestellten Kriterien als Ausgleich anzusehen sei, der die Gegenleistung für Leistungen bilde, die von Unternehmen, die mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut seien, zur Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen erbracht würden. Der Vertrag von 1984 und der Vertrag von 1999 seien rein kommerzielle Verträge, deren Bestimmungen JCDecaux nicht mit einer gemeinwirtschaftlichen Aufgabe betrauten. Der vermeintliche Ausgleich – „angenommen, er bezweckt [tatsächlich den Ausgleich des] mit einer potentiellen Verpflichtung ..., einige Werbeträger frühzeitig abzubauen[, verbundenen Nachteils]“ – bedeute somit einen Vorteil für JCDecaux. Diese Schlussfolgerung sei umso offensichtlicher, „als [nur schwerlich davon ausgegangen werden kann], dass [JCDecaux] einen strukturellen Nachteil erlitten habe, da [sie] aus eigenem Antrieb akzeptiert hat, diese Vorrichtungen abzubauen, und ... die belgischen Behörden selbst eingeräumt haben, dass der streitige Ausgleich über das hinausgegangen sei, was für den angenommenen Nachteil erforderlich gewesen sei“(13). Die Kommission machte darüber hinaus geltend, dass hier keiner der in den Rn. 69 und 71 ihrer Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 [AEUV](14) genannten Fälle vorliege, indem sie u. a. wiederholte, dass JCDecaux „aus eigenem Antrieb“ zugestimmt habe, einige unter den Vertrag von 1984 fallende Vorrichtungen zu entfernen(15). Zudem habe nicht davon ausgegangen werden können, dass sich die Stadt Brüssel wie ein privater Marktteilnehmer verhalten habe. Der angebliche Ausgleichsmechanismus sei nämlich weder formalisiert noch überwacht worden, aus keinem der der Kommission vorgelegten Dokumente gehe hervor, dass zwischen der Stadt Brüssel und JCDecaux irgendwelche Verhandlungen über diesen Mechanismus stattgefunden hätten, und nichts deute darauf hin, dass die Stadt Brüssel eine Analyse der „effektiven Einnahmenverluste für [JCDecaux] im Zusammenhang mit dem frühzeitigen Abbau einiger Vorrichtungen des Vertrags von 1984 im Vergleich zu dem Gewinn [durchgeführt habe], der aus dem Verbleib anderer Vorrichtungen entstanden ist, die übrigens vollständig abgeschrieben waren (die Kosten für diese Vorrichtungen waren durch den Betrieb während der offiziellen Dauer des Vertrags von 1984 logischerweise vollständig zurückgezahlt – einschließlich der Marge von [JCDecaux])“(16).

16.      Schließlich führte die Kommission aus, ihr Standpunkt zum Vorliegen eines Vorteils werde durch ein Urteil der Cour d’appel de Bruxelles (Appellationshof Brüssel, Belgien) vom 29. April 2016(17) bestätigt, in dem diese festgestellt habe, dass JCDecaux die in Anhang 10 für die streitigen Vorrichtungen vorgesehenen Entfernungstermine nicht beachtet und die Vorrichtungen im öffentlichen Raum der Stadt Brüssel ohne Rechtsgrund oder Berechtigung betrieben habe. Die Cour d’appel de Bruxelles habe entschieden, dass JCDecaux auf diese Weise objektiv unrechtmäßige Handlungen vorgenommen habe, die gegen die anständigen Marktpraktiken verstießen, da der Betrieb von Werbevorrichtungen, die sich nicht oder nicht mehr in ihrem Netz befinden dürften, ihr einen unrechtmäßigen Wettbewerbsvorteil verschaffe, der die Werbetreibenden dazu veranlassen könne, sich von ihrem Wettbewerber CCB abzuwenden.

17.      Die Kommission zog aus den vorstehenden Erwägungen den Schluss, dass die Tatsache, dass JCDecaux die streitigen Vorrichtungen zwischen 1999 und 2011 über die in Anhang 10 vorgesehenen Termine hinaus weiterbetrieben habe, ohne Miete oder Abgaben zu zahlen, eine Verringerung der Belastungen bewirkt habe, die sie bei der Ausübung ihrer Tätigkeit normalerweise hätte tragen müssen, und einen wirtschaftlichen Vorteil darstelle.

18.      In den Erwägungsgründen 97 bis 102 des streitigen Beschlusses prüfte die Kommission die Voraussetzung im Zusammenhang mit der Selektivität des Vorteils. Sie wies u. a. darauf hin, dass die fragliche Maßnahme ihrem Wesen nach eine individuelle Maßnahme sei und die Feststellung des Vorteils in diesem Fall grundsätzlich ihre Selektivität vermuten lasse.

19.      In den Erwägungsgründen 103 bis 121 des streitigen Beschlusses stellte die Kommission fest, dass die fragliche Maßnahme geeignet sei, den Wettbewerb zu verfälschen und den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Sie wies u. a. das Argument der belgischen Behörden zurück, wonach diese Maßnahme eine „De-minimis“-Beihilfe im Sinne der Verordnung Nr. 1998/2006 darstellen könne.

20.      Im 122. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses zog die Kommission aus sämtlichen vorstehenden Erwägungen den Schluss, dass die fragliche Maßnahme eine Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstelle.

21.      Nachdem die Kommission in den Erwägungsgründen 123 und 124 des streitigen Beschlusses festgestellt hatte, dass die fragliche Maßnahme eine rechtswidrige staatliche Beihilfe darstelle, da sie nicht bei ihr angemeldet worden sei, und in den Erwägungsgründen 125 bis 130 dieses Beschlusses, dass die Beihilfe nicht als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden könne, prüfte sie in den Erwägungsgründen 131 bis 144 des Beschlusses die Frage des zurückzufordernden Betrags der unvereinbaren Beihilfe. In diesem Zusammenhang erläuterte sie, dass der bei der Berechnung dieses Betrags anzuwendende „allgemeine Grundsatz“ darin bestehe, die Höhe der Mieten und Abgaben, die die Stadt Brüssel ohne die fragliche Maßnahme hätte einnehmen müssen, zu schätzen, wobei sie klarstellte, dass diese Berechnung „für jeden Werbeträger des Vertrags von 1984, der über den 15. September 2001 ... hinaus aufgestellt blieb, erfolgen müsse, wobei als Referenz die gemäß dem Vertrag von 1999 fälligen Mieten und allgemein auf Werbeträger anwendbaren Abgaben ... zwischen dem ursprünglich vorgesehenen Termin des Abbaus ... (wenn dieser Termin nach dem 15. September 2001 liegt) oder dem 15. September 2001 (wenn der ursprünglich vorgesehene Termin des Abbaus vor dem 15. September 2001 liegt) und dem Datum des tatsächlich vorgenommenen Abbaus dienen“ müssten(18). Nachdem sie darauf hingewiesen hatte, dass sie die Argumentation der belgischen Behörden im Zusammenhang mit dem Ausgleichsmechanismus als „nicht fundiert“ ansehe, vertrat sie die Ansicht, dass „der JCDecaux gewährte Vorteil den gesamten Ersparnissen entspreche, die das Unternehmen durch die Fortführung des Betriebs der Vorrichtungen des Vertrags von 1984 gemacht habe, anstatt diese durch Vorrichtungen zu ersetzen, die mit dem Vertrag von 1999 konform sind“(19). Die Berechnung des Betrags der Beihilfe müsse somit erfolgen, „ohne dabei jegliche Ausgleichslogik anzuwenden“, wobei „für jede betroffene Vorrichtung und den entsprechenden Zeitraum die bestehenden Mieten und die gemäß den Abgabenverordnungen von 2001 ff. anfallenden Abgaben für eine Vorrichtung derselben Fläche [zu] berücksichtigen“ seien(20).

 Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

22.      Mit Klageschrift, die am 25. September 2019 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob JCDecaux Klage auf Nichtigerklärung der Art. 1 bis 4 des streitigen Beschlusses. Mit Beschluss vom 22. April 2020 ließ der Präsident der Ersten Kammer des Gerichts die Streithilfe von CCB zur Unterstützung der Anträge der Kommission zu.

23.      JCDecaux stützte ihre Klage auf vier Gründe, in erster Linie auf den ersten und hilfsweise auf die drei anderen. Mit dem ersten Klagegrund, der in drei Teile gegliedert war, machte sie geltend, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler und einen Rechtsfehler begangen habe, als sie festgestellt habe, dass der Betrieb der streitigen Vorrichtungen über die in Anhang 10 vorgesehenen Termine hinaus einen Vorteil darstelle. Mit dem ersten Teil warf sie der Kommission vor, den Ausgleichsmechanismus zu Unrecht außer Acht gelassen zu haben. Mit dem zweiten Teil trug sie vor, die Kommission habe ein falsches kontrafaktisches Szenario angenommen, als sie davon ausgegangen sei, dass für die über ihre jeweiligen Termine hinaus weiterbetriebenen streitigen Vorrichtungen Miete und Abgaben hätten erhoben werden müssen. Mit dem dritten Teil führte sie aus, die Kommission habe den Vertrag von 1984 zu Unrecht als „rein kommerziell“ eingestuft und sich daher geweigert, die im Urteil Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg(21) festgelegten Kriterien anzuwenden. Mit dem zweiten Klagegrund trug sie vor, eine hypothetische staatliche Beihilfe wäre in Anwendung der Mitteilung der Kommission über den Rahmen der Europäischen Union für staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen(22) und des Beschlusses 2012/21/EU der Kommission vom 20. Dezember 2011 über die Anwendung von Artikel 106 Absatz 2 [AEUV] auf staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen zugunsten bestimmter Unternehmen, die mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind(23), mit dem Binnenmarkt vereinbar gewesen. Der dritte Klagegrund war in zwei Teile gegliedert. Mit dem ersten Teil warf sie der Kommission vor, nicht hinreichend auf die von den Parteien vorgetragenen Gesichtspunkte eingegangen zu sein sowie in einer Pressemitteilung den Betrag der zurückzufordernden Beihilfe vorweggenommen und gegen ihre internen Verfahrensvorschriften verstoßen zu haben. Mit dem zweiten Teil machte sie u. a. geltend, dass es unmöglich sei, den behaupteten Vorteil zu quantifizieren, da der Vertrag von 1984 keine Zahlung einer Miete, eines Nutzungsentgelts oder von Gebühren vorsehe. Mit dem vierten Klagegrund führte sie aus, dass die angebliche staatliche Beihilfe jedenfalls verjährt sei.

24.      Mit dem angefochtenen Urteil wies das Gericht diese vier Klagegründe zurück und damit die Klage insgesamt ab, verurteilte JCDecaux zur Tragung ihrer eigenen Kosten sowie der Kosten der Kommission und erlegte CCB ihre eigenen Kosten auf.

25.      Die für die Zwecke des vorliegenden Rechtsmittels relevanten Erwägungen des Gerichts sind im Wesentlichen diejenigen, die sich auf den ersten und den zweiten Teil des ersten Klagegrundes sowie auf den zweiten Teil des dritten Klagegrundes beziehen.

26.      In Bezug auf den ersten Teil des ersten Klagegrundes kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Kommission zu Recht angenommen habe, dass der Verbleib und der Betrieb der streitigen Vorrichtungen durch JCDecaux über die in Anhang 10 vorgesehenen Termine hinaus einen wirtschaftlichen Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstelle, „auch wenn dieser Verbleib ein Ausgleichsmechanismus des Vertrags von 1984 gewesen sei“(24).

27.      Das Gericht wies insoweit erstens darauf hin, dass der Begriff der „staatlichen Beihilfe“ ein objektiver rechtlicher Begriff sei, der in Art. 107 Abs. 1 AEUV unmittelbar definiert sei und der nicht nach den Ursachen oder den Zielen staatlicher Maßnahmen unterscheide, sondern der diese anhand ihrer Auswirkungen definiere, so dass auf der Grundlage des Umstands, dass das Ziel der staatlichen Maßnahme darin bestanden habe, das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrags von 1984 zu wahren, oder des Umstands, dass dieses Ziel mit den Grundsätzen des nationalen Rechts vereinbar gewesen sei, die Einstufung einer solchen Maßnahme als „staatliche Beihilfe“ nicht von vornherein ausgeschlossen werden könne(25).

28.      Zweitens entschied das Gericht, dass der Umstand, dass JCDecaux den Betrieb der streitigen Vorrichtungen über die in Anhang 10 vorgesehenen Termine hinaus fortgesetzt habe, ohne dafür Miete oder Abgaben an die Stadt Brüssel zu zahlen, zu einer Minderung ihrer ihr Budget belastenden Aufwendungen geführt habe(26). Die Parteien hätten nämlich darin übereingestimmt, dass JCDecaux nach dem Abschluss des Vertrags von 1999 auf dem Gebiet der Stadt Brüssel Stadtmöbelstücke nur im Rahmen der in diesem Vertrag vorgesehenen Voraussetzungen, wonach sie zur Zahlung von Miete und Abgaben verpflichtet gewesen sei, habe aufstellen und betreiben können. Das Gericht stellte darüber hinaus fest, dass die in Anhang 10 aufgelisteten Vorrichtungen nach diesem Anhang als Ausnahme von den Bestimmungen des Vertrags von 1999 von JCDecaux unter den im Vertrag von 1984 vorgesehenen Voraussetzungen weiter hätten genutzt werden können, wobei diese Regelung aber nur bis zu den im Anhang vorgesehenen Terminen gegolten habe. Es fügte hinzu, dass diese Vorrichtungen nach diesen Terminen durch neue, unter den Vertrag von 1999 fallende Vorrichtungen hätten ersetzt werden müssen, so dass ab diesen Terminen Abgaben und Miete zu zahlen gewesen seien(27). Das Gericht kam zu dem Schluss, dass es der Umstand, die streitigen Vorrichtungen entsprechend den Bedingungen des Vertrags von 1984 nach den besagten Terminen weiterzubetreiben, es JCDecaux ermöglicht habe, die Aufstellung und den Betrieb neuer, im Vertrag von 1999 vorgesehener Vorrichtungen und infolgedessen die Zahlung von Miete und Abgaben zu vermeiden, die sie nach dem letztgenannten Vertrag hätte zahlen müssen(28). Es erinnerte darüber hinaus an einige Feststellungen, die die Cour d’appel de Bruxelles in ihrem Urteil vom 29. April 2016 getroffen hatte(29).

29.      Drittens(30) vertrat das Gericht die Auffassung, dass die Kommission zu Recht die Urteile Orange/Kommission(31) sowie Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg(32) herangezogen habe.

30.      Viertens bestätigte das Gericht – im Wesentlichen unter Heranziehung der diesbezüglichen Erwägungen der Kommission(33) – deren Schlussfolgerung, dass der angebliche Ausgleichsmechanismus nicht als mit dem Kriterium des Verhaltens eines privaten Marktteilnehmers im Einklang stehend erachtet werden könne(34).

31.      Zum zweiten Teil des ersten Klagegrundes stellte das Gericht fest, dass die Kommission keinen Beurteilungsfehler begangen habe, als sie angenommen habe, dass JCDecaux ein Vorteil in Form von Ersparnissen bei der Miete und den Abgaben entstanden sei(35). Hinsichtlich der nicht erhobenen Mieten erinnerte das Gericht daran, dass JCDecaux nach dem Inkrafttreten des Vertrags von 1999 auf dem Gebiet der Stadt Brüssel Stadtmöbelstücke nur unter den Bedingungen dieses Vertrags, wonach Mieten und Abgaben zu entrichten gewesen seien, habe aufstellen und betreiben dürfen(36). Hinsichtlich der nicht erhobenen Abgaben wies das Gericht u. a. das Argument von JCDecaux zurück, die von der Stadt Brüssel erlassenen Abgabenverordnungen könnten kein Bezugssystem darstellen, da es auf nationalem Gebiet und auch auf dem Gebiet der Region Brüssel-Hauptstadt kein einheitliches Abgabensystem gebe. Es vertrat die Auffassung, dass dieses Argument, sollte es dahin auszulegen sein, dass dabei auf den selektiven Charakter der Maßnahme Bezug genommen werde, zurückzuweisen sei, da, wenn es sich dabei um eine individuelle Maßnahme handele, ein selektiver Charakter des wirtschaftlichen Vorteils angenommen werde(37). Jedenfalls hätten die belgischen Behörden im vorgerichtlichen Verfahren nicht in Abrede gestellt, dass diese Verordnungen das abgabenrechtliche Bezugssystem darstellten(38). Das Gericht ging ferner davon aus, dass die Kommission zu Recht zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die von der Stadt Brüssel seit 2001 erlassenen Abgabenverordnungen auf die über ihre jeweiligen Termine hinaus an Ort und Stelle belassenen streitigen Vorrichtungen anzuwenden seien und dass die Freistellung durch die Stadt Brüssel vor dem Besteuerungsjahr 2009 eine Abweichung vom Bezugssystem darstelle, die einen von dieser aus öffentlichen Mitteln finanzierten Vorteil zur Folge habe(39). Es schloss aus, dass die beiden Urteile des Tribunal de première instance francophone de Bruxelles (französischsprachiges Gericht Erster Instanz von Brüssel, Belgien) vom 4. November 2016(40), die bestätigt hätten, dass JCDecaux hinsichtlich des Vertrags von 1999 keine kommunalen Abgaben für den Werbebereich hätte zahlen müssen, für die Einstufung der fraglichen Maßnahme als staatliche Beihilfe von Belang gewesen seien(41).

32.      Zum zweiten Teil des dritten Klagegrundes stellte das Gericht u. a. fest, dass die Kommission erläutert habe, weshalb nach ihrer Auffassung der JCDecaux erwachsene Vorteil höher gewesen sei als der von den belgischen Behörden angenommene Betrag(42). Darüber hinaus wies es das aus der Unmöglichkeit einer Quantifizierung dieses Vorteils und der sich daraus ergebenden Verletzung ihrer Verteidigungsrechte hergeleitete Argument von JCDecaux als auf der falschen Prämisse beruhend zurück, dass der Verbleib und der Betrieb der streitigen Vorrichtungen über die vorgesehenen Termine hinaus nur dann einen Vorteil darstellten, wenn sie über das hinausgingen, was durch den Ausgleichsmechanismus ausgeglichen werde(43).

 Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien

33.      Mit Schriftsatz, der am 17. November 2022 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, hat JCDecaux das vorliegende Rechtsmittel eingelegt. Sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, ihren im ersten Rechtszug gestellten Anträgen stattzugeben, die Art. 1 bis 4 des streitigen Beschlusses für nichtig zu erklären und der Kommission die Kosten aufzuerlegen. In ihrer Rechtsmittelbeantwortung, die am 1. Februar 2023 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, beantragt die Kommission, das Rechtsmittel zurückzuweisen und JCDecaux die Kosten aufzuerlegen. CCB hat darauf verzichtet, eine Rechtsmittelbeantwortung einzureichen.

34.      In der Sitzung vom 17. Januar 2024 haben JCDecaux, die Kommission und CCB mündlich verhandelt sowie die schriftlichen und mündlichen Fragen des Gerichtshofs beantwortet. CCB hat beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen, sich aber nicht zu den Kosten geäußert.

 Würdigung

35.      JCDecaux stützt ihr Rechtsmittel auf zwei Gründe, mit denen sie erstens eine widersprüchliche Begründung des angefochtenen Urteils sowie einen Rechtsfehler bei der Auslegung und Anwendung des Begriffs „wirtschaftlicher Vorteil“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV und zweitens eine offensichtliche Verfälschung des Sachverhalts und des anwendbaren Rechtsrahmens geltend macht.

 Zum ersten Rechtsmittelgrund

 Vorbringen der Parteien

36.      Mit diesem Rechtsmittelgrund trägt JCDecaux vor, das Gericht habe das angefochtene Urteil widersprüchlich begründet und einen Rechtsfehler begangen, als es auf das Vorliegen eines wirtschaftlichen Vorteils geschlossen habe. Das Gericht habe in den Rn. 31 und 40 dieses Urteils die von der Cour d’appel de Bruxelles in ihrem Urteil vom 29. April 2016 getroffenen Feststellungen übernommen, wonach „sie nicht die ausdrückliche Erlaubnis der Stadt Brüssel erhalten“ und „ohne Rechtsgrund oder Berechtigung“ in deren Gebiet viele der in Anhang 10 aufgelisteten Vorrichtungen betrieben habe. In Rn. 42 des Urteils habe das Gericht „allein auf dieser Grundlage“ entschieden, dass der Verbleib und der Betrieb der streitigen Vorrichtungen durch JCDecaux über die in Anhang 10 vorgesehenen Termine hinaus einen wirtschaftlichen Vorteil darstellten. Zwar habe die Cour d’appel de Bruxelles festgestellt, dass diese Vorrichtungen „ohne Rechtsgrund oder Berechtigung“ weiterbetrieben worden seien; dies sei jedoch geschehen, weil sie zu dem Schluss gekommen sei, dass keine ausdrückliche oder auch nur stillschweigende Erlaubnis der Stadt Brüssel vorgelegen habe, eine „Umstellung“(44) der Werbeträger vorzunehmen. In Ermangelung einer behördlichen Entscheidung oder Maßnahme könne es per Definition keine staatliche Beihilfe geben, da diese „zumindest“ eine positive oder negative Handlung der Behörden voraussetze. Wenn unterstellt werde, dass JCDecaux einen Vorteil erhalten habe, ergebe sich dieser aus der Tatsache, dass sie die streitigen Vorrichtungen aus eigener Veranlassung betrieben und den öffentlichen Raum rechtswidrig genutzt habe. Ein solches Verhalten könne ohne offensichtlichen Widerspruch nicht als Grundlage für die Feststellung des Vorliegens eines von den Behörden gewährten wirtschaftlichen Vorteils dienen.

37.      Hilfsweise wirft JCDecaux dem Gericht vor, das angefochtene Urteil auch insoweit widersprüchlich begründet zu haben, als es in Rn. 42 dieses Urteils festgestellt habe, dass der Vorteil, der ihr von der Stadt Brüssel gewährt worden sein soll, selbst dann eine Beihilfe darstelle, wenn der Verbleib der streitigen Vorrichtungen als „ein Ausgleichsmechanismus des Vertrags von 1984“ angesehen werde. Das Gericht habe aus dieser Feststellung, die sowohl die von der Kommission vorgenommene rechtliche Einstufung als auch die Methode zur Berechnung des Betrags der zurückzufordernden Beihilfe in Frage stelle, keine Konsequenzen gezogen(45). Das Urteil führe nämlich zur Rückforderung des behaupteten Vorteils insgesamt, d. h. ohne Berücksichtigung der Kosten, die JCDecaux aufgrund der vorzeitigen Entfernung einiger in Anhang 10 aufgelisteter Vorrichtungen entstanden seien, und des erlittenen Vertragsschadens. Wenn das Gericht, so JCDecaux, anerkenne, dass der Verbleib der streitigen Vorrichtungen einen Ausgleich bilden könne, könne der gegebenenfalls gewährte wirtschaftliche Vorteil insgesamt nicht automatisch eine staatliche Beihilfe darstellen.

38.      Die Kommission macht zunächst geltend, dass JCDecaux mit ihrem Vorbringen im Wesentlichen eine Neubewertung des Sachverhalts und insbesondere ihrer Theorie des Ausgleichsmechanismus anstrebe, die sowohl von den nationalen Gerichten als auch vom Gericht zurückgewiesen worden sei. Eine solche Neubewertung des Sachverhalts sei der Zuständigkeit des Gerichtshofs im Rechtsmittelstadium aber entzogen.

39.      Sodann greift die Kommission einige der im angefochtenen Urteil dargelegten und in den Nrn. 27 bis 30 der vorliegenden Schlussanträge zusammengefassten Erwägungen auf und trägt vor, in diesem Urteil sei die Relevanz des Ausgleichsmechanismus zu Recht verneint worden.

40.      Darüber hinaus bemerkt die Kommission hinsichtlich des von JCDecaux vorgenommenen Verweises auf das Urteil der Cour d’appel de Bruxelles vom 29. April 2016, dass die Beurteilungen des Gerichts in Bezug auf das nationale Recht Tatsachenbeurteilungen seien, die – außer im Fall einer Verfälschung dieses Rechts – der Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels entzogen seien. JCDecaux bestreite aber lediglich Inhalt und Tragweite des Urteils. Außerdem sei es unzutreffend, wenn behauptet werde, dass sich das Gericht bei der Feststellung des Vorliegens eines Vorteils ausschließlich auf das besagte Urteil gestützt habe. Das Argument, das JCDecaux aus der angeblichen Nichtexistenz einer behördlichen Handlung herleite, sei unzulässig, weil es sich auf die Voraussetzung im Zusammenhang mit der Zurechenbarkeit der fraglichen Maßnahme an den Staat beziehe, die im ersten Rechtszug nicht beanstandet worden sei. Dieses Argument sei jedenfalls offensichtlich unbegründet, da der vorliegende Fall eine negative Handlung der Stadt Brüssel betreffe, die darin bestanden habe, den Weiterbetrieb der streitigen Vorrichtungen zu dulden, ohne Miete und Abgaben zu verlangen.

41.      Schließlich hebt die Kommission hervor, dass die Einstufung einer Maßnahme als staatliche Beihilfe und die Quantifizierung ihrer Höhe zwei unterschiedliche Fragen seien. Die Berücksichtigung der Ausgleichstheorie könne nicht zu einer „Neubewertung des [im streitigen Beschluss festgelegten] Mechanismus zur Berechnung der zurückzufordernden Beihilfe“ führen. Damit die fragliche Maßnahme einer Einstufung als staatliche Beihilfe entzogen sei, hätte die Stadt Brüssel zudem eine Bewertung des JCDecaux angeblich entstandenen Schadens vornehmen müssen. Da die Stadt Brüssel eine solche Bewertung nicht vorgenommen habe, entspreche der Betrag der zurückzufordernden Beihilfe den Mieten und Abgaben, die JCDecaux während der Dauer des Betriebs der streitigen Vorrichtungen über die vorgesehenen Termine hinaus bis zu ihrer tatsächlichen Entfernung hätte zahlen müssen. Selbst wenn es einen Ausgleichsmechanismus gebe, was nicht der Fall sei, könne er daher weder die rechtliche Einstufung des Vorteils, den JCDecaux erhalten habe, noch die Berechnung des Betrags der zurückzufordernden Beihilfe in Frage stellen.

 Beurteilung

42.      Nach Art. 256 Abs. 1 AEUV und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt. Allein das Gericht ist dafür zuständig, die Tatsachen festzustellen – sofern sich nicht aus den Prozessakten ergibt, dass seine Feststellungen tatsächlich falsch sind – und sie zu würdigen. Diese Würdigung stellt, sofern die dem Gericht vorgelegten Beweise nicht verfälscht wurden, keine Rechtsfrage dar, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs unterliegt. Hat das Gericht die Tatsachen festgestellt oder gewürdigt, so ist der Gerichtshof gemäß Art. 256 AEUV zur Kontrolle der rechtlichen Qualifizierung dieser Tatsachen und der Rechtsfolgen, die das Gericht aus ihnen gezogen hat, befugt(46).

43.      Entgegen dem Vorbringen der Kommission bin ich der Ansicht, dass die Argumente, die JCDecaux zur Stützung des ersten Rechtsmittelgrundes anführt, nicht darauf abzielen, vom Gerichtshof eine Neubewertung des Sachverhalts in Bezug auf den Ausgleichsmechanismus oder die nationale Rechtsprechung zu erlangen. Wie JCDecaux in ihrer Erwiderung hervorhebt, bezieht sich der von ihr vorgebrachte „grundlegende Einwand“ weder auf die Würdigung der Tatsachen noch auf die Auslegung des nationalen Rechts durch das Gericht, sondern wird aus einem angeblichen „grundlegenden Widerspruch“ hergeleitet, mit dem die Begründung des angefochtenen Urteils behaftet sein soll. Ich weise insoweit darauf hin, dass die Frage, ob die Begründung eines Urteils des Gerichts widersprüchlich ist, nach ständiger Rechtsprechung eine Rechtsfrage ist, die im Rahmen eines Rechtsmittels aufgeworfen werden kann(47).

44.      Der Begründungswiderspruch, auf den sich JCDecaux in erster Linie beruft, soll darin bestehen, dass es dem Gericht verwehrt sein soll, unter Berufung auf das Urteil der Cour d’appel de Bruxelles vom 29. April 2016 festzustellen, dass sie die streitigen Vorrichtungen ohne Rechtsgrund oder Berechtigung betrieben habe, und gleichzeitig die Schlussfolgerung der Kommission zum Vorliegen einer staatlichen Beihilfe zu bestätigen, welche per Definition eine behördliche Entscheidung oder Maßnahme voraussetze, die einen Vorteil verschaffe. Der von JCDecaux hilfsweise geltend gemachte Begründungswiderspruch wiederum wird daraus hergeleitet, dass das Gericht in Rn. 42 des angefochtenen Urteils davon ausgegangen sein soll, dass der behauptete Vorteil eine Beihilfe darstellte, gleichzeitig aber anerkannt haben soll, dass der Verbleib der streitigen Vorrichtungen möglicherweise ein Ausgleichsmechanismus des Vertrags von 1984 war. Meines Erachtens stellt JCDecaux mit diesem Vorbringen weder den Inhalt noch die Tragweite des Urteils der Cour d’appel de Bruxelles vom 29. April 2016, wie sie vom Gericht festgestellt worden sind, in Frage. Vielmehr macht sie sich diese Feststellungen zu eigen, um ihre primäre Argumentation zu stützen. Im Übrigen bekräftigt JCDecaux in ihren Schriftsätzen zwar die Existenz des Ausgleichsmechanismus, beanstandet jedoch in keiner Weise die in den Rn. 25, 26 und 34 bis 41 des angefochtenen Urteils vorgenommenen Beurteilungen, die die Schlussfolgerung der Kommission bestätigen, wonach dieser Mechanismus, wenn man ihn als gegeben unterstelle, nicht ausschließe, dass JCDecaux ein Vorteil gewährt worden sei.

45.      Nach meinem Dafürhalten ist auch der andere von der Kommission angeführte Unzulässigkeitsgrund zurückzuweisen, wonach JCDecaux mit ihrem aus dem angeblichen Fehlen einer behördlichen Handlung hergeleiteten Argument erstmals im Rechtsmittelstadium die Voraussetzung im Zusammenhang mit der Zurechenbarkeit der fraglichen Maßnahme an den Staat in Frage stelle. Zwar scheint dieses Argument von JCDecaux vor dem Gericht nicht in diesem Wortlaut angeführt worden zu sein; aus der Rechtsmittelschrift geht jedoch hervor, dass es keinen eigenständigen und neuen Rechtsgrund darstellt, der für unzulässig erklärt werden müsste, weil er erstmals vorgebracht worden ist, sondern lediglich ein Argument, das zur Stützung des Rechtsgrundes eines angeblichen Widerspruchs in der Argumentation angeführt wird, die das Gericht dazu veranlasst hat, das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe zu bestätigen.

46.      Allerdings schließe ich mich nicht der Aussage von JCDecaux an, wonach das Gericht „allein auf der Grundlage“ der betreffenden Feststellungen der Cour d’appel de Bruxelles zu der Schlussfolgerung gelangt sein soll, dass im vorliegenden Fall ein wirtschaftlicher Vorteil vorliege. Wie eine Prüfung der Würdigung des ersten vor dem Gericht vorgebrachten Klagegrundes(48) ergibt, hat das Gericht die Ansicht vertreten, dass die Tatsache, dass JCDecaux die streitigen Vorrichtungen über ihre jeweiligen in Anhang 10 vorgesehenen Termine hinaus ohne Zahlung von Miete oder Abgaben an Ort und Stelle belassen und weiterbetrieben habe, eine Verringerung der Lasten zur Folge gehabt habe, die sie sonst hätte tragen müssen. Diese Beurteilung beruhte u. a. auf einer Prüfung der Bestimmungen des Vertrags von 1984 und des Vertrags von 1999, darunter Anhang 10, der einschlägigen Bestimmungen der im streitigen Beschluss angeführten Abgabenverordnungen der Stadt Brüssel sowie der von den belgischen Behörden im vorprozessualen Verfahren vorgelegten Stellungnahme. Darüber hinaus hat das Gericht festgestellt, dass der von den belgischen Behörden und JCDecaux behauptete Ausgleichsmechanismus das Vorliegen eines Vorteils nicht ausgeschlossen habe, und zwar aus den verschiedenen Gründen, die in den Nrn. 27 bis 30 der vorliegenden Schlussanträge zusammengefasst sind. Die in diesem Zusammenhang vorgenommenen Bezugnahmen auf die Feststellungen der Cour d’appel de Bruxelles stellen somit nur einen von mehreren Gesichtspunkten dar, die das Gericht bei der Schlussfolgerung, dass ein solcher Vorteil vorliege, berücksichtigt hat.

47.      Meiner Meinung nach liegt keiner der beiden von JCDecaux geltend gemachten Begründungswidersprüche vor.

48.      So trifft es zum einen zu, dass JCDecaux, wie die Cour d’appel de Bruxelles im Urteil vom 29. April 2016 festgestellt hat, nicht „die ausdrückliche Erlaubnis der Stadt Brüssel [erhalten hatte], eine ‚Umstellung‘ der Werbeträger vorzunehmen“, und dass deren „fehlende Reaktion auf den Verbleib [von CIP] über den für die einzelnen Vorrichtungen genehmigten Zeitpunkt hinaus nicht als implizite und sichere Zustimmung der Behörde ausgelegt werden [konnte], von den für diese Vorrichtungen vereinbarten Terminen abzuweichen“. Es gilt jedoch zu bedenken, dass die Cour d’appel in diesem Urteil ausschließlich nach dem Gesetz über die Handelspraktiken sowie die Aufklärung und den Schutz der Verbraucher vom 14. Juli 1991(49) entschieden hat, wobei sie darüber zu befinden hatte, ob die Tatsache, dass JCDecaux einige Vorrichtungen ohne die erforderlichen Genehmigungen vor Ort belassen und weiterbetrieben hat, im Sinne von Art. 94 dieses Gesetzes eine Handlung darstellte, die gegen die anständigen Gepflogenheiten im Geschäftsleben verstieß und den geschäftlichen Interessen ihres Wettbewerbers CCB schaden konnte. In diesem Zusammenhang sind die Feststellungen der Cour d’appel de Bruxelles meines Erachtens so zu verstehen, dass sie auf eine fehlende Genehmigung im Sinne des belgischen Verwaltungsrechts verweisen(50). Das schließt keineswegs aus, dass die negative oder zumindest passive Haltung der Stadt Brüssel, die darin besteht, dass sie sich in voller Kenntnis der Sachlage nicht dagegen gewandt hat, dass JCDecaux eine Reihe von Werbevorrichtungen über die vorgesehenen Termine hinaus in ihrem Gebiet beließ und betrieb, und vor allem davon abgesehen hat, die normalerweise geschuldeten Mieten und Abgaben zu erheben, unter dem Gesichtspunkt der Unionsvorschriften über staatliche Beihilfen(51) eine solche staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellen kann(52). Ich möchte hinzufügen, dass JCDecaux nicht, wie sie es in der Erwiderung tut, behaupten kann, dass die Kommission, indem sie ein solches Verhalten der Stadt Brüssel in der Rechtsmittelbeantwortung als „negative Handlung“ bezeichnet, im Rechtsmittelstadium ein neues Argument einführt. Die Kommission antwortet damit nämlich nur auf ein Argument, das JCDecaux zur Stützung der Hauptrüge ihres ersten Rechtsmittelgrundes vorgebracht hat.

49.      Zum anderen scheint mir der hilfsweise geltend gemachte angebliche Begründungswiderspruch auf einer falschen Auslegung von Rn. 42 des angefochtenen Urteils durch JCDecaux zu beruhen. Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung in Beantwortung einer Frage des Gerichtshofs bestätigt hat, wollte das Gericht in dieser Randnummer zum Ausdruck bringen, dass, selbst wenn unterstellt würde, dass das tatsächliche Vorhandensein des Ausgleichsmechanismus und der Wille der Stadt Brüssel, sich ihm anzuschließen, rechtlich hinreichend nachgewiesen sind, dies nicht die Schlussfolgerung ausschlösse, dass JCDecaux einen wirtschaftlichen Vorteil erhalten hat, da dieser Mechanismus u. a. weder die erste Voraussetzung der aus dem Urteil Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg(53) hervorgegangenen Rechtsprechung erfüllte noch als ein normales Verhalten eines Marktteilnehmers erachtet werden konnte. Dies geht im Übrigen eindeutig aus einer Auslegung von Rn. 42 des angefochtenen Urteils in Verbindung mit den vorhergehenden Erwägungen hervor(54). Da das Gericht die Relevanz des geltend gemachten Ausgleichsmechanismus verneint hat, kann ihm auch nicht vorgeworfen werden, die im streitigen Beschluss festgelegte Methode zur Berechnung der zurückzufordernden Beihilfe nicht erneut anhand dieses Mechanismus überprüft zu haben.

50.      In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist der erste Rechtsmittelgrund meiner Ansicht nach zulässig, aber unbegründet.

 Zum zweiten Rechtsmittelgrund

 Vorbringen der Parteien

51.      Mit diesem Rechtsmittelgrund, der sich in zwei Teile gliedert, trägt JCDecaux vor, das Gericht habe den Sachverhalt und den anwendbaren Rechtsrahmen offensichtlich verfälscht, indem es davon ausgegangen sei, dass die streitigen Vorrichtungen, die über die in Anhang 10 vorgesehenen Termine hinaus weiterbetrieben worden seien, ipso facto unter die rechtliche Regelung des Vertrags von 1999 fielen und damit der Zahlung von Mieten und Abgaben unterlägen.

52.      Mit dem ersten Teil tritt JCDecaux den Erwägungen des Gerichts in den Rn. 29 und 30 des angefochtenen Urteils entgegen. Sie macht insoweit zunächst geltend, die gemäß dem Vertrag von 1984 aufgestellten Vorrichtungen würden bis zu ihrer tatsächlichen Entfernung, auch wenn diese nach den in Anhang 10 vorgesehenen Terminen erfolge, im Einklang mit den „Grundprinzipien des Vertragsrechts“ weiterhin durch diesen Vertrag geregelt, blieben ihr Eigentum und unterlägen keinerlei Verpflichtung zur Zahlung von Mieten oder Abgaben(55). Sie hebt hervor, dass sie als Gegenleistung für eine beträchtliche Investition, die in der Planung, Herstellung, Aufstellung und Wartung der der Stadt Brüssel zur Verfügung gestellten Buswartehäuschen und CIP bestehe, das Recht erhalten habe, diese zu Werbezwecken zu nutzen, und dass das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrags auf genauen vertraglichen Verpflichtungen beruhe. Sodann legt JCDecaux dar, dass keine Bestimmung des Vertrags von 1999 die automatische Entfernung der unter den Vertrag von 1984 fallenden Vorrichtungen oder anderer vorhandener Stadtmöbelstücke vorsehe; der Vertrag von 1999 sehe vielmehr ausdrücklich vor, dass die 1999 aufgestellten neben den in Anhang 10 aufgelisteten Vorrichtungen bestehen könnten und sogar müssten, ohne dass sich dadurch die vertraglichen Bestimmungen für die letztgenannten Vorrichtungen änderten. Zudem gebe es auch keine Verpflichtung, die einzelnen unter den Vertrag von 1984 fallenden Vorrichtungen an denselben Standorten(56) durch neue, unter den Vertrag von 1999 fallende Vorrichtungen zu ersetzen. Der Verbleib einiger unter den Vertrag von 1984 fallender und JCDecaux gehörender Vorrichtungen habe es ihr demnach nicht ermöglicht, die Aufstellung und den Betrieb anderer, der Stadt Brüssel gehörender Vorrichtungen zu vermeiden. Schließlich weist JCDecaux darauf hin, dass diese Verträge fundamentale Unterschiede hinsichtlich der ihnen zugrunde liegenden wirtschaftlichen Logik und ihrer jeweiligen Bedingungen aufwiesen. Das Gericht dürfe nicht „hypothetisch annehmen“, dass JCDecaux, falls sie die streitigen Vorrichtungen an den in Anhang 10 vorgesehenen Terminen entfernt hätte, an denselben Standorten eine identische Anzahl unter den Vertrag von 1999 fallender Vorrichtungen aufgestellt und der Stadt Brüssel Mieten und Abgaben gezahlt hätte, die signifikant anderen, durch den letztgenannten Vertrag geregelten Leistungen entsprächen. In der Erwiderung fügt JCDecaux hinzu, dass das angefochtene Urteil, wie aus der Argumentation der Kommission in der Rechtsmittelbeantwortung hervorgehe, widersprüchlich begründet worden sei, da nicht festgestellt werden könne, dass die gemäß dem Vertrag von 1984 aufgestellten Vorrichtungen unter eine andere rechtliche Regelung als die des Vertrags von 1999 fielen und gleichzeitig der Zahlung in letztgenanntem Vertrag vorgesehener Mieten und Abgaben hätten unterliegen müssen.

53.      Mit dem zweiten Teil trägt JCDecaux vor, das Gericht habe in den Rn. 53, 54 und 56 des angefochtenen Urteils die rechtliche Regelung verfälscht, die für die Besteuerung des Betriebs der streitigen, über die in Anhang 10 vorgesehenen Termine hinaus an Ort und Stelle belassenen Vorrichtungen gelte.

54.      In diesem Zusammenhang macht JCDecaux zum einen geltend, dass das Gericht „eine ungerechtfertigte Auslegung des Rechtsrahmens“ vornehme, um in Rn. 54 des angefochtenen Urteils zu dem Schluss zu kommen, dass die Kommission keinen Beurteilungsfehler begangen habe, indem sie die in Rn. 56 dieses Urteils angeführten Abgabenverordnungen der Stadt Brüssel als Bezugssystem herangezogen und ihre Feststellung dabei auf die Tatsache gestützt habe, dass die belgischen Behörden im vorgerichtlichen Verfahren nicht in Abrede gestellt hätten, dass diese Abgabenverordnungen das abgabenrechtliche Bezugssystem für die Besteuerung des Betriebs von Werbeträgern im Gebiet der Stadt Brüssel darstellten. So habe das Gericht nicht berücksichtigt, dass die Gemeinden über eine in Art. 170 § 4 der belgischen Verfassung(57) verankerte Steuerautonomie verfügten und es somit auf nationaler Ebene oder auch nur im Gebiet der Region Brüssel-Hauptstadt kein einheitliches Steuersystem gebe. Die Stadt Brüssel habe im Übrigen erst ab 2001 Abgabenverordnungen für Werbung erlassen. Das Gericht könne demzufolge nicht davon ausgehen, dass allein die von der Kommission genannten Abgabenverordnungen dieser Stadt ein Bezugssystem darstellten, zumal aus zwei Urteilen des Tribunal de première instance francophone de Bruxelles vom 4. November 2016(58) hervorgehe, dass unter den Vertrag von 1999 fallende Werbevorrichtungen von der Werbesteuer zu befreien seien.

55.      Zum anderen trägt JCDecaux vor, die Tatsache, dass sie für die von ihr im Gebiet der Stadt Brüssel zu Werbezwecken betriebenen Vorrichtungen keine Abgaben habe zahlen müssen, könne keinen selektiven Vorteil darstellen, da CCB mehrere Jahre lang keine ähnlichen, einer solchen Abgabe unterliegenden Vorrichtungen gehabt habe. Zudem habe sie, als CCB dort später solche Vorrichtungen betrieben habe, die Rechtmäßigkeit der Abgabenverordnung vom 15. Dezember 2008 vor den belgischen Gerichten angefochten, die sie für verfassungswidrig erklärt und die für das Jahr 2009 bei diesem Wettbewerber erhobenen Abgaben aufgehoben hätten. JCDecaux verweist insoweit auf ein Urteil der Cour d’appel de Bruxelles vom 4. September 2018, von dessen Existenz sie zufällig erfahren habe und das im Rechtsmittelverfahren durch ein Urteil des Kassationshofs (Belgien) vom 1. Oktober 2021 bestätigt worden sei(59).

56.      Die Kommission macht zunächst geltend, dass JCDecaux mit ihrem Vorbringen in Wirklichkeit eine erneute Prüfung des Sachverhalts anstrebe, ohne eine vom Gericht begangene Verfälschung der Tatsachen nachzuweisen. Die beiden Teile des zweiten Rechtsmittelgrundes seien jedenfalls unbegründet. So räumt die Kommission in Bezug auf den ersten Teil ein, dass der Vertrag von 1999 keine Bestimmung enthalte, die eine automatische Entfernung der unter den Vertrag von 1984 fallenden Werbevorrichtungen vorsehe. Die gemäß dem Vertrag von 1984 aufgestellten und in Anhang 10 aufgelisteten Vorrichtungen unterlägen auch nach Inkrafttreten des Vertrags von 1999 weiterhin den Bestimmungen des erstgenannten Vertrags, wenn auch nur bis zu den in diesem Anhang vorgesehenen Entfernungsterminen. Was das Gericht in Rn. 29 des angefochtenen Urteils ausgeführt und in den Rn. 48 und 49 dieses Urteils erläutert habe, sei, dass JCDecaux für den Betrieb der letztgenannten Vorrichtungen Mieten hätte zahlen müssen, wie es für den Betrieb der unter den Vertrag von 1999 fallenden Vorrichtungen der Fall sei. Die in Rn. 30 des angefochtenen Urteils enthaltene Schlussfolgerung sei somit durchaus begründet. Mit dieser sei das Gericht keineswegs davon ausgegangen, dass die streitigen, über die vorgesehenen Termine hinaus beibehaltenen Vorrichtungen ipso facto unter die rechtliche Regelung des Vertrags von 1999 fallen müssten. In Bezug auf den zweiten Teil trägt die Kommission zunächst vor, dass das aus Art. 170 § 4 der belgischen Verfassung hergeleitete Argument von JCDecaux unzulässig sei, da die Auslegung des nationalen Rechts eine Tatsachenwürdigung darstelle, die allein in die Zuständigkeit des Gerichts falle. Außerdem hätten die belgischen Behörden im vorgerichtlichen Verfahren nicht in Abrede gestellt, dass die Abgabenverordnungen der Stadt Brüssel das Bezugssystem darstellten. Sodann macht die Kommission unter Verweis auf Rn. 63 des angefochtenen Urteils geltend, sie habe die beiden Urteile des Tribunal de première instance francophone de Bruxelles vom 4. November 2016 nicht unberücksichtigt gelassen, ihre Relevanz für die Prüfung des Begriffs der „staatlichen Beihilfe“ aber verneint, da sie sich auf Stadtmöbel bezögen, die unter den Vertrag von 1999 fielen und der Stadt Brüssel gehörten. Schließlich sei die Tatsache, dass CCB in anderen belgischen Gemeinden von einer Steuerbefreiung profitiert habe, für die Zwecke der Prüfung des von JCDecaux erlangten wirtschaftlichen Vorteils irrelevant.

 Beurteilung

57.      Neben dem, was bereits in Nr. 42 der vorliegenden Schlussanträge dargelegt worden ist, hat der Gerichtshof klargestellt, dass die Würdigung der Tatsachen und Beweise, außer im Fall ihrer Verfälschung, keine Rechtsfrage ist, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels unterläge, und dass eine Verfälschung der Beweise vorliegt, wenn sich, ohne neue Beweise zu erheben, die Würdigung der vorliegenden Beweise als offensichtlich unzutreffend erweist. Eine solche Verfälschung muss sich in offensichtlicher Weise aus den Prozessakten ergeben, ohne dass es einer erneuten Würdigung der Tatsachen und Beweise bedarf(60). Sie liegt auch dann vor, wenn das Gericht die Grenzen einer vernünftigen Beurteilung der Beweise offensichtlich überschritten hat(61).

58.      Im vorliegenden Fall trägt JCDecaux mit ihrem ersten Teil vor, die in Rn. 30 des angefochtenen Urteils gezogene Schlussfolgerung des Gerichts, wonach „es der Umstand, bestimmte, in Anhang 10 aufgelistete Vorrichtungen entsprechend den Bedingungen des Vertrags von 1984 nach den in diesem Anhang vorgesehenen Terminen weiterzubetreiben, [ihr] ermöglichte, die Aufstellung und den Betrieb neuer, im Vertrag von 1999 vorgesehener Vorrichtungen und infolgedessen die Zahlung von Miete und Abgaben zu vermeiden, die sie nach dem letztgenannten Vertrag hätte zahlen müssen“, beruhe auf einer offensichtlichen Verfälschung des Sachverhalts und des anwendbaren Rechtsrahmens. Aus dieser Rn. 30 geht hervor, dass sich die vorstehende Schlussfolgerung auf die dreistufige Argumentation stützt, der das Gericht in Rn. 29 des angefochtenen Urteils gefolgt ist.

59.      In diesem Zusammenhang bin ich zunächst der Auffassung, dass das Gericht den Sachverhalt entgegen dem Vorbringen von JCDecaux nicht verfälscht hat, indem es in einem ersten Schritt in Rn. 29 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass „die Parteien … darin überein[stimmen], dass [JCDecaux] nach dem Abschluss des Vertrags von 1999 auf dem Gebiet der Stadt Brüssel Stadtmöbel nur im Rahmen der in diesem Vertrag vorgesehenen Voraussetzungen, wonach sie zur Zahlung von Miete und Abgaben verpflichtet war, aufstellen und betreiben konnte“. Verschiedene Elemente der Akte belegen im Gegenteil eindeutig die Richtigkeit dieser Erwägung. So war zum einen der Vertrag von 1984, wie ich in Nr. 60 der vorliegenden Schlussanträge darlegen werde, nach den in Anhang 10 vorgesehenen Terminen nicht mehr anwendbar. Zum anderen konnten die Aufstellung und der Betrieb neuer Vorrichtungen im Gebiet der Stadt Brüssel ab 1999 nur noch im Rahmen der im Vertrag von 1999 vorgesehenen Regelung erfolgen. Hierzu ist festzuhalten, dass Art. 1 Buchst. g des besonderen Lastenhefts(62), worauf die Kommission in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, zugunsten des Bieters, der erfolgreich am Ausschreibungsverfahren teilgenommen hatte – im vorliegenden Fall JCDecaux –, während der gesamten Vertragslaufzeit ein ausschließliches Recht zum Betrieb der Werbeträger im Gebiet der Stadt Brüssel vorsah. Somit konnte nur die in diesem Vertrag vorgesehene Regelung zur Anwendung kommen.

60.      Sodann weist JCDecaux meines Erachtens nicht nach, dass der zweite Schritt der Argumentation des Gerichts in Rn. 29 des angefochtenen Urteils, wonach aus Anhang 10 hervorgeht, dass die in diesem Anhang aufgelisteten Vorrichtungen „als Ausnahme von den Bestimmungen des Vertrags von 1999 … von [ihr] unter den im Vertrag von 1984 vorgesehenen Voraussetzungen weiter genutzt werden [konnten], d. h. ohne dafür Miete oder Abgaben zu zahlen, wobei diese Regelung aber nur bis zu den in diesem Anhang vorgesehenen Terminen galt“, auf einer offensichtlich unzutreffenden Würdigung der Tatsachen oder Beweise beruht. Aus der Argumentation von JCDecaux geht hervor, dass sie der vorstehenden Erwägung nur insofern entgegentritt, als ihrer Ansicht nach die in Anhang 10 aufgelisteten Vorrichtungen bis zu ihrer tatsächlichen Entfernung, selbst wenn diese nach den vorgesehenen Terminen erfolgte, weiterhin der Regelung des Vertrags von 1984 unterlagen. Wie die Kommission zu Recht bemerkt, ist den Akten aber kein einziges Dokument zu entnehmen, das eine solche Auffassung – schon gar nicht in offensichtlicher Weise – stützt. Ganz im Gegenteil: Einige dieser Dokumente widersprechen ihr direkt. So erinnere ich daran, dass der Betrieb der streitigen Vorrichtungen durch JCDecaux über ihre jeweiligen Termine hinaus, wie die Cour d’appel de Bruxelles in ihrem Urteil vom 29. April 2016 entschieden hat, ohne Rechtsgrund oder Berechtigung erfolgte, was es meines Erachtens grundsätzlich ausschließt, dass dieser Betrieb durch den Vertrag von 1984 geregelt werden konnte. Darüber hinaus sah Anhang 10 für jede der dort aufgeführten Vorrichtungen offenbar einen eigenen Termin vor, weil die einzelnen Vorrichtungen spätestens dann von ihrem Standort entfernt werden mussten und die Bestimmungen des Vertrags von 1984 ab diesem Zeitpunkt nicht mehr auf sie anwendbar waren. Mit anderen Worten konnten die in Anhang 10 aufgelisteten Vorrichtungen nur bis zu den vorgesehenen Terminen neben den gemäß dem Vertrag von 1999 aufgestellten Vorrichtungen bestehen, ohne dass dadurch die für die erstgenannten Vorrichtungen geltenden vertraglichen Bestimmungen geändert wurden. Eine solche Sichtweise widerspricht keineswegs den „Grundprinzipien des Vertragsrechts“, wie JCDecaux geltend macht, sondern scheint mir in Wirklichkeit die einzige Lösung zu sein, die im Einklang mit diesen Prinzipien steht.

61.      Schließlich weist JCDecaux nach meinem Dafürhalten auch nicht nach, dass das Gericht eine offensichtlich unzutreffende Beweiswürdigung vorgenommen hat, als es in einem dritten Schritt in Rn. 29 des angefochtenen Urteils dargelegt hat, dass die in Anhang 10 aufgelisteten Vorrichtungen nach den in diesem Anhang vorgesehenen Terminen „durch neue, unter den Vertrag von 1999 fallende Vorrichtungen ersetzt werden [mussten], so dass ab diesen Terminen Abgaben und Miete zu zahlen waren“. Meines Erachtens wollte das Gericht mit dieser Aussage lediglich zum Ausdruck bringen, dass JCDecaux nach den Terminen zum einen die in Anhang 10 aufgelisteten Vorrichtungen entfernt und zum anderen im Einklang mit der Regelung des Vertrags von 1999 neue Vorrichtungen aufgestellt haben musste. Was den letztgenannten Punkt angeht, so hatte sich JCDecaux, wie aus der Auftragserteilung, die Teil des Vertrags von 1999 ist, hervorgeht, verpflichtet, „alle Vertragsbedingungen gewissenhaft einzuhalten“, darunter die Aufstellung von 280 Plakatstellen für das gesamte Gebiet der Stadt Brüssel, und zwar „innerhalb von acht Kalendermonaten nach Auftragserteilung“. Entgegen dem Vorbringen von JCDecaux glaube ich aber nicht, dass sie nach Ansicht des Gerichts verpflichtet war, jede der streitigen Vorrichtungen „automatisch“ und „Standort für Standort“ durch eine gleichwertige Anzahl unter den Vertrag von 1999 fallender Vorrichtungen zu ersetzen(63). Die Kommission hat sich im streitigen Beschluss im Übrigen auch nicht auf eine solche Annahme gestützt.

62.      Die in Rn. 30 des angefochtenen Urteils enthaltene und in Nr. 58 der vorliegenden Schlussanträge wiedergegebene Schlussfolgerung des Gerichts ist nach meiner Einschätzung nur die logische Folge der in den Nrn. 59 bis 61 der vorliegenden Schlussanträge angestellten Erwägungen und kann somit nicht als auf einer offensichtlich unzutreffenden Würdigung der Tatsachen oder Beweise beruhend angesehen werden. Nach meinem Dafürhalten hat das Gericht, als es in Rn. 30 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass JCDecaux es auf diese Weise hatte vermeiden können, Miete und Abgaben zu entrichten, die sie gemäß dem Vertrag von 1999 hätte zahlen müssen, entgegen deren Vorbringen nicht entschieden, dass die nach den in Anhang 10 vorgesehenen Terminen an Ort und Stelle belassenen und genutzten streitigen Vorrichtungen „ipso facto“ unter die Regelung des Vertrags von 1999 fielen. Wie die Kommission in ihren Schriftsätzen vor dem Gerichtshof und in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, fielen diese Vorrichtungen rechtlich gesehen weder unter den Vertrag von 1984 noch unter den Vertrag von 1999. Gleichwohl sind die streitigen Vorrichtungen, wie u. a. von den belgischen Gerichten festgestellt worden ist, in rechtswidriger Weise über ihre jeweiligen Termine hinaus an Ort und Stelle belassen und genutzt worden. In Anbetracht dieser Sachlage, die es JCDecaux ermöglichte, erhebliche Werbeeinnahmen zu erzielen, ohne Miete oder Abgaben zahlen zu müssen, hatte die Kommission für die Feststellung des Vorliegens eines Vorteils – um den Begriff aufzugreifen, den sie in der mündlichen Verhandlung verwendet hat – ein „kontrafaktisches Szenario“ anzunehmen(64). Meines Erachtens hat das Gericht die Grenzen einer vernünftigen Beurteilung der Tatsachen und Beweise nicht offensichtlich überschritten, als es insoweit das von der Kommission angenommene „Szenario“ bestätigt hat, das darin bestand, durch Inbezugnahme die zur Zeit der streitigen Ereignisse geltende Regelung anzuwenden, nämlich die rechtliche Regelung des Vertrags von 1999. Angesichts der in diesem Vertrag enthaltenen Ausschließlichkeitsklausel – daran sei erinnert – handelte es sich dabei nämlich um die einzige Regelung, die auf im öffentlichen Raum der Stadt Brüssel zu Werbezwecken betriebene Vorrichtungen von der Art der fraglichen anwendbar war.

63.      Zudem ist, wie die Kommission und CCB in der mündlichen Verhandlung bemerkt haben, die Tatsache, dass das Eigentum an den Stadtmöbelstücken im Rahmen des Vertrags von 1999 – anders als im Vertrag von 1984 – auf die Stadt Brüssel übergeht, für die Frage der Zahlung von Miete als solche nicht entscheidend. Im vorliegenden Fall geht es nämlich streng genommen nicht um eine Miete für die Überlassung von Stadtmöbeln, sondern für die Nutzung von Trägern zu Werbezwecken im öffentlichen Raum(65).

64.      Der zweite Teil richtet sich gegen die Rn. 53, 54 und 56 des angefochtenen Urteils. Mit ihm wird geltend gemacht, dass das Gericht die auf die Ermittlung des Bezugssystems und die Besteuerung des Betriebs der streitigen Vorrichtungen anwendbare rechtliche Regelung verfälscht habe.

65.      Einleitend stelle ich fest, dass aus der Argumentation, die JCDecaux zur Stützung dieses zweiten Teils entwickelt, wie bereits vor dem Gericht nicht klar hervorgeht, ob sie die Erwägungen zum Vorliegen eines wirtschaftlichen Vorteils oder diejenigen zum selektiven Charakter der Maßnahme in Frage stellt(66). Wenn unterstellt wird, dass die zweite Annahme zugrunde zu legen ist, scheint mir die Schlussfolgerung in Rn. 53 des angefochtenen Urteils, wonach das Vorbringen von JCDecaux zurückzuweisen ist, da, wenn es sich um eine individuelle Maßnahme handelt, ein selektiver Charakter des wirtschaftlichen Vorteils angenommen wird, weiterhin voll begründet zu sein(67). Im vorliegenden Fall haben wir es mit einer Einzelbeihilfe und nicht mit einer allgemeinen Beihilferegelung zu tun.

66.      Meiner Ansicht nach hat JCDecaux jedenfalls nichts vorgetragen, was offensichtlich darauf hindeuten würde, dass das Gericht in den beanstandeten Randnummern des angefochtenen Urteils den Inhalt des einschlägigen nationalen Rechts verfälscht oder Feststellungen getroffen bzw. Beurteilungen vorgenommen hätte, die dem Inhalt dieses Rechts zuwiderlaufen.

67.      Was Rn. 54 des angefochtenen Urteils betrifft, so scheint aus dem Vorbringen von JCDecaux nicht hervorzugehen, dass sie die Feststellung des Gerichts, wonach die belgischen Behörden im vorgerichtlichen Verfahren nicht in Abrede gestellt haben, dass die Abgabenverordnungen der Stadt Brüssel das abgabenrechtliche Bezugssystem darstellten, als solche in Frage stellt. Meiner Meinung nach hat das Gericht, indem es den Standpunkt der Kommission, der darin besteht, diese Abgabenverordnungen als Bezugssystem heranzuziehen, bestätigt hat, jedenfalls keine Beurteilung vorgenommen, die dem Inhalt von Art. 170 § 4 der belgischen Verfassung offensichtlich zuwiderläuft. Zwar ist in dieser Bestimmung die Steuerautonomie der belgischen Gemeinden verankert, so dass das System der Besteuerung des Betriebs von Werbevorrichtungen von einer Gemeinde zur anderen variieren kann; ich vermag jedoch nicht zu erkennen, inwiefern dies die Kommission daran hindern konnte, bei der Feststellung, dass im vorliegenden Fall ein Vorteil vorliege, nur die im Gebiet der Stadt Brüssel anwendbare Steuerregelung zu berücksichtigen.

68.      Was das Argument angeht, das JCDecaux aus den beiden Urteilen des Tribunal de première instance francophone de Bruxelles vom 4. November 2016 herleitet, so teile ich die Meinung der Kommission, wonach das Gericht diese in Rn. 63 des angefochtenen Urteils nicht verkennt, sondern ihre Relevanz für die Einstufung der fraglichen Maßnahme als staatliche Beihilfe verneint. In den genannten Urteilen hat das Tribunal de première instance francophone de Bruxelles die Auffassung vertreten, dass JCDecaux die in den Abgabenverordnungen vom 20. Dezember 2010 und vom 5. Dezember 2011 vorgesehene Abgabe auf Werbevorrichtungen nicht schulde, da der Stadt Brüssel gehörende Werbevorrichtungen nach Art. 9 erster Gedankenstrich dieser Abgabenverordnungen nicht abgabepflichtig seien. Auch wenn die unter den Vertrag von 1999 fallenden Vorrichtungen tatsächlich im Eigentum der Stadt Brüssel standen, galt Gleiches nicht für die unter den Vertrag von 1984 fallenden Vorrichtungen, die Eigentum von JCDecaux waren. Die streitigen Vorrichtungen, die diese nach den in Anhang 10 vorgesehenen Terminen an Ort und Stelle belassen und weiterbetrieben hat, verblieben in ihrem Eigentum; wie in Nr. 60 der vorliegenden Schlussanträge dargelegt worden ist, wurde ihr Betrieb aber nicht mehr durch den Vertrag von 1984 geregelt. Nach Ablauf der genannten Termine unterlagen sie somit den von der Stadt Brüssel ab 2001 erlassenen Abgabenverordnungen. Dem Gericht kann daher nicht vorgeworfen werden, dass es die anwendbare nationale Regelung oder die diesbezügliche nationale Rechtsprechung in irgendeiner Weise offensichtlich verfälscht habe.

69.      Schließlich stimme ich der Kommission auch zu, wenn sie geltend macht, der Umstand, dass CCB mehrere Jahre lang keine Abgaben auf die von ihr im Gebiet anderer Gemeinden betriebenen Werbevorrichtungen habe zahlen müssen, sei für die Prüfung des durch JCDecaux erlangten Vorteils im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV irrelevant. Mit anderen Worten sollte die JCDecaux in der Stadt Brüssel gewährte Steuerbefreiung jedenfalls nicht deshalb nicht als staatliche Beihilfe eingestuft werden, weil CCB in anderen Gemeinden als der Stadt Brüssel in den Genuss einer Steuerbefreiung gekommen ist. Die Tatsache, dass das Gericht diese Frage im angefochtenen Urteil nicht ausdrücklich erörtert hat, reicht für den Nachweis einer offensichtlichen Verfälschung des Sachverhalts oder des anwendbaren Rechtsrahmens nicht aus. Ebenso wenig kann der Umstand, dass das Gericht das Urteil der Cour d’appel de Bruxelles vom 4. September 2018 nicht berücksichtigt hat, das im Rechtsmittelverfahren durch ein Urteil des Kassationshofs vom 1. Oktober 2021 bestätigt worden ist, eine solche Verfälschung darstellen, da aus den Akten nicht hervorgeht, dass diese Urteile dem Gericht im Laufe des bei ihm anhängigen Verfahrens zur Kenntnis gebracht worden sind.

70.      In Anbetracht des Vorstehenden ist nach meinem Dafürhalten auch der zweite Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Ergebnis

71.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, das Rechtsmittel in vollem Umfang zurückzuweisen und JCDecaux Street Furniture Belgium gemäß Art. 184 Abs. 1 seiner Verfahrensordnung die Kosten der Europäischen Kommission aufzuerlegen. Clear Channel Belgium, Streithelferin im ersten Rechtszug, hat am mündlichen Verfahren vor dem Gerichtshof teilgenommen, beantragt aber nicht, JCDecaux die Kosten aufzuerlegen. Unter diesen Umständen sollte gemäß Art. 184 Abs. 4 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs beschlossen werden, dass sie ihre eigenen Kosten im Zusammenhang mit dem Rechtsmittelverfahren trägt.


1      Originalsprache: Französisch.


2      Urteil vom 7. September 2022, JCDecaux Street Furniture Belgium/Kommission (T‑642/19, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2022:503).


3      ABl. 2019, L 320, S. 119, im Folgenden: streitiger Beschluss.


4      Im Einzelnen beziehen sich die beiden Verträge, wie aus dem 13. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses hervorgeht, auf „die vergütete Aufstellung von Stadtmöbeln in Form von ungefähr 2 m2 großen Werbeträgern, das heißt Vorrichtungen, die für Werbung genutzt werden können“. Diese Vorrichtungen hatten in der Regel zwei Seiten, von denen eine für Werbeanzeigen bestimmt und die andere der Stadt Brüssel für die Bereitstellung verwaltungstechnischer und soziokultureller Informationen vorbehalten war.


5      Demnach konnte 1999 – bei Auslaufen des Vertrags von 1984 – eine Reihe unter den Vertrag von 1984 fallender Vorrichtungen noch bis zum Ende ihrer 15-jährigen Betriebszeit betrieben werden.


6      Im weiteren Verlauf der vorliegenden Schlussanträge wird mit dem Ausdruck „Ausgleichsmechanismus“ auf diese Vereinbarung Bezug genommen. JCDecaux äußerte sich in ihrer Stellungnahme im gleichen Sinne und hob u. a. hervor, dass der Betrieb der streitigen Vorrichtungen nicht durch den Vertrag von 1999 geregelt werde und ihr Weiterbetrieb im Rahmen der Erfüllung des Vertrags von 1984 ohne die geringste Übertragung öffentlicher Mittel erfolgt sei. Sie trug darüber hinaus vor, dass weder die unter den Vertrag von 1984 noch die unter den Vertrag von 1999 fallenden Vorrichtungen abgabepflichtig seien.


7      In ihren schriftlichen Erklärungen legte CCB dar, dass der wirtschaftliche Vorteil, den JCDecaux durch den Betrieb der streitigen Vorrichtungen über ihre jeweiligen Termine hinaus erlangt habe, mehr als 2 150 000 Euro ohne Zinsen betrage.


8      ABl. 2006, L 379, S. 5.


9      ABl. 2015, L 248, S. 9.


10      84. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses.


11      Urteil vom 26. Oktober 2016 (C‑211/15 P, EU:C:2016:798, Rn. 41 bis 44).


12      Urteil vom 24. Juli 2003 (C‑280/00, EU:C:2003:415).


13      89. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses.


14      ABl. 2016, C 262, S. 1.


15      Erwägungsgründe 91 und 93 des streitigen Beschlusses.


16      94. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses.


17      Urteil der Cour d’appel de Bruxelles vom 29. April 2016 (Neunte Kammer) im Rahmen der Rechtssache 2011/AR/140.


18      132. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses.


19      134. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses.


20      137. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses. Die fraglichen Abgabenverordnungen werden im 138. Erwägungsgrund sowie in den Fn. 46 und 49 dieses Beschlusses erwähnt. Vgl. auch Rn. 56 des angefochtenen Urteils.


21      Urteil vom 24. Juli 2003 (C‑280/00, EU:C:2003:415).


22      ABl. 2012, C 8, S. 15.


23      ABl. 2012, L 7, S. 3.


24      Rn. 42 des angefochtenen Urteils.


25      Rn. 24 bis 26 des angefochtenen Urteils.


26      Rn. 28 des angefochtenen Urteils.


27      Rn. 29 des angefochtenen Urteils.


28      Rn. 30 des angefochtenen Urteils.


29      Rn. 31 des angefochtenen Urteils.


30      Rn. 34 bis 36 des angefochtenen Urteils.


31      Urteil vom 26. Oktober 2016 (C‑211/15 P, EU:C:2016:798).


32      Urteil vom 24. Juli 2003 (C‑280/00, EU:C:2003:415). Das Gericht untersuchte die Frage der Voraussetzungen, die durch die aus diesem Urteil hervorgegangene Rechtsprechung aufgestellt worden waren, in den Rn. 66 bis 75 des angefochtenen Urteils näher. Es entschied, dass die Kommission keinen Beurteilungsfehler begangen habe, als sie im 88. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses zu dem Schluss gekommen sei, dass der Vertrag von 1984 ein rein kommerzieller Vertrag sei, so dass die erste dieser Voraussetzungen nicht erfüllt sei.


33      Vgl. Nr. 15 der vorliegenden Schlussanträge.


34      Rn. 37 bis 41 des angefochtenen Urteils.


35      Rn. 65 des angefochtenen Urteils.


36      Rn. 48 und 49 des angefochtenen Urteils.


37      Rn. 53 des angefochtenen Urteils.


38      Rn. 54 des angefochtenen Urteils.


39      Rn. 61 des angefochtenen Urteils.


40      Urteile des Tribunal de première instance de Bruxelles vom 4. November 2016 (RG 2012/9807/A + 2012/9808/A und RG 2012/14576/A und 2014/5965/A).


41      Rn. 63 des angefochtenen Urteils.


42      Rn. 93 des angefochtenen Urteils.


43      Rn. 95 des angefochtenen Urteils.


44      Wie aus dem Urteil der Cour d’appel de Bruxelles vom 29. April 2016 hervorgeht, möchte JCDecaux mit dem Verweis auf die „Umstellungstheorie“ erläutern, dass sie „einige alte Möbel nur deshalb über ihren Termin hinaus weiterbetrieben hat, um den vorzeitigen Austausch alter Möbel, die an Ort und Stelle hätten verbleiben können, durch neue auszugleichen“.


45      JCDecaux bezieht sich in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Rn. 83 bis 89 des angefochtenen Urteils.


46      Urteil vom 12. Mai 2022, Klein/Kommission (C‑430/20 P, EU:C:2022:377, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).


47      Urteil vom 16. Juli 2009, Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland/Kommission (C‑385/07 P, EU:C:2009:456, Rn. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung).


48      Rn. 17 bis 76 des angefochtenen Urteils.


49      Belgisches Staatsblatt vom 29. August 1991.


50      In ihrem Urteil hat die Cour d’appel de Bruxelles u. a. festgestellt, dass „die Aufstellung von Stadtmöbeln im öffentlichen Raum und ihr Betrieb zu Werbezwecken eine behördliche Genehmigung erfordern, die verschiedene Formen annehmen kann; in Ermangelung einer Genehmigung erfolgen Aufstellung und Betrieb ohne Rechtsgrund oder Berechtigung und sind daher rechtswidrig“. Sie hat ferner darauf hingewiesen, dass „[j]ede Vorrichtung Gegenstand einer Genehmigung ist, die für einen bestimmten Ort und eine bestimmte Dauer erteilt wird“, und dass „Genehmigungen und Vorrichtungen nicht nach Belieben ihres Inhabers austauschbar sind“. Darüber hinaus hat die Cour d’appel de Bruxelles entschieden, dass „CCB ihre Klage gegen [JCDecaux], die Urheberin der streitigen Praxis, und nicht gegen die Stadt Brüssel richtet“ und dass „es im vorliegenden Fall nicht darum geht, zu kontrollieren, in welcher Art und Weise [diese] den Vertrag von 1984 und den öffentlichen Auftrag von 1999 ausführt“.


51      In ihrem Urteil vom 29. April 2016 hebt die Cour d’appel de Bruxelles hervor, dass sie „weder zu prüfen hat, ob [JCDecaux] staatliche Beihilfen erhalten hat, noch diese zu bewerten hat“.


52      Urteil vom 12. Oktober 2000, Spanien/Kommission (C‑480/98, EU:C:2000:559, Rn. 19 bis 21). Vgl. auch Rn. 68 der Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 [AEUV].


53      Urteil vom 24. Juli 2003 (C‑280/00, EU:C:2003:415).


54      Vgl. Rn. 25, 26, 28 bis 41 und 68 bis 75 des angefochtenen Urteils. Im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels stellt JCDecaux die Erwägungen, mit denen das Gericht die Relevanz des behaupteten Ausgleichsmechanismus verneint hat, nicht in Frage.


55      JCDecaux zufolge hätte die Stadt Brüssel allenfalls die Entfernung der streitigen Vorrichtungen und/oder eine Entschädigung gerichtlich einklagen können. Außerdem hätte sie zu Lasten von JCDecaux die Gebühr erheben können, die sie am 17. September 2001 speziell für die Nutzung ihres öffentlichen Raums zu kommerziellen Zwecken eingeführt habe.


56      JCDecaux weist insoweit darauf hin, dass die logistische Standortentwicklung und die Bebauungsvorschriften häufig neue Standorte erfordert hätten.


57      In dieser Vorschrift heißt es: „Eine Last oder Besteuerung darf von der Agglomeration, der Gemeindeföderation und der Gemeinde nur durch einen Beschluss ihres Rates eingeführt werden.“


58      Urteile des Tribunal de première instance de Bruxelles vom 4. November 2016 (RG 2012/9807/A + 2012/9808/A und RG 2012/14576/A und 2014/5965/A).


59      Urteil Nr. F.19.0012.F des Kassationshofs vom 1. Oktober 2021 (BE:CASS:2021:ARR.20211001.1F.7).


60      Urteil vom 23. März 2023, PV/Kommission (C‑640/20 P, EU:C:2023:232, Rn. 77 und 78 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).


61      Urteile vom 2. Oktober 2014, Strack/Kommission (C‑127/13 P, EU:C:2014:2250, Rn. 79), sowie vom 16. Februar 2017, Hansen & Rosenthal und H&R Wax Company Vertrieb/Kommission (C‑90/15 P, EU:C:2017:123, Rn. 48).


62      Der wie folgt lautet: „Während der Vertragslaufzeit verpflichtet sich der öffentliche Auftraggeber, in seinem gesamten Hoheitsgebiet keine Leistungen, die sich auf mit Werbeträgern versehenes Mobiliar beziehen, das mit dem in diesem besonderen Lastenheft beschriebenen identisch oder ihm ähnlich ist, durch andere Unternehmer oder durch seine eigenen Dienststellen ausführen zu lassen oder zu genehmigen.“


63      In der Auftragserteilung ist darüber hinaus vorgesehen, dass sich JCDecaux, „wenn es darum geht, die vorhandenen Möbel durch ein neues Modell von Bus-/Bahnwartehäuschen oder durch eine Plakatstelle zu ersetzen, [verpflichtet hat,] die Austauscharbeiten je nach Wetterbedingungen innerhalb einer Frist von 48 bis 72 Stunden durchzuführen“. Dieser Auftragserteilung ist ein Anhang beigefügt, in dem „die detaillierten Standortverzeichnisse der Bus-/Bahnwartehäuschen und der bestehenden Plakatstellen enthalten sind, um … es [JCDecaux] zu ermöglichen, [ihren] Aufstellungsvorschlag unter Berücksichtigung der Lage der vorhandenen Möbel und der Termine für die Entfernung der bestehenden Vorrichtungen zu erstellen“.


64      Vgl. Rn. 67 der Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 [AEUV]: „Um festzustellen, ob [ein Vorteil vorliegt], sollte die finanzielle Lage des Unternehmens nach der Maßnahme mit der finanziellen Lage verglichen werden, in der es sich befände, wenn die Maßnahme nicht durchgeführt worden wäre.“


65      In der mündlichen Verhandlung hat CCB – von JCDecaux unwidersprochen – dargelegt, dass diese im Gebiet der Nachbargemeinde Uccle (Belgien) auf in ihrem Eigentum stehenden Stadtmöbeln angebrachte Vorrichtungen zu Werbezwecken nutze und dafür Miete zahle.


66      In ihrer Klagebeantwortung vor dem Gericht hatte die Kommission bereits eine solche Anmerkung gemacht. JCDecaux hatte in der Erwiderung geantwortet, dass sich ihr Vorbringen nicht auf den selektiven Charakter der Maßnahme beziehe und sie mit der Klageschrift „schlicht und ergreifend in Abrede stellt, dass es von Belang ist, dass die Kommission die Abgabenverordnung von 2001 über die städtischen Werbevorrichtungen für die Feststellung, ob ein Vorteil zugunsten von JCDecaux vorliegt (was nicht der Fall ist), und als Grundlage für die Berechnung des Betrags einer etwaigen durch den belgischen Staat zurückzufordernden Beihilfe heranzieht“.


67      Urteil vom 4. Juni 2015, Kommission/MOL (C‑15/14 P, EU:C:2015:362, Rn. 60).