Language of document : ECLI:EU:T:2010:479

BESCHLUSS DES GERICHTS (Siebte Kammer)

24. November 2010(*)

„Nichtigkeitsklage – Erdgasbinnenmarkt – Art. 22 der Richtlinie 2003/55/EG – Schreiben, in dem die Kommission eine Regulierungsbehörde auffordert, ihre Entscheidung über die Gewährung einer Ausnahme zu ändern – Unanfechtbare Handlung – Unzulässigkeit“

In der Rechtssache T‑317/09

Concord Power Nordal GmbH mit Sitz in Hamburg (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte C. von Hammerstein, C.-S. Schweer und C. Wünschmann,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch G. Wilms, O. Beynet und B. Schima als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

OPAL NEL Transport GmbH mit Sitz in Kassel (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte U. Quack und O. Fleischmann,

Streithelferin,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung, die in dem Schreiben der Kommission vom 12. Juni 2009 an die Bundesnetzagentur gemäß Art. 22 Abs. 4 der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG (ABl. L 176, S. 57) enthalten sein soll,

erlässt

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung des Präsidenten N. J. Forwood sowie der Richter E. Moavero Milanesi (Berichterstatter) und J. Schwarcz,

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

 Rechtlicher Rahmen

1        Gemäß Art. 22 der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG (ABl. L 176, S. 57) können größere neue Erdgasinfrastrukturen, d. h. Verbindungsleitungen zwischen den Mitgliedstaaten, Flüssig-Erdgas- (LNG-) und Speicheranlagen, auf Antrag und unter bestimmten Bedingungen von den Art. 18 bis 20 und Art. 25 Abs. 2 bis 4 dieser Richtlinie ausgenommen werden. Die Ausnahmeentscheidung wird von der Regulierungsbehörde im Sinne von Art. 25 der Richtlinie 2003/55 oder von der zuständigen Stelle des Mitgliedstaats getroffen und ist ordnungsgemäß zu begründen und zu veröffentlichen.

2        Art. 22 Abs. 4 der Richtlinie 2003/55 sieht vor:

„Die zuständige Behörde übermittelt der Kommission die Ausnahmeentscheidung unverzüglich zusammen mit allen einschlägigen Begleitinformationen. Diese Informationen können der Kommission in einer Zusammenfassung übermittelt werden, anhand deren die Kommission eine fundierte Entscheidung treffen kann

Die Kommission kann binnen zwei Monaten nach Eingang einer Mitteilung verlangen, dass die betreffende Regulierungsbehörde bzw. der betreffende Mitgliedstaat die Entscheidung über die Gewährung der Ausnahme ändert oder widerruft. Die Zweimonatsfrist kann um einen weiteren Monat verlängert werden, wenn die Kommission zusätzliche Informationen anfordert.

Kommt die betreffende Regulierungsbehörde bzw. der betreffende Mitgliedstaat der Aufforderung nicht binnen vier Wochen nach, so wird nach dem Verfahren des Artikels 30 Absatz 2 umgehend eine endgültige Entscheidung getroffen.

Die Kommission behandelt wirtschaftlich sensible Informationen vertraulich.“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

3        Um die Europäische Union mit Gas aus den russischen Gasfeldern zu versorgen, ist der Bau der auf dem Meeresgrund verlaufenden Gasleitung Nord Stream geplant, die die russische Stadt Vyborg mit der deutschen Stadt Lubmin durch internationale Gewässer der Ostsee verbinden soll. Außerdem ist insbesondere der Bau der Gasleitungen NORDAL und OPAL geplant, um die durch die Nord Stream bis Lubmin beförderten Gasmengen aufzunehmen und in die deutschen und europäischen Gasnetze weiterzuleiten.

4        Die Klägerin, das unabhängige Energieversorgungsunternehmen Concord Power Nordal GmbH, ist Trägerin des Gasleitungsvorhabens NORDAL.

5        Was das Gasleitungsvorhaben OPAL anbelangt, beantragten die beiden Betreiber, die OPAL NEL Transport GmbH und die E.ON Ruhrgas Nord Stream Anbindungsgesellschaft mbH im Juli und August 2008 bei der Bundesnetzagentur (im Folgenden: BNetzA) jeweils, das Vorhaben der Anwendung der Bestimmungen des § 28a des Energiewirtschaftsgesetzes (im Folgenden: EnWG) vom 7. Juli 2005 (BGBl. 2005 I S. 1970), durch das die Richtlinie 2003/55 in Deutschland umgesetzt worden ist, zu entziehen.

6        Am 25. Februar 2009 erließ die BNetzA zwei Beschlüsse, mit denen die beantragten Ausnahmen von den Bestimmungen der §§ 20 bis 25 EnWG über den regulierten Zugang Dritter zum Netz und die Festsetzung der Tarife für einen Zeitraum von 22 Jahren gewährt wurden (im folgenden: Ausnahmeentscheidungen), da die Gasleitung im Wesentlichen eine Verbindung im Sinne der Richtlinie 2003/55 darstelle und die Voraussetzungen des innerstaatlichen Rechts zur Umsetzung von Art. 22 dieser Richtlinie erfülle.

7        Die Klägerin legte am 5. März 2009 beim Oberlandesgericht Düsseldorf (Deutschland) gemäß § 75 EnWG eine Beschwerde gegen die Ausnahmeentscheidungen ein, da die Voraussetzungen für die Gewährung einer Ausnahme nicht erfüllt seien.

8        Am 13. März 2009 übermittelte die BNetzA der Kommission der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 22 Abs. 4 der Richtlinie 2003/55 die fraglichen Ausnahmeentscheidungen. Am 26. März 2009 veröffentlichte die Kommission eine Bekanntmachung der Notifizierung dieser Ausnahmeentscheidungen und forderte Dritte auf, binnen zwei Wochen, d. h. bis zum 9. April 2009, dazu Stellung zu nehmen. In ihrer Stellungnahme vom 27. März 2009 führte die Klägerin aus, dass die Voraussetzungen für eine Ausnahmegenehmigung gemäß Art. 22 der Richtlinie nicht erfüllt seien.

9        Mit Schreiben vom 12. Juni 2009 (im Folgenden: angefochtenes Schreiben) verlangte die Kommission gemäß Art. 22 Abs. 4 der Richtlinie 2003/55 von der BNetzA Folgendes:

„Um die Verbesserung des Wettbewerbs bei der Gasversorgung sicherzustellen, wird die BNetzA aufgefordert, ihre Ausnahmeentscheidung dahingehend zu ändern, dass die folgenden Bedingungen aufgenommen werden:

Die Kapazitätsbuchungen von marktbeherrschenden Unternehmen sollen nach folgenden Prinzipien begrenzt werden:

(a) Ein Unternehmen[,] das in einem oder mehreren der relevanten vor- oder nachgelagerten Erdgasmärkte, welche die Tschechische Republik oder Lieferung von Gas in die Tschechische Republik umfassen, marktbeherrschend ist, darf, vorbehaltlich der Regelung in Buchstabe (b), in keinem Jahr mehr als 50 % der Ausspeisekapazität der OPAL-Pipeline an der tschechischen Grenze buchen. Die Buchungen von Unternehmen, die zur selben Unternehmensgruppe gehören wie Gazprom und Wingas[,] werden zusammen betrachtet … Buchungen von marktbeherrschenden Unternehmen bzw. Unternehmensgruppen, zwischen denen langfristige und wesentliche Gasliefervereinbarungen bestehen (wie zwischen RWE Transgas und Gazprom), werden aggregiert betrachtet, d. h. die Buchungen beider Unternehmen zusammen dürfen 50 % nicht überschreiten.

(b) Die Kapazitätsobergrenze von 50 % darf überschritten werden, wenn das betroffene Unternehmen (bzw. die betroffenen Unternehmen) auf der OPAL eine Gasmenge von 3 Mrd. m3/a dem Markt in einem offenen, transparenten und nichtdiskriminierenden Verfahren anbietet (‚Gas Release-Programm‘). Die Betreibergesellschaft bzw. das (die) Unternehmen, welche(s) zur Ausführung des Gas-Release-Programmes verpflichtet ist (sind), muss (müssen) die Verfügbarkeit korrespondierender Transportkapazität mit frei wählbarem Ausspeisepunkt gewährleisten (‚Capacity-Release-Programm[‘])- Die Ausgestaltung des Gas-Release- und des Capacity-Release-Programmes ist von der BNetzA zu genehmigen.“

10      Die Klägerin erlangte von dem angefochtenen Schreiben durch E-Mail der BNetzA vom 17. Juni 2009 Kenntnis.

11      Die BNetzA übernahm mit Beschluss vom 7. Juli 2009 wörtlich die in dem angefochtenen Schreiben von der Kommission angesprochenen Nebenbestimmungen. Diesen Änderungen trug die Klägerin im Rahmen ihrer Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf im Schriftsatz vom 13. Juli 2009 Rechnung.

 Verfahren und Anträge der Parteien

12      Mit Klageschrift, die am 14. August 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

13      Am 25. November 2009 hat die Kommission gemäß Art. 114 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts eine Unzulässigkeitseinrede erhoben.

14      Die OPAL NEL Transport GmbH hat mit Schriftsatz, der am 4. Dezember 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragt, im vorliegenden Rechtsstreit als Streithelferin zugunsten der Anträge der Kommission zugelassen zu werden. Dieser Antrag ist den Parteien gemäß Art. 116 § 1 der Verfahrensordnung mitgeteilt worden, und sie haben ihre Stellungnahmen fristgemäß abgegeben.

15      Mit Schriftsatz, der am 6. Januar 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin gemäß Art. 116 § 2 der Verfahrensordnung beantragt, bestimmte vertrauliche Aktenunterlagen von der Übermittlung an die Streithelferin auszunehmen, und für diese Übermittlung eine nichtvertrauliche Fassung der betreffenden Unterlagen vorgelegt.

16      Durch Beschluss des Präsidenten der Siebten Kammer des Gerichts vom 4. März ist die Streithelferin im vorliegenden Rechtsstreit als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen worden. Zum Antrag auf vertrauliche Behandlung hat der Präsident der Siebten Kammer angeordnet, dass die Übermittlung der den Parteien zugestellten und gegebenenfalls zuzustellenden Schriftstücke an die Streithelferin in diesem Stadium auf eine nichtvertrauliche Fassung zu beschränken sei und eine Entscheidung über die Begründetheit dieses Antrags gegebenenfalls später unter Berücksichtigung der Einwände ergehen werde, die hierzu möglicherweise erhoben würden.

17      Mit Schriftsatz, der am 23. März 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Streithelferin beantragt, dass ihr zu einem der von dem Antrag auf vertrauliche Behandlung betroffenen Aktenstücke Zugang gewährt würde.

18      Am 15. März 2010 hat sich die Klägerin zu der von der Kommission erhobenen Unzulässigkeitseinrede geäußert.

19      Am 19. April 2010 hat die Streithelferin ihren auf die Frage der Unzulässigkeit der Klage beschränkten Streithilfeschriftsatz eingereicht.

20      Die Kommission und die Klägerin haben am 12. Mai 2010 und am 8. Juni 2010 zu diesem Streithilfeschriftsatz Stellung genommen. Zu dem letztgenannten Zeitpunkt hat die Klägerin mit gesondertem Schriftsatz beantragt, bestimmte Anlagen ihrer Stellungnahme vertraulich zu behandeln.

21      Mit Schriftsatz vom 5. August 2010 ist die Streithelferin diesem zweiten Antrag auf vertrauliche Behandlung entgegengetreten.

22      Die Klägerin beantragt in ihrer Klageschrift,

–        das angefochtene Schreiben für nichtig zu erklären, soweit es das Gasleitungsvorhaben OPAL betrifft,

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

23      Die Kommission beantragt in ihrer Unzulässigkeitseinrede,

–        die Klage für unzulässig zu erklären,

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

24      Die Klägerin beantragt in ihrer Stellungnahme zur Unzulässigkeitseinrede, die Unzulässigkeitseinrede der Kommission zurückzuweisen.

25      Die Streithelferin beantragt in ihrem auf die Frage der Zulässigkeit der Klage beschränkten Streithilfeschriftsatz,

–        die Klage für unzulässig zu erklären,

–        der Klägerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Streithelferin aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

26      Nach Art. 114 § 1 der Verfahrensordnung kann das Gericht auf Antrag einer Partei vorab über die Unzulässigkeit entscheiden.

27      Im vorliegenden Fall ist das Gericht in der Lage, aufgrund des Akteninhalts zu entscheiden, so dass über die auf die Art des angefochtenen Schreibens gestützte Unzulässigkeitseinrede der Kommission ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden ist.

28      Da die Beurteilung dieser Frage nicht erfordert, dass das Gericht die Angaben prüft, auf die sich die Anträge der Klägerin auf vertrauliche Behandlung beziehen, ist über diese nicht zu entscheiden.

 Vorbringen der Parteien

29      Die Kommission macht geltend, das angefochtene Schreiben stelle keine Entscheidung im Sinne von Art. 230 Abs. 4 EG, sondern eine bloße Aufforderung an die BNetzA dar, ihre Entscheidung vom 25. Februar 2009 gemäß Art. 22 Abs. 4 der Richtlinie 2003/55 zu ändern.

30      Das angefochtene Schreiben füge sich in einen mehrstufigen Entscheidungsvorgang ein, der mit einer Entscheidung der nationalen Regulierungsbehörde, im vorliegenden Fall der BNetzA, beginne, die über die Gewährung einer Ausnahme entscheide (erste Phase). Diese Entscheidung sei der Kommission, die die betreffende Behörde innerhalb einer Frist von zwei oder drei Monaten auffordern könne, die Entscheidung zu ändern oder zu widerrufen (zweite Phase), mitgeteilt worden. Die nationale Regulierungsbehörde verfüge somit über einen gewissen Handlungsspielraum, in dessen Rahmen sie entweder versuchen könne, die Kommission davon zu überzeugen, dass die nationale Ausnahmeentscheidung nicht geändert oder widerrufen werden müsse, oder sich der Auffassung der Kommission anschließen könne (dritte Phase). Die Kommission treffe mithin keine endgültige Entscheidung im Sinne von Art. 22 Abs. 4 Unterabs. 4 der Richtlinie 2003/55 (vierte Phase), da zwischen ihr und der nationalen Behörde ein bloßer Dialog stattfinde.

31      Die Rechtslage, für die die Richtlinie 2003/55 gelte, sei ungeachtet bestimmter Unterschiede im Detail mit der Rechtslage vergleichbar, für die die Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (Rahmenrichtlinie) (ABl. L 108, S. 33) gelte. Das Gericht habe befunden, dass es sich bei der Stellungnahme der Kommission gemäß Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2002/21 nicht um eine anfechtbare Rechtshandlung handele (Beschluss des Gerichts vom 12. Dezember 2007, Vodafone España und Vodafone Group/Kommission, T‑109/06, Slg. 2007, S. II‑5151).

32      Aus der Sicht der Kommission entsteht dadurch, dass ihre Aufforderung an die nationale Behörde nicht als anfechtbare Rechtshandlung angesehen werde, keine Rechtsschutzlücke. Die Entscheidung der nationalen Regulierungsbehörde könne von Anfang an nach nationalem Recht angefochten werden. Auch wenn die Kommission dadurch einschreiten könne, dass sie diese Behörde auffordere, die Entscheidung zu ändern oder zu widerrufen, sei dies nur eine bloße Möglichkeit, da die Entscheidung gegenüber den Beteiligten auch in Bestandskraft erwachsen könne. Ferner setze eine der Aufforderung der Kommission entsprechende Änderung der Entscheidung der nationalen Regulierungsbehörde die Fristen für die Einlegung eines nationalen Rechtsbehelfs erneut in Gang. Nur wenn die Kommission eine endgültige Entscheidung gemäß Art. 22 Abs. 4 Unterabs. 4 der Richtlinie 2003/55 treffe, führe das Verfahren zur Vornahme einer Unionshandlung, die verbindliche Rechtswirkungen erzeuge und vor den Unionsgerichten angefochten werden könne.

33      Die Klägerin weist darauf hin, dass sich das Verfahren gemäß Art. 22 Abs. 4 der Richtlinie 2003/55 in bis zu vier Phasen gliedern könne, sie hebt jedoch erstens hervor, dass die vierte Phase nicht durchlaufen werde, wenn die nationale Regulierungsbehörde die von der Kommission in der zweiten Verfahrensphase getroffene Entscheidung befolge. In diesem Fall, der dem vorliegenden Fall entspreche, sei die Aufforderung der Kommission keine einfache Empfehlung oder vorbereitende Zwischenmaßnahme, sondern eine endgültige Entscheidung, ob die Ausnahmeentscheidung einer nationalen Behörde mit dem Unionsrecht vereinbar sei.

34      Zweitens könne eine Ausnahmeentscheidung, zu der sich die Kommission nicht innerhalb der zweimonatigen Frist (die um einen Monat verlängert werden könne, wenn zusätzliche Informationen beantragt würden) gemäß Art. 22 Abs. 4 Unterabs. 3 der Richtlinie 2003/55 äußere, nicht mehr beanstandet werden. Hier zeige sich, dass die wesentliche Entscheidungsstufe bei der Überprüfung, ob die Ausnahmeentscheidung mit dem Unionsrecht übereinstimme, in der zweiten Verfahrensphase liege und nicht in der etwaigen späteren Nichtbefolgung oder der endgültigen Entscheidung der Kommission zum Abschluss der vierten Phase.

35      Drittens bestreitet die Klägerin, dass die sich aus der Richtlinie 2003/55 ergebende Rechtslage mit der Rechtslage aufgrund der Richtlinie 2002/21 vergleichbar und folglich die Rechtsprechung zu dieser Richtlinie auf den vorliegenden Fall übertragbar sei.

36      Nach Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2002/21 übermittle die nationale Regulierungsbehörde der Kommission einen Entwurf der geplanten Maßnahme. Die Kommission könne entweder gegenüber der betreffenden nationalen Regulierungsbehörde eine unverbindliche Stellungnahme abgeben, um anzuzeigen, dass aus ihrer Sicht keine ernsthaften Zweifel an der Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem Unionsrecht bestünden, oder die Behörde auffordern, ihren Entwurf der Maßnahme zurückzuziehen.

37      Dagegen sei im vorliegenden Fall die der Kommission gemäß Art. 22 Abs. 4 der Richtlinie 2003/55 übermittelte Entscheidung der BNetzA kein bloßer Entwurf, sondern die nach Konsultation der nationalen Regulierungsbehörden der anderen Mitgliedstaaten gemäß Art. 22 Abs. 3 Buchst. e dieser Richtlinie getroffene Ausgangsentscheidung.

38      Das angefochtene Schreiben sei eher mit den Entscheidungen der Kommission über die Einleitung des Verfahrens zur kontradiktorischen Prüfung der Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Binnenmarkt gemäß Art. 88 Abs. 2 EG zu vergleichen, die nach der Rechtsprechung anfechtbare Handlungen darstellten (Urteil des Gerichtshofs vom 30. Juni 1992, Spanien/Kommission, C‑312/90, Slg. 1992, S. I‑4117, Randnrn. 20 bis 24).

39      Viertens macht die Klägerin geltend, dass die Gewähr des Rechtsschutzes der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer von der Reaktion der nationalen Behörde in der dritten Verfahrensphase abhänge, wenn die Aufforderung der Kommission im Rahmen der zweiten Verfahrensphase nicht als anfechtbare Handlung anzusehen sei. Eine Anfechtungsklage vor dem Gericht sei daher nur möglich, wenn sich die nationale Behörde weigere, der Aufforderung der Kommission nachzukommen, woran sich eine endgültige Entscheidung der Kommission in der vierten Verfahrensphase anschließe. Wenn die nationale Behörde dagegen beschließe, den Vorschlag der Kommission zu befolgen, komme nur eine Klage vor dem nationalen Gericht in Betracht. Es sei jedoch nicht zulässig, dass der einem Marktteilnehmer zur Verfügung stehende Rechtsweg allein von der Bereitschaft der nationalen Behörde abhänge, der Aufforderung der Kommission zu folgen. Die Kohärenz des Rechtsschutzes gebiete es vielmehr, auf die Handlungen der Kommission im Rahmen der zweiten und der vierten Verfahrensphase das gleiche Rechtsschutzsystem anzuwenden.

40      Im Übrigen sei im vorliegenden Fall irrelevant, dass ein nationales Gericht, vor dem eine Klage gegen die Entscheidung der nationalen Behörde erhoben worden sei, dem Gerichtshof gemäß Art. 234 EG eine Frage zur Vorabentscheidung vorlegen könne. Nach ständiger Rechtsprechung könne ein nationales Gericht dem Gerichtshof nämlich keine Frage nach der Gültigkeit einer Unionshandlung zur Vorabentscheidung vorlegen, wenn diese Handlung in Bezug auf die Parteien in Bestandskraft erwachsen sei, weil diese sie nicht innerhalb der Frist gemäß Art. 230 EG angefochten hätten.

41      Jedenfalls eröffne die Möglichkeit eines Vorabentscheidungsersuchens im Rahmen einer Klage vor dem nationalen Gericht keinen wirksamen Rechtsschutz, da dem Einzelnen zum einen das Initiativrecht zur Einleitung dieses Verfahrens fehle und das Vorabentscheidungsverfahren zum anderen nur mittelbar dem Rechtsschutz des Einzelnen diene.

42      Die Streithelferin hat sich nicht zu der Frage geäußert, ob das angefochtene Schreiben eine vor dem Gericht anfechtbare Handlung sei.

 Würdigung durch das Gericht

43      Nach ständiger Rechtsprechung ist die Nichtigkeitsklage nach Art. 230 EG nur gegen solche Handlungen gegeben, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, welche die Interessen der Klägerin durch einen Eingriff in ihre Rechtsstellung beeinträchtigen. Insbesondere liegt im Fall von Handlungen oder Entscheidungen, die in einem mehrphasigen Verfahren ergehen, eine anfechtbare Handlung grundsätzlich nur bei Maßnahmen vor, die den Standpunkt der Kommission beim Abschluss dieses Verfahrens endgültig festlegen, nicht aber bei Zwischenmaßnahmen, die die abschließende Entscheidung vorbereiten sollen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, Slg. 1981, 2639, Randnr. 10, und vom 22. Juni 2000, Niederlande/Kommission, C‑147/96, Slg. 2000, I‑4723, Randnr. 26; Beschluss des Gerichts vom 2. Juni 2004, Pfizer/Kommission, T‑123/03, Slg. 2004, II‑1631, Randnr. 22).

44      Ferner sind Maßnahmen rein vorbereitender Art zwar nicht als solche anfechtbar, die ihnen etwa anhaftenden rechtlichen Mängel können jedoch im Rahmen der Klage gegen die endgültige Handlung, deren Vorbereitung sie dienen, geltend gemacht werden (Urteile des Gerichtshofs, IBM/Kommission, Randnr. 12, und vom 14. Februar 1989, Bossi/Kommission, 346/87, Slg. 1989, 303, 333; Urteil des Gerichts vom 24. Februar 1994, Caló/Kommission, T‑108/92, Slg. ÖD 1994, I‑A-59 und II‑213, Randnr. 13, und Beschluss Pfizer/Kommission, Randnr. 24).

45      Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die Richtlinie 2003/55 den nationalen Regulierungsbehörden, die zur Entwicklung des Erdgasbinnenmarkts und zur Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen durch transparente Zusammenarbeit untereinander und mit der Kommission beitragen, eine zentrale Rolle zuteilen wollte. So benötigen diese Behörden zum einen für die Ausübung ihrer sich aus dem Unionsrecht ergebenden Befugnisse keine Genehmigung der Kommission, und zum anderen sollen mit den Eingriffsmöglichkeiten der Kommission nur nationale Entscheidungen verhindert werden, die negative Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben können.

46      Art. 22 der Richtlinie 2003/55 sieht eine unmittelbare Beteiligung der Kommission vor, wenn er bestimmt, dass die nationale Regulierungsbehörde dieser die Ausnahmeentscheidung unverzüglich zusammen mit allen einschlägigen Begleitinformationen übermittelt, um ihr eine fundierte Entscheidung zu ermöglichen..

47      Gemäß Art. 22 Abs. 4 Unterabs. 3 der Richtlinie 2003/55 kann die Kommission binnen zwei Monaten nach Eingang einer Mitteilung oder, wenn zusätzliche Informationen angefordert werden, binnen drei Monaten verlangen, dass die Regulierungsbehörde die Entscheidung über die Gewährung einer Ausnahme ändert oder widerruft. Somit geht aus der Richtlinie ausdrücklich hervor, dass das Eingreifen der Kommission in dieser Phase als „Verlangen“ und nicht als „Entscheidung“ verstanden wird. Gemäß Art. 22 Abs. 4 Unterabs. 4 der Richtlinie 2003/55 trifft die Kommission eine endgültige Entscheidung nach dem „Komitologie-Verfahren“, wenn die Regulierungsbehörde der Aufforderung nicht binnen eines Monats nachkommt.

48      Im vorliegenden Fall beruht das angefochtene Schreiben unstreitig auf Art. 22 Abs. 4 Unterabs. 3 der Richtlinie 2003/55.

49      Außerdem heißt es in dem angefochtenen Schreibens, dass, „[u]m die Verbesserung des Wettbewerbs bei der Gasversorgung sicherzustellen, … die BNetzA aufgefordert [wird], ihre Ausnahmeentscheidung dahingehend zu ändern, dass [bestimmte] Bedingungen aufgenommen werden“. Im letzten Absatz dieses Schreibens „fordert [die Kommission die BNetzA] gemäß Artikel 22 Absatz 4 der [Richtlinie 2003/55] dazu auf, binnen vier Wochen erstens ihre Entscheidung nach Erhalt dieses Schreibens entsprechend … zu ändern und zweitens die Kommission hiervon zu unterrichten“.

50      Es ist festzustellen, dass der Wortlaut des angefochtenen Schreibens der Kommission die Unverbindlichkeit der Änderungsaufforderung an die BNetzA hervorhebt. Diese Aufforderung stellt nur eine Zwischenstufe in dem mehrphasigen Verfahren gemäß Art. 22 der Richtlinie 2003/55 dar. Es wäre auch möglich, dass die nationale Regulierungsbehörde auf die Aufforderung der Kommission mit dieser einen Dialog einleitet, in dem es ihr gelingen könnte, diese davon zu überzeugen, dass die nationale Entscheidung über die Gewährung der Ausnahme weder zu ändern noch zu widerrufen sei.

51      Die Unverbindlichkeit des angefochtenen Schreibens wird dadurch bestätigt, dass die Kommission gemäß Art. 22 Abs. 4 Unterabs. 4 der Richtlinie 2003/55 eine endgültige Entscheidung nur in dem Fall trifft, dass die nationale Regulierungsbehörde der Aufforderung nicht nachkommt.

52      Ferner ist festzustellen, dass aus der Befugnis der Kommission, unter den Voraussetzungen von Art. 22 Abs. 4 Unterabs. 4 der Richtlinie 2003/55 eine endgültige Entscheidung zu treffen, nach der die nationale Regulierungsbehörde verpflichtet wird, die Ausnahmeentscheidung zu ändern oder zu widerrufen, nicht folgt, dass sich aus der Aufforderung der Kommission gemäß Art. 22 Abs. 3 dieser Richtlinie verbindliche Rechtswirkungen ergeben, selbst wenn diese Aufforderung eine notwendige Voraussetzung für die mögliche Annahme einer endgültigen Entscheidung darstellt.

53      Nach alledem stellt das auf Art. 22 Abs. 4 Unterabs. 3 der Richtlinie 2003/55 beruhende angefochtene Schreiben keine Handlung dar, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugt und gemäß Art. 230 EG angefochten werden kann.

54      Diese Schlussfolgerung kann nicht durch das Vorbringen der Klägerin in Frage gestellt werden, das angefochtene Schreiben sei mit einer Entscheidung der Kommission über die Einleitung des Verfahrens zur kontradiktorischen Prüfung der Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Binnenmarkt zu vergleichen. Der Gerichtshof stützt seine Feststellung, dass eine solche Entscheidung eine anfechtbare Handlung darstellt, darauf, dass diese Entscheidung eine Wahl beinhaltet, eine Beihilfe als neu oder bereits bestehend einzuordnen, und nicht rückgängig zu machende Folgen mit sich bringt (vgl. in diesem Sinn Urteile des Gerichtshofs Spanien/Kommission, Randnrn. 20 bis 24, und vom 9. Oktober 2001, Italien/Kommission, C‑400/99, Slg. 2001, S. I‑7303, Randnrn. 56 bis 63). Das angefochtene Schreiben weist solche Merkmale aber offensichtlich nicht auf.

55      Ebenso wenig kann die Klägerin mit dem Vorbringen Erfolg haben, die Unanfechtbarkeit des angefochtenen Schreibens führe zu einer Lücke im Bereich des wirksamen Rechtsschutzes.

56      Zwar wird die Aufforderung der Kommission gemäß Art. 22 Abs. 3 Unterabs. 3 der Richtlinie 2003/55, anders als eine Entscheidung der Kommission gemäß Art. 22 Abs. 3 Unterabs. 4 dieser Richtlinie, nicht als eine Handlung der Union angesehen, die unmittelbar vor dem Unionsrichter angefochten werden kann. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin verlangt das Recht auf wirksamen Rechtsschutz jedoch nicht, dass eine Aufforderung der Kommission im Sinne dieser Bestimmung unmittelbar vor dem Unionsrichter angefochten werden kann, sondern, dass den Betroffenen unter Einbeziehung der nationalen Rechtsbehelfe ein vollständiges Rechtsschutzsystem zur Verfügung steht.

57      Im vorliegenden Fall kann die Ausnahmeentscheidung der nationalen Regulierungsbehörde vor dem nationalen Gericht angefochten werden, das dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage nach der Auslegung von Art. 22 der Richtlinie 2003/55 zur Vorabentscheidung vorlegen oder die nationale Entscheidung selbst mit der Begründung für nichtig erklären kann, dass die Ausnahme nicht hätte gewährt werden dürfen oder in anderer Weise hätte gewährt werden müssen. Außerdem kann die nationale Entscheidung nach einer Aufforderung der Kommission gegenüber der nationalen Regulierungsbehörde im nationalen Rechtsweg angefochten werden, wenn die Behörde der Aufforderung Folge leistet. Kommt die nationale Regulierungsbehörde der Aufforderung der Kommission dagegen nicht nach, kann diese nach Abschluss des Verfahrens eine endgültige Entscheidung treffen, die eine Unionshandlung mit verbindlichen Rechtswirkungen darstellt und die vor dem Unionsrichter angefochten werden kann.

58      Folglich ergibt sich aus dem Zusammenhang, in dem das angefochtene Schreiben ergangen ist, dass es keine verbindlichen Rechtswirkungen erzeugt und Art. 22 der Richtlinie 2003/55 nicht gegen den Anspruch auf einen wirksamen Rechtsschutz verstößt.

59      Da das angefochtene Schreiben keine Maßnahme darstellt, die die Haltung der Kommission endgültig festlegt, erzeugt es keine verbindlichen Rechtswirkungen, welche die Interessen der Klägerin beeinträchtigen können und gegen die daher die Nichtigkeitsklage gemäß Art. 230 EG gegeben ist. Die vorliegende Klage ist daher, ohne dass die weiteren Unzulässigkeitseinreden der Kommission zu prüfen sind, als unzulässig abzuweisen.

 Kosten

60      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

61      Nach Art. 87 § 4 Unterabs. 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht entscheiden, dass ein Streithelfer seine eigenen Kosten trägt. Im vorliegenden Fall sind OPAL NEL Transport, die zur Unterstützung der Kommission beigetreten ist, ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

beschlossen:

1.      Über die Anträge der Concord Power Nordal GmbH auf vertrauliche Behandlung ist nicht zu entscheiden.

2.      Die Klage wird abgewiesen.

3.      Die Concord Power Nordal GmbH trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Europäischen Kommission.

4.      Die OPAL NEL Transport GmbH trägt ihre eigenen Kosten.

Luxemburg, den 24. November 2010

Der Kanzler

 

      Der Präsident

E. Coulon

 

      N. J. Forwood


* Verfahrenssprache: Deutsch.