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URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zehnte Kammer)

19. Oktober 2017(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2001/23/EG – Art. 1 Abs. 1 – Übergang von Unternehmen oder Betrieben – Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer – Pflicht zur Übernahme der Arbeitnehmer durch den Erwerber – Erbringung von Bewachungs- und Sicherheitsdienstleistungen durch ein Unternehmen – Ausschreibung – Vergabe des Auftrags an ein anderes Unternehmen – Keine Übernahme des Personals – Nationale Bestimmung, die den Verlust eines Kunden seitens eines Wirtschaftsteilnehmers mit der Vergabe der Dienstleistung an einen anderen Wirtschaftsteilnehmer vom Begriff des Unternehmens- oder Betriebsübergangs ausnimmt“

In der Rechtssache C‑200/16

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supremo Tribunal de Justiça (Oberster Gerichtshof, Portugal) mit Entscheidung vom 4. April 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 12. April 2016, in dem Verfahren

Securitas – Serviços e Tecnologia de Segurança SA

gegen

ICTS Portugal – Consultadoria de Aviação Comercial SA,

Arthur George Resendes u. a.

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters A. Borg Barthet (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten, der Richterin M. Berger und des Richters F. Biltgen,

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der ICTS Portugal – Consultadoria de Aviação Comercial SA, vertreten durch A. L. Santos, advogado,

–        der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, M. Figueiredo und L. C. Oliveira als Bevollmächtigte,

–        der finnischen Regierung, vertreten durch H. Leppo als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch M. França und M. Kellerbauer als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. 2001, L 82, S. 16).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Securitas – Serviços e Tecnologia de Segurança SA (im Folgenden: Securitas) auf der einen Seite und der ICTS Portugal – Consultadoria de Aviação Comercial SA (im Folgenden: ICTS) sowie Herrn Arthur George Resendes und 16 weiteren Personen in ihrer Eigenschaft als ehemalige Arbeitnehmer von ICTS auf der anderen Seite über die Weigerung von Securitas, anzuerkennen, dass die zwischen diesen Arbeitnehmern und ICTS bestehenden Arbeitsverhältnisse durch einen Unternehmensübergang auf sie übergegangen waren.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Der dritte Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/23 lautet:

„Es sind Bestimmungen notwendig, die die Arbeitnehmer bei einem Inhaberwechsel schützen und insbesondere die Wahrung ihrer Ansprüche gewährleisten.“

4        Im achten Erwägungsgrund dieser Richtlinie heißt es:

„Aus Gründen der Rechtssicherheit und Transparenz war es erforderlich, den juristischen Begriff des Übergangs unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu klären. Durch diese Klärung wurde der Anwendungsbereich der Richtlinie 77/187/EWG gemäß der Auslegung durch den Gerichtshof nicht geändert.“

5        Art. 1 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 2001/23 bestimmt:

„a)      Diese Richtlinie ist auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- bzw. Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung anwendbar.

b)      Vorbehaltlich Buchstabe a) und der nachstehenden Bestimmungen dieses Artikels gilt als Übergang im Sinne dieser Richtlinie der Übergang einer ihre Identität bewahrenden wirtschaftlichen Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit.“

6        Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2001/23 lautet:

„Die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis gehen aufgrund des Übergangs auf den Erwerber über.“

 Portugiesisches Recht

 Arbeitsgesetzbuch

7        In Art. 285 des durch das Gesetz Nr. 7/2009 vom 12. Februar 2009 angenommenen Codigo do trabalho (Arbeitsgesetzbuch) heißt es:

„1.      Im Fall eines Übergangs, auf welcher rechtlichen Grundlage auch immer, der Inhaberschaft an einem Unternehmen oder Betrieb oder einem Unternehmens- bzw. Betriebsteil, der eine wirtschaftliche Einheit darstellt, gehen die arbeitsvertragliche Stellung des Arbeitgebers gegenüber den betreffenden Arbeitnehmern sowie die Haftung für Geldbußen für arbeitsrechtliche Ordnungswidrigkeiten auf den Erwerber über.

2.      Der Übertragende haftet während des Jahres, das auf den Übergang folgt, gesamtschuldnerisch für die zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Verpflichtungen.

3.      Die vorstehenden Absätze sind auch auf den Übergang, die Veräußerung oder die Rückübernahme des Unternehmens, des Betriebs oder der wirtschaftlichen Einheit anwendbar; im Fall einer Veräußerung oder einer Rückübernahme haftet derjenige gesamtschuldnerisch, der unmittelbar zuvor der Betreiber war.

4.      Die vorstehenden Absätze gelten nicht im Fall eines Arbeitnehmers, den der Übertragende vor dem Übergang im Sinne des Art. 194 in einen anderen Betrieb oder in eine andere wirtschaftliche Einheit versetzt und ihn dabei in seinen Diensten behalten hat; eine Ausnahme hiervon gilt für die Haftung des Erwerbers für Geldbußen für arbeitsrechtliche Ordnungswidrigkeiten.

5.      Als wirtschaftliche Einheit gilt die organisierte Zusammenfassung von Ressourcen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit.

6.      Der Verstoß gegen Abs. 1 und den ersten Teil des Abs. 3 stellt eine sehr schwere Ordnungswidrigkeit dar.“

 Der Kollektivarbeitsvertrag

8        In Klausel Nr. 13 des im Jahr 2011 geschlossenen und im Boletim do Trabalho e Emprego (Bekanntmachungsblatt für Arbeit und Beschäftigung) Nr. 17/2011 veröffentlichten Kollektivarbeitsvertrags zwischen der Associação de Empresas de Segurança Privada (Vereinigung privater Sicherheitsunternehmen), der Associação Nacional das Empresas de Segurança (Nationale Vereinigung der Sicherheitsunternehmen) und u. a. dem Sindicato dos Trabalhadores dos Serviços de Portaria, Vigilância, Limpeza, Domésticas e Atividades Diversas (Gewerkschaft der Arbeitnehmer in Pförtner-, Wach-, Reinigungs-, Haushalts- und sonstigen Diensten) heißt es:

„1.      Im Fall eines Übergangs, auf welcher rechtlichen Grundlage auch immer, der Inhaberschaft an einem Unternehmen oder Betrieb oder einem Unternehmens- bzw. Betriebsteil, der eine wirtschaftliche Einheit darstellt, geht die arbeitsvertragliche Stellung des Arbeitgebers gegenüber den betreffenden Arbeitnehmern auf den Erwerber über.

2.      Unter den Begriff des Unternehmens‑ oder Betriebsübergangs fällt nicht der Verlust eines Kunden seitens eines Wirtschaftsteilnehmers mit der Vergabe der Dienstleistung an einen anderen Wirtschaftsteilnehmer“.

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

9        Herr Resendes und 16 weitere Personen nahmen als Arbeitnehmer von ICTS bis zum 14. Juli 2013 in den Anlagen (Marina, Hafen und Kais) der Portos dos Açores SA in Ponta Delgada (Portugal) aufgrund eines zwischen dieser und ICTS geschlossenen Vertrags Bewachungsaufgaben wahr.

10      Sie waren u. a. damit befasst, den ein- und ausgehenden Personen- und Warenverkehr per Videoüberwachung entsprechend den ihnen von ICTS erteilten Vorgaben zu kontrollieren. Ihr Arbeitgeber stellte ihnen ferner entsprechend gekennzeichnete Uniformen und Funkausrüstung zur Verfügung.

11      Am 17. Januar 2013 machte Portos dos Açores eine öffentliche Ausschreibung für die Erbringung von Bewachungs- und präventiven Sicherheitsdienstleistungen in ihren Anlagen in Ponta Delgada bekannt. Am 17. April 2013 wurde der Auftrag an Securitas vergeben.

12      Die Arbeitnehmer von ICTS machen beim vorlegenden Gericht geltend, ICTS habe ihnen am 17. Juni 2013 schriftlich mitgeteilt, dass ihre Arbeitsverträge infolge der Vergabe des Auftrags an Securitas mit Wirkung vom 15. Juli 2013 auf diese übertragen würden.

13      Am 14. Juli 2013 übergab ein Arbeitnehmer von ICTS auf deren entsprechende Anweisung einem Arbeitnehmer von Securitas die von den Arbeitnehmern von ICTS in den Anlagen von Portos dos Açores verwendete Funkausrüstung. Securitas übergab diese Ausrüstung an Portos dos Açores.

14      Securitas begann am 15. Juli 2013 mit der Ausführung ihrer Bewachungs- und Sicherheitsdienstleistungen. Sie stellte dem dafür eingeteilten Sicherheitspersonal ihre eigene Funkausrüstung sowie Uniformen mit dem Logo des Unternehmens zur Verfügung.

15      Securitas teilte außerdem Herrn Resendes und den 16 weiteren Betroffenen mit, dass sie nicht zu ihrem Personal gehörten und dass ICTS ihr Arbeitgeber bleibe. Diese erhoben daraufhin beim Tribunal do Trabalho de Ponta Delgada (Arbeitsgericht Ponta Delgada, Portugal) Klage gegen Securitas und ICTS mit dem Antrag, Securitas oder, hilfsweise, ICTS zu verurteilen, sie als ihre Arbeitnehmer anzuerkennen und ihnen ihre Vergütung sowie Verzugszinsen ab dem 15. Juli 2013 bzw., für drei von ihnen, eine Entschädigung wegen rechtswidriger Entlassung zu zahlen.

16      Das Gericht gab den Klagen statt. Es war der Auffassung, dass zwischen den beiden Unternehmen ein Betriebsübergang stattgefunden habe und dass die Arbeitsverträge der ehemaligen Arbeitnehmer von ICTS auf Securitas übergegangen seien. Es stufte daher die Entlassung dieser Arbeitnehmer durch Securitas als „rechtswidrig“ ein und verurteilte diese dazu, die meisten Betroffenen wieder einzugliedern und ihnen verschiedene Arbeitsentgelte und Entschädigungen zu zahlen.

17      Securitas legte gegen das Urteil Berufung beim Tribunal da Relação de Lisboa (Berufungsgericht Lissabon, Portugal) ein. Dieses bestätigte das in erster Instanz ergangene Urteil.

18      Daraufhin legte Securitas beim Supremo Tribunal de Justiça (Oberster Gerichtshof, Portugal) außerordentliche Revision ein. Dieses Gericht möchte wissen, ob der sich aus der Vergabe des Dienstleistungsauftrags an Securitas ergebende Wechsel bei den Bewachungs- und Sicherheitstätigkeiten in den Anlagen von Portos dos Açores von ICTS zu Securitas unter den Begriff „Übergang von Unternehmen [oder] Betrieben“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2001/23 fällt.

19      Unter diesen Umständen hat das Supremo Tribunal de Justiça (Oberster Gerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Stellt der vorliegend beschriebene Fall einen Unternehmens- oder Betriebsübergang dar, bei dem das Unternehmen ICTS auf das Unternehmen Securitas übergegangen ist, und zwar nach Durchführung einer öffentlichen Ausschreibung, bei der Securitas, die bei der Ausschreibung erfolgreich war, den Zuschlag für den Auftrag über die Erbringung von Wach- und Sicherheitsdienstleistungen im Hafen von Ponta Delgada auf der Insel São Miguel, Azoren, erhalten hat, und stellt er einen Übergang einer wirtschaftlichen Einheit nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2001/23 dar?

2.      Stellt der vorliegend beschriebene Fall ein reines Aufeinanderfolgen von miteinander konkurrierenden Unternehmen infolge der Vergabe des Auftrags über die Dienstleistungen an das bei der entsprechenden öffentlichen Ausschreibung erfolgreiche Unternehmen dar, so dass er vom Begriff des Unternehmens- oder Betriebsübergangs für die Zwecke dieser Richtlinie ausgeschlossen ist?

3.      Läuft Klausel 13 Nr. 2 des Kollektivarbeitsvertrags, der zwischen der Vereinigung privater Sicherheitsunternehmen, der Nationalen Vereinigung der Sicherheitsunternehmen, der Gewerkschaft der Arbeitnehmer in Pförtner-, Wach-, Reinigungs-, Haushalts- und sonstigen Diensten und anderen Gewerkschaften geschlossen wurde, dem Unionsrecht hinsichtlich der Definition des Unternehmens- oder Betriebsübergangs in der Richtlinie 2001/23 insoweit zuwider, als sie Folgendes bestimmt: „Unter den Begriff des Unternehmens‑ oder Betriebsübergangs fällt nicht der Verlust eines Kunden seitens eines Wirtschaftsteilnehmers mit der Vergabe der Dienstleistung an einen anderen Wirtschaftsteilnehmer“?

20      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 24. Mai 2016 ist der Antrag des vorlegenden Gerichts, die vorliegende Rechtssache dem in Art. 105 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs vorgesehenen beschleunigten Verfahren zu unterwerfen, abgelehnt worden.

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten und zur zweiten Frage

21      Mit seinen ersten beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2001/23 dahin auszulegen ist, dass ein Fall, in dem ein Auftraggeber einen Vertrag mit einem Unternehmen zur Erbringung von Bewachungs- und Sicherheitsdienstleistungen in seinen Anlagen gekündigt und anschließend für die Ausführung dieser Dienstleistung einen neuen Vertrag mit einem anderen Unternehmen geschlossen hat, das eine Übernahme der Arbeitnehmer des ersten Unternehmens ablehnt, unter den Begriff „Übergang von Unternehmen [oder] Betrieben“ im Sinne dieser Bestimmung fällt.

22      Nach ihrem Art. 1 Abs. 1 Buchst. a ist die Richtlinie 2001/23 auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- bzw. Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung anwendbar.

23      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die Richtlinie 2001/23 in allen Fällen anwendbar, in denen die für den Betrieb des Unternehmens verantwortliche natürliche oder juristische Person, die die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber den Beschäftigten des Unternehmens eingeht, im Rahmen vertraglicher Beziehungen wechselt. Somit setzt die Anwendung der Richtlinie 2001/23 nicht voraus, dass zwischen Veräußerer und Erwerber unmittelbar vertragliche Beziehungen bestehen; die Übertragung kann auch unter Einschaltung eines Dritten erfolgen (vgl. u. a. Urteile vom 7. März 1996, Merckx und Neuhuys, C‑171/94 und C‑172/94, EU:C:1996:87, Rn. 28 und 30, sowie vom 20. November 2003, Abler u. a., C‑340/01, EU:C:2003:629, Rn. 39).

24      Folglich ist es für die Frage, ob die Richtlinie 2001/23 auf einen Fall wie den des Ausgangsverfahrens anwendbar ist, ohne Belang, dass zwischen den beiden Unternehmen, denen die Durchführung der Über- und Bewachung der Hafenanlagen nacheinander übertragen wurde, keine vertragliche Beziehung besteht.

25      Die Anwendbarkeit der Richtlinie 2001/23 setzt nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. b ferner voraus, dass der Übergang „eine ihre Identität bewahrende wirtschaftliche Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit“ betrifft.

26      Bei der Prüfung, ob diese Voraussetzung tatsächlich erfüllt ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeiten. Diese Aspekte sind im Rahmen einer Gesamtbewertung aller Umstände des Einzelfalls zu würdigen und dürfen deshalb nicht isoliert betrachtet werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. November 2015, Aira Pascual und Algeposa Terminales Ferroviarios, C‑509/14, EU:C:2015:781, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27      Insbesondere hat der Gerichtshof festgestellt, dass das nationale Gericht bei der Bewertung der den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen u. a. die Art des betroffenen Unternehmens oder Betriebs zu berücksichtigen hat (Urteil vom 26. November 2015, Aira Pascual und Algeposa Terminales Ferroviarios, C‑509/14, EU:C:2015:781, Rn. 33).

28      Den für das Vorliegen eines Übergangs im Sinne der Richtlinie 2001/23 maßgeblichen Kriterien kommt demnach notwendigerweise je nach der ausgeübten Tätigkeit und auch nach den Produktions- oder Betriebsmethoden, die in dem betreffenden Unternehmen, Betrieb oder Betriebsteil angewandt werden, unterschiedliches Gewicht zu (Urteil vom 26. November 2015, Aira Pascual und Algeposa Terminales Ferroviarios, C‑509/14, EU:C:2015:781, Rn. 34).

29      Der Gerichtshof hat somit entschieden, dass in Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, eine wirtschaftliche Einheit ihre Identität nicht wahren kann, wenn ihre Hauptbelegschaft vom angeblichen Erwerber nicht übernommen wird (Urteil vom 26. November 2015, Aira Pascual und Algeposa Terminales Ferroviarios, C‑509/14, EU:C:2015:781, Rn. 35).

30      Kommt es bei der Tätigkeit hingegen im Wesentlichen auf die Ausrüstung an, reicht die Tatsache, dass die ehemaligen Arbeitnehmer eines Unternehmens vom neuen Unternehmer nicht für die Durchführung dieser Tätigkeit übernommen werden, wie es im Ausgangsverfahren der Fall ist, nicht aus, um den Übergang einer ihre Identität bewahrenden Einheit im Sinne der Richtlinie 2001/23 auszuschließen. Eine gegenteilige Auslegung nämlich würde dem Hauptzweck dieser Richtlinie widersprechen, der darin besteht, auch gegen den Willen des Erwerbers die Arbeitsverträge der Arbeitnehmer des Veräußerers aufrechtzuerhalten (Urteil vom 26. November 2015, Aira Pascual und Algeposa Terminales Ferroviarios, C‑509/14, EU:C:2015:781, Rn. 41).

31      Folglich obliegt es dem vorlegenden Gericht, in Anbetracht der vorstehenden Erwägungen und unter Berücksichtigung sämtlicher den im Ausgangsverfahren fraglichen Vorgang kennzeichnenden Tatsachen festzustellen, ob dieser als Unternehmensübergang im Sinne der Richtlinie 2001/23 anzusehen ist.

32      Hierzu wird es insbesondere zu prüfen haben, ob ICTS unmittelbar oder mittelbar Ausrüstung oder materielle oder immaterielle Betriebsmittel für die Ausübung der Bewachungs- und Sicherheitstätigkeiten in den in Rede stehenden Anlagen an Securitas übertragen hat.

33      Außerdem wird das vorlegende Gericht zu prüfen haben, ob ICTS und Securitas solche Betriebsmittel von Portos dos Açores zur Verfügung gestellt wurden. Insoweit kann der Umstand, dass die für die Ausübung der im Ausgangsverfahren fraglichen Tätigkeit unabdingbaren und vom neuen Unternehmer übernommenen materiellen Betriebsmittel nicht seinem Vorgänger gehörten, sondern vom Auftraggeber lediglich zur Verfügung gestellt wurden, nicht zum Ausschluss eines Betriebsübergangs im Sinne der Richtlinie 2001/23 führen (Urteil vom 26. November 2015, Aira Pascual und Algeposa Terminales Ferroviarios, C‑509/14, EU:C:2015:781, Rn. 38 und 39). Allerdings ist nur die Ausrüstung, die tatsächlich zur Erbringung der Bewachungsdienstleistungen verwendet wird, mit Ausnahme der Anlagen, die den Gegenstand dieser Dienstleistungen darstellen, gegebenenfalls im Sinne der Richtlinie 2001/23 für die Zwecke der Feststellung der Übertragung einer ihre Identität bewahrenden Einheit in Betracht zu ziehen (Urteil vom 29. Juli 2010, UGT‑FSP, C‑151/09, EU:C:2010:452, Rn. 31).

34      Nach alledem ist auf die ersten beiden Fragen zu antworten, dass Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2001/23 dahin auszulegen ist, dass ein Fall, in dem ein Auftraggeber einen Vertrag mit einem Unternehmen zur Erbringung von Bewachungs- und Sicherheitsdienstleistungen in seinen Anlagen gekündigt und anschließend für die Ausführung dieser Dienstleistung einen neuen Vertrag mit einem anderen Unternehmen geschlossen hat, das eine Übernahme der Arbeitnehmer des ersten Unternehmens ablehnt, dann unter den Begriff „Übergang von Unternehmen [oder] Betrieben“ im Sinne dieser Bestimmung fällt, wenn die für die Ausführung dieser Dienstleistung unabdingbare Ausrüstung vom zweiten Unternehmen übernommen wurde.

 Zur dritten Frage

35      Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Bestimmung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, nach der der Verlust eines Kunden seitens eines Wirtschaftsteilnehmers mit der Vergabe der Dienstleistung an einen anderen Wirtschaftsteilnehmer nicht unter den Begriff „Übergang von Unternehmen [oder] Betrieben“ im Sinne dieses Art. 1 Abs. 1 fällt.

36      Hierzu hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass der bloße Verlust eines Auftrags an einen Mitbewerber für sich genommen keinen Unternehmens- oder Betriebsübergang im Sinne der Richtlinie 2001/23 darstellt (Urteil vom 11. März 1997, Süzen, C‑13/95, EU:C:1997:141, Rn. 16). Allerdings ermöglicht eine nationale Bestimmung, die den Verlust eines Kunden seitens eines Wirtschaftsteilnehmers mit der Vergabe der Dienstleistung an einen anderen Wirtschaftsteilnehmer generell vom Anwendungsbereich dieses Begriffs ausnimmt, es nicht, sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen zu berücksichtigen.

37      Daher ist Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23 unter Berücksichtigung der in den Rn. 26 und 27 des vorliegenden Urteils angeführten ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs und des Ziels dieser Richtlinie, das ihrem dritten Erwägungsgrund zufolge in der Wahrung der Ansprüche der Arbeitnehmer bei einem Inhaberwechsel liegt, dahin auszulegen, dass er einer solchen nationalen Bestimmung entgegensteht.

38      Unter diesen Umständen ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Bestimmung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, nach der der Verlust eines Kunden seitens eines Wirtschaftsteilnehmers mit der Vergabe der Dienstleistung an einen anderen Wirtschaftsteilnehmer nicht unter den Begriff „Übergang von Unternehmen [oder] Betrieben“ im Sinne dieses Art. 1 Abs. 1 fällt.

 Kosten

39      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zehnte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen ist dahin auszulegen, dass ein Fall, in dem ein Auftraggeber einen Vertrag mit einem Unternehmen zur Erbringung von Bewachungs- und Sicherheitsdienstleistungen in seinen Anlagen gekündigt und anschließend für die Ausführung dieser Dienstleistung einen neuen Vertrag mit einem anderen Unternehmen geschlossen hat, das eine Übernahme der Arbeitnehmer des ersten Unternehmens ablehnt, dann unter den Begriff „Übergang von Unternehmen [oder] Betrieben“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie fällt, wenn die für die Ausführung dieser Dienstleistung unabdingbare Ausrüstung vom zweiten Unternehmen übernommen wurde.

2.      Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Bestimmung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, nach der der Verlust eines Kunden seitens eines Wirtschaftsteilnehmers mit der Vergabe der Dienstleistung an einen anderen Wirtschaftsteilnehmer nicht unter den Begriff „Übergang von Unternehmen [oder] Betrieben“ im Sinne dieses Art. 1 Abs. 1 fällt.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Portugiesisch.