Language of document : ECLI:EU:T:2010:221

BESCHLUSS DES GERICHTS (Dritte Kammer)

3. Juni 2010(*)

„Akteneinsicht – Unzulässigkeit – Anordnung“

In der Rechtssache T‑173/09

Z, wohnhaft in Hannoversch Münden (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt C. Grau und Rechtsanwältin N. Jäger,

Kläger,

gegen

Europäische Kommission, Prozessbevollmächtigte: A. Bouquet, V. Bottka und R. Sauer,

Beklagte,

betreffend die Anträge, die Kommission zu verurteilen, erstens dem Kläger durch Einsicht in die Verfahrensakte in der Sache COMP/39.406 „Marineschläuche“, insbesondere durch Zurverfügungstellung einer Kopie der Entscheidung der Kommission vom 28. Januar 2009, mit der eine Geldbuße verhängt wurde, darüber Auskunft zu gewähren, ob er in dieser Entscheidung namentlich bezeichnet wird und – falls ja – in welchem inhaltlichen Zusammenhang seine namentliche Nennung jeweils steht, zweitens in einer nach Gewährung der Akteneinsicht näher zu bezeichnenden Weise namentliche Nennungen des Klägers aus der Entscheidung der Kommission vom 28. Januar 2009 zu entfernen und drittens seine namentliche Nennung und sämtliche Hinweise auf seinen Namen in der zur Veröffentlichung bestimmten Fassung der Entscheidung vom 28. Januar 2009 zu unterlassen,

erlässt

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Azizi sowie der Richterin E. Cremona und des Richters S. Frimodt Nielsen (Berichterstatter),

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

 Sachverhalt und Verfahren

1        Am 28. Januar 2009 erließ die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Entscheidung in der Sache COM/39.406 – „Marineschläuche“, mit der sie die Teilnahme mehrerer Unternehmen an einer Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen feststellte und Geldbußen gegen diese Unternehmen verhängte (im Folgenden: Entscheidung vom 28. Januar 2009).

2        In der vertraulichen Fassung der Entscheidung vom 28. Januar 2009 wurde der Kläger, Z, an insgesamt vier Stellen in seiner Stellung als ehemaliger Vertreter eines am Kartell beteiligten Unternehmens namentlich erwähnt.

3        Die Entscheidung vom 28. Januar 2009 wurde ihren Adressaten am selben Tag bekannt gegeben, ohne dass die Zusammenfassung im Amtsblatt der Europäischen Union oder der Volltext auf der Internetseite der GD „Wettbewerb“ veröffentlicht worden wäre.

4        Mit Schreiben vom 13. Februar 2009 wandte sich der Klägervertreter an den Leiter des für Kartelle zuständigen Referats der GD „Wettbewerb“ und beantragte die Gewährung von Akteineinsicht, insbesondere die Übersendung einer Kopie der Entscheidung vom 28. Januar 2009, wobei er im Wesentlichen eine Verletzung seines Rechts geltend machte, im Rahmen des Verfahrens, das zum Erlass dieser Entscheidung geführt hatte, angehört zu werden.

5        Noch am selben Tag kontaktierte ein Beamter der GD „Wettbewerb“ den Klägervertreter telefonisch. Gegenstand des Telefonats war zum einen die Mitteilung, das Schreiben des Klägers werde als Antrag auf Zugang zu Dokumenten nach der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43) behandelt, zum anderen die Information, dass nach gegenwärtiger Praxis alle Hinweise auf natürliche Personen in der zur Veröffentlichung bestimmten Fassung der Entscheidung vom 28. Januar 2009 unkenntlich gemacht würden und daher auch der Name des Klägers hierin nicht erscheinen werde. Damit verbunden war ein Hinweis auf die Internetseiten der DG „Wettbewerb“ und auf ihre Veröffentlichungspraxis. Schließlich wurde der Klägervertreter über die Beschränkungen bei der Übermittlung von Angaben über natürliche Personen an ausländische Behörden informiert.

6        Mit E-Mail vom 16. Februar 2009 bestätigte die Kommission den Empfang des Schreibens des Klägers vom 13. Februar 2009, das ausweislich des Textes der E-Mail als Anfrage auf Zugang zu Dokumenten gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001gewertet wurde.

7        Auf diese E-Mail antwortete der Kläger über seinen Vertreter am selben Tag mit einer E-Mail, in der er ausführte, dass er seinen Antrag „vorsorglich und hilfsweise“ auf die Verordnung 1049/2001 stütze, und dass „sich [sein] Auskunfts- und Akteneinsichtsanspruch angesichts seiner unmittelbaren individualen Drittbetroffenheit und der Missachtung elementarer Verfahrensgarantien durch die … Entscheidung der Kommission [vom 28. Januar 2009] … nicht allein auf das Prinzip der Transparenz stützt, sondern insbesondere auf das weitaus höherrangige Recht des Unionsbürgers auf rechtliches Gehör“.

8        Mit E-Mail vom 18. Februar 2009 wurde dem Klägervertreter mitgeteilt, dass die GD „Wettbewerb“ und die betroffenen Unternehmen dabei seien, eine Version der Entscheidung vom 28. Januar 2009 vorzubereiten, die keine Geschäftsgeheimnisse oder andere vertrauliche Informationen enthalte. Es sei noch keine öffentlich zugängliche Version dieser Entscheidung verfügbar, die GD „Wettbewerb“ sei aber um eine schnelle Erstellung bemüht und diese nichtvertrauliche Fassung werde nach Erstellung auf ihrer Internetseite veröffentlicht. Der Kläger wurde aufgefordert, dort regelmäßig nachzusehen. Darüber hinaus seien „Ansprüche [des Klägers] außerhalb der Verordnung 1049/2001 nach der [der DG „Wettbewerb“] bekannten Sachlage nicht ersichtlich“.

9        Mit Schreiben vom 2. März 2009 legte der Kläger beim Europäischen Bürgerbeauftragten Beschwerde mit der Behauptung ein, sein Akteneinsichtsgesuch sei von der Kommission negativ beschieden worden. In seiner vorläufigen Antwort vom 6. März 2009 teilte der Europäische Bürgerbeauftragte u. a. mit, dass eine Beschwerde auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1049/2001 nicht in Betracht komme, da der Kläger von seinem Recht auf einen Zweitantrag gemäß Art. 8 der genannten Verordnung keinen Gebrauch gemacht habe.

10      Mit Schreiben vom 5. März 2009 beantwortete die Kommission das Schreiben des Klägers vom 13. Februar 2009. Dieser wurde über die noch laufende Vorbereitung einer nichtvertraulichen Fassung der Entscheidung vom 28. Januar 2009 sowie darüber informiert, dass die nichtvertrauliche Fassung der Entscheidung nach ihrer Erstellung über das Internet zugänglich sein werde.

11      Am 5. Mai 2009 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben und einen mit den Anträgen der vorliegenden Klage gleich lautenden Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt.

12      Mit seinem später aufgehobenen Beschluss vom 6. Mai 2009, Z/Kommission (T‑173/09 R, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), hat der Präsident des Gerichts angeordnet, die Veröffentlichung der Entscheidung vom 28. Januar 2009 zu unterlassen.

13      Mit Schreiben vom 14. Mai 2009 hat sich die GD „Wettbewerb“ erneut an den Kläger gewandt und ihm bestätigt, dass die Entscheidung bislang noch nicht veröffentlicht worden sei und die Kommission der Anordnung des Präsidenten des Gerichts, die Veröffentlichung bis auf Weiteres zu unterlassen, nachkommen werde. Darüber hinaus hat die Kommission ihm erneut versichert, dass Hinweise auf seinen Namen in der zur Veröffentlichung bestimmten Fassung der Entscheidung vom 28. Januar 2009 nicht erscheinen würden und dass dies in gleicher Weise für eine etwaige Übermittlung der Entscheidung an ausländische Behörden gelte. Ferner ist der Kläger im Einzelnen über die Hinweise auf seinen Namen in der Entscheidung vom 28. Januar 2009, die Gründe hierfür sowie die zugrunde liegenden Informationsquellen unterrichtet worden.

14      Der Kläger hat am 19. Mai, 25. Mai und am 3. Juni 2009 jeweils ein Schreiben an das Gericht gesandt. Während er mit den beiden erstgenannten Schreiben zum Schreiben der GD „Wettbewerb“ vom 14. Mai 2009 Stellung genommen hat, bezieht sich das letztgenannte Schreiben auf die Ausführungen der Kommission in ihrer Stellungnahme vom 26. Mai 2009 zum Antrag auf einstweilige Anordnung.

15      Mit Beschluss vom 8. Juni 2009, Z/Kommission (T‑173/09 R, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), hat der Präsident des Gerichts den Antrag auf einstweilige Anordnung zurückgewiesen, „soweit er nicht bereits gegenstandslos geworden ist“, und den Beschluss vom 6. Mai 2009 aufgehoben.

16      Am 22. Juli 2009 hat die Kommission eine Einrede der Unzulässigkeit nach Art. 114 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts erhoben.

17      Die Kommission hat dem Gericht mit Schreiben vom 15. September 2009 mitgeteilt, dass eine nichtvertrauliche Fassung der Entscheidung vom 28. Januar 2009 auf ihrer Internetseite veröffentlicht worden sei, die keine Angaben enthalte, die eine Identifizierung des Kläger erlaubten.

 Anträge der Parteien

18      Der Kläger beantragt,

–        die Kommission zu verurteilen,

–        ihm durch Akteneinsicht in die Verfahrensakte in der Sache COMP/39.406 „Marineschläuche“, insbesondere durch Zurverfügungstellung einer Kopie der Entscheidung der Kommission vom 28. Januar 2009, mit der eine Geldbuße verhängt wurde, darüber Auskunft zu gewähren, ob er in dieser Entscheidung namentlich bezeichnet wird und – falls ja – in welchem inhaltlichen Zusammenhang seine namentliche Nennung jeweils steht, insbesondere inwieweit kartell- oder strafrechtlich relevante Darstellungen in Bezug auf seine Person in der Entscheidung vom 28. Januar 2009 enthalten sind;

–        in einer nach Gewährung der Akteneinsicht noch näher zu bezeichnenden Weise namentliche Nennungen des Klägers, insbesondere kartell- oder strafrechtlich relevante Darstellungen in Bezug auf seine Person in der Entscheidung vom 28. Januar 2009 zu entfernen;

–        seine namentliche Nennung sowie sämtliche Hinweise auf ihn in der zur Veröffentlichung bestimmten Fassung der Entscheidung vom 28. Januar 2009 zu unterlassen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

19      Die Kommission beantragt,

–        die Klage als unzulässig abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Vorbringen der Parteien

20      Die Kommission macht mehrere Argumente zur Stützung der von ihr erhobenen Unzulässigkeitseinrede geltend.

21      Sie trägt insbesondere vor, die Anträge des Klägers seien sowohl ihrem Wortlaut wie auch dem Klageziel nach Verpflichtungsanträge.

22      Dem Kläger gehe es nämlich darum, sie zu einem positiven Verhalten zu verpflichten, und zwar im vorliegenden Fall zur Gewährung von Akteneinsicht, zur Abänderung der Entscheidung vom 28. Januar 2009 durch Streichung bestimmter Bestandteile und zur Erstellung einer für die Veröffentlichung bestimmten Fassung der Entscheidung vom 28. Januar 2009 in bestimmter Form.

23      Nach ständiger Rechtsprechung, nach der die Unionsgerichte nicht befugt seien, im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle Anordnungen an die Organe zu richten, seien die Anträge als unzulässig abzuweisen.

24      Der Kläger macht geltend, seine Klage sei nicht als Verpflichtungsklage zu verstehen, sondern richte sich bereits während des gesamten Verfahrens auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Weigerung, ihm Einblick in die Verfahrensunterlagen einschließlich der Entscheidung vom 28. Januar 2009 zu gewähren.

25      Werde die Rechtswidrigkeit der Entscheidung, ihm die Einsicht in die Entscheidung vom 28. Januar 2009 zu verweigern, festgestellt, ergebe sich daraus notwendigerweise die Verpflichtung der Kommission, ihm Einsicht in die verlangten Unterlagen zu gewähren. Die Rechtsfolgen einer Nichtigkeitsklage seien daher identisch mit denen, die im Klageantrag gefordert würden.

 Würdigung durch das Gericht

26      Nach Art. 114 § 1 der Verfahrensordnung kann das Gericht auf Antrag einer Partei vorab über die Unzulässigkeit entscheiden. Nach Art. 114 § 3 wird über den Antrag mündlich verhandelt, sofern das Gericht nichts anderes bestimmt.

27      Im vorliegenden Fall ist das Gericht in der Lage, auf der Grundlage des Akteninhalts ohne Fortführung des schriftlichen Verfahrens oder Eröffnung der mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

28      Der Kläger gibt ausdrücklich an, seine Klage auf der Grundlage des Art. 230 Abs. 4 EG eingereicht zu haben.

29      Nach ständiger Rechtsprechung ist das Gericht im Rahmen der von ihm auf der Grundlage des Art. 230 EG ausgeübten Rechtmäßigkeitskontrolle nicht befugt, den Organen Weisungen zu erteilen oder sich an ihre Stelle zu setzen. Diese Beschränkung der Rechtmäßigkeitskontrolle gilt für alle Arten von Rechtsstreitigkeiten, für deren Entscheidung das Gericht zuständig ist (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 12. Juli 2001, Mattila/Rat und Kommission, T‑204/99, Slg. 2001, II‑2265, Randnr. 26, auf ein Rechtsmittel hin bestätigt durch das Urteil des Gerichtshofs vom 22. Januar 2004, Mattila/Rat und Kommission, C‑353/01 P, Slg. 2004, I‑1073, Randnr. 15, und Urteil des Gerichts vom 8. Oktober 2008, Agrar-Invest-Tatschl/Kommission, T‑51/07, Slg. 2008, II‑2825, Randnrn. 27 und 28).

30      Daher ist die Klage insoweit unzulässig, als der Kläger beantragt, die Kommission zum einen zu verurteilen, ihm Einsicht in die Verfahrensakten in der Sache COMP/39.406 (Marineschläuche) zu gewähren und ihm eine Kopie ihrer Entscheidung in dieser Sache zur Verfügung zu stellen, und zum anderen, ihm mitzuteilen, ob er in dieser Entscheidung namentlich bezeichnet ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 2001, Mattila/Rat und Kommission, Randnr. 27).

31      Gleiches gilt für den zweiten und den dritten Antrag, mit denen der Kläger das Gericht ersucht, die Kommission zu verurteilen, die Passagen, die nachteilig für ihn sein könnten, sowie seine namentlichen Nennungen sowohl aus der vertraulichen als auch aus der nichtvertraulichen Fassung der Entscheidung vom 28. Januar 2009 zu entfernen.

32      Folglich ist die Klage als unzulässig abzuweisen.

 Kosten

33      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Kläger unterlegen ist, ist er dem Antrag der Kommission entsprechend zur Tragung der Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes zu verurteilen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

beschlossen:

1.      Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2.      Z trägt die Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes.

Luxemburg, den 3. Juni 2010

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.