Language of document : ECLI:EU:T:2015:497

Rechtssache T‑115/13

Gert-Jan Dennekamp

gegen

Europäisches Parlament

„Zugang zu Dokumenten – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 – Dokumente betreffend die Teilnahme bestimmter Mitglieder des Parlaments am System des zusätzlichen Ruhegehalts – Verweigerung des Zugangs – Ausnahme betreffend den Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen – Art. 8 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 – Übermittlung personenbezogener Daten – Voraussetzungen für die Notwendigkeit der Datenübermittlung und für die Gefahr der Beeinträchtigung der berechtigten Interessen der betroffenen Person“

Leitsätze – Urteil des Gerichts (Fünfte Kammer) vom 15. Juli 2015

1.      Gerichtliches Verfahren – Klagegenstand – Veröffentlichung der Namen bestimmter Mitglieder des Parlaments nach der Erhebung einer Klage durch diese – Fehlen eines Klagegegenstands einer gegen das Parlament von einem Dritten erhobenen Klage, die auf die Verbreitung der Daten gerichtet ist, die diese Mitglieder betreffen – Erledigung

(Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 76)

2.      Organe der Europäischen Union – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten – Enge Auslegung und Anwendung – Pflicht zur konkreten und individuellen Prüfung der mit einer Ausnahme versehenen Dokumente – Umfang

(Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4)

3.      Organe der Europäischen Union – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten – Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen – Umfang – Pflicht zur Beurteilung unter Beachtung der Rechtsvorschriften der Union zum Schutz personenbezogener Daten – Vollständige Anwendung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 45/2001 auf alle Anträge auf Zugang zu Dokumenten, die personenbezogene Daten enthalten

(Verordnungen des Europäischen Parlaments und des Rates Nr. 45/2001, Art. 8, und Nr. 1049/2001, Art. 4 Abs. 1 Buchst. b)

4.      Organe der Europäischen Union – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnungen Nr. 1049/2001 und Nr. 45/2001 – Beziehung zwischen den Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten und dem Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen – Voraussetzung der in Art. 8 Buchst. b der Verordnung Nr. 45/2001 vorgesehenen Notwendigkeit der Übermittlung personenbezogener Daten

(Verordnungen des Europäischen Parlaments und des Rates Nr. 45/2001, Erwägungsgrund 12 und Art. 2 Buchst. a, Art. 5 Buchst. b und Art. 8 Buchst. b, und Nr. 1049/2001, Art. 4 Abs. 1 Buchst. b und Art. 6 Abs. 1)

5.      Gerichtliches Verfahren – Vorbringen neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens – Voraussetzungen – Angriffs- oder Verteidigungsmittel, das auf Gründe gestützt wird, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind – Fehlen – Unzulässigkeit

(Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 84 Abs. 1)

6.      Rechtsangleichung – Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten – Verarbeitung dieser Daten durch die Organe und Einrichtungen der Union – Verordnung Nr. 45/2001 – Antrag gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001, der die Namen der Mitglieder des Parlaments nennt, die am System des zusätzlichen Ruhegehalts teilnehmen – Personenbezogene Daten – Pflicht des Antragstellers, die Notwendigkeit der Übermittlung dieser Daten festzulegen – Pflicht des betreffenden Organs, die durch die Verbreitung dieser Daten in Frage gestellten Interessen gegeneinander abzuwägen

(Verordnungen des Europäischen Parlaments und des Rates Nr. 45/2001, Art. 8 Buchst. b, und Nr. 1049/2001, Art. 4 Abs. 1 Buchst. b)

7.      Organe der Europäischen Union – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Mitglieder eines Organs, die an einem System des zusätzlichen Ruhegehalts teilnehmen – Gefahr eines Interessenkonflikts im Fall der Abstimmung über dieses System – Pflicht des in Rede stehenden Organs, einer Person, die Dokumente beantragt, die Namen der Mitglieder zu übermitteln, die an solchen Abstimmungen teilgenommen haben

(Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates)

8.      Organe der Europäischen Union – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Antrag auf Zugang zu Dokumenten, die einen Interessenkonflikt aufzeigen – Begriff des Interessenkonflikts

(Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 2 und 4 Abs. 1 Buchst. b)

9.      Rechtsangleichung – Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten – Verarbeitung dieser Daten durch die Organe und Einrichtungen der Union – Verordnung Nr. 45/2001 – Antrag gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001, der die Namen der Mitglieder des Parlaments nennt, die am System des zusätzlichen Ruhegehalts teilnehmen – Personenbezogene Daten – Schutzniveau, das für die Daten der Personen des öffentlichen Lebens geringer ist

(Verordnungen des Europäischen Parlaments und des Rates Nr. 45/2001, Art. 8 Buchst. b, und Nr. 1049/2001)

10.    Organe der Europäischen Union – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnungen Nr. 1049/2001 und Nr. 45/2001 – Antrag gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001, der die Namen der Mitglieder des Parlaments nennt, die am System des zusätzlichen Ruhegehalts teilnehmen – Personenbezogene Daten – Schutzniveau, das für die Daten der Personen des öffentlichen Lebens geringer ist – Vorrang der Interessen, die darauf gerichtet sind, das ordnungsgemäße Funktionieren der Union zu gewährleisten, indem sie das berechtigte Vertrauen der Bürger in die Organe stärken

(Verordnungen des Europäischen Parlaments und des Rates Nr. 45/2001, Art. 8 Buchst. b, und Nr. 1049/2001)

11.    Organe der Europäischen Union – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten – Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen – Weigerung, Zugang zu gewähren – Begründungspflicht – Umfang

(Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4)

1.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 25 bis 29)

2.      Die Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission gewährt, wie sich aus ihrem vierten Erwägungsgrund und Art. 1 ergibt, der Öffentlichkeit ein größtmögliches Recht auf Zugang zu den Dokumenten der Organe. Dieses Recht unterliegt zwar gemäß Art. 4 dieser Verordnung bestimmten Einschränkungen aufgrund öffentlicher oder privater Interessen, darunter die Verweigerung in dem Fall, dass die Verbreitung eines Dokuments eines der mit dieser Vorschrift geschützten Interessen beeinträchtigen würde, diese Ausnahmen sind aber, da sie vom Grundsatz des größtmöglichen Zugangs der Öffentlichkeit zu Dokumenten abweichen, eng auszulegen und anzuwenden. Beschließt das betreffende Organ, den Zugang zu einem Dokument zu verweigern, dessen Übermittlung bei ihm beantragt wurde, muss es daher grundsätzlich erläutern, inwiefern der Zugang zu diesem Dokument das Interesse, das durch eine von ihm geltend gemachte Ausnahme nach Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 geschützt wird, konkret und tatsächlich beeinträchtigen könnte. Die Gefahr einer solchen Beeinträchtigung muss außerdem angemessen absehbar und darf nicht rein hypothetisch sein.

(vgl. Rn. 36-39, 133)

3.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 40-43, 49-51, 134)

4.      Das Gleichgewicht zwischen dem aus der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission folgenden Recht auf Zugang zu den bei den Organen befindlichen Dokumenten und den in der Verordnung Nr. 45/2001 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr festgelegten Verpflichtungen für die Übermittlung personenbezogener Daten durch eben diese Organe herzustellen, beinhaltet, die Systematik der in den zwei Verordnungen enthaltenen Regeln genauer darzulegen.

Insoweit muss erstens, wenn ein Antrag auf Zugang zu Dokumenten, dem stattgegeben wird, zur Offenlegung personenbezogener Daten führen kann, das mit dem Antrag befasste Organ alle Bestimmungen der Verordnung Nr. 45/2001 anwenden, ohne dass die in der Verordnung Nr. 1049/2001 enthaltenen anderslautenden Regeln und Grundsätze eine Einschränkung des vollumfänglichen Schutzes dieser Daten bewirken können. In einem solchen allgemeinen Rahmen verlangt Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1049/2001, wenn das Recht auf Zugang zu Dokumenten gemäß Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 nicht an die Voraussetzung geknüpft ist, dass der Antragsteller ein Interesse an der Offenlegung der Dokumente begründet, mittelbar vom Antragsteller, durch eine oder mehrere ausdrückliche rechtliche Begründungen darzutun, dass die Übermittlung der personenbezogenen Daten, die in den angeforderten Dokumenten enthalten sind, notwendig ist.

Zweitens sind insbesondere die wesentlichen Merkmale der Schutzregelung zu berücksichtigen, die die Verordnung Nr. 45/2001 natürlichen Personen im Hinblick auf die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten gewährt. Diese Verordnung ist gemäß ihrem fünften Erwägungsgrund darauf gerichtet, den Personen, die sie als Betroffene festlegt, auf dem Rechtsweg durchsetzbare Rechte zu geben und die Verpflichtungen der in den Organen und Einrichtungen der Union für die Datenverarbeitung Verantwortlichen festzulegen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Voraussetzungen für die Möglichkeit der Übermittlung personenbezogener Daten durch ein Organ oder eine Einrichtung der Union eng ausgelegt werden, da andernfalls die Rechte, die diesen Personen nach dem zwölften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 45/2001 als Grundrechte zuerkannt werden, gefährdet wären. Daher beinhaltet die Erfüllung der Voraussetzung der Notwendigkeit den Nachweis, dass die Übermittlung der personenbezogenen Daten unter allen denkbaren Maßnahmen die Maßnahme ist, die sich am besten dazu eignet, das Ziel des Antragstellers zu erreichen, und diese Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis zu dem Ziel steht, weshalb der Antragsteller verpflichtet ist, insoweit ausdrückliche rechtliche Begründungen vorzutragen.

Eine solche Auslegung führt nicht dazu, dass zugunsten personenbezogener Daten eine „kategorische“ Ausnahme zum Grundsatz des Zugangs zu Dokumenten geschaffen wird, sondern zu einem Ausgleich der zwei Grundrechte, die miteinander konkurrieren, wenn ein Antrag auf Zugang zu Dokumenten auf personenbezogene Daten gerichtet ist, die durch die Verordnung Nr. 45/2001 geschützt werden.

Insoweit hat eine enge Auslegung der in Art. 8 Buchst. b der Verordnung Nr. 45/2001 vorgesehenen Voraussetzung der Notwendigkeit auch nicht zur Folge, dass eine Begründung für die Übermittlung personenbezogener Daten, die allgemeiner Natur ist, wie das Recht der Öffentlichkeit auf Informationen, nicht berücksichtigt werden darf.

Drittens, sobald die Person, die Zugang zu Dokumenten mit personenbezogenen Daten beantragt, die Notwendigkeit ihrer Übermittlung nachgewiesen hat und das befasste Organ der Auffassung ist, es bestehe kein Grund zu der Annahme, dass die berechtigten Interessen der betroffenen Personen beeinträchtigt werden könnten, dürfen die Daten übermittelt werden, und sofern keine in der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahme – abgesehen von der Ausnahmeregelung für Beeinträchtigungen des Schutzes der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen – anwendbar ist, werden das Dokument bzw. die Dokumente, die die Daten enthalten, verbreitet und somit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Daraus folgt, dass die in Art. 8 Buchst. b der Verordnung Nr. 45/2001 vorgesehene Voraussetzung der Notwendigkeit eng auszulegen ist, die Voraussetzung der Notwendigkeit für die Übermittlung personenbezogener Daten eine Prüfung der Notwendigkeit im Hinblick auf das Ziel, das der Antragsteller mit dem Zugang zu den Dokumenten verfolgt, durch das befasste Organ bzw. die befasste Einrichtung impliziert, was die Reichweite der Regel über die fehlende Begründung eines Zugangsantrags einschränkt, die Begründung, die der Antragsteller für die Notwendigkeit einer Übermittlung der Daten geltend macht, allgemeiner Natur sein kann und die Verordnung Nr. 1049/2001 nicht ihrer praktischen Wirksamkeit beraubt werden darf, indem ihre maßgeblichen Bestimmungen dahin ausgelegt werden, dass eine rechtmäßige Offenlegung niemals das Ziel der uneingeschränkten Verbreitung in der Öffentlichkeit verfolgen darf.

(vgl. Rn. 48, 51-54, 56, 59-61, 67, 68)

5.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 80)

6.      Das bloße Berufen der Person, die Zugang zu Dokumenten eines Organs beantragt, auf das Recht auf Information und auf Verbreitung in der Öffentlichkeit der erhobenen Informationen über die Kontrolle der öffentlichen Ausgaben lässt nicht nachvollziehen, weshalb die Übermittlung der Namen der an einem System des zusätzlichen Ruhegehalts teilnehmenden Abgeordneten dieses Organs die Maßnahme sein soll, die sich am besten dazu eignet, das vom Antragsteller verfolgte Ziel zu erreichen, und inwiefern sie in einem angemessenen Verhältnis zu dem Ziel steht. Gleiches gilt für das Berufen auf eine bereits über ein solches System bestehende Debatte, die nicht nachweisen lässt, dass es für den Antragsteller notwendig ist, eine Übermittlung der streitigen Daten zu erwirken.

Jedoch ist das Organ bzw. die Einrichtung der Union, das bzw. die mit einem Antrag auf Zugang zu Dokumenten mit personenbezogenen Daten befasst ist, in Fällen, in denen die Notwendigkeit der Übermittlung dieser Daten nachgewiesen würde, verpflichtet, die verschiedenen Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen und gemäß Art. 8 Buchst. b der Verordnung Nr. 45/2001 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr zu prüfen, ob ein Grund für die Annahme, dass durch diese Übermittlung möglicherweise die berechtigten Interessen der Betroffenen beeinträchtigt werden können, besteht oder nicht.

(vgl. Rn. 83, 84, 116, 127)

7.      Im Rahmen der Anwendung der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission muss das in Rede stehende Organ, um einer Person, die den Zugang zu den bei den Organen befindlichen Dokumenten betreffend die Teilnahme bestimmter Mitglieder am System des zusätzlichen Ruhegehalts beantragt, das Erreichen seines Ziels zu ermöglichen, potenzielle Interessenkonflikte dieser Abgeordneten aufzudecken, die Namen der Abgeordneten, die am System teilnahmen und gleichzeitig zum Zeitpunkt der Abstimmung über dieses System Mitglieder des Plenums waren und tatsächlich an diesen Abstimmungen teilgenommen hatten, übermitteln müssen, ohne sich auf die Namen derjenigen zu beschränken, die an den namentlichen Abstimmungen gemäß der Geschäftsordnung des Parlaments teilgenommen hatten. Denn unabhängig davon, welches Abstimmungsverfahren bei den Abstimmungen über ein solches System verwendet wurde, können alle Abgeordneten dieses Organs, die tatsächlich abgestimmt haben und am System teilnahmen, durch ihr persönliches Interesse am System beeinflusst worden sein. Insoweit kann sich der Antragsteller auf den Nachweis beschränken, dass sich diese Mitglieder aufgrund ihrer Doppelstellung als Abgeordnete des Organs und Teilnehmer des Systems in einer solchen Situation befanden. Daher begeht das betreffende Organ einen offensichtlichen Beurteilungsfehler, indem es die Auffassung vertritt, es sei nicht nachgewiesen worden, dass die Übermittlung der Namen der am System teilnehmenden Abgeordneten, die an den Abstimmungen über dieses System teilgenommen hätten, notwendig sei.

(vgl. Rn. 103, 110, 113)

8.      Im Rahmen der Anwendung der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission bezeichnet der Begriff des Interessenkonflikts, um den es bei einem Antrag auf Zugang geht, nicht nur eine Situation, in der ein Amtsträger ein persönliches Interesse hat, das geeignet ist, die unparteiische und objektive Ausübung seines Mandats tatsächlich beeinflusst zu haben, sondern auch eine Situation, in der das identifizierte Interesse in den Augen der Öffentlichkeit den Anschein erweckt, dass es die unparteiische und objektive Ausübung seines Mandats beeinflusst. Im Übrigen dient die Offenlegung potenzieller Interessenkonflikte nicht nur dazu, Fälle aufzudecken, in denen Amtsträger die Ausübung ihres Mandats in den Dienst ihrer persönlichen Interessen gestellt haben, sondern sie dient auch dazu, die Öffentlichkeit über die Gefahren von Interessenkonflikten, die auf den Amtsträgern lasten, zu informieren, damit diese bei der Ausübung ihres Mandats unparteiisch handeln, nachdem sie angesichts der Situation, in der sie sich befinden, auf den sie betreffenden potenziellen Interessenkonflikt hingewiesen haben und Maßnahmen ergriffen oder vorgeschlagen haben, mit denen sich der Interessenkonflikt lösen oder vermeiden lässt.

(vgl. Rn. 106, 109)

9.      Die bei Personen des öffentlichen Lebens vorgenommene Unterscheidung zwischen öffentlicher Sphäre und Privatsphäre ist für die Bestimmung des Schutzumfangs, der personenbezogenen Daten nach der Verordnung Nr. 45/2001 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr zusteht, entscheidend, selbst wenn dies nach dieser nicht vorgesehen ist. Es wäre nämlich völlig unzweckmäßig, wenn alle Anträge auf Übermittlung personenbezogener Daten unabhängig von der Identität der betroffenen Person auf die gleiche Weise beurteilt würden. Wenn sich eine Person des öffentlichen Lebens daher dafür entschieden hat, sich Dritten, insbesondere den Medien, auszusetzen und durch sie einer mehr oder weniger großen Öffentlichkeit entsprechend ihrem Tätigkeitsfeld zu präsentieren, ist dieser Kontext zu berücksichtigen, um die Gefahr einer Beeinträchtigung der berechtigten Interessen von Personen des öffentlichen Lebens im Rahmen der Anwendung von Art. 8 Buchst. b der Verordnung Nr. 45/2001 zu beurteilen und diese Interessen gegen die Notwendigkeit der beantragten Übermittlung personenbezogener Daten abzuwägen.

Um insoweit in dem Fall, dass der gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission gestellte Antrag den Zugang zu Dokumenten im Hinblick auf die Mitglieder einer Organisation betrifft, die an einem System des zusätzlichen Ruhegehalts teilnehmen, die Gefahr einer Beeinträchtigung der berechtigten Interessen dieser Abgeordneten zu beurteilen, ist der Zusammenhang zu berücksichtigen, der zwischen den fraglichen personenbezogenen Daten, d. h. den Namen der Abgeordneten, die am System teilnehmen und an den Abstimmungen über dieses beteiligt waren, und dem Mandat der Abgeordneten besteht. Da die Möglichkeit, am System teilzunehmen, nur für Abgeordnete besteht, entstammen die fraglichen personenbezogenen Daten der öffentlichen Sphäre dieser Abgeordneten. In diesem Zusammenhang sind der Umstand, dass die Teilnahme am System fakultativ ist und auf einem freiwilligen Beitritt beruht sowie der Umstand, dass das zusätzliche Ruhegehalt nach Ablauf des Mandats gezahlt wird, nicht maßgeblich bei der Entscheidung, ob die fraglichen personenbezogenen Daten der Privatsphäre der Abgeordneten entstammen. Daraus folgt, dass bei der Abwägung der bestehenden Interessen den berechtigten Interessen der am System teilnehmenden Abgeordneten, die der öffentlichen Sphäre der Abgeordneten entstammen, ein weniger weitreichender Schutz zu gewähren ist als den Interessen, die zur Privatsphäre der Abgeordneten gehören und durch die Verordnung Nr. 45/2001 geschützt werden.

(vgl. Rn. 119-121, 124)

10.    Im Kontext eines Antrags auf Zugang zu Dokumenten des Europäischen Parlaments über die Teilnahme seiner Mitglieder an einem System des zusätzlichen Ruhegehalts, der auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission gestellt wurde, werden die personenbezogenen Daten nur übermittelt, wenn kein Grund zu der Annahme besteht, dass die berechtigten Interessen der betroffenen Personen beeinträchtigt werden könnten. Insoweit führt, da den berechtigten Interessen der am System teilnehmenden Abgeordneten, die der öffentlichen Sphäre der Abgeordneten entstammen, ein weniger weitreichender Schutz zu gewähren ist als den Interessen, die zur Privatsphäre der Abgeordneten gehören und durch die Verordnung Nr. 45/2001 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr geschützt werden, das geringere Schutzniveau der Namen dieser Abgeordneten jedoch dazu, dass den Interessen, die hinter dem mit der Übermittlung verbundenen Ziel stehen, mehr Gewicht zukommt.

Somit gewährleistet die Aufdeckung potenzieller Interessenkonflikte von Abgeordneten, die das Ziel der beantragten Datenübermittlung darstellt, eine bessere Kontrolle der Tätigkeit der Abgeordneten und der Funktionsweise eines Unionsorgans, das die Bevölkerungen der Mitgliedstaaten repräsentiert, und mehr Transparenz bei ihrer Tätigkeit. Angesichts der Bedeutung der vorliegenden Interessen, die darauf gerichtet sind, das ordnungsgemäße Funktionieren der Union zu gewährleisten, indem sie das berechtigte Vertrauen der Bürger in die Organe stärken, kann die Übermittlung der fraglichen personenbezogenen Daten keine Beeinträchtigung der berechtigten Interessen der am System teilnehmenden Abgeordneten darstellen. Somit hätte die Abwägung der bestehenden Interessen zu einer Autorisierung der Übermittlung der Namen der Abgeordneten, die am System teilnahmen und an den Abstimmungen über dieses beteiligt waren, führen müssen, da sich das Parlament nicht zu Recht auf eine zwingende rechtliche Vermutung zugunsten der berechtigten Interessen der Personen, die von den zu übermittelnden personenbezogenen Daten betroffen waren, berufen konnte. Der Wortlaut des Art. 8 Buchst. b der Verordnung Nr. 45/2001 enthält keinen Anhaltspunkt für die Anerkennung einer solchen Vermutung, da die Beurteilung eines Antrags auf Übermittlung personenbezogener Daten eine Abwägung der bestehenden Interessen voraussetzt, nachdem der Antragsteller die Notwendigkeit einer Übermittlung der Daten nachgewiesen hat.

Daher begeht das Parlament einen offensichtlichen Beurteilungsfehler, indem es feststellt, dass die Übermittlung der Namen der Abgeordneten, die am System teilnahmen und an den Abstimmungen über dieses beteiligt waren, die berechtigten Interessen der Abgeordneten beeinträchtigen würde.

(vgl. Rn. 124-127, 130)

11.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 136-141)