Language of document : ECLI:EU:T:2022:565

URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)

21. September 2022(*)

„Unionsmarke – Anmeldung einer dreidimensionalen Unionsmarke – Form einer Verpackung – Absolutes Eintragungshindernis – Fehlende Unterscheidungskraft – Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2017/1001“

In der Rechtssache T‑700/21,

Voco GmbH mit Sitz in Cuxhaven (Deutschland), vertreten durch die Rechtsanwälte C. Spintig und S. Pietzcker,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch E. Nicolás Gómez und E. Markakis als Bevollmächtigte,

Beklagter,

erlässt

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin V. Tomljenović (Berichterstatterin), der Richterin P. Škvařilová-Pelzl und des Richters I. Nõmm,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien innerhalb von drei Wochen nach der Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des darauf gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Die Voco GmbH beantragt mit ihrer Klage gemäß Art. 263 AEUV, die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 23. August 2021 (Sache R 117/2021-4) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) aufzuheben.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Am 19. September 2018 meldete die Klägerin beim EUIPO das folgende dreidimensionale Zeichen als Unionsmarke an:

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3        Die Marke wurde für folgende Waren der Klassen 5 und 16 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 5: „Zahnmedizinische Präparate und Erzeugnisse“;

–        Klasse 16: „Verpackungsmaterialien; Blisterpäckchen für Verpackungszwecke“.

4        Mit Entscheidung vom 8. März 2019 wies der Prüfer die Anmeldung der Marke gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) zurück.

5        Am 7. Mai 2019 legte die Klägerin gegen die Entscheidung des Prüfers beim EUIPO Beschwerde ein.

6        Mit Entscheidung vom 4. Dezember 2019 (Sache R 978/2019-5) wies die Fünfte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück.

7        Die Klägerin erhob mit Klageschrift, die am 21. Februar 2020 bei der Kanzlei des Gerichts einging, gegen die Entscheidung der Beschwerdekammer Klage.

8        Mit Urteil vom 16. Dezember 2020, Voco/EUIPO (Form einer Verpackung) (T‑118/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:604), hob das Gericht die Entscheidung der Fünften Beschwerdekammer vom 4. Dezember 2019 auf.

9        Mit der angefochtenen Entscheidung wies die Vierte Beschwerdekammer die Beschwerde mit der Begründung zurück, der angemeldeten Marke fehle es in Bezug auf alle mit ihr beanspruchten Waren an Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001.

 Anträge der Parteien

10      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

11      Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

12      Die Klägerin stützt ihre Klage auf einen einzigen Klagegrund, nämlich einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001. Sie macht im Wesentlichen geltend, die angemeldete Marke verfüge über die für die Eintragung erforderliche Unterscheidungskraft.

13      Im Rahmen dieses Klagegrundes wendet sich die Klägerin erstens gegen die Beurteilung der Beschwerdekammer, wonach die angemeldete Marke zum einen der Verpackung der in Klasse 5 enthaltenen Dentalprodukten und zum anderen der Form der in Klasse 16 enthaltenen Waren für Verpackungszwecke entspreche. Zweitens sei die Beurteilung der Beschwerdekammer falsch, wonach für die Bestimmung der üblichen Verpackungsformen der in Rede stehenden Waren der Klasse 5 die Medizinbranche einschlägig sei. Drittens habe die Beschwerdekammer nicht nachgewiesen, dass flache Blisterpackungen für Dentalprodukte, insbesondere für flüssige Präparate, auf dem Dentalmarkt üblich seien. Viertens habe die angemeldete Marke eine sechseckige Grundform, die für sich genommen unterscheidungskräftig sei. Fünftens wendet sie sich gegen die Feststellung der Beschwerdekammer, wonach sich die angemeldete Marke nicht wesentlich von den üblichen Formen in der betreffenden Warenbranche unterscheide. Sechstens stellten die Bestandteile der angemeldeten Marke und die Kombination ihrer Merkmale einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der mit ihr gekennzeichneten Waren dar. Siebtens schließlich verstoße die angefochtene Entscheidung gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung.

14      Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

15      Gemäß Art. 4 der Verordnung 2017/1001 kann die Form einer Ware oder ihrer Verpackung eine Unionsmarke sein, soweit diese Form geeignet ist, Waren eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Außerdem sind nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 Marken, die keine Unterscheidungskraft haben, von der Eintragung ausgeschlossen.

16      Der Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 zugrunde liegende Begriff des Allgemeininteresses und die Hauptfunktion der Marke, die darin besteht, dem Verbraucher oder Endabnehmer zu garantieren, dass er die Herkunft der mit der Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung feststellen kann, indem sie es ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung ohne die Gefahr einer Verwechslung von denen anderer Herkunft zu unterscheiden, gehen offensichtlich ineinander über (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. April 2004, Henkel/HABM, C‑456/01 P und C‑457/01 P, EU:C:2004:258, Rn. 48, und vom 5. Februar 2020, Hickies/EUIPO [Form eines Schnürsenkels], T‑573/18, EU:T:2020:32, Rn. 25 [nicht veröffentlicht]).

17      Die Unterscheidungskraft einer Marke ist zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen (vgl. Urteil vom 29. April 2004, Henkel/HABM, C‑456/01 und C‑457/01 P, EU:C:2004:258, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

18      Die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken, die in der Form der Ware selbst bestehen, sind nicht anders als die für die übrigen Markenkategorien geltenden. Im Rahmen der Anwendung dieser Kriterien wird jedoch eine dreidimensionale Marke, die aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst besteht, vom Durchschnittsverbraucher nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen wie eine Wort- oder Bildmarke, die aus einem Zeichen besteht, das vom Erscheinungsbild der mit der Marke bezeichneten Waren unabhängig ist. Denn wenn grafische oder Wortelemente fehlen, schließen die Durchschnittsverbraucher aus der Form der Waren oder der ihrer Verpackung gewöhnlich nicht auf die Herkunft dieser Waren; daher kann es schwieriger sein, die Unterscheidungskraft einer solchen dreidimensionalen Marke nachzuweisen als diejenige einer Wort- oder Bildmarke (vgl. Urteile vom 7. Oktober 2004, Mag Instrument/HABM, C‑136/02 P, EU:C:2004:592, Rn. 30, und vom 20. Oktober 2011, Freixenet/HABM, C‑344/10 P und C‑345/10 P, EU:C:2011:680, Rn. 45 und 46).

19      Nur eine Marke, die erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht und deshalb ihre wesentliche herkunftskennzeichnende Funktion erfüllt, besitzt auch Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 (Urteil vom 22. Juni 2006, Storck/HABM, C‑25/05 P, EU:C:2006:422, Rn. 28). Daher wird der Durchschnittsverbraucher die Form der Verpackung einer Ware nur dann als einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Ware wahrnehmen, wenn diese Form unmittelbar als ein solcher Hinweis wahrgenommen werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Januar 2004, Deutsche SiSi-Werke/HABM [Standbeutel], T‑146/02 bis T‑153/02, EU:T:2004:27, Rn. 38).

20      Der vorliegende Klagegrund ist anhand dieser Grundsätze zu prüfen.

21      Im vorliegenden Fall geht aus der Anmeldung hervor, dass es sich bei der angemeldeten Marke um eine dreidimensionale Marke handelt, die der Form einer Verpackung, genauer gesagt einer Blisterpackung, entspricht, von der oben in Rn. 2 drei Ansichten wiedergegeben sind.

22      Außerdem ist in Bezug auf die maßgeblichen Verkehrskreise unstreitig, dass zum einen „zahnmedizinische Präparate und Erzeugnisse“ der Klasse 5 für Fachleute auf dem Dentalmarkt bestimmt sind, deren Aufmerksamkeitsgrad hoch ist, und zum anderen die fraglichen Waren der Klasse 16, also „Verpackungsmaterialien“ und „Blisterpäckchen für Verpackungszwecke“, für die allgemeine Öffentlichkeit und Fachleute auf dem Verpackungsmarkt bestimmt sind, deren Aufmerksamkeitsgrad durchschnittlich bis hoch ist.

23      Erstens ist zur Rüge der Klägerin in Bezug auf die Darstellung der angemeldeten Marke festzustellen, dass die angemeldete Marke – wie die Beschwerdekammer in Rn. 14 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat – zum einen der Verpackung der Waren der Klasse 5 und zum anderen der Form der Waren der Klasse 16 entspricht.

24      Außerdem ist festzustellen, dass die angemeldete Marke als Form einer Verpackung geeignet ist, sich der Form anzunähern, in der bestimmte Waren der Klasse 5, insbesondere Pasten und Flüssigkeiten, auftreten könnten.

25      Daher ist der Beschwerdekammer kein Beurteilungsfehler unterlaufen, als sie festgestellt hat, dass die als Marke angemeldete Form der Verpackung bestimmter in Rede stehender Waren der Klasse 5 entspreche, auch wenn die Klägerin das Verzeichnis dieser Waren in der Anmeldung nicht eingeschränkt hatte. Folglich ist dieser Schlussfolgerung der Beschwerdekammer entgegen dem Vorbringen der Klägerin zuzustimmen.

26      Was insbesondere „zahnmedizinische Präparate und Erzeugnisse“ der Klasse 5 betrifft, so hat die Beschwerdekammer in Rn. 18 der angefochtenen Entscheidung unter Verweis auf die Beispiele, die die Berichterstatterin der Klägerin übermittelt hatte und die in Rn. 11 der angefochtenen Entscheidung wiedergegeben sind, ausgeführt, dass Blisterpackungen mit einer rechteckigen, runden oder amorphen Grundform für diese von der angemeldeten Marke erfassten Waren in der Medizinbranche üblich seien.

27      Zweitens ist zur Rüge der Klägerin, die Beschwerdekammer habe ihre Prüfung auf in der Medizinbranche verwendete Verpackungen gestützt, festzustellen, dass es nicht erforderlich ist, immer die Branche zu umschreiben, in der der Vergleich zwischen einer aus der Form einer Verpackung bestehenden Marke und der Norm oder Branchenüblichkeit durchgeführt wird, die für die Waren maßgeblich ist, für die die Eintragung beantragt wurde. Es lässt sich nämlich nicht ausschließen, dass die Verbraucher einer bestimmten Ware in ihrer Wahrnehmung der Marke, unter der diese Ware vermarktet wird, gegebenenfalls durch für andere, ebenfalls von ihnen konsumierte Waren entwickelte Vermarktungsmodalitäten beeinflusst werden. So kann es je nach Art der fraglichen Waren und der angemeldeten Marke für die Beurteilung der Unterscheidungskraft der Marke erforderlich sein, eine weiter gefasste Branche zugrunde zu legen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Januar 2006, Deutsche SiSi-Werke/HABM, C‑173/04 P, EU:C:2006:20, Rn. 32).

28      Wenn, wie im vorliegenden Fall, die angemeldete Marke aus der dreidimensionalen Form der Verpackung der betroffenen Waren besteht – erst recht wenn die Vermarktung dieser Waren aufgrund von deren Natur eine Verpackung verlangt, so dass die gewählte Verpackung der Ware ihre Form verleiht und für die Prüfung der Anmeldung der Form der Ware gleichzusetzen ist –, kann die Norm oder die Branchenüblichkeit maßgeblich sein, die im Bereich der Verpackung von Waren gleicher Art gilt, die für dieselben Verbraucher bestimmt sind wie die Waren, für die die Eintragung beantragt wird (Urteil vom 12. Januar 2006, Deutsche SiSi-Werke/HABM, C‑173/04 P, EU:C:2006:20, Rn. 33).

29      Was ferner das Vorbringen der Klägerin zur einschlägigen Branche betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer in Rn. 17 der angefochtenen Entscheidung den Dentalmarkt als für die fraglichen Waren der Klasse 5 einschlägige Branche festgestellt hat. Der Dentalmarkt ist jedoch Teil der Medizinbranche (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Februar 2019, Nemius Group/EUIPO [DENTALDISK], T‑278/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:86, Rn. 46).

30      Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass medizinische Präparate oder Erzeugnisse gleichartige Waren sind und für dieselben Verbraucher bestimmt sind wie die von der angemeldeten Marke erfassten Waren der Klasse 5. Des Weiteren werden diese Waren auf dem Markt häufig in derselben Form vertrieben, nämlich in Form von Tabletten, Kapseln, Pasten und Flüssigkeiten. Unter Berücksichtigung der oben in Rn. 27 angeführten Rechtsprechung kann daher auf die Medizinbranche als eine Branche, die größer ist als der Dentalmarkt, abzustellen sein, um die für die Vermarktung der Waren der Klasse 5, für die die Eintragung beantragt wird, maßgebliche Norm oder Branchenüblichkeit zu bestimmen.

31      Unter diesen Umständen ist der Beschwerdekammer kein Beurteilungsfehler unterlaufen, als sie die in der Medizinbranche verwendeten Verpackungen berücksichtigte, um die für die Formen, in denen die von der angemeldeten Marke erfassten Waren der Klasse 5 auf dem Markt sind, maßgebliche Norm oder Branchenüblichkeit zu bestimmen.

32      Drittens ist zur Rüge, es sei nicht nachgewiesen worden, dass flache Blisterpackungen auf dem Dentalmarkt üblich seien, festzuhalten, dass die Beschwerdekammer, gestützt auf die in Rn. 11 der angefochtenen Entscheidung wiedergegebenen Beispiele, zutreffend festgestellt hat, dass es in der Medizinbranche für Waren wie Tabletten, Kapseln und Flüssigkeiten Blisterpackungen mit einer rechteckigen, runden oder amorphen Form gibt. Folglich ist die Beschwerdekammer beurteilungsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass sich für Blisterpackungen eine rechteckige, runde oder amorphe Grundform als Standard in der Medizinbranche etabliert hat, was somit auch für flache Blisterpackungen zur Verpackung der mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten Waren der Klasse 5 gilt.

33      Nach Ansicht der Beschwerdekammer ist zum einen die Anordnung der Blister auf einer solchen flachen Verpackung unterschiedlich, aber üblicherweise symmetrisch; zum anderen würden die Blister auf der Oberseite mit einer Folie verschlossen, die entweder glatt oder geprägt sei. Letzteres wurde von der Beschwerdekammer in Ermangelung von Beispielen für die Oberseite von Blisterpackungen als bekannte Tatsache angesehen. Diesen Feststellungen, die im Übrigen von den Parteien nicht beanstandet werden, ist zuzustimmen.

34      Was insbesondere flüssige Präparate anbelangt, kann in Anbetracht der oben in Rn. 27 angeführten Rechtsprechung davon ausgegangen werden, dass die angemeldete Marke, die aus zwei runden bzw. leicht ovalen, auf der Unterseite der rechteckigen Grundform angeordneten Blistern besteht, im vorliegenden Fall der Form solcher Waren gleichzusetzen ist. Es lässt sich aber nicht ausschließen, dass für flüssige Produkte auf dem Dentalmarkt die Norm oder Branchenüblichkeit maßgeblich sein kann, die in der Medizinbranche gilt.

35      Ferner ist der Beschwerdekammer, selbst unter der Annahme, dass Blisterpackungen mit amorpher, flaschenähnlicher Grundform, die einen Applikator bilden, zur Verpackung flüssiger Präparate dienen können, kein Beurteilungsfehler unterlaufen, als sie in Rn. 25 der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, dass runde Blisterformen, die der Verpackung von Pasten oder Flüssigkeiten dienen, bei diesen Waren üblich sind, um einen Materialverlust zu vermeiden.

36      Darüber hinaus ist zum Vorbringen der Klägerin in Rn. 24 der Klageschrift, die Beschwerdekammer habe in Rn. 18 der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht ausgeführt, dass die Klägerin nicht dargelegt habe, dass sich Blisterpackungen für Dentalprodukte von den in Rn. 11 der angefochtenen Entscheidung gezeigten Beispielen nennenswert unterschieden, festzustellen, dass die Beschwerdekammer mit diesen Beispielen jedenfalls nachgewiesen hat, dass diese Blisterpackungen auf dem Dentalmarkt üblich sind. Folglich ist die Rüge der Klägerin zurückzuweisen, wonach die Beschwerdekammer nicht nachgewiesen habe, dass flache Verpackungen, insbesondere für flüssige Präparate, auf dem Dentalmarkt üblich seien.

37      Viertens macht die Klägerin geltend, dass die angemeldete Marke, selbst unter der Annahme, dass die Beschwerdekammer zutreffend festgestellt hätte, dass die in der Medizinbranche üblichen Formen für die mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten Dentalprodukte maßgeblich seien, durch ihre sechseckige Grundform, die unterscheidungskräftig sei, jedenfalls erheblich von den marktüblichen Blisterpackungen abweiche.

38      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass für die Beurteilung, ob eine Marke Unterscheidungskraft hat, zwar auf den von ihr hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen ist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass nicht zunächst die einzelnen Gestaltungselemente der Marke nacheinander geprüft werden könnten. Es kann sich nämlich als zweckmäßig erweisen, im Zuge der Gesamtbeurteilung jeden einzelnen Bestandteil der betreffenden Marke zu untersuchen (Urteil vom 25. Oktober 2007, Develey/HABM, C‑238/06 P, EU:C:2007:635, Rn. 82).

39      Im vorliegenden Fall wurden in der Anmeldung nur die drei oben in Rn. 2 wiedergegebenen Ansichten einer Verpackung in Form einer grauen Blisterpackung, d. h. eine Abbildung der Oberseite, eine Abbildung der Unterseite und eine Seitenansicht, ohne jede Beschreibung eingereicht. Daher ist in Übereinstimmung mit der Beschwerdekammer die Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke allein anhand der auf den drei Abbildungen erkennbaren Merkmale zu beurteilen, ohne auf diesen Abbildungen nicht erkennbare Merkmale zu berücksichtigen.

40      Unter diesen Umständen ist zu prüfen, ob die aus mehreren Merkmalen bestehende angemeldete Marke erheblich von der Norm abweicht. Somit ist sie für die Beurteilung ihrer Unterscheidungskraft als Ganzes zu betrachten. Dies schließt jedoch nicht aus, dass die einzelnen verwendeten Gestaltungselemente, aus denen sich die Marke zusammensetzt, nacheinander geprüft werden (vgl. Urteil vom 24. Februar 2016, Coca-Cola/HABM [Form einer Konturflasche ohne Riffelung], T‑411/14, EU:T:2016:94, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41      Die Klägerin macht geltend, dass die Bestandteile der angemeldeten Marke, nämlich ein langgezogenes Sechseck als Grundform sowie die runden Blister und die reliefartigen Linien auf der Unterseite, wie auch die Kombination ihrer Merkmale, einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der mit ihr gekennzeichneten Waren darstellten.

42      Was insbesondere die Grundform der angemeldeten Marke betrifft, macht die Klägerin geltend, dass diese Form entgegen der Beurteilung durch die Beschwerdekammer in Rn. 22 der angefochtenen Entscheidung nicht rechteckig, sondern sechseckig sei.

43      Was das Vorbringen der Klägerin zur Form der angemeldeten Marke angeht, so ist sie angesichts der Definition eines Sechsecks als Vieleck mit sechs Ecken und sechs Seiten zu Recht davon ausgegangen, dass die Grundform der angemeldeten Marke an ihrem einen Ende sechseckig ist.

44      In Anbetracht der drei oben in Rn. 2 wiedergegebenen Ansichten der angemeldeten Marke ist die Grundform der angemeldeten Marke jedoch einem langgezogenen Rechteck mit abgeschrägten Ecken auf einer der beiden Schmalseiten sehr ähnlich.

45      Daher ist der Beschwerdekammer kein Beurteilungsfehler unterlaufen, als sie in den Rn. 19 und 20 der angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen festgestellt hat, dass die Abbildungen der Ober- und Unterseite der angemeldeten Marke eine flache Blisterpackung zeigen, deren Grundform in etwa einem Rechteck entspricht.

46      Zunächst ist festzustellen, dass der Verbraucher in Anbetracht dessen, dass die langgezogene Grundform mit abgeschrägten Ecken auf einer der Schmalseiten nur eine Variante der einem Rechteck sehr ähnlichen Form darstellt, die angemeldete Marke entgegen der Behauptung der Klägerin nicht sofort als eine Marke wahrnehmen wird, die an einem ihrer Enden eine sechseckige Grundfläche hat. Sodann ist diese Grundform, die einer der Bestandteile der angemeldeten Marke ist, für sich allein nicht geeignet, die Aufmerksamkeit des Verbrauchers als solche auf sich zu ziehen, und ermöglicht es ihm daher nicht, die betriebliche Herkunft der mit dieser Marke gekennzeichneten Waren zu erkennen. Schließlich ist mit der Beschwerdekammer davon auszugehen, dass die Grundform technischen Zwecken dienen kann, nämlich der Unterscheidung zwischen der Seite der Verpackung, an der sie gehalten wird, und der Seite, auf der sich die Blister mit dem Produkt befinden.

47      Das Vorbringen der Klägerin, mit dem sie die Beurteilung der Beschwerdekammer in Bezug auf die rechteckige Grundform der angemeldeten Marke beanstandet, ist daher zurückzuweisen.

48      Fünftens ist in Bezug auf die Rüge der Klägerin, die angemeldete Marke weiche von den in der maßgeblichen Branche üblichen Formen ab, der Schlussfolgerung der Beschwerdekammer zuzustimmen, wonach die Grundform der angemeldeten Marke nicht wesentlich von den auf dem Dentalmarkt üblichen Verpackungen abweiche. Diese Schlussfolgerung beruht auf den Feststellungen in den Rn. 19 und 20 der angefochtenen Entscheidung. Zum einen weist die angemeldete Marke nämlich eine Grundform auf, die einem Rechteck sehr ähnlich ist, wobei auf einer der beiden Schmalseiten die Ecken abgeschrägt sind. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin kann diese Form jedoch nicht als Anlehnung an den Großbuchstaben „V“ verstanden werden, bei dem es sich um den Anfangsbuchstaben ihrer Unternehmensbezeichnung handelt. Zum anderen werden – wie sich den von der Beschwerdekammer herangezogenen und in Rn. 11 der angefochtenen Entscheidung wiedergegebenen Beispielen entnehmen lässt – Verpackungen mit rechteckiger Grundform für diverse Dentalprodukte verwendet, um sie vor Einflüssen von außen zu schützen.

49      Zur Oberseite der angemeldeten Marke, die aus einer undurchsichtigen glatten Folie besteht, deren Grundform einem Rechteck sehr ähnlich ist, ist in Übereinstimmung mit der Beschwerdekammer festzustellen, dass diese Folie dazu dient, die Blister zur Aufnahme des Verpackungsguts abzudecken. Außerdem ermöglichen es – wie die Beschwerdekammer in Rn. 23 der angefochtenen Entscheidung zu Recht ausgeführt hat – die glatte Oberfläche sowie die kreisförmige Aussparung auf der Seite, deren Ecken abgeschrägt sind, dem Verbraucher nicht, die angemeldete Marke als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der in Rede stehenden Waren der Klasse 5 zu erkennen.

50      Die Unterseite der angemeldeten Marke zeigt zwei auf der Oberfläche der Verpackung angeordnete undurchsichtige Blister, von denen einer kreisrund und der andere leicht oval ist, sowie eine Umrandung und drei unterschiedlich lange parallele Streifen. Insoweit ist den Feststellungen der Beschwerdekammer in den Rn. 24 und 25 der angefochtenen Entscheidung zuzustimmen, wonach erstens die Blister zur Aufnahme des Produkts bestimmt sind, zweitens die Umrandung dekorativ ist und drittens die reliefartigen Formen, die aus drei unterschiedlich langen parallelen Streifen bestehen, dekorativ bzw. funktional – als haptischer Hinweis auf die Seite, an der die Packung zu halten ist – sind.

51      Zur Seitenansicht der angemeldeten Marke ist mit der Beschwerdekammer festzustellen, dass diese Ansicht nur zeigt, dass die reliefartigen Linien deutlich flacher ausgebildet sind als die Blister, d. h. weniger hervorstehen. Wie die Klägerin ausführt, zeigt die Seitenansicht auch, dass die Auswölbungen der beiden Blister stärker abgeflacht sind als die der Blister, die auf den in Rn. 11 der angefochtenen Entscheidung wiedergegebenen Beispielen von Blisterpackungen zu sehen sind. Dies allein lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass die angemeldete Marke erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit bei Dentalprodukten abweicht und daher als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der mit ihr gekennzeichneten Waren wahrgenommen werden kann.

52      Sechstens ist zur Rüge der Klägerin, die angemeldete Marke sei geeignet, Auskunft über die betriebliche Herkunft der mit ihr gekennzeichneten Waren zu geben, festzuhalten, dass die Beschwerdekammer in Rn. 27 der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, dass diese verschiedenen Aspekte zusammen sowie die Merkmale der angemeldeten Marke entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht die Aufmerksamkeit des Verbrauchers in der Weise auf sich ziehen können, dass er die angemeldete Marke als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der in Rede stehenden Waren der Klasse 5 wahrnimmt.

53      Ferner lässt die Tatsache, dass eine komplexe Marke nur aus Bestandteilen zusammengesetzt ist, die in Bezug auf die betreffenden Waren keine Unterscheidungskraft haben, nach der Rechtsprechung im Allgemeinen darauf schließen, dass der Marke als Ganzes Unterscheidungskraft fehlt. Dieser Schluss kann nur dann widerlegt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte, wie etwa die Art, in der die verschiedenen Bestandteile zusammengesetzt sind, darauf hindeuten, dass die zusammengesetzte Marke, insgesamt betrachtet, mehr ist als die Summe der Bestandteile, aus denen sie zusammengesetzt ist (vgl. Urteil vom 24. Februar 2016, Form einer Konturflasche ohne Riffelung, T‑411/14, EU:T:2016:94, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

54      Im vorliegenden Fall gibt es keine solchen Anhaltspunkte. Die angemeldete Marke stellt nämlich nicht mehr als die Summe ihrer Bestandteile dar, nämlich eine flache Blisterpackung, deren Form sehr einem Rechteck ähnelt und mit einer reliefartigen Umrandung versehen ist, sowie drei reliefartige parallele Linien und zwei auf der Unterseite angeordnete kreisrunde bzw. ovale Blister. Diese Bestandteile weichen nicht wesentlich von den in dieser Branche üblichen rechteckigen und runden Formen ab. Ebenso wenig kann die Art, in der die auf der oben in Rn. 2 wiedergegebenen grafischen Darstellung erkennbaren Bestandteile der angemeldeten Marke zusammengesetzt sind, ihr Unterscheidungskraft verleihen. Folglich ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, wonach die Bestandteile der angemeldeten Marke, d. h. die rechteckige Grundform und die runden und undurchsichtigen Blister, ihre symmetrische Anordnung auf dieser Form und die reliefartigen Linien auf der Unterseite, in Anbetracht ihrer Kombination insgesamt als Kennzeichnung der betrieblichen Herkunft der von der Marke erfassten Dentalprodukte wahrgenommen werden könnten.

55      Unter diesen Umständen ist der Beschwerdekammer kein Beurteilungsfehler unterlaufen, als sie in Rn. 27 der angefochtenen Entscheidung zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der angemeldeten Marke in Bezug auf die fraglichen Waren der Klasse 5, die für Fachleute mit einem hohen Aufmerksamkeitsgrad bestimmt sind, die Unterscheidungskraft fehlt.

56      Was die von der angemeldeten Marke erfassten „Verpackungsmaterialien“ und „Blisterpäckchen für Verpackungszwecke“ der Klasse 16 betrifft, so ist auch das hierzu von der Klägerin erstattete Vorbringen zurückzuweisen, und zwar insofern als es darauf gerichtet verstanden werden könnte, dass die angemeldete Marke aufgrund ihrer besonderen Merkmale, insbesondere der Seite, auf der die Blister für Flüssigkeiten angebracht sind – nämlich umgekehrt als bei den für andere Produkte bestimmten Blistern –, Unterscheidungskraft in Bezug auf diese Waren habe.

57      Aus der Rechtsprechung ergibt sich nämlich, dass in dem Fall, in dem eine Verpackungsform zusammen mit den verpackten Waren – hier den von der angemeldeten Marke erfassten Waren der Klasse 5 – keine Unterscheidungskraft hat, nicht der Schluss gezogen werden kann, dass diese Form als Leerverpackung Unterscheidungskraft hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. September 2019, Fränkischer Weinbauverband/EUIPO [Form einer ellipsoiden Flasche], T‑68/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:677, Rn. 56).

58      Die Verpackungsbranche umfasst nämlich diejenigen Verpackungen, in denen die fraglichen Waren der Klasse 5 abgepackt sind. Daher ist in dem Fall, in dem die angemeldete Marke in Bezug auf Verpackungen, in denen die Dentalprodukte abgepackt sind, nicht erheblich von der Norm oder der Üblichkeit der Dentalprodukte-Branche abweicht, es logischerweise ausgeschlossen, dass sie erheblich von der Norm oder der Üblichkeit der Verpackungsbranche abweicht (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 24. September 2019, Form einer ellipsoiden Flasche, T‑68/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:677, Rn. 57).

59      Unter diesen Umständen ist die Beschwerdekammer fehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die angemeldete Marke in Bezug auf die in Rede stehenden Waren der Klasse 16 ihre wesentliche herkunftskennzeichnende Funktion nicht erfüllen kann und daher für diese Waren keine Unterscheidungskraft hat.

60      Was schließlich siebtens die Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung im Hinblick auf die in Rn. 38 der Klageschrift angeführten Voreintragungen betrifft, ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass das EUIPO verpflichtet ist, seine Befugnisse im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts, wie dem Grundsatz der Gleichbehandlung und dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, auszuüben. In Anbetracht dieser beiden letzteren Grundsätze muss das EUIPO im Rahmen der Würdigung der Beweise für eine ernsthafte Benutzung einer älteren Marke die bereits zu ähnlichen Anmeldungen ergangenen Entscheidungen berücksichtigen und besonderes Augenmerk auf die Frage richten, ob im gleichen Sinne zu entscheiden ist oder nicht. Der Grundsatz der Gleichbehandlung und der Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung müssen jedoch mit dem Gebot rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden. Folglich kann sich die Person, die für einen Widerspruch das Fehlen einer ernsthaften Benutzung einer älteren Marke geltend macht, nicht auf eine etwaige fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen, um eine identische Entscheidung zu erlangen (Urteile vom 26. Juni 2019, Agencja Wydawnicza Technopol/EUIPO [200 PANORAMICZNYCH u. a.], T‑117/18 bis T‑121/18, EU:T:2019:447, Rn. 110 bis 114, und vom 30. Januar 2020, Grupo Textil Brownie/EUIPO – The Guide Association (BROWNIE), T‑598/18, EU:T:2020:22, Rn. 93).

61      Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer in Rn. 30 der angefochtenen Entscheidung ordnungsgemäß die Relevanz der von der Klägerin angeführten früheren Entscheidungspraxis des EUIPO in Frage gestellt, indem sie zu Recht festgestellt hat, dass sie nicht an Voreintragungen in Fällen gebunden ist, die mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar sind.

62      Nach alledem ist der einzige Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen und somit die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

63      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Voco GmbH trägt die Kosten.

Tomljenović

Škvařilová-Pelzl

Nõmm

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 21. September 2022.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

M. van der Woude


*      Verfahrenssprache: Deutsch.