Language of document : ECLI:EU:T:2009:180

BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DES GERICHTS

8. Juni 2009 (*)

„Vorläufiger Rechtsschutz – Einsicht eines Drittbetroffenen in eine noch nicht veröffentlichte Bußgeldentscheidung der Kommission – Antrag auf einstweilige Anordnung – Erledigung der Hauptsache – Fehlende Dringlichkeit“

In der Rechtssache T‑173/09 R

Z, wohnhaft in X (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte C. Grau und N. Jäger,

Antragsteller,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Sauer, V. Bottka und A. Bouquet als Bevollmächtigte,

Antragsgegnerin,

wegen Gewährung von Einsicht in die Entscheidung der Kommission vom 28. Januar 2009 in einem Verfahren nach Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/G/39.406 – Marineschläuche) und Beseitigung der namentlichen Nennung des Antragstellers im Text dieser Entscheidung

erlässt

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

folgenden


Beschluss

 Sachverhalt und Verfahren

1        Am 28. Januar 2009 erließ die Kommission die Entscheidung in der Sache COMP/G/39.406 – Marineschläuche, mit der sie die Teilnahme mehrerer Unternehmen an einer Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen feststellte sowie Geldbußen verhängte (im Folgenden: streitige Entscheidung) und die an die folgenden 11 Gesellschaften adressiert war: Bridgestone Corporation (Japan), Bridgestone Industrial Ltd. (Vereinigtes Königreich), Yokohama Rubber Company Ltd. (Japan), Dunlop Oi1 & Marine Ltd. (Vereinigtes Königreich), ContiTech AG (Deutschland), Continental AG (Deutschland), Trelleborg Industrie SAS (Schweden), Trelleborg SA (Schweden), Parker ITR S.r.l. (Italien), Parker Hannifin Corporation (USA) sowie Manuli Rubber Industries S.p.A. (Italien).

2        Die streitige Entscheidung ist gegenwärtig weder im Amtsblatt der Europäischen Union noch auf der Internetseite der Kommission veröffentlicht.

3        Mit Schreiben vom 13. Februar 2009 setzte sich der Antragsteller mit der Kommission in Verbindung und beantragte, ihm Einsicht in die Verfahrensakte COMP/G/39.406 – Marineschläuche zu gewähren, da ihm Informationen vorlägen, wonach in den Gründen der streitigen Entscheidung wiederholt sein vollständiger Namen genannt und er (zu Unrecht) als Kartellteilnehmer bezeichnet werde. Die Notwendigkeit einer Akteneinsicht begründete er unter Hinweis auf den Grundsatz der Unschuldsvermutung damit, eine Nennung seines Namens in der öffentlich zugänglichen Fassung der streitigen Entscheidung hätte nachteilige Auswirkungen auf das gegen ihn in den USA anhängige Ermittlungsverfahren wegen angeblicher Beteiligung am Marineschläuche-Kartell und auf das in diesem Zusammenhang in Spanien rechtshängige Auslieferungsersuchen der USA sowie auf drohende – in der einschlägigen Presseerklärung der Kommission ausdrücklich unterstützte – Schadensersatzklagen seitens der durch das Kartell geschädigten Unternehmen.

4        Mit Schreiben vom 5. März 2009 antwortete der Leiter des Referats „Kartelle III“ der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission dem Antragsteller, die öffentlich zugängliche Fassung der streitigen Entscheidung werde in einem angemessenen Zeitraum auf der Internetseite der Kommission verfügbar sein. Zuvor müsse mit den Beteiligten noch erörtert werden, um welche Geschäftsgeheimnisse und anderen vertraulichen Informationen die streitige Entscheidung zu bereinigen sei. Dem Antragsteller wurde anheim gestellt, die Internetseite der Generaldirektion Wettbewerb daraufhin zu überprüfen. Schließlich wurden die Funktionen der öffentlich zugänglichen Fassung einer Kartellentscheidung der Kommission erläutert.

5        Der Antragsteller betrachtet dieses Schreiben als Ablehnung seines Antrags auf Akteneinsicht. Er hat daher mit Schriftsatz, der am 5. Mai 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, Klage „wegen Anfechtung der Entscheidung“ erhoben, die in der Weigerung der Kommission vom 5. März 2009 zu sehen sei, ihm die erbetene Akteneinsicht zu gewähren. Der Antragsteller begehrt mit dieser Klage im Wesentlichen, die Kommission zur Gewährung von Akteneinsicht und zur Entfernung seines Namens aus der streitigen Entscheidung zu verurteilen.

6        Mit dem vorliegenden Antrag auf einstweilige Anordnung, der ebenfalls am 5. Mai 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, begehrt der Antragsteller im Kern,

–        die Kommission gemäß Art. 243 EG und Art. 105 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts zu verpflichten, ihm Einsicht in die Verfahrensakte in der Sache COMP/G/39.406 –Marineschläuche, insbesondere durch Zurverfügungstellung einer Kopie der streitigen Entscheidung, zum Zweck der Feststellung zu gewähren, ob er in dieser Entscheidung namentlich bezeichnet wird und, gegebenenfalls, in welchem inhaltlichen Zusammenhang seine Namensnennung unter kartell- bzw. strafrechtlichem Aspekt jeweils steht;

–        in einer nach Gewährung der Akteneinsicht noch näher zu bezeichnenden Weise seine Namensnennung, insbesondere kartell- bzw. strafrechtlich relevante Darstellungen in Bezug auf seine Person, aus der streitigen Entscheidung zu entfernen;

–        seine Namensnennung sowie sämtliche Hinweise auf ihn in der zur Veröffentlichung bestimmten Fassung der streitigen Entscheidung zu unterlassen;

–        die Kostenentscheidung dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten.

7        Auf diesen Antrag hat der Präsident des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 105 Abs. 2 der Verfahrensordnung mit Beschluss vom 6. Mai 2009 der Kommission aufgegeben, eine Veröffentlichung der streitigen Entscheidung bis auf weiteres zu unterlassen und mitzuteilen, ob sie beabsichtige, in die zur Veröffentlichung bestimmte nicht vertrauliche Fassung der streitigen Entscheidung Hinweise auf den Namen und auf die Rolle des Antragstellers im Rahmen des betreffenden Kartells aufzunehmen, oder ob sie insoweit eine anonymisierte Fassung erstellen werde, aus der sich der Name des Antragstellers nicht unmittelbar herleiten lässt. Außerdem wurde die Kommission gebeten, ein Exemplar der streitigen Entscheidung nach Maßgabe von Art. 67 Abs. 3 Unterabs. 3 der Verfahrensordnung zu übermitteln.

8        Daraufhin hat die Kommission zunächst dem Antragsteller mit Schreiben vom 14. Mai 2009 mitgeteilt, sie werde dem Beschluss vom 6. Mai 2009 selbstverständlich nachkommen und die streitige Entscheidung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht veröffentlichen. Dem Gericht hat die Kommission am 26. Mai 2009 in Ausführung dieses Beschlusses eine vertrauliche Fassung der streitigen Entscheidung in deutscher Sprache vorgelegt und erklärt, bei der zur Veröffentlichung bestimmten Fassung der Entscheidung werde sie ihrer gegenwärtigen Praxis entsprechend den Namen des Antragstellers sowie sonstiger natürlicher Personen und jeglichen Hinweis, der eine Identifizierung erlauben würde, aus dem Text entfernen.

9        In ihrer Stellungnahme zum Antrag auf einstweilige Anordnung, die am 26. Mai 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragt die Kommission,

–        den Antrag insgesamt zurückzuweisen;

–        dem Antragsteller die Kosten aufzuerlegen.

10      Mit Schreiben vom 3. Juni 2009 hat der Antragsteller die Stellungnahme der Kommission kommentiert.

 Gründe

11      Nach den Art. 242 EG und 243 EG in Verbindung mit Art. 225 Abs. 1 EG kann der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter, wenn er dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der vor dem Gericht angefochtenen Handlung aussetzen oder die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.

12      Gemäß Art. 104 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts müssen Anträge auf einstweilige Anordnungen den Streitgegenstand bezeichnen und die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen. Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter kann somit die Aussetzung des Vollzugs anordnen und einstweilige Anordnungen treffen, wenn glaubhaft gemacht ist, dass diese Anordnungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht notwendig (fumus boni iuris) und dringlich in dem Sinne sind, dass es zur Verhinderung eines schweren und nicht wieder gutzumachenden Schadens für die Interessen des Antragstellers erforderlich ist, sie bereits vor der Entscheidung zur Hauptsache zu erlassen und wirksam werden zu lassen (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 19. Juli 1995, Kommission/Atlantic Container Line u. a., C‑149/95 P[R], Slg. 1995, I‑2165, Randnr. 22). Diese Voraussetzungen sind kumulativ, so dass der Antrag auf einstweilige Anordnungen zurückzuweisen ist, sofern es an einer von ihnen fehlt (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 14. Oktober 1996, SCK und FNK/Kommission, C‑268/96 P[R], Slg. 1996, I‑4971, Randnr. 30).

13      Im Übrigen verfügt der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter im Rahmen dieser Gesamtprüfung über ein weites Ermessen; er kann im Einzelfall die Art und Weise, in der diese verschiedenen Voraussetzungen zu prüfen sind, sowie die Reihenfolge dieser Prüfung frei bestimmen, da keine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts ihm ein feststehendes Prüfungsschema für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer vorläufigen Entscheidung vorschreibt (Beschluss Kommission/Atlantic Container Line u. a., oben in Randnr. 11 angeführt, Randnr. 23, und Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 3. April 2007, Vischim/Kommission, C‑459/06 P[R], nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 25).

14      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass Art. 242 EG den Grundsatz aufstellt, dass Klagen keine aufschiebende Wirkung haben (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 25. Juli 2000, Niederlande/Parlament und Rat, C‑377/98 R, Slg. 2000, I‑6229, Randnr. 44, und Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 28. Juni 2000, Cho Yang Shipping/Kommission, T‑191/98 R II, Slg. 2000, II‑2551, Randnr. 42). Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter kann daher nur ausnahmsweise die Durchführung der vor dem Gericht angefochtenen Handlung aussetzen oder einstweilige Anordnungen treffen.

15      Die schriftlichen Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten enthalten alle für die Entscheidung über den Antrag erforderlichen Informationen. Daher besteht kein Anlass zu einer mündlichen Anhörung.

16      Im vorliegenden Fall ist zunächst zu prüfen, ob die Voraussetzung der Dringlichkeit erfüllt ist.

17      Nach ständiger Rechtsprechung ist die Frage der Dringlichkeit des Erlasses einer einstweiligen Anordnung danach zu beurteilen, ob die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erforderlich ist, um zu verhindern, dass dem Antragsteller ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden entsteht. Der Antragsteller ist dafür beweispflichtig, dass er die Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache nicht abwarten kann, ohne einen solchen Schaden zu erleiden (vgl. Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 15. November 2001, Duales System Deutschland/Kommission, T‑151/01 R, Slg. 2001, II‑3295, Randnr. 187 und die dort angeführte Rechtsprechung).

18      Darüber hinaus muss der Eintritt des behaupteten Schadens sicher sein oder zumindest mit hinreichender Wahrscheinlichkeit belegt werden, wobei es dem Antragsteller obliegt, die Tatsachen zu beweisen, die die Erwartung eines solchen Schadens begründen sollen. Ein rein hypothetischer Schaden, der vom Eintritt künftiger und ungewisser Ereignisse abhängt, vermag den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zu rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 14. Dezember 1999, HFB u. a./Kommission, C‑335/99 P(R), Slg. 1999, I‑8705, Randnr. 67; Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 15. Januar 2001, Le Canne/Kommission, T‑241/00 R, Slg. 2001, II‑37, Randnr. 37, und vom 19. Dezember 2001 Government of Gibraltar/Kommission, T‑195/01 R und T‑207/01 R, Slg. 2001, II‑3915, Randnr. 101).

19      Im vorliegenden Fall ist festzustellen dass die Kommission in ihrer Stellungnahme vom 26. Mai 2009 ausdrücklich erklärt hat, entsprechend ihrer gegenwärtigen Praxis würden in der zur Veröffentlichung bestimmten Fassung der streitigen Entscheidung alle Hinweise, die es erlauben würden, eine natürliche Person (etwa auch über ihre Funktion) zu identifizieren, unkenntlich gemacht. Gleiches gelte für eine etwaige Übermittlung der streitigen Entscheidung an Behörden ausländischer Staaten, wie z.B. das Department of Justice (DoJ) in den USA. So sei nach dem bilateralen Abkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Anwendung ihrer Wettbewerbsregeln (ABl. L 95 vom 27. April 1995, S. 47) eine Übermittlung der vertraulichen Fassung einer Kartellentscheidung (wie auch der Beschwerdepunkte) nicht vorgesehen. Wie sich aus dem interpretativen Briefwechsel zwischen der Kommission und der US-amerikanischen Regierung ergebe, werde die Kommission unter keinen Umständen Informationen übermitteln, die unter das Berufsgeheimnis fielen. Selbst wenn die US-amerikanischen Behörden um eine Übermittlung ersuchen würden – was bislang nicht geschehen sei –, würde in der übermittelten Fassung der streitigen Entscheidung weder der Name des Antragstellers noch irgendein Hinweis erscheinen, der eine Identifizierung erlaubte.

20      Diese ausdrückliche Erklärung der Kommission, an deren Wahrheitsgehalt und Ernsthaftigkeit zu zweifeln kein Anlass besteht, ist offensichtlich geeignet, die beiden Hauptbefürchtungen des Antragstellers – Veröffentlichung seines Namens und der Rolle, die er nach Ansicht der Kommission im Rahmen des Marineschläuche-Kartells gespielt hat, und Zugriff US-amerikanischer Behörden auf diese Angaben – zu zerstreuen. Es besteht insbesondere kein Grund zu der Annahme, dass die Kommission bei der „Anonymisierung“ der den Antragsteller betreffenden vier Entscheidungsabschnitte, namentlich im Kapitel „Adressaten dieser Entscheidung“, die gebotene Sorgfalt außer Acht lassen und Formulierungen wählen könnte, die eine Identifizierung des Antragstellers erlaubten.

21      Der Antragsteller hat denn auch in einer schriftlichen Stellungnahme vom 19. Mai 2009 „erfreut zur Kenntnis genommen“, dass die Nennung seines Namens in den nicht vertraulichen Fassungen der streitigen Entscheidung im Amtsblatt der Europäischen Union und auf der Website der Kommission nicht beabsichtigt sei, sowie „die Tatsache begrüßt“, dass kein Austausch vertraulicher Fassungen der streitigen Entscheidung zwischen der Europäischen Union und den USA erfolge und daher sein Name, selbst auf Anfrage der US-amerikanischer Behörden, in keiner Kopie, die dann zu übermitteln wäre, „aufscheinen“ würde.

22      Es ist daher festzustellen, dass es in diesen beiden Punkten der beantragten einstweiligen Anordnung nicht mehr bedarf. Ihre Dringlichkeit, sofern sie objektiv je bestanden haben mag, ist jedenfalls aufgrund der vorerwähnten Erklärungen der Kommission inzwischen weggefallen, so dass sich der Antrag auf einstweilige Anordnung insoweit erledigt hat.

23      Der Antragsteller erhält allerdings seinen Antrag auf Entfernung seines Namens auch aus der den Adressaten bereits zugestellten vertraulichen Fassung der streitigen Entscheidung aufrecht. Zur Begründung macht er geltend, es drohe eine Weitergabe dieser vertraulichen Fassung durch ihre Empfänger an die US-amerikanischen Behörden. In diesem Fall würde er wegen des in den USA gegen ihn anhängigen Ermittlungsverfahrens in Bezug auf das Marineschläuche-Kartell einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden erleiden. Außerdem verweist er auf die Presseerklärung der Kommission zum Erlass der streitigen Entscheidung, in der durch dieses Kartell eventuell geschädigte Dritte dazu angehalten würden, Schadensersatzforderungen geltend zu machen, was jederzeit geschehen könne.

24      Hierzu genügt der Hinweis, dass der Eintritt des vom Antragsteller behaupteten schweren und nicht wieder gutzumachenden Schadens sicher sein oder zumindest mit hinreichender Wahrscheinlichkeit belegt sein muss, wobei ein rein hypothetischer Schaden, der vom Eintritt künftiger und ungewisser Ereignisse abhängt, den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zu rechtfertigen vermag (siehe oben, Randnr. 18). Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller jedoch nicht behauptet, geschweige denn konkret dargetan, dass die Erhebung einer gegen ihn gerichteten Schadensersatzklage oder eine Weitergabe der vertraulichen Fassung der streitigen Entscheidung an die US-amerikanischen Ermittlungsbehörden unmittelbar bevorstehe (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 17. Juli 2001, Kommission/NALOO, C‑180/01 P-R, Slg. 2001, I‑5737, Randnr. 57). Er hat nicht einmal angedeutet, wer ein konkretes Interesse daran haben könnte, diesen Text den US-amerikanischen Behörden zuzuspielen oder gerade ihn auf Schadensersatz zu verklagen. Die Dringlichkeit der insoweit beantragten einstweiligen Anordnung ist somit nicht nachgewiesen.

25      Im Übrigen kann der Kommission kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass sie den Namen des Antragstellers in vier Abschnitten der vertraulichen Fassung der streitigen Entscheidung überhaupt verwendet hat. Wie sich aus diesen – dem Antragsteller von der Kommission in nicht vertraulicher Fassung übermittelten – vier Abschnitten ergibt, dient seine namentliche Nennung dem Zweck, die Adressatenstellung eines der mit Geldbußen belegten Unternehmen und dessen Haftung für die festgestellte Zuwiderhandlung darzutun. Es muss der Kommission aber möglich sein, in ihren Wettbewerbsentscheidungen die von ihr getroffenen Feststellungen im Einzelnen und unter Angabe aller relevanten Fakten zu erläutern. Dabei stellt die namentliche Nennung der in den jeweiligen Vorgang implizierten Unternehmensvertreter und -mitarbeiter ein legitimes Mittel zur Beweisführung – etwa anhand von Reisekostenabrechnungen, handschriftlichen Notizen, E-Mails, Telefaxen, Schreiben – im Hinblick auf einzelne Feststellungen sowie auf die allgemeine Funktionsweise des ermittelten Kartells dar.

26      Die namentliche Nennung der nach Ansicht der Kommission in ein Kartell implizierten Unternehmensvertreter und -mitarbeiter stellt vor allem deshalb ein legitimes Mittel zur Beweisführung dar, weil damit zu rechnen ist, dass gegen die entsprechende Wettbewerbsentscheidung – wie im vorliegenden Fall tatsächlich geschehen (Rechtssachen T‑146/09, T‑147/09, T‑148/09 und T‑154/09) – Klage vor dem Gericht erster Instanz erhoben wird. In einem solchen Fall muss sich die Kommission bis zum Abschluss des Gerichtsverfahrens zur Verteidigung ihrer Entscheidung auf das Verhalten der betreffenden Personen berufen können. Aus diesem Grund ist das Begehren des Antragstellers zurückzuweisen, die Kommission möge die vertrauliche Fassung der streitigen Entscheidung für unwirksam erklären und durch eine um seinen Namen bereinigte Fassung ersetzen.

27      In diesem Zusammenhang ist auch daran zu erinnern, dass die vertrauliche Fassung der streitigen Entscheidung ihren elf Adressaten schon Ende Januar 2009 zugestellt wurde, so dass der Name des Antragstellers im Zusammenhang mit dem Marineschläuche-Kartell bereits seit geraumer Zeit einem gewissen Personenkreis zugänglich ist. Soweit der Antragsteller bereits in diesem Zustand, insbesondere in der nach seiner Ansicht unrichtigen Darstellung seines Verhaltens, und in der Möglichkeit einer (unautorisierten) Weitergabe der vertraulichen Fassung der streitigen Entscheidung eine Beeinträchtigung seiner Interessen sieht, ist festzustellen, dass der darin liegende Schaden bereits eingetreten ist. Der Zweck des Verfahrens der einstweiligen Anordnung besteht jedoch nicht darin, die Wiedergutmachung eines Schadens zu gewährleisten (Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 15. Mai 2003, Sison/Rat, T‑47/03 R, Slg. 2003, II‑2047, Randnr. 41).

28      Zur Gefahr einer auf die Presseerklärung der Kommission gestützten Schadensersatzklage gegen den Antragsteller genügt die Feststellung, dass diese Erklärung im Wesentlichen darauf abzielt, zu verdeutlichen, dass die Verhängung einer Geldbuße gegen ein Unternehmen der Erhebung einer Schadensersatzklage durch geschädigte Dritte nicht entgegensteht und dass insbesondere die verhängte Geldbuße nicht mindernd auf den Schadensersatz angerechnet wird. Weder ist jedoch der Antragsteller ein Unternehmen, noch hat die Kommission in der streitigen Entscheidung eine Geldbuße gegen ihn verhängt.

29      Wenn in der fraglichen Presseerklärung außerdem erwähnt wird, Kommissionsentscheidungen seien ein bindender Nachweis dafür, dass das inkriminierte Verhalten stattgefunden hat und rechtswidrig war, kann auch diese Aussage bei verständiger Auslegung nicht auf den Antragsteller bezogen werden. Die auf Art. 81 EG gestützte streitige Entscheidung entfaltet nämlich rechtliche Bindungswirkung allein gegenüber den im verfügenden Teil genannten elf Unternehmen, und zwar nur nach Maßgabe der tragenden Gründe. Sie enthält keinerlei Feststellung zur kartell- oder strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Antragstellers, der nicht zu ihren Adressaten zählt.

30      Eine durch die Presseerklärung veranlasste Schadensersatzklage gegen den Antragsteller würde demnach allein auf dem autonomen Entschluss eines etwaigen Klägers beruhen und wäre rechtlich keinesfalls der Kommission zuzurechnen. Auch insoweit ist also keine Dringlichkeit gegeben.

31      Soweit der Antragsteller schließlich seinen Antrag auf Akteneinsicht aufrechterhält, hat die Kommission zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich hierbei lediglich um eine Art Hilfsantrag in Bezug auf die einzelnen Anonymisierungsanträge handelt. In seiner Klageschrift spricht der Antragsteller insoweit selbst von einer „Stufenklage“. Da für diese Einzelanträge jedoch bereits die fehlende Dringlichkeit festgestellt worden ist, muss auch der Antrag auf allgemeine Akteneinsicht mangels Dringlichkeit zurückgewiesen werden.

32      Nach alledem ist der Antrag auf einstweilige Anordnung insgesamt wegen fehlender Dringlichkeit zurückzuweisen, ohne dass das Vorbringen des Antragstellers zum fumus boni iuris zu prüfen wäre. Unter diesen Umständen erübrigt sich auch eine Prüfung der von der Kommission vorgebrachten zahlreichen Zulässigkeitsrügen.

Aus diesen Gründen hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

1.      Der Antrag auf einstweilige Anordnung wird zurückgewiesen, soweit er nicht bereits gegenstandslos geworden ist.

2.      Der vorliegende Beschluss hebt den Beschluss vom 6. Mai 2009 auf und tritt an dessen Stelle.

3.      Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 8. Juni 2009.

Der Kanzler

 

       Der Präsident

E. Coulon

 

       M. Jaeger


* Verfahrenssprache: Deutsch.