Language of document : ECLI:EU:C:2016:694

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

ELEANOR SHARPSTON

vom 15. September 2016(1)

Rechtssache C‑219/15

Elisabeth Schmitt

gegen

TÜV Rheinland LGA Products GmbH

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs, Deutschland)

„Industriepolitik – Prüfung der Konformität von Medizinprodukten durch eine vom Hersteller beauftragte benannte Stelle – Pflichten dieser Stelle – Unter Verwendung mangelhaften Silikons hergestellte Brustimplantate – Verantwortlichkeit der benannten Stelle“






 Einleitung

1.        Mit dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen wird der Gerichtshof um Hinweise dazu ersucht, inwieweit eine benannte Stelle im Sinne der Richtlinie 93/42 über Medizinprodukte(2) gegenüber Dritten haftbar sein kann, die eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben oder denen ein Schaden entstanden ist, weil die benannte Stelle ihre Pflichten nach dieser Richtlinie nicht erfüllt hat. Soweit eine solche Haftung entstehen kann, wird der Gerichtshof auch um Klarstellung der Natur der Pflichten einer solchen Stelle bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach der Richtlinie ersucht.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Richtlinie 93/42

2.        In den Erwägungsgründen der Richtlinie 93/42 heißt es insbesondere, dass

–        im Sinne des Binnenmarktes entsprechende Maßnahmen getroffen werden müssen und dass der Binnenmarkt einen Raum ohne Binnengrenzen umfasst, in dem der freie Waren‑, Personen‑, Dienstleistungs‑ und Kapitalverkehr gewährleistet ist (erster Erwägungsgrund);

–        die einzelstaatlichen Bestimmungen, die der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Anwender im Hinblick auf die Anwendung der Medizinprodukte dienen, der Harmonisierung bedürfen, um den freien Verkehr dieser Erzeugnisse auf dem Binnenmarkt zu gewährleisten (dritter Erwägungsgrund);

–        Medizinprodukte für Anwender einen hochgradigen Schutz bieten müssen und dass die Aufrechterhaltung bzw. Verbesserung des in den Mitgliedstaaten erreichten Schutzniveaus eines der wesentlichen Ziele der Richtlinie ist (fünfter Erwägungsgrund);

–        durch die Anwendung der Module für die verschiedenen Phasen der Konformitätsbewertungsverfahren, die als Bestandteil der neuen Konzeption(3) für Medizinprodukte eingeführt wurden, die Verantwortung der Hersteller und der benannten Stellen bei diesen Verfahren festgelegt werden kann (14. Erwägungsgrund);

–        Medizinprodukte in vier Klassen zu unterteilen sind, wobei die Klasse III den kritischsten Produkten vorbehalten ist, deren Inverkehrbringen eine ausdrückliche vorherige Zulassung im Hinblick auf die Konformität erfordert (15. Erwägungsgrund);

–        die Medizinprodukte im Regelfall mit der CE‑Kennzeichnung versehen sein müssen, aus der ihre Übereinstimmung mit den Vorschriften der Richtlinie hervorgeht und die Voraussetzung für den freien Verkehr der Medizinprodukte in der Gemeinschaft und ihre bestimmungsgemäße Inbetriebnahme ist (17. Erwägungsgrund).

3.        Art. 1 der Richtlinie 93/42 bestimmt insbesondere:

„(1)      Diese Richtlinie gilt für Medizinprodukte und ihr Zubehör. …

(2)      Es gelten folgende Begriffsbestimmungen:

a)      ‚Medizinprodukt‘: alle einzeln oder miteinander verbunden verwendeten Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Stoffe oder anderen Gegenstände, … die vom Hersteller zur Anwendung für Menschen für folgende Zwecke bestimmt sind:

–        Untersuchung, Ersatz oder Veränderung des anatomischen Aufbaus oder eines physiologischen Vorgangs;

f)      ,Hersteller‘: die natürliche oder juristische Person, die für die Auslegung, Herstellung, Verpackung und Etikettierung eines Geräts im Hinblick auf das Inverkehrbringen im eigenen Namen verantwortlich ist, unabhängig davon, ob diese Tätigkeiten von dieser Person oder stellvertretend für diese von einer dritten Person ausgeführt werden.

h)      ,Inverkehrbringen‘: erste entgeltliche oder unentgeltliche Überlassung eines Produkts, das nicht für klinische Prüfungen bestimmt ist, im Hinblick auf seinen Vertrieb und/oder seine Verwendung innerhalb der Gemeinschaft, ungeachtet dessen, ob es sich um ein neues oder ein als neu aufbereitetes Produkt handelt.

…“

4.        Nach Art. 2 der Richtlinie 93/42 treffen die Mitgliedstaaten alle erforderlichen Maßnahmen, damit die Produkte nur in Verkehr gebracht und/oder in Betrieb genommen werden dürfen, wenn sie bei sachgemäßer Lieferung, Installation, Instandhaltung und ihrer Zweckbestimmung entsprechender Verwendung die Anforderungen der Richtlinie erfüllen.

5.        Nach Art. 3 der Richtlinie 93/42 müssen Medizinprodukte die grundlegenden Anforderungen gemäß Anhang I erfüllen, die auf sie unter Berücksichtigung ihrer Zweckbestimmung anwendbar sind.

6.        Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 93/42 erlegt den Mitgliedstaaten Verpflichtungen im Hinblick auf mit der CE‑Kennzeichnung versehene Medizinprodukte auf, die die Gesundheit und/oder die Sicherheit der Anwender gefährden können, auch wenn sie sachgemäß installiert, instand gehalten und ihrer Zweckbestimmung entsprechend verwendet werden. Die Mitgliedstaaten haben alle geeigneten vorläufigen Maßnahmen zu treffen, um diese Produkte vom Markt zurückzuziehen oder ihr Inverkehrbringen oder ihre Inbetriebnahme zu verbieten oder einzuschränken, und haben der Europäischen Kommission unverzüglich diese Maßnahmen mitzuteilen und die Gründe für ihre Entscheidung zu nennen.

7.        Nach Art. 9 der Richtlinie 93/42 werden Medizinprodukte in die Klassen I, IIa, IIb und III eingestuft.

8.        Nach Art. 10 der Richtlinie 93/42 treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit die Angaben, die ihnen u. a. über Funktionsstörungen oder jede Änderung der Merkmale und/oder der Leistung von Medizinprodukten der Klassen I, IIa, IIb oder III zur Kenntnis gebracht werden, zentral erfasst und bewertet werden, und unterrichten die Kommission und die anderen Mitgliedstaaten unverzüglich darüber.

9.        Art. 11 („Konformitätsbewertung“) der Richtlinie 93/42 sieht für Medizinprodukte der Klasse III vor, dass ein Hersteller, damit die CE‑Kennzeichnung angebracht werden kann, nach seiner Wahl eines der beiden folgenden Verfahren einhalten kann:

a)      das Verfahren der EG-Konformitätserklärung (vollständiges Qualitätssicherungssystem) gemäß Anhang II;

b)      oder das Verfahren der EG-Baumusterprüfung gemäß Anhang III in Verbindung mit

i)      dem Verfahren der EG-Prüfung gemäß Anhang IV

oder

ii)      dem Verfahren der EG-Konformitätserklärung (Qualitätssicherung Produktion) gemäß Anhang V.

10.      Nach Art. 16 („Benannte Stellen“) Abs. 6 der Richtlinie 93/42 setzt eine benannte Stelle, u. a. wenn sie feststellt, dass einschlägige Anforderungen der Richtlinie vom Hersteller nicht erfüllt wurden oder nicht länger erfüllt werden, – unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – die ausgestellte Bescheinigung aus oder widerruft sie oder erlegt Beschränkungen auf, es sei denn, dass der Hersteller durch geeignete Abhilfemaßnahmen die Übereinstimmung mit diesen Anforderungen gewährleistet. Die benannte Stelle unterrichtet die zuständige Behörde, falls die Bescheinigung ausgesetzt oder widerrufen wird oder Beschränkungen auferlegt werden oder sich ein Eingreifen der zuständigen Behörde als erforderlich erweisen könnte. Der Mitgliedstaat unterrichtet die übrigen Mitgliedstaaten und die Kommission.

11.      Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 93/42 sieht insbesondere vor, dass Medizinprodukte, von deren Übereinstimmung mit den grundlegenden Anforderungen gemäß Art. 3 auszugehen ist, bei ihrem Inverkehrbringen mit einer CE‑Kennzeichnung versehen sein müssen.

12.      In Anhang II („EG-Konformitätserklärung [Vollständiges Qualitätssicherungssystem]“) der Richtlinie 93/42 ist, soweit für den Fall des Ausgangsverfahrens relevant, vorgesehen, dass

–        der Hersteller sicherstellt, dass das genehmigte Qualitätssicherungssystem für die Auslegung, die Fertigung und die Endkontrolle der betreffenden Produkte angewandt wird und der förmlichen Überprüfung (Audit) und Überwachung unterliegt (Abschnitt 1);

–        ein Hersteller, der den Verpflichtungen nach Abschnitt 1 nachkommt, für die betreffenden Produkte eine schriftliche Konformitätserklärung ausstellt und aufbewahrt und nach Art. 17 die CE‑Kennzeichnung anbringt (Abschnitt 2);

–        der Hersteller einen Antrag auf Bewertung seines Qualitätssicherungssystems bei einer benannten Stelle einreicht, die seine Zusicherung enthält, i) die Verpflichtungen, die sich aus dem genehmigten Qualitätssicherungssystem ergeben, zu erfüllen, ii) dieses System so zu unterhalten, dass dessen Eignung und Wirksamkeit gewährleistet bleiben, und iii) Erfahrungen mit Produkten in den der Herstellung nachgelagerten Phasen auszuwerten und Vorkehrungen zu treffen, um erforderliche Korrekturen durchzuführen (Abschnitt 3.1);

–        mit Hilfe des Qualitätssicherungssystems die Übereinstimmung der Produkte mit den einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie auf allen Stufen von der Auslegung bis zur Endkontrolle sichergestellt werden muss und dass das Qualitätssicherungssystem eine angemessene Beschreibung folgender Punkte umfassen muss: i) Mittel zur Überprüfung der Wirksamkeit des Qualitätssicherungssystems, insbesondere der Eignung zur Sicherstellung der angestrebten Auslegungs- und Produktqualität, einschließlich der Kontrolle über nicht konforme Produkte, und ii) Verfahren zur Steuerung und Kontrolle der Produktauslegung (Abschnitt 3.2);

–        die benannte Stelle eine förmliche Überprüfung (Audit) des Qualitätssicherungssystems durchführt, um festzustellen, ob es den Anforderungen nach Abschnitt 3.2 entspricht, und dass dieses Verfahren eine Besichtigung der Betriebsstätten des Herstellers einschließen muss (Abschnitt 3.3);

–        der Hersteller bei der benannten Stelle einen Antrag auf Prüfung der Auslegungsdokumentation zu dem Produkt stellt, woraufhin, falls die Auslegung den einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie entspricht, die benannte Stelle eine EG-Auslegungsprüfbescheinigung ausstellt (Abschnitt 4);

–        „[m]it der Überwachung … sichergestellt werden [soll], dass der Hersteller die Verpflichtungen, die sich aus dem genehmigten Qualitätssicherungssystem ergeben, ordnungsgemäß einhält“ (Abschnitt 5.1), und dass insoweit der Hersteller der benannten Stelle die Durchführung aller erforderlichen Inspektionen gestattet und ihr alle erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stellt, insbesondere i) die Dokumentation über das Qualitätssicherungssystem, ii) die Daten, die in dem die Auslegung betreffenden Teil des Qualitätssicherungssystems vorgesehen sind, und iii) die Daten, die in dem die Herstellung betreffenden Teil des Qualitätssicherungssystems vorgesehen sind (Abschnitt 5.2);

–        die benannte Stelle als Bestandteil des Überwachungsverfahrens regelmäßig die erforderlichen Inspektionen und Bewertungen durchführt, um sich davon zu überzeugen, dass der Hersteller das genehmigte Qualitätssicherungssystem anwendet, und dem Hersteller einen Bewertungsbericht übermittelt (Abschnitt 5.3);

–        die benannte Stelle darüber hinaus unangemeldete Besichtigungen beim Hersteller durchführen kann und dass sie dabei erforderlichenfalls Prüfungen zur Kontrolle des ordnungsgemäßen Funktionierens des Qualitätssicherungssystems durchführen oder durchführen lassen kann (Abschnitt 5.4).

13.      Anhang XI der Richtlinie 93/42 legt eine Reihe von Mindestkriterien für die Beauftragung der zu benennenden Stellen fest. Er sieht insbesondere vor, dass ihre Unabhängigkeit zu gewährleisten ist (Abschnitt 5). Abschnitt 6 bestimmt:

„Die Stelle muss eine Haftpflichtversicherung abschließen, es sei denn, diese Haftpflicht wird vom Staat aufgrund nationalen Rechts gedeckt oder die Prüfungen werden unmittelbar von dem Mitgliedstaat durchgeführt.

…“

 Richtlinie 2003/12

14.      Nach Art. 1 der Richtlinie 2003/12(4) wurden, „um bei Brustimplantaten ein höchstmögliches Sicherheitsniveau zu gewährleisten“(5), diese Implantate als Medizinprodukte der Klasse III eingestuft. Diese Richtlinie trat mit Wirkung ab 1. September 2003 in Kraft. Brustimplantate, die vor diesem Zeitpunkt in Verkehr gebracht wurden, waren vor dem 1. März 2004 als Medizinprodukte der Klasse III erneut einem Konformitätsbewertungsverfahren zu unterziehen(6).

 Nationales Recht

15.      Die Richtlinie 93/42 wurde durch das Gesetz über Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz – MPG) in Verbindung mit der Verordnung über Medizinprodukte (Medizinprodukteverordnung – MPV) in deutsches Recht umgesetzt.

16.      Nach § 6 Abs. 2 MPG dürfen Medizinprodukte der Klasse III in Deutschland nur in den Verkehr gebracht werden, wenn u. a. ein Konformitätsbewertungsverfahren nach § 37 Abs. 1 MPG und § 7 Abs. 1 Nr. 1 MPV in Verbindung mit Anhang II der Richtlinie 93/42 durchgeführt worden ist.

17.      Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (im Folgenden: BGB), insbesondere §§ 157 und 242 in der Auslegung durch die nationale Rechtsprechung, kann ein Dritter unter bestimmten Umständen in die aus einem Vertrag folgenden Sorgfalts- und Schutzpflichten einbezogen werden. Nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den oben in Nr. 16 genannten Bestimmungen kann aufgrund Verstoßes gegen ein Schutzgesetz eine deliktische Haftung entstehen.

 Sachverhalt, Verfahren und Vorabentscheidungsfragen

18.      Die Klägerin, Frau Elisabeth Schmitt, ließ sich am 1. Dezember 2008 in Deutschland Silikonbrustimplantate einsetzen, die von einem in Frankreich ansässigen Unternehmen, das zwischenzeitlich in Insolvenz gefallen ist, hergestellt worden waren(7).

19.      Die Beklagte, die TÜV Rheinland LGA Products GmbH (im Folgenden: TÜV Rheinland), war während des gesamten maßgebenden Zeitraums die vom Herstellerunternehmen beauftragte benannte Stelle im Sinne der Richtlinie 93/42. Es ist unstreitig, dass die Beklagte vor dem 1. Dezember 2008 im Rahmen ihrer Pflichten aus dem Vertrag mit dem Herstellerunternehmen jeweils angekündigte Besichtigungen in dessen Betriebsstätten im November 1998, Januar 2000, November 2000, Februar 2001, Dezember 2001, November 2003, November 2004 und März 2006 durchführte. Die Beklagte nahm keine Einsicht in die Geschäftsunterlagen und ordnete keine Produktprüfung an; sie führte auch keine unangemeldeten Besichtigungen durch.

20.      2010 stellte die zuständige französische Behörde fest, dass bei der Herstellung der Brustimplantate entgegen dem geltenden Qualitätsstandard minderwertiges Industriesilikon verwendet wurde. Auf ärztlichen Ratschlag ließ sich die Klägerin daraufhin 2012 ihre Implantate entfernen. Sie hat vor den deutschen Gerichten Klage erhoben, mit der sie ein Schmerzensgeld von 40 000 Euro von der Beklagten sowie die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftig entstehende materielle Schäden begehrt. Sie trägt vor, die Beklagte hätte durch eine Einsicht in im Besitz des Herstellerunternehmens befindliche Lieferscheine und Rechnungen erkennen können, dass nicht das genehmigte (medizinische) Silikon verarbeitet worden sei.

21.      Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Frau Schmitt hat nun Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt, mit der sie ihr Klagebegehren weiterverfolgt.

22.      Der Bundesgerichtshof hat Zweifel hinsichtlich der Auslegung des Unionsrechts im Hinblick auf die Entscheidung über den Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens. Daher hat er dem Gerichtshof nach Art. 267 AEUV folgende Fragen vorgelegt:

1.      Ist es Zweck und Intention der Richtlinie 93/42, dass die mit dem Audit des Qualitätssicherungssystems, der Prüfung der Produktauslegung und der Überwachung beauftragte benannte Stelle bei Medizinprodukten der Klasse III zum Schutz aller potenziellen Patienten tätig wird und deshalb bei schuldhafter Pflichtverletzung den betroffenen Patienten unmittelbar und uneingeschränkt haften kann?

2.      Ergibt sich aus Anhang II Abschnitte 3.3, 4.3, 5.3 und 5.4 der Richtlinie 93/42, dass der mit dem Audit des Qualitätssicherungssystems, der Prüfung der Produktauslegung und der Überwachung beauftragten benannten Stelle bei Medizinprodukten der Klasse III eine generelle oder zumindest anlassbezogene Produktprüfungspflicht obliegt?

3.      Ergibt sich aus den genannten Abschnitten des Anhangs II der Richtlinie 93/42, dass der mit dem Audit des Qualitätssicherungssystems, der Prüfung der Produktauslegung und der Überwachung beauftragten benannten Stelle bei Medizinprodukten der Klasse III eine generelle oder zumindest anlassbezogene Pflicht obliegt, Geschäftsunterlagen des Herstellers zu sichten und/oder unangemeldete Inspektionen durchzuführen?

23.      Schriftliche Erklärungen sind von Frau Schmitt, TÜV Rheinland, der französischen und der deutschen Regierung, Irland und der Kommission eingereicht worden. In der mündlichen Verhandlung vom 26. Mai 2016 haben Frau Schmitt, TÜV Rheinland, die deutsche Regierung, Irland und die Kommission mündliche Ausführungen gemacht.

 Würdigung

 Vorbemerkungen

 Neue Konzeption

24.      Die Neue Konzeption geht in ihren Ursprüngen auf das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Cassis de Dijon(8) zurück. Mit der Entscheidung, dass die Mitgliedstaaten ein Verbot oder eine Beschränkung der Vermarktung von Produkten aus anderen Mitgliedstaaten nur damit rechtfertigen konnten, dass diese mit in diesem Urteil als „zwingende Erfordernisse“(9) (und in den späteren Rechtsvorschriften als „grundlegende Anforderungen“) bezeichneten Anforderungen nicht übereinstimmten, hat der Gerichtshof die Tür für Überlegungen geöffnet, wie Waren innerhalb der Europäischen Gemeinschaft unter vollständiger Wahrung der Regelungen über den freien Warenverkehr und zugleich im Einklang mit den Erfordernissen der Produktsicherheit am besten vermarktet werden könnten. Das erste Ergebnis war die Entschließung des Rates vom 7. Mai 1985 über eine neue Konzeption auf dem Gebiet der technischen Harmonisierung und der Normung(10). Diese Entschließung sah vor, dass die Harmonisierung der Rechtsvorschriften an die grundlegenden Anforderungen anknüpfen sollte, denen Produkte, die auf dem Gemeinschaftsmarkt vermarktet werden sollen, genügen müssen, damit sie sich innerhalb der Mitgliedstaaten im freien Verkehr befinden dürfen. Hierzu mussten technische Spezifikationen für die betreffenden Produkte aufgestellt werden, die in harmonisierten Normen festgelegt werden sollten, die neben den Rechtsvorschriften angewendet werden konnten. Für die im Einklang mit diesen Normen hergestellten Produkte sollte eine Vermutung der Konformität mit den grundlegenden Anforderungen gelten.

25.      Damit dieses System funktionieren und Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten hergestellt werden konnte, mussten die betreffenden harmonisierten Normen ein garantiertes Schutzniveau bieten. Hierzu musste eine angemessene Konformitätsbewertungspolitik entwickelt werden. Diese bestand aus mehreren Modulen, die dem Gesetzgeber je nach Art des betreffenden Produkts und den mit ihm verbundenen Gefahren zur Auswahl standen. Bestand in Verbindung mit dem betreffenden Produkt ein hohes Risiko, umfasste das Modul als wesentliches Element die Beteiligung einer als „benannte Stelle“ bezeichneten unabhängigen Einrichtung, die u. a. zur Bewertung der Konformität des Produkts mit den rechtlichen Anforderungen verpflichtet war. Diese Module wurden erstmals im Beschluss 90/683(11) dargestellt, der später durch den Beschluss 93/465(12) aktualisiert und ersetzt wurde. Die Bestimmungen des Moduls H („Umfassende Qualitätssicherung“), das in den Anhängen jedes dieser Beschlüsse aufgeführt ist, sind denen des Anhangs II der Richtlinie 93/42(13) sehr ähnlich.

26.      Der Gerichtshof hat festgestellt, dass die Richtlinie 93/42 den freien Verkehr mit Medizinprodukten und den Schutz der Gesundheit der Patienten miteinander in Einklang bringen muss(14). Er hat ferner festgestellt, dass die Richtlinie nicht nur auf den Schutz der Gesundheit im engeren Sinne, sondern auch auf die Sicherheit von Personen gerichtet ist(15).

 Anwendbarkeit der Richtlinie 93/42 auf den Fall des Ausgangsverfahrens

27.      Das vorlegende Gericht ersucht um Hinweise zur Auslegung der Richtlinie 93/42 im Fall des Ausgangsverfahrens, insbesondere im Hinblick auf eine mögliche Haftung von TÜV Rheinland gegenüber Frau Schmitt. Das Gericht gibt keine Hinweise zum genauen rechtlichen Status dieser Einrichtung, doch scheint es klar zu sein, dass TÜV Rheinland an sich kein staatliches Organ und keine staatliche Einrichtung ist(16). Demnach scheidet eine unmittelbare Durchsetzbarkeit der Bestimmungen dieser Richtlinie gegen TÜV Rheinland aus, da das Verhältnis zwischen dieser Einrichtung und Frau Schmitt ein „horizontales“(17) und kein „vertikales“(18) ist. Wie das Gericht in seinem Vorlagebeschluss zu Recht ausführt, kann der Gerichtshof dem vorlegenden Gericht jedoch Hinweise zur richtigen Auslegung der Richtlinie 93/42 im Licht ihres Wortlauts und Zwecks geben, um dem vorlegenden Gericht damit so weit wie möglich eine unionsrechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts zu ermöglichen(19).

 Frage 1

28.      Mit der Frage 1 möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es Zweck und Intention der Richtlinie 93/42 ist, dass eine benannte Stelle, die ihre Aufgaben für Medizinprodukte der Klasse III wahrnimmt, zum Schutz aller potenziellen Patienten tätig wird und dementsprechend bei schuldhafter Nichterfüllung ihrer Pflichten den betroffenen Patienten unmittelbar und uneingeschränkt haften kann. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof festgestellt hat, dass die Richtlinie auch die Sicherheit von Personen bezweckt(20).

29.      Das vorlegende Gericht führt im Vorlagebeschluss aus, dass es für die Entscheidung des Rechtsstreits des Ausgangsverfahrens nach deutschem Recht maßgeblich darauf ankomme, zu welchem Zweck eine benannte Stelle in das Konformitätsbewertungsverfahren nach der Richtlinie 93/42 einbezogen wird. Es erläutert zwar nicht genau, was es mit der Formulierung „unmittelbar und uneingeschränkt haften“ meint, verwendet aber einige Zeit auf die Darstellung der Regelungen des nationalen Rechts, die dazu führen können, dass TÜV Rheinland entweder aus Delikts- oder aus Vertragsrecht einem Dritten wie (im vorliegenden Fall) Frau Schmitt haftet.

30.      Da die Auslegung des nationalen Rechts allein Sache des vorlegenden Gerichts ist, kann auf Fragen zur genauen Einordnung der Haftung, soweit sie sich im innerstaatlichen Kontext stellen mögen, in den vorliegenden Schlussanträgen nicht eingegangen werden. Es steht dem Gerichtshof jedoch frei, Hinweise dazu zu geben, unter welchen Umständen die Richtlinie 93/42 eine Haftung der benannten Stelle beabsichtigen könnte; darauf werde ich mich im Folgenden konzentrieren.

31.      Zur Begründung der Ansicht, dass eine benannte Stelle im vorliegenden Fall keine Haftung treffen könne, hat TÜV Rheinland die Haftung des Herstellers für die betreffenden Produkte hervorgehoben, unter Berufung nicht nur auf den Wortlaut der Richtlinie 93/42, sondern auch auf die Systematik und allgemeine Zielsetzung der Richtlinie 85/374 über die Haftung für fehlerhafte Produkte(21).

32.      Nach dem zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 85/374 kann das Problem einer gerechten Zuweisung der mit der modernen technischen Produktion verbundenen Risiken nur bei einer verschuldensunabhängigen Haftung des Herstellers in sachgerechter Weise gelöst werden. Zu diesem Zweck weist Art. 1 dem Hersteller die Haftung für den Schaden zu, der durch ein fehlerhaftes Produkt verursacht worden ist. Nach Art. 3 Abs. 1 wird „Hersteller“ in den meisten Fällen derjenige sein, der das Produkt herstellt. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass Bestrebungen nach nationalem Recht, die Haftung auf Lieferanten eines Produkts auszuweiten, prima facie gegen das Ziel der Richtlinie verstoßen, für die darin geregelten Punkte eine vollständige Harmonisierung zu erreichen(22). Zugleich hat er jedoch festgestellt, dass der Anwendungsbereich der Richtlinie und somit der mit ihr angestrebten vollständigen Harmonisierung auf den Bereich der verschuldensunabhängigen Haftung beschränkt ist. Demzufolge ist die Richtlinie 85/374 dahin zu verstehen, dass sie die Anwendung anderer Regelungen der vertraglichen oder außervertraglichen Haftung nicht ausschließt, sofern diese, wie die Haftung für Verschulden, auf anderen Grundlagen beruhen(23). Da die Frage des Verschuldens im Mittelpunkt des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens steht, führt die Richtlinie 85/374 meines Erachtens nicht weiter.

33.      Um daher auf die Richtlinie 93/42 zurückzukommen, weist diese Richtlinie eindeutig dem Hersteller die primäre Verantwortung für die Konformität des Produkts zu. So ist in Anhang II Abschnitte 1 und 2 vorgesehen, dass der Hersteller sicherstellt, dass das genehmigte Qualitätssicherungssystem für die Auslegung, die Fertigung und die Endkontrolle der betreffenden Produkte angewandt wird, und eine schriftliche Konformitätserklärung ausstellt.

34.      Diese Richtlinie beschränkt die Verpflichtungen bezüglich Produktsicherheit jedoch eindeutig nicht allein auf den Hersteller. Sie sieht auch für die Mitgliedstaaten eine Reihe von Verpflichtungen vor. Insbesondere i) sind die Mitgliedstaaten nach Art. 2 verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die Produkte nur in Verkehr gebracht und/oder in Betrieb genommen werden dürfen, wenn sie die Anforderungen der Richtlinie erfüllen, ii) sieht Art. 8 Abs. 1 vor, dass die Mitgliedstaaten vorläufige Maßnahmen treffen, u. a. um Produkte, die die Gesundheit und/oder die Sicherheit der Anwender gefährden können, vom Markt zurückzuziehen, und der Kommission diese Maßnahmen mitteilen, und iii) legt Art. 10 bestimmte Verpflichtungen zur Erfassung und Bewertung von Angaben, die den Mitgliedstaaten zur Kenntnis gebracht werden, sowie eine gegebenenfalls damit einhergehende Verpflichtung zur Unterrichtung der Kommission fest. Erhält Letztere eine Mitteilung nach Art. 8 Abs. 1, ist sie nach Art. 8 Abs. 2 verpflichtet, die Betroffenen so bald wie möglich zu konsultieren; stellt sie fest, dass die von dem Mitgliedstaat getroffenen Maßnahmen gerechtfertigt sind, muss sie unverzüglich die weiteren, im ersten Gedankenstrich aufgeführten Schritte ergreifen.

35.      Die Richtlinie schweigt, was die Haftung der benannten Stellen angeht; allerdings verdeutlicht die Verpflichtung zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung nach Anhang XI Abschnitt 6, dass von einer Haftung für irgendetwas ausgegangen wird. Können die benannten Stellen bei schuldhafter Nichterfüllung ihrer Pflichten den Anwendern dieser Produkte gegenüber haften?

36.      Wenn eine solche Haftung gegeben ist, könnten ihre Parameter einer eingehenden Definition bedürfen.

37.      Die deutsche Regierung verweist für ihre Ansicht, dass benannte Stellen – jedenfalls gegenüber Anwendern in der Situation von Frau Schmitt – keine Haftung treffen könne, auf das Urteil Yonemoto des Gerichtshofs(24). In jener Rechtssache war der Gerichtshof mit der Prüfung der Haftung eines Importeurs befasst, der eine mit der CE‑Kennzeichnung versehene, in einem Mitgliedstaat hergestellte Maschine in einen anderen Mitgliedstaat einführte. Die Struktur der anwendbaren Rechtsvorschriften des Unionsrechts(25) war mit der der Richtlinie 93/42 zwar nicht identisch, ihr aber ähnlich. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass nationale Vorschriften, wonach ein Importeur in dieser Situation dafür zu sorgen hat, dass die Maschine den in dieser Richtlinie festgelegten grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen genügt, unzulässig waren, weil es der Systematik der Regelung widersprechen würde, die Zahl der Personen zu vervielfachen, die für die Konformität von Maschinen verantwortlich sein können. Er hat jedoch ebenso festgestellt, dass die Richtlinie es zulasse, einem solchen Importeur bestimmte Verpflichtungen aufzuerlegen. Folglich können die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats einen Importeur wirksam verpflichten, Verpflichtungen nach nationalem Recht mit gleicher Wirkung nachzukommen(26). Der Gerichtshof hat mit anderen Worten festgestellt, dass nationale Rechtsvorschriften, die einem anderen Beteiligten als dem Hersteller eine Art von pauschaler Haftung auferlegen, nicht akzeptabel sind, dass solche Rechtsvorschriften dagegen aber eine Haftung auferlegen können, die sich auf in den Rechtsvorschriften geregelte präzise Verpflichtungen beschränkt.

38.      Ich vermag somit nicht zu erkennen, dass sich die Ansicht der deutschen Regierung auf dieses Urteil stützen lässt(27); vielmehr wird darin aus meiner Sicht, zumindest zum Teil, das Gegenteil festgestellt. Wenn ein Mitgliedstaat befugt ist, im Bereich seiner Verpflichtungen nach einer Richtlinie der Neuen Konzeption einem Importeur, der Einfuhren aus einem Mitgliedstaat in einen anderen vornimmt – und somit einem Beteiligten mit einer vergleichsweise geringfügigen Rolle –, Verpflichtungen aufzuerlegen, muss er dazu erst recht gegenüber einer benannten Stelle befugt sein. Dann stellt sich die Frage, welches die Konsequenzen für Dritte sein können, denen ein Schaden entstanden ist oder die gesundheitlich geschädigt wurden, weil gegen diese Verpflichtungen verstoßen wurde. Der Gerichtshof hat im Urteil Yonemoto (C‑40/04, EU:C:2005:519) weiter festgestellt, dass die Richtlinie den Mitgliedstaaten keine präzise Verpflichtung in Bezug auf die straf‑ und zivilrechtliche Sanktionsregelung auferlegt, die das nationale Recht vorsehen kann. Er hat jedoch darauf hingewiesen, dass daraus nicht geschlossen werden kann, dass nationale Bestimmungen, die eine Haftung für Verstöße gegen die Rechtsvorschriften zur Durchführung der Richtlinie auferlegen, mit der Richtlinie unvereinbar wären. Solche Bestimmungen sind vielmehr zulässig, sofern die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität gewahrt sind(28). Da die Fragen des nationalen Gerichts in jener Rechtssache die Frage der strafrechtlichen Haftung betrafen, hat der Gerichtshof diesen Punkt in den Mittelpunkt seiner Antworten gestellt. Diese Grundsätze sind jedoch eindeutig auch auf zivilrechtliche Rechtsbehelfe in Bezug auf Verstöße gegen aus dem Unionsrecht erwachsende Verpflichtungen anwendbar(29).

39.      Angesichts der zentralen Rolle, die die benannten Stellen in dem Verfahren spielen, das zum Inverkehrbringen von Medizinprodukten im Sinne der Richtlinie 93/42 führt, und im Hinblick insbesondere auf den hochgradigen Schutz für Patienten und Anwender, den diese Richtlinie bieten soll(30), und die mit den Produkten, für die sie ihre Prüfung durchzuführen haben, verbundenen Gefahren erscheint mir völlig angemessen, dass diese Stellen gegenüber den Patienten und Anwendern grundsätzlich eine Haftung nach nationalem Recht für eine schuldhafte Nichterfüllung ihrer danach bestehenden Verpflichtungen treffen können soll, solange die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität gewahrt bleiben. Hierüber zu entscheiden, wird Sache des nationalen Gerichts sein.

40.      Ich komme daher zu dem Ergebnis, dass die Frage 1 dahin beantwortet werden sollte, dass es Zweck und Intention der Richtlinie 93/42 ist, dass die mit dem Audit des Qualitätssicherungssystems, der Prüfung der Produktauslegung und der Überwachung beauftragte benannte Stelle bei Medizinprodukten der Klasse III zum Schutz aller potenziellen Patienten tätig wird und deshalb bei schuldhafter Verletzung einer Pflicht aus dieser Richtlinie den betroffenen Patienten und Anwendern haften kann, sofern die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität gewahrt sind. Über den letzten dieser Aspekte zu entscheiden, wird Sache des nationalen Gerichts sein.

 Fragen 2 und 3

41.      Mit den Fragen 2 und 3, die zusammen zu prüfen sind, ersucht das nationale Gericht um eine Klarstellung der Pflichten einer im Kontext des Anhangs II der Richtlinie 93/42 tätig werdenden benannten Stelle im Hinblick auf i) die Produktprüfung und ii) die Sichtung von Geschäftsunterlagen des Herstellers und/oder die Durchführung unangemeldeter Inspektionen.

42.      Diese Pflichten können entweder allgemeiner Art sein, d. h., dass eine Verpflichtung zu einer regelmäßigen und anlassunabhängigen Durchführung besteht, oder sie können besonderer Art sein, d. h., dass die benannte Stelle zur Vornahme nur verpflichtet ist, wenn es einen Grund dafür gibt.

43.      Ich komme zunächst auf die erstgenannte und danach auf die letztgenannte Alternative zu sprechen.

 Vorbemerkungen

44.      Zuvor möchte ich jedoch noch drei Bemerkungen voranstellen. Erstens müssen benannte Stellen strenge Anforderungen nicht nur an ihre Unabhängigkeit, sondern auch an ihre Fachkenntnis erfüllen. Dies belegt u. a. Anhang XI Abschnitt 2 der Richtlinie 93/42, wonach diese Stellen mit „höchster beruflicher Zuverlässigkeit und größter erforderlicher Sachkenntnis auf dem Gebiet der Medizinprodukte“ tätig werden müssen. Es würde dieser Anforderung völlig zuwiderlaufen, wenn der Gerichtshof unnötig präskriptive Anforderungen an die Art und Weise ihrer Tätigkeit festlegen würde. Es muss ihnen insoweit ein angemessener Ermessensspielraum zuerkannt werden.

45.      Zweitens ist die Rolle der benannten Stellen in erster Linie eine wissenschaftliche. Sie werden an den in der Richtlinie 93/42 geregelten Verfahren aus Gründen der Produktsicherheit beteiligt. Sie sind keinesfalls Vollstreckungsorgane und sollten nicht so behandelt werden, als hätten sie mit einem solchen Amt einhergehende Pflichten.

46.      Drittens bedeutet, wie ich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Medipac-Kazantzidis festgestellt habe, die CE‑Kennzeichnung nicht, dass Medizinprodukte stets fehlerfrei wären(31). Das Ziel, das die Richtlinie 93/42 anstrebt, ist ein hochgradiger Schutz, kein absoluter(32). Die Pflichten der benannten Stellen sind in diesem Kontext zu sehen.

 Allgemeine Verpflichtungen der benannten Stelle

47.      Anhang II der Richtlinie 93/42 unterteilt die Pflichten einer benannten Stelle in drei Kategorien. Die erste umfasst die Verpflichtungen in Bezug auf das Audit des Qualitätssicherungssystems des Herstellers nach Abschnitt 3.3. Dieses Audit soll sicherstellen, dass das betreffende System den dem Hersteller auferlegten Anforderungen nach Abschnitt 3.2 entspricht. Auch wenn eine solche Prüfung sich ihrer Natur nach im Wesentlichen auf Unterlagen und verfahrenstechnische Aspekte stützen muss, ist darauf hinzuweisen, dass die benannte Stelle als Bestandteil dieses Verfahrens auch eine Besichtigung der Betriebsstätten des Herstellers durchführen muss. Angesichts des vorbereitenden Stadiums, in dem diese Pflichten wahrzunehmen sind, kann die benannte Stelle aber keiner allgemeinen Verpflichtung unterliegen, in diesem Kontext einzelne Produkte zu inspizieren, die Geschäftsunterlagen des Herstellers zu sichten oder unangemeldete Inspektionen durchzuführen.

48.      Nach Anhang II Abschnitt 4.3 muss die benannte Stelle die Auslegungsdokumentation des Herstellers für Produkte, deren Herstellung bevorsteht, prüfen. Ist die Stelle der Ansicht, dass das Produkt den notwendigen Bestimmungen der Richtlinie entspricht, muss sie eine EG-Auslegungsprüfbescheinigung ausstellen. Diese Verpflichtungen entstehen wiederum in einem vorbereitenden Stadium, so dass die benannte Stelle daher keiner allgemeinen Verpflichtung unterliegen kann, die oben in Nr. 47 genannten Aufgaben durchzuführen.

49.      Schließlich sieht Anhang II Abschnitt 5 für benannte Stellen eine Reihe von Verpflichtungen in der Kategorie „Überwachung“ vor(33), mit denen nach Abschnitt 5.1 „sichergestellt werden [soll], dass der Hersteller die Verpflichtungen, die sich aus dem genehmigten Qualitätssicherungssystem ergeben, ordnungsgemäß einhält“. Nach Abschnitt 5.3 muss die benannte Stelle regelmäßig die erforderlichen Inspektionen und Bewertungen durchführen, um sich davon zu überzeugen, dass der Hersteller das genehmigte Qualitätssicherungssystem anwendet. Ergänzt wird dies durch Abschnitt 5.4, wonach diese Stelle darüber hinaus unangemeldete Besichtigungen beim Hersteller durchführen kann. Im Rahmen dieser Überwachung durch die benannte Stelle ist der Hersteller nach Abschnitt 5.2 verpflichtet, dieser Stelle die Durchführung aller erforderlichen Inspektionen zu gestatten und ihr alle erforderlichen Unterlagen, insbesondere die Dokumentation über das Qualitätssicherungssystem und bestimmte, in diesem System vorgesehene Daten, zur Verfügung zu stellen. Führt diese Stelle eine unangemeldete Besichtigung durch, kann sie nach Abschnitt 5.4 erforderlichenfalls Prüfungen zur Kontrolle des ordnungsgemäßen Funktionierens des Qualitätssicherungssystems durchführen oder durchführen lassen.

50.      Der Frage, ob eine allgemeine Verpflichtung zur Prüfung von Produkten, zur Sichtung von Geschäftsunterlagen des Herstellers oder zur Durchführung unangemeldeter Inspektionen besteht, kann eindeutig nach diesem Abschnitt des Anhangs II erheblich größere Bedeutung zukommen als in Bezug auf die Abschnitte 3 oder 4.

51.      Es ist jedoch wichtig, den Kontext zu berücksichtigen, in dem eine benannte Stelle ihre Pflichten wahrnimmt. Den kooperativen Aspekt des Verhältnisses zwischen der benannten Stelle und dem Hersteller zu betonen, wie TÜV Rheinland dies in ihrer Stellungnahme tut, ist meines Erachtens zu einfach. Dies lässt die Verpflichtungen in Bezug auf Unabhängigkeit und Überwachung (einschließlich der Nachforschungsbefugnisse) außer Acht, die die Richtlinie 93/42 festschreibt. Andererseits darf meines Erachtens regelmäßig wohl davon ausgegangen werden, dass ein Hersteller im Einklang mit seinem genehmigten Qualitätssicherungssystem tätig ist und Produkte herstellt, die der Produktauslegung entsprechen, und darf daher meines Erachtens eine benannte Stelle von dieser Annahme ausgehen. Sie unterliegt daher keiner allgemeinen Verpflichtung, Produkte zu prüfen, Geschäftsunterlagen des Herstellers zu sichten oder unangemeldete Inspektionen durchzuführen.

 Besondere Verpflichtungen einer benannten Stelle

52.      Wie oben in Nr. 46 erwähnt, stellt das durch das CE‑Kennzeichnungssystem eingeführte System keine Garantie der Fehlerfreiheit dar. Dies ist gerade der Grund dafür, dass eine fortlaufende Marktüberwachung erforderlich ist(34). Auch wenn zweifelsohne eine große Bandbreite möglicher Fälle von Produktfehlern vorstellbar ist, möchte ich hieraus drei zur Erörterung herausgreifen: i) ein Fehler, der von niemandem vorhergesehen und für den kein Beteiligter realistischerweise verantwortlich gemacht werden könnte, ii) ein echtes und völlig ehrliches Versehen seitens des Herstellers, das indes unter Einbeziehung eines Dritten, der über hinreichende Kenntnisse auf wissenschaftlichem Niveau verfügt und mit den betreffenden Verfahren und Vorgängen angemessen vertraut ist, hätte ausgeschlossen werden können, und iii) eine Täuschung oder ein Betrug seitens des Herstellers.

53.      Was die erste dieser Möglichkeiten angeht, ist die benannte Stelle, sobald klar ist, dass der Fehler aufgetreten ist, nach Art. 16 Abs. 6 der Richtlinie 93/42 und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verpflichtet, ihre Bescheinigung auszusetzen oder zu widerrufen oder Beschränkungen aufzuerlegen, bis die Konformität gewährleistet ist oder vom Hersteller geeignete Abhilfemaßnahmen ergriffen worden sind. Die benannte Stelle muss ferner die zuständige nationale Behörde unterrichten, falls die Bescheinigung widerrufen wird oder Beschränkungen auferlegt werden oder sich das Eingreifen dieser Behörde ansonsten als erforderlich erweisen könnte.

54.      Im Hinblick auf die zweite und dritte dieser Möglichkeiten bin ich oben in Nr. 51 zu dem Schluss gekommen, dass eine benannte Stelle keinerlei allgemeine Verpflichtung in Bezug auf die dort genannten Aufgaben hat. Im Rahmen ihrer allgemeinen Sorgfaltspflicht dürfte eine benannte Stelle meines Erachtens jedoch die Pflicht haben, darauf zu achten, dass im konkreten Fall eine dieser Möglichkeiten eintreten kann. Wenn sie daher Kenntnis erlangt, gleich ob aus Informationen, die aus ihren eigenen Inspektionen und Bewertungen oder anderweitig gewonnen werden, ist sie verpflichtet, tätig zu werden. In jedem Fall gilt selbstverständlich Art. 16 Abs. 6.

55.      Mit Blick auf die zweite Möglichkeit ist es wahrscheinlich, dass der Hersteller, da es sich um ein ehrliches Versehen gehandelt hat, der benannten Stelle jedwede Unterstützung leisten wird, die diese benötigt, um die Lage feststellen und alle erforderlichen Maßnahmen zur Behebung der Situation ergreifen zu können.

56.      Soweit eine solche Unterstützung jedoch nicht geleistet wird oder in Fällen einer Täuschung oder eines Betrugs seitens des Herstellers (dritte Möglichkeit), rückt in einen scharfen Fokus, welcher Art die einer benannten Stelle zur Verfügung stehenden Befugnisse genau sind. Insoweit ist, wie auch oben in Nr. 45 erwähnt, im Blick zu behalten, dass benannte Stellen nicht als Vollstreckungsorgan tätig zu werden haben. Ihre Pflicht besteht darin, festzustellen, ob ihre Zertifizierung aufrechterhalten werden kann oder nicht(35).

57.      Angesichts des hohen Risikoprofils der Medizinprodukte der Klasse III, auf die diese Zertifizierung sich bezieht, dürften diese Stellen meines Erachtens verpflichtet sein, in diesem Kontext alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Mit Blick auf ihre wissenschaftliche Fachkenntnis dürfte es meines Erachtens weitestgehend in ihrem Ermessen liegen, wie genau sie tätig werden und welche genauen Maßnahmen sie in einer solchen Situation treffen, solange sie ihren Schutz- und Sorgfaltspflichten jederzeit nachkommen(36). Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die dem Hersteller nach Anhang II Abschnitt 5.2 auferlegten Verpflichtungen, benannten Stellen bestimmte Dokumentationen und Daten zur Verfügung zu stellen(37), exemplarisch und nicht abschließend sind. Die übergeordnete Verpflichtung, die Herstellern durch diese Bestimmung auferlegt wird, ist, der benannten Stelle die Durchführung aller erforderlichen Inspektionen zu gestatten und ihr alle erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Hält eine benannte Stelle es in diesem Zusammenhang für erforderlich, Produkte zu prüfen und/oder Geschäftsunterlagen des Herstellers zu sichten, ist der Hersteller verpflichtet, ihr dies zu gestatten. Zu der Frage, ob eine solche Stelle verpflichtet ist, eine Prüfung in dieser Hinsicht durchzuführen, können vom Gerichtshof keine genauen Leitlinien festgelegt werden. Es wird Sache des nationalen Gerichts sein, dies in einer Einzelfallprüfung zu beurteilen. Die Frage wird sein: Was hätte eine mit der gebotenen Sorgfalt tätige benannte Stelle unter den fraglichen Umständen getan? Dasselbe gilt auch für die Frage, ob die benannte Stelle unangemeldete Inspektionen hätte durchführen müssen(38).

58.      Der guten Ordnung halber ist hinzuzufügen, dass die Fragen des vorlegenden Gerichts sich zwar auf die Rolle der benannten Stellen bei einem Tätigwerden in Bezug auf Medizinprodukte der Klasse III gemäß Anhang II der Richtlinie 93/42 beziehen, dass entsprechende Regeln und Grundsätze jedoch auch gelten, wenn diese Stellen in Bezug auf Produkte der alternativen Verfahren nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie, d. h. gemäß Anhang III in Verbindung entweder mit Anhang IV oder mit Anhang V, tätig werden.

59.      Ich komme daher zu dem Ergebnis, dass die Fragen 2 und 3 dahin beantwortet werden sollten, dass Anhang II der Richtlinie 93/42 dahin auszulegen ist, dass die mit dem Audit des Qualitätssicherungssystems, der Prüfung der Produktauslegung und der Überwachung beauftragte benannte Stelle bei Medizinprodukten der Klasse III zu einem Tätigwerden mit aller gebotenen Sorgfalt verpflichtet ist. Hat sie Kenntnis davon, dass ein Medizinprodukt fehlerhaft sein könnte, muss sie aufgrund dieser Pflicht die ihr nach diesem Anhang zur Verfügung stehenden Befugnisse ausüben, um festzustellen, ob ihre Zertifizierung des betreffenden Produkts aufrechterhalten werden kann. Welcher Art diese Pflicht genau ist und welchen Umfang sie genau hat, ist vom nationalen Gericht im Einzelfall festzustellen.

 Zeitliche Wirkung der Entscheidung des Gerichtshofs

60.      Irland hat für den Fall, dass der Gerichtshof die Fragen des vorlegenden Gerichts bejahen sollte, darum ersucht, die zeitliche Wirkung seiner Entscheidung auf eine Wirkung ex nunc ab dem Tag der Verkündung seines Urteils zu begrenzen. Dies sei im Interesse der Rechtssicherheit erforderlich, andernfalls bestünde insbesondere die Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen. Es ist unschwer zu erkennen, welches Gewicht dieses Argument hat. Es könnte insbesondere sein, dass der Versicherungsschutz einiger, oder möglicherweise aller, betroffenen benannten Stellen nach Anhang XI Abschnitt 6 der Richtlinie 93/42 eine Haftung dieser Art möglicherweise nicht abdeckt. Ich stimme daher damit überein, dass die Wirkungen jedes nun zu erlassenden Urteils, in dem festgestellt wird, dass benannte Stellen wegen Nichterfüllung ihrer Verpflichtungen nach dieser Richtlinie haften können, in der von Irland vorgeschlagenen Weise begrenzt werden sollten. Da die benannten Stellen jedoch keinem finanziellen Risiko ausgesetzt sein werden, soweit für solche Verbindlichkeiten tatsächlich bereits Versicherungsschutz besteht, würde ich diese zeitliche Begrenzung auf die Haftung einer benannten Stelle beschränken, für die noch kein Versicherungsschutz nach Abschnitt 6 dieses Anhangs besteht.

 Ergebnis

61.      Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, die vom Bundesgerichtshof (Deutschland) vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1.      Es ist Zweck und Intention der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte, dass die mit dem Audit des Qualitätssicherungssystems, der Prüfung der Produktauslegung und der Überwachung beauftragte benannte Stelle bei Medizinprodukten der Klasse III zum Schutz aller potenziellen Patienten tätig wird und deshalb bei schuldhafter Verletzung einer Pflicht aus dieser Richtlinie den betroffenen Patienten und Anwendern haften kann, sofern die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität gewahrt sind. Über den letzten dieser Aspekt zu entscheiden, wird Sache des nationalen Gerichts sein.

2.      Anhang II der Richtlinie 93/42 ist dahin auszulegen, dass die mit dem Audit des Qualitätssicherungssystems, der Prüfung der Produktauslegung und der Überwachung beauftragte benannte Stelle bei Medizinprodukten der Klasse III zu einem Tätigwerden mit aller gebotenen Sorgfalt verpflichtet ist. Hat sie Kenntnis davon, dass ein Medizinprodukt fehlerhaft sein könnte, muss sie aufgrund dieser Pflicht die ihr nach diesem Anhang zur Verfügung stehenden Befugnisse ausüben, um festzustellen, ob ihre Zertifizierung des betreffenden Produkts aufrechterhalten werden kann. Welcher Art diese Pflicht genau ist und welchen Umfang sie genau hat, ist vom nationalen Gericht im Einzelfall festzustellen.

3.      Die Richtlinie 93/42 ist nicht dahin auszulegen, dass sie eine Haftung der benannten Stelle gegenüber einem Patienten oder Anwender eines Medizinprodukts vorsieht, soweit diese Haftung vor dem Tag der Verkündung des nun zu erlassenden Urteils eingetreten ist, sofern nicht für diese Haftung bereits ein Versicherungsschutz der betreffenden benannten Stelle besteht.


1 – Originalsprache: Englisch.


2 – Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte (ABl. 1993, L 169, S. 1). Die Richtlinie ist seit ihrem Erlass mehrfach geändert worden. Die für den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens maßgebende Fassung ist diejenige nach Änderung durch die Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. September 2003 zur Anpassung der Bestimmungen über die Ausschüsse zur Unterstützung der Kommission bei der Ausübung von deren Durchführungsbefugnissen, die in Rechtsakten vorgesehen sind, für die das Verfahren des Artikels 251 des EG-Vertrags gilt, an den Beschluss 1999/468/EG des Rates (ABl. 2003, L 284, S. 1). Die Richtlinie 93/42 ist nachfolgend zwar durch die Richtlinie 2007/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 (ABl. 2007, L 247, S. 21) geändert worden, die am 11. Oktober 2007 in Kraft trat, die nach dieser Richtlinie anzuwendenden Vorschriften waren nach Art. 4 jedoch erst mit Wirkung ab 21. März 2010 anzuwenden. Die Richtlinie 93/42 soll selbst durch eine neue Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates für Medizinprodukte ersetzt werden. Vgl. jüngst die Pressemitteilung 283/16 des Rates vom 25. Mai 2016.


3 – Siehe ferner unten, Nrn. 24 ff.


4 – Richtlinie 2003/12/EG der Kommission vom 3. Februar 2003 zur Neuklassifizierung von Brustimplantaten im Rahmen der Richtlinie 93/42 (ABl. 2003, L 28, S. 43).


5 – Dritter Erwägungsgrund.


6 – Art. 2 und Art. 3.


7 – Die in Rede stehenden Brustimplantate wurden von Poly Implant Prothèse (PIP) hergestellt.


8 – Urteil vom 20. Februar 1979, Rewe-Zentral (120/78, EU:C:1979:42). Für eine umfassende Darstellung des Kontexts, in dem die Neue Konzeption verabschiedet wurde, sowie zu ihren grundlegenden Merkmalen und möglichen zukünftigen Reformen vgl. die Bekanntmachung der Kommission vom 5. April 2016, allgemein bekannt als Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016 („Blue Guide“), C(2016) 1958 final.


9 – Vgl. Rn. 8 des Urteils.


10 – ABl. 1985, C 136, S. 1.


11 – Beschluss 90/683/EWG des Rates vom 13. Dezember 1990 über die in den technischen Harmonisierungsrichtlinien zu verwendenden Module für die verschiedenen Phasen der Konformitätsbewertungsverfahren (ABl. 1990, L 380, S. 13).


12 – Beschluss 93/465/EWG des Rates vom 22. Juli 1993 über die in den technischen Harmonisierungsrichtlinien zu verwendenden Module für die verschiedenen Phasen der Konformitätsbewertungsverfahren und die Regeln für die Anbringung und Verwendung der CE‑Konformitätskennzeichnung (ABl. 1993, L 220, S. 23).


13 – Siehe oben, Nr. 12.


14 – Vgl. Urteile vom 14. Juni 2007, Medipac-Kazantzidis (C‑6/05, EU:C:2007:337, Rn. 51 und 52), und vom 22. November 2012, Brain Products (C‑219/11, EU:C:2012:742, Rn. 27 und 28).


15 – Vgl. hierzu Urteil vom 19. November 2009, Nordiska Dental (C‑288/08, EU:C:2009:718, Rn. 29).


16 –      Vgl. zu den hierfür geltenden Kriterien Urteil vom 12. Juli 1990, Foster u. a. (C‑188/89, EU:C:1990:313, insbesondere Rn. 18 und 20). Vgl. auch Rechtssache C‑413/15, Farrell (beim Gerichtshof anhängig), in der der Supreme Court, Ireland (oberster Gerichtshof Irlands), um weitere Klärung bezüglich des genauen Wesens dieser Kriterien und bezüglich der Frage ersucht, ob sie alternativ oder kumulativ sind.


17 – D. h., es handelt sich um ein Verhältnis zwischen Privaten ohne Beteiligung des Staates.


18 – D. h., es handelt sich um ein Verhältnis, in dem die eine Partei ein Privater und die andere der Staat oder eine staatliche Einrichtung ist.


19 – Vgl. hierzu u. a. Urteile vom 13. November 1990, Marleasing (C‑106/89, EU:C:1990:395, Rn. 8), vom 5. Oktober 2004, Pfeiffer u. a. (C‑397/01 bis C‑403/01, EU:C:2004:584, Rn. 115), und vom 4. Juli 2006, Adeneler u. a. (C‑212/04, EU:C:2006:443, Rn. 108 ff.).


20 – Siehe oben, Nr. 26.


21 – Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte (ABl. 1985, L 210, S. 29).


22 – Vgl. z. B. Urteil vom 25. April 2002, Kommission/Frankreich (C‑52/00, EU:C:2002:252, Rn. 24, 40 und 41).


23 – Vgl. u. a. Urteil vom 10. Januar 2006, Skov und Bilka (C‑402/03, EU:C:2006:6, Rn. 46 bis 48). Vgl. auch Mak, V., „The Degree of Harmonisation in the Proposed Consumer Rights Directive: A Review in Light of Liability for Products“, in Modernising and Harmonising Consumer Contract Law, Howells, G., und Schulze, R., Sellier, European Law Publishers, München, 2009, S. 307 ff.


24 – Urteil vom 8. September 2005, Yonemoto (C‑40/04, EU:C:2005:519).


25 – Die Rechtssache betraf die Richtlinie 98/37/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für Maschinen (ABl. 1998, L 207, S. 1). Diese Richtlinie wurde ebenfalls nach der Neuen Konzeption erlassen (vgl. die Erwägungsgründe 9 und 23).


26 – Vgl. Rn. 44, 46 und 48 des Urteils.


27 – Der Vollständigkeit halber führt meines Erachtens auch das Urteil des Gerichtshofs vom 12. Oktober 2004, Paul u. a. (C‑222/02, EU:C:2004:606), nicht weiter, wonach die damals für Einlagensicherungssysteme geltenden Rechtsvorschriften des Unionsrechts zwar u. a. dem Schutz der Einleger dienten, jedoch keine Rechte zugunsten der Einleger für den Fall einer unzureichenden Aufsicht der zuständigen nationalen Behörden schufen (vgl. Rn. 38 und 40). Anwendungsbereich und Inhalt der Rechtsvorschriften sind einfach zu verschieden, um eine sachdienliche Parallele ziehen zu können.


28 – Vgl. Rn. 56 bis 59 des Urteils.


29 – Vgl. u. a. Urteil vom 6. März 2007, Placanica u. a. (C‑338/04, C‑359/04 und C‑360/04, EU:C:2007:133, Rn. 63).


30 – Vgl. hierzu oben, Nr. 26.


31 – Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Medipac-Kazantzidis (C‑6/05, EU:C:2006:724, Nr. 92).


32 – So geht die Richtlinie 85/374 davon aus, dass, wie gut das Niveau der Aufsicht und Kontrolle des Herstellungsprozesses auch sein mögen, gelegentlich fehlerhafte Produkte zum Nachteil der Verbraucher hergestellt und auf den Markt gelangen werden. Vgl. hierzu den siebten Erwägungsgrund, wonach eine gerechte Verteilung der Risiken zwischen dem Geschädigten und dem Hersteller bedingt, dass es dem Hersteller möglich sein muss, sich von der Haftung zu befreien, wenn er den Beweis für „ihn entlastende Umstände“ erbringt.


33 – Die „Marktüberwachung“ ist eine in erster Linie den Mitgliedstaaten übertragene Aufgabe, um sicherzustellen, dass unsichere Produkte oder Produkte, die die geltenden Anforderungen der Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union in anderer Hinsicht nicht erfüllen, ermittelt und vom Markt ferngehalten oder genommen sowie skrupellose (oder sogar kriminelle) Akteure bestraft werden, vgl. die oben in Fn. 8 genannte Bekanntmachung der Kommission C(2016) 1958 final und, z. B. zu den Mitgliedstaaten auferlegten Pflichten, oben, Nr. 34. Zu unterscheiden ist dies von den präziseren Pflichten im Bereich der „Überwachung“, die einer benannten Stelle nach Anhang II Abschnitt 5 der Richtlinie 93/42 auferlegt sind.


34 – Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Medipac-Kazantzidis (C‑6/05, EU:C:2006:724, Nr. 92). Siehe auch oben, Fn. 33.


35 – Siehe Anhang II Abschnitt 4 der Richtlinie 93/42, angeführt oben in Nr. 12.


36 – Siehe oben, Nr. 44.


37 – Siehe oben, Nr. 49.


38 – Das vorlegende Gericht verwendet (in der deutschen Originalfassung) den Ausdruck „unangemeldete Inspektionen“, während in Anhang II Abschnitt 5.4 der Richtlinie 93/42 (in der deutschen Sprachfassung) von „unangemeldeten Besichtigungen“ die Rede ist. Da diese Besichtigungen in nahezu jedem Fall dazu dienen werden, Inspektionen durchzuführen, kommt dieser Wortwahl meines Erachtens keine weitere Bedeutung zu.