Language of document : ECLI:EU:T:2017:102

Verbundene Rechtssachen T14/14 und T87/14

Islamic Republic of Iran Shipping Lines u. a.

gegen

Rat der Europäischen Union

„Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen gegen Iran zur Verhinderung der nuklearen Proliferation – Einfrieren von Geldern – Einrede der Rechtswidrigkeit – Rechtsgrundlage – Ermessensmissbrauch – Verteidigungsrechte – Berechtigtes Vertrauen – Rechtssicherheit – Ne bis in idem – Rechtskraft – Verhältnismäßigkeit – Offensichtlicher Ermessensfehler – Grund“

Leitsätze – Urteil des Gerichts (Erste Kammer) vom 17. Februar 2017

1.      Gerichtliches Verfahren – Fehlen unverzichtbarer Prozessvoraussetzungen – Gerichtliche Prüfung von Amts wegen

(Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 129)

2.      Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen gegen Iran – Beschluss über das Einfrieren von Geldern – Gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit – Umfang – Art. 1 Abs. 2 des Beschlusses 2013/497 – Ausschluss

(Art. 29 EUV; Art. 256 Abs. 1 AEUV, 263 Abs. 4 AEUV und 275 Abs. 2 AEUV; Beschlüsse des Rates 2010/413/GASP, Art. 20 Abs. 1 Buchst. b, und 2013/497/GASP, Art. 1 Abs. 2)

3.      Gerichtliches Verfahren – Vorbringen neuer Klage- und Verteidigungsgründe im Laufe des Verfahrens – Erstmals in der Erwiderung vorgetragene Klage- oder Verteidigungsgründe – Unzulässigkeit

(Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 84 Abs. 1)

4.      Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen – Verordnungen des Rates, die im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik erlassen werden und restriktive Maßnahmen gegen Iran vorsehen – Keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehende Rechtsakte im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV – Keine unmittelbare und individuelle Betroffenheit – Unzulässigkeit

(Art. 256 Abs. 1 AEUV und 263 Abs. 4 AEUV; Verordnungen des Rates Nr. 267/2012, Art. 23 Abs. 2 Buchst. e, und Nr. 971/2013, Art. 1 Buchst. c)

5.      Einrede der Rechtswidrigkeit – Umfang – Handlungen, deren Rechtswidrigkeit geltend gemacht werden kann – Rechtsakt allgemeiner Tragweite, auf den die angefochtene Entscheidung gestützt ist – Notwendigkeit eines rechtlichen Zusammenhangs zwischen der angefochtenen Handlung und dem beanstandeten allgemeinen Rechtsakt

(Art. 263 AEUV und 277 AEUV)

6.      Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen gegen Iran – Einfrieren der Gelder von Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die an der nuklearen Proliferation beteiligt sind oder diese unterstützen – Verbot des Erwerbs von Waffen und zugehörigem Material aus Iran – Zulässigkeit – Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – Fehlen

(Beschlüsse des Rates 2010/413/GASP und 2013/497/GASP; Verordnungen des Rates Nr. 267/2012 und Nr. 971/2013)

7.      Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen gegen Iran – Einfrieren der Gelder von Einrichtungen, die im Eigentum oder unter der Kontrolle einer Einrichtung stehen, von der festgestellt wurde, dass sie an der nuklearen Proliferation beteiligt ist – Einschränkung des Eigentumsrechts und des Rechts auf freie Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit – Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – Fehlen

(Verordnung Nr. 423/2007 des Rates, Art. 7 Abs. 2 Buchst. a, b und d)

8.      Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen gegen Iran – Einfrieren der Gelder von Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die an der nuklearen Proliferation beteiligt sind oder diese unterstützen – Rechtsakte, mit denen restriktive Maßnahmen gegenüber Einrichtungen angeordnet werden, die im Eigentum oder unter der Kontrolle einer vom Einfrieren von Geldern betroffenen Einrichtung stehen – Nichtigerklärung der gegen die letztgenannte Einrichtung gerichteten restriktiven Maßnahmen wegen Nichteinhaltung der allgemeinen Aufnahmekriterien – Möglichkeit für den Unionsrichter, die Wirkungen der Nichtigerklärung auszusetzen, damit die festgestellten Verstöße behoben werden können

(Beschlüsse des Rates 2010/413/GASP und 2013/497/GASP; Verordnungen des Rates Nr. 267/2012 und Nr. 971/2013)

9.      Nichtigkeitsklage – Gründe -Ermessensmissbrauch – Begriff

10.    Recht der Europäischen Union – Grundsätze – Verteidigungsrechte – Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz – Restriktive Maßnahmen gegen Iran – Einfrieren der Gelder von Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die an der nuklearen Proliferation beteiligt sind oder diese unterstützen – Recht auf Anhörung vor dem Erlass solcher Maßnahmen – Fehlen

(Art. 29 EUV; Art. 215 AEUV; Beschluss 2013/497/GASP des Rates; Verordnung Nr. 971/2013 des Rates)

11.    Europäische Union – Gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Handlungen der Organe – Restriktive Maßnahmen gegen Iran – Maßnahmen im Rahmen der Bekämpfung der nuklearen Proliferation – Umfang der Kontrolle

(Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 47; Beschlüsse des Rates 2013/497/GASP und 2010/413/GASP; Verordnungen des Rates Nr. 267/2012 und Nr. 971/2013)

12.    Gerichtliches Verfahren – Beweis – Urkundenbeweis – Beweiswert – Würdigung durch die Unionsgerichte – Kriterien

(Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 85)

13.    Recht der Europäischen Union – Grundsätze – Verteidigungsrechte – Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz – Restriktive Maßnahmen gegen Iran – Einfrieren der Gelder von Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die an der nuklearen Proliferation beteiligt sind oder diese unterstützen – Pflicht zur Mitteilung von neuem belastenden Material – Umfang

(Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 47; Beschluss 2013/497/GASP des Rates; Verordnung Nr. 971/2013 des Rates)

14.    Nichtigkeitsklage – Nichtigkeitsurteil – Bedeutung – Absolute Rechtskraft – Umfang

(Art. 266 AEUV)

15.    Recht der Europäischen Union – Grundsätze – Vertrauensschutz – Voraussetzungen – Konkrete Zusicherungen der Verwaltung

16.    Recht der Europäischen Union – Grundsätze – Rechtssicherheit – Unionsregelung – Gebot der Klarheit und Vorhersehbarkeit

17.    Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen gegen Iran – Einfrieren der Gelder von Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die an der nuklearen Proliferation beteiligt sind oder diese unterstützen – Natur dieser Maßnahmen – Reine Sicherungsmaßnahmen – Kein Strafcharakter – Kein Verstoß gegen den Grundsatz ne bis in idem

(Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 50)

18.    Recht der Europäischen Union – Grundsätze – Gleichbehandlung – Begriff

(Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 20 und 21)

19.    Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen gegen Iran – Einfrieren der Gelder von Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die an der nuklearen Proliferation beteiligt sind oder diese unterstützen – Beeinträchtigung des Eigentumsrecht und des Ansehens – Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – Fehlen

(Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 17; Beschlüsse des Rates 2010/413/GASP und 2013/497/GASP; Verordnungen des Rates Nr. 267/2012 und Nr. 971/2013)

1.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 34)

2.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 37-39)

3.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 45, 46)

4.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 48-50)

5.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 55)

6.      Was die gerichtliche Kontrolle der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit betrifft, verfügt der Unionsgesetzgeber über ein weites Ermessen in Bereichen, in denen er politische, wirtschaftliche und soziale Entscheidungen treffen und komplexe Prüfungen vornehmen muss. Folglich ist eine in diesen Bereichen erlassene Maßnahme nur dann rechtswidrig, wenn sie zur Erreichung des vom zuständigen Organ verfolgten Ziels offensichtlich ungeeignet ist.

Im Rahmen der Bekämpfung der Proliferation von Nuklearwaffen soll die Resolution 1747 (2007) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen gewährleisten, dass das iranische Nuklearprogramm ausschließlich friedlichen Zwecken dient, und die Einführung sensibler Technologien durch Iran zur Unterstützung seiner Nuklear-und Flugkörperprogramme verhindern.

Das Ziel der restriktiven Maßnahmen gegen Iran besteht nicht nur in der Verhinderung der Finanzierung der nuklearen Proliferation im Iran, sondern allgemeiner darin, Druck auf den Iran auszuüben, damit er seine nuklearen Tätigkeiten, die ein Risiko der Proliferation aufweisen, oder die Entwicklung von Nuklearwaffenträgern einstellt.

Das durch den Beschluss 2013/497 zur Änderung des Beschlusses 2010/413 über restriktive Maßnahmen gegen Iran und die Verordnung Nr. 971/2013 zur Änderung der Verordnung Nr. 267/2012 über restriktive Maßnahmen gegen Iran eingeführte Kriterium fügt sich dadurch, dass es das Einfrieren der Mittel der Personen vorsieht, die unter Verstoß gegen die Resolution 1747 (2007) zur Lieferung, dem Verkauf oder der Beförderung von Rüstungsgütern und sonstigem Wehrmaterial an bzw. in den Iran beigetragen haben, vorsieht, in einen durch die mit der Regelung der restriktiven Maßnahmen gegen Iran verfolgten Ziele klar abgegrenzten rechtlichen Rahmen ein.

Daher ist das Kriterium betreffend die Nichtbeachtung der Resolution 1747 (2007) als geeignet im Verhältnis zum Ziel der Bekämpfung der nuklearen Proliferation durch den Beschluss 2010/413 und die Verordnung Nr. 267/2012 zu erachten, und mit ihm wird somit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingehalten.

(vgl. Rn. 62, 67, 69-71)

7.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 75-77)

8.      Im Rahmen der Nichtigerklärung restriktiver Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Einrichtungen zur Verhinderung der nuklearen Proliferation im Iran durch den Unionsrichter kann das Gericht nämlich eine Frist festsetzen, während der die Wirkungen der Nichtigerklärung eines Rechtsakts ausgesetzt werden, um dem Rat zu ermöglichen, die festgestellten Verstöße zu beheben, indem er gegebenenfalls neue allgemeine Kriterien für die Aufnahme von Personen oder Einrichtungen, die restriktiven Maßnahmen unterliegen, in die Liste und neue restriktive Maßnahmen zum Einfrieren der Gelder der betreffenden Einrichtung für die Zukunft erlässt. Doch können weder diese neuen allgemeinen Aufnahmekriterien noch diese neuen restriktiven Maßnahmen die durch ein Urteil des Gerichts als rechtswidrig festgestellten Maßnahmen wirksam machen.

(vgl. Rn. 84)

9.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 92)

10.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 97, 98)

11.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 110, 111)

12.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 122)

13.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 168-172)

14.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 183-185)

15.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 191)

16.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 192)

17.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 197, 198)

18.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 200)

19.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 204-207)