Language of document : ECLI:EU:T:2014:1032





Urteil des Gerichts (Achte Kammer) vom 9. Dezember 2014 –Ferriera Valsabbia und Valsabbia Investimenti/Kommission

(Rechtssache T‑92/10)

„Wettbewerb – Kartelle – Markt für Bewehrungsrundstahl in Form von Stäben oder Ringen – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 65 KS nach Auslaufen des EGKS-Vertrags auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 festgestellt wird – Festsetzung von Preisen und Zahlungsfristen – Beschränkung oder Kontrolle der Produktion oder des Absatzes – Ermessensüberschreitung – Verteidigungsrechte – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – Geldbußen – Bestimmung des Ausgangsbetrags – Mildernde Umstände – Dauer des Verwaltungsverfahrens“

1.                     Gerichtliches Verfahren – Klageschrift – Formerfordernisse – Kurze Darstellung der Klagegründe – Terminologie – Pflicht, die Terminologie der Verfahrensordnung zu verwenden – Fehlen (Satzung des Gerichtshofs, Art. 21 Abs. 1 und 53 Abs. 1; Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 44 § 1 Buchst. c) (vgl. Rn. 54)

2.                     Kommission – Kollegialitätsprinzip – Bedeutung – Ohne ihre Anlagen mitgeteilte Entscheidung über die Anwendung der Wettbewerbsregeln – Verstoß gegen das Kollegialitätsprinzip – Fehlen – Im Text der Entscheidung rechtlich hinreichend dargestellte Gesichtspunkte (Art. 219 EG) (vgl. Rn. 59, 60, 80)

3.                     Handlungen der Organe – Wahl der Rechtsgrundlage – Unionsregelung – Gebot der Klarheit und Vorhersehbarkeit – Ausdrückliche Angabe der Rechtsgrundlage – Entscheidung der Kommission, mit der nach Auslaufen des EGKS-Vertrags eine Zuwiderhandlung gegen Art. 65 KS festgestellt und das fragliche Unternehmen sanktioniert wird – Rechtsgrundlage in Form von Art. 7 Abs. 1 und 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 (Art. 65 § 1 KS; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 7 Abs. 1 und 23 Abs. 2) (vgl. Rn. 92, 96)

4.                     Kartelle – Kartelle, die sachlich und zeitlich unter den EGKS-Vertrag fallen – Auslaufen des EGKS-Vertrags – Fortbestand des Systems des freien Wettbewerbs unter dem EG-Vertrag – Aufrechterhaltung einer Kontrolle durch die Kommission im Rahmen der Verordnung Nr. 1/2003 (Art. 65 § 1 KS; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates) (vgl. Rn. 97-112)

5.                     Handlungen der Organe – Zeitliche Geltung – Verfahrensvorschriften – Materiell-rechtliche Vorschriften – Unterscheidung – Auslaufen des EGKS-Vertrags – Nach diesem Auslaufen ergangene Entscheidung über die Anwendung der Wettbewerbsregeln, die einen davor liegenden Sachverhalt betrifft – Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes – Vor dem Auslaufen des EGKS-Vertrags erworbene Rechtspositionen – Geltung der rechtlichen Regelung des EGKS-Vertrags (Art. 65 § 1 KS) (vgl. Rn. 113, 114, 116, 148)

6.                     Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Wahrung der Verteidigungsrechte – Tragweite des Grundsatzes – Nichtigerklärung einer ersten Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Erlass einer neuen Entscheidung auf der Basis einer anderen Rechtsgrundlage und der früheren Vorbereitungshandlungen – Zulässigkeit – Pflicht, die Beschwerdepunkte erneut mitzuteilen – Fehlen – Pflicht, eine neue Anhörung zu organisieren – Fehlen (Art. 65 KS; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 14 Abs. 3 und 27 Abs. 1; Verordnung Nr. 773/2004 der Kommission, Art. 10, 12 Abs. 1 und 14 Abs. 3) (vgl. Rn. 140, 141, 146, 147)

7.                     Kartelle – Verbot – Zuwiderhandlungen – Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen, die eine einheitliche Zuwiderhandlung darstellen – Begriff – Kriterien – Einheitliches Ziel, Gesamtplan, Übereinstimmung des Zwecks und der Personen – Änderung bestimmter Merkmale und der Intensität des Kartells – Keine Auswirkung (Art. 65 § 1 KS; Art. 81 Abs. 1 EG) (vgl. Rn. 155-159, 167, 175)

8.                     Kartelle – Verbot – Zuwiderhandlungen – Beweis – Obliegenheit der Kommission – Durch eine Reihe von Indizien und Koinzidenzen erbrachter Beweis für das Vorliegen und die Dauer einer fortgesetzten wettbewerbswidrigen Verhaltensweise – Fehlen eines Beweises für bestimmte Zeitabschnitte des untersuchten Gesamtzeitraums – Keine Auswirkung (Art. 65 § 1 KS) (vgl. Rn. 191-194)

9.                     Kartelle – Vereinbarungen zwischen Unternehmen – Beeinträchtigung des Wettbewerbs im Sinne von Art. 65 KS – Beurteilungskriterien – Wettbewerbsfeindlichkeit – Hinreichende Feststellung (Art. 65 § 1 KS) (vgl. Rn. 213)

10.                     Kartelle – Teilnahme an Zusammenkünften mit wettbewerbswidrigem Zweck – Umstand, der bei fehlender Distanzierung von den getroffenen Beschlüssen auf die Beteiligung an der daraus resultierenden Absprache schließen lässt – Öffentliche Distanzierung – Enge Auslegung – Veröffentlichung eines EGKS-Tarifs durch ein Unternehmen – Unzureichender Charakter (Art. 65 § 1 KS) (vgl. Rn. 213, 214, 356)

11.                     Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlung – Keine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien (Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nr. 1 Teil A) (vgl. Rn. 227)

12.                     Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Würdigung komplexer wirtschaftlicher Gegebenheiten – Entscheidungsspielraum der Kommission – Gerichtliche Überprüfung – Rechtmäßigkeitskontrolle – Umfang (Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nrn. 1 Teil A und 1 Teil B) (vgl. Rn. 227, 237-239)

13.                     Wettbewerb – Geldbußen – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen – Rechtsnatur – Verhaltensnorm mit Hinweischarakter, die eine Selbstbeschränkung des Ermessens der Kommission impliziert – Pflicht, die Grundsätze der Gleichbehandlung, des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit zu beachten (Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission) (vgl. Rn. 229-231)

14.                     Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlung – Einordnung einer Zuwiderhandlung als sehr schwerwiegend – Vorrangige Rolle des Kriteriums der Art der Zuwiderhandlung – Keine Eigenständigkeit des Kriteriums der Größe des Marktes der fraglichen Produkte – Einordnung einer Zuwiderhandlung als sehr schwerwiegend trotz ihrer Beschränkung auf das Hoheitsgebiet eines einzigen Mitgliedstaats – Zulässigkeit – Pflicht zur Berücksichtigung der konkreten Auswirkungen auf den Markt – Bedeutung – Krise auf dem betreffenden Markt – Keine Auswirkung (Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nr. 1 Teil A) (vgl. Rn. 250-252, 256, 262, 285, 286, 294, 299, 300, 315)

15.                     Wettbewerb – Geldbußen – Rechtlicher Rahmen – Festsetzung – Beachtlichkeit der früheren Entscheidungspraxis der Kommission – Fehlen (Art. 65 KS; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2) (vgl. Rn. 255, 297, 313, 340)

16.                     Gerichtliches Verfahren – Klageschrift – Formerfordernisse – Kurze Darstellung der Klagegründe – Pauschale Verweisung auf andere, der Klageschrift als Anlage beigefügte Schriftstücke – Unzulässigkeit (Satzung des Gerichtshofs, Art. 21 Abs. 1; Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 44 § 1 Buchst. c) (vgl. Rn. 268, 284)

17.                     Kartelle – Verabredete Praktik – Informationsaustausch im Rahmen oder zur Vorbereitung eines Kartells – Berücksichtigung der ausgetauschten Informationen – Vermutung (Art. 65 § 1 KS) (vgl. Rn. 276)

18.                     Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Konkrete Auswirkungen auf den Markt – Beurteilungskriterien – Preisfestsetzung entsprechend den vereinbarten Preisen, die eine Beschränkung des Verhandlungsspielraums der Kunden zur Folge haben (Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission) (vgl. Rn. 285, 286)

19.                     Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Einteilung der betroffenen Unternehmen in Kategorien mit einem spezifischen Ausgangsbetrag – Zulässigkeit – Voraussetzungen – Beachtung der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit – Kriterien (Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nr. 1 Teil A) (vgl. Rn. 319-324, 329, 330)

20.                     Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlung – Berücksichtigung des Gesamtumsatzes des betroffenen Unternehmens – Zulässigkeit – Erheblichkeit des Umsatzes, der mit Erzeugnissen erzielt wurde, die Gegenstand einer einschränkenden Praktik waren – Grenzen – Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (Art. 65 KS; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nr. 1 Teil A) (vgl. Rn. 333-336)

21.                     Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlung – Mildernde Umstände – Passive Mitwirkung oder Mitläufertum des Unternehmens – Beurteilungskriterien (Art. 65 § 1 KS; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2 und 3; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nr. 3) (vgl. Rn. 350)

22.                     Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Mildernde Umstände – Von den kartellinternen Vereinbarungen abweichendes Verhalten, das ein eigenes Wettbewerbsverhalten auf dem Markt beinhaltet – Beurteilung (Art. 65 § 1 KS; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nr. 3) (vgl. Rn. 351, 352, 355-357)

23.                     Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Verpflichtungen der Kommission – Einhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer – Beurteilungskriterien – Verstoß – Voraussetzung – Verletzung der Verteidigungsrechte – Wirkungen, die in der Herabsetzung einer Geldbuße bestehen können (Art. 65 § 1 KS; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 41; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates) (vgl. Rn. 363-366, 373)

Gegenstand

Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung C (2009) 7492 final der Kommission vom 30. September 2009 betreffend einen Verstoß gegen Art. 65 [KS] (Sache COMP/37.956 – Bewehrungsrundstahl, Neuentscheidung) in der durch die Entscheidung C (2009) 9912 final der Kommission vom 8. Dezember 2009 geänderten Fassung, soweit darin ein Verstoß der Klägerin gegen Art. 65 KS festgestellt und ihr eine Geldbuße von 10,25 Mio. Euro auferlegt wird, oder, hilfsweise, auf Herabsetzung dieser Geldbuße

Tenor

1.

Die Klage wird abgewiesen.

2.

Die Ferriera Valsabbia SpA und die Valsabbia Investimenti SpA tragen die Kosten.