Language of document : ECLI:EU:T:2017:717

URTEIL DES GERICHTS (Neunte Kammer)

12. Oktober 2017(*)(i)

„Unionsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung einer Wortmarke der Europäischen Union SDC‑554S – Nicht eingetragene ältere nationale Wortmarke SDC‑554S – Relatives Eintragungshindernis – Art. 8 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 (jetzt Art. 8 Abs. 4 der Verordnung [EU] 2017/1001) – Beweise für den Inhalt des nationalen Rechts – Regel 19 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 (jetzt Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Delegierten Verordnung [EU] 2017/1430) – Erstmalige Vorlage von Beweisen vor der Beschwerdekammer – Ermessen der Beschwerdekammer – Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 95 Abs. 2 der Verordnung [EU] 2017/1001)“

In der Rechtssache T‑316/16

Moravia Consulting spol. s r. o. mit Sitz in Brno (Tschechische Republik), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt M. Kyjovský,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum(EUIPO), vertreten durch D. Gája als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:

Citizen Systems Europe GmbH mit Sitz in Stuttgart (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte C. von Donat, J. Lipinsky, J. Hagenberg, T. Hollerbach und C. Nitschke,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des EUIPO vom 1. April 2016 (Sache R 1575/2015‑2) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen Moravia Consulting und Citizen Systems Europe

erlässt

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Gervasoni sowie der Richter L. Madise und R. da Silva Passos (Berichterstatter),

Kanzler: X. Lopez Bancalari, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 21. Juni 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der bei der Kanzlei des Gerichts am 24. Oktober 2016 eingegangenen Klagebeantwortung des EUIPO,

aufgrund der am 2. Dezember 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

aufgrund des Beschlusses vom 9. März 2017, mit dem die Rechtssachen T‑316/16 bis T‑318/16 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren verbunden worden sind,

auf die mündliche Verhandlung vom 11. Mai 2017

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 10. April 2014 meldete die Streithelferin, die Citizen Systems Europe GmbH, nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EU] 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke [ABl. 2017, L 154, S. 1]) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um die Wortmarke SDC‑554S.

3        Folgende Waren der Klasse 9 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung wurden angemeldet: „Taschenrechner; Rechenmaschinen“.

4        Die Anmeldung der Unionsmarke wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 2014/076 vom 24. April 2014 veröffentlicht.

5        Am 22. Juli 2014 erhob die Klägerin, die Moravia Consulting spol. s r. o. gemäß Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 46 der Verordnung 2017/1001) gegen die Eintragung einer Unionsmarke in vollem Umfang Widerspruch.

6        Die Klägerin stützte ihren Widerspruch als Erstes darauf, dass ein älteres Recht aufgrund einer nicht eingetragenen Wortmarke bestehe, deren Wortlaut mit dem der Anmeldemarke identisch sei, wobei dieses Recht zumindest im Hoheitsgebiet der Tschechischen Republik bestehe. Diese nicht eingetragene Wortmarke betraf Rechenmaschinen.

7        Die Klägerin führte aus, sie habe die nicht eingetragene Marke vor Anmeldung der Anmeldemarke u. a. bei einer Bestellung vom Oktober 2013 für eine Lieferung von Rechenmaschinen aus Hongkong (China) benutzt. Als Beweis dafür legte die Klägerin ein mit „Verkaufsbestätigung“ („Sales confirmation“) überschriebenes zweiseitiges Dokument vom 8. Oktober 2013 vor.

8        Die Klägerin machte als Zweites Bösgläubigkeit der Streithelferin geltend. Auf eine Mitteilung des EUIPO vom 5. August 2014 hin, in der u. a. klargestellt wurde, dass dieser Grund nur im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens gegen eine eingetragene Marke geltend gemacht werden könne, teilte die Klägerin in einem Schreiben an das EUIPO vom 10. Dezember 2014 mit, dass sie die Bösgläubigkeit der Streithelferin nicht mehr geltend mache.

9        Die Klägerin machte als Drittes geltend, der Anmeldemarke fehle die Unterscheidungskraft.

10      Mit Entscheidung vom 5. Juni 2015 wies die Widerspruchsabteilung des EUIPO den Widerspruch der Klägerin zurück und erlegte ihr die Kosten auf. Die Widerspruchsabteilung führte aus, die Klägerin habe weder Informationen noch Beweise betreffend das anwendbare nationale Recht, auf das sie sich stütze und auf dessen Grundlage die Nutzung der Anmeldemarke in dem betreffenden Mitgliedstaat hätte verboten werden können, vorgelegt, obwohl sie aufgefordert worden sei, ihren Widerspruch zu ergänzen. Außerdem falle der Umstand, dass die Anmeldemarke keine Unterscheidungskraft habe, unter Art. 7 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 7 der Verordnung 2017/1001) und könne infolgedessen kein gültiger Grund im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens sein.

11      Am 4. August 2015 legte die Klägerin gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001) beim EUIPO Beschwerde ein.

12      Die Klägerin fügte ihrem Schriftsatz mit der Beschwerdebegründung Informationen betreffend die maßgeblichen tschechischen Vorschriften über die Marken bei und erläuterte den Inhalt dieser Rechtsvorschriften, die den Rechtsschutz für ein nicht eingetragenes Zeichen betreffen.

13      Mit Entscheidung vom 1. April 2016 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Zweite Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück.

14      Zunächst führt die Beschwerdekammer zum einen im Wesentlichen aus, dass die Klägerin im Widerspruchsverfahren nicht auf die anwendbaren Rechtsvorschriften verwiesen und keine Informationen betreffend den Inhalt der geltend gemachten Rechte oder die im vorliegenden Fall zu erfüllenden Voraussetzungen vorgelegt habe, anhand deren das EUIPO hätte prüfen können, ob die in diesen Vorschriften vorgesehenen spezifischen Voraussetzungen erfüllt seien und ob es infolgedessen möglich sei, die Nutzung der Anmeldemarke auf der Grundlage der Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats, d. h. der Tschechischen Republik, zu verbieten. Die Beschwerdekammer wies darauf hin, dass die Klägerin verpflichtet sei, die Anwendbarkeit des nationalen Rechts auf die ältere Marke in Anspruch zu nehmen und alle Informationen vorzulegen, um darzutun, dass die ältere Marke unter das nationale Recht falle und dass Letzteres dazu berechtige, die Nutzung einer jüngeren Marke zu verbieten.

15      Zum anderen war die Beschwerdekammer hinsichtlich der Informationen zum tschechischen Recht, die die Klägerin erstmals vor ihr vorgetragen hatte, der Ansicht, dass sie nicht als „neu“ oder „ergänzend“ angesehen werden könnten und aus diesem Grund unzulässig seien. Die Beschwerdekammer habe kein Ermessen hinsichtlich der Zulassung verspätet vorgebrachter Beweise.

16      Die Beschwerdekammer führte weiter aus, selbst wenn die erstmals bei ihr vorgelegten Beweise als „neu“ oder „zusätzlich“ anzusehen sein sollten und deren Berücksichtigung somit in ihr Ermessen gestellt wäre, hätte sie dieses Ermessen dahin gehend ausgeübt, sie nicht zu berücksichtigen. Nach Ansicht der Beschwerdekammer folgt jedoch aus dem Wortlaut von Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 95 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001), dass ein Beteiligter, der Tatsachen und Beweismittel verspätet vorbringe, keinen unbedingten Anspruch darauf habe, dass diese berücksichtigt würden. Die Beschwerdekammer kam zu dem Schluss, dass die Umstände im Zusammenhang mit der verspäteten Vorlage der Beweise durch die Klägerin eine solche Verspätung nicht rechtfertigen könnten.

17      Zum Vorwurf der Bösgläubigkeit der Streithelferin, den die Klägerin erneut aufgeworfen habe, obwohl sie im Verfahren vor der Widerspruchsbehörde auf die Berufung darauf verzichtet habe, wies die Beschwerdekammer darauf hin, dass gemäß Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009 der Widerspruch auf der Grundlage von Art. 8 dieser Verordnung (jetzt Art. 8 der Verordnung 2017/1001) erhoben werden könne; da in dieser Bestimmung Bösgläubigkeit nicht als Widerspruchsgrund genannt sei, werde sie diesen Grund nicht prüfen.

18      Schließlich betonte die Beschwerdekammer unter Berufung auf die Rechtsprechung, dass es im Widerspruchsverfahren nicht um die Frage gegangen sei, ob das angefochtene Zeichen Unterscheidungskraft habe und in Anbetracht von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001) eingetragen werden müsse, sondern vielmehr darum, ob die Eintragung des angefochtenen Zeichens deshalb abgelehnt werden müsse, weil ein älteres Recht im Sinne von Art. 8 Abs. 4 dieser Verordnung (jetzt Art. 8 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001) bestehe.

 Anträge der Verfahrensbeteiligten

19      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

20      Das EUIPO und die Streithelferin beantragen,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zulässigkeit

21      Nach Auffassung des EUIPO ist die Klage offensichtlich unzulässig. Die Streithelferin hält die Klage für unzulässig, soweit sie auf Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 59 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001) gestützt sei.

 Zu der vom EUIPO erhobenen Einrede der Unzulässigkeit

22      Nach Ansicht des EUIPO war die Zurückweisung der Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchskammer durch die Beschwerdekammer aus zwei Gründen gerechtfertigt. Erstens habe es nicht im Ermessen der Beschwerdekammer gestanden, die mit der Begründung der Beschwerde vorgelegten Beweise zuzulassen. Zweitens hätte die Beschwerdekammer, selbst wenn sie ein Ermessen gehabt und dieses ausgeübt hätte, die Beschwerde zurückgewiesen. Im Rahmen der vorliegenden Klage beanstande die Klägerin nicht den zweiten Grund der angefochtenen Entscheidung. Selbst wenn also die den ersten Grund der angefochtenen Entscheidung betreffenden Rügen Erfolg hätten, würde dies nicht genügen, um diese Entscheidung aufzuheben, da ihr verfügender Teil jedenfalls noch immer vom zweiten Grund getragen werde. Das EUIPO kommt nach alledem zu dem Ergebnis, dass die Klage offensichtlich unzulässig sei.

23      Die Klägerin rechtfertigt in Rn. 21 der Klageschrift die verspätete Vorlage der konkreten Verweise auf das tschechische Recht, auf das sie sich stützte und gemäß dem der Gebrauch der Anmeldemarke in dem betreffenden Mitgliedstaat hätte verboten werden können. Sie macht dazu im Wesentlichen geltend, dass sie in der vom EUIPO gesetzten Frist alle Beweise in Bezug auf ihr älteres Recht als Nutzerin eines nicht eingetragenen Zeichens vorgelegt habe und dass nur die Informationen zum nationalen Recht gefehlt hätten. Sie führt weiter aus, dass nach dem Grundsatz iura novit curia die konkreten Bestimmungen des tschechischen Rechts, das öffentlich zugänglich sei, nicht im Detail hätten vorgetragen werden müssen. Außerdem hätte das EUIPO sie aufklären und auf die in ihrem Widerspruch fehlenden Punkte hinweisen müssen, damit sie diese sachdienlich hätte korrigieren können. Die Aufforderung des EUIPO, den Widerspruch zu präzisieren, sei aber nicht klar gewesen, und sie habe ihr nicht entnehmen können, welche konkrete Beanstandung gegen ihren Widerspruch gerichtet werde.

24      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin im Rahmen der vorliegenden Klage die Gründe vorgetragen hat, die ihres Erachtens die verspätete Vorlage der in Rede stehenden Beweise rechtfertigte. Folglich wendet sich die Klägerin gegen den Standpunkt des EUIPO, dass die verspätete Vorlage dieser Beweise nicht habe zugelassen werden können, im Ganzen. Selbst wenn sich in der Akte der Ansicht der Klägerin widersprechende Hinweise befinden sollten, beträfe eine solche Feststellung nicht die Zulässigkeit der Klage, sondern vielmehr ihre Begründetheit. Unabhängig von den Gründen, die die Klägerin für die verspätete Vorlage der Beweise im Verwaltungsverfahren vorträgt, kann nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, wie es das EUIPO im Wesentlichen tut, dass die Klägerin nur den Teil der angefochtenen Entscheidung beanstande, in dem die Beschwerdekammer festgestellt hat, dass sie hinsichtlich der Berücksichtigung dieser Beweise kein Ermessen habe.

25      Daher ist die vom EUIPO erhobene Einrede der Unzulässigkeit der Klage zurückzuweisen.

 Zu der von der Streithelferin erhobenen Einrede der Unzulässigkeit

26      Die Streithelferin trägt vor, dass die Klägerin ihr Vorgehen gegen die angefochtene Entscheidung auf Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 zu stützen scheine, obwohl sie im Widerspruchsverfahren ausgeführt habe, dass sie diesen Grund nicht aufrechterhalte.

27      In der vorliegenden Rechtssache hat die Klägerin gemäß Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009 Widerspruch gegen die Eintragung einer Unionsmarke nach Art. 8 Abs. 4 dieser Verordnung erhoben. Die Streithelferin weist darauf hin, dass Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 betreffend die Bösgläubigkeit des Anmelders bei der Anmeldung einer Unionsmarke ein absoluter Nichtigkeitsgrund sei und nicht unter den Gründen für einen Widerspruch gegen die Anmeldung einer Unionsmarke aufgeführt sei, so dass sie im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens nicht geltend gemacht werden könne. Folglich sei dieser Klagegrund unzulässig.

28      Im Widerspruchsverfahren hatte die Klägerin gegenüber der Widerspruchsbehörde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie sich nicht mehr auf die ursprünglich geltend gemachte Bösgläubigkeit der Streithelferin berufe. Im Verfahren vor der Beschwerdekammer wies die Klägerin jedoch erneut auf die Bösgläubigkeit der Streithelferin bei der Anmeldung hin, was die Beschwerdekammer zu ihren Ausführungen in Rn. 85 der angefochtenen Entscheidung veranlasste, dass sie diese Frage nicht prüfen werde, weil der Widerspruch auf der Grundlage von Art. 8 der Verordnung Nr. 207/2009 erhoben werden könne und diese Vorschrift die Bösgläubigkeit nicht als Widerspruchsgrund erwähne.

29      Im Übrigen nennt die Klägerin in Rn. 26 ihrer Klageschrift unter den zur Stützung ihres Antrags geltend gemachten Klagegründen einen Verstoß gegen Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009, ohne dieses Vorbringen jedoch zu untermauern. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin auf eine Frage des Gerichts bestätigt, dass sie an diesem Klagegrund festhalte.

30      Gemäß Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichts muss die Klageschrift eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten, und diese Angaben müssen so klar und genau sein, dass dem Beklagten die Vorbereitung seines Verteidigungsvorbringens und dem Gericht die Entscheidung über die Klage, gegebenenfalls auch ohne weitere Informationen, ermöglicht wird (vgl. Urteil vom 18. September 2012, Scandic Distilleries/HABM – Bürgerbräu, Röhm & Söhne [BÜRGER], T‑460/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:432, Rn. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der Klagegrund einer Verletzung von Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 erfüllt diese Voraussetzungen ersichtlich nicht, so dass er als offensichtlich unzulässig zurückzuweisen ist. Im Übrigen ist die Berufung auf diesen Klagegrund im Stadium der vorliegenden Klage befremdlich, da die Klägerin gegenüber der Widerspruchsabteilung ausdrücklich auf die Geltendmachung der Bösgläubigkeit der Streithelferin verzichtet hatte.

31      Nach alledem ist der Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 52 Abs. 1 Buchst. b als unzulässig zurückzuweisen.

32      Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 die absoluten Gründe für die Nichtigkeit einer Unionsmarke nennt, zu denen Bösgläubigkeit des Anmelders bei der Anmeldung gehört (Urteil vom 11. Juni 2009, Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli, C‑529/07, EU:C:2009:361, Rn. 34 und 35), so dass die Bösgläubigkeit im Rahmen eines Antrags auf Nichtigerklärung einer eingetragenen Marke geltend gemacht werden kann. Wie die Streithelferin jedoch geltend macht, ist die Bösgläubigkeit des Anmelders in Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009 nicht unter den Gründen für einen Widerspruch gegen die Eintragung einer Unionsmarke aufgeführt. Folglich ist der Klagegrund auf jeden Fall zurückzuweisen.

 Zur Begründetheit

33      Die Klägerin macht im Wesentlichen zwei Klagegründe geltend. Sie rügt erstens einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 4 und Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 (Letzterer jetzt Art. 95 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001) sowie Regel 50 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1995, L 303, S. 1). Zweitens rügt sie einen Verstoß gegen Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009.

34      Da der zweite Klagegrund als unzulässig zurückgewiesen worden ist, ist nur der erste Klagegrund zu prüfen.

35      Die Klägerin trägt zur Stützung dieses Klagegrundes vor, die Beschwerdekammer habe Regel 50 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 in Verbindung mit Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 fehlerhaft angewandt, indem sie in der angefochtenen Entscheidung von ihr geltend gemachte Tatsachen und vorgelegte Beweise außer Acht gelassen habe. Die Beschwerdekammer habe ihr Ermessen in Bezug auf die erstmals im Beschwerdeverfahren gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung vorgelegten Beweise falsch ausgelegt. Die Klägerin beruft sich darauf, dass sie im vorliegenden Fall alle Nachweise betreffend ihr älteres Recht zur Nutzung eines nicht eingetragenen Zeichens in der vorgeschriebenen Frist vorgelegt habe und dass nur Informationen zum nationalen Recht gefehlt hätten. Somit treffe es nicht zu, dass sie im Widerspruchsverfahren keinen einzigen Beweis vorgelegt habe. Die Beschwerdekammer habe einen Fehler begangen, indem sie in der angefochtenen Entscheidung die Grundsätze angewandt habe, die im Urteil vom 28. Oktober 2015, Rot Front/HABM – Rakhat (Маска) (T‑96/13, EU:T:2015:813), aufgestellt worden seien, denn dieses Urteil sei verkündet worden, nachdem im vorliegenden Fall die Frist für die Einlegung der Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung abgelaufen gewesen sei. Infolgedessen könne dieses Urteil für das vorliegende Verfahren nicht maßgeblich sein.

36      Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

37      Soweit sich die von der Klägerin im Rahmen des ersten Klagegrundes geltend gemachten Argumente überschneiden, sind sie zusammen zu prüfen.

38      Gemäß Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 kann der Inhaber eines Zeichens, bei dem es sich nicht um eine eingetragene Marke handelt, der Eintragung einer Unionsmarke widersprechen, wenn dieses Zeichen vier Voraussetzungen kumulativ erfüllt: Das geltend gemachte Zeichen muss im geschäftlichen Verkehr benutzt werden, es darf nicht lediglich von örtlicher Bedeutung sein, das Kennzeichenrecht muss nach dem Unionsrecht oder dem Recht des Mitgliedstaats erworben worden sein, in dem das Zeichen vor dem Tag der Anmeldung der Unionsmarke benutzt wurde, und das Zeichen muss schließlich seinem Inhaber die Befugnis verleihen, die Benutzung einer jüngeren Marke zu untersagen (vgl. Urteil vom 29. Juni 2016, Universal Protein Supplements/EUIPO – H Young Holdings [animal], T‑727/14 und T‑728/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:372, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese Bedingungen sind kumulativ, so dass, wenn ein Zeichen eine der Bedingungen nicht erfüllt, der Widerspruch, der gemäß Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 auf das Bestehen einer nicht eingetragenen Marke oder anderer im Geschäftsleben verwendeter Zeichen gestützt ist, keinen Erfolg haben kann (vgl. Urteil vom 21. Januar 2016, BR IP Holder/HABM – Greyleg Investments [HOKEY POKEY], T‑62/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:23, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39      Die ersten beiden Voraussetzungen, d. h. diejenigen der Benutzung und der nicht lediglich örtlichen Bedeutung des geltend gemachten Zeichens, ergeben sich bereits aus dem Wortlaut von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 und sind daher im Licht des Unionsrechts auszulegen. So stellt die Verordnung Nr. 207/2009 einheitliche Maßstäbe für die Benutzung der Zeichen und ihre Bedeutung auf, die mit den Grundsätzen in Einklang stehen, die dem durch diese Verordnung aufgestellten System zugrunde liegen (vgl. Urteil vom 29. Juni 2016, animal, T‑727/14 und T‑728/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:372, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40      Demgegenüber ergibt sich aus der Wendung „wenn und soweit nach dem für den Schutz des Kennzeichens maßgeblichen Recht des Mitgliedstaats“, dass die beiden weiteren in Art. 8 Abs. 4 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 207/2009 genannten Voraussetzungen im Gegensatz zu den vorangehenden gemäß dieser Verordnung nach Kriterien zu beurteilen sind, die in dem Recht festgelegt sind, dem das geltend gemachte Zeichen unterliegt. Dieser Verweis auf das Recht, dem das geltend gemachte Kennzeichen unterliegt, ist deshalb völlig gerechtfertigt, weil die Verordnung Nr. 207/2009 die Möglichkeit einräumt, außerhalb des Systems der Unionsmarke stehende Zeichen gegen eine Unionsmarke anzuführen. Somit lässt sich nur anhand des Rechts, dem das geltend gemachte Zeichen unterliegt, feststellen, ob dieses älter als die Gemeinschaftsmarke ist und ob es ein Verbot der Benutzung einer jüngeren Marke rechtfertigen kann. Die Beweislast dafür, dass diese Voraussetzung erfüllt ist, liegt gemäß Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 beim Widersprechenden vor dem EUIPO (vgl. Urteil vom 29. Juni 2016, animal, T‑727/14 und T‑728/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:372, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41      Bei der Anwendung von Art. 8 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 sind insbesondere die geltend gemachte innerstaatliche Regelung und die in dem betreffenden Mitgliedstaat ergangenen Gerichtsentscheidungen zu berücksichtigen. Auf dieser Grundlage muss der Widersprechende dartun, dass das in Rede stehende Kennzeichen in den Anwendungsbereich des geltend gemachten Rechts des Mitgliedstaats fällt und es erlauben würde, die Benutzung einer jüngeren Marke zu untersagen (vgl. Urteil vom 29. Juni 2016, animal, T‑727/14 und T‑728/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:372, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42      Nach Regel 19 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 2868/95 (jetzt Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Delegierten Verordnung [EU] 2017/1430 der Kommission vom 18. Mai 2017 zur Ergänzung der Verordnung Nr. 207/2009 und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 2868/95 und der Verordnung [EG] Nr. 216/96 [ABl. 2017, L 205, S. 1]) obliegt es dem Widersprechenden, vor dem EUIPO nicht nur die Angaben vorzubringen, die beweisen, dass er die nach den nationalen Rechtsvorschriften, deren Anwendung er begehrt, erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, um der Eintragung einer Unionsmarke aufgrund eines älteren Rechts zu widersprechen, sondern auch die Angaben, aus denen sich der Inhalt dieser Rechtsvorschriften ergibt (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 5. Juli 2011, Edwin/HABM, C‑263/09 P, EU:C:2011:452, Rn. 50). Zwar müssen sich die Beschwerdekammer und der Unionsrichter von Amts wegen über die Vorschriften des nationalen Rechts informieren, wenn diese Informationen für die Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen des fraglichen Eintragungshindernisses erforderlich sind, was bedeutet, dass sie neben den von den Verfahrensbeteiligten ausdrücklich vorgetragenen Tatsachen offenkundige Tatsachen berücksichtigen müssen, d. h. Tatsachen, die jeder kennen kann oder die allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. März 2014, HABM/National Lottery Commission, C‑530/12 P, EU:C:2014:186, Rn. 39, 44 und 45, und vom 28. Oktober 2015, Маска, T‑96/13, EU:T:2015:813, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese Verpflichtung besteht jedoch nur dann, wenn das EUIPO oder das Unionsgericht bereits über Angaben zum nationalen Recht verfügt, sei es in Form eines Vorbringens zu dessen Inhalt oder in Form von Unterlagen, die in die Erörterung eingebracht worden sind und deren Beweiskraft geltend gemacht wurde (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 28. Oktober 2015, Маска, T‑96/13, EU:T:2015:813, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43      Im vorliegenden Fall oblag es somit gerade der Klägerin in ihrer Eigenschaft als Widersprechende, dem EUIPO Beweise für den Inhalt des nationalen Rechts vorzulegen.

44      Zudem ist zu beachten, dass sich die Klägerin zur Stützung ihres Widerspruchs auf eine nicht eingetragene ältere Marke mit einem mit der Anmeldemarke identischen Wortlaut berief, wobei dieses ältere Recht nach den Angaben der Klägerin zumindest im Hoheitsgebiet der Tschechischen Republik besteht. Wie bereits oben in Rn. 7 dargelegt worden ist und auch aus Nr. 9 siebter Gedankenstrich der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, ist der einzige Beweis für die Benutzung der älteren Marke, den die Klägerin der Widerspruchsabteilung vorgelegt hat, ein zweiseitiges Dokument, das mit „Verkaufsbestätigung“ überschrieben ist und vom 8. Oktober 2013 datiert. Die Klägerin hat keinerlei Beweis betreffend die anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften vorgelegt; aus diesem Grund wurde der Widerspruch von der Widerspruchsabteilung zurückgewiesen. Wie oben in Rn. 12 dargelegt, wies die Klägerin erstmals in der Begründung ihrer Beschwerde auf die Vorschriften des tschechischen Rechts hin, die den Rechtsschutz für ein nicht eingetragenes Zeichen regeln.

45      Es ist deshalb zu untersuchen, ob die Beschwerdekammer in Nr. 70 der angefochtenen Entscheidung rechtsfehlerfrei entschieden hat, dass es im vorliegenden Fall nicht in ihrem Ermessen stehe, die erstmals bei ihr vorgelegten Beweise für den Schutz der älteren Marke im maßgeblichen tschechischen Recht zuzulassen, da die Klägerin vor der Widerspruchsabteilung in dieser Hinsicht keinerlei Beweis vorgelegt hatte.

46      Nach ständiger Rechtsprechung geht aus dem Wortlaut von Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 über die Gemeinschaftsmarke hervor, dass als allgemeine Regel und vorbehaltlich einer gegenteiligen Bestimmung die Beteiligten Tatsachen und Beweise auch dann noch vorbringen können, wenn die für dieses Vorbringen nach den Bestimmungen dieser Verordnung geltenden Fristen abgelaufen sind, und dass es dem EUIPO keineswegs untersagt ist, solche verspätet vorgebrachten Tatsachen und Beweise zu berücksichtigen (vgl. Urteil vom 11. Dezember 2014, CEDC International/HABM – Underberg [Form eines Grashalms in einer Flasche], T‑235/12, EU:T:2014:1058, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung). Mit anderen Worten kann das EUIPO diese nach Ablauf der von der Widerspruchsabteilung gesetzten Frist und gegebenenfalls erstmals vor der Beschwerdekammer unter Gebrauch des ihm durch Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 verliehenen Ermessens berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Dezember 2014, Form eines Grashalms in einer Flasche, T‑235/12, EU:T:2014:1058, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47      Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung räumt die genannte Bestimmung mit der Klarstellung, dass das EUIPO in einem solchen Fall die fraglichen Beweismittel nicht zu berücksichtigen „braucht“, dem EUIPO ein weites Ermessen ein, um unter entsprechender Begründung seiner Entscheidung darüber zu befinden, ob die Beweise zu berücksichtigen sind oder nicht (vgl. Urteil vom 11. Dezember 2014, Form eines Grashalms in einer Flasche, T‑235/12, EU:T:2014:1058, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48      Dieses Ermessen betrifft selbstverständlich nur die Frage, ob verspätet vorgelegte Beweise zuzulassen sind. Es betrifft nicht die Beurteilung der Natur dieser Beweise.

49      Nach Regel 50 Abs. 1 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 prüft die Beschwerdekammer im Fall der Beschwerde gegen eine Entscheidung einer Widerspruchsabteilung nur die innerhalb der von der Widerspruchsabteilung gesetzten oder präzisierten Frist vorgebrachten Tatsachen und Beweise, es sei denn, sie ist der Meinung, dass nach Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 „zusätzliche“ oder „ergänzende“ Tatsachen und Beweise berücksichtigt werden sollten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. Oktober 2013, Rintisch/HABM, C‑120/12 P, EU:C:2013:638, Rn. 31, und vom 21. Juli 2016, EUIPO/Grau Ferrer, C‑597/14 P, EU:C:2016:579, Rn. 23).

50      Der Gerichtshof hat Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 im Bereich des Nachweises der Benutzung zunächst wie folgt ausgelegt: Wird innerhalb der vom EUIPO gesetzten Frist keinerlei Nachweis der Benutzung der betroffenen Marke vorgelegt, muss dieses den Widerspruch von Amts wegen zurückweisen; wurden dagegen die Beweise innerhalb der vom EUIPO gesetzten Frist vorgelegt, ist die Vorlage ergänzender Beweise weiterhin möglich (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2013, New Yorker SHK Jeans/HABM, C‑621/11 P, EU:C:2013:484, Rn. 28 und 30).

51      Sodann hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die gleiche Auslegung des Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 gelten muss, wenn es um den Nachweis der Existenz, der Gültigkeit und des Schutzumfangs der Marke geht, weil diese Vorschrift eine Regel enthält, die im System dieser Verordnung eine übergreifende Rolle spielt, da sie unabhängig von der Art des betreffenden Verfahrens anwendbar ist. Der Gerichtshof hat daraus gefolgert, dass Regel 50 der Verordnung Nr. 2868/95 nicht dahin ausgelegt werden kann, dass sie das Ermessen der Beschwerdekammer auf neue Beweise erstreckt (Urteil vom 21. Juli 2016, EUIPO/Grau Ferrer, C‑597/14 P, EU:C:2016:579, Rn. 27, und Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache HABM/Grau Ferrer, C‑597/14 P, EU:C:2016:2, Nrn. 55 und 57).

52      Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist somit zu beurteilen, ob die Klägerin im Widerspruchsverfahren zumindest bestimmte Beweise hinsichtlich des Bestehens, der Gültigkeit und des Umfangs des Schutzes der nicht eingetragenen älteren Marke, auf die sie sich beruft, vorgelegt hat.

53      Die Beschwerdekammer hat zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin innerhalb der gesetzten Frist keinen Beweis hinsichtlich des Inhalts des in Rede stehenden nationalen Rechts vorgelegt und auch keinen legitimen Grund zur Rechtfertigung ihrer Haltung genannt hat.

54      Der einzige Beweis, den die Klägerin für das Bestehen, die Gültigkeit und den Umfang des Schutzes der nicht eingetragenen älteren Marke vorgelegt hat, war, wie oben in den Rn. 7 und 44 dargelegt, ein zweiseitiges Dokument, das mit „Verkaufsbestätigung“ überschrieben war, das Datum 8. Oktober 2013 trug und eine Lieferung von Rechenmaschinen aus Hongkong betraf.

55      Wie das EUIPO in seiner Klagebeantwortung ausführt, enthält dieses Dokument keine Information über die Benutzung der geltend gemachten älteren Marke, was insbesondere den Ort und die Dauer dieser Benutzung betraf, und auch nicht darüber, ob diese Marke über den örtlichen Rahmen hinausgeht. Dieses Dokument enthält auch keine Informationen zu den im Recht der Tschechischen Republik vorgesehenen Voraussetzungen.

56      Es ist auch festzustellen, dass die „Verkaufsbestätigung“ eine Liste mit Bezugnahmen auf mehrere Produkte enthält, unter denen sich die nicht eingetragene ältere Marke nicht befindet, wobei die Angabe, die dieser am nächsten kommt, „SDC‑554+“ lautet.

57      Außerdem enthält, wie die Streithelferin vorträgt, die genannte Verkaufsbestätigung keine Spezifikationen betreffend die konkret darin aufgeführten Waren und auch keinen Nachweis, dass die Bestellung, auf die sie sich zu beziehen scheint, zu einer Lieferung der in Rede stehenden Waren unter der nicht eingetragenen älteren Marke geführt hat.

58      In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin auf die Frage des Gerichts, wo in dieser „Verkaufsbestätigung“ die Informationen zu den nach dem Recht der Tschechischen Republik erforderlichen Voraussetzungen und dem danach gewährten Schutz enthalten seien, keine Erläuterung gegeben.

59      Zudem hatte die Klägerin vor der Widerspruchsabteilung ein Dokument vorgelegt, dem ein von ihr an ein deutsches Unternehmen gesandtes Schreiben beigefügt war, das jedoch nicht den geringsten Hinweis auf das Bestehen, die Gültigkeit und den Umfang des Schutzes der nicht eingetragenen älteren Marke enthielt.

60      Unter diesen Umständen kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin bereits im Verfahren vor der Widerspruchsabteilung bestimmte Unterlagen zum Nachweis des Bestehens, der Gültigkeit und des Umfangs des Schutzes der älteren Marke vorgelegt hat. Somit sind die Bezugnahmen auf die tschechischen Rechtsvorschriften, die erstmals in der Begründung der Beschwerde der Klägerin vor der Beschwerdekammer enthalten sind, keine „zusätzlichen“ oder „ergänzenden“ Beweise im Verhältnis zu denjenigen, die bereits vor der Widerspruchsabteilung vorgelegt worden waren.

61      Folglich hat die Beschwerdekammer rechtsfehlerfrei festgestellt, dass es nicht in ihrem Ermessen stehe, die erstmals bei ihr vorgelegten Beweise zuzulassen, da diese Beweise verspätet gewesen seien.

62      Nach alledem ist festzustellen, dass im Gegensatz zu den Umständen der Rechtssache, in der das Urteil vom 29. Juni 2016, Group/EUIPO – Iliev (GROUP Company TOURISM & TRAVEL) (T‑567/14, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:371), ergangen ist, die Beweise, die die Klägerin in der vorliegenden Rechtssache vor der Widerspruchsabteilung vorgelegt hat, der Beschwerdekammer nicht erlaubten, ihr Ermessen auszuüben.

63      Die Klägerin hat darüber hinaus in der mündlichen Verhandlung dem Gericht einige Exemplare der Rechenmaschinen vorgelegt, die sie nach ihrem Vorbringen vertreibt und die mit der nicht eingetragenen älteren Marke versehen sind. Ohne dass jedoch zur Beweiskraft dieser Beweise in Bezug auf das Bestehen, die Gültigkeit und den Umfang des Schutzes der nicht eingetragenen älteren Marke Stellung genommen zu werden braucht, genügt für deren Zurückweisung der Hinweis darauf, dass sie verspätet vorgelegt wurden. Zum einen hätten diese Beweise, wie in den Rn. 38 bis 51 des vorliegenden Urteils erläutert, im Verfahren vor der Widerspruchsabteilung des EUIPO vorgelegt werden müssen. Zum anderen sind jedenfalls gemäß Art. 85 Abs. 1 der Verfahrensordnung Beweise und Beweisangebote im Rahmen des ersten Schriftsatzwechsels vorzulegen. Gemäß Art. 85 Abs. 3 der Verfahrensordnung können die Hauptparteien, sofern die Verspätung der Vorlage gerechtfertigt ist, ausnahmsweise noch vor Abschluss des mündlichen Verfahrens oder vor einer Entscheidung des Gerichts, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden, Beweise oder Beweisangebote vorlegen. Die Vorlage der genannten Beweise in der mündlichen Verhandlung ist jedoch verspätet im Sinne dieser Vorschriften erfolgt. Da die Klägerin für die verspätete Vorlage dieser Beweise keine Rechtfertigung vorgetragen hat, sind sie als nach Art. 85 Abs. 1 bis 3 der Verfahrensordnung unzulässig zurückzuweisen.

64      Zum Vorbringen der Klägerin, die Beschwerdekammer habe einen Fehler begangen, als sie die im Urteil vom 28. Oktober 2015, Маска (T‑96/13, EU:T:2015:813), aufgestellten Grundsätze angewandt habe, obwohl dieses Urteil nach Ablauf der Frist verkündet worden sei, in der die Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung im vorliegenden Rechtsstreit einzulegen gewesen sei, genügt der Hinweis, dass sich nach ständiger Rechtsprechung die Auslegung einer Bestimmung des Unionsrechts durch den Gerichtshof darauf beschränkt, zu erläutern und zu verdeutlichen, in welchem Sinne und mit welcher Tragweite sie seit ihrem Inkrafttreten hätte verstanden und angewandt werden müssen. Daraus folgt, dass die Bestimmung in dieser Auslegung selbst auf Rechtsverhältnisse angewandt werden kann und muss, die vor dem betreffenden Urteil entstanden oder begründet worden sind; nur ausnahmsweise kann sich der Gerichtshof aufgrund des der Unionsrechtsordnung innewohnenden allgemeinen Grundsatzes der Rechtssicherheit dazu veranlasst sehen, für alle Betroffenen die Möglichkeit einzuschränken, sich auf eine von ihm vorgenommene Auslegung einer Bestimmung zu berufen, um in gutem Glauben begründete Rechtsverhältnisse in Frage zu stellen. Diese Erwägungen gelten für die Unionsorgane, wenn diese ihrerseits Bestimmungen des Unionsrechts anwenden sollen, die später vom Gerichtshof ausgelegt werden (vgl. Urteil vom 16. September 2013, Spanien/Kommission, T‑402/06, EU:T:2013:445, Rn. 104 und die dort angeführte Rechtsprechung).

65      Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer in Rn. 71 der angefochtenen Entscheidung zu Recht ausgeführt hat, dass sie die bei ihr erstmals vorgelegten Beweise selbst dann nicht berücksichtigt hätte, wenn diese als „zusätzlich“ oder „ergänzend“ anzusehen sein sollten und davon auszugehen wäre, dass ihre Zulassung in ihrem Ermessen stehe.

66      Wie die Beschwerdekammer hervorgehoben hat, folgt nämlich aus dem Wortlaut von Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009, dass ein Beteiligter, der Tatsachen und Beweismittel verspätet vorbringt, keinen unbedingten Anspruch darauf hat, dass diese berücksichtigt werden.

67      Hierzu hat der Gerichtshof u. a. entschieden, dass die Berücksichtigung verspätet vorgebrachter Beweismittel durch das EUIPO, wenn es im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens zu entscheiden hat, insbesondere dann gerechtfertigt sein kann, wenn es zu der Auffassung gelangt, dass zum einen die verspätet vorgebrachten Gesichtspunkte auf den ersten Blick von wirklicher Relevanz für das Ergebnis des bei ihm eingelegten Widerspruchs sein können und dass zum anderen das Verfahrensstadium, in dem das verspätete Vorbringen erfolgt, und die Umstände, die es begleiten, einer solchen Berücksichtigung nicht entgegenstehen (Urteil vom 13. März 2007, HABM/Kaul, C‑29/05 P, EU:C:2007:162, Rn. 44).

68      Zum einen musste aber die Klägerin, wie das EUIPO zutreffend geltend macht, im vorliegenden Fall wissen, dass sie bestimmte Beweise für die Angaben vorzulegen hatte, aus denen sich der Inhalt der tschechischen Rechtsvorschriften ergab.

69      Eine solche Pflicht folgt bereits aus Regel 19 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 2868/95, auf die oben in Rn. 42 hingewiesen worden ist. Außerdem ist dem Inhalt des Schreibens des EUIPO vom 5. August 2014 klar zu entnehmen, dass das EUIPO die Klägerin darüber informiert hat, welche Beweise zur Stützung eines Widerspruchs auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 vorzulegen seien, wobei u. a. der Inhalt des nationalen Rechts insbesondere hinsichtlich der Voraussetzungen des geltend gemachten Rechts und des Umfangs der dem Inhaber zuerkannten Rechte anzugeben und betreffend eine nicht eingetragene Marke der Nachweis zu erbringen sei, dass diese Marke im Geschäftsleben benutzt werde.

70      Die Klägerin legte aber trotz dieses ausdrücklichen Informationsersuchens der Widerspruchsabteilung keinen Beweis oder auch nur irgendeine Information hinsichtlich des Inhalts der nationalen Vorschriften vor.

71      Zum anderen kann den von der Klägerin zur Rechtfertigung dieser Verspätung angeführten Gesichtspunkten nicht gefolgt werden.

72      Was zunächst den Grundsatz iura novit curia angeht, auf den sich die Klägerin beruft, so betrifft dieser nur die Anwendung des Unionsrechts. Nach ständiger Rechtsprechung gehört die Ermittlung und Auslegung der Vorschriften des nationalen Rechts zur Tatsachenfeststellung und nicht zur Rechtsanwendung. Folglich gehört nur das Unionsrecht zu dem Rechtsbereich, in dem der Grundsatz iura novit curia gilt, während das nationale Recht auf der Ebene der Darlegungs- und Beweislast des Tatsachenvortrags angesiedelt und sein Gehalt gegebenenfalls durch Beweisantritt zu belegen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. März 2013, El Corte Inglés/HABM – Chez Gerard [CLUB GOURMET], T‑571/11, EU:T:2013:145, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung). Wie aber zum einen Rn. 42 des vorliegenden Urteils zu entnehmen ist, muss sich das EUIPO nur dann, wenn es bereits über Angaben zum nationalen Recht verfügt, von Amts wegen über dieses informieren, wenn dies für die Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen eines Eintragungshindernisses erforderlich ist. Zum anderen kann das Gericht nur dann insoweit eine effektive Kontrolle durchführen und über die vorgelegten Dokumente hinaus den Inhalt, die Tatbestandsvoraussetzungen und den Umfang der Rechtsnormen, auf die sich der Kläger beruft, überprüfen, wenn Unterlagen zum Nachweis des anwendbaren nationalen Rechts vorgelegt worden sind und indem es eventuelle Lücken in diesen Unterlagen schließt.

73      Zurückzuweisen ist auch das Vorbringen der Klägerin, dass die Aufforderung des EUIPO, ihren Widerspruch zu präzisieren, zu allgemein gewesen sei. Wie oben in Rn. 69 ausgeführt, enthielt das Schreiben vom 5. August 2014, mit dem die Klägerin aufgefordert wurde, ihren Widerspruch zu ergänzen, genügend Hinweise auf die Beweise, die zur Stützung ihres Widerspruchs vorzulegen waren. In diesem Schreiben waren die Beweise, die im Rahmen eines auf Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 gestützten Widerspruchs zulässig sind, klar genannt, und es enthielt dazu präzisere und detailliertere Informationen, als sie in Regel 19 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 2868/95 enthalten sind. Die Klägerin antwortete auf dieses Schreiben am 10. Dezember 2014 und übermittelte dabei mehrere Erläuterungen und Informationen zu dem Widerspruch, ohne jedoch der Aufforderung der Widerspruchsabteilung des EUIPO zu den das nationale Recht betreffenden Punkten nachzukommen. In der mündlichen Verhandlung hat sich die Klägerin im Übrigen in Beantwortung einer Frage des Gerichts, warum sie dieser Aufforderung nicht nachgekommen sei, darauf beschränkt, zu wiederholen, dass die Aufforderung des EUIPO zu allgemein gewesen sei, ohne dies jedoch durch irgendein Vorbringen zu untermauern.

74      Nach alledem ist der erste Klagegrund der Klägerin zurückzuweisen und damit die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

75      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

76      Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des EUIPO und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Moravia Consulting spol. s r. o. trägt die Kosten.

GervasoniMadiseda Silva Passos

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. Oktober 2017.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.


i      Die vorliegende Sprachfassung ist in Rn. 49 gegenüber der ursprünglich online gestellten Fassung geändert worden.