Language of document : ECLI:EU:T:2020:259

URTEIL DES GERICHTS (Zehnte Kammer)

10. Juni 2020(*)

„Unionsmarke – Verfallsverfahren – Unionswortmarke Leinfelder – Keine ernsthafte Benutzung der Marke – Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) 2017/1001 – Rechtsmissbrauch“

In der Rechtssache T‑577/19,

Leinfelder Uhren München GmbH & Co. KG mit Sitz in München (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt S. Lüft,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch M. Fischer als Bevollmächtigten,

Beklagter,

anderer Beteiligter im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelfer vor dem Gericht:

Thomas Schafft, wohnhaft in München, Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt V. Sandulache,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des EUIPO vom 14. Mai 2019 (verbundene Sachen R 1930/2018-2 und R 1937/2018-2) zu einem Verfallsverfahren zwischen Herrn Schafft und Leinfelder Uhren München

erlässt


DAS GERICHT (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. Kornezov sowie der Richter E. Buttigieg und G. Hesse (Berichterstatter),

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 19. August 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 31. Oktober 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des EUIPO,

aufgrund der am 31. Oktober 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des Streithelfers,

aufgrund des am 5. Februar 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Antrags der Klägerin auf Aussetzung des Verfahrens,

aufgrund der am 13. Februar 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Stellungnahmen des EUIPO und des Streithelfers zum Aussetzungsantrag,

aufgrund der Entscheidung vom 27. Februar 2020, mit der der Antrag der Klägerin auf Aussetzung des Verfahrens zurückgewiesen worden ist,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien innerhalb von drei Wochen nach der Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des darauf gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden,

folgendes

Urteil      

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 11. März 2011 meldete die E. Leinfelder GmbH nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EU] 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke [ABl. 2017, L 154, S. 1]) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen Leinfelder.

3        Die Marke wurde für folgende Waren der Klassen 8, 14 und 18 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 8: „Messerschmiedewaren, Gabeln, Löffel“;

–        Klasse 14: „Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit in Klasse 14 enthalten; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine, Uhren und Zeitmessinstrumente“;

–        Klasse 18: „Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten“.

4        Am 21. Juli 2011 wurde das oben in Rn. 2 wiedergegebene Zeichen unter der Nr. 9 804 981 als Unionsmarke eingetragen.

5        Am 21. April 2015 wurde die teilweise Übertragung dieser Marke auf die Klägerin, die Leinfelder Uhren München GmbH & Co. KG, unter der Nr. 13 975 461, die die im vorliegenden Fall angegriffene Marke ist, für folgende Waren eingetragen:

–        Klasse 14: „Uhren und Zeitmessinstrumente“;

–        Klasse 18: „Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten, für Uhren und Zeitmessinstrumente“.

6        Am 10. August 2016 stellte der Streithelfer, Herr Thomas Schafft, nach Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001) beim EUIPO den Antrag, die angegriffene Marke für verfallen zu erklären.

7        Am 27. Oktober, 18. November und 28. November 2016 legte die Klägerin Beweise vor, die die ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke belegen sollten. Dabei handelt es sich um Fotografien, eine eidesstattliche Versicherung, Abbildungen, Rechnungen, Werbeanzeigen und Auszüge, ein Inventarverzeichnis und eine Kopie einer Broschüre.

8        Am 20. April 2017 legte die Klägerin ergänzende Beweise in Form von Rechnungen, einer E‑Mail, eines Zertifikats, eines Inventarverzeichnisses, eines Auszugs, einer eidesstattlichen Versicherung, einer Gründungsvereinbarung und eines Asset-Kaufvertrags vor.

9        Mit Entscheidung vom 30. Juli 2018 gab die Löschungsabteilung des EUIPO dem Antrag auf Erklärung des Verfalls teilweise statt und erklärte die angegriffene Marke für alle oben in Rn. 5 genannten Waren außer für „Armbanduhren“ der Klasse 14 und „Uhrenarmbänder“ der Klasse 18 für verfallen.

10      Am 29. September 2018 legte der Streithelfer Beschwerde ein (Sache R 1930/2018-2) und beantragte, die Entscheidung der Löschungsabteilung aufzuheben, soweit der Verfallsantrag zurückgewiesen wurde, und die angegriffene Marke in vollem Umfang für verfallen zu erklären.

11      Am 1. Oktober 2018 erhob die Klägerin Beschwerde (Sache R 1937/2018-2) und beantragte, die angefochtene Entscheidung der Löschungsabteilung teilweise aufzuheben, soweit die angegriffene Marke für verfallen erklärt wurde.

12      Mit Entscheidung vom 14. Mai 2019 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Zweite Beschwerdekammer zum einen die Beschwerde in der Sache R 1937/2018-2 zurück, hob zum anderen die Entscheidung der Löschungsabteilung teilweise auf und erklärte die Marke der Klägerin für „Armbanduhren“ der Klasse 14 und „Uhrenarmbänder“ der Klasse 18 ab dem 10. August 2016 für verfallen.

13      Die Beschwerdekammer ging erstens davon aus, dass die Klägerin die ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke für den Zeitraum vom 10. August 2011 bis zum 9. August 2016 (im Folgenden: maßgeblicher Zeitraum) habe nachweisen müssen.

14      Zweitens führte die Beschwerdekammer zu Zeit und Ort der Benutzung aus, dass die von der Klägerin vorgelegten Beweise, die datiert seien, überwiegend aus dem maßgeblichen Zeitraum stammten und sich im Wesentlichen auf München und Dresden und somit auf das relevante Territorium bezögen.

15      Drittens stellte die Beschwerdekammer zu Art und Umfang der Benutzung fest, dass sich aus der Gesamtwürdigung der von der Klägerin vorgelegten Beweise ergebe, dass die angegriffene Marke für „Armbanduhren“ der Klasse 14 und „Uhrenarmbänder“ der Klasse 18 nicht ernsthaft benutzt worden sei.

 Anträge der Parteien

16      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben, soweit die angegriffene Marke für „Armbanduhren“ der Klasse 14 und „Uhrenarmbänder“ der Klasse 18 für verfallen erklärt wurde;

–        die vom Streithelfer erhobene Beschwerde (Sache R 1930/2018-2) zurückzuweisen;

–        dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen;

–        dem Streithelfer seine eigenen Kosten aufzuerlegen.

17      Das EUIPO und der Streithelfer beantragen,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

18      Die Klägerin stützt ihre Klage auf zwei Gründe. Mit dem ersten Klagegrund macht sie einen Verstoß gegen Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 geltend, da die angegriffene Marke ernsthaft benutzt worden sei. Mit dem zweiten Klagegrund rügt sie einen „Rechtsmissbrauch“ des Streithelfers, weil dieser gegen die Klauseln der zwischen ihr und E. Leinfelder geschlossenen Verträge und gegen gesellschaftsrechtliche Treuepflichten verstoßen habe.

 Zum ersten Klagegrund: ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke

19      Die Klägerin trägt vor, die Beschwerdekammer habe gegen Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 verstoßen, da sie die Auffassung vertreten habe, dass die vorgelegten Beweismittel die ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke für die maßgeblichen Waren nicht belegen könnten.

20      Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

 Vorbemerkungen

21      Nach Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 wird die Unionsmarke auf Antrag beim EUIPO oder auf Widerklage im Verletzungsverfahren für verfallen erklärt, wenn die Marke innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren in der Union für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, nicht ernsthaft benutzt worden ist und keine berechtigten Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen.

22      Nach Regel 22 Abs. 3 und 4 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1995, L 303, S. 1) in geänderter Fassung, die nach Regel 40 Abs. 5 dieser Verordnung in Verfallsverfahren entsprechend gilt, muss sich der Nachweis der Benutzung auf Ort, Zeit, Umfang und Art der Benutzung der Marke erstrecken und beschränkt sich grundsätzlich auf die Vorlage von Urkunden und Beweisstücken, wie Verpackungen, Etiketten, Preislisten, Katalogen, Rechnungen, Fotografien, Zeitungsanzeigen und auf die in Art. 78 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 genannten schriftlichen Erklärungen.

23      Hinsichtlich der Beweislast hat der Unionsrichter bestätigt, dass im Rahmen eines Verfallsverfahrens der Nachweis einer ernsthaften Benutzung der Marke deren Inhaber obliegt und nicht von Amts wegen vom EUIPO zu führen ist (Urteil vom 26. September 2013, Centrotherm Systemtechnik/HABM und centrotherm Clean Solutions, C‑610/11 P, EU:C:2013:593, Rn. 63). Nach Regel 40 Abs. 5 der Verordnung Nr. 2868/95 in geänderter Fassung setzt das EUIPO in einem Verfallsverfahren dem Inhaber der Unionsmarke eine Frist, innerhalb deren er den Nachweis der ernsthaften Benutzung der Marke zu führen hat. Wird der Nachweis nicht innerhalb der gesetzten Frist geführt, verfällt die Marke.

24      Bei der Auslegung des Begriffs „ernsthafte Benutzung“ ist zu berücksichtigen, dass der Normzweck des Erfordernisses, dass die angegriffene Marke ernsthaft benutzt worden sein muss, weder auf eine Bewertung des kommerziellen Erfolgs eines Unternehmens noch auf eine Überprüfung seiner Geschäftsstrategie oder darauf abzielt, den Markenschutz nur umfangreichen geschäftlichen Verwertungen von Marken vorzubehalten (vgl. Urteil vom 11. April 2019, Fomanu/EUIPO – Fujifilm Imaging Germany [Darstellung eines Schmetterlings], T‑323/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:243, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25      Nach der Rechtsprechung wird eine Marke ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion – die Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde, zu garantieren – benutzt wird, um für diese Waren und Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, unter Ausschluss symbolischer Verwendungen, die allein der Wahrung der durch die Marke verliehenen Rechte dienen (vgl. Urteil vom 31. Januar 2019, Pandalis/EUIPO, C‑194/17 P, EU:C:2019:80, Rn. 83 und die dort angeführte Rechtsprechung). Ferner wird mit der Bedingung einer ernsthaften Benutzung der Marke verlangt, dass die Marke, so wie sie in dem fraglichen Gebiet geschützt ist, öffentlich und nach außen benutzt wird (vgl. Urteile vom 6. Oktober 2004, Vitakraft-Werke Wührmann/HABM – Krafft [VITAKRAFT], T‑356/02, EU:T:2004:292, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 4. Juli 2014, Construcción, Promociones e Instalaciones/HABM – Copisa Proyectos y Mantenimientos Industriales [CPI COPISA INDUSTRIAL], T‑345/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:614, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Die Ernsthaftigkeit der Benutzung einer Marke ist anhand sämtlicher Umstände zu prüfen, die belegen können, dass die Marke tatsächlich geschäftlich verwertet wird; dazu gehören insbesondere Verwendungen, die im betreffenden Wirtschaftszweig als gerechtfertigt angesehen werden, um Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu behalten oder zu gewinnen, die Art dieser Waren oder Dienstleistungen, die Merkmale des Marktes sowie der Umfang und die Häufigkeit der Benutzung der Marke (vgl. Urteil vom 10. September 2008, Boston Scientific/HABM – Terumo [CAPIO], T‑325/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2008:338, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27      Die ernsthafte Benutzung einer Marke lässt sich nicht mit Wahrscheinlichkeitsannahmen oder Vermutungen nachweisen, sondern muss auf konkreten und objektiven Umständen beruhen, die eine tatsächliche und ausreichende Benutzung der Marke auf dem betreffenden Markt belegen (vgl. Urteil vom 23. September 2009, Cohausz/HABM – Izquierdo Faces [acopat], T‑409/07, nicht veröffentlicht, EU:T:2009:354, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung). Es ist eine umfassende Beurteilung unter Berücksichtigung aller relevanten Faktoren des Einzelfalls vorzunehmen, die eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den berücksichtigten Faktoren impliziert (vgl. Urteil vom 18. Januar 2011, Advance Magazine Publishers/HABM – Capela & Irmãos [VOGUE], T‑382/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:9, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Im Übrigen verlangt Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 keine kontinuierliche, ununterbrochene Benutzung der angegriffenen Marke im maßgeblichen Zeitraum, sondern nur eine ernsthafte Benutzung im Laufe dieses Zeitraums (vgl. Urteil vom 3. Oktober 2019, 6Minutes Media/EUIPO – ad pepper media International [ADPepper], T‑668/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:719, Rn. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Außerdem dürfen der erzielte Umsatz und die Menge der unter der angegriffenen Marke verkauften Waren nicht absolut beurteilt werden, sondern müssen im Zusammenhang mit anderen relevanten Umständen wie dem Umfang der Geschäftstätigkeit, den Produktions- oder Vertriebskapazitäten oder dem Grad der Diversifizierung des Unternehmens, das die Marke verwertet, und den Merkmalen der Waren oder Dienstleistungen auf dem betreffenden Markt gesehen werden. Die Benutzung der angegriffenen Marke braucht daher nicht immer umfangreich zu sein, um als ernsthaft eingestuft zu werden. Selbst eine geringfügige Benutzung kann also als ernsthaft eingestuft werden, wenn sie in dem betreffenden Wirtschaftszweig als gerechtfertigt angesehen wird, um Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu behalten oder zu gewinnen (vgl. entsprechend Urteil vom 11. März 2003, Ansul, C‑40/01, EU:C:2003:145, Rn. 39, Beschluss vom 27. Januar 2004, La Mer Technology, C‑259/02, EU:C:2004:50, Rn. 21, vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 8. Juli 2004, Sunrider/HABM – Espadafor Caba [VITAFRUIT], T‑203/02, EU:T:2004:225, Rn. 42).

30      Je begrenzter jedoch das Handelsvolumen der Markenverwertung ist, desto mehr besteht die Notwendigkeit, dass der Markeninhaber ergänzende Angaben macht, die etwaige Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Benutzung der betreffenden Marke ausräumen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Januar 2011, VOGUE, T‑382/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:9, Rn. 31).

31      Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob die Beschwerdekammer die ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Zeitpunkt des Antrags auf Erklärung ihres Verfalls, d. h. während des maßgeblichen Zeitraums, zu Recht verneint hat.

32      Gemäß den oben in Rn. 22 wiedergegebenen Regeln sind also Zeit, Ort, Umfang und Art der Benutzung der angegriffenen Marke zu prüfen. Zum Nachweis der ernsthaften Benutzung der angegriffenen Marke hat die Klägerin die in den Rn. 6 und 7 der angefochtenen Entscheidung genannten Beweismittel vorgelegt.

 Zum Beweiswert bestimmter von der Klägerin vorgelegter Beweismittel

–       Zu den eidesstattlichen Versicherungen

33      Zu den vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen (Beweismittel Nrn. 1 und 43) führt die Klägerin aus, dass ihr Beweiswert nicht dadurch in Frage gestellt werde, dass sie von der Geschäftsführerin ihrer Komplementärin verfasst worden seien. Dass die Geschäftsführerin eine zweite eidesstattliche Versicherung habe abgeben müssen, um die erste zu berichtigen, begründe keine Zweifel an der Richtigkeit der Angaben. Die Klägerin wirft der Beschwerdekammer vor, die eidesstattlichen Versicherungen nicht im Licht der anderen von ihr vorgelegten Beweismittel gewürdigt zu haben.

34      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass bei der Beurteilung des Beweiswerts eidesstattlicher Versicherungen wie bei jedem Dokument zunächst die Wahrscheinlichkeit und der Wahrheitsgehalt der darin enthaltenen Information zu prüfen sind. Insbesondere sind die Herkunft des Dokuments, die Umstände seiner Ausarbeitung, sein Adressat und die Frage zu berücksichtigen, ob es seinem Inhalt nach vernünftig und glaubhaft erscheint. Da eidesstattliche Versicherungen nach dem nationalen Recht Beweiskraft besitzen, stellen sie nach der Rechtsprechung grundsätzlich im Rahmen des Widerspruchsverfahrens zulässige Beweismittel dar (vgl. Urteil vom 16. Juli 2014, Nanu-Nana Joachim Hoepp/HABM – Stal-Florez Botero [la nana], T‑196/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:674, Rn. 30 und 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Sodann geht aus der Rechtsprechung hervor, dass eidesstattliche Versicherungen einer Person, die enge Bindungen zur betroffenen Partei hat – wie die, die die Geschäftsführerin der Komplementärin der Klägerin mit der Klägerin unterhält –, geringeren Beweiswert als Erklärungen Dritter haben und daher für sich allein keinen hinreichenden Beweis für die Benutzung der Marke darstellen können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. März 2016, Naazneen Investments/HABM, C‑252/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:178, Rn. 61, und vom 5. März 2020, Dekoback/EUIPO – DecoPac [Dekoback], T‑80/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:81, Rn. 55).

36      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die fraglichen eidesstattlichen Versicherungen abgesehen davon, dass sie von der Geschäftsführerin der Komplementärin der Klägerin stammen, Widersprüche enthalten. Insbesondere gab die Geschäftsführerin in ihrer ersten eidesstattlichen Versicherung an, dass bis Juni 2016 mehr als 100 Uhren hergestellt worden seien und dass in diesem Zeitraum 35 Uhren in der Inventarliste verzeichnet gewesen seien. In ihrer zweiten eidesstattlichen Versicherung erklärte sie, dass es im Juni 2016 ein Inventar von mehr als 60 Uhren gegeben habe. In der Inventarliste vom 30. Juni 2016 waren jedoch nur 37 Uhren verzeichnet.

37      Der ersten eidesstattlichen Versicherung der Geschäftsführerin der Komplementärin der Klägerin zufolge sponserte die Klägerin 2011, 2012 und 2015 ein Dressurturnier auf der Reitanlage Gut Riedhausen. Die als Beweismittel Nr. 21 vorgelegten Fotos beziehen sich jedoch auf das Jahr 2013.

38      Da die in den eidesstattlichen Versicherungen enthaltenen Informationen durch weitere Beweismittel bestätigt werden müssen, was vorliegend nicht der Fall ist, hat die Beschwerdekammer zu Recht ihre Zuverlässigkeit bezweifelt. Daraus folgt, dass der Beweiswert dieser Beweismittel als gering anzusehen ist und dass diese die anderen Beweise, die vorgelegt wurden, um die ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke nachzuweisen, nicht untermauern können.

–       Zu den nicht datierten Beweismitteln

39      Zahlreiche Beweismittel sind nicht datiert. Dabei handelt es sich insbesondere um Abbildungen, die Auszüge aus Katalogen darstellen (Beweismittel Nr. 2), bestimmte Veröffentlichungen in Presseerzeugnissen (Beweismittel Nr. 5), den Chronograph Leinfelder Meridian (Beweismittel Nr. 24), Armbänder für Uhren (Beweismittel Nr. 28), Fotos von Papiertragetaschen, Visitenkarten und Pressemappen, Messeständen, dem Sponsorship des Dressurreitturniers, einer Feier, einem Showroom und einer Veranstaltung (Beweismittel Nrn. 13, 14, 17 bis 20, 21, 22, 23 und 26), Auszüge aus einer Website (Beweismittel Nr. 25) und eine Kopie einer Broschüre (Beweismittel Nr. 27).

40      Es ist somit u. a. festzustellen, dass die Klägerin Fotos über ihre Teilnahme an Ausstellungen ihrer Branche in Deutschland, der Schweiz und Österreich vorgelegt hat. Diese enthalten jedoch weder das Datum noch hinreichende Angaben über den Zeitpunkt und den Ort, an dem sie aufgenommen wurden. Zudem sind, da die Schweiz kein Mitgliedstaat der Europäischen Union ist, die sie betreffenden Beweismittel irrelevant (vgl. entsprechend Urteil vom 25. April 2018, Romantik Hotels & Restaurants/EUIPO – Hotel Preidlhof [ROMANTIK], T‑213/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:225, Rn. 57).

41      Im vorliegenden Fall wird nur in den Erklärungen der Klägerin und den vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der Zeitraum angegeben, auf den sich die von der Klägerin vorgelegten nicht datierten Beweise beziehen. Wie oben in Rn. 38 festgestellt, haben diese eidesstattlichen Versicherungen jedoch einen geringen Beweiswert und können die anderen Beweise, die vorgelegt wurden, um die ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke nachzuweisen, nicht untermauern. Dies gilt erst recht für die Erklärungen der Klägerin selbst. Daher sind gemäß der oben in Rn. 27 angeführten Rechtsprechung die nicht datierten Fotos als solche nicht ausreichend, um die Ernsthaftigkeit der Benutzung der angegriffenen Marke zu rechtfertigen. Dasselbe gilt für die anderen nicht datierten Beweismittel.

 Zur Zeit der Benutzung

42      In Bezug auf die Zeit der Benutzung ist, was die von der Klägerin vorgelegten datierten Beweismittel betrifft, festzustellen, dass sich diese hauptsächlich auf den maßgeblichen Zeitraum beziehen.

43      Daraus folgt, dass die Beschwerdekammer in Rn. 25 der angefochtenen Entscheidung zutreffend die Auffassung vertreten hat, dass die Beweismittel, die datiert seien, überwiegend aus dem maßgeblichen Zeitraum stammten.

 Zum Ort der Benutzung

44      Wie die Klägerin hervorhebt, muss sich die Beurteilung des Orts der Nutzung auf sämtliche erheblichen Tatsachen und Umstände stützen. So kann nach der Rechtsprechung selbst eine rein lokale Benutzung eine ernsthafte Benutzung darstellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Januar 2015, Now Wireless/HABM – Starbucks [HK] [now], T‑278/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:57, Rn. 49 bis 53).

45      Auch wenn, wie die Beschwerdekammer zutreffend festgestellt hat, die Benutzung einer Unionsmarke in nur einem Mitgliedstaat bzw. nur einem Teilgebiet eines Mitgliedstaats nicht per se die Ernsthaftigkeit dieser Benutzung in der Europäischen Union ausschließt, ist die Größe des Gebiets, in dem die Marke benutzt wird, dennoch lediglich ein Faktor unter anderen, der bei der Beurteilung der ernsthaften Benutzung einer Marke zu berücksichtigen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Mai 2006, Sunrider/HABM, C‑416/04 P, EU:C:2006:310, Rn. 76, und vom 17. Januar 2013, Reber/HABM – Wedl & Hofmann [Walzer Traum], T‑355/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:22, Rn. 43).

46      Im vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, dass sich, wie die Beschwerdekammer in Rn. 25 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, die Mehrzahl der von der Klägerin vorgelegten Beweismittel auf München (Deutschland) und Dresden (Deutschland) bezieht. In ihnen wird nämlich die Adresse des Geschäfts „Leinfelder Manufaktur“ in München (Beweismittel Nr. 4) und die Adresse der Tempus Arte Boutique in Dresden (Beweismittel Nr. 36) genannt. Andere Beweismittel, wie die verschiedenen Veröffentlichungen in deutschen Presseerzeugnissen (Beweismittel Nrn. 5 bis 12), suggerieren eine Verbreitung in ganz Deutschland, wie die Beschwerdekammer in Rn. 41 dieser Entscheidung zutreffend festgestellt hat.

47      Sodann ist zur Teilnahme der Klägerin an Ausstellungen in Basel (Schweiz) und Wien (Österreich) festzustellen, dass sich die entsprechenden Beweise auf nicht datierte Fotos und die eidesstattliche Versicherung der Geschäftsführerin der Komplementärin der Klägerin (Beweismittel Nrn. 1, 18 und 20) beschränken. Da die Geschäftsführerin wegen der in ihrer ersten eidesstattlichen Versicherung enthaltenen Widersprüche eine zweite eidesstattliche Versicherung verfasste, ist diese Erklärung wenig verlässlich, wie die Beschwerdekammer in Rn. 33 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat.

48      Ferner ist, wie die Beschwerdekammer in Rn. 36 der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, die an Professor A mit einer Rechnungsadresse in den USA ausgestellte Rechnung (Beweismittel Nr. 3) ebenfalls nicht für den Nachweis geeignet, dass die Kundschaft der Klägerin über München und Dresden hinausgeht. Der Beweiswert dieser Rechnung ist nämlich auch deshalb gering, weil dieser Professor der Kommanditist der Klägerin ist, weshalb dieser Verkauf nicht nach außen gerichtet war, wie es die oben in Rn. 25 angeführte Rechtsprechung verlangt.

49      Außerdem geht aus Art. 18 Abs. 1 und Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 hervor, dass die Marke in der Union benutzt werden muss. Da weder die Schweiz noch die USA zur Europäischen Union gehören, sind die sie betreffenden Beweise irrelevant (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 25. April 2018, ROMANTIK, T‑213/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:225, Rn. 57).

50      Schließlich genügt zum Vorbringen der Klägerin, wonach ihre Website die Möglichkeit biete, sich in ganz Deutschland über Waren der Inhaberin der angegriffenen Marke zu informieren, die Feststellung, dass die Klägerin weder Daten zur Zahl der Aufrufe dieser Website noch Daten zur geografischen Verbreitung dieser Aufrufe vorgelegt hat.

51      Nach alledem hat die Klägerin, der gemäß der oben in Rn. 23 wiedergegebenen Rechtsprechung die Beweislast obliegt, nicht nachzuweisen vermocht, dass die Benutzung der angegriffenen Marke über München und Dresden hinausging – mit der einzigen Ausnahme der wenigen datierten Veröffentlichungen in der deutschen Presse, von denen angenommen werden könnte, dass sie sich auf ganz Deutschland erstrecken. Unter Berücksichtigung der Relevanz und des Beweiswerts der verschiedenen von der Klägerin vorgelegten Beweismittel hat die Beschwerdekammer daher in Rn. 25 des angefochtenen Urteils fehlerfrei die Auffassung vertreten, dass sich die Mehrzahl der als relevant und zuverlässig erachteten Beweismittel im Wesentlichen auf München und Dresden bezog.

 Zu Umfang und Art der Benutzung

52      Was die betroffenen Waren angeht, beziehen sich die von der Klägerin vorgelegten Beweismittel in der Tat auf die in Rede stehenden Waren, nämlich Armbanduhren und Uhrenarmbänder, und ihre Tätigkeit zur Erschließung oder Sicherung eines Absatzmarkts für diese Waren. Es ist daher die Frage zu prüfen, ob diese Beweismittel für den Nachweis einer ernsthaften Benutzung der angegriffenen Marke ausreichend sind.

–       Zu den Umsätzen und der Zahl verkaufter Uhren

53      Die Klägerin macht geltend, dass ihr Unternehmen erst 2011 als „Start-up“ seinen Betrieb aufgenommen habe, was ihren geringen Umsatz erkläre. Zum Kaufpreis der Uhren trägt sie vor, dass zu berücksichtigen sei, dass die Verkäufe über E. Leinfelder und die Tempus Arte Boutique in Dresden als Kommissionsverkäufe erfolgt seien. E. Leinfelder oder die Tempus Arte Boutique habe die Uhren als Kommissionär an die Endkunden zu einem deutlich höheren Preis verkauft: Die Kommission habe 25 % betragen, und der in den Rechnungen der Markeninhaberin an den Kommissionär ausgewiesene Preis habe folglich nur 75 % des vom Endverbraucher für die Uhr bezahlten Preises entsprochen.

54      Der Markt, auf dem sie tätig sei, sei ein exklusiver Markt, auf dem die Waren von Hand hergestellt würden und hochpreisig seien. Sie könne nicht mit einem so aktiven und erfahrenen Unternehmen wie Rolex verglichen werden. Es gebe eine umfangreiche Rechtsprechung des Gerichtshofs, aus der hervorgehe, dass es im Zusammenhang mit der ernsthaften Benutzung der Marke nicht auf einen geringen Umsatz oder die Rentabilität ankomme.

55      In diesem Kontext ist in Anbetracht der von der Klägerin vorgelegten Beweismittel festzustellen, dass im maßgeblichen Zeitraum 26 Uhren mit einem Gesamtumsatz in Höhe von 119 686,68 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer verkauft wurden.

56      Nach der oben in Rn. 24 angeführten Rechtsprechung ist die Beurteilung des wirtschaftlichen Erfolgs eines Unternehmens zwar nicht das Ziel der Prüfung des Nachweises der Benutzung, wie die Beschwerdekammer und das EUIPO zutreffend festgestellt haben.

57      Je niedriger die Zahl der verkauften Uhren ist, desto mehr ist es jedoch nach der oben in Rn. 30 angeführten Rechtsprechung erforderlich, dass die Klägerin zusätzliche Angaben macht, mit denen etwaige Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Benutzung der angegriffenen Marke ausgeräumt werden können.

58      Im vorliegenden Fall geht aus den von der Klägerin vorgelegten Rechnungen hervor, dass sich der Preis der von ihr verkauften Uhren zwischen 1 200 Euro und 14 054,63 Euro bewegt (Beweismittel Nr. 3). Zwar könnten manche dieser Preise als sehr hoch angesehen werden, was zeigen würde, dass es sich um keine Massenware oder Waren des täglichen Gebrauchs handelt; gleichwohl ist die Menge der verkauften Uhren extrem niedrig. Die Klägerin hat nämlich während des maßgeblichen Zeitraums im Durchschnitt nur fünf Uhren pro Jahr verkauft.

59      Außerdem wurde mindestens eine der 26 Uhren an Professor A verkauft, der Kommanditist der Klägerin ist, wie sie in der Klageschrift einräumt. Von den vorgelegten Rechnungen waren vier an diesen Professor c/o Tempus Arte GmbH & Co. KG adressiert, ohne dass die Endempfänger der Waren genannt wurden, was Zweifel daran weckt, ob diese Verkäufe nach außen gerichtet waren, wie es die oben in Rn. 25 angeführte Rechtsprechung verlangt, oder ob es sich nicht vielmehr um eine Nutzung innerhalb der Inhaberin der angegriffenen Marke handelte, die für den Nachweis einer ernsthaften Benutzung der Marke nicht berücksichtigt werden durfte. Die Klägerin, der gemäß der oben in Rn. 23 wiedergegebenen Rechtsprechung die Beweislast obliegt, hat nämlich kein Beweismittel vorgelegt, mit dem sich belegen lässt, dass die Uhren, die Gegenstand der oben genannten Verkäufe waren, anschließend an Drittkunden weiterverkauft wurden.

60      Somit hat die Beschwerdekammer wegen der engen Verbindungen zwischen der Klägerin und dem auf diesen Rechnungen angegebenen Käufer zu Recht Zweifel an der Zuverlässigkeit der Beweise, die fünf der 26 von der Klägerin im maßgeblichen Zeitraum verkauften Uhren betreffen, geäußert. Daraus folgt, dass die Gesamtzahl der Uhren, deren Verkauf an Drittkunden in diesem Zeitraum hinreichend nachgewiesen wurde, sehr gering oder gar symbolisch ist, so dass sich damit die ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke nicht nachweisen und erst recht nicht, wie die Beschwerdekammer zutreffend festgestellt hat, der Umfang dieser Benutzung beurteilen lässt.

61      Es ist jedoch zu prüfen, ob dieses geringe Verkaufsvolumen durch eine etwaige ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke mit anderen Mitteln kompensiert wird. Insoweit hat die Klägerin u. a. Beweismittel zu ihren Werbemaßnahmen und ihrer Website vorgelegt.

–       Zu den Werbemaßnahmen

62      Die Klägerin macht geltend, dass die Beträge, die sie für die Werbemaßnahmen ausgegeben habe, ausreichend seien, um ihre Bemühungen, die in Rede stehenden Waren in Deutschland und im Ausland zu bewerben, nachzuweisen. Es könne nicht verlangt werden, dass das konkrete Produkt, auf das sich die Rechnungen bezögen, erkennbar sei.

63      Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

64      Abgesehen davon, dass bestimmte Beweismittel nicht datiert sind, beschränkt sich die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf, Fotos von Broschüren, Papiertragetaschen, Visitenkarten und Pressemappen vorzulegen, um ihre Bemühungen, die angegriffene Marke zu bewerben, nachzuweisen. Sie legt aber keine ausreichenden Beweise für die genaue Zahl von Katalogen und Werbematerial, die verteilt wurden, und den Zeitpunkt, zu dem diese Verteilung stattfand, vor.

65      Die ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke lässt sich durch die Verwendung der Marke auf Werbematerial nicht nachweisen, indem lediglich Kopien dieses Materials vorgelegt werden. Darüber hinaus muss, um die Ernsthaftigkeit der Benutzung der fraglichen Marke zu belegen, nachgewiesen werden, dass dieses Material, unabhängig von seiner Art, in den maßgeblichen Verkehrskreisen ausreichende Verbreitung gefunden hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. März 2012, Arrieta D. Gross/HABM – International Biocentric Foundation u. a. [BIODANZA], T‑298/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:113, Rn. 68).

66      Im vorliegenden Fall trägt die Klägerin nichts zur Verbreitung des überwiegenden Teils des von ihr angeführten Werbematerials vor. Die einzigen Beweismittel, die ein nachvollziehbares Datum tragen, sind einige Anzeigen oder Veröffentlichungen in den Presseerzeugnissen „Views Magazine“, „Manager Magazin“, „Swiss Wedding“, „Baselworld Daily News“, „Boote Exklusiv“, „Chronos Katalog“, „Harvest Magazin“, „Madame“ und „Armbanduhren“ (Beweismittel Nrn. 5, 7, 10 und 11). Die Klägerin hat jedoch keine Informationen über die Auflage und die Verbreitung dieser Presseerzeugnisse vorgelegt. Demnach reichen diese Beweismittel trotz der Tatsache, dass, wie die Beschwerdekammer in Rn. 41 der angefochtenen Entscheidung übrigens anerkannt hat, einige der ordnungsgemäß datierten Veröffentlichungen in renommierten Zeitungen und Zeitschriften erschienen sind, allein nicht aus, um auf eine ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke zu schließen.

67      Was im Übrigen die Beweismittel bezüglich der Weihnachtsfeier angeht, hat die Beschwerdekammer zutreffend festgestellt, dass ihr Beweiswert für den Umfang der Benutzung der angegriffenen Marke von vornherein begrenzt war, da es nicht möglich war, zu erkennen, ob es sich um eine interne Feier handelte oder nicht, und – im letztgenannten Fall – zu bestimmen, wie viele Personen anwesend waren.

–       Zu den Auszügen aus der Website

68      Die Klägerin trägt vor, dass ihre Website die Möglichkeit biete, sich in ganz Deutschland über die betreffenden Waren zu informieren. Es handele sich um eine Tätigkeit zum Aufbau des Unternehmens.

69      Das EUIPO tritt diesem Vorbringen entgegen.

70      Zu den von der Klägerin vorgelegten Auszügen aus ihrer Website ist festzustellen, dass sie es nicht ermöglichen, zu erkennen, welchen Preis die betreffenden Waren haben und ob sie online bestellt werden können. Diese Beweise reichen in Kombination mit den anderen Beweisen nicht aus, um eine ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke nachzuweisen.

71      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die von der Klägerin vorgelegten Beweismittel zusammen genommen nicht ausreichen, um eine ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke im maßgeblichen Zeitraum für „Armbanduhren“ der Klasse 14 und „Uhrenarmbänder“ der Klasse 18 nachzuweisen.

72      Unter Berücksichtigung der Relevanz und des Beweiswerts der Beweismittel, die die Klägerin, der die Beweislast obliegt, vorgelegt hat, konnte die Beschwerdekammer in Anbetracht insbesondere der geringen oder gar symbolischen Menge im maßgeblichen Zeitraum verkaufter Uhren, des sehr beschränkten Ortes der Benutzung der angegriffenen Marke und des geringen Beweiswerts der Mehrzahl der vorgelegten Beweismittel nur zu dem Ergebnis gelangen, dass diese nicht für den Nachweis einer ernsthaften Benutzung der Marke ausreichten. Der Klägerin ist daher nicht der Nachweis gelungen, dass die von ihr geltend gemachte Benutzung gemäß der oben in Rn. 25 angeführten Rechtsprechung darauf abzielte, für ihre Waren einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, unter Ausschluss symbolischer Verwendungen, die allein der Wahrung der durch die Marke verliehenen Rechte dienen.

73      Folglich ist der erste von der Klägerin geltend gemachte Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Rechtsmissbrauch

74      Die Klägerin macht geltend, dass der Verfallsantrag wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig sei. Der Streithelfer habe als „Strohmann“ der Gesellschafter von E. Leinfelder, die auch ihre Gesellschafter gewesen seien, gehandelt und gegen die Pflichten verstoßen, die sich aus den zwischen ihr und E. Leinfelder geschlossenen Verträgen und dem Gesellschaftsrecht ergäben.

75      Im vorliegenden Fall hat das EUIPO zutreffend festgestellt, dass nach Art. 63 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 ein Antrag auf Erklärung des Verfalls von „jeder natürlichen oder juristischen Person“ wegen fehlender oder unzureichender Benutzung einer Marke gestellt werden kann, wobei es bei der Prüfung der Zulässigkeit eines gemäß dieser Bestimmung gestellten Verfallsantrags irrelevant ist, ob ein Rechtsmissbrauch vorliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. November 2017, Carrera Brands/EUIPO – Autec [Carrera], T‑419/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:812, Rn. 33, vgl. entsprechend auch Beschluss vom 19. Juni 2014, Donaldson Filtration Deutschland/ultra air, C‑450/13 P, EU:C:2014:2016, Rn. 39, 42 und 46).

76      Daher ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen und damit die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

77      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des EUIPO die Kosten aufzuerlegen.


Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zehnte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Leinfelder Uhren München GmbH & Co. KG trägt die Kosten.

Kornezov

Buttigieg

Hesse

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 10. Juni 2020.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

      M. van der Woude      


*      Verfahrenssprache: Deutsch.