Language of document : ECLI:EU:T:2021:143

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

17. März 2021(*)

„Pflanzenschutzmittel – Wirkstoff Flupyrsulfuron-methyl – Nichterneuerung der Aufnahme in den Anhang der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 – Bewertungsverfahren – Vorschlag für die Einstufung eines Wirkstoffs – Vorsorgegrundsatz – Verteidigungsrechte – Rechtssicherheit – Offensichtlicher Beurteilungsfehler – Verhältnismäßigkeit – Diskriminierungsverbot – Grundsatz der guten Verwaltung – Vertrauensschutz“

In der Rechtssache T‑719/17,

FMC Corporation mit Sitz in Philadelphia, Pennsylvania (Vereinigte Staaten), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte D. Waelbroeck, I. Antypas und A. Accarain,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch X. Lewis, G. Koleva und I. Naglis als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung (EU) 2017/1496 der Kommission vom 23. August 2017 zur Nichterneuerung der Genehmigung für den Wirkstoff DPX KE 459 (Flupyrsulfuron-methyl) gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 der Kommission (ABl. 2017, L 218, S. 7)

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten D. Spielmann sowie der Richterin O. Spineanu-Matei und des Richters R. Mastroianni (Berichterstatter),

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2020

folgendes

Urteil

I.      Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Der Wirkstoff DPX KE 459 (Flupyrsulfuron-methyl) (im Folgenden auch: FPS) wird als selektives Breitbandherbizid verwendet, das für die Verwendung bei verschiedenen Getreidekulturen registriert ist.

2        FPS wurde durch die Richtlinie 2001/49/EG der Kommission vom 28. Juni 2001 zur Änderung des Anhangs I der Richtlinie 91/414 zur Aufnahme des Wirkstoffs DPX KE 459 (Flupyrsulfuron-Methyl) (ABl. 2001, L 176, S. 61) in den Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (ABl. 1991, L 230, S. 1) aufgenommen.

3        Die in Anhang I der Richtlinie 91/414 aufgeführten Wirkstoffe gelten als gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414 des Rates (ABl. 2009, L 309, S. 1) genehmigt und sind in Teil A des Anhangs der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 der Kommission vom 25. Mai 2011 zur Durchführung der Verordnung Nr. 1107/2009 hinsichtlich der Liste zugelassener Wirkstoffe (ABl. 2011, L 153, S. 1) aufgeführt. Die sich aus der Aufnahme in diesen Anhang ergebende Genehmigung für FPS lief am 30. Juni 2018 ab.

4        Am 25. März 2011 beantragte die DuPont de Nemours (Deutschland) GmbH, die deutsche Tochtergesellschaft des DuPont-de-Nemours-Konzerns (im Folgenden: DuPont), gemäß Art. 14 der Verordnung Nr. 1107/2009 die Erneuerung der Genehmigung für FPS. Dieser Erneuerungsantrag wurde gemäß Art. 4 der Verordnung (EU) Nr. 1141/2010 der Kommission vom 7. Dezember 2010 zur Festlegung des Verfahrens für die erneute Aufnahme einer zweiten Gruppe von Wirkstoffen in Anhang I der Richtlinie 91/414 des Rates und zur Erstellung der Liste dieser Wirkstoffe (ABl. 2010, L 322, S. 10) innerhalb der in diesem Artikel vorgesehenen Frist gestellt.

5        Die Französische Republik und das Königreich Dänemark wurden zum berichterstattenden Mitgliedstaat (im Folgenden: BEMS) bzw. zum berichtmiterstattenden Mitgliedstaat bestimmt, um im Rahmen des Verfahrens zur Erneuerung der Genehmigung dieses Wirkstoffs im Namen der Europäischen Union eine Bewertung der mit FPS in Verbindung stehenden Risiken vorzunehmen.

6        Im September 2013 beendete der BEMS seine Prüfung des von DuPont im März 2011 vorgelegten Erneuerungsdossiers, das im Mai 2012 durch ergänzende Unterlagen vervollständigt worden war, und legte einen Entwurf des Berichts über die Bewertung der Erneuerung der Genehmigung für FPS (im Folgenden: Bericht über die Bewertung der Erneuerung) vor. Er stellte fest, dass das Erneuerungsdossier vollständig sei. Er empfahl die Erneuerung der Genehmigung für FPS.

7        Am 27. September 2013 wurde eine Kopie des Berichts über die Bewertung der Erneuerung an DuPont und an die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) übersandt. Am 2. Oktober 2013 begann die EFSA das Peer-Review-Verfahren, indem sie den Bericht über die Bewertung der Erneuerung zur Konsultation an DuPont und an die Mitgliedstaaten sandte. Letztere wurden aufgefordert, hierzu innerhalb einer Frist von zwei Monaten eine Stellungnahme abzugeben.

8        Am 3. Dezember 2013 legte DuPont der EFSA fristgerecht ihre Stellungnahme zum Bericht über die Bewertung der Erneuerung vor.

9        Nach Prüfung der eingegangenen Stellungnahme zum Bericht über die Bewertung der Erneuerung beschloss die Europäische Kommission, die EFSA zu beauftragen, eine Konsultation mit Experten in den Bereichen Toxizität bei Säugetieren, Verbleib und Verhalten in der Umwelt sowie Ökotoxizität durchzuführen.

10      Anlässlich der Peer-Review-Sitzung am 16. Mai 2014 prüften die Experten der EFSA und der Mitgliedstaaten die vorliegenden Studien zur Toxizität von FPS bei Säugetieren. Aufgrund unspezifischer hepatischer Effekte, die in einer Langzeitstudie bei Mäusen beobachtet wurden, beschloss die Mehrheit der mit dem Peer-Review beauftragten Experten, eine Einstufung von FPS in Bezug auf die davon ausgehenden Gefahren als karzinogene Substanz der Kategorie 2 vorzuschlagen.

11      In der Folge schlug die EFSA in der endgültigen Fassung ihrer wissenschaftlichen Schlussfolgerungen zur Risikobewertung von FPS (im Folgenden: Schlussfolgerungen der EFSA) vor, FPS auch als reproduktionstoxische Substanz der Kategorie 2 einzustufen. Dieser Vorschlag stützte sich auf nicht eindeutige Ergebnisse einer Studie über die Entwicklung von Ratten (verzögerte Verknöcherung des Zungenbeins).

12      Die EFSA räumte zwar ein, dass die Einstufung der Gefahren gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. 2008, L 353, S. 1) formal von der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) vorgenommen werde, benannte jedoch auf der Grundlage ihres eigenen Vorschlags für eine Einstufung von FPS zwei „besonders bedenkliche Aspekte“:

–        Erstens zog die EFSA den Schluss, dass FPS die vorläufigen Kriterien für die Feststellung endokrinschädlicher Eigenschaften nach der Verordnung Nr. 1107/2009 erfülle, da vorgeschlagen worden sei, diesen Stoff als karzinogene Substanz der Kategorie 2 und als reproduktionstoxische Substanz der Kategorie 2 einzustufen; dennoch räumte die EFSA auch ein, dass in vivo keine schädlichen Auswirkungen auf das endokrine System beobachtet worden seien, und dass es „daher nach dem gegenwärtigen Wissensstand unwahrscheinlich [ist], dass Flupyrsulfuron-methyl bei Säugetieren endokrine Störungen hervorruft“.

–        Zweitens zog die EFSA den Schluss, dass „nach der Einstufung des Ausgangsstoffs“ die drei wichtigsten Metaboliten von FPS im Boden (IN-JV460, IN-KC576 und IN-KY374), von denen zu erwarten sei, dass ihre Konzentration im Grundwasser den Schwellenwert von 0,1 μg/l überschreiten werde, gemäß der Vermutung, die im Leitfaden der Kommission vom 25. Februar 2003 über die Beurteilung der Relevanz von Metaboliten im Grundwasser im Rahmen der Richtlinie 91/414 (Sanco/221/2000 – rev.10 – final) (im Folgenden: Leitfaden der Kommission über Metaboliten im Grundwasser) aufgestellt worden sei, als toxikologisch relevant anzusehen seien.

13      Die EFSA forderte die Mitgliedstaaten auf, Stellungnahmen zum Vorschlag der Einstufung von FPS als reproduktionstoxische Substanz der Kategorie 2 sowie zu den beiden auf dieser Grundlage benannten „besonders bedenklichen Aspekten“ abzugeben.

14      In ihren Stellungnahmen äußerten eine Reihe von Mitgliedstaaten Zweifel am Vorschlag der EFSA, FPS als reproduktionstoxische Substanz der Kategorie 2 einzustufen, sowie Bedenken hinsichtlich der sich aus dem Einstufungsvorschlag der EFSA ergebenden Folgen.

15      Die EFSA veröffentlichte ihre wissenschaftlichen Schlussfolgerungen am 6. November 2014. Sie hielt ihren Einstufungsvorschlag aufrecht und erachtete es als vorhersehbar, dass FPS die in Art. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 aufgeführten Kriterien für die Genehmigung nicht erfüllen werde. Zur Stützung dieser Schlussfolgerung benannte die EFSA vier „besonders bedenkliche Aspekte“:

–        Erstens konnte nicht festgestellt werden, dass die in den Toxizitätsstudien verwendeten Chargen für die vorgeschlagenen technischen Spezifikationen repräsentativ seien.

–        Zweitens wurde entschieden, dass FPS die vorläufigen Kriterien für die Feststellung endokrinschädlicher Eigenschaften erfülle, da vorgeschlagen worden sei, den Stoff als karzinogene Substanz der Kategorie 2 und als reproduktionstoxische Substanz der Kategorie 2 einzustufen.

–        Drittens wurde das Risiko einer Grundwasserexposition über dem Schwellenwert einer Konzentration von 0,1 μg/l für die drei wichtigsten Metaboliten im Boden (IN-JV460, IN-KC576 und IN-KY374) als unannehmbar eingestuft, da diese drei Metaboliten gemäß dem Vorschlag der EFSA für die Einstufung von FPS als toxikologisch relevant anzusehen seien.

–        Viertens wurde ein Risiko für Wasserpflanzen festgestellt.

16      Darüber hinaus stellte die EFSA eine „Datenlücke“ fest, da für zwei weitere Metaboliten von FPS (IN-JE127 und IN-KF311) keine Bewertung der Grundwasserexposition zur Verfügung stehe.

17      Am 2. Dezember 2014 richtete DuPont ein Schreiben an die Kommission, in dem DuPont zu den Schlussfolgerungen der EFSA Stellung nahm und insbesondere dem Vorschlag der EFSA für die Einstufung von FPS entgegentrat. Zudem kritisierte DuPont, dass die EFSA, obwohl sie eine Auswirkung auf das endokrine System ausdrücklich ausgeschlossen habe, FPS dennoch auf der Grundlage der in der Verordnung Nr. 1107/2009 vorgesehenen vorläufigen Kriterien für die Feststellung endokrinschädlicher Eigenschaften als möglicherweise endokrinschädigend definiert habe.

18      Auf der Grundlage der Schlussfolgerungen der EFSA veröffentlichte die Kommission am 18. März 2015 einen Entwurf eines Überprüfungsberichts für FPS, in dem sie vorschlug, die Genehmigung für FPS aufzuheben. Sie stützte ihren Vorschlag auf folgende drei Hauptbedenken:

–        die vorläufigen Kriterien für die Feststellung endokrinschädlicher Eigenschaften, die aufgrund des Vorschlags der EFSA, FPS als karzinogene Substanz der Kategorie 2 und als reproduktionstoxische Substanz der Kategorie 2 einzustufen, erfüllt gewesen seien;

–        die verfügbaren Informationen, die nicht ausreichend gewesen seien, um das Risiko der Grundwasserexposition gegenüber den relevanten Metaboliten zu bewerten;

–        ein Risiko für Wasserorganismen.

19      Am selben Tag teilte die Kommission DuPont mit, dass intern noch Gespräche über den Einstufungsvorschlag der EFSA und somit über die vorläufigen Kriterien für die Feststellung endokrinschädlicher Eigenschaften geführt würden.

20      Am 8. April 2015 richtete DuPont ein Schreiben an die Kommission, in dem sich DuPont zum Entwurf eines Berichts über die Prüfung von FPS äußerte und vor allem geltend machte, dass ein Vorschlag der Kommission, die Genehmigung für FPS zu erneuern, wissenschaftlich gerechtfertigt und rechtlich begründet gewesen wäre.

21      Mit E‑Mail vom 29. Mai 2015 ersuchte die Kommission DuPont auf der Grundlage der Schlussfolgerung, wonach FPS die vorläufigen Kriterien für die Feststellung endokrinschädlicher Eigenschaften erfülle, zu berücksichtigende Angaben für eine mögliche Ausnahmegenehmigung nach Nr. 3.6.5 des Anhangs II und Art. 4 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1107/2009 vorzulegen. DuPont legte am 26. Juni und am 13. Juli 2015 zwei Ausnahmedossiers vor.

22      Am 24. Juni 2015 lud die Kommission DuPont zu einem Treffen ein, um auf die Bewertung der Erneuerung der Genehmigung für FPS einzugehen. Im Laufe dieses Treffens ersuchte DuPont die Kommission, ebenso wie in einem Folgeschreiben vom 2. Juli 2015, die ECHA als für die Einstufung zuständige Behörde zu beauftragen, erneut zu prüfen, wie die mit FPS in Zusammenhang stehenden Gefahren einzustufen seien, sowie ihre Entscheidung nicht zu treffen, bevor eine endgültige Einstufung durch die ECHA ergangen sei.

23      In einem Schreiben vom 9. Oktober 2015 teilte DuPont dem BEMS ihre Absicht mit, zusätzliche Studien zur Frage der Toxizität von FPS durchzuführen, um ihre Behauptung zu untermauern, dass weder die Einstufung als karzinogene Substanz der Kategorie 2 noch die Einstufung als reproduktionstoxische Substanz der Kategorie 2 technisch gerechtfertigt sei.

24      Im Januar 2016 beauftragte die Kommission die EFSA mit der Prüfung der zwei Ausnahmedossiers, die DuPont am 26. Juni und am 13. Juli 2015 vorgelegt hatte. In der Folge ersuchte die EFSA DuPont um zusätzliche Informationen, um das Dossier über den vernachlässigbaren Charakter der Exposition zu vervollständigen, die von DuPont am 31. Mai 2016 vorgelegt wurden. Die EFSA setzte daraufhin eine Arbeitsgruppe ein, die eine Methodik erarbeiten sollte, um zu bewerten, ob herbizide Stoffe für die landwirtschaftliche Tätigkeit unverzichtbar seien. Nach Veröffentlichung der erarbeiteten Methodik im Juli 2016 ersuchte die EFSA DuPont um erneute Überarbeitung des Ausnahmedossiers nach Art. 4 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1107/2009 (betreffend die Unverzichtbarkeit für die landwirtschaftliche Tätigkeit) auf der Grundlage dieser Methodik. Am 19. September 2016 legte DuPont das überarbeitete Ausnahmedossier vor.

25      Am 3. Oktober 2016 legte die EFSA eine überarbeitete Fassung ihrer Schlussfolgerungen vor (im Folgenden: überarbeitete Schlussfolgerungen der EFSA). In ihren überarbeiteten Schlussfolgerungen hielt die EFSA an ihrem Standpunkt hinsichtlich der zuvor benannten, vier „besonders bedenklichen Aspekte“ fest, fügte jedoch eine zusätzliche „Datenlücke“ in Bezug auf das genotoxische Profil zweier Metaboliten von FPS (IN-JE127 und IN-KF311) hinzu. Sie kam insbesondere zu dem Ergebnis, dass „die Bewertung des Risikos des Metaboliten IN-JE127 für Verbraucher … nicht abgeschlossen werden [konnte], da Informationen über potenzielle Gefahren und zuverlässige Schätzungen der Exposition der Verbraucher gegenüber diesem Metaboliten (dessen Genotoxizität nicht auszuschließen ist) fehlten“.

26      Mit Schreiben vom 5. Oktober 2016 forderte die Kommission DuPont auf, eine Stellungnahme zu den überarbeiteten Schlussfolgerungen der EFSA abzugeben. Am 18. Oktober 2016 richtete DuPont ein Schreiben an die Kommission, in dem sie die zusätzliche von der EFSA festgestellte „Datenlücke“ hinsichtlich der Genotoxizität bestritt und die Kommission darum ersuchte, ihr zu erlauben, zusätzliche Studien zu dieser „Datenlücke“ bis spätestens November 2016 vorzulegen.

27      Nach der Veröffentlichung der überarbeiteten Schlussfolgerungen der EFSA veröffentlichte die Kommission am 22. Dezember 2016 eine überarbeitete Fassung ihres Entwurfs eines Überprüfungsberichts, in dem sie an ihrem Vorschlag festhielt, die Genehmigung für FPS aufzuheben. Die Kommission führte jedoch die vorläufigen Kriterien für die Feststellung endokrinschädlicher Eigenschaften nicht mehr als Anlass zur Sorge an.

28      Am 13. Januar 2017 richtete DuPont ein Schreiben mit ihrer Stellungnahme zum überarbeiteten Entwurf eines Überprüfungsberichts an die Kommission.

29      Am 9. Februar 2017 schrieb DuPont an die Regulierungsbehörden der Mitgliedstaaten der Union, um ihnen ihre Bedenken hinsichtlich des Vorschlags der Kommission mitzuteilen, die Genehmigung für FPS nicht zu erneuern.

30      Am 31. März 2017 schlossen E.I. du Pont de Nemours and Company, die Muttergesellschaft von DuPont, und FMC Corporation, eine Gesellschaft amerikanischen Rechts, eine Veräußerungsvereinbarung über die Übertragung des Geschäftsfelds von DuPont in Bezug auf bestimmte Herbizide, darunter FPS, ab (im Folgenden: Veräußerungsvereinbarung). Die Veräußerungsvereinbarung wurde abgeschlossen, um dem Beschluss C(2017) 1946 final der Kommission vom 27. März 2017 zu entsprechen, mit dem der Zusammenschluss von The Dow Chemical Company und E.I. du Pont de Nemours and Company für mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen vereinbar erklärt wurde (Sache COMP/M.7932 – Dow/DuPont).

31      Die Veräußerungsvereinbarung sah vor, dass FMC alle Rechte, Titel und Interessen von DuPont hinsichtlich aller Aktiva und Vermögenswerte im Zusammenhang mit dem „FPS-Geschäft“, einschließlich aller Genehmigungen für das Inverkehrbringen, erwerben sollte. Die Veräußerungsvereinbarung wurde unter der aufschiebenden Bedingung abgeschlossen, dass alle notwendigen Genehmigungen für die Transaktion bei den zuständigen Wettbewerbsbehörden eingeholt werden. Die Durchführung der Transaktion war für den 1. November 2017 vorgesehen.

32      Am 4. April 2017 teilte die Kommission den anderen Mitgliedern der Welthandelsorganisation (WHO) den Verordnungsentwurf über die Nichterneuerung der Genehmigung für FPS gemäß den Vorschriften des WTO-Übereinkommens über technische Handelshemmnisse (TBT) vom 15. April 1994 mit. Mit Schreiben vom 25. Mai 2017 legten die Behörden der Vereinigten Staaten von Amerika im Namen von DuPont eine Stellungnahme zur vorgeschlagenen Entscheidung vor, in der sie das Fehlen einer soliden wissenschaftlichen Basis für die Nichterneuerung und das Vorliegen von Daten betonten, die belegten, dass keine Bedenken hinsichtlich der menschlichen Gesundheit, des Grundwassers und der Umwelt bestünden.

33      Die Kommission äußerte sich zu dieser Stellungnahme am 14. Juli 2017. Sie führte in ihrem Schreiben aus, dass sie „alle im Laufe des Entscheidungsprozesses erhaltenen Stellungnahmen sorgfältig geprüft“ habe, dass sie die Genehmigung für FPS jedoch „angesichts der Beschränkungen in Bezug auf die Frist und das Verfahren zur Einreichung zusätzlicher Daten“ nicht erneuern könne.

II.    Angefochtene Verordnung

34      Am 23. August 2017 erließ die Kommission die Durchführungsverordnung (EU) 2017/1496 zur Nichterneuerung der Genehmigung für den Wirkstoff DPX KE 459 (Flupyrsulfuron-methyl) gemäß der Verordnung Nr. 1107/2009 und zur Änderung der Durchführungsverordnung Nr. 540/2011 (ABl. 2017, L 218, S. 7, im Folgenden: angefochtene Verordnung). Gemäß der angefochtenen Verordnung wird die Genehmigung für FPS nicht erneuert.

35      In den Erwägungsgründen 8 bis 14 der angefochtenen Verordnung heißt es:

„(8)      Am 30. September 2016 hat die [EFSA] der Kommission ihre Schlussfolgerung dazu übermittelt, ob davon ausgegangen werden kann, dass [FPS] die Genehmigungskriterien gemäß Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erfüllt. Auf der Grundlage der bewerteten Studien gelangte die [EFSA] zu dem Schluss, dass der Grundkörper bestimmte inhärente toxikologische Eigenschaften hat, insbesondere in Bezug auf Karzinogenität und Reproduktionstoxizität. Aus Sicht der [EFSA] rechtfertigen diese Informationen sogar die Einstufung des Stoffs als ‚karzinogen‘ (Kategorie 2) und als ‚reproduktionstoxisch‘ (Kategorie 2) gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates. Die [EFSA] gelangte zu dem Schluss, dass es in Anbetracht der bewerteten repräsentativen Verwendungszwecke bei mehreren Metaboliten von [FPS] sehr wahrscheinlich zu einer Grundwasserexposition über dem parametrischen Grenzwert für Trinkwasser von 0,1 μg/l in Situationen kommen kann, die in allen einschlägigen Grundwasserszenarien vertreten sind.

(9)      Ungeachtet der von der [EFSA] vorgeschlagenen Einstufung bereitet insbesondere das Vorhandensein der Metaboliten im Grundwasser in Anbetracht der in den Studien aufgezeigten inhärenten toxikologischen Eigenschaften des Grundkörpers insbesondere in Bezug auf Karzinogenität und Reproduktionstoxizität Anlass zur Sorge, da nicht nachgewiesen wurde, dass diese Metaboliten nicht dieselben inhärenten Eigenschaften aufweisen. Deshalb kann derzeit nicht nachgewiesen werden, dass das Vorhandensein der Metaboliten im Grundwasser nicht zu unannehmbaren Auswirkungen auf das Grundwasser führt und schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hat.

(10)      Außerdem kam die [EFSA] zu dem Schluss, dass die Bewertung der Grundwasserexposition auf der Grundlage der vorhandenen Informationen zu dem Metaboliten IN-JE127 nicht abgeschlossen werden konnte, da dessen genotoxisches Potenzial nicht ausgeschlossen werden kann.

(11)      In Anbetracht der Unsicherheit über das Vorhandensein dieses Metaboliten im Grundwasser können unannehmbare Auswirkungen auf das Grundwasser und schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit derzeit nicht ausgeschlossen werden.

(12)      Darüber hinaus kam die [EFSA] zu dem Schluss, dass die Exposition gegenüber [FPS] ein hohes Risiko für Wasserorganismen, insbesondere Algen und Wasserpflanzen, darstellt.

(13)      Auf Grundlage dieser in den Erwägungsgründen 9, 11 und 12 dargelegten Risiken konnte nicht nachgewiesen werden, dass in Bezug auf einen oder mehrere repräsentative Verwendungszwecke mindestens eines Pflanzenschutzmittels die Genehmigungskriterien gemäß Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erfüllt sind. Daher sollte die Genehmigung für [FPS] gemäß Artikel 20 Absatz 1 Buchstabe b der genannten Verordnung nicht erneuert werden.

(14)      Angesichts der in den Erwägungsgründen 9, 11 und 12 dargelegten Risiken kommt die Ausnahmeregelung gemäß Artikel 4 Absatz 7 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 nicht zur Anwendung. Die Anwendung dieser Ausnahmeregelung ist auch mit der Begründung ausgeschlossen, dass nicht nachgewiesen worden ist, dass eines der Kriterien gemäß Anhang II Nummern 3.6.3, 3.6.4, 3.6.5 oder 3.8.2 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 nicht erfüllt ist.“

36      Im 19. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung heißt es zudem, dass „[sie] der Einreichung eines neuen Antrags für [FPS] gemäß Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 nicht [entgegensteht]“.

III. Verfahren und Anträge der Parteien

37      Mit Klageschrift, die am 23. Oktober 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben DuPont de Nemours (Deutschland) und elf weitere DuPont-Gesellschaften (im Folgenden gemeinsam: Klägerinnen DuPont) sowie FMC Klage auf Nichtigerklärung der angefochtenen Verordnung erhoben.

38      Mit Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat FMC im Wege eines Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz die Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Verordnung und den Erlass einer geeigneten einstweiligen Anordnung begehrt.

39      Am 19. Februar 2018 hat die Kommission ihre Klagebeantwortung eingereicht.

40      Mit Schriftsatz, der am 14. März 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat FMC beantragt, in der vorliegenden Rechtssache als Klägerin an die Stelle der Klägerinnen DuPont zu treten.

41      Mit Schriftsätzen, die jeweils am 6. April und am 1. Juni 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben die Klägerinnen DuPont und die Kommission im Wesentlichen ausgeführt, dass sie keine Einwände gegen die Ersetzung der Klägerinnen DuPont durch FMC hätten.

42      Die Erwiderung ist am 12. April 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen. Die Gegenerwiderung ist dort am 4. Juli 2018 eingegangen.

43      Mit Beschluss vom 22. Juni 2018, FMC/Kommission (T‑719/17 R, EU:T:2018:408), hat der Präsident des Gerichts den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückgewiesen und die Kostenentscheidung vorbehalten.

44      Mit Beschluss vom 30. November 2018, FMC/Kommission (T‑719/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:893), hat das Gericht FMC gestattet, in der vorliegenden Rechtssache als Klägerin an die Stelle der Klägerinnen DuPont zu treten, und die Kostenentscheidung vorbehalten. Am selben Tag ist das schriftliche Verfahren abgeschlossen worden.

45      Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist die Rechtssache gemäß Art. 27 Abs. 5 der Verfahrensordnung des Gerichts der Fünften Kammer zugewiesen worden, der ein neuer Berichterstatter zugeteilt worden ist.

46      Auf Vorschlag des Berichterstatters hat das Gericht (Fünfte Kammer) im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 der Verfahrensordnung den Parteien schriftliche Fragen gestellt, auf die diese fristgerecht geantwortet haben.

47      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen.

48      In der Sitzung vom 30. Juni 2020 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

49      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Verordnung für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

50      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

IV.    Rechtliche Würdigung

51      Die Klägerin macht sechs Nichtigkeitsgründe geltend.

52      Mit dem ersten Nichtigkeitsgrund, der aus drei Teilen besteht, wird ein Verstoß der Kommission gegen die Verordnung Nr. 1141/2010, die Verordnung Nr. 1272/2008 und die in der Verordnung Nr. 1107/2009 und in der Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2010 zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere (ABl. 2010, L 276, S. 33) enthaltenen Vorschriften über Tierversuche geltend gemacht.

53      Mit dem zweiten Klagegrund wird gerügt, die Kommission habe sich unter Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit und die Verteidigungsrechte des die Erneuerung begehrenden Antragstellers zu Unrecht auf einen neuen Leitfaden gestützt.

54      Mit dem dritten Klagegrund wird gerügt, dass unter Verstoß gegen mehrere Vorschriften des Unionsrechts und die Verteidigungsrechte des die Erneuerung begehrenden Antragstellers keine vollständige Risikobewertung stattgefunden habe.

55      Mit dem vierten Klagegrund wird ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend gemacht.

56      Mit dem fünften Klagegrund wird ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot geltend gemacht.

57      Mit dem sechsten Klagegrund wird ein Verstoß gegen den Grundsatz der guten Verwaltung und eine Verletzung der berechtigten Erwartungen gerügt.

A.      Vorbemerkungen

58      Nach ihrem Art. 1 Abs. 3 ist Ziel der Verordnung Nr. 1107/2009 die Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt und das bessere Funktionieren des Binnenmarkts durch die Harmonisierung der Vorschriften für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und die Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion.

59      Die Vorgabe der Erhaltung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt durch die Verordnung Nr. 1107/2009 erfolgt in Anwendung von Art. 11 und Art. 114 Abs. 3 AEUV. Gemäß Art. 11 AEUV müssen die Erfordernisse des Umweltschutzes bei der Festlegung und Durchführung der Unionspolitiken und ‑maßnahmen insbesondere zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung einbezogen werden. Zur Konkretisierung dieser Verpflichtung bestimmt Art. 114 Abs. 3 AEUV, dass die Kommission in ihren Vorschlägen zur Angleichung der Rechtsvorschriften, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand haben, u. a. im Bereich Umweltschutz von einem hohen Schutzniveau ausgeht und dabei insbesondere alle auf wissenschaftliche Ergebnisse gestützten neuen Entwicklungen berücksichtigt und dass im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union dieses Ziel ebenfalls anstreben. Dieser Schutz hat vorrangige Bedeutung gegenüber wirtschaftlichen Erwägungen, so dass er sogar beträchtliche negative Folgen wirtschaftlicher Art für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen kann (vgl. entsprechend Urteile vom 9. September 2011, Dow AgroSciences u. a./Kommission, T‑475/07, EU:T:2011:445, Rn. 143, vom 6. September 2013, Sepro Europe/Kommission, T‑483/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:407, Rn. 85, und vom 12. Dezember 2014, Xeda International/Kommission, T‑269/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1069, Rn. 138).

60      Außerdem sollte nach dem achten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1107/2009 das Vorsorgeprinzip angewandt werden und mit dieser Verordnung sichergestellt werden, dass die Industrie den Nachweis erbringt, dass Stoffe oder Produkte, die erzeugt oder in Verkehr gebracht werden, keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier oder keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt haben.

61      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die in der Verordnung Nr. 1107/2009 (und davor der Richtlinie 91/414) für Pflanzenschutzmittel und ihre Wirkstoffe vorgesehenen Verfahren der vorherigen Zulassung und Genehmigung Ausdruck des Vorsorgegrundsatzes sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. April 2013, Du Pont de Nemours [Frankreich] u. a./Kommission, T‑31/07, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:167, Rn. 133).

1.      Vorsorgegrundsatz

a)      Definition

62      Der Vorsorgegrundsatz stellt einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts dar, der die betroffenen Behörden verpflichtet, im genauen Rahmen der Ausübung der ihnen durch die einschlägige Regelung zugewiesenen Befugnisse geeignete Maßnahmen zu treffen, um bestimmte potenzielle Risiken für die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt auszuschließen, indem sie den mit dem Schutz dieser Interessen verbundenen Erfordernissen Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen einräumen (vgl. Urteile vom 21. Oktober 2003, Solvay Pharmaceuticals/Rat, T‑392/02, EU:T:2003:277, Rn. 121 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 12. April 2013, Du Pont de Nemours [Frankreich] u. a./Kommission, T‑31/07, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:167, Rn. 134 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 26. November 2002, Artegodan u. a./Kommission, T‑74/00, T‑76/00, T‑83/00 bis T‑85/00, T‑132/00, T‑137/00 und T‑141/00, EU:T:2002:283, Rn. 184).

63      Wenn wissenschaftliche Ungewissheiten in Bezug auf das Vorliegen oder den Umfang von Gefahren für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt bestehen, können die Organe nach dem Vorsorgegrundsatz Schutzmaßnahmen treffen, ohne abwarten zu müssen, bis das tatsächliche Vorliegen und die Schwere dieser Gefahren in vollem Umfang nachgewiesen sind oder bis die nachteiligen Wirkungen für die Gesundheit eintreten (vgl. Urteil vom 6. September 2013, Sepro Europe/Kommission, T‑483/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:407, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. auch entsprechend Urteil vom 12. April 2013, Du Pont de Nemours [Frankreich] u. a./Kommission, T‑31/07, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:167, Rn. 135 und die dort angeführte Rechtsprechung).

64      Innerhalb des Verfahrens, das mit dem Erlass geeigneter Maßnahmen zur Vermeidung bestimmter potenzieller Gefahren für die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt aufgrund des Vorsorgeprinzips durch ein Organ endet, lassen sich drei aufeinanderfolgende Schritte unterscheiden: erstens die Ermittlung der potenziell abträglichen Wirkungen, die sich aus einem Vorgang ergeben, zweitens die Bewertung der mit diesem Vorgang verbundenen Gefahren für die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt und drittens, wenn die ermittelten potenziellen Gefahren die Schwelle der gesellschaftlichen Akzeptanz überschreiten, das Risikomanagement durch den Erlass geeigneter Schutzmaßnahmen. Während der erste dieser Schritte keiner näheren Erläuterung bedarf, verdienen die beiden weiteren eine nähere Betrachtung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. April 2013, Du Pont de Nemours [Frankreich] u. a./Kommission, T‑31/07, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:167, Rn. 136).

b)      Risikobewertung

65      Die Bewertung der Gefahren für die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt besteht für das Organ, das sich mit potenziell abträglichen Wirkungen eines Vorgangs konfrontiert sieht, in der wissenschaftlichen Einschätzung dieser Gefahren und der Feststellung, ob diese die gesellschaftliche Akzeptanz überschreiten. Damit die Organe eine solche Einschätzung der Gefahren vornehmen können, müssen sie daher zum einen über eine wissenschaftliche Bewertung der Gefahren verfügen und zum anderen das Gefahrenniveau festlegen, das für die Gesellschaft nicht mehr hinnehmbar erscheint (vgl. Urteil vom 12. April 2013, Du Pont de Nemours [Frankreich] u. a./Kommission, T‑31/07, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:167, Rn. 137 und die dort angeführte Rechtsprechung).

1)      Wissenschaftliche Bewertung

66      Die wissenschaftliche Risikobewertung ist ein wissenschaftliches Verfahren, mit dem so weit wie möglich eine Gefahr ermittelt und beschrieben, eine Abschätzung des Risikos vorgenommen und das Risiko umschrieben wird (vgl. Urteil vom 12. April 2013, Du Pont de Nemours [Frankreich] u. a./Kommission, T‑31/07, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:167, Rn. 138 und die dort angeführte Rechtsprechung).

67      In ihrer Mitteilung KOM(2000) 1 endgültig über die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips vom 2. Februar 2000 hat die Kommission diese vier Bestandteile einer wissenschaftlichen Risikobewertung wie folgt beschrieben (vgl. Anhang III dieser Mitteilung):

„Gefahrenermittlung bedeutet, die biologischen und chemischen Agenzien oder physikalischen Einwirkungen, die negative Auswirkungen haben können, zu identifizieren …

Bei der Gefahrenbeschreibung werden Eigenart und Schweregrad der mit den ursächlichen Agenzien oder Tätigkeiten verbundenen negativen Auswirkungen quantitativ und/oder qualitativ bestimmt …

Die Abschätzung des Risikos besteht aus einer quantitativen oder qualitativen Bestimmung der Wahrscheinlichkeit, mit dem untersuchten Agens in Berührung zu kommen …

Die Risikobeschreibung entspricht der qualitativen und/oder quantitativen Schätzung (unter Berücksichtigung inhärenter Ungewissheiten) der Wahrscheinlichkeit und Häufigkeit sowie des Schweregrads bekannter oder möglicher umwelt- oder gesundheitsschädigender Wirkungen. Sie wird auf der Grundlage der drei vorgenannten Stufen erstellt und hängt stark von den in jedem einzelnen Stadium des Verfahrens berücksichtigten Unsicherheiten, Schwankungen, Arbeitshypothesen und Annahmen ab. Wenn die verfügbaren Daten nicht ausreichen oder keine eindeutigen Schlüsse zulassen, könnte ein vorsichtiger Ansatz zum Schutz der Umwelt, der Gesundheit und der Sicherheit darin bestehen, immer vom ungünstigsten Fall auszugehen. Häufen sich solche Annahmen, kann dies zu einer Überbewertung des tatsächlichen Risikos führen. Ein solches Vorgehen bietet aber auch eine gewisse Gewähr dafür, dass das Risiko nicht unterschätzt wird.“

68      Da es sich um ein wissenschaftliches Verfahren handelt, muss das Organ die wissenschaftliche Risikobewertung wissenschaftlichen Experten übertragen (Urteile vom 11. September 2002, Pfizer Animal Health/Rat, T‑13/99, EU:T:2002:209, Rn. 157, vom 11. September 2002, Alpharma/Rat, T‑70/99, EU:T:2002:210, Rn. 170, und vom 9. September 2011, Frankreich/Kommission, T‑257/07, EU:T:2011:444, Rn. 73).

69      Von einer wissenschaftlichen Risikobewertung kann nicht verlangt werden, dass sie den Organen zwingende wissenschaftliche Beweise für das tatsächliche Vorliegen des Risikos und die Schwere der potenziellen nachteiligen Wirkungen im Fall seiner Verwirklichung liefert. Die Anwendung des Vorsorgeprinzips erfolgt nämlich definitionsgemäß in einem Kontext wissenschaftlicher Unsicherheit. Außerdem darf eine vorbeugende Maßnahme oder umgekehrt ihre Rücknahme oder Abschwächung nicht von dem Nachweis abhängig gemacht werden, dass keinerlei Risiken bestehen, weil ein solcher Nachweis im Allgemeinen aus wissenschaftlicher Sicht nicht erbracht werden kann, da es in der Praxis ein Risikoniveau „Null“ nicht gibt (Urteil vom 12. April 2013, Du Pont de Nemours [Frankreich] u. a./Kommission, T‑31/07, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:167, Rn. 140; vgl. auch in diesem Sinne Urteil vom 21. Oktober 2003, Solvay Pharmaceuticals/Rat, T‑392/02, EU:T:2003:277, Rn. 130). Eine vorbeugende Maßnahme darf indessen nicht mit einer rein hypothetischen Betrachtung des Risikos begründet werden, die auf wissenschaftlich noch nicht verifizierte bloße Vermutungen gestützt ist (Urteile vom 11. September 2002, Pfizer Animal Health/Rat, T‑13/99, EU:T:2002:209, Rn. 143, und vom 12. April 2013, Du Pont de Nemours [Frankreich] u. a./Kommission, T‑31/07, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:167, Rn. 140; vgl. auch in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 2007, Schweden/Kommission, T‑229/04, EU:T:2007:217, Rn. 161).

70      Die Risikobewertung muss nämlich auf den besten verfügbaren wissenschaftlichen Daten beruhen und ist in einer unabhängigen, objektiven und transparenten Art und Weise vorzunehmen (vgl. Urteil vom 12. April 2013, Du Pont de Nemours [Frankreich] u. a./Kommission, T‑31/07, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:167, Rn. 141 und die dort angeführte Rechtsprechung).

71      Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass sich eine vollständige wissenschaftliche Risikobewertung wegen der Unzulänglichkeit der verfügbaren wissenschaftlichen Daten als unmöglich erweisen kann. Dies kann indessen die zuständige Behörde nicht daran hindern, aufgrund des Vorsorgeprinzips vorbeugende Maßnahmen zu treffen. In diesem Fall müssen die wissenschaftlichen Experten trotz der verbleibenden wissenschaftlichen Ungewissheit eine wissenschaftliche Risikobewertung vornehmen, die der zuständigen öffentlichen Stelle eine so zuverlässige und fundierte Information vermittelt, dass diese Stelle die volle Tragweite der aufgeworfenen wissenschaftlichen Frage erfassen und ihre Politik in Kenntnis der Sachlage bestimmen kann (Urteil vom 9. September 2011, Frankreich/Kommission, T‑257/07, EU:T:2011:444, Rn. 77; vgl. in diesem Sinne auch Urteile vom 11. September 2002, Pfizer Animal Health/Rat, T‑13/99, EU:T:2002:209, Rn. 160 bis 163, und vom 11. September 2002, Alpharma/Rat, T‑70/99, EU:T:2002:210, Rn. 173 bis 176).

72      Wenn es sich als unmöglich erweist, das Bestehen oder den Umfang des behaupteten Risikos mit Sicherheit festzustellen, weil die Ergebnisse der durchgeführten Studien unzureichend, nicht schlüssig oder ungenau sind, die Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Schadens jedoch fortbesteht, falls das Risiko eintritt, rechtfertigt das Vorsorgeprinzip den Erlass beschränkender Maßnahmen, wenn sie objektiv und nicht diskriminierend sind (vgl. Urteil vom 12. April 2013, Du Pont de Nemours [Frankreich] u. a./Kommission, T‑31/07, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:167, Rn. 142 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteil des EFTA-Gerichtshofs vom 5. April 2001, EFTA Surveillance Authority/Norway, E‑3/00, EFTA Court Report 2000-2001, S. 73, Rn. 31 und 32).

73      Mithin kann eine vorbeugende Maßnahme nur dann getroffen werden, wenn das Risiko, ohne dass seine Existenz und sein Umfang durch zwingende wissenschaftliche Daten in vollem Umfang nachgewiesen worden wären, auf der Grundlage der zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Maßnahme verfügbaren wissenschaftlichen Daten gleichwohl hinreichend dokumentiert erscheint (vgl. Urteil vom 12. April 2013, Du Pont de Nemours [Frankreich] u. a./Kommission, T‑31/07, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:167, Rn. 143 und die dort angeführte Rechtsprechung).

74      In einem solchen Zusammenhang entspricht somit der Begriff „Risiko“ dem Grad der Wahrscheinlichkeit nachteiliger Wirkungen für das von der Rechtsordnung geschützte Gut aufgrund der Zulassung bestimmter Maßnahmen oder bestimmter Verfahren. Dagegen wird der Begriff „Gefahr“ gemeinhin in einem weiteren Sinne verwendet und bezeichnet jedes Produkt oder Verfahren, das eine nachteilige Wirkung für die menschliche Gesundheit oder jedes andere von der Rechtsordnung geschützte Gut haben kann (Urteile vom 12. April 2013, Du Pont de Nemours [Frankreich] u. a./Kommission, T‑31/07, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:167, Rn. 144, vom 11. September 2002, Pfizer Animal Health/Rat, T‑13/99, EU:T:2002:209, Rn. 147, und vom 9. September 2011, Dow AgroSciences u. a./Kommission, T‑475/07, EU:T:2011:445, Rn. 147).

2)      Bestimmung des Risikoniveaus, das nicht hinnehmbar erscheint

75      Die Bestimmung des Risikoniveaus, das für die Gesellschaft nicht hinnehmbar erscheint, steht, unter Wahrung der einschlägigen Rechtsvorschriften, den Organen zu, die für die in der Festlegung des für diese Gesellschaft angemessenen Schutzniveaus bestehende politische Entscheidung zuständig sind. Diese Organe haben die kritische Schwelle für die Wahrscheinlichkeit nachteiliger Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt und für die Schwere dieser potenziellen Wirkungen festzulegen, die ihnen für diese Gesellschaft nicht mehr hinnehmbar erscheint und bei deren Überschreitung im Interesse des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Sicherheit und der Umwelt trotz der verbleibenden wissenschaftlichen Ungewissheit der Rückgriff auf vorbeugende Maßnahmen erforderlich wird (Urteil vom 12. April 2013, Du Pont de Nemours [Frankreich] u. a./Kommission, T‑31/07, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:167, Rn. 145; vgl. in diesem Sinne auch Urteile vom 11. Juli 2000, Toolex, C‑473/98, EU:C:2000:379, Rn. 45, und vom 11. September 2002, Pfizer Animal Health/Rat, T‑13/99, EU:T:2002:209, Rn. 150 und 151).

76      Bei der Bestimmung des für die Gesellschaft nicht hinnehmbar erscheinenden Risikoniveaus sind die Organe durch ihre Pflicht zur Sicherstellung eines hohen Niveaus des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Sicherheit und der Umwelt gebunden. Dieses hohe Schutzniveau muss nicht unbedingt auf das in technischer Hinsicht Höchstmögliche abzielen, um mit Art. 114 Abs. 3 AEUV vereinbar zu sein (Urteil vom 12. April 2013, Du Pont de Nemours [Frankreich] u. a./Kommission, T‑31/07, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:167, Rn. 146; vgl. auch entsprechend Urteil vom 14. Juli 1998, Safety Hi-Tech, C‑284/95, EU:C:1998:352, Rn. 49). Außerdem dürfen diese Organe keine rein hypothetische Betrachtung des Risikos vornehmen und ihre Entscheidungen nicht auf ein „Nullrisiko“ ausrichten (Urteile vom 11. September 2002, Pfizer Animal Health/Rat, T‑13/99, EU:T:2002:209, Rn. 152, und vom 12. April 2013, Du Pont de Nemours [Frankreich] u. a./Kommission, T‑31/07, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:167, Rn. 146).

77      Die Bestimmung des als für die Gesellschaft nicht hinnehmbar angesehenen Risikoniveaus hängt von der Beurteilung der besonderen Umstände jedes Einzelfalls durch die zuständige öffentliche Stelle ab. Insoweit kann die betreffende Stelle insbesondere die Schwere der Auswirkungen, die der Eintritt dieses Risikos auf die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt hat, einschließlich des Umfangs der möglichen nachteiligen Wirkungen, die Dauer, die Reversibilität oder die möglichen Spätfolgen dieser Schäden sowie die mehr oder weniger konkrete Wahrnehmung des Risikos nach dem Stand der verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse berücksichtigen (Urteil vom 12. April 2013, Du Pont de Nemours [Frankreich] u. a./Kommission, T‑31/07, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:167, Rn. 147; vgl. auch entsprechend Urteil vom 11. September 2002, Pfizer Animal Health/Rat, T‑13/99, EU:T:2002:209, Rn. 153).

c)      Risikomanagement

78      Das Risikomanagement umfasst die Gesamtheit der Maßnahmen eines mit einem Risiko konfrontierten Organs, die dieses auf ein für die Gesellschaft hinnehmbar erscheinendes Niveau zurückführen sollen, wie es seiner Pflicht aufgrund des Vorsorgeprinzips zur Gewährleistung eines hohen Niveaus des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Sicherheit und der Umwelt entspricht (Urteil vom 12. April 2013, Du Pont de Nemours [Frankreich] u. a./Kommission, T‑31/07, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:167, Rn. 148).

79      Diese Maßnahmen umfassen den Erlass vorläufiger Maßnahmen, die verhältnismäßig, frei von Diskriminierung, transparent und im Vergleich zu entsprechenden bereits erlassenen ähnlichen Maßnahmen kohärent sein müssen (Urteil vom 12. April 2013, Du Pont de Nemours [Frankreich] u. a./Kommission, T‑31/07, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:167, Rn. 149; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 1. April 2004, Bellio F.lli, C‑286/02, EU:C:2004:212, Rn. 59).

2.      Erneuerung der Genehmigung eines in Teil A des Anhangs der Durchführungsverordnung Nr. 540/2011 aufgenommenen Wirkstoffs

80      Wie oben in Rn. 2 dargelegt, wurde der Stoff, um den es in der angefochtenen Verordnung geht, nach der von der Richtlinie 91/414 vorgesehenen Regelung gemäß den damals geltenden Bedingungen genehmigt.

81      Da die Erneuerung seiner Genehmigung durch die Kommission gemäß der Verordnung Nr. 1107/2009 beantragt wurde, ist insoweit zu berücksichtigen, dass sich die spezifischen Erfordernisse für die Genehmigung der Wirkstoffe mit dem Erlass dieser Verordnung weiterentwickelt haben.

a)      Voraussetzungen für die erstmalige Aufnahme nach der Richtlinie 91/414

82      Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 91/414 sah vor, dass ein Wirkstoff in Anhang I dieser Richtlinie aufgenommen werden konnte, wenn nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse anzunehmen war, dass die Verwendung der diesen Wirkstoff enthaltenden Pflanzenschutzmittel und ihre bei Anwendung dieser Erzeugnisse gemäß guter Pflanzenschutzpraxis entstandenen Rückstände keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier bzw. keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt hatten.

83      Das Gericht hat bereits entschieden, dass sich aus Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 91/414 in Verbindung mit dem Vorsorgegrundsatz ergibt, dass, wenn es um die menschliche Gesundheit geht, das Vorliegen ernsthafter Anhaltspunkte, die, ohne die wissenschaftliche Ungewissheit zu beseitigen, vernünftige Zweifel an der Unbedenklichkeit eines Stoffs erlauben, der Aufnahme dieses Stoffs in Anhang I dieser Richtlinie grundsätzlich entgegensteht (Urteil vom 11. Juli 2007, Schweden/Kommission, T‑229/04, EU:T:2007:217, Rn. 161). Diese Erwägungen sind auf die anderen nach Art. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 geschützten Interessen, die mit den nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 91/414 geschützten übereinstimmen, insbesondere die Tiergesundheit und die Umwelt, entsprechend anwendbar.

84      Schließlich musste nach der Rechtsprechung im Rahmen der Regelung nach der Richtlinie 91/414 der Antragsteller nachweisen, dass auf der Grundlage der für eine oder mehrere Zubereitungen und für einen begrenzten Bereich repräsentativer Anwendungen vorgelegten Angaben die Bedingungen für die Genehmigung erfüllt sind (Urteil vom 12. April 2013, Du Pont de Nemours [Frankreich] u. a./Kommission, T‑31/07, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:167, Rn. 154).

b)      Änderung der Genehmigungskriterien durch die Verordnung Nr. 1107/2009

85      Aus einem Vergleich von Art. 5 der Richtlinie 91/414 mit Art. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 geht hervor, dass im Rahmen der Ersetzung der Richtlinie 91/414 durch die Verordnung Nr. 1107/2009 die allgemeinen Kriterien und Voraussetzungen für die Genehmigung neu und detaillierter formuliert wurden, ohne dass dies zwangsläufig zu einer Verschärfung dieser Kriterien und Voraussetzungen in der Sache geführt hat (Urteil vom 17. Mai 2018, BASF Agro u. a./Kommission, T‑584/13, EU:T:2018:279, Rn. 82). Die oben in Rn. 84 angeführten Erwägungen hinsichtlich der menschlichen Gesundheit sind auf die anderen nach Art. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 geschützten Interessen, die mit den nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 91/414 geschützten übereinstimmen, insbesondere die Tiergesundheit und die Umwelt, entsprechend anwendbar.

86      Außerdem haben sich die einheitlichen Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, die u. a. die Schwellenwerte der Gefährdungsquotienten bei Exposition auf oralem Weg und durch Kontakt bestimmen, mit dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1107/2009 nicht wesentlich geändert (Urteil vom 17. Mai 2018, BASF Agro u. a./Kommission, T‑584/13, EU:T:2018:279, Rn. 83).

87      Der zehnte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1107/2009 sieht vor, dass bei vor ihrem Inkrafttreten bereits genehmigten Wirkstoffen die von dieser Verordnung harmonisierten Kriterien zum Zeitpunkt der Erneuerung oder der Überprüfung der Genehmigung angewendet werden sollten. Daraus folgt, dass im vorliegenden Fall die Erneuerung der Genehmigung für den streitigen Wirkstoff, der nach der Richtlinie 91/414 genehmigt wurde, nach den Kriterien und Bedingungen der Verordnung Nr. 1107/2009 zu erfolgen hat.

3.      Beweislast

88      Aus dem Wortlaut und der Systematik der einschlägigen Bestimmungen der Verordnung Nr. 1107/2009 geht hervor, dass der Genehmigungsantragsteller grundsätzlich die Beweislast dafür trägt, dass die Bedingungen für die Genehmigung nach Art. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 erfüllt sind, wie es in der Richtlinie 91/414 ausdrücklich vorgesehen war (vgl. oben, Rn. 84).

89      Insbesondere heißt es im achten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1107/2009, dass mit dieser Verordnung „sichergestellt werden [sollte], dass die Industrie den Nachweis erbringt, dass Stoffe oder Produkte, die erzeugt oder in Verkehr gebracht werden, … keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt haben“. Ebenso sieht der zehnte Erwägungsgrund vor, dass Stoffe nur dann in Pflanzenschutzmitteln angewandt werden sollten, „wenn nachgewiesen ist“, dass sie u. a. voraussichtlich keine unannehmbaren Folgen für die Umwelt haben.

90      Außerdem verlangt Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009, der die Bedingungen für die Genehmigung der Wirkstoffe enthält, dass zu erwarten sein muss, dass Pflanzenschutzmittel, die einen Wirkstoff enthalten, die Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 dieses Artikels erfüllen, die ihrerseits fordern, dass diese Pflanzenschutzmittel und ihre Rückstände die aufgeführten Anforderungen erfüllen. Nach dem Grundsatz, dass die Partei, die sich auf eine Rechtsvorschrift beruft, nachzuweisen hat, dass die Voraussetzungen für ihre Anwendung erfüllt sind, ergibt sich daraus, dass der Antragsteller, um die Genehmigung zu erlangen, nachzuweisen hat, dass die Bedingungen für die Genehmigung erfüllt sind, und nicht die Kommission den Nachweis zu erbringen hat, dass die Bedingungen für die Genehmigung nicht erfüllt sind, um sie verweigern zu können.

4.      Umfang der gerichtlichen Kontrolle

91      Damit die Kommission die ihr von der Verordnung Nr. 1107/2009 gesetzten Ziele (vgl. oben, Rn. 58 bis 60) wirksam verfolgen kann und im Hinblick darauf, dass sie komplexe technische Beurteilungen vorzunehmen hat, ist ihr ein weites Ermessen zuzuerkennen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Juli 2007, Industrias Químicas del Vallés/Kommission, C‑326/05 P, EU:C:2007:443, Rn. 74 und 75, sowie vom 6. September 2013, Sepro Europe/Kommission, T‑483/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:407, Rn. 38). Das gilt u. a. für die Entscheidungen im Bereich des Risikomanagements, die sie nach dieser Verordnung zu treffen hat.

92      Die Ausübung dieses Ermessens ist jedoch nicht der gerichtlichen Kontrolle entzogen. Nach ständiger Rechtsprechung muss der Unionsrichter im Rahmen dieser Kontrolle insoweit überprüfen, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, ob der Sachverhalt von der Kommission zutreffend festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung dieses Sachverhalts und kein Ermessensmissbrauch vorliegen (Urteile vom 25. Januar 1979, Racke, 98/78, EU:C:1979:14, Rn. 5, vom 22. Oktober 1991, Nölle, C‑16/90, EU:C:1991:402, Rn. 12, und vom 9. September 2008, Bayer CropScience u. a./Kommission, T‑75/06, EU:T:2008:317, Rn. 83).

93      Hinsichtlich der Prüfung des Vorliegens eines offenkundigen Beurteilungsfehlers durch den Unionsrichter ist darauf hinzuweisen, dass ein die Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts rechtfertigender offensichtlicher Irrtum der Kommission bei der Würdigung komplexer Tatsachen nur festgestellt werden kann, wenn die vom Kläger vorgebrachten Beweise ausreichen, um die Sachverhaltswürdigung im Rechtsakt als nicht plausibel erscheinen zu lassen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Dezember 1996, AIUFFASS und AKT/Kommission, T‑380/94, EU:T:1996:195, Rn. 59, und vom 1. Juli 2004, Salzgitter/Kommission, T‑308/00, EU:T:2004:199, Rn. 138). Abgesehen von dieser Plausibilitätskontrolle darf das Gericht seine Beurteilung komplexer Tatsachen nicht an die Stelle der Beurteilung des Urhebers des Rechtsakts setzen (Urteil vom 9. September 2011, Dow AgroSciences u. a./Kommission, T‑475/07, EU:T:2011:445, Rn. 152; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 15. Oktober 2009, Enviro Tech [Europe], C‑425/08, EU:C:2009:635, Rn. 47).

94      Außerdem kommt der Kontrolle der Einhaltung der Garantien, die die Unionsrechtsordnung in Verwaltungsverfahren vorsieht, in Fällen, in denen ein Organ über einen weiten Ermessensspielraum verfügt, grundlegende Bedeutung zu. Der Gerichtshof hat klargestellt, dass zu diesen Garantien u. a. die Verpflichtung des zuständigen Organs gehört, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen und seine Entscheidung hinreichend zu begründen (Urteile vom 21. November 1991, Technische Universität München, C‑269/90, EU:C:1991:438, Rn. 14, vom 7. Mai 1992, Pesquerias De Bermeo und Naviera Laida/Kommission, C‑258/90 und C‑259/90, EU:C:1992:199, Rn. 26, und vom 6. November 2008, Niederlande/Kommission, C‑405/07 P, EU:C:2008:613, Rn. 56).

95      So ist bereits entschieden worden, dass die Vornahme einer möglichst erschöpfenden wissenschaftlichen Risikobewertung auf der Grundlage wissenschaftlicher Gutachten, die auf den Grundsätzen der höchsten Fachkompetenz, der Transparenz und der Unabhängigkeit beruhen, eine wichtige Verfahrensgarantie zur Gewährleistung der wissenschaftlichen Objektivität der Maßnahmen und zur Verhinderung des Erlasses willkürlicher Maßnahmen darstellt (Urteil vom 11. September 2002, Pfizer Animal Health/Rat, T‑13/99, EU:T:2002:209, Rn. 172).

96      Im Licht dieser Erwägungen ist die Begründetheit der vorliegenden Klage zu prüfen.

B.      Erster Klagegrund: Verstoß gegen die Verordnung Nr. 1141/2010, die Verordnung Nr. 1272/2008 und die in der Verordnung Nr. 1107/2009 und in der Richtlinie 2010/63 enthaltenen Vorschriften über Tierversuche

97      Dieser Klagegrund gliedert sich in drei Teile. Mit dem ersten Teil wird ein Verstoß gegen die Verordnung Nr. 1141/2010 und den Leitfaden der Kommission vom 12. Dezember 2014 über die Erneuerung der Genehmigung von Wirkstoffen, die gemäß der Verordnung (EU) Nr. 844/2012 zu bewerten sind (Verordnung über die Erneuerung der sogenannten „AIR-3“-Stoffe, SANCO/2012/11251 rev.4) (im Folgenden: Leitfaden zur Erneuerung der Genehmigung der AIR-3-Stoffe), mit dem zweiten ein Verstoß gegen die Verordnungen Nrn. 1107/2009 und 1272/2008 und den Leitfaden der Kommission über Metaboliten im Grundwasser und mit dem dritten ein Verstoß gegen die in der Verordnung Nr. 1107/2009 und der Richtlinie 2010/63 enthaltenen Vorschriften über Tierversuche gerügt.

1.      Verstoß gegen die Verordnung Nr. 1141/2010 und den Leitfaden zur Erneuerung der Genehmigung der AIR-3-Stoffe

98      Im Rahmen dieses Teils macht die Klägerin geltend, dass sich der wissenschaftliche Erkenntnisstand nicht geändert habe und dass die EFSA daher nicht berechtigt gewesen sei, die bereits akzeptierten Toxizitätsdaten erneut zu bewerten.

99      Nach Ansicht der Klägerin müssen die EFSA und die Mitgliedstaaten gemäß Art. 10 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 1141/2010 ihre Bewertung auf die in den ergänzenden Unterlagen gelieferten neuen Daten und Informationen beschränken, wie ausdrücklich aus dem Leitfaden zur Erneuerung der Genehmigung der AIR-3-Stoffe hervorgehe, wonach „nur neue Daten … bewertet werden [dürfen] und daher … zuvor vorgelegte und anerkannte Daten nicht überprüft werden [dürfen], es sei denn, dass sich diese Überprüfung angesichts des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik als notwendig erweist, der eine neue Bewertung alter Daten erfordern kann“.

100    Da sich der wissenschaftliche Kenntnisstand bzw. die seit der letzten Genehmigung von FPS geltenden Datenanforderungen nicht geändert hätten, sei die Klägerin nicht verpflichtet gewesen, neue Daten zur Toxizität vorzulegen, als sie 2011 die Erneuerung der Genehmigung für FPS beantragt habe, und habe sie dies auch nicht getan. Es habe daher keine Umstände gegeben, die eine erneute Prüfung der zuvor akzeptierten toxikologischen Studien durch die EFSA und deren Vorschlag hätten rechtfertigen können, entgegen dem Gutachten der Sachverständigen des Peer-Reviews und der Ansicht des BEMS eine Einstufung als karzinogener Stoff der Kategorie 2 oder als reproduktionstoxischer Stoff der Kategorie 2 vorzunehmen.

101    Nach Auffassung der Klägerin lag daher dem Erneuerungsdossier weiterhin genau dieselbe Gesamtheit von Toxizitätsdaten zugrunde, die im Jahr 1998 vom Europäischen Büro für chemische Stoffe (ECB) bewertet worden seien und auf deren Grundlage die Kommission anerkannt habe, dass die Unbedenklichkeit von FPS nachgewiesen sei, was zur erstmaligen Genehmigung des Stoffs im Jahr 2001 geführt habe. Die Klägerin verstehe nicht, worauf sich die Kommission beziehe, wenn sie in ihrer Klagebeantwortung behaupte, dass eine neuerliche Bewertung des Risikoprofils von FPS notwendig sei, um sicherzustellen, dass die „neuen Kriterien“ erfüllt seien. Die einschlägigen Kriterien für die toxikologische Einstufung von Stoffen gemäß der Verordnung Nr. 1107/2009 seien seit der ersten Genehmigung für FPS unverändert geblieben.

102    Die Neubewertung des Gefahrenprofils von FPS durch die EFSA verstoße daher gegen die Verordnungen Nrn. 1107/2009 und 1141/2010.

103    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

104    Im vorliegenden Fall ist in Bezug auf die Bewertung des Dossiers, die im Rahmen der Prüfung eines Antrags auf Erneuerung der Genehmigung eines Wirkstoffs vorzunehmen ist, zunächst darauf hinzuweisen, dass gemäß dem 15. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1107/2009 „Erfahrungen aus der praktischen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, die die betreffenden Stoffe enthalten, sowie Entwicklungen in Wissenschaft und Technik … bei einer Entscheidung über die Erneuerung einer Genehmigung berücksichtigt werden [sollten]“.

105    Im achten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1141/2010 heißt es zudem, dass „[d]ie zum Zweck der erneuten Aufnahme eingereichten Unterlagen … neue Daten zum Wirkstoff und neue Risikobewertungen enthalten [sollten], damit den Änderungen der Anforderungen in Bezug auf die Daten entsprochen wird sowie den Änderungen der wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnisse, seit der Wirkstoff erstmals in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG aufgenommen wurde, wie in von der Kommission veröffentlichten Leitfäden und den entsprechenden Stellungnahmen des Wissenschaftlichen Pflanzenausschusses oder der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit … dargelegt“.

106    Zudem bestimmt Nr. 2.1 des Leitfadens vom 28. Oktober 2010 zur Erneuerung der Genehmigung der in Anhang I der Richtlinie 91/414 aufgenommenen Wirkstoffe, die gemäß der Verordnung Nr. 1141/2010 zu bewerten sind (SANCO/10387/2010 rev.8), im Wesentlichen, dass die Antragsteller in ihren neuen Anträgen vor allem die neuen Daten angeben sollen, die sie ab dieser ersten Phase vorzulegen beabsichtigen, denn alle neuen vorgelegten Daten müssen im Hinblick auf die Änderungen der Datenanforderungen, die Entwicklung der wissenschaftlichen und technischen Kenntnisse, die Ausarbeitung von Leitfäden und die Notwendigkeit einer Änderung oder Ausweitung der Aufnahmebeschränkungen oder der Änderungen des Spektrums repräsentativer Verwendungen gerechtfertigt werden.

107    Unter diesen Umständen ist darauf hinzuweisen, dass zwar im Rahmen der Bewertung eines Erneuerungsantrags den neuen Daten über den Wirkstoff und den neuen Risikobewertungen besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden muss, dass sich jedoch entgegen dem Vorbringen der Klägerin aus den oben angeführten Vorschriften nicht ergibt, dass der Antragsteller kein vollständiges Dossier vorlegen darf, und auch nicht, dass der BEMS und die EFSA nicht alle verfügbaren Daten bewerten dürfen, um festzustellen, ob die Genehmigungskriterien erfüllt sind. Wie die Kommission betont, müssen nämlich bei einer fundierten wissenschaftlichen Bewertung alle verfügbaren Informationen, einschließlich der im Genehmigungsverfahren vorgelegten Daten, berücksichtigt werden.

108    Mit der Kommission ist festzustellen, dass eine vollständige Prüfung der Sicherheit des Stoffs vorzunehmen ist, da die in der Verordnung Nr. 1107/2009 genannten Genehmigungskriterien zu berücksichtigen sind. Diese Prüfung kann auch voraussetzen, dass Bereiche untersucht werden, die bereits im Rahmen der ersten Prüfung bewertet wurden, um sie im Licht der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu bewerten. Bei der wissenschaftlichen Bewertung ist das Gewicht der verfügbaren Beweise zu berücksichtigen. Dieser Grundsatz würde nicht beachtet, wenn man nur neue Studien berücksichtigte.

109    Was Art. 10 der Verordnung Nr. 1141/2010 anbelangt, bei dem es um den Inhalt der ergänzenden Unterlagen geht, so ist mit der Kommission festzustellen, dass durch diesen Artikel die Bewertung der EFSA nicht auf die in diesen Unterlagen enthaltenen neuen Studien beschränkt wird. Diese Vorschrift behandelt nämlich nur den Inhalt dieser ergänzenden Unterlagen und nicht den Umfang der Bewertung, und ihr Ziel besteht darin, den Antrag zu aktualisieren, wobei die für die erste Aufnahme des Wirkstoffs vorgelegten Unterlagen beigelegt werden, wie Art. 9 Abs. 1 dieser Verordnung vorsieht, wonach die ergänzenden Unterlagen den für die erste Aufnahme eingereichten Unterlagen mit ihren späteren Aktualisierungen hinzugefügt werden.

110    Was schließlich den Leitfaden zur Erneuerung der Genehmigung der AIR-3-Stoffe betrifft, wonach „nur neue Daten bewertet werden [dürfen] und daher zuvor vorgelegte und anerkannte Daten [grundsätzlich] nicht überprüft werden [dürfen]“, so genügt der Hinweis, dass dieses Dokument im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da es sich auf AIR-3-Stoffe bezieht, zu denen FPS nicht gehört.

111    Nach alledem ist dieser Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen.

2.      Verstoß gegen die Verordnungen Nrn. 1107/2009 und 1272/2008 sowie gegen den Leitfaden der Kommission über Metaboliten im Grundwasser

112    Die Klägerin macht geltend, die angefochtene Verordnung verstoße gegen die Verordnungen Nrn. 1107/2009 und 1272/2008, soweit sie die Schlussfolgerung der EFSA akzeptiere, dass die drei Metaboliten von FPS (IN-JV460, IN-KC576 und IN-KY374) für die Grundwasserexposition als toxikologisch relevant anzusehen seien, ohne dass es eine förmliche Einstufung von FPS im Rahmen der Verordnung Nr. 1272/2008 gebe und nur auf der Grundlage des Vorschlags der EFSA, FPS als Stoff einzustufen, der im Verdacht stehe, karzinogen und reproduktionstoxisch zu sein (karzinogener Stoff der Kategorie 2 und reproduktionstoxischer Stoff der Kategorie 2) (vgl. oben, Rn. 12).

113    Die Klägerin macht geltend, das Verfahren zur Einstufung der Gefahren im Zusammenhang mit chemischen Stoffen, einschließlich jener, die in Pflanzenschutzmitteln enthalten seien, sei völlig verschieden vom Verfahren zur Genehmigung des Stoffs und zur Erneuerung dieser Genehmigung und unterliege anderen Vorschriften des Unionsrechts, nämlich der Verordnung Nr. 1272/2008.

114    Die Klägerin fügt hinzu, die Verordnungen Nrn. 1107/2009 und 1272/2008 bestimmten, dass nur dann von einer Relevanz der im Grundwasser vorhandenen Metaboliten ausgegangen werden könne, wenn der Ausgangsstoff bereits von der ECHA im Rahmen der Verordnung Nr. 1272/2008 in Bezug auf die damit für die menschliche Gesundheit verbundenen Gefahren eingestuft worden sei oder wenn zumindest der Ausschuss für Risikobeurteilung der ECHA im Rahmen der Verordnung Nr. 1272/2008 eine Stellungnahme abgegeben und eine Einstufung der Gefahren vorgeschlagen habe, die für die menschliche Gesundheit im Zusammenhang mit dem Ausgangsstoff bestünden. Gemäß der Verordnung Nr. 1272/2008 sei nur die ECHA dafür zuständig, die in dieser Verordnung vorgesehenen Kriterien für die Einstufung der Gefahren anzuwenden und über die Einstufung der Gefahren zu entscheiden, die mit den in Pflanzenschutzmitteln enthaltenen Stoffen verbunden seien. Ein bloßer Einstufungsvorschlag der EFSA sei unzureichend. Nach Ansicht der Klägerin besitzt die EFSA weder das technische Fachwissen noch die rechtliche Befugnis, um die Einstufungskriterien der Verordnung Nr. 1272/2008 anzuwenden, wie sie selbst ausdrücklich in ihren Schlussfolgerungen zu FPS eingeräumt habe.

115    Die Klägerin macht geltend, die EFSA könne sich in Ermangelung einer formalen Einstufung von FPS nach der Verordnung Nr. 1272/2008 nicht auf ihre eigene Einstufung stützen, um die Vermutung einer toxikologischen Relevanz der drei Metaboliten von FPS im Grundwasser aufzustellen. Es sei klar, dass die EFSA und die Kommission diese Relevanz auf der Grundlage des Einstufungsvorschlags der EFSA selbst und ihrer zugrunde liegenden Bewertung der inhärenten Eigenschaften von FPS vermutet hätten.

116    Die Klägerin fügt hinzu, diese Auslegung werde durch den Leitfaden der Kommission über Metaboliten im Grundwasser bestätigt, worin es heiße, „die Einstufung der Toxizität des Ausgangswirkstoffs gemäß der [geltenden Verordnung Nr. 1272/2008 werde] aus praktischen Gründen als Ausgangspunkt verwendet, um die Prüfungstätigkeit zu lenken“.

117    Die Klägerin betont auch, dass sich mehrere Mitgliedstaaten zu Recht während des Peer-Review-Verfahrens dagegen ausgesprochen hätten, dass sich die EFSA ungebührlicherweise auf ihren eigenen Einstufungsvorschlag gestützt habe, um die Vermutung der Relevanz der Metaboliten von FPS im Grundwasser aufzustellen.

118    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

119    Insoweit ist mit der Klägerin zunächst anzumerken, dass die EFSA nicht befugt ist, die Einstufung der mit den in Pflanzenschutzmitteln enthaltenen Stoffen verbundenen Gefahren vorzuschlagen oder darüber zu entscheiden. Gemäß den Vorschriften der Verordnung Nr. 1272/2008 hat die EFSA nämlich im Rahmen der Selbsteinstufung, die allen Herstellern, Importeuern und nachgeschalteten Anwendern des betreffenden Stoffs vorbehalten ist, oder im Rahmen der harmonisierten Einstufung, die von den oben Genannten oder von der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats vorgenommen werden kann und einem Gutachten der ECHA unterliegt, keine Rolle zu spielen. Diese Erwägungen werden im Wesentlichen von der Kommission nicht bestritten.

120    Daraus folgt, dass ein Vorschlag der EFSA zur Einstufung eines Stoffs nach den Vorschriften der Verordnung Nr. 1272/2008 für sich genommen keine rechtlichen Folgen haben kann. Es ist im Übrigen irreführend, von einem „Einstufungsvorschlag“ zu sprechen, da die EFSA keinerlei Befugnis besitzt, um eine solche Einstufung vorzuschlagen.

121    Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass es der Kommission nach dem Vorsorgegrundsatz obliegt, Schutzmaßnahmen zu treffen, wenn wissenschaftliche Ungewissheiten in Bezug auf das Vorliegen oder den Umfang von Risiken für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt fortbestehen.

122    Aus der angefochtenen Verordnung geht indessen hervor, dass die Bedenken der Kommission im Zusammenhang mit den „inhärenten toxikologischen Eigenschaften“ des Grundkörpers in Bezug auf Karzinogenität und Reproduktionstoxizität standen und dass diese Bedenken nicht unmittelbar im Zusammenhang mit der von der EFSA als geeignet erachteten Einstufung standen.

123    In den Erwägungsgründen 8 und 9 der angefochtenen Verordnung wird nämlich darauf hingewiesen, dass auf der Grundlage der bewerteten Studien der Schluss gezogen wurde, dass der Grundkörper inhärente toxikologische Eigenschaften habe, insbesondere in Bezug auf Karzinogenität und Reproduktionstoxizität.

124    Genauer gesagt, vertrat die Kommission die Auffassung, dass angesichts der in den Studien festgestellten Auswirkungen berechtigte Bedenken hinsichtlich der drei Metaboliten von FPS (IN-JV460, IN-KC576 und IN-KY374) und ihres Vorhandenseins im Grundwasser bestanden hätten, da nicht habe nachgewiesen werden können, dass diese Metaboliten nicht dieselben inhärenten Eigenschaften wie der Grundkörper aufwiesen.

125    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 3 Nr. 32 der Verordnung Nr. 1107/2009 die Umstände, unter denen Metaboliten bei der Risikobewertung ihres Grundkörpers als „relevant“ eingestuft werden, wie folgt bestimmt:

„Ein Metabolit wird als relevant eingestuft, wenn Grund zur Annahme besteht, dass er in Bezug auf seine gewünschte biologische Wirksamkeit mit dem Ausgangsstoff vergleichbare inhärente Eigenschaften aufweist oder für Organismen ein höheres oder vergleichbares Risiko wie der Ausgangsstoff darstellt oder über bestimmte toxikologische Eigenschaften verfügt, die als nicht annehmbar erachtet werden. Ein solcher Metabolit ist relevant für die Gesamtentscheidung über die Genehmigung oder für die Festlegung von Maßnahmen zur Risikominderung.“

126    Es trifft zwar zu, dass gemäß dem Leitfaden der Kommission über Metaboliten im Grundwasser dann, wenn der Ausgangsstoff eine bestimmte Einstufung erhalten hat, beispielsweise als karzinogener Stoff der Kategorie 2 (C2) oder als reproduktionstoxischer Stoff der Kategorie 2 (R2), davon auszugehen ist, dass die Metaboliten die gleichen Eigenschaften wie der Ausgangsstoff haben und als relevant gelten, es sei denn, der Antragsteller legt überzeugende Beweise dafür vor, dass die Metaboliten die Kriterien für eine Einstufung in dieselbe Kategorie wie der Ausgangsstoff nicht erfüllen.

127    Wenngleich die Relevanz oft an die formale Einstufung des Ausgangsstoffs anknüpft, ist dies jedoch gemäß dem oben in Rn. 126 genannten Leitfaden nicht die einzige Erwägung, die die Relevanz der Metaboliten bestimmen kann. Diese kann auch unabhängig von dieser Einstufung bestimmt werden. In diesem Leitfaden heißt es nämlich, dass „die Einstufung der Toxizität des Ausgangswirkstoffs … aus praktischen Gründen als Ausgangspunkt verwendet [wird], um die Prüfungstätigkeit zu lenken“.

128    Zudem heißt es im Leitfaden der Kommission über Metaboliten im Grundwasser ausdrücklich, dass „unabhängig von der Einstufung des Ausgangswirkstoffs … ein gezielter Test erforderlich sein [kann], wenn zu erwarten ist, dass ein bestimmtes Abbauprodukt toxisch oder hoch toxisch sein kann“.

129    Wie aus dem neunten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung hervorgeht, haben im vorliegenden Fall die in den Studien aufgezeigten inhärenten toxikologischen Eigenschaften des Grundkörpers insbesondere in Bezug auf Karzinogenität bei Säugetieren und Reproduktionstoxizität die Kommission dazu veranlasst, die Metaboliten als „relevant“ einzustufen.

130    Unter diesen Umständen hat die Kommission unter Berücksichtigung der in den Studien über FPS beobachteten Auswirkungen und der in der Verordnung Nr. 1107/2009 ausdrücklich genannten spezifischen Notwendigkeit, den Schutz des Grundwassers zu gewährleisten, in Anwendung des Vorsorgeprinzips und in ihrer Eigenschaft als Risikomanagerin, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, festgestellt, dass das Vorhandensein der drei Metaboliten von FPS im Grundwasser besorgniserregend sei, weil nicht nachgewiesen worden sei, dass diese Metaboliten nicht dieselben inhärenten Eigenschaften wie der Grundkörper aufwiesen. Sie ist daher zu dem Schluss gelangt, dass es unmöglich sei, festzustellen, dass das Vorhandensein der Metaboliten im Grundwasser, von denen einige den Schwellenwert von 0,1 μg/l in allen Szenarien überschritten hätten, keine unannehmbaren Auswirkungen auf das Grundwasser und keine schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit habe.

131    Im Licht der vorstehenden Erwägungen ist festzustellen, dass die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerin weder gegen die Verordnung Nr. 1107/2009 noch gegen die Verordnung Nr. 1272/2008 noch gegen den Leitfaden über Metaboliten im Grundwasser verstoßen hat.

132    Daher ist der vorliegende Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen.

3.      Verstoß gegen die in der Verordnung Nr. 1107/2009 und der Richtlinie 2010/63 enthaltenen Vorschriften über Tierversuche

133    Mit diesem Teil ihres ersten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, die angefochtene Verordnung verstoße gegen die Vorschriften über Tierversuche, da die EFSA und die Kommission keine angemessenen Lösungen vorgesehen hätten, um den Rückgriff auf Versuche mit Wirbeltieren zu ersetzen, bevor sie die Durchführung neuer In-vivo-Studien verlangt hätten, um das genotoxische Potenzial des Metaboliten IN-JE127 auszuschließen.

134    Insbesondere hätten die EFSA und die Kommission im Verfahren zur Erneuerung der Genehmigung für FPS den Grundsatz des „letzten Mittels“ nicht beachtet, indem sie eine „Datenlücke“ in Bezug auf eine zusätzliche In-vivo-Studie zur Ermittlung der Exposition des Knochenmarks gegenüber dem Metaboliten IN-JE127 festgestellt hätten, ohne alternative Methoden ohne Tierversuche gebührend zu berücksichtigen, ohne den Beweiswert der vorliegenden Beweise zu analysieren und ohne zum einen die neue, von DuPont vorgelegte In-vitro-Genotoxizitätsstudie (Genmutation in Säugetierzellen) zu berücksichtigen, deren Ergebnis eindeutig negativ sei, und ohne zum anderen die von DuPont vorgelegten zusätzlichen Modelldaten zu beachten, aus denen hervorgehe, dass der Metabolit IN-JE127 nicht in Konzentrationen über 0,1 μg/l in das Grundwasser einsickere, was beweise, dass der neue von der EFSA verlangte In-vivo-Test unnötig und daher nicht gerechtfertigt sei.

135    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

136    Im vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, dass die Behauptungen der Klägerin auf der falschen Prämisse beruhen, dass die EFSA und die Kommission die Durchführung neuer In-vivo-Studien gefordert hätten, um das genotoxische Potenzial des Metaboliten IN-JE127 auszuschließen.

137    Es ist nämlich darauf hinzuweisen, dass die EFSA in ihren überarbeiteten Schlussfolgerungen von Oktober 2016 eine Datenlücke in Bezug auf das genotoxische Profil des Metaboliten IN-JE127 feststellte und darauf hinwies, dass eine an Säugetieren durchgeführte In-vivo-Studie negative Ergebnisse erbracht und es nicht ermöglicht habe, eine Knochenmarksexposition zu bestätigen. Wie die Kommission betont, hat die EFSA jedoch entgegen dem Vorbringen der Klägerin keine neue In-vivo-Studie verlangt, um das genotoxische Potenzial des Metaboliten IN-JE127 festzustellen.

138    Unter diesen Umständen ist dieser Teil des ersten Klagegrundes und daher der erste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

C.      Zweiter Klagegrund: Die Kommission habe sich unter Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit und die Verteidigungsrechte des die Erneuerung begehrenden Antragstellers zu Unrecht auf einen neuen Leitfaden gestützt oder Leitfäden in inkohärenter Weise verwendet

139    Dieser Klagegrund umfasst zwei Teile. Zum einen macht die Klägerin in Bezug auf die Bewertung der Genotoxizität des Metaboliten IN-JE127 geltend, die EFSA habe sich auf Leitfäden gestützt, die zum Zeitpunkt der Einreichung des Erneuerungsdossiers für FPS nicht akzeptiert oder nicht anwendbar gewesen seien. Zum anderen macht die Klägerin in Bezug auf die Bewertung des Risikos für Algen geltend, die EFSA habe die Leitfäden in inkohärenter Weise verwendet und eine Risikobewertung gebilligt, die im Widerspruch zu dem verfügbaren Leitfaden stehe.

1.      Bewertung der Genotoxizität des Metaboliten IN-JE127

140    Die Klägerin macht geltend, die Bewertung der Genotoxizität des Metaboliten IN-JE127 sei auf der Grundlage eines Leitfadens erfolgt, der nicht genehmigt gewesen sei und der zum Zeitpunkt der Einreichung des Erneuerungsdossiers für FPS nicht anwendbar gewesen sei.

141    Damit verstoße die angefochtene Verordnung gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit sowie gegen Art. 12 Abs. 2 und Anhang II Nr. 3.8.3 der Verordnung Nr. 1107/2009, die ausdrücklich verlangten, dass die Risikobewertung durch die EFSA „unter Heranziehung der zum Zeitpunkt des Antrags [auf Genehmigung oder Erneuerung der Genehmigung] verfügbaren Leitlinien“ und „nach [auf Unionsebene] oder international akzeptierten Testrichtlinien“ erfolgen müsse. Art. 16 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1141/2010 bestätige die Anwendung dieser bewährten Regel im Rahmen des Programms zur Überprüfung der AIR-2-Stoffe, zu denen FPS gehöre.

142    Auch wenn die Kommission beabsichtigt habe, sich für FPS bei der Überprüfung auf die Vorgaben eines neuen „Leitfadens“ zu stützen, wie beispielsweise auf das wissenschaftliche Gutachten der EFSA vom 3. Oktober 2012 zu Prüfstrategien der Genotoxizität für die Bewertung der Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit (im Folgenden: wissenschaftliches Gutachten von 2012), sei sie offensichtlich verpflichtet gewesen, dem die Erneuerung begehrenden Antragsteller die Möglichkeit zu geben, auf die sich aus diesem wissenschaftlichen Gutachten ergebenden neuen Datenanforderungen zu reagieren.

143    Im Fall von FPS habe DuPont erst Kenntnis von der „Datenlücke“ in Bezug auf die Genotoxizität des Metaboliten IN-JE127 erlangt, als die EFSA im Oktober 2016 ihre überarbeiteten Schlussfolgerungen veröffentlicht habe, also lange nach dem Ende des ursprünglichen „Peer-Review-Verfahrens“ für FPS. Um auf diese neue Datenanforderung zu reagieren, habe DuPont sofort zwei weitere Studien durchgeführt, die das nicht genotoxische Profil des Metaboliten IN-JE127 bestätigt hätten. Die Kommission sei über die Ergebnisse dieser Studien am 18. Oktober 2016 und am 13. Januar 2017 in Kenntnis gesetzt worden. Die Kommission habe sich jedoch geweigert, diese Ergebnisse vor Erlass der angefochtenen Verordnung zu berücksichtigen, was einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit und die Verteidigungsrechte des die Erneuerung begehrenden Antragstellers darstelle.

144    Obwohl das wissenschaftliche Gutachten von 2012 vor dem Zeitpunkt der Vorlage des Dossiers von FPS veröffentlicht worden sei, werde dadurch das Argument nicht entkräftet, dass sich die EFSA auf ein wissenschaftliches Gutachten gestützt habe, das noch heute Gegenstand einer Prüfung gemäß dem eigenen Auftrag der Kommission sei und daher keine gefestigte und vereinbarte Methodik der Risikobewertung darstelle, die zum Zeitpunkt der Vorlage des Dossiers in Kraft gewesen sei. Bis zum Vorliegen der Ergebnisse der von der EFSA durchgeführten Prüfung habe die Kommission den Erlass jeglicher Entscheidung mit Verordnungscharakter über die mögliche Erneuerung der Genehmigung von Stoffen ausgesetzt, für die lediglich Bedenken hinsichtlich der Genotoxizität festgestellt worden seien.

145    Zudem sei das wissenschaftliche Gutachten von 2012 erst nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung Nr. 1141/2010 am 28. Dezember 2010 veröffentlicht worden. Da Art. 16 Abs. 2 dieser Verordnung verlange, dass „die bei Inkrafttreten dieser Verordnung [veröffentlichten] Leitfäden“ zu verwenden sind, hätten die EFSA und die Kommission auf dieser Grundlage auch davon absehen müssen, sich bei der Bewertung von FPS auf das wissenschaftliche Gutachten von 2012 zu stützen.

146    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

147    Was diesen Teil des zweiten Klagegrundes anbelangt, ist zunächst festzustellen, dass er ins Leere geht.

148    Ein etwaiger Verstoß gegen die Verordnung Nr. 1107/2009, gegen die Verordnung Nr. 1141/2010, gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit oder die Verteidigungsrechte betreffend diesen Aspekt des Verfahrens könnte nämlich nicht zur Nichtigerklärung der angefochtenen Verordnung führen. Insoweit ist festzustellen, dass die Kommission, wie sie geltend macht, auch ohne die Feststellung im zehnten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung betreffend das Fehlen von Daten über das genotoxische Potenzial des Metaboliten IN-JE127 dennoch zu demselben Ergebnis gelangt wäre, da ein hohes Risiko der Exposition des Grundwassers gegenüber mehreren anderen Metaboliten von FPS und ein hohes Risiko für Wasserorganismen besteht. Die fragliche Begründung wird in der angefochtenen Verordnung als zusätzlicher, ja sogar als nicht tragender Grund angeführt.

149    Was das Vorbringen der Klägerin betrifft, wonach sich die EFSA unter Verstoß gegen die Regel, wonach Risikobewertungen auf der Grundlage von zum Zeitpunkt der Einreichung des Dossiers geltenden Leitfäden zu erfolgen hätten, auf das wissenschaftliche Gutachten von 2012 gestützt habe, so ist mit der Kommission jedenfalls festzustellen, dass die erste Fassung dieses Gutachtens am 30. September 2011 veröffentlicht wurde, wie auf der ersten Seite angegeben wird.

150    Daher kann nicht behauptet werden, dass die Risikobewertungen auf der Grundlage eines Leitfadens erfolgt seien, der nach vollständiger Einreichung des vom Mai 2012 datierenden Erneuerungsdossiers veröffentlicht worden sei.

151    Zudem ist, wie in der Antwort der Kommission auf Fragen des Gerichts angegeben wird, festzustellen, dass das wissenschaftliche Gutachten von 2012 von der Kommission nicht formal gemäß Art. 77 der Verordnung Nr. 1107/2009 als Leitlinie verabschiedet wurde. Es handelt sich vielmehr um ein wissenschaftliches Gutachten, das die EFSA verwendet, um die Aspekte der Genotoxizität im Kontext des Lebensmittel- und Futtermittelrechts zu bewerten.

152    Nach den Angaben der Kommission stellen die wissenschaftlichen Gutachten der EFSA die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse in einem bestimmten Bereich, im vorliegenden Fall dem Bereich der Genotoxizität, dar, was die Bewertungen der Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit betrifft.

153    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es in Art. 12 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1107/2009 ausdrücklich heißt, dass die EFSA „unter Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik“ eine Schlussfolgerung dazu annimmt, ob der Wirkstoff voraussichtlich die Genehmigungskriterien des Art. 4 dieser Verordnung erfüllt.

154    Unter diesen Umständen kann der EFSA nicht vorgeworfen werden, eine Risikobewertung auf der Grundlage des wissenschaftlichen Gutachtens von 2012 vorgenommen zu haben, das sich darauf beschränkt, die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse im Bereich der Genotoxizität zusammenzufassen, und dessen erste Fassung im Übrigen vor der vollständigen Einreichung des Erneuerungsdossiers veröffentlicht wurde.

155    Was das Vorbringen der Klägerin anbelangt, wonach das wissenschaftliche Gutachten von 2012 nicht verwendet werden könne, da es nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung Nr. 1141/2010 am 28. Dezember 2010 veröffentlicht worden sei, genügt der Hinweis, dass dieses wissenschaftliche Gutachten, wie oben in Rn. 151 festgestellt, von der Kommission nicht formal gemäß Art. 77 der Verordnung Nr. 1107/2009 als Leitlinie verabschiedet wurde. Folglich ist Art. 16 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1141/2010 im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Auch dieses Vorbringen ist daher zurückzuweisen.

156    Was schließlich das Vorbringen betrifft, wonach die Kommission, auch wenn sie beabsichtigt habe, sich bei der Genehmigung für FPS auf die Vorschriften eines neuen „Leitfadens“ zu stützen, offensichtlich verpflichtet gewesen sei, dem die Erneuerung begehrenden Antragsteller die Möglichkeit zu geben, auf die sich aus diesem wissenschaftlichen Gutachten ergebenden neuen Datenanforderungen zu reagieren, ist festzustellen, dass es keinen Erfolg haben kann.

157    Es ist zwar bedauerlich, dass die „Datenlücke“ in Bezug auf die Genotoxizität des Metaboliten IN-JE127 dem die Erneuerung begehrenden Antragsteller erst zu dem Zeitpunkt zur Kenntnis gebracht wurde, als die EFSA im Oktober 2016 ihre überarbeiteten Schlussfolgerungen veröffentlichte, also lange nach dem Ende des ursprünglichen „Peer-Review-Verfahrens“ für FPS. Wie jedoch oben ausgeführt, beruht diese „Datenlücke“ entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht auf einer neuen Datenanforderung, die sich aus einem neuen „Leitfaden“ ergibt. Vielmehr beruht sie auf einem wissenschaftlichen Gutachten, das sich darauf beschränkt, die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse im Bereich der Genotoxizität zusammenzufassen, und dessen erste Fassung vor der Einreichung des Erneuerungsdossiers veröffentlicht wurde.

158    Nach alledem ist der vorliegende Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen.

2.      Bewertung des Risikos für Algen

159    In Bezug auf die Bewertung der Risiken für Algen macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, die Art und Weise, wie die EFSA die Bewertung der mit FPS in Zusammenhang stehenden Risiken für Algen vorgenommen habe, sei zum einen inkohärent im Vergleich zu dem Ansatz, der bei der Bewertung der Risiken für Wasserpflanzen verfolgt worden sei, und zum anderen offensichtlich falsch, da die EFSA von ihrem eigenen Leitfaden zur Bewertung der Risiken für Wasserorganismen sowie von den einschlägigen Leitlinien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) abgewichen sei.

160    Die Klägerin trägt vor, die EFSA habe eine umfassende höherstufige Bewertung für Wasserpflanzen vorgenommen, bei der sichere Verwendungen festgestellt worden seien, aber nur eine Bewertung der Stufe 1 für Algen, was unvermeidlich zur Feststellung eines „hohen Risikos“ geführt habe. Hätte die EFSA sowohl für Algen als auch für Wasserpflanzen einen kohärenten Ansatz verfolgt, das heißt, den Wert des Bewertungsfaktors gesenkt und den Referenzwert für die Wachstumsrate berücksichtigt, wären auch sichere Verwendungen für die Algen festgestellt worden.

161    Jedenfalls habe der die Erneuerung begehrende Antragsteller, sobald er von der unerwarteten Vorgehensweise der EFSA in Kenntnis gesetzt worden sei, eine zusätzliche Studie über Algen zwecks Einbeziehung in die Analyse der Verteilung der Empfindlichkeit der Arten durchgeführt, die es zusammen mit allen verfügbaren Daten ermögliche, für Algen sichere Verwendungen festzustellen. Wiederum habe es die Kommission jedoch unter Verstoß gegen die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts, auf die sich die Klägerin berufe, abgelehnt, diese Studie zu prüfen, weil sie nach Beendigung des Peer-Reviews vorgelegt worden sei.

162    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

163    Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass auf der Grundlage der Angaben im Dossier und der Antwort, die die Kommission zu diesem Aspekt auf Fragen des Gerichts gegeben hat, ein gewisser Unterschied hinsichtlich des Ansatzes feststellbar ist, der von der EFSA bei der Bewertung der Algen und der Bewertung der Wasserpflanzen verfolgt wurde. Die EFSA erklärte sich insbesondere bereit, den Wert des Bewertungsfaktors für Wasserpflanzen zu reduzieren, mit dem sichere Verwendungen festgestellt wurden; sie weigerte sich jedoch, den Wert des Bewertungsfaktors für Algen zu reduzieren, der zur Feststellung eines hohen Risikos führte. Zudem zog die EFSA bei der Bewertung der Risiken für Algen das Kriterium der Biomasse anstatt der Wachstumsrate heran, anhand deren es ihr nach Ansicht der Klägerin möglich gewesen wäre, risikolose Verwendungen in mehreren Umweltszenarien, sogenannten FOCUS-Szenarien, festzustellen; die Anfälligkeit des Grundwassers für Kontamination sei aufgrund der Verwendung eines Wirkstoffs gemessen worden, während sie bei der Bewertung der Risiken für Wasserpflanzen den Wert der Wachstumsrate herangezogen habe.

164    Es ist jedoch festzustellen, dass die Bewertung der Risiken für alle Wasserorganismen hauptsächlich auf den Leitfaden der EFSA zur Bewertung der Risiken für Wasserorganismen von 2002 gestützt wurde, der zum Zeitpunkt der Einreichung des FPS-Erneuerungsdossiers im Mai 2012 das offiziell anwendbare Dokument war. Hingegen ist der neue, von der Klägerin erwähnte Leitfaden der EFSA vom 5. August 2013, nämlich der Leitfaden der EFSA über die abgestufte Bewertung der mit Pflanzenschutzmitteln in Verbindung stehenden Risiken für Wasserorganismen, die in Oberflächengewässern am Feldrand leben, auf Anträge anwendbar, die ab 1. Januar 2015, d. h. nach der Prüfung von FPS, eingereicht wurden.

165    In Bezug auf das letztgenannte Dokument erläutert die Kommission, dass während der Übergangszeit bei der Anwendung dieses neuen Dokuments Einzelfallbewertungen vorgenommen worden seien und die EFSA Expertensitzungen organisiert habe, wann immer in der Phase der Stellungnahmen zu den Bewertungen Uneinigkeit über den gewählten Ansatz aufgetreten sei. Die Antragsteller legten nämlich bereits vor dem 1. Januar 2015 gemäß dem im Jahr 2013 veröffentlichten wissenschaftlichen Gutachten, das als Grundlage für diesen Leitfaden gedient hatte, Daten und Risikobewertungen vor, die bestimmten Empfehlungen dieses Leitfadens folgten.

166    Nach der Rechtsprechung kann ein die Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts rechtfertigender offensichtlicher Irrtum der Kommission bei der Würdigung komplexer Tatsachen nur festgestellt werden, wenn die vom Kläger vorgebrachten Beweise ausreichen, um die Sachverhaltswürdigung im Rechtsakt als nicht plausibel erscheinen zu lassen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Dezember 1996, AIUFFASS und AKT/Kommission, T‑380/94, EU:T:1996:195, Rn. 59, und vom 1. Juli 2004, Salzgitter/Kommission, T‑308/00, EU:T:2004:199, Rn. 138). Abgesehen von dieser Plausibilitätskontrolle darf das Gericht seine Beurteilung komplexer Tatsachen nicht an die Stelle der Beurteilung des Organs setzen, das den Rechtsakt erlassen hat (Urteil vom 9. September 2011, Dow AgroSciences u. a./Kommission, T‑475/07, EU:T:2011:445, Rn. 152).

167    Zum einen haben die EFSA und die Sachverständigen die möglichen Unterschiede zwischen den Ansätzen, die bei Algen zugrunde gelegt wurden, und jenen, die bei Wasserpflanzen verfolgt wurden, detailliert technisch begründet; die diesbezüglichen Erklärungen der Kommission sind ausreichend glaubhaft. Die Kommission hat nämlich u. a. erläutert, dass die Verringerung des Bewertungsfaktors für Wasserpflanzen in Verbindung mit der Verwendung des Referenzwerts für die Wachstumsrate von den Sachverständigen als Ersatzlösung vorgeschlagen worden sei, weil sich die Art Lemna gibba beim Versuch als viel empfindlicher erwiesen habe als alle anderen im Test verwendeten Arten. Hingegen waren die Unterschiede in der Empfindlichkeit bei den im Algentest verwendeten Arten nicht so groß, so dass der Bewertungsfaktor nicht in gleicher Weise herabgesetzt werden konnte.

168    Zum anderen reichen die von der Klägerin vorgelegten Beweise nicht aus, um der angefochtenen Verordnung, die sich vor allem auf die Beurteilungen der EFSA stützt, ihre Plausibilität zu nehmen. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass das Gericht seine Beurteilung komplexer Tatsachen nicht an die Stelle der Beurteilung des Organs setzen darf, das den Rechtsakt erlassen hat.

169    Was im Übrigen die von der Klägerin vorgelegte zusätzliche Studie anbelangt, die es nach deren Ansicht ermöglicht hätte, zusammen mit allen verfügbaren Daten für Algen sichere Verwendungen festzustellen, die aber dennoch von der Kommission nicht berücksichtigt wurde, so genügt die Feststellung, dass sie am 13. Januar 2017, das heißt nach Abschluss der wissenschaftlichen Schlussfolgerungen der EFSA und beinahe am Ende des Erneuerungsverfahrens, vorgelegt wurde. Unter diesen Umständen und in Anbetracht dessen, dass die Verordnung Nr. 1141/2010 keine Vorschriften enthält, die die Übermittlung von zusätzlichen Daten in einem so späten Stadium der Bewertung erlauben, ist festzustellen, dass sich die Kommission zu Recht geweigert hat, diese Studie zu berücksichtigen.

170    Nach alledem ist der vorliegende Teil des zweiten Klagegrundes und daher der Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

D.      Dritter Klagegrund: Die Kommission habe es unter Verletzung mehrerer Vorschriften des Unionsrechts und der Verteidigungsrechte des die Erneuerung begehrenden Antragstellers unterlassen, eine vollständige Risikobewertung durchzuführen

171    Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe es unter Verstoß gegen Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 und gegen Art. 17 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1141/2010 unterlassen, eine vollständige Risikobewertung durchzuführen.

172    Die Klägerin betont, die Kommission könne sich bei der Entscheidung über die Erneuerung der Genehmigung eines Stoffs nicht nur auf die Schlussfolgerungen der EFSA stützen, sondern müsse vielmehr auch die Schlussfolgerungen des BEMS, die Stellungnahmen des die Erneuerung begehrenden Antragstellers und der anderen Mitgliedstaaten zur Risikobewertung des BEMS sowie alle sonstigen relevanten wissenschaftlichen Beweise berücksichtigen, über die sie verfüge. Dies umfasse vor allem alle zusätzlichen Daten, Studien und Stellungnahmen, die ein Antragsteller – auch nach Veröffentlichung der Schlussfolgerungen der EFSA – vorlege, um auf „Datenlücken“ oder konkrete „Bedenken“ zu reagieren, die der Antragsteller zum Zeitpunkt der Einreichung des Dossiers vernünftigerweise nicht habe vorhersehen können – ungeachtet dessen, dass sein Dossier den zum Zeitpunkt der Einreichung geltenden Datenanforderungen und anwendbaren Leitfäden vollkommen entsprochen habe.

173    Im vorliegenden Fall habe die Kommission die angefochtene Verordnung nur auf die Schlussfolgerungen der EFSA gestützt und keine anderen von dem die Erneuerung begehrenden Antragsteller vorgelegten wissenschaftlichen Beweise, die die Sicherheit von FPS bestätigten, berücksichtigt.

174    Die Klägerin macht geltend, keine Vorschrift der Verordnung Nr. 1107/2009 untersage es der Kommission, die nach Beendigung des Peer-Reviews übermittelten zusätzlichen Daten zu prüfen. Vielmehr müsse die Kommission, wie der Gerichtshof bestätigt habe, sicherstellen, dass eine umfassende Risikobewertung durchgeführt werde, und daher erforderlichenfalls vor einer Entscheidung über die Genehmigung oder Erneuerung zusätzliche Daten anfordern und prüfen. Die Kommission habe selbst im Rahmen früherer Verfahren vor dem Europäischen Bürgerbeauftragten eingeräumt, dass es ihr die Verordnung Nr. 1107/2009 erlaube, im Laufe des Prüfverfahrens zusätzliche Daten anzufordern und zu prüfen.

175    Nach Ansicht der Klägerin reicht die bloße Möglichkeit, „Stellungnahmen zu übermitteln“, offensichtlich nicht aus, um zu gewährleisten, dass eine umfassende Prüfung durchgeführt werde und dass die Verteidigungsrechte des Antragstellers gebührend beachtet würden. Die Beschränkung auf bloße Stellungnahmen, beispielsweise durch die Bewertung der Schlussfolgerungen der EFSA, erlaube es dem Antragsteller nicht, neue Studien und Daten vorzulegen, die die Bedenken oder Datenlücken wirklich ausräumen könnten.

176    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

177    Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung der Wahrung der Garantien, die die Unionsrechtsordnung für Verwaltungsverfahren vorsieht, in den Fällen, in denen ein Organ über ein weites Ermessen verfügt, eine besonders große Bedeutung zukommt. Zu diesen Garantien gehört insbesondere die Verpflichtung des zuständigen Organs, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen (vgl. Urteil vom 11. September 2002, Pfizer Animal Health/Rat, T‑13/99, EU:T:2002:209, Rn. 171 und die dort angeführte Rechtsprechung).

178    Die Vornahme einer möglichst erschöpfenden wissenschaftlichen Risikobewertung auf der Grundlage wissenschaftlicher Gutachten, die auf den Grundsätzen der höchsten Fachkompetenz, der Transparenz und der Unabhängigkeit beruhen, stellt somit eine wichtige Verfahrensgarantie zur Gewährleistung der wissenschaftlichen Objektivität der Maßnahmen und zur Verhinderung des Erlasses willkürlicher Maßnahmen dar (Urteil vom 11. September 2002, Pfizer Animal Health/Rat, T‑13/99, EU:T:2002:209, Rn. 172).

179    Im Licht der oben angeführten Gesichtspunkte ist festzustellen, dass das Verfahren zur Erneuerung der Genehmigung für FPS von Mai 2012 bis Juli 2017, d. h. mehr als fünf Jahre, gedauert hat.

180    Was erstens den vermeintlichen Verstoß gegen Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 und gegen Art. 17 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1141/2010 anbelangt, so genügt die Feststellung, dass sich diese Vorschriften zum einen auf den Hinweis beschränken, dass die Kommission einen Überprüfungsbericht und einen Verordnungsentwurf erstellt, wobei sie den Entwurf des Bewertungsberichts des BEMS und die Schlussfolgerungen der EFSA berücksichtigt, und zum anderen dem die Erneuerung begehrenden Antragsteller die Möglichkeit geben, eine Stellungnahme vorzulegen. Es kann nicht geltend gemacht werden, dass gegen diese Vorschriften verstoßen worden wäre.

181    Was insbesondere den Bericht des BEMS anbelangt, so trifft es zwar zu, dass dieser zu dem Ergebnis gelangt ist, dass das Erneuerungsdossier vollständig sei, und dass er die Erneuerung der Genehmigung für FPS befürwortete; allerdings wurden darin auch mehrere Probleme hervorgehoben, was insbesondere Metaboliten im Grundwasser und das Risiko für Wasserorganismen anbelangt. Namentlich im Zusammenhang mit der Bewertung der Risiken für Wasserorganismen hat der BEMS eine Expertendiskussion empfohlen, wie aus Abschnitt 3.1.8 von Band 1 seines Berichts hervorgeht.

182    Zur Möglichkeit des die Erneuerung begehrenden Antragstellers, seine Stellungnahme abzugeben, ist festzustellen, dass die Handhabung des Verfahrens durch die Kommission keinen Verstoß gegen die Verteidigungsrechte oder das Recht der Klägerin auf Anhörung darstellt.

183    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Beachtung der Verfahrensrechte nach ständiger Rechtsprechung in allen Verfahren, die gegen eine Person eingeleitet werden und zu einer sie beschwerenden Maßnahme führen können, ein fundamentaler Grundsatz des Unionsrechts ist, der auch dann zu beachten ist, wenn eine Regelung für das betreffende Verfahren fehlt. Dieser Grundsatz gebietet es, dass die Adressaten von Entscheidungen, die deren Interessen spürbar beeinträchtigen, in die Lage versetzt werden, ihren Standpunkt in sachdienlicher Weise vorzutragen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. Juni 2006, Dokter u. a., C‑28/05, EU:C:2006:408, Rn. 74, und vom 9. September 2008, Bayer CropScience u. a./Kommission, T‑75/06, EU:T:2008:317, Rn. 130). Das Recht auf Anhörung im Rahmen eines eine bestimmte Person betreffenden Verwaltungsverfahrens folgt aus den Verteidigungsrechten und muss auch dann beachtet werden, wenn es an einer Regelung für das betreffende Verfahren fehlt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2002, Alpharma/Rat, T‑70/99, EU:T:2002:210, Rn. 388 und die dort angeführte Rechtsprechung).

184    Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin ihre Stellungnahme rechtzeitig abgeben konnte. Wie oben in den Rn. 4 bis 33 ausgeführt, geht aus der Akte nämlich hervor, dass die Kommission ihre Stellungnahme sowohl zum Bewertungsbericht des BEMS als auch zu den Schlussfolgerungen der EFSA und zu ihrem Überprüfungsbericht erhalten hat. Im Übrigen wurde die Klägerin von der Kommission in der Besprechung vom 24. Juni 2015 angehört, bei der die Bewertung der Erneuerung der Genehmigung für FPS diskutiert wurde.

185    Daraus folgt, dass die Klägerin aufgefordert wurde, ihre Stellungnahme abzugeben, und dass sie sie sowohl schriftlich als auch in der Anhörung vor den Dienststellen der Kommission abgegeben hat. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die Klägerin ihre Verteidigungsrechte tatsächlich ausgeübt hat.

186    Zweitens ist in Bezug auf das Vorbringen der Klägerin, wonach die Kommission keine weiteren von dem die Erneuerung begehrenden Antragsteller vorgelegten wissenschaftlichen Beweise berücksichtigt habe, die die Sicherheit von FPS bestätigten, festzustellen, dass, wie auch die Kommission ausführt, nach Art. 16 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1141/2010 ungefragt vom Antragsteller vorgelegte neue Daten oder Daten, die am Ende des Genehmigungsverfahrens und nach dem Peer-Review vorgelegt werden, von der Kommission nicht berücksichtigt werden konnten.

187    Auch wenn es zutrifft, dass es keine Vorschrift der Verordnung Nr. 1107/2009 der Kommission ausdrücklich untersagt, zusätzliche Daten zu prüfen, die nach Beendigung des Peer-Reviews übermittelt werden, ist darauf hinzuweisen, dass es im 14. Erwägungsgrund dieser Verordnung heißt: „Um die Genehmigung von Wirkstoffen zu beschleunigen, sollten feste Fristen für die verschiedenen Verfahrensstufen festgelegt werden.“ Die Verordnung Nr. 1107/2009 sieht für jede Stufe des Genehmigungsverfahrens recht strenge Fristen vor. Insoweit ist festzustellen, dass die Verordnung Nr. 1141/2010 den gleichen Ansatz wählt, um das Erneuerungsverfahren zu straffen.

188    Außerdem ist zu bedenken, dass eine unbegrenzte Verlängerung der Frist für die Bewertung eines Wirkstoffs dem mit der Verordnung Nr. 1107/2009 verfolgten Ziel zuwiderliefe, das darin besteht, ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt zu gewährleisten.

189    Unter diesen Umständen kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, dass sie sich geweigert habe, nach Beendigung des Peer-Reviews übermittelte zusätzliche Daten zu prüfen.

190    Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin, wie sich aus dem 19. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung ergibt, die Möglichkeit hat, einen neuen Genehmigungsantrag einzureichen, in dem alle neuen Daten oder wissenschaftliche Studien vorgelegt werden können, um die im Rahmen des in Rede stehenden Erneuerungsverfahrens aufgetretenen Bedenken auszuräumen.

191    Im Licht der vorstehenden Umstände ist der Schluss zu ziehen, dass die angefochtene Verordnung weder gegen Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 noch gegen Art. 17 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1141/2010 noch gegen die Verteidigungsrechte oder das Recht der Klägerin auf Anhörung verstößt. Der dritte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

E.      Vierter Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

192    Die Klägerin macht geltend, die angefochtene Verordnung verstoße gegen den in Art. 5 Abs. 4 EUV verankerten allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da sie im Hinblick auf das Ziel der Verordnung Nr. 1107/2009 unverhältnismäßig sei, das darin bestehe, zu gewährleisten, dass alle in Pflanzenschutzmitteln enthaltenen Stoffe einem Risikobewertungsverfahren unterzogen würden, um sicherzustellen, dass im Binnenmarkt nur Stoffe in den freien Verkehr gebracht würden, die für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt unbedenklich seien.

193    Zunächst betont die Klägerin das Fehlen eines Beweises für die Schädlichkeit von FPS.

194    Erstens weist die Klägerin in Bezug auf die angebliche Toxizität der im Grundwasser vorhandenen Metaboliten darauf hin, dass es derzeit keine rechtliche oder wissenschaftliche Grundlage für die Annahme der Relevanz der drei Metaboliten von FPS (IN-JV460, IN-KC576 und IN-KY374) gebe, von denen erwartet werde, dass ihr Vorkommen im Grundwasser über dem Schwellenwert von 0,1 μg/l liege. Zudem zeigten die von DuPont zusätzlich durchgeführten Studien, dass der Metabolit IN-JE127 nicht genotoxisch und im Grundwasser nicht in Konzentrationen über 0,1 μg/l vorhanden sei.

195    Was zweitens das Risiko für die Wasserorganismen – vor allem für Algen und Wasserpflanzen – anbelangt, so beweisen nach Ansicht der Klägerin mehrere verfügbare weiterführende Studien, dass es möglich sei, FPS ohne Risiko für Letztere mit angemessenen Verbesserungen gemäß dem Leitfaden der EFSA zur Bewertung der Risiken für Wasserorganismen und gemäß den einschlägigen Leitlinien der OECD zu verwenden.

196    Die Klägerin ist der Ansicht, dass sich die Unverhältnismäßigkeit der angefochtenen Verordnung namentlich aus der Tatsache ergebe, dass FPS eines der sichersten Regelungsprofile unter den vorhandenen Herbiziden aufweise, und ersucht auch darum, dass ein besonderes Augenmerk auf die Auswirkungen der angefochtenen Verordnung gelegt werden möge, genauer gesagt auf die Einbußen, die sie und die Landwirte erlitten, wenn ihnen für die Felder ein wichtiges Unkrautbekämpfungsmittel genommen würde, wobei zu berücksichtigen sei, dass die EFSA eine bestimmte Anzahl von Verwendungen benannt habe, bei denen es derzeit keine oder unzureichende Ersatzstoffe für Erzeugnisse auf FPS-Basis gebe.

197    Jedenfalls hätte die Kommission andere Ansätze mit weniger schwerwiegenden Auswirkungen wählen können, anstatt die Genehmigung für FPS nicht zu erneuern.

198    Die Klägerin hätte gerne das in Art. 6 Buchst. f der Verordnung Nr. 1107/2009 vorgesehene Bestätigungsdaten-Verfahren (BDV) in Anspruch genommen, das es der Kommission erlaube, einen in Pflanzenschutzmitteln enthaltenen Stoff vorbehaltlich der Verpflichtung zu genehmigen oder seine Genehmigung zu verlängern, dass bestätigende Daten vorgelegt würden, um die „Datenlücken“ zu schließen. Die Klägerin wendet sich gegen den Standpunkt der Kommission, die der Ansicht ist, dass das BDV nur angewandt werden dürfe, um unerwartete „Datenlücken“ zu schließen, die aufgrund neuer oder geänderter Leitfäden entstünden. So müsse das BDV auch die Vorlage von Informationen erlauben, die „als von eher bestätigender Art angesehen werden und nur dazu dienen, das Vertrauen in die Entscheidung zu erhöhen“. Die Klägerin hält es für angemessen, dieses Verfahren insbesondere in Anspruch nehmen zu können, um die Exposition des Knochenmarks gegenüber dem Metaboliten IN-JE127 in der Genotoxizitätsstudie an Mäusen nachweisen zu können, da diese neue Datenanforderung das Ergebnis eines neuen wissenschaftlichen Gutachtens gewesen sei, die zum Zeitpunkt der Einreichung des Dossiers nicht verfügbar gewesen sei, oder auch, um gegebenenfalls im Licht der Entscheidung der ECHA über die Gefahreneinstufung auf das Toxizitätsprofil der drei angeblich „relevanten“ Metaboliten von FPS einzugehen.

199    Insoweit macht die Klägerin geltend, die Kommission habe in der Vergangenheit die Genehmigung von Stoffen trotz Vorhandenseins einer weit größeren Anzahl von besorgniserregenden Metaboliten erneuert. Beispielsweise sei die Genehmigung für Thifensulfuron-methyl (AIR-2) erneuert worden, obwohl nicht weniger als sechs besorgniserregende Metaboliten vorhanden gewesen seien. Zudem sei im Rahmen eines allgemeinen Programms zur Kontrolle von Pestiziden im Grundwasser, das in Dänemark von 2013 bis 2016 durchgeführt worden sei, keiner der drei wichtigsten Bodenmetaboliten von FPS entdeckt worden.

200    Was den Metaboliten IN-JE127 anbelange, so habe die Kommission selbst im überarbeiteten Bewertungsbericht zu FPS eingeräumt, dass die Exposition des Menschen gegenüber diesem Metaboliten als „sehr vernachlässigbar“ angesehen werde.

201    Nach Ansicht der Klägerin sind die „beiden vorgeschlagenen Einstufungen (C2 und R2)“ in gleichem Maße ungeeignet, zwischen FPS und anderen Stoffe zu differenzieren, was die Anwendung des BDV betrifft. Die Kommission wende das BDV häufig an, um bestätigende Daten über Metaboliten anzufordern, auch wenn die EFSA vorschlage, den Grundkörper als mit bestimmten Risiken behaftet einzustufen. Im Fall von FPS habe die Kommission zudem angegeben, dass die ECHA ermächtigt werden sollte, die zusätzlichen Toxizitätsstudien zu prüfen, die von dem die Erneuerung begehrenden Antragsteller vorgelegt worden seien.

202    Die Klägerin betont, dass die Anwendung des BDV auch von mehreren Mitgliedstaaten nachdrücklich befürwortet worden sei.

203    Die Klägerin bestreitet schließlich das „hohe Risiko“ für „alle Verwendungen“ selbst wenn für die Wasserpflanzen ein tatsächliches Risiko bestehen solle, und meint, es sei vorzugswürdig, die im Zusammenhang mit der Ökotoxizität stehenden Fragen auf Ebene der Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Bewertung der Pflanzenschutzmittel zu behandeln, da die Mitgliedstaaten spezielle restriktive Maßnahmen beschließen könnten, die weniger restriktiv seien als ein Verbot der Verwendung von FPS schlechthin, wie beispielsweise Pufferzonen um Wasserzonen, in denen nicht gesprüht werden dürfe. Insoweit hebt die Klägerin hervor, dass diese Ansicht vom BEMS geteilt werde, der ausdrücklich ausgeführt habe, dass die zusätzlichen weiterführenden Studien, die DuPont nach der Veröffentlichung des Berichts über die Bewertung der Erneuerung (einschließlich der Studie über die Erholung der Algen) vorgelegt habe und die bei der Risikobewertung nicht berücksichtigt worden seien, „auf Ebene der Mitgliedstaaten weiter geprüft werden [können]“.

204    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

205    Im vorliegenden Fall ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das Vorbringen betreffend das angebliche Fehlen von Beweisen für die Schädlichkeit von FPS und die Pflicht der EFSA und der Kommission, neue von dem die Erneuerung begehrenden Antragsteller vorgelegte Studien zu berücksichtigen, bereits im Rahmen des zweiten und dritten Klagegrundes zurückgewiesen wurde und daher im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerügt wird, nicht behandelt wird.

206    Sodann ist daran zu erinnern, dass die Handlungen der Organe der Union nach ständiger Rechtsprechung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, nicht die Grenzen dessen überschreiten dürfen, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist, und die verursachten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen dürfen (Urteile vom 11. September 2002, Pfizer Animal Health/Rat, T‑13/99, EU:T:2002:209, Rn. 411, und vom 7. März 2013, Acino/Kommission, T‑539/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:110, Rn. 85; vgl. auch in diesem Sinne Urteil vom 18. November 1987, Maizena u. a., 137/85, EU:C:1987:493, Rn. 15).

207    Allerdings stellt die gerichtliche Nachprüfbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Bereich der Landwirtschaft insofern einen Sonderfall dar, als der Gerichtshof und das Gericht dem Unionsgesetzgeber einen Spielraum zuerkennen, der seiner politischen Verantwortung, die ihm die Art. 40 bis 43 AEUV in diesem Bereich übertragen, entspricht. Im vorliegenden Fall stützt sich die angefochtene Verordnung auf die Verordnung Nr. 1107/2009, deren Rechtsgrundlage u. a. die Art. 43 und 114 AEUV sind. Folglich ist eine in diesem Bereich erlassene Maßnahme nur dann rechtswidrig, wenn sie zur Erreichung des Ziels, das das zuständige Organ verfolgen möchte, offensichtlich ungeeignet ist (Urteile vom 5. Mai 1998, National Farmers’ Union u. a., C‑157/96, EU:C:1998:191, Rn. 61, und vom 3. September 2009, Cheminova u. a./Kommission, T‑326/07, EU:T:2009:299, Rn. 195).

208    Die Klägerin macht geltend, die Kommission hätte andere Ansätze mit weniger schwerwiegenden Auswirkungen, wie den Rückgriff auf das BDV, wählen können, anstatt die Genehmigung für FPS nicht zu erneuern.

209    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 6 Buchst. f der Verordnung Nr. 1107/2009 tatsächlich vorsieht, dass die Genehmigung Bedingungen und Einschränkungen unterworfen werden kann, wie der Übermittlung zusätzlicher bestätigender Informationen an die Mitgliedstaaten, die Kommission und an die EFSA, soweit im Verlaufe der Bewertung oder aufgrund neuer wissenschaftlicher und technischer Erkenntnisse neue Anforderungen festgelegt werden. Anhang II Nr. 2.2 der Verordnung Nr. 1107/2009 sieht vor, dass ein Wirkstoff in Ausnahmefällen trotz des Fehlens bestimmter Informationen zugelassen werden kann, wenn „die Datenanforderungen nach Vorlage des Dossiers geändert oder genauer gefasst wurden“ oder „die Informationen als von eher bestätigender Art angesehen werden und nur dazu dienen, das Vertrauen in die Entscheidung zu erhöhen“.

210    Gemäß diesen Vorschriften ist es nicht möglich, auf das BDV zurückzugreifen, wenn die Daten zum Zeitpunkt der Einreichung in einem Erneuerungsdossier aufgeführt werden müssen und wenn für die Durchführung der notwendigen Bewertung angemessene Leitfäden zur Verfügung stehen. Diese Vorschriften können nämlich nicht herangezogen werden, um Datenlücken zu schließen, die im Laufe des Genehmigungsverfahrens entdeckt werden. Zudem gestatten diese Vorschriften nicht die Genehmigung für Wirkstoffe, bei denen nicht nachgewiesen wurde, dass sie keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier bzw. keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt oder das Grundwasser haben.

211    Hinsichtlich des Risikos für das Grundwasser wurde indessen erstens bereits im Rahmen der Prüfung des ersten Klagegrundes darauf hingewiesen, dass die Kommission unter Berücksichtigung der in den Studien über FPS beobachteten Auswirkungen, bei denen einige Eigenschaften im Zusammenhang mit Karzinogenität und Reproduktionstoxizität besorgniserregend waren, in Anwendung des Vorsorgeprinzips und in ihrer Eigenschaft als Risikomanagerin, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, festgestellt hatte, dass das Vorhandensein der drei Metaboliten von FPS (IN-JV460, IN-KC576 und IN-KY374) im Grundwasser besorgniserregend sei.

212    Was zweitens das Risiko für die Wasserorganismen anbelangt, gelangten die Experten der EFSA und der Mitgliedstaaten nach Prüfung aller verfügbaren Daten und möglicher Verbesserungen bei der Risikobewertung zu dem Ergebnis, dass ein hohes Risiko bestehe. In den Schlussfolgerungen der EFSA heißt es in Abschnitt 9.2:

„Für Wasserorganismen wird unter Verwendung eines auf Biomasse beruhenden Kriteriums in neun von neun Szenarien der Phase FOCUS 3 aufgrund der Exposition gegenüber den Salzen von [FPS] für alle repräsentativen Verwendungen (Risikobewertung auf der Grundlage von Algen) ein hohes Risiko ermittelt. Derzeit ist keine angemessene Verbesserung verfügbar.“

213    In Bezug auf das Vorbringen der Klägerin, wonach es vorzugswürdig wäre, die im Zusammenhang mit der Ökotoxizität stehenden Fragen auf Ebene der Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Bewertung der Pflanzenschutzmittel zu behandeln, da diese spezielle restriktive Maßnahmen beschließen könnten, ist überdies mit der Kommission festzustellen, dass diese Lösung in Fällen annehmbar wäre, in denen zumindest durch einige konkrete Informationen belegt wird, dass es unter Berücksichtigung möglicher Maßnahmen zur Risikominderung zumindest ein sicheres Szenario für eine repräsentative Verwendung gibt. Diese Lösung ist jedoch nicht denkbar in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem unter Berücksichtigung der Ergebnisse einer umfassenden Bewertung durch die Fachleute das Vorliegen eines hohen Risikos für alle Verwendungen festgestellt wird.

214    Daher hat die Kommission zu Recht nicht auf das BDV zurückgegriffen.

215    Unter Berücksichtigung des weiten Ermessens, das der Kommission zugestanden wird, um es ihr zu ermöglichen, das ihr durch die Verordnung Nr. 1107/2009 zugewiesene Ziel wirksam zu verfolgen, und in Anbetracht der komplexen technischen Beurteilungen, die sie vornehmen muss, ist unter diesen Umständen festzustellen, dass die angefochtene Verordnung sowohl hinsichtlich des Risikos für das Grundwasser als auch hinsichtlich des Risikos für Wasserorganismen nicht offensichtlich unverhältnismäßig erscheint.

216    Folglich ist der vierte Klagegrund zurückzuweisen.

F.      Fünfter Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung

217    Die Klägerin macht geltend, die angefochtene Verordnung verstoße gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung, da die Kommission ähnliche Fälle unterschiedlich behandelt habe. Die Kommission habe keinen kohärenten Ansatz verfolgt und auf FPS und andere in Pflanzenschutzmitteln enthaltene Stoffe nicht die gleichen Regeln angewandt, was erstens die Bewertung der Genotoxizität der in Pflanzenschutzmitteln enthaltenen Stoffe sowie ihrer Metaboliten, zweitens die Frage der Kontamination des Grundwassers durch in Pflanzenschutzmitteln enthaltene Stoffe sowie ihre Metaboliten und drittens die Behandlung der Fragen der Ökotoxikologie anbelange.

218    Insbesondere habe die Kommission in Bezug auf die Genotoxizität den Erlass aller Entscheidungen über die Genehmigung oder Erneuerung der Genehmigung von Stoffen ausgesetzt, für die lediglich Bedenken hinsichtlich der Genotoxizität festgestellt worden seien, bis die EFSA ihre derzeitige Praxis bezüglich der Bewertung der Genotoxizität überprüft habe, und im Übrigen sei in anderen Fällen das BDV angewandt worden und hätte dieses Verfahren auch für den Metaboliten IN-JE127 angewandt werden können, was nicht geschehen sei. Was zudem die Kontamination des Grundwassers betreffe, so habe die Kommission Stoffe mit erwarteten Konzentrationen über 0,1 μg/l genehmigt, dies jedoch im Fall von FPS nicht getan. Zum Risiko für Wasserpflanzen trägt die Klägerin vor, die Kommission habe Stoffe genehmigt, die ein hohes Risiko für Wasserorganismen darstellten. Nahezu alle Erneuerungsentscheidungen für AIR-2-Stoffe, die bislang erlassen worden seien, verpflichteten die Mitgliedstaaten, eine Bewertung der Risiken für die aquatische Umwelt vorzunehmen.

219    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

220    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Nr. 6.3.2 („Diskriminierungsverbot“) der Mitteilung der Kommission über die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips vom 2. Februar 2000 bestimmt:

„Das Diskriminierungsverbot besagt, dass gleiche Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden dürfen, es sei denn, eine solche Behandlung wäre objektiv gerechtfertigt.

Aufgrund des Vorsorgeprinzips getroffene Maßnahmen müssen so angewendet werden können, dass ein einheitliches Schutzniveau erreicht wird und sich eine willkürliche unterschiedliche Behandlung nicht mit der geografischen Herkunft oder der Eigenart einer Produktion rechtfertigen lässt.

Die Maßnahmen müssen diskriminierungsfrei anwendbar sein.“

221    Im vorliegenden Fall ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Klägerin nicht der Nachweis gelungen ist, dass die Kommission den Erlass aller Entscheidungen über die Genehmigung oder Erneuerung der Genehmigung von Stoffen ausgesetzt habe, für die lediglich Bedenken hinsichtlich der Genotoxizität festgestellt wurden. Das von der Klägerin angeführte Protokoll der Sitzung des Ständigen Ausschusses für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel vom 6. und 7. Oktober 2016 zum Wirkstoff Picoxystrobin bestätigt dies in keiner Weise.

222    Zum Vorbringen, die Kommission habe vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich behandelt, ist festzustellen, dass der Klägerin nicht der Nachweis gelungen ist, dass die Fälle, die sie anführt, als mit FPS vergleichbar angesehen werden können. Wie sich nämlich aus der Antwort der Kommission auf Fragen des Gerichts ergibt, unterscheiden sich die im Rahmen des Verfahrens der wissenschaftlichen Prüfung der anderen genannten Stoffe ermittelten Merkmale in allen Fällen zumindest teilweise von FPS. Es ist beispielsweise zu beachten, dass bei FPS im Gegensatz zu den anderen genannten Stoffen ein hohes Risiko für Algen in allen Szenarien und für alle Verwendungen festgestellt wurde.

223    Insbesondere angesichts der speziellen Ausgestaltung der einzelnen Prüfungsverfahren, die einen Vergleich besonders schwierig macht, und des Ermessens der Kommission bei der Durchführung derart fachspezifischer und komplexer Untersuchungen ist zudem festzustellen, dass die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass die unterschiedliche Durchführung der miteinander verglichenen Bewertungsverfahren nicht objektiv gerechtfertigt war (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Januar 2012, Xeda International und Pace International/Kommission, T‑71/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:18, Rn. 139 und die dort angeführte Rechtsprechung).

224    Folglich können die von der Klägerin angeführten Wirkstoffe nicht mit der Bewertung von FPS verglichen werden, auch wenn die aufgeworfenen Bedenken Ähnlichkeiten mit dem vorliegenden Verfahren aufweisen.

225    Was schließlich das Vorbringen angeht, wonach das BDV in anderen Fällen angewandt worden sei und auf den Metaboliten IN-JE127 hätte angewandt werden können, genügt die Feststellung, dass die Kommission, wie oben in den Rn. 208 bis 214 ausgeführt, im Fall von FPS zu Recht nicht auf das BDV zurückgegriffen hat. Nach den anwendbaren Bestimmungen ist es nämlich nicht möglich, auf dieses Verfahren zurückzugreifen, wenn die Daten zum Zeitpunkt der Einreichung in einem Erneuerungsdossier aufgeführt werden müssen und wenn für die Durchführung der notwendigen Bewertung angemessene Leitfäden zur Verfügung stehen. Zudem gestatten diese Vorschriften nicht die Genehmigung von Wirkstoffen, bei denen nicht nachgewiesen wurde, dass sie keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier bzw. keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt oder das Grundwasser haben.

226    Nach alledem ist der fünfte Klagegrund zurückzuweisen.

G.      Sechster Klagegrund: Verstoß gegen die Grundsätze der guten Verwaltung und des Vertrauensschutzes

227    Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe gegen die allgemeine Pflicht zur guten Verwaltung verstoßen, wonach sie gehalten sei, sicherzustellen, dass die Überprüfung und das Entscheidungsverfahren transparent und im Einklang mit den geltenden Vorschriften durchgeführt würden.

228    Die Kommission habe ursprünglich die Ansicht vertreten, dass FPS die vorläufigen Kriterien für die Feststellung endokrinschädlicher Eigenschaften erfülle, und DuPont aufgefordert, unverzüglich eine neue Ausnahmegenehmigung nach Art. 4 Abs. 7 und Nr. 3.6.5 von Anhang II der Verordnung Nr. 1107/2009 zu beantragen. Die Kommission habe jedoch ihren Standpunkt im zweiten Entwurf des Überprüfungsberichts geändert und entschieden, dass im Fall von FPS die vorläufigen Kriterien für die Feststellung endokrinschädlicher Eigenschaften nicht anwendbar seien.

229    Nach Ansicht der Klägerin führte dieser Umstand dazu, dass DuPont Zeit und beträchtliche Ressourcen in die Erstellung von zwei Ausnahmedossiers investiert habe, die sich in der Folge wegen der plötzlichen Kehrtwende der Kommission als völlig unnötig herausgestellt hätten.

230    Wenn die Kommission tatsächlich der Ansicht sei, dass die beiden anderen im Überprüfungsbericht von März 2015 genannten Bedenken eine ausreichende Begründung für die Entscheidung über die Nichterneuerung seien, hätte sie bloß diese Bedenken nennen können, ohne auf die vorläufigen Kriterien für die Feststellung endokrinschädlicher Eigenschaften Bezug zu nehmen, und hätte sie nicht erklärt, dass der Stoff im Wege einer Ausnahmeregelung genehmigt werden könne.

231    Die Meinungsänderung der Kommission habe bedeutende Auswirkungen gehabt, da den die Erneuerung begehrenden Antragstellern die Möglichkeit der Genehmigung im Wege der Ausnahmeregelung faktisch verwehrt worden sei. Dieses Verhalten stelle einen Verstoß gegen die Grundsätze der guten Verwaltung und des Schutzes des berechtigten Vertrauens des die Erneuerung begehrenden Antragstellers dar, den man zu der Annahme verleitet habe, dass er zumindest eine eingeschränkte Form der Genehmigung auf der Grundlage von Ausnahmen von den vorläufigen Kriterien für die Feststellung nach der Verordnung Nr. 1107/2009 erhalten könne.

232    Die Klägerin macht auch geltend, FPS gehöre zu den Veräußerungen, die die Kommission selbst im Rahmen des Zusammenschlusses Dow/DuPont verlangt habe, um einen echten Wettbewerber für Dow/DuPont im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) auf dem Markt für Blattherbizide für Getreidekulturen zu schaffen. Durch den Erlass der angefochtenen Verordnung, mit der das FPS vom Markt genommen werde, wende sich die Kommission jedoch in der Praxis gegen die Ziele der Wettbewerbspolitik, auf denen die Veräußerung beruhe, die sie selbst von Dow/DuPont verlangt habe. Die angefochtene Verordnung würde nämlich dazu führen, dass FMC keine echte Wettbewerberin von Dow/DuPont mehr sei, und dadurch zum Nachteil der Wettbewerber von Dow/DuPont und der Landwirte in der Union die Stärkung der beherrschenden Stellung von Dow/DuPont auf dem Markt für Blattherbizide für Getreidekulturen im EWR bewirke. Dies sei genau die Situation, die die Kommission habe vermeiden wollen, als sie von DuPont die Veräußerung von FPS an FMC verlangt habe. Diese Inkohärenz in der Politik der Kommission stelle auch einen Verstoß gegen den Grundsatz der guten Verwaltung dar.

233    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

234    Insoweit ist festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung zum Grundsatz der guten Verwaltung in den Fällen, in denen die Organe der Union über ein Ermessen verfügen, der Beachtung der Garantien, die die Unionsrechtsordnung in Verwaltungsverfahren gewährt, eine umso grundlegendere Bedeutung zukommt. Zu diesen Garantien gehört u. a. die Sorgfaltspflicht, d. h. die Verpflichtung des zuständigen Organs, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen (Urteile vom 21. November 1991, Technische Universität München, C‑269/90, EU:C:1991:438, Rn. 14, vom 27. September 2012, Applied Microengineering/Kommission, T‑387/09, EU:T:2012:501, Rn. 76, und vom 16. September 2013, ATC u. a./Kommission, T‑333/10, EU:T:2013:451, Rn. 84).

235    Es ist auch entschieden worden, dass die Sorgfaltspflicht völlig verkannt worden sein muss, um eine offenkundige und schwerwiegende Überschreitung der Grenzen des Ermessens eines Organs annehmen zu können, und es nicht ausreicht, dass nur der Umfang der sich aus dieser Pflicht ergebenden Verpflichtungen falsch eingeschätzt worden ist (Urteil vom 23. September 2015, Hüpeden/Rat und Kommission, T‑206/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:672, Rn. 48).

236    Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission auf der Grundlage der Schlussfolgerungen der EFSA einen Entwurf eines Überprüfungsberichts für FPS vom 18. März 2015 veröffentlichte, in dem sie vorschlug, die Genehmigung für FPS aufzuheben. Die Kommission stützte ihren Vorschlag auf folgende drei Hauptbedenken:

–        die vorläufigen Kriterien für die Feststellung endokrinschädlicher Eigenschaften, die aufgrund des Vorschlags der EFSA, FPS als karzinogene Substanz der Kategorie 2 und als reproduktionstoxische Substanz der Kategorie 2 einzustufen, erfüllt gewesen seien;

–        das Risiko der Grundwasserexposition gegenüber den drei Metaboliten von FPS (IN-JV460, IN-KC576 und IN-KY374) über der maximalen Konzentrationsschwelle von 0,1 μg/l;

–        ein Risiko für Wasserorganismen.

237    Am selben Tag teilte die Kommission DuPont mit, dass intern noch Gespräche über die Verwendung der Einstufungsvorschläge der EFSA bei der regulatorischen Entscheidungsfindung geführt würden, insbesondere was die vorläufigen Kriterien für die Feststellung endokrinschädlicher Eigenschaften anbelange, so dass eine Überarbeitung des Überprüfungsberichts nach Maßgabe der Ergebnisse dieser Gespräche möglich sei.

238    Einige Zeit nach der Veröffentlichung des Entwurfs des Überprüfungsberichts für FPS ersuchte die Kommission DuPont mit E‑Mail vom 29. Mai 2015 auf der Grundlage der Schlussfolgerung, wonach FPS die vorläufigen Kriterien für die Feststellung endokrinschädlicher Eigenschaften erfülle, zu berücksichtigende Angaben für eine mögliche Ausnahmegenehmigung nach Nr. 3.6.5 des Anhangs II und Art. 4 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1107/2009 vorzulegen.

239    Am 26. Juni und am 13. Juli 2015 legte DuPont zwei zusätzliche Ausnahmedossiers vor, mit denen die Unverzichtbarkeit von FPS für die landwirtschaftliche Tätigkeit sowie die vernachlässigbare Exposition aller Nutzergruppen von auf FPS beruhenden Erzeugnissen gegenüber diesem Stoff bescheinigt wurde. Im Januar 2016 beauftragte die Kommission die EFSA mit der Prüfung der zwei Ausnahmedossiers, die DuPont am 26. Juni und am 13. Juli 2015 vorgelegt hatte.

240    Am 3. Oktober 2016 nahm die EFSA ihre Bewertung des Haupterneuerungsdossiers wieder auf und legte eine überarbeitete Fassung ihrer Schlussfolgerungen vor.

241    Nach der Veröffentlichung der überarbeiteten Schlussfolgerungen der EFSA veröffentlichte die Kommission am 22. Dezember 2016 eine überarbeitete Fassung ihres Entwurfs eines Überprüfungsberichts, in dem sie an ihrem Vorschlag festhielt, die Genehmigung für FPS aufzuheben. Darin änderte die Kommission jedoch die Begründung für die vorgeschlagene Nichterneuerung und behauptete nicht mehr, dass die vorläufigen Kriterien für die Feststellung endokrinschädlicher Eigenschaften anzuwenden seien.

242    Im Licht dieser Umstände ist festzustellen, dass der Klägerin nicht der Nachweis gelungen ist, dass die Kommission die Aspekte, die die vorläufigen Kriterien für die Feststellung endokrinschädlicher Eigenschaften betreffen, nicht sorgfältig und unparteiisch, ausgewogen und innerhalb angemessener Frist geprüft habe. Vielmehr hat die Kommission zum einen angegeben, dass die vorläufigen Kriterien für die Feststellung endokrinschädlicher Eigenschaften Anlass zur Sorge gäben, und zum anderen ausgeführt, dass bei ihr noch interne Gespräche geführt würden und dass eine Überarbeitung des Überprüfungsberichts nach Maßgabe der Ergebnisse dieser Gespräche möglich sei. Im Übrigen hat die Kommission nach einer eingehenderen Prüfung des Dossiers beschlossen, eine überarbeitete Fassung ihres Entwurfs des Überprüfungsberichts vorzulegen, in der sie auf die Anwendung der vorläufigen Kriterien für die Feststellung endokrinschädlicher Eigenschaften verzichtete und gleichzeitig ihren Vorschlag aufrechterhielt, die Genehmigung für FPS aufzuheben.

243    Zudem hat die Kommission gerade auf Verlangen der Klägerin eine Änderung des Vorschlags des Überprüfungsberichts vorgenommen und gelangte in diesem Rahmen zu der Schlussfolgerung, dass ihr Vorschlag, die Genehmigung für FPS aufzuheben, aus einigen der ursprünglich vorgetragenen Gründe weiterhin stichhaltig sei.

244    Unter diesen Umständen ist das Vorbringen der Klägerin, wonach die Kommission in Bezug auf die vorläufigen Kriterien für die Feststellung endokrinschädlicher Eigenschaften gegen den Grundsatz der guten Verwaltung verstoßen habe, jedenfalls zurückzuweisen.

245    Was den angeblichen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes anbelangt, so kann sich darauf nach ständiger Rechtsprechung jeder berufen, bei dem ein Unionsorgan durch klare Zusicherungen begründete Erwartungen geweckt hat (Urteil vom 11. März 1987, Van den Bergh en Jurgens und Van Dijk Food Products [Lopik]/EWG, 265/85, EU:C:1987:121, Rn. 44; vgl. auch Urteil vom 8. September 2010, Deltafina/Kommission, T‑29/05, EU:T:2010:355, Rn. 427 und die dort angeführte Rechtsprechung).

246    Insoweit genügt der Hinweis, dass die Klägerin auf keine Zusicherung der Kommission Bezug nimmt, wonach sie eine eingeschränkte Form der Genehmigung auf der Grundlage von Ausnahmen von den vorläufigen Kriterien für die Feststellung endokrinschädlicher Eigenschaften nach der Verordnung Nr. 1107/2009 erhalten könne. Unter diesen Umständen ist die Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes zurückzuweisen.

247    Was im Übrigen die Behauptung der Klägerin betrifft, die angefochtene Verordnung sei mit dem Wettbewerbsrecht der Union unvereinbar, so genügt es, mit der Kommission darauf hinzuweisen, dass die angefochtene Verordnung der Wettbewerbsstellung der tatsächlichen und potenziellen Hersteller von Pflanzenschutzmitteln, die FPS enthalten, keine Beachtung schenkt. Die angefochtene Verordnung bewirkt nämlich, dass Pflanzenschutzmittel, die FPS enthalten, vom Unionsmarkt genommen werden, und nicht, dass sich die Wettbewerbsstellung der dort tätigen Unternehmen ändert.

248    Daher hat die Kommission die Grenzen, die ihrem Ermessen nach dem Grundsatz der guten Verwaltung in Bezug auf die Sorgfaltspflicht gesetzt waren, nicht schwerwiegend und offenkundig überschritten.

249    Nach alledem ist der sechste Klagegrund zurückzuweisen und die Klage insgesamt abzuweisen.

V.      Kosten

250    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr neben ihren eigenen Kosten gemäß deren Antrag die Kosten der Kommission einschließlich der im Zusammenhang mit dem Parteiwechsel und dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstandenen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die FMC Corporation trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Europäischen Kommission, einschließlich derjenigen des die Ersetzung betreffenden Verfahrens und des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes.

Spielmann

Spineanu-Matei

Mastroianni

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 17. März 2021.

Unterschriften


Inhaltsverzeichnis



*      Verfahrenssprache: Englisch.