Language of document : ECLI:EU:T:2012:415

Rechtssache T‑565/08

Corsica Ferries France SAS

gegen

Europäische Kommission

„Staatliche Beihilfen – Seekabotagesektor – Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse – Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgebers – Sozialpolitik der Mitgliedstaaten – Umstrukturierungsbeihilfe – Wirkungen eines Nichtigkeitsurteils“

Leitsätze – Urteil des Gerichts (Vierte Kammer) vom 11. September 2012

1.      Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang

(Art. 253 EG)

2.      Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang – Entscheidung der Kommission über staatliche Beihilfen – Vereinbarung der Begründungspflicht mit der Wahrung des Berufsgeheimnisses

(Art. 253 EG und 287 EG)

3.      Gerichtliches Verfahren – Klageschrift – Formerfordernisse – Kurze Darstellung der Klagegründe

(Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 44 § 1)

4.      Staatliche Beihilfen – Verwaltungsverfahren – Pflicht der Kommission, die Beteiligten zur Äußerung aufzufordern – Ausschluss der Beteiligten von der Inanspruchnahme der Verteidigungsrechte

(Art. 88 Abs. 2 EG und Art. 253 EG)

5.      Wettbewerb – Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind – Definition der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse – Ermessen der Mitgliedstaaten – Grenzen – Kontrolle der Kommission auf offenkundige Fehler beschränkt

(Art. 86 Abs. 2 EG)

6.      EG-Vertrag – Eigentumsordnungen – Freiheit der Mitgliedstaaten, wirtschaftliche Tätigkeiten aufzunehmen – Vereinbarkeit mit den Bestimmungen im Bereich der staatlichen Beihilfen

(Art. 87 Abs. 1 EG und Art. 295 EG)

7.      Staatliche Beihilfen – Begriff – Beurteilung nach dem Kriterium des privaten Kapitalgebers – Erforderlicher Vergleich des Verhaltens eines öffentlichen Kapitalgebers mit dem Verhalten einer privaten Holding oder einer privaten Unternehmensgruppe, die sich von längerfristigen Rentabilitätsaussichten leiten lässt

(Art. 87 Abs. 1 EG)

8.      Staatliche Beihilfen – Begriff – Beurteilung nach dem Kriterium des privaten Kapitalgebers – Berücksichtigung der sozialen Verantwortung eines Unternehmers und des unternehmerischen Kontexts – Zusätzliche Abfindungen – Beurteilungskriterien

(Art. 87 Abs. 1 EG)

9.      Staatliche Beihilfen – Begriff – Beurteilung nach dem Kriterium des privaten Kapitalgebers – Verpflichtung der Kommission, die wirtschaftlichen Tätigkeiten des Staates genau festzulegen, um private Kapitalgeber als Bezugsgröße festlegen zu können – Rechtsfehler bei Fehlen einer solchen Festlegung

(Art. 87 Abs. 1 EG)

10.    Staatliche Beihilfen – Begriff – Rechtsbegriff – Auslegung anhand objektiver Kriterien – Gerichtliche Nachprüfung

(Art. 87 Abs. 1 EG)

11.    Staatliche Beihilfen – Begriff – Kriterium des privaten Kapitalgebers – Kapitaleinlage – Gleichzeitigkeit der Kapitalzuführungen der privaten und öffentlichen Kapitalgeber – Beurteilungskriterien

(Art. 87 Abs. 1 EG)

12.    Staatliche Beihilfen – Begriff – Staatliche Maßnahme, die die Belastungen vermindert, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat – Einbeziehung – Kontokorrentvorschuss zugunsten der freigesetzten Personen eines Unternehmens zur Finanzierung der Kosten der künftigen zusätzlichen Abfindungen – Einbeziehung

(Art. 87 Abs. 1 EG)

1.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnr. 42)

2.      Art. 287 EG verpflichtet die Mitglieder sowie die Beamten und sonstigen Bediensteten der Organe der Gemeinschaft, Auskünfte, die ihrem Wesen nach unter das Berufsgeheimnis fallen, nicht preiszugeben. Was die nach Art. 253 EG geforderte Begründungspflicht der Handlungen der Organe anbelangt, so kann ein Begründungsmangel jedoch nicht durch die in Art. 287 EG verankerte Pflicht, das Berufsgeheimnis zu wahren, gerechtfertigt werden. Die Pflicht, die Geschäftsgeheimnisse zu wahren, kann nämlich nicht so weit ausgelegt werden, dass sie dem Begründungserfordernis zulasten der Verteidigungsrechte der Mitgliedstaaten und der betroffenen Beteiligten den wesentlichen Inhalt entzieht. Insbesondere kann das Erfordernis, eine Entscheidung über staatliche Beihilfen zu begründen, nicht nur nach dem Interesse an Informationen bestimmt werden, das der Mitgliedstaat hat, an den diese Entscheidung gerichtet ist. Hat ein Mitgliedstaat von der Kommission nämlich das erhalten, was er beantragt hatte, d. h. die Genehmigung seines Beihilfevorhabens, so kann sein Interesse daran, dass eine begründete Entscheidung an ihn gerichtet wird, anders als das Interesse der Wettbewerber des Beihilfeempfängers, nur sehr gering sein.

(vgl. Randnr. 43)

3.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnr. 44)

4.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnr. 50)

5.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnrn. 56, 65)

6.      Kapitalzuweisungen der öffentlichen Hand an Unternehmen, in welcher Form auch immer, können eine staatliche Beihilfe darstellen. Dennoch lässt der EG-Vertrag gemäß seinem Art. 295 die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten unberührt. So steht es den Mitgliedstaaten frei, wirtschaftliche Tätigkeiten unmittelbar oder mittelbar in gleicher Weise wie Privatunternehmen aufzunehmen. Dieser Grundsatz der Gleichbehandlung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor bringt es mit sich, dass die Mitgliedstaaten in wirtschaftliche Tätigkeiten investieren können und dass die Mittel, die der Staat einem Unternehmen direkt oder indirekt zu normalen Marktbedingungen zur Verfügung stellt, nicht als staatliche Beihilfen anzusehen sind.

(vgl. Randnrn. 76-77)

7.      Im Hinblick auf die Anwendung des Privatinvestortests im Bereich der staatlichen Beihilfen ist zwangsläufig zu unterscheiden zwischen den Verpflichtungen, die der Staat als Unternehmen, das eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, zu übernehmen hat, und den Verpflichtungen, die ihm als Träger der öffentlichen Gewalt obliegen. Wenn nämlich die Kapitalanlage seitens des Staates im Rahmen der Ausübung der öffentlichen Gewalt erfolgt, kann das Verhalten des Staates niemals mit dem eines privaten marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsteilnehmers oder Kapitalgebers verglichen werden.

Bei dieser Unterscheidung zwischen einerseits den wirtschaftlichen Tätigkeiten und andererseits den Eingriffen der öffentlichen Gewalt ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Verhalten des privaten Kapitalgebers, das mit dem des öffentlichen Kapitalgebers zu vergleichen ist, nicht zwangsläufig um das Verhalten eines gewöhnlichen Kapitalgebers handeln muss, der Kapital zum Zweck seiner mehr oder weniger kurzfristigen Rentabilisierung anlegt. Es hat sich dabei wenigstens um das Verhalten einer privaten Holding oder einer privaten Unternehmensgruppe zu handeln, die eine globale oder sektorale Strukturpolitik verfolgt und sich von längerfristigen Rentabilitätsaussichten leiten lässt.

(vgl. Randnrn. 79-80)

8.      Es ist erforderlich, dass die Kontrolle der staatlichen Beihilfen die Entwicklung der innerstaatlichen arbeits- und sozialrechtlichen Regelungen sowie der Praxis der sozialen Beziehungen innerhalb von großen Unternehmensgruppen sowohl in Bezug auf Kapitalanlagen seitens privater Unternehmen als auch in Bezug auf Kapitalanlagen seitens des Staates gemäß dem Grundsatz der Gleichbehandlung und ohne seine praktische Wirksamkeit zu beeinträchtigen, widerspiegelt.

Ein umsichtiger privater Kapitalgeber in einer sozialen Marktwirtschaft kann zum einen nicht seine Verantwortung gegenüber sämtlichen Interessenträgern des Unternehmens und zum anderen nicht die Veränderung des Kontexts von Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt, in dem er seine Entwicklung vorantreibt, ausblenden. Was aufgrund der sozialen Verantwortung und des unternehmerischen Kontexts auf dem Spiel steht, kann nämlich einen erheblichen Einfluss auf die konkreten Entscheidungen und strategischen Ausrichtungen eines umsichtigen privaten Unternehmers haben. Die langfristige wirtschaftliche Vernünftigkeit des Verhaltens eines umsichtigen privaten Unternehmers kann daher nicht ohne Berücksichtigung solcher Überlegungen beurteilt werden.

Deshalb kann die Zahlung von zusätzlichen Abfindungen durch einen privaten Kapitalgeber grundsätzlich nach den Umständen des Einzelfalls eine legitime und zweckdienliche Praxis sein, um einen friedlicheren sozialen Dialog zu fördern und das Image einer Gesellschaft oder einer Unternehmensgruppe aufrechtzuerhalten. Die Kosten für die zusätzlichen Abfindungen vermischen sich nämlich nicht mit den Kosten der sozialen Absicherung, die zwangsläufig der Staat im Fall der Liquidation einer Gesellschaft zu tragen hätte. Kraft des Grundsatzes der Gleichbehandlung steht auch den Mitgliedstaaten die Möglichkeit offen, zusätzliche Abfindungen im Fall der Liquidation eines öffentlichen Unternehmens zu zahlen, auch wenn ihre Verpflichtungen a priori nicht das rein gesetzliche und tarifvertragliche Minimum überschreiten dürfen.

Doch die Tragung dieser zusätzlichen Kosten aufgrund legitimer Überlegungen darf kein ausschließlich soziales oder gar politisches Ziel verfolgen, da sie sonst den Rahmen des Privatinvestortests sprengt. Fehlt jegliche, wenn auch nur langfristige wirtschaftliche Vernünftigkeit, ist die Tragung von Kosten, die über die rein gesetzlichen und tarifvertraglichen Verpflichtungen hinausgehen, somit als staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG anzusehen.

Hierbei kann der Schutz des Images eines Mitgliedstaats als globaler Investor in der Marktwirtschaft abgesehen von besonderen Umständen und ohne eine besonders überzeugende Begründung keine ausreichende Rechtfertigung darstellen, um die langfristige wirtschaftliche Vernünftigkeit der Tragung von zusätzlichen Kosten wie etwa zusätzlichen Abfindungen zu belegen. Erlaubte man der Kommission, knapp auf das Image eines Mitgliedstaats als globaler Akteur zu verweisen, um das Nichtvorliegen einer Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG zu untermauern, könnte dies nämlich zum einen die Wettbewerbsbedingungen auf dem Gemeinsamen Markt zugunsten der Unternehmen verzerren, die in Mitgliedstaaten tätig sind, wo der öffentliche wirtschaftliche Sektor vergleichsweise stärker entwickelt ist oder in denen sich der soziale Dialog besonders verschlechtert hat, und zum anderen die praktische Wirksamkeit der Gemeinschaftsregeln im Bereich der Beihilfen ungebührlich vermindern.

(vgl. Randnrn. 81-85)

9.      Im Zusammenhang mit dem Privatinvestortest obliegt es der Kommission, im Rahmen ihres weiten Ermessensspielraums u. a. in geografischer und sektorspezifischer Hinsicht die wirtschaftlichen Tätigkeiten des Staates festzulegen, im Verhältnis zu denen die langfristige wirtschaftliche Vernünftigkeit des Verhaltens dieses Staates zu beurteilen ist.

Denn ohne hinreichend genaue Festlegung der betroffenen wirtschaftlichen Tätigkeiten kann die Kommission nicht in der Lage sein, zum einen die als Bezugsgröße herangezogenen privaten Kapitalgeber festzulegen und somit das Vorhandensein einer ausreichend gefestigten Praxis unter diesen Kapitalgebern anhand von objektiven und überprüfbaren Anhaltspunkten zu bestimmen. Zum anderen ist die Bestimmung der betroffenen wirtschaftlichen Tätigkeiten bei Fehlen eines solchen Vergleichsmaßstabs auch nötig, um das Bestehen einer hinreichenden und ausreichend sicheren Wahrscheinlichkeit festzustellen, dass der Mitgliedstaat aus dem fraglichen Verhalten einen mittelbaren, wenn auch nur langfristigen materiellen Nutzen zieht.

In Ermangelung einer solchen Festlegung ist es dem Gericht grundsätzlich unmöglich, die langfristige wirtschaftliche Vernünftigkeit der betreffenden Maßnahme nachzuprüfen. Hierbei unterläuft der Kommission ein Rechtsfehler.

(vgl. Randnrn. 86-87, 94)

10.    Der Begriff der staatlichen Beihilfe, wie er im Vertrag definiert ist, ist ein anhand objektiver Kriterien auszulegender Rechtsbegriff. Deshalb hat der Unionsrichter die Frage, ob eine Maßnahme in den Anwendungsbereich von Art. 87 Abs. 1 EG fällt, grundsätzlich und unter Berücksichtigung sowohl der konkreten Umstände des bei ihm anhängigen Rechtsstreits als auch des technischen oder komplexen Charakters der von der Kommission vorgenommenen Beurteilungen umfassend zu prüfen. Der Unionsrichter muss u. a. nicht nur die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Stichhaltigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen.

(vgl. Randnr. 88)

11.    Zur Bestimmung, ob eine öffentliche Kapitalzuweisung Elemente einer staatlichen Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG enthält, ist zu beurteilen, ob ein privater Kapitalgeber unter vergleichbaren Umständen diese Kapitalzuführung vorgenommen hätte. Falls einem Unternehmen unmittelbar oder mittelbar durch den Staat zu normalen Marktbedingungen Mittel zur Verfügung gestellt wurden, können diese wegen des Grundsatzes der Gleichbehandlung zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sektor nicht als staatliche Beihilfen qualifiziert werden. Daher ist davon auszugehen, dass eine Kapitalzufuhr aus öffentlichen Mitteln dem Kriterium des privaten Kapitalgebers genügt und keine staatliche Beihilfe darstellt, u. a., wenn sie gleichzeitig mit einer wesentlichen Kapitalzufuhr eines privaten Investors einhergeht, die unter vergleichbaren Bedingungen erfolgt.

Die Gleichzeitigkeit der Kapitalzuführungen der privaten und öffentlichen Kapitalgeber ist jedoch als solche allenfalls nur ein Hinweis, der für das Nichtvorliegen einer Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG sprechen kann. Diese Kapitalzufuhren müssen nämlich unter vergleichbaren Bedingungen erfolgt sein. Da das Ziel des Privatinvestortests darin besteht, das Verhalten des Staates mit dem eines hypothetischen privaten Kapitalgebers zu vergleichen, lässt sich nicht leugnen, dass das Vorhandensein von Kapitalgebern, die bereit sind, in wesentlichem Ausmaß und gleichzeitig zu investieren, die erfolgreiche Vornahme eines solchen Tests erleichtern kann. Es sind jedoch sämtliche in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht relevante Angaben zu berücksichtigen, um die Rechtmäßigkeit der betreffenden Kapitalzuführungen im Hinblick auf die Gemeinschaftsregeln im Bereich staatlicher Beihilfen zu beurteilen. Der zeitliche Aspekt ist somit natürlich wichtig, aber die Gleichzeitigkeit kann nicht von vornherein als allein ausreichend erachtet werden.

Da die Gleichzeitigkeit folglich nur als Hinweis zu beurteilen ist, der für das Nichtvorliegen einer Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG sprechen kann, darf sie nach vernünftigem Ermessen nicht streng beurteilt werden.

(vgl. Randnrn. 115, 117-118)

12.    Im Bereich der staatlichen Beihilfen reicht der bloße Umstand, dass eine Maßnahme ein soziales Ziel verfolgt, nicht aus, um sie von vornherein von der Einordnung als Beihilfe im Sinne von Art. 87 EG auszunehmen. Art. 87 Abs. 1 EG unterscheidet nämlich nicht nach den Gründen oder Zielen der staatlichen Maßnahmen, sondern beschreibt diese nach ihren Wirkungen. Der Begriff der Beihilfe umfasst Maßnahmen, die in verschiedener Form die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat.

Der Begriff der Beihilfe impliziert nicht zwangsläufig, dass eine gesetzliche Verpflichtung abgenommen wird, sondern eher, dass Belastungen vermindert werden, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat. Die Definition, was eine Belastung aus der laufenden Betriebsführung des Unternehmens ist, kann sich daher naturgemäß nicht auf gesetzliche und tarifvertragliche Verpflichtungen beschränken. Ebenso kann der Umstand, dass die unmittelbaren Empfänger der personenbezogenen Beihilfe Arbeitnehmer sind, nicht als Nachweis dafür ausreichen, dass keine Beihilfe zugunsten ihres Arbeitgebers vorliegt.

Was eine Maßnahme betrifft, die in einem Kontokorrentvorschuss besteht, der von einem staatlichen Organ zugunsten der entlassenen Beschäftigten eines Unternehmens gewährt wird und den Zweck hat, die Kosten der künftigen zusätzlichen Abfindungen eines etwaigen von den Übernehmern umgesetzten Personalabbauplans zu finanzieren, kann der Umstand, dass sich die fragliche Maßnahme nicht aus rein gesetzlichen und tarifvertraglichen Verpflichtungen ableitet, nicht von vornherein den Beihilfecharakter im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG ausschließen.

Außerdem ist das Bestehen eines Treuhandkontos, auf dem die Gelder für die personenbezogenen Beihilfen liegen, geeignet, einen Anreiz für die Beschäftigten eines Unternehmens zu schaffen, das Unternehmen zu verlassen oder es zumindest ohne Verhandlungen über ihr Ausscheiden aus dem Unternehmen zu verlassen, insbesondere im Hinblick auf die etwaige Gewährung von zusätzlichen Abfindungen, alles Dinge, die einen mittelbaren wirtschaftlichen Vorteil für dieses Unternehmen mit sich bringen.

Der Kommission ist daher ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen, als sie diese personenbezogenen Beihilfemaßnahmen als Maßnahmen einstufte, die keine Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG darstellen.

(vgl. Randnrn. 136-137, 139, 143-144, 147)