Language of document : ECLI:EU:T:2012:434

URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)

19. September 2012(*)

„EFRE – Kürzung der finanziellen Beteiligung – Operationelles Programm Ziel 1 (1994–1999) Land Thüringen (Deutschland)“

In der Rechtssache T‑265/08

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch M. Lumma, T. Henze, C. Blaschke und K. Petersen als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt U. Karpenstein,

Klägerin,

unterstützt durch

Königreich Spanien, zunächst vertreten durch J. M. Rodríguez Cárcamo, dann durch N. Díaz Abad und J. M. Rodríguez Cárcamo und schließlich durch A. Rubio González, abogados del Estado,

durch

Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues und N. Rouam als Bevollmächtigte,

und durch

Königreich der Niederlande, vertreten durch C. Wissels, Y. de Vries, B. Koopman, M. Bulterman und J. Langer als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch A. Steiblyté und B. Conte als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung K(2008) 1690 endg. der Kommission vom 30. April 2008 über die Kürzung des Beitrags aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) für ein Operationelles Programm in der Ziel‑1-Region Land Thüringen in der Bundesrepublik Deutschland (1994–1999) gemäß Entscheidung K(94) 1939/5 der Kommission vom 5. August 1994

erlässt

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten O. Czúcz, der Richterin I. Labucka (Berichterstatterin) und des Richters D. Gratsias,

Kanzler: T. Weiler, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. September 2011

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 3. September 1993 stellte die deutsche Regierung bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften einen Antrag auf Gewährung einer finanziellen Beteiligung der Gemeinschaft zur Finanzierung des Operationellen Programms in der Ziel-1-Region Land Thüringen (1994–1999), das die Förderung produktiver Investitionen von kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) vorsah.

2        Am 29. Juli 1994 erließ die Kommission die Entscheidung 94/628/EG zur Erstellung des gemeinschaftlichen Förderkonzepts für die Strukturinterventionen der Gemeinschaft in den deutschen Ziel-1-Regionen Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen und Berlin (Ost) (ABl. L 250, S. 18). Durch diese Entscheidung wurden operationelle Programme in den neuen Bundesländern möglich.

3        Mit der Entscheidung K(94) 1939/5 vom 5. August 1994 genehmigte die Kommission das Operationelle Programm in der Ziel-1-Region Land Thüringen in der Bundesrepublik Deutschland (Arinco Nr. 94.DE.16.005) (im Folgenden: streitgegenständliche Intervention). Diese Entscheidung sah einen Beitrag aus den Strukturfonds in Höhe von 1 021 771 000 ECU vor, der mit der Entscheidung K(99) 5087 vom 29. Dezember 1999 auf 1 086 827 000 Euro mit einem Höchstbeitrag des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) in Höhe von 1 020 719 000 Euro erhöht wurde. Das Thüringer Ministerium für Wirtschaft und Verkehr wurde mit der Verwaltung des Programms betraut.

4        Für die Maßnahme 2.1 zur Unterstützung produktiver Investitionen von KMU wurden in der Entscheidung K(99) 5087 Gesamtausgaben in Höhe von 674 104 000 Euro veranschlagt, von denen 337 052 000 Euro aus dem EFRE kamen.

5        Auf der Grundlage von Art. 23 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 4253/88 des Rates vom 19. Dezember 1988 zur Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 hinsichtlich der Koordinierung der Interventionen der verschiedenen Strukturfonds einerseits und zwischen diesen und den Interventionen der Europäischen Investitionsbank und der sonstigen vorhandenen Finanzinstrumente andererseits (ABl. L 374, S. 1) in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2082/93 des Rates vom 20. Juli 1993 (ABl. L 193, S. 20) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 4253/88) und von Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 2064/97 der Kommission vom 15. Oktober 1997 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung Nr. 4253/88 hinsichtlich der Finanzkontrolle durch die Mitgliedstaaten bei von den Strukturfonds kofinanzierten Maßnahmen (ABl. L 290, S. 1) nahm die Kommission 2001 eine systematische Prüfung der Verwaltungs- und Kontrollsysteme in Thüringen vor.

6        Am 30. Januar 2002 legte die Kommission ihren abschließenden Prüfbericht zu den Operationellen Programmen der Länder Thüringen und Sachsen-Anhalt mit Empfehlungen vor.

7        Am 24. Juni 2002 wurde der Abschlussvermerk nach Art. 8 der Verordnung Nr. 2064/97 von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erstellt und an die Kommission übermittelt.

8        Mit Schreiben vom 18. Juli 2002 legten die deutschen Behörden ihren Antrag auf endgültige Zahlung für die streitgegenständliche Intervention vor. Am 27. Juni 2003 wurde diese Intervention von der Kommission geschlossen und die endgültige Zahlung in beantragter Höhe an das Land Thüringen geleistet.

9        Nach dem Abschluss der Intervention, u. a. vom 27. bis 31. Oktober, vom 10. bis 21. November, vom 1. bis 5. Dezember und am 11. Dezember 2003, unternahm der Rechnungshof der Europäischen Gemeinschaften mehrere Prüfbesuche. 2004 nahm er im Rahmen seiner Prüfung zur Zuverlässigkeitserklärung zum Haushaltsjahr 2003 eine Schwachstellenanalyse der streitgegenständlichen Intervention vor. 28 Projekte aus der Maßnahme 2.1 wurden geprüft.

10      Am 22. Juni 2004 übermittelte der Rechnungshof den deutschen Behörden seinen vorläufigen Prüfbericht. Mit Schreiben vom 31. August und vom 13. Oktober 2004 übermittelten die deutschen Behörden dem Rechnungshof zusätzliche Informationen.

11      Mit Schreiben vom 17. Januar 2005 übermittelte der Rechnungshof den nationalen Behörden seinen Prüfbericht (im Folgenden: Prüfbericht vom 17. Januar 2005). Darin wurden individuelle und systematische Unregelmäßigkeiten bezüglich einzelner Operationen festgestellt, etwa die Förderung von Unternehmen, die nicht unter die Definition von KMU fallen, die Anmeldung nicht förderfähiger Ausgaben (zukünftige Leasingraten, Mehrwertsteuer, Rabatte), Fehler bei der Berechnung des Höchstbeitrags und das Fehlen von Belegen für bestimmte Arten von Ausgaben wie Gemeinkosten oder Eigenmittel. Der Prüfbericht stellte Mängel bei den Verwaltungs- und Kontrollsystemen der streitgegenständlichen Intervention fest. Die bei den 28 Projekten der Maßnahme 2.1 ermittelte Fehlerquote betrug 31,36 %.

12      Mit Schreiben vom 19. Oktober 2006 übermittelte die Kommission den deutschen Behörden die ersten Ergebnisse ihrer Prüfung des Prüfberichts vom 17. Januar 2005 und ersuchte sie um Stellungnahme.

13      Auf der Grundlage der Schwachstellenanalyse des Rechnungshofs kündigte die Kommission dem Land Thüringen zunächst Finanzkorrekturen in Höhe von 135 Millionen Euro an. Nach Durchführung bilateraler Konsultationen mit dem Land Thüringen wurden allerdings bestimmte Beanstandungen zurückgezogen.

14      Mit Schreiben vom 5. Januar 2007 antworteten die deutschen Behörden auf das Schreiben der Kommission vom 19. Oktober 2006; sie erhoben Einspruch gegen die Vornahme extrapolierter Finanzkorrekturen und fügten weitere Belege für die Förderfähigkeit bestimmter Ausgaben bei.

15      Mit der Entscheidung K(2008) 1690 endg. vom 30. April 2008 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) kürzte die Kommission die finanzielle Beteiligung des EFRE an der streitgegenständlichen Intervention um 81 425 825,67 Euro und begründete dies damit, dass im Bereich der Maßnahme 2.1 individuelle und systematische Unregelmäßigkeiten im Sinne von Art. 24 der Verordnung Nr. 4253/88 festgestellt worden seien. Die Kommission nahm eine Extrapolation der Fehlerquote auf die gesamte Maßnahme 2.1 vor, wobei sie eine Fehlerquote von 23,88 % zugrunde legte. Sie kam zu einem Ergebnis von 1 232 012,70 Euro für individuelle Unregelmäßigkeiten und 80 193 812,97 Euro für systematische Unregelmäßigkeiten.

16      Laut der angefochtenen Entscheidung wurden folgende systematische Unregelmäßigkeiten festgestellt:

–        Förderung von Nicht-KMU (Projekte Maxit Baustoffwerke GmbH, arcon II Flachglasveredelung, Gothaer Fahrzeugwerk und CeWe Color AG);

–        Endbegünstigter, der nicht die nationalen KMU-Kriterien für eine zusätzliche Förderung von 15 % erfüllte (Projekt Tralag Landmaschinen GmbH);

–        Geltendmachung nicht erstattungsfähiger Ausgaben im Zusammenhang mit Leasingverträgen (Projekte TelePassport Service GmbH und Schuster Kunststofftechnik GmbH).

 Verfahren und Anträge der Parteien

17      Mit Klageschrift, die am 4. Juli 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Bundesrepublik Deutschland die vorliegende Klage erhoben.

18      Die Bundesrepublik Deutschland beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

19      Das Königreich Spanien, die Französische Republik und das Königreich der Niederlande wurden im vorliegenden Verfahren als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Bundesrepublik Deutschland zugelassen; ihnen wurde gemäß Art. 116 § 6 der Verfahrensordnung des Gerichts gestattet, in der mündlichen Verhandlung Stellung zu nehmen.

20      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Bundesrepublik Deutschland die Kosten aufzuerlegen.

21      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Dritte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

22      Mit Schreiben, das am 6. September 2011 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist, hat die Bundesrepublik Deutschland einige Anmerkungen zum Sitzungsbericht übermittelt, und zwar in Bezug auf den Status der internen Leitlinien der Kommission vom 15. Oktober 1997 für Nettofinanzkorrekturen im Rahmen der Anwendung von Art. 24 der Verordnung Nr. 4253/88 (im Folgenden: interne Leitlinien) und die Auslegung einiger Punkte des Prüfberichts vom 17. Januar 2005.

23      Die Beteiligten haben in der Sitzung vom 27. September 2011 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

 Rechtliche Würdigung

24      Die Bundesrepublik Deutschland stützt ihre Klage auf fünf Klagegründe, und zwar auf einen Verstoß gegen Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 4253/88 (erster und zweiter Klagegrund), eine fehlende Vor-Ort-Kontrolle durch die Kommission (dritter Klagegrund), eine Verletzung der Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit und der loyalen Zusammenarbeit (vierter Klagegrund) sowie eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (fünfter Klagegrund).

 1. Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 4253/88, da die erforderlichen Voraussetzungen für eine Kürzung nicht vorlägen


 Zum ersten Teil des ersten Klagegrundes: Verwaltungsfehler nationaler Behörden könnten nicht als Unregelmäßigkeiten im Sinne von Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 4253/88 eingestuft werden

 Vorbringen der Parteien

25      Die Bundesrepublik Deutschland macht geltend, die von der Kommission beanstandeten Punkte könnten – die materielle Richtigkeit der Beanstandungen unterstellt – nicht als Unregelmäßigkeiten eingestuft werden, da es sich dabei lediglich um einfache Verwaltungsfehler handele, die nur dann in den Anwendungsbereich von Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 4253/88 fielen, wenn sie auf einer erheblichen Änderung der betreffenden Aktion oder Maßnahme beruhten, die der Kommission nicht mitgeteilt worden sei.

26      Eine Unregelmäßigkeit setze nach Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 312, S. 1) einen Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung als Folge einer Handlung oder Unterlassung eines Wirtschaftsteilnehmers voraus. In der niederländischen Sprachfassung werde ein Fehlverhalten eines Wirtschaftsteilnehmers vorausgesetzt. Diese Definition finde aufgrund der terminologischen Identität des Begriffs „Unregelmäßigkeit“, die in sämtlichen Sprachfassungen zwischen Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 4253/88 und Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 bestehe, Anwendung auf alle sektorbezogenen Verordnungen, zu denen auch die Verordnung Nr. 4253/88 gehöre. Eine unterschiedliche Auslegung des Begriffs der Unregelmäßigkeit in den beiden Verordnungen würde dem Grundsatz der Einheit des Gemeinschaftsrechts widersprechen.

27      Die Auffassung der Kommission, dass der Begriff der Unregelmäßigkeit in der Verordnung Nr. 4253/88 anders auszulegen sei als in der Verordnung Nr. 2988/95, finde sich außerdem nicht in der angefochtenen Entscheidung, in deren Erwägungsgründen 26 und 27 es heiße, die Unregelmäßigkeiten resultierten aus Handlungen oder Unterlassungen der Endbegünstigten.

28      Nach der Verordnung Nr. 2988/95 und Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4253/88 könne die öffentliche Verwaltung nicht mit Wirtschaftsteilnehmern gleichgesetzt werden, bei denen es sich um öffentliche oder private Unternehmen handele, die im Wettbewerb um Güter oder Dienstleistungen stünden. Die Beanstandungen der Kommission bezögen sich aber auf reine Verwaltungsfehler wie die offizielle Verbuchung von Nicht-KMU unter Maßnahme 2.1 des Operationellen Programms des Landes Thüringen oder die Gewährung einer vermeintlich überhöhten staatlichen Beihilfe an zwei Wirtschaftsteilnehmer im Zusammenhang mit einem Mietkauf, wobei Beihilfen durch individuelle Verwaltungsakte gewährt würden, die ihrerseits auf Verwaltungsvorschriften gestützt seien.

29      Darüber hinaus ergebe sich aus der Erklärung, die in das Protokoll des Rates der Europäischen Union aufgenommen worden sei, sowie aus Fn. 10 der Praktischen Modalitäten der Kommission vom 11. April 2002 in Bezug auf die Pflicht zur Mitteilung von Unregelmäßigkeiten, dass die Handlungen und Unterlassungen der Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten keine Unregelmäßigkeiten darstellen könnten, da sie nicht Wirtschaftsteilnehmern zurechenbar seien.

30      Die Bundesrepublik Deutschland stellt ferner die Erheblichkeit des Verweises im 28. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung auf das Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 2005, Irland/Kommission (C‑199/03, Slg. 2005, I‑8027), in Abrede, da die irische Regierung nicht bestritten habe, dass Wirtschaftsteilnehmer Unregelmäßigkeiten begangen hätten.

31      Die von der Kommission in den Erwägungsgründen 25 und 28 der angefochtenen Entscheidung gezogene Parallele zur Rechtsgrundlage des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) gehe ebenfalls fehl, da im Bereich des EAGFL die Befugnis zu Finanzkorrekturen bei Verwaltungsfehlern oder unzulänglichen Verwaltungs- und Kontrollsystemen auf einer ausdrücklichen Ermächtigung des Gemeinschaftsgesetzgebers beruhe, während im Bereich des EFRE eine erhebliche Veränderung des operationellen Programms erforderlich sei. Die einzige Rechtsgrundlage, die die im vorliegenden Fall von der Kommission vorgenommene Kürzung der finanziellen Beteiligung der Gemeinschaft gestatte, sei die Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 des Rates vom 21. Juni 1999 mit allgemeinen Bestimmungen über die Strukturfonds (ABl. L 161, S. 1), die nur für die nachfolgenden Förderperioden gelte.

32      Im Licht des Grundsatzes der begrenzten Ermächtigung nach Art. 5 EG könne die Rechtsprechung zur Anwendung von Art. 8 der Verordnung (EWG) Nr. 729/70 des Rates vom 21. April 1970 über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. L 94, S. 13) nicht herangezogen werden, um Rückforderungsbefugnisse nach der Verordnung Nr. 4253/88 zu begründen.

33      Zudem ermächtige keine Gemeinschaftsvorschrift die Kommission zu finanziellen Korrekturen wegen rein innerstaatlicher Verwaltungsfehler, da Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 ausdrücklich einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht voraussetze. Der allgemeine Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit nach Art. 10 EG begründe keine Abweichung von dieser grundlegenden Kompetenzverteilung, sondern setze die institutionelle und verfahrensmäßige Autonomie der Mitgliedstaaten voraus.

34      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

Würdigung durch das Gericht

35      Nach Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 4253/88 kann die Kommission die finanzielle Beteiligung an einer Intervention kürzen oder aussetzen, wenn durch die nach Maßgabe von Art. 24 Abs. 1 erfolgte Prüfung bestätigt wird, dass eine Unregelmäßigkeit vorliegt. Der Urheber der bei der Durchführung der vom Fonds finanzierten Aktion oder Maßnahme begangenen Unregelmäßigkeit wird in dieser Bestimmung jedoch nicht genannt.

36      Zu dem Argument der Bundesrepublik Deutschland, zwischen Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 4253/88 und Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 bestehe eine Parallele, so dass eine Unregelmäßigkeit nur bei einem Verstoß gegen eine Bestimmung des Rechts der Europäischen Union als Folge einer Handlung oder Unterlassung eines Wirtschaftsteilnehmers vorliege, ist festzustellen, dass die angeführten Bestimmungen autonom auszulegen sind, weil sie unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen und nicht den gleichen Anwendungsbereich haben. Die Verordnung Nr. 2988/95 legt im Wesentlichen einen allgemeinen rechtlichen Rahmen zur Bekämpfung von Betrug fest, der definitionsgemäß nicht von einer nationalen Behörde begangen werden kann, während die Verordnung Nr. 4253/88 das Verhältnis zwischen der Union und den Mitgliedstaaten betrifft (vgl. entsprechend Urteil des Gerichts vom 22. November 2006, Italien/Kommission, T‑282/04, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 83).

37      Festzustellen ist auch, dass die nationalen Behörden für die ordnungsgemäße Verwendung der Gemeinschaftsmittel verantwortlich sind und dass es ihre Sache ist, im Einklang mit den nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sich u. a. zu vergewissern, dass die durch den Fonds finanzierten Maßnahmen tatsächlich und ordnungsgemäß durchgeführt worden sind. Die Kommission übt nämlich nur eine ergänzende Funktion aus (vgl. entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 9. Oktober 1990, Frankreich/Kommission, C‑366/88, Slg. 1990, I‑3571, Randnrn. 19 und 20).

38      Ferner steht fest, dass Art. 24 der Verordnung Nr. 4253/88 weder quantitativ noch qualitativ zwischen den Unregelmäßigkeiten unterscheidet, die zur Kürzung einer Beteiligung führen können. Der Gerichtshof hat entschieden, dass auch Unregelmäßigkeiten, die keine konkreten finanziellen Auswirkungen haben, die finanziellen Belange der Union und die Einhaltung des Unionsrechts ernsthaft beeinträchtigen und damit die Vornahme von Finanzkorrekturen durch die Kommission rechtfertigen können (Urteil Irland/Kommission, Randnrn. 29 ff.).

39      Ein Verwaltungsfehler, der darin besteht, dass die im Finanzierungsplan vorgesehenen und die im Auszahlungsantrag angegebenen Beträge nicht übereinstimmen, kann z. B. eine Unregelmäßigkeit darstellen, die eine Kürzung der Beteiligung rechtfertigen kann (Urteil des Gerichts vom 28. Januar 2009, Deutschland/Kommission, T‑74/07, Slg. 2009, II‑107, Randnrn. 34 ff.).

40      Dass den nationalen Behörden bei der Durchführung der Strukturfonds eine Schlüsselrolle zukommt, spricht im Übrigen für eine weite Auslegung des Begriffs der Unregelmäßigkeit. Ein ihnen unterlaufener Fehler ist nämlich im Hinblick auf die Grundsätze der wirtschaftlichen Haushaltsführung in Art. 274 EG und der loyalen Zusammenarbeit in Art. 10 EG, die keine Immunität der Mitgliedstaaten zulassen, und aufgrund der Tatsache, dass Art. 24 der Verordnung Nr. 4253/88 die einzige Rechtsgrundlage für die Kürzung einer Beteiligung ist, wenn eine Intervention nicht wie zunächst vorgesehen durchgeführt wurde, als „Unregelmäßigkeit“ im Sinne von Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 4253/88 anzusehen (Urteil des Gerichtshofs vom 24. Januar 2002, Conserve Italia/Kommission, C‑500/99 P, Slg. 2002, I‑867, Randnr. 88).

41      Schließlich ist hinsichtlich des Arguments der Bundesrepublik Deutschland, im Rahmen des gemeinschaftlichen Fördersystems ermächtige keine Unionsvorschrift die Kommission zu Finanzkorrekturen wegen rein innerstaatlicher Verwaltungsfehler, darauf hinzuweisen, dass der Begünstigte eine Reihe von Verpflichtungen erfüllen muss, deren Definition und Kontrolle in weiten Teilen den nationalen Behörden obliegt. Eine andere Auslegung wäre nur schwer mit den Grundsätzen der wirtschaftlichen Haushaltsführung und der loyalen Zusammenarbeit vereinbar. Im Übrigen wirft die Kommission der Bundesrepublik Deutschland zwar innerstaatliche Verwaltungsfehler vor, doch betreffen sie die Bereitstellung der finanziellen Beteiligung der Union.

42      Infolgedessen ist festzustellen, dass eine Auslegung von Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 4253/88, die Fehler der nationalen Behörden vom Begriff der Unregelmäßigkeit ausschlösse, die praktische Wirksamkeit der in dieser Bestimmung enthaltenen Regelung beeinträchtigen würde.

43      Die den nationalen Verwaltungsbehörden zuzurechnenden Verstöße gegen das Unionsrecht fallen somit unter Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 4253/88. Da den nationalen Behörden bei der Durchführung der Strukturfonds eine Schlüsselrolle zukommt, ist ein von ihnen begangener Verstoß als „Unregelmäßigkeit“ im Sinne von Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 4253/88 anzusehen.

44      Der erste Teil des ersten Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

 Zum zweiten, hilfsweise vorgetragenen Teil des ersten Klagegrundes: Bestimmte in der angefochtenen Entscheidung von der Kommission festgestellte Unregelmäßigkeiten lägen nicht vor

45      Die Bundesrepublik Deutschland macht im Wesentlichen geltend, es lägen keine Unregelmäßigkeiten der zuständigen Verwaltungsbehörden vor, und die Kritik der Kommission an der Wirksamkeit der Verwaltungs- und Kontrollsysteme sei unbegründet.

 Zum Vorwurf, die Kommission habe Ausgaben für Projekte, die keine KMU betroffen hätten, zu Unrecht als nicht förderfähig eingestuft


–       Vorbringen der Parteien

46      Nach Ansicht der Bundesrepublik Deutschland liegen keine erheblichen Verwaltungsfehler vor, da es zum einen zulässig gewesen wäre, die betreffenden Projekte nach denselben Maßstäben auch unter Schwerpunkt 1.1 des Operationellen Programms zu fördern und zu verbuchen, und zum anderen kein Schaden für den Gemeinschaftshaushalt eingetreten sei, was Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4253/88 aber voraussetze.

47      Die Verbuchung und Verwaltung von Fördermitteln für Nicht-KMU unter Schwerpunkt 2.1 habe nicht einmal potenziell zu ungerechtfertigten Ausgaben geführt. Die fünf unter Schwerpunkt 2.1 verbuchten Unternehmen hätten nämlich die Voraussetzung des überregionalen Absatzes gemäß Schwerpunkt 1.1 erfüllt, der ausdrücklich bestimme, dass Finanzhilfen für produktive Investitionen „unabhängig von der Betriebsgröße“ erfolgen könnten. In diesem Zusammenhang beanstande der Rechnungshof keine rechtswidrige Förderung bestimmter Unternehmen, sondern lediglich die Verbuchung der Förderung im Operationellen Programm.

48      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

–       Würdigung durch das Gericht

49      Die Kritik der Bundesrepublik Deutschland an der angefochtenen Entscheidung betrifft mehrere Projekte.

50      Bei dem in der Tabelle im Anhang der angefochtenen Entscheidung unter Nr. 46 aufgeführten Projekt Tralag Landmaschinen GmbH ist es nicht zu einer Verletzung der KMU-Definition in dem mit der Entscheidung 94/628 erstellten gemeinschaftlichen Förderkonzept, sondern der KMU-Definition in dem vom Planungsausschuss des Deutschen Bundestags am 27. April 1995 beschlossenen 24. Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ für den Zeitraum 1995–1999 gekommen, der aufgrund des allgemeinen Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit nach Art. 10 EG zu beachten ist. In diesem Rahmenplan ist nämlich ein Zuschlag von 15 % für Unternehmen mit nicht mehr als 250 Beschäftigten vorgesehen, was auf die Tralag Landmaschinen GmbH nicht zutrifft; dennoch hat sie einen solchen Zuschlag erhalten. Daher war dieses Unternehmen in Bezug auf den Zuschlag in Höhe von 15 % nicht förderfähig.

51      Zu dem vorgenannten Projekt und zu vier weiteren Projekten betreffend die Unternehmen Maxit Baustoffwerke GmbH, arcon II Flachglasveredelung, Gothaer Fahrzeugwerk und CeWe Color AG ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 52 Abs. 5 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1260/1999 der Antrag auf endgültige Zahlung für Interventionen des Programmplanungszeitraums 1994–1999 bis spätestens 31. März 2003 bei der Kommission einzureichen war und nach diesem Zeitpunkt nicht mehr geändert werden konnte. Die betreffenden fünf Projekte wurden unter Maßnahme 2.1 verbucht. Wie oben in Randnr. 8 ausgeführt, wurde der Kommission der Antrag auf endgültige Zahlung am 18. Juli 2002 vorgelegt, und ihre Zahlung erfolgte am 27. Juni 2003; die deutschen Behörden können nicht mit Erfolg geltend machen, dass diese Operationen unter Maßnahme 1.1 förderfähig waren. Unter diesen Umständen sind die Fehlbuchungen eine nach dem 31. März 2003 nicht mehr änderbare Anmeldung nicht förderfähiger Ausgaben unter Maßnahme 2.1 der streitgegenständlichen Intervention.

52      Wie der Gerichtshof aber bereits entschieden hat, reicht das Bestehen solcher Unregelmäßigkeiten aus, um eine Finanzkorrektur vorzunehmen, ohne dass ein konkreter Schaden für den Gemeinschaftshaushalt erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Irland/Kommission, Randnrn. 25 bis 27, 31, 58 und 59).

53      Schließlich hat der Rechnungshof nicht nur die Finanzierung von Nicht-KMU im Rahmen von Maßnahme 2.1 gerügt, sondern auch festgestellt, dass die fraglichen Operationen für eine Förderung durch die Gemeinschaft zu 100 % nicht in Betracht kämen.

54      Dieses Vorbringen der Klägerin ist demnach zurückzuweisen.

 Zur Unterscheidung von Mietkauf und Leasing und zur Unanwendbarkeit der Arbeitsblätter und der internationalen Rechnungslegungsstandards 17


–       Vorbringen der Parteien

55      In Bezug auf die Operationen Nr. 38, TelePassport Service GmbH, und Nr. 44, Schuster Kunststofftechnik GmbH, deren Ausgaben als nicht förderfähig eingestuft wurden, stellt die Bundesrepublik Deutschland zum einen die von der Kommission vorgenommene Unterscheidung zwischen Mietkauf und Leasing und zum anderen die Anwendbarkeit des Arbeitsblatts Nr. 20 im Anhang der Entscheidung 97/321/EG der Kommission vom 23. April 1997 zur Änderung der Entscheidungen betreffend die Genehmigung von Gemeinschaftlichen Förderkonzepten, Einheitlichen Programmplanungsdokumenten und Programmen im Rahmen der Gemeinschaftsinitiativen, die im Hinblick auf die Bundesrepublik Deutschland getroffen worden sind (ABl. L 146, S. 9) (im Folgenden: Arbeitsblatt Nr. 20), und der internationalen Rechnungslegungsstandards 17 in Frage.

56      Nach Ansicht der Bundesrepublik Deutschland ist der Mietkauf entgegen der Auffassung der Kommission keine „Sonderform des Leasing“. Der wesentliche Sinn eines Mietkaufvertrags sei der Erwerb eines Wirtschaftsguts, der aus buchhalterischer Sicht bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses wirksam erfolgt sei. Der Zweck des Leasings sei auf die bloße Gebrauchsüberlassung beschränkt, wobei die Leasingraten das Entgelt für diese Gebrauchsüberlassung darstellten. Daher sei es nicht gerechtfertigt, die Gemeinschaftsbeteiligung auf 60 Mietkaufraten zu begrenzen. Darüber hinaus entspreche der Preis des Mietkaufs nicht einer Gebrauchsüberlassung, sondern einer Kaufpreisrate, so dass die Auffassung der Kommission dazu führen würde, dass nicht danach unterschieden würde, ob der Kreditgeber eine Bank oder der Verkäufer einer Maschine sei.

57      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen, wobei sie hervorhebt, dass die Begriffe des Gemeinschaftsrechts autonom auszulegen seien und dass der Erwerb von Gegenständen mittels Mietkaufs nicht als Kauf angesehen werden könne, da die Endbegünstigten das vollständige Eigentum an den Gegenständen erst nach 60 Monaten erwürben, wenn sie alle Zahlungen geleistet hätten, was bei den betreffenden Projekten erst nach Abschluss der Gemeinschaftsintervention eingetreten sei.

–       Würdigung durch das Gericht

58      Nach ständiger Rechtsprechung sind die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung autonom und einheitlich unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs und des mit der Regelung verfolgten Zwecks auszulegen (Urteile des Gerichtshofs vom 19. September 2000, Linster, C‑287/98, Slg. 2000, I‑6917, Randnr. 43, und vom 18. Januar 1984, Ekro, 327/82, Slg. 1984, 107, Randnr. 11). Zudem ist, wie die Kommission zutreffend ausführt, die Tatsache, dass Adressat ihrer Entscheidung 97/321 hinsichtlich der Förderfähigkeit der Ausgaben die Bundesrepublik Deutschland ist, kein Grund, die dort verwendeten Begriffe nicht autonom und einheitlich auszulegen, denn diese Entscheidung ist eine von 15 ähnlichen Entscheidungen, die am selben Tag an die 15 damaligen Mitgliedstaaten gerichtet und gemeinsam veröffentlicht wurden.

59      Was den Kern des Vorbringens der Bundesrepublik Deutschland anbelangt, so kann der Erwerb eines Gegenstands im Rahmen eines Mietkaufs nicht als zu 100 % förderfähiger Kauf angesehen werden, da die Endbegünstigten den Kaufpreis im Förderzeitraum nicht vollständig beglichen haben. So haben die Endbegünstigten das vollständige Eigentum erst nach Ablauf von 60 Monaten, nach Vornahme aller Zahlungen, erworben, was bei den betreffenden Projekten erst nach Abschluss der Gemeinschaftsintervention eingetreten ist.

60      Zu den internationalen Rechnungslegungsstandards 17 ist festzustellen, dass der Verweis auf diese Normen im 30. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung unerheblich ist, da die angefochtene Entscheidung sie nur ganz hilfsweise, als Ausdruck allgemein anerkannter Buchführungsregeln, zur Auslegung des Begriffs des Finanzierungsleasings heranzieht.

61      Schließlich ist zur Anwendbarkeit der am 1. Mai 1997 in Kraft getretenen Arbeitsblätter (soweit die Bestimmungen dieser Arbeitsblätter, die der Entscheidung 97/321 beigefügt sind, den Mitgliedstaaten oder den Endbegünstigten neue oder zusätzliche Belastungen auferlegen) festzustellen, dass das Konzept der Förderfähigkeit nicht durch die genannte Entscheidung eingeführt wurde und dass mit den ihr beigefügten Arbeitsblättern nur die bestehende Praxis kodifiziert wurde, wobei für Leasingausgaben die bereits bestehende Regel, dass künftige Ausgaben nicht förderfähig sind, näher erläutert wurde. Daher kann von einer rückwirkenden Anwendung des Arbeitsblatts Nr. 20 keine Rede sein.

62      Dieses Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland ist daher zurückzuweisen.

 Zum Vorwurf, die Kommission habe bestimmte Unregelmäßigkeiten zu Unrecht als systematische Unregelmäßigkeiten eingestuft


–       Vorbringen der Parteien

63      Nach Ansicht der Bundesrepublik Deutschland geht die Kommission von der unzutreffenden Prämisse aus, der Rechnungshof habe die Förderung von Nicht-KMU unter Schwerpunkt 2.1 des Operationellen Programms als systematischen Fehler eingestuft. In diesem Zusammenhang wirft sie der Kommission vor, eine Extrapolation der Fehlerquote von 23,88 % auf die Gesamtausgaben des Schwerpunkts 2.1 des Operationellen Programms vorgenommen und dies auf den systematischen Charakter der Fehler gestützt zu haben, obwohl der Rechnungshof bei keinem der fünf genannten Projekte systematische Fehler festgestellt habe. Ohne diesen sachlichen Fehler hätte sich eine gänzlich andere Berechnungsgrundlage ergeben. Der angefochtenen Entscheidung könne auch nicht entnommen werden, dass die Kommission, wie sie behaupte, von den Wertungen des Rechnungshofs abgewichen sei.

64      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

–       Würdigung durch das Gericht

65      Hinsichtlich des gerügten Widerspruchs zwischen der angefochtenen Entscheidung und den Schlussfolgerungen des Rechnungshofs ist festzustellen, dass sich aus dem Wortlaut von Art. 24 der Verordnung Nr. 4253/88 nicht ergibt, dass die Kommission bei der Ausübung ihrer Befugnisse nach diesem Artikel an die Anmerkungen des Prüfungsorgans gebunden ist. Sie hat vielmehr die festgestellten Unregelmäßigkeiten selbst zu bewerten. Deshalb gibt die angefochtene Entscheidung die durch die Kommission vorgenommene Beurteilung und nicht die des Rechnungshofs wieder.

66      Ferner sind die Fehlbuchungen in Bezug auf Nicht-KMU systematischer Natur, weil sie auf Mängel im Bereich der Verwaltung, der Kontrolle oder des Audits zurückgehen, die sich mehrfach gezeigt haben und mit hoher Wahrscheinlichkeit in einer ganzen Reihe ähnlich gelagerter Fälle ebenfalls aufgetreten sind. Folglich hat die Kommission die Fehlbuchungen in Bezug auf Nicht-KMU zutreffend als systematische Unregelmäßigkeiten eingestuft.

67      Dieses Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland ist daher zurückzuweisen.

 Zum Vorwurf, die Kommission habe zu Unrecht die 5%‑Prüfungen als mangelhaft eingestuft und daraus auf Mängel bei den Verwaltungs- und Kontrollsystemen geschlossen


–       Vorbringen der Parteien

68      Die Bundesrepublik Deutschland weist die Beanstandungen der Kommission zurück, dass Mängel im Zusammenhang mit der Durchführung der 5%‑Prüfungen gemäß der Verordnung Nr. 2064/97 vorlägen, und ist der Ansicht, dass diese keine Unregelmäßigkeit begründeten.

69      Erstens sei aufgrund des externen Abschlussvermerks nach Art. 8 der Verordnung Nr. 2064/97 erwiesen, dass die „5%‑Prüfungen“ im Wesentlichen zuverlässig seien und den Anforderungen von Art. 3 der Verordnung entsprächen. Weder der Rechnungshof noch die externen Wirtschaftsprüfer hätten beanstandet, dass die Behörden des Landes Thüringen die von der Kommission im Rahmen ihrer Systemprüfung definierten Anforderungen nicht erfüllt hätten.

70      Zweitens rüge die Kommission zu Unrecht, dass in die für die 5%‑Prüfungen verwendeten „Checklisten“ nicht die in den Arbeitsblättern enthaltenen Leitlinien übernommen worden seien. Auch ohne explizite Aufnahme in die Checklisten seien die Leitlinien selbstverständlich und unstreitig integraler Bestandteil der 5%‑Prüfungen gewesen.

71      Drittens sei das Verhalten der Kommission widersprüchlich, da sie den genannten Vorwurf weder im Ventura-Protokoll vom 23. Juli 1998 noch in ihrem Bericht vom 30. Januar 2002 erhoben habe.

72      Viertens bedeute die bloße Tatsache, dass die 5%‑Prüfungen eine geringere Fehlerquote aufgewiesen hätten als die Prüfung des Rechnungshofs, für sich genommen nicht, dass die Verwaltungs- und Kontrollsysteme der zuständigen Behörden in Frage gestellt würden. Die unterschiedliche Fehlerquote ergebe sich daraus, dass der Rechnungshof eine Analyse der offenkundigen Schwachstellen im Verwaltungs- und Kontrollsystem vorgenommen habe, während die 5%‑Prüfungen, wie von der Verordnung gefordert, nach dem Zufallsverfahren vorgenommen worden seien. Während das auf Stichproben beruhende Kontrollverfahren repräsentativ sei, sei die Schwachstellenanalyse des Rechnungshofs darauf angelegt, Risiken aufzudecken.

73      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen. Für die vom Rechnungshof festgestellten Mängel bei den Verwaltungs- und Kontrollsystemen sei keine Finanzkorrektur vorgenommen worden.

–       Würdigung durch das Gericht

74      Der angefochtenen Entscheidung ist zu entnehmen, dass der von der Kommission darin ab dem elften Erwägungsgrund angeführte Hinweis auf die vom Rechnungshof festgestellten Mängel bei den Verwaltungs- und Kontrollsystemen der streitgegenständlichen Intervention keine selbständige Grundlage für die Kürzung der finanziellen Beteiligung darstellt. Die in der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Kürzung der finanziellen Beteiligung beruhte auf einer Korrektur individueller Unregelmäßigkeiten und auf einer aus Fehlern systematischer Natur resultierenden extrapolierten Finanzkorrektur. Für die vom Rechnungshof festgestellten Mängel bei den Verwaltungs- und Kontrollsystemen wurde keine Finanzkorrektur vorgenommen. Das vorliegende Argument geht also ins Leere.

75      Daher ist der erste Klagegrund in vollem Umfang zurückzuweisen.

 2. Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 4253/88 durch die Berechnung des Kürzungsbetrags im Wege der Extrapolation

 Zum ersten Teil des zweiten Klagegrundes: Unzulässigkeit der Extrapolationsmethode bei der Berechnung des Kürzungsbetrags nach Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 4253/88

 Zur fehlenden Extrapolationsbefugnis nach Art. 24 der Verordnung Nr. 4253/88


–       Vorbringen der Parteien

76      Die Bundesrepublik Deutschland macht geltend, dass nach Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 4253/88, der im Licht seiner Überschrift zu verstehen sei, die Kommission lediglich zur Kürzung, Aussetzung oder Streichung der betreffenden Aktion oder Maßnahme berechtigt sei. Abs. 1 dieser Vorschrift verweise auf einen konkreten Einzelfall, und Abs. 3 verweise auf die Rückzahlung der unrechtmäßig gezahlten Beträge. Daraus ergebe sich, dass eine Finanzkorrektur ausdrücklich auf Beträge beschränkt werde, von denen feststehe, dass sie unrechtmäßig gezahlt worden seien.

77      Außerdem unterscheide sich die Verordnung Nr. 4253/88 vom EAGFL-Rechnungsabschluss nach der Verordnung Nr. 729/70, deren Art. 5 Abs. 2 Buchst. c die Kommission ausdrücklich ermächtige, die Finanzkorrektur unter Berücksichtigung der Tragweite der festgestellten Nichtübereinstimmung, der Art und Schwere des Verstoßes sowie des der Europäischen Gemeinschaft entstandenen finanziellen Schadens zu bemessen.

78      Vor der Veröffentlichung der Verordnung Nr. 1260/1999, die für die Förderperiode 2000–2006 gelte, habe es keinen detaillierten Rechtsrahmen gegeben, der die wechselseitigen Rechte und Pflichten klar definiert hätte, so dass die Vornahme extrapolierter Finanzkorrekturen fragwürdig sei. Die Verordnung Nr. 2064/97 stelle keine Rechtsgrundlage dar und sehe erst recht kein Verfahren für extrapolierte Finanzkorrekturen vor.

79      Der Umstand, dass systematische Unregelmäßigkeiten oft nicht genau bezifferbar seien, ermächtige die Kommission nicht dazu, auf der Grundlage der Verordnung Nr. 4253/88 Extrapolationen vorzunehmen.

80      Das Königreich Spanien räumt ein, dass der Kommission nach der Rechtsprechung zu Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 4253/88 ein gewisser Ermessensspielraum zustehe. Die Anwendung einer Extrapolationsmethode führe jedoch zur Kürzung der Projektbeihilfe auf der Basis einer Vermutung und nicht auf der Basis einer Überprüfung. Eine solche Möglichkeit sei in der fraglichen Bestimmung nicht nur nicht vorgesehen, sondern widerspreche auch ihrem Geist und ihrer Zielsetzung. Entgegen der Ansicht der Kommission habe der Gerichtshof in seinem Urteil vom 6. April 2000, Spanien/Kommission (C‑443/97, Slg. 2000, I‑2415), die Anwendung der Extrapolationsmethode nicht gebilligt. Im Übrigen setze die Extrapolation die Feststellung von systematischen Unregelmäßigkeiten anhand einer repräsentativen Stichprobe voraus, was vorliegend nicht der Fall sei.

81      Das Königreich der Niederlande trägt ebenfalls vor, dass in Art. 24 der Verordnung Nr. 4253/88 keine Rechtsgrundlage für eine Extrapolation vorgesehen sei. Es sei nicht ersichtlich, wie die Grundsätze der wirtschaftlichen Haushaltsführung und der loyalen Zusammenarbeit, auf die sich die Kommission stütze, zu einer weiten Auslegung dieser Bestimmung führen könnten. Zudem könne sich die Kommission nicht durch interne Leitlinien, die keine Rechtsgrundlage für eine Extrapolation sein könnten, selbst neue Zuständigkeiten eröffnen. Nicht die Kommission bestimme die Reichweite ihrer Befugnisse und Zuständigkeiten, sondern der europäische Gesetzgeber. Auch aus dem Urteil Spanien/Kommission ergebe sich nichts anderes. Schließlich müsse die Extrapolation die verfahrensrechtlichen Garantien wahren, doch hätten die zum damaligen Zeitpunkt geltenden Rechtsvorschriften dafür keine Regelung enthalten.

82      Die Französische Republik ist erstens der Auffassung, dass die Kommission für den Programmplanungszeitraum 1994–1999 mangels Rechtsgrundlage keine Finanzkorrektur durch Extrapolation habe vornehmen dürfen. Schon aus dem Wortlaut von Art. 24 der Verordnung Nr. 4253/88 ergebe sich nämlich, dass die Kommission nur individuelle Finanzkorrekturen vornehmen dürfe. Dies unterscheide die Regelung für Finanzkorrekturen im Rahmen des EFRE im Programmplanungszeitraum 1994–1999 von der Regelung für den Rechnungsabschluss im Rahmen des EAGFL-Garantie. Im Rahmen des EAGFL-Garantie habe der Gerichtshof die Anwendung der Extrapolationsmethode zugelassen (Urteile vom 24. Januar 2002, Frankreich/Kommission, C‑118/99, Slg. 2002, I‑747, und vom 4. März 2004, Deutschland/Kommission, C‑344/01, Slg. 2004, I‑2081). Somit sei die Anwendung der Extrapolationsmethode nach der Rechtsprechung nicht grundsätzlich verboten. Art. 24 der Verordnung Nr. 4253/88 sehe hingegen ausdrücklich vor, dass die Kommission nur individuelle Finanzkorrekturen für die festgestellte Unregelmäßigkeit vornehmen dürfe. Erst mit der Verordnung Nr. 1260/1999 sei der Kommission die Befugnis verliehen worden, extrapolierte Korrekturen vorzunehmen. Folglich sei die Anwendung der Extrapolationsmethode nach der Verordnung Nr. 4253/88 grundsätzlich verboten.

83      Zweitens dürfe die Kommission im Rahmen der Verordnung Nr. 4253/88 deshalb keine Finanzkorrekturen durch Extrapolation vornehmen, weil diese Verordnung zum einen keine Bedingungen für die Durchführung der Extrapolationsmethode vorsehe und zum anderen diese Methode nicht mit strengen Verfahrensgarantien flankiere. Demnach dürfe die Kommission nur dann Korrekturen durch Extrapolation vornehmen, wenn sie eine nach dem Zufallsprinzip gewählte und repräsentative Stichprobe aus Geschäften mit übereinstimmenden Merkmalen verwende. Die Bedingungen und Gewährleistungen müssten in einem zwingenden Rechtsakt vorgesehen sein und nicht nur in bloßen Leitlinien der Kommission, auf die sich diese nicht berufen könne, um die Anwendung der Extrapolationsmethode zu rechtfertigen. Wie der Gerichtshof im Urteil Spanien/Kommission entschieden habe, erzeugten die internen Leitlinien keine Rechtswirkungen und seien kein zwingendes Recht. Daher könnten sie nicht als Rechtsgrundlage für die Extrapolation dienen.

84      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

–       Würdigung durch das Gericht

85      Nach dem Wortlaut von Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 4253/88 kann die Kommission die finanzielle Beteiligung an der betreffenden Aktion oder Maßnahme kürzen, wenn sie nach einer kontradiktorischen Prüfung, wie sie in Art. 24 Abs. 1 vorgesehen ist, eine Unregelmäßigkeit und insbesondere eine erhebliche Veränderung der Art oder der Durchführungsbedingungen der Aktion oder Maßnahme feststellt. Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 4253/88 unterscheidet weder quantitativ noch qualitativ zwischen den Unregelmäßigkeiten, die zur Kürzung einer Beteiligung führen können.

86      Diese Vorschrift räumt der Kommission also eine Kürzungsbefugnis und einen weiten Handlungsspielraum ein, ohne sie in ihrer Wahl der Methoden für die Ermittlung des Kürzungsbetrags einzuschränken.

87      Daher ist zu prüfen, ob sich die Anwendung der Extrapolationsmethode im vorliegenden Fall rechtfertigen lässt.

88      Erstens hängt die Frage, ob Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 4253/88 der Kommission gestattet, unter Heranziehung dieser Methode Finanzkorrekturen vorzunehmen, von der Auslegung des Satzteils „wenn … bestätigt wird, dass eine Unregelmäßigkeit … vorliegt“ in dieser Bestimmung ab.

89      Bei der Ausübung der Befugnis zur Vornahme von Finanzkorrekturen muss die von der Kommission herangezogene Methode zur Ermittlung des Rückzahlungsbetrags mit dem Ziel von Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 4253/88 vereinbar sein.

90      Ihr Ziel besteht darin, eine Finanzkorrektur zu ermöglichen, wenn die Ausgaben, deren Förderung beantragt wurde, nicht im Einklang mit den Unionsvorschriften getätigt wurden. In Anbetracht dieses Ziels ist Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 4253/88 in einer Weise auszulegen, die der Kommission eine angemessene Kürzung der finanziellen Beteiligung ermöglicht.

91      Genauer gesagt hängt, wie die Kommission im 25. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausführt, die Höhe der Korrektur von dem bei der Prüfung ermittelten Verlust für den Gesamthaushalt der Union ab. Dieser Verlust muss in voller Höhe ausgeglichen werden, da insoweit jedes Versäumnis eine Verletzung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung darstellen würde, zu dessen Einhaltung sich die Kommission und die Mitgliedstaaten gemäß Art. 274 EG verpflichtet haben. Die Kommission muss also die finanzielle Beteiligung in einem Maß kürzen können, das die Tragweite der Unregelmäßigkeit widerspiegelt, die sie im kontradiktorischen Verfahren nach Art. 24 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4253/88 festgestellt hat.

92      Im Übrigen darf sich die Kommission nach ständiger Rechtsprechung nicht damit begnügen, die Unregelmäßigkeiten zu vermuten, sondern muss rechtlich hinreichend nachweisen, dass sie nicht auf die von ihr untersuchten konkreten Fälle beschränkt waren. Um darzulegen, dass die Unregelmäßigkeiten nicht auf die von ihr untersuchten konkreten Fälle beschränkt sind, reicht es dabei aus, dass sie Belege beibringt, die ernsthafte und berechtigte Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit aller vom betreffenden Mitgliedstaat durchgeführten Kontrollen begründen. Sie ist nicht verpflichtet, die Unzulänglichkeit sämtlicher Kontrollen umfassend darzulegen (vgl. entsprechend Urteil vom 4. März 2004, Deutschland/Kommission, Randnr. 58).

93      Diese Erleichterung der Beweislast erklärt sich daraus, dass die Verordnung Nr. 4253/88 keine systematischen Kontrollen seitens der Kommission vorsieht, wozu sie im Übrigen materiell nicht in der Lage wäre, da sie nicht über die erforderliche Nähe zu den Wirtschaftsteilnehmern verfügt, um von ihnen die benötigten Auskünfte zu erhalten.

94      Hat die Kommission genügend Belege beigebracht, um ernsthafte und berechtigte Zweifel an allen nationalen Kontrollen zu begründen, muss der betreffende Mitgliedstaat die Fehlerhaftigkeit der Angaben der Kommission darlegen, indem er detailliertere Belege dafür beibringt, dass seine Kontrollen stattgefunden haben. Bringt der Mitgliedstaat solche Belege nicht bei, stellt die Kommission fest, dass die Unregelmäßigkeiten nicht auf die von ihr untersuchten konkreten Fälle beschränkt waren.

95      Die Entscheidung über die Kürzung muss die Tatsache widerspiegeln, dass es sich um systematische Unregelmäßigkeiten handelt. Die Kommission verfügt zudem nicht über Informationen zu allen Kontrollen, die der betreffende Mitgliedstaat durchgeführt hat. In einem solchen Fall stellt die Heranziehung der Extrapolationsmethode das am besten geeignete Mittel dar, um die Ziele von Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 4253/88 zu erreichen. Steht fest, dass es sich um systematische Unregelmäßigkeiten handelt, beruht die Kürzung der finanziellen Beteiligung somit nicht auf einer bloßen Vermutung der Kommission, sondern auf einer feststehenden Tatsache.

96      Die Kommission bleibt jedoch verpflichtet, die sich insbesondere aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Vorgaben des Unionsrechts einzuhalten. Ob die Kommission bei Erlass der angefochtenen Entscheidung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingehalten hat, wird nachfolgend im Rahmen des fünften Klagegrundes geprüft.

97      Somit ist festzustellen, dass Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 4253/88 der Kommission nicht verbietet, bei der Vornahme einer Finanzkorrektur die Extrapolationsmethode anzuwenden.

98      Im Übrigen lässt sich der Umstand, dass die Verordnung Nr. 2064/97 keine Extrapolation von Finanzkorrekturen vorsieht, dadurch erklären, dass es sich bei ihr um eine Durchführungsverordnung handelt, die auf Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 4 der Verordnung Nr. 4253/88 beruht, der die Mindesterfordernisse für die mitgliedstaatlichen Systeme der Finanzkontrolle bei von den Strukturfonds kofinanzierten Maßnahmen festlegt.

99      Dieses Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland ist daher zurückzuweisen.

 Zur fehlenden Befugnis zur Extrapolation aufgrund der internen Leitlinien


–       Vorbringen der Parteien

100    Die Bundesrepublik Deutschland macht ferner geltend, die Kommission dürfe nicht auf der Grundlage ihrer internen Leitlinien Extrapolationen vornehmen, insbesondere wegen der rein internen Natur der Leitlinien und ihrer fehlenden Rechtswirkung gegenüber Dritten.

101    Außerdem hätten die Mitgliedstaaten den Inhalt dieser Leitlinien nicht akzeptiert und seien ihnen wiederholt entgegengetreten. Die Kommission könne sich aber nicht auf Vorschriften berufen, die von den Mitgliedstaaten nicht gebilligt worden seien.

102    Schließlich macht die Bundesrepublik Deutschland geltend, dass entgegen den Feststellungen im 25. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung die Voraussetzungen und der Höchstbetrag der Pauschalkorrekturen oder Extrapolationen in den Leitlinien nicht beschrieben würden und dort auch keine Berechnungsmethode genannt werde.

103    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

–       Würdigung durch das Gericht

104    Zunächst ist festzustellen, dass die angefochtene Entscheidung auf Art. 24 der Verordnung Nr. 4253/88 gestützt ist. Ferner ergibt sich aus der angefochtenen Entscheidung nicht, dass die Kommission die internen Leitlinien als Rechtsgrundlage für sie herangezogen hätte.

105    Jedenfalls hat der Gerichtshof die Frage der Tragweite der internen Leitlinien bereits im Rahmen des Urteils Spanien/Kommission geprüft. Das Königreich Spanien hatte die Nichtigerklärung der internen Leitlinien beantragt und vorgetragen, dass sie die Mitgliedstaaten mit neuen finanziellen Sanktionen bedrohten und dass die Kommission für den Erlass eines solchen Rechtsakts nicht zuständig sei.

106    Die Kommission hatte eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben und vorgetragen, die internen Leitlinien erlegten den Mitgliedstaaten keine zusätzlichen Pflichten auf, die über die bereits in Art. 24 der Verordnung Nr. 4253/88 vorgesehenen hinausgingen, beeinträchtigten ihre bereits bestehende Rechtsstellung nicht und erzeugten keine Rechtswirkungen.

107    Der Gerichtshof hat darauf hingewiesen, dass die Kommission gemäß Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 4253/88 die finanzielle Beteiligung kürzen oder aussetzen kann. Er hat festgestellt, dass nichts die Kommission daran hindert, interne Leitlinien für Finanzkorrekturen im Rahmen der Anwendung von Art. 24 der Verordnung Nr. 4253/88 zu erlassen und den betroffenen Dienststellen aufzugeben, sie anzuwenden. Die internen Leitlinien enthalten somit die allgemeinen Regeln, die die Kommission künftig zugrunde zu legen gedenkt, wenn sie, gestützt auf Art. 24 der Verordnung Nr. 4253/88, Einzelfallentscheidungen erlässt, deren Rechtmäßigkeit der betroffene Mitgliedstaat vor dem Unionsrichter in Frage stellen kann. Nach der Rechtsprechung kann eine solche Handlung der Kommission, die nur deren Absicht zum Ausdruck bringt, sich bei der Ausübung der ihr durch Art. 24 der Verordnung Nr. 4253/88 zugewiesenen Befugnis in bestimmter Weise zu verhalten, daher nicht als Handlung angesehen werden, die Rechtswirkungen entfalten soll (Urteile des Gerichtshofs vom 27. September 1988, Vereinigtes Königreich/Kommission, 114/86, Slg. 1988, 5289, Randnr. 13, und vom 5. Mai 1998, Vereinigtes Königreich/Kommission, C‑180/96, Slg. 1998, I‑2265, Randnr. 28).

108    Solche Leitlinien sind nur Ausdruck der Absicht der Kommission, sich bei der Ausübung der ihr durch Art. 24 der Verordnung Nr. 4253/88 zugewiesenen Befugnis in bestimmter Weise zu verhalten.

109    Im Ergebnis hat der Gerichtshof die internen Leitlinien nicht als Handlung angesehen, die Rechtswirkungen entfalten soll, und deshalb die Anfechtungsklage des Königreichs Spanien als unzulässig abgewiesen.

110    Der Gerichtshof hat also, indem er die Klage aus den genannten Gründen als unzulässig angesehen hat, zwischen den internen Leitlinien und den auf ihrer Grundlage ergangenen Einzelfallentscheidungen unterschieden.

111    Aus der angeführten Rechtsprechung folgt, dass die Kommission auf die internen Leitlinien Bezug nehmen könnte, um die Transparenz der an die Mitgliedstaaten gerichteten Einzelfallentscheidungen zu erhöhen. Wie oben in Randnr. 104 bereits ausgeführt, ist aber Art. 24 der Verordnung Nr. 4253/88 die einzige Rechtsgrundlage, auf die die Kommission die angefochtene Entscheidung gestützt hat.

112    Dieses Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland geht daher ins Leere und ist somit zurückzuweisen.

113    Der erste Teil des zweiten Klagegrundes ist deshalb in vollem Umfang zurückzuweisen.

 Zum zweiten, hilfsweise vorgetragenen Teil des zweiten Klagegrundes: Die Kommission hätte im vorliegenden Fall keine Extrapolation vornehmen dürfen

 Vorbringen der Parteien

114    Nach Ansicht der Bundesrepublik Deutschland beruht die Extrapolation auf einer nicht repräsentativen Stichprobe. Im Einzelnen macht sie geltend, dass es in der angefochtenen Entscheidung keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Prüfungsergebnisse des Rechnungshofs, auf die die Kommission ihre Extrapolationen stütze, anhand eines repräsentativen Stichprobenverfahrens erzielt worden seien, zu dem der Rechnungshof auch nicht verpflichtet sei. Während ein statistisches Stichprobenverfahren dazu diene, aus repräsentativen Normalfällen zu einer Gesamtbewertung zu gelangen, setze eine Schwachstellenanalyse eine Vorabfestlegung von Prüfungsthemen und ‑zielen voraus. Dadurch habe sich die Kommission in Widerspruch zu ihren eigenen Vorgaben in Nr. 6 ihrer internen Leitlinien und im elften Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung gesetzt.

115    In Bezug auf die von der Kommission gezogene Parallele zum EAGFL-Garantie wirft die Bundesrepublik Deutschland der Kommission vor, sie habe verschwiegen, dass gemäß den in diesem Zusammenhang geltenden Leitlinien eine Extrapolation in Höhe von maximal 10 % nur zulässig sei, wenn die Gefahr eines sehr hohen und allgemeinen Verlusts bestehe. Im vorliegenden Fall betrage die Fehlerquote jedoch 23,88 %, und es sei nicht behauptet worden, dass eine solche Gefahr bestehe.

116    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

117    Den Akten ist zu entnehmen, dass der Rechnungshof zur Bestimmung der Stichprobe, auf deren Grundlage er seine Kontrolle durchgeführt hat, im Einklang mit dem Prüfungsplan für die Zuverlässigkeitserklärung 2003 und seinen eigenen internen Leitlinien mittels Zufallsverfahren 30 Operationen, darunter 28 unter der Maßnahme 2.1, ausgewählt hat, wobei der Umfang der Stichprobe je nach Art des Fonds festgelegt wurde.

118    Die vom Rechnungshof vorgenommenen Kontrollen sind demnach angemessen, objektiv und repräsentativ, und der Rechnungshof hat auf der Grundlage eines repräsentativen Stichprobenverfahrens gearbeitet, so dass die Kommission eine Extrapolation vornehmen durfte.

119    Im Übrigen sind die Leitlinien zum EAGFL‑Garantie im vorliegenden Fall nicht anwendbar, zumal sich die von der Bundesrepublik Deutschland genannten Prozentsätze auf Pauschalkorrekturen und nicht auf Extrapolationen beziehen. Das Ziel der Extrapolation besteht aber darin, keine pauschalierte Berichtigung vorzunehmen, sondern die Fehlerquote einer repräsentativen Stichprobe auf die Gesamtheit der Fälle, aus denen die Stichprobe gebildet worden ist, hochzurechnen.

120    Daher sind der zweite Teil des zweiten Klagegrundes und der zweite Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

 3. Zum dritten Klagegrund: Fehlende Vor-Ort-Kontrolle durch die Kommission vor der Kürzung

 Vorbringen der Parteien

121    Nach Ansicht der Bundesrepublik Deutschland stellt die Berufung der Kommission auf die Schwachstellenanalyse einen wesentlichen Verfahrensfehler dar. Dadurch werde nämlich Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 4253/88 und somit eine zwingende Verfahrensvorschrift verletzt, nach der die Maßnahmen, die aus den Strukturfonds finanziert würden, vor Ort und im Stichprobenverfahren zu kontrollieren seien. Eine Schwachstellenanalyse des Rechnungshofs könne ein von den Dienststellen der Kommission aufgrund repräsentativer Stichproben durchgeführtes Kontrollverfahren nicht ersetzen.

122    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

123    Hinsichtlich des Vorwurfs der Bundesrepublik Deutschland, die Kommission habe selbst keine Kontrollen durchgeführt, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach Art. 24 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4253/88, wenn eine Aktion oder eine Maßnahme so ausgeführt wird, dass nur ein Teil der gewährten finanziellen Beteiligung gerechtfertigt erscheint, „eine entsprechende Prüfung“ vornimmt.

124    Aus dieser Formulierung eine Verpflichtung der Kommission abzuleiten, die erforderlichen Kontrollen ausschließlich selbst vorzunehmen, wäre aber eine zu strenge Auslegung, die dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung widerspräche, weil sie zu einer Verdoppelung von Kontrollen und damit zu Einbußen an Gemeinschaftsmitteln führen würde.

125    Im Übrigen steht fest, dass die Kommission in Wahrnehmung ihrer Aufgabe, die Verwendung der Gemeinschaftsfonds zu kontrollieren, zur Nutzung verschiedener Informationsquellen berechtigt ist. Das Gericht hat bereits einen bloßen Verweis auf von den nationalen Behörden erhobene Tatsachen als ausreichend erachtet. So hat es im Urteil vom 26. September 2002, Sgaravatti Mediterranea/Kommission (T‑199/99, Slg. 2002, II‑3731, Randnr. 45), entschieden, dass sich die Kommission, wenn die nationalen Behörden eingehend überprüft haben, ob der Empfänger eines Gemeinschaftszuschusses seinen finanziellen Verpflichtungen nachgekommen ist, auf ihre ausführlichen Tatsachenfeststellungen stützen und prüfen darf, ob diese Feststellungen auf das Vorliegen von Unregelmäßigkeiten schließen lassen, die eine Sanktion nach Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 4253/88 rechtfertigen. Diese Rechtsprechung wurde vom Gericht im Urteil vom 17. Dezember 2008, Italien/Kommission (T‑154/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 42), bestätigt.

126    Dagegen muss dafür Sorge getragen werden, dass die Mitgliedstaaten nicht aufgrund der Wahl der Vorgehensweise oder des Urhebers der Kontrollen einen Verfahrensnachteil oder materiellen Schaden erleiden. Deshalb ist zu prüfen, ob die Verfahrensgarantien und die praktischen Folgen der vom Rechnungshof und der von der Kommission durchgeführten Kontrollen einander entsprechen.

127    Hinsichtlich der Verfahrensgarantien sind die beiden Arten von Kontrollen – durch die Kommission und durch den Rechnungshof – vergleichbar. In beiden Fällen sind die Verteidigungsrechte zu wahren, finden Prüfungsnormen von hohem Standard Anwendung, ist der Mitgliedstaat zu informieren, bevor eine Vor-Ort-Kontrolle durchgeführt wird, können die Bediensteten der nationalen Behörden an den Kontrollen teilnehmen und ist der betreffende Mitgliedstaat zu einer Stellungnahme zu den Ergebnissen der Kontrolle aufzufordern.

128    Dagegen sind die vorhersehbaren praktischen Folgen der beiden Arten von Kontrollen nicht vergleichbar, denn der Bericht des Rechnungshofs ist nicht verbindlich, und auf seiner Grundlage können nicht unmittelbar Finanzkorrekturen vorgenommen werden.

129    Der Rechnungshof und die Kommission haben im Haushaltsverfahren der Gemeinschaft nämlich unterschiedliche Rollen. Der Rechnungshof nimmt nach Art. 246 EG die Rechnungsprüfung wahr. Nach Art. 248 Abs. 1 EG prüft er alle Einnahmen und Ausgaben der Gemeinschaft und legt dem Europäischen Parlament und dem Rat eine Erklärung über die Zuverlässigkeit der Rechnungsführung sowie die Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der zugrunde liegenden Vorgänge vor. Der Rechnungshof muss also insbesondere die Verwaltung der Mittel der Gemeinschaftsfonds durch die Kommission überprüfen. Er stellt einen Sachverhalt fest und gibt Empfehlungen für die Optimierung der Verwaltung der Finanzen. Die Kommission übt eine ergänzende Funktion aus, die darin besteht, dass sie die Mittel zurückfordert, wenn Unregelmäßigkeiten bei der Durchführung von Projekten festgestellt wurden.

130    In systematischer Hinsicht sind folglich die Rollen und Funktionen der beiden Organe nicht identisch, und die Kommission kann sich die Schlussfolgerungen des Rechnungshofs nicht automatisch zu eigen machen.

131    Im Allgemeinen muss daher die in Art. 24 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4253/88 vorgeschriebene Prüfung nicht unbedingt durch Beamte oder Bedienstete der Kommission erfolgen. Die Kommission muss aber zum einen sicherstellen, dass die Korrekturen, die sie auf der Grundlage von Kontrollen vornimmt, die ein Dritter durchgeführt hat, nicht automatisch erfolgen, sondern auf eine mit dem betreffenden Mitgliedstaat partnerschaftlich durchgeführte Analyse der Daten und Prüfungsergebnisse gestützt werden, und sie muss zum anderen ihre eigene Entscheidung auf der Grundlage dieser Kontrollen und nachfolgenden Konsultationen erlassen.

132    Folglich ist zu prüfen, ob die Kommission dem betreffenden Mitgliedstaat während des Verwaltungsverfahrens im Rahmen einer Partnerschaft mit den nationalen Behörden tatsächlich Gelegenheit gegeben hat, sich zu den Feststellungen des Rechnungshofs und zu den von ihr auf der Grundlage dieser Feststellungen ins Auge gefassten Korrekturen zu äußern.

133    Wie sich aus der angefochtenen Entscheidung ergibt, beschäftigten sich die Kommissionsdienststellen gemäß Art. 24 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4253/88 im Anschluss an das Audit mit den Grundlagen der Feststellungen des Rechnungshofs und ersuchten die deutschen Behörden um Vorlage ergänzender Informationen und Unterlagen. Die Ergebnisse dieser Prüfung übermittelten die Kommissionsdienststellen den deutschen Behörden mit Schreiben vom 19. Oktober 2006. Die deutschen Behörden antworteten mit Schreiben vom 5. Januar 2007, in dem sie Einspruch gegen die Anwendung extrapolierter Finanzkorrekturen auf die operationellen Programme im Zeitraum 1994–1999 erhoben. Mit Schreiben vom 23. April 2007 lud die Kommission die deutschen Behörden zu einem bilateralen Treffen ein, das am 8. Mai 2007 in Brüssel stattfand. In der Anhörung über die Anwendung einer extrapolierten Finanzkorrektur konnte kein Einvernehmen erzielt werden. Die deutschen Behörden verpflichteten sich jedoch, innerhalb von zwei Wochen nach dem Treffen weitere beweiskräftige Belege für die Erstattungsfähigkeit bestimmter Ausgaben und Operationen beizubringen. Diese Unterlagen wurden der Kommission mit Schreiben vom 22. Juni 2007 übermittelt.

134    Demnach hat die Kommission der Bundesrepublik Deutschland ausreichend Gelegenheit gegeben, sich zu den Schlussfolgerungen des Rechnungshofs zu äußern, und sie hat im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4253/88 eine entsprechende Prüfung des Falles im partnerschaftlichen Rahmen vorgenommen, wobei sie insbesondere den für die Finanzkorrekturen ursprünglich vorgesehenen Betrag herabgesetzt hat (siehe oben, Randnr. 13).

135    Am Ende dieses Verfahrens hat sich die Kommission somit die Ergebnisse der Kontrolle durch den Rechnungshof tatsächlich zu eigen gemacht, und die Verfahrensgarantien des Mitgliedstaats wurden jedenfalls gewahrt.

136    Daher ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen.

 4. Zum vierten Klagegrund: Verletzung der Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit und der loyalen Zusammenarbeit, da die Kommission keine Einwände gegen die Fehlverbuchung von Nicht-KMU erhoben habe

 Vorbringen der Parteien

137    Die Bundesrepublik Deutschland macht geltend, die Kommission habe in ihren Entscheidungen vom 5. August 1994, vom 10. Oktober 1996 und vom 20. Dezember 1999 keine Vorbehalte gegen die Verbuchung von Unternehmen mit 500 und mehr Beschäftigten als KMU erhoben, so dass die deutschen Behörden berechtigterweise darauf hätten vertrauen dürfen, dass die Kommission keine Einwände dagegen erheben werde. Dadurch treffe die Kommission ein Mitverschulden an ihren eigenen Beanstandungen. Der Umstand, dass die Kommission eine Extrapolation vornehme, die mit dem Vorliegen systematischer Mängel aufgrund der Fehlverbuchung von KMU-Fördermitteln begründet werde, ohne dabei ihr eigenes Mitverschulden zu berücksichtigen, verletze offensichtlich die Grundsätze der Rechtssicherheit und der loyalen Zusammenarbeit.


138    Das Versäumnis der Kommission wiege umso schwerer, als sie in den Jahren 1997 und 1999 jährliche Berichte zur Bewertung der EFRE-Interventionen erhalten habe, in denen u. a. auch Unternehmen mit 500 und mehr Beschäftigten unter den KMU-Maßnahmen verbucht worden seien, ohne dass dies beanstandet worden sei. Im Abschlussbericht aus dem Jahr 2002 werde dies ebenfalls nicht beanstandet.

139    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

140    Wie im Rahmen der Prüfung der vorstehenden Klagegründe ausgeführt (siehe oben, Randnrn. 37 und 39), sind in erster Linie die Mitgliedstaaten für die ordnungsgemäße Durchführung der vom EFRE finanzierten Operationen verantwortlich.

141    Wie sich aus Randnr. 79 des Urteils des Gerichts vom 8. Juli 2008, Sviluppo Italia Basilicata/Kommission (T‑176/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), ergibt, enthält die Verordnung Nr. 4253/88 zudem keine Verfahrensvorschrift, nach der die Befugnis der Kommission, eine Beteiligung zu kürzen oder zu streichen, von der Bedingung abhinge, dass sie vor dem Abschluss der Intervention Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung des Vorhabens geäußert hätte.

142    Das Recht, sich auf Vertrauensschutz zu berufen, ist außerdem an drei kumulative Voraussetzungen gebunden. Erstens muss die Unionsverwaltung dem Betroffenen präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen von zuständiger und zuverlässiger Seite machen. Zweitens müssen diese Zusicherungen geeignet sein, beim Adressaten begründete Erwartungen zu wecken. Drittens müssen die gegebenen Zusicherungen den geltenden Vorschriften entsprechen (vgl. Urteile des Gerichts vom 30. Juni 2005, Branco/Kommission, T‑347/03, Slg. 2005, II‑2555, Randnr. 102 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 23. Februar 2006, Cementbouw Handel & Industrie/Kommission, T‑282/02, Slg. 2006, II‑319, Randnr. 77).

143    Zunächst ist jedoch festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland eine Zusicherung der Kommission, wonach Unternehmen mit 500 und mehr Beschäftigten als KMU angesehen würden und daher in den Genuss einer finanziellen Beteiligung kommen könnten, nicht nachgewiesen hat. Folglich ist der Grundsatz der Rechtssicherheit nicht verletzt.

144    Ferner erwächst dem betreffenden Mitgliedstaat nach ständiger Rechtsprechung aus der Duldung vergangener Unregelmäßigkeiten kein Recht, unter Berufung auf die Grundsätze der Rechtssicherheit oder des Vertrauensschutzes die gleiche Haltung gegenüber aktuellen Unregelmäßigkeiten zu fordern (Urteil Irland/Kommission, Randnr. 68).

145    Der vierte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

 5. Zum fünften Klagegrund: Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch die von der Kommission beschlossene übermäßige Kürzung der Beteiligung


 Vorbringen der Parteien

146    Die Bundesrepublik Deutschland trägt vor, die Kommission habe den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, indem sie auf der Grundlage einer Extrapolation auf die gesamte Förderperiode eine übermäßige Kürzung vorgenommen habe. Die vom Rechnungshof festgestellten Fehler rechtfertigten nämlich nicht den pauschalen Vorwurf, die Verwaltungs- und Kontrollsysteme des Landes Thüringen hätten in den Jahren 1994 bis 1999 nicht gegriffen. Diese Beurteilung stehe im Widerspruch zu den Bewertungen der Kommission aus den Jahren 1998 und 2002 sowie zum Abschlussvermerk einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, gegen den die Kommission keine Einwände erhoben habe. Die Schlusszahlung am 23. Juni 2003 sei gerade deshalb erfolgt, weil die Kommission keine grundlegenden Beanstandungen am Verwaltungs- und Kontrollsystem festgestellt habe.

147    Selbst wenn man Leasing und Mietkauf gleichstelle, habe die Kommission zudem die Förderung des Leasings erst ab 1. Mai 1997 einer einschränkenden Regelung unterworfen.

148    Auch in Bezug auf die Tralag Landmaschinen GmbH sei eine Extrapolation nicht statthaft, da diesem Unternehmen eine zusätzliche Förderung von 15 % im Rahmen des 24. Rahmenplans gewährt worden sei, der erst nach dem 17. März 1995 anwendbar gewesen sei.

149    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

150    Was das Argument anbelangt, die Kommission habe vor Erlass der angefochtenen Entscheidung keine grundlegenden Beanstandungen am Verwaltungs- und Kontrollsystem festgestellt, ist darauf hinzuweisen, dass es in Wirklichkeit den Grundsatz des Vertrauensschutzes betrifft. Nach gefestigter Rechtsprechung ist das Recht auf Vertrauensschutz an drei Voraussetzungen gebunden. Erstens muss die Unionsverwaltung dem Betroffenen präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen von zuständiger und zuverlässiger Seite machen. Zweitens müssen diese Zusicherungen geeignet sein, beim Adressaten begründete Erwartungen zu wecken. Drittens müssen die gegebenen Zusicherungen den geltenden Vorschriften entsprechen (vgl. Urteile Branco/Kommission, Randnr. 102 und die dort angeführte Rechtsprechung, und Cementbouw Handel & Industrie/Kommission, Randnr. 77).

151    Den Akten der Rechtssache oder dem Vorbringen der Klägerin lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass die Klägerin solche präzisen, nicht an Bedingungen geknüpften und übereinstimmenden Zusicherungen von der Kommission erhalten hätte. Dieses Argument ist somit zurückzuweisen.

152    In Bezug auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist zu beachten, dass er verlangt, dass die Rechtsakte der Unionsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten, was für die Erreichung des verfolgten Ziels angemessen und erforderlich ist. Insbesondere kann nach diesem Grundsatz ein Verstoß gegen die Verpflichtungen, deren Einhaltung für das ordnungsgemäße Funktionieren eines Gemeinschaftssystems von grundlegender Bedeutung ist, mit dem Verlust eines durch die Unionsregelung verliehenen Anspruchs, etwa eines Anspruchs auf einen finanziellen Zuschuss, geahndet werden (Urteil Sgaravatti Mediterranea/Kommission, Randnrn. 134 und 135).

153    In diesem Zusammenhang ergibt sich aus einer ständigen Rechtsprechung zum EAGFL, die im vorliegenden Fall entsprechende Anwendung findet, dass die Kommission so weit gehen kann, die Übernahme sämtlicher Ausgaben durch die Fonds abzulehnen, wenn sie feststellt, dass es keine ausreichenden Kontrollmechanismen gibt (Urteil des Gerichtshofs vom 20. September 2001, Belgien/Kommission, C‑263/98, Slg. 2001, I‑6063, Randnr. 125). Die Kommission muss jedoch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten, der verlangt, dass die Handlungen der Unionsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten, was für die Erreichung des verfolgten Ziels angemessen und erforderlich ist (Urteil des Gerichtshofs vom 17. Mai 1984, Denkavit Nederland, 15/83, Slg. 1984, 2171, Randnr. 25). Bemüht sich die Kommission im Rahmen des Rechnungsabschlussverfahrens, nicht die Finanzierung der gesamten Ausgaben abzulehnen, sondern Leitlinien aufzustellen, die nach Maßgabe dessen differenzieren sollen, welche Gefahr Kontrollmängel unterschiedlichen Grades darstellen, so muss der Mitgliedstaat belegen, dass diese Leitlinien willkürlich und unbillig sind (Urteil des Gerichtshofs vom 4. Juli 1996, Griechenland/Kommission, C‑50/94, Slg. 1996, I‑3331, Randnr. 28).

154    Demnach war die Kommission nicht daran gehindert, Finanzkorrekturen vorzunehmen.

155    Die Kommission muss außerdem nach Nr. 6 der internen Leitlinien, wenn sie eine Extrapolation in Aussicht nimmt, den spezifischen Charakter des unzulänglichen Verwaltungssystems, den Grad der Wahrscheinlichkeit, dass infolgedessen auch anderweitig Mittel missbräuchlich verwendet werden könnten, sowie Häufigkeit und Auswirkungen der Unregelmäßigkeiten berücksichtigen.

156    Wie bereits festgestellt (siehe oben, Randnr. 85), verfügt die Kommission über ein gewisses Ermessen, das ihr durch Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 4253/88 eingeräumt wird und ihr ermöglicht, Entscheidungen unter Wahrung des in Art. 274 EG aufgestellten Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung und überdies des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu treffen.

157    Wie ebenfalls oben ausgeführt, hat die Kommission die Ergebnisse der vom Rechnungshof durchgeführten Kontrollen analysiert und den ursprünglich ins Auge gefassten Betrag der Finanzkorrekturen herabgesetzt.

158    Im vorliegenden Fall geht ein großer Teil der nach den Konsultationen mit den deutschen Behörden immer noch festgestellten Unregelmäßigkeiten, wie die Fehlverbuchung von Nicht-KMU oder die fehlende Erstattungsfähigkeit der Ausgaben im Zusammenhang mit Leasingverträgen, auf grundsätzliche Mängel im Bereich der Verwaltung, der Kontrolle oder des Audits der Maßnahme 2.1 während des gesamten Programmplanungszeitraums 1994–1999 zurück. Diese Mängel sind mit hoher Wahrscheinlichkeit in einer Reihe ähnlich gelagerter Fälle ebenfalls aufgetreten. Daher hat die Kommission die Extrapolationsmethode zu Recht angewandt, insbesondere in Anbetracht der Bedeutung einer ordnungsgemäßen Arbeitsweise der nationalen Verwaltung, die in erster Linie für die ordnungsgemäße Durchführung der von den Fonds finanzierten Projekte verantwortlich ist (siehe oben, Randnrn. 37 und 39) und die, wie in der Verordnung Nr. 4253/88 mehrfach hervorgehoben wird, mit der Kommission partnerschaftlich zusammenarbeiten soll.

159    Der fünfte Klagegrund ist deshalb zurückzuweisen, so dass die Klage in vollem Umfang abzuweisen ist.

 Kosten

160    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

161    Da die Bundesrepublik Deutschland mit ihrem gesamten Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

162    Nach Art. 87 § 4 der Verfahrensordnung haben die Streithelfer ihre eigenen Kosten zu tragen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Bundesrepublik Deutschland trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Europäischen Kommission.

3.      Das Königreich Spanien, die Französische Republik und das Königreich der Niederlande tragen ihre eigenen Kosten.



Czúcz

Labucka

Gratsias

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 19. September 2012.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


Vorgeschichte des Rechtsstreits

Verfahren und Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 4253/88, da die erforderlichen Voraussetzungen für eine Kürzung nicht vorlägen

Zum ersten Teil des ersten Klagegrundes: Die Verwaltungsfehler nationaler Behörden könnten nicht als Unregelmäßigkeiten im Sinne von Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 4253/88 eingestuft werden

– Vorbringen der Parteien

– Würdigung durch das Gericht

Zum zweiten, hilfsweise vorgetragenen Teil des ersten Klagegrundes: Bestimmte in der angefochtenen Entscheidung von der Kommission festgestellte Unregelmäßigkeiten lägen nicht vor

– Zum Vorwurf, die Kommission habe Ausgaben für Projekte betreffend Nicht-KMU zu Unrecht als nicht förderfähig eingestuft

– Vorbringen der Parteien

– Würdigung durch das Gericht

– Zur Unterscheidung von Mietkauf und Leasing und zur Unanwendbarkeit der Arbeitsblätter und des Internationalen Rechnungslegungsstandards 17

– Vorbringen der Parteien

– Würdigung durch das Gericht

– Zum Vorwurf, die Kommission habe bestimmte Unregelmäßigkeiten zu Unrecht als systematische Unregelmäßigkeiten eingestuft

– Vorbringen der Parteien

– Würdigung durch das Gericht

– Zum Vorwurf, die Kommission habe zu Unrecht die 5 %-Prüfungen als mangelhaft eingestuft und daraus auf Mängel in den Verwaltungs- und Kontrollsystemen geschlossen

– Vorbringen der Parteien

– Würdigung durch das Gericht

Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 4253/88 durch die extrapolierte Berechnung des Kürzungsbetrags

Zum ersten Teil des zweiten Klagegrundes: Unzulässigkeit der Extrapolationsmethode zur Berechnung des Kürzungsbetrags nach Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 4253/88

– Zur fehlenden Befugnis zur Extrapolation nach Art. 24 der Verordnung Nr. 4253/88

– Vorbringen der Parteien

– Würdigung durch das Gericht

– Zur fehlenden Befugnis zur Extrapolation aufgrund der internen Leitlinien

– Vorbringen der Parteien

– Würdigung durch das Gericht

Zum zweiten, hilfsweise vorgetragenen Teil des zweiten Klagegrundes: Die Kommission hätte im vorliegenden Fall keine Extrapolation vornehmen dürfen

– Vorbringen der Parteien

– Würdigung durch das Gericht

Zum dritten Klagegrund: Fehlende Vor-Ort-Kontrolle durch die Kommission vor der Kürzung

– Vorbringen der Parteien

– Würdigung durch das Gericht

Zum vierten Klagegrund: Verletzung der Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit und der loyalen Zusammenarbeit, da die Kommission keine Einwände gegen die Fehlverbuchung von Nicht-KMU erhoben habe

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zum fünften Klagegrund: Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch die von der Kommission beschlossene übermäßige Kürzung der Beteiligung

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Kosten


* Verfahrenssprache: Deutsch.