Language of document : ECLI:EU:C:2017:236

Rechtssache C‑72/15

PJSC Rosneft Oil Company

gegen

Her Majesty’s Treasury u. a.

(Vorabentscheidungsersuchen des High Court of Justice [England & Wales], Queen’s Bench Division [Divisional Court])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) – Restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen der Russischen Föderation, die die Lage in der Ukraine destabilisieren – Vorschriften des Beschlusses 2014/512/GASP und der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 – Gültigkeit – Zuständigkeit des Gerichtshofs – Partnerschaftsabkommen EU–Russland – Begründungspflicht – Grundsätze der Rechtssicherheit und der Bestimmtheit – Zugang zu den Kapitalmärkten – Finanzhilfe – Global Depositary Receipts – Erdölsektor – Ersuchen um Auslegung der Begriffe ‚Ton- und Schiefergestein‘ und ‚unter Wasser in Tiefen von mehr als 150 Metern‘ – Unzulässigkeit“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 28. März 2017

1.        Zur Vorabentscheidung vorgelegte Fragen – Gültigkeitsprüfung – Zulässigkeit – Grenzen – Offensichtlich unerhebliche Fragen und hypothetische Fragen, die in einem eine zweckdienliche Antwort ausschließenden Zusammenhang gestellt werden – Fragen, die in keinem Zusammenhang mit dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits stehen

(Art. 267 AEUV; Beschluss 2014/512/GASP des Rates; Verordnung Nr. 833/2014 des Rates)

2.        Zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage – Gültigkeitsprüfung – Zuständigkeit des Gerichtshofs – Auf der Grundlage der Vorschriften über die GASP erlassene Handlung – Restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in der Ukraine – Gerichtliche Kontrolle beschränkt auf die Einhaltung von Art. 40 EUV und die Rechtmäßigkeit der restriktiven Maßnahmen gegenüber natürlichen oder juristischen Personen

(Art. 19 Abs. 1 EUV, Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 40 EUV; Art. 267 AEUV und Art. 275 Abs. 2 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 47; Beschlüsse 2014/512/GASP und 2014/872/GASP des Rates)

3.        Grundrechte – Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz – Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Unionshandlungen – Umstände – Schutz dieses Rechts durch den Unionsrichter oder durch die nationalen Gerichte in Abhängigkeit von der Rechtsnatur der angefochtenen Handlung – Möglichkeit zur Überprüfung der Gültigkeit im Wege einer Nichtigkeitsklage oder eines Vorabentscheidungsersuchens – Überwachung der Rechtmäßigkeit von Beschlüssen, mit denen im Rahmen der GASP restriktive Maßnahmen gegenüber natürlichen oder juristischen Personen verhängt werden

(Art. 19 Abs. 1 EUV, Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und Art. 29 EUV; Art. 263 Abs. 4 AEUV, Art. 267 AEUV und Art. 277 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 47)

4.        Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in der Ukraine – Einfrieren von Geldern bestimmter Personen und Einrichtungen angesichts der Lage in der Ukraine – Zur Gültigkeit der im Beschluss 2014/512/GASP und in der Verordnung Nr. 833/2014 vorgesehenen restriktiven Maßnahmen gegenüber natürlichen oder juristischen Personen – Vorsehen von Strafsanktionen für Verstöße gegen die Verordnung Nr. 833/2014 durch einen Mitgliedstaat – Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Bestimmtheit – Fehlen – Voraussetzungen

(Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 49; Beschluss 2014/512/GASP des Rates, Art. 1 Abs. 2 Buchst. b bis d und Abs. 3, Art. 7, Anhang III; Beschluss 2014/872/GASP des Rates; Verordnung Nr. 833/2014 des Rates, Art. 3, Art. 3a, Art. 4 Abs. 3 und 4, Art. 5 Abs. 2 Buchst. b bis d und Abs. 3, Art. 8 Abs. 1, Art. 11, Anhänge II und VI; Verordnung Nr. 1290/2014 des Rates)

5.        Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in der Ukraine – Einfrieren von Geldern bestimmter Personen und Einrichtungen angesichts der Lage in der Ukraine – Begriff „Finanzhilfe“ – Abwicklung einer Zahlung durch eine Bank oder ein sonstiges Finanzinstitut – Ausschluss

(Verordnung Nr. 833/2014 des Rates, Art. 4 Abs. 3 Buchst. b; Verordnung Nr. 1290/2014 des Rates)

6.        Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in der Ukraine – Einfrieren von Geldern bestimmter Personen und Einrichtungen angesichts der Lage in der Ukraine – Begebung von Global Depositary Receipts ab dem 12. September 2014 – Unzulässigkeit

(Verordnung Nr. 833/2014 des Rates, Art. 5 Abs. 2; Verordnung Nr. 1290/2014 des Rates)

1.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 49-56)

2.      Die Art. 19, 24 und 40 EUV, Art. 275 AEUV und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind dahin auszulegen, dass der Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV für die Vorabentscheidung über die Gültigkeit einer auf der Grundlage der Vorschriften über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) erlassenen Handlung wie des Beschlusses 2014/512/GASP des Rates vom 31. Juli 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren, in der durch den Beschluss 2014/872/GASP des Rates vom 4. Dezember 2014 geänderten Fassung zuständig ist, sofern Gegenstand des Vorabentscheidungsersuchens die Kontrolle der Einhaltung von Art. 40 EUV durch diesen Beschluss oder die Überwachung der Rechtmäßigkeit restriktiver Maßnahmen gegenüber natürlichen oder juristischen Personen ist.

Was als Erstes die Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Kontrolle der Einhaltung von Art. 40 EUV angeht, ist festzustellen, dass die Verträge für die Durchführung einer solchen gerichtlichen Kontrolle keine besonderen Modalitäten vorsehen. Sie fällt daher unter die allgemeine Zuständigkeit für die Sicherung der Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verträge, die Art. 19 EUV dem Gerichtshof überträgt. Dabei sieht Art. 19 Abs. 3 Buchst. b EUV weiter vor, dass der Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung auf Antrag der einzelstaatlichen Gerichte u. a. über die Gültigkeit der Handlungen der Unionsorgane entscheidet.

Als Zweites ist fraglich, ob der Gerichtshof für eine Vorabentscheidung über die Gültigkeit im Bereich der GASP erlassener Beschlüsse wie des Beschlusses 2014/512 zuständig ist, wenn darin restriktive Maßnahmen gegenüber natürlichen oder juristischen Personen vorgesehen sind. Zwar kann Art. 47 der Charta keine Zuständigkeit des Gerichtshofs begründen, wenn die Verträge sie ausschließen. Wegen des Grundsatzes des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes ist der Ausschluss der Zuständigkeit des Gerichtshofs im Bereich der GASP aber restriktiv auszulegen. Das Verfahren, das es dem Gerichtshof gestattet, im Wege der Vorabentscheidung zu entscheiden, soll im Einklang mit der dem Gerichtshof durch Art. 19 Abs. 1 EUV übertragenen Aufgabe die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verträge sichern. Es liefe deshalb den Zielen dieser Vorschrift und dem Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes zuwider, die Zuständigkeit des Gerichtshofs gemäß Art. 275 Abs. 2 AEUV, auf den Art. 24 Abs. 1 EUV verweist, eng auszulegen (vgl. entsprechend Urteile vom 27. Februar 2007, Gestoras Pro Amnistía u. a./Rat, C‑354/04 P, EU:C:2007:115, Rn. 53, vom 27. Februar 2007, Segi u. a./Rat, C‑355/04 P, EU:C:2007:116, Rn. 53, vom 24. Juni 2014, Parlament/Rat, C‑658/11, EU:C:2014:2025, Rn. 70, vom 12. November 2015, Elitaliana/Eulex Kosovo, C‑439/13 P, EU:C:2015:753, Rn. 42, und vom 19. Juli 2016, H/Rat und Kommission, C‑455/14 P, EU:C:2016:569, Rn. 40).

Soweit der Gerichtshof nach Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 Abs. 2 AEUV für die Entscheidung über die Gültigkeit von Handlungen der Union materiell zuständig ist, also u. a. dann, wenn es sich um restriktive Maßnahmen gegenüber natürlichen oder juristischen Personen handelt, wäre es unter diesen Umständen nicht mit dem Aufbau des durch die Verträge geschaffenen Systems des gerichtlichen Rechtsschutzes vereinbar, Art. 275 Abs. 2 AEUV dahin auszulegen, dass er es den Gerichten der Mitgliedstaaten verwehrt, dem Gerichtshof Fragen nach der Gültigkeit von Beschlüssen des Rates vorzulegen, die den Erlass solcher restriktiver Maßnahmen vorsehen. Nach ständiger Rechtsprechung verlangt nämlich die erforderliche Kohärenz des Systems des gerichtlichen Rechtsschutzes, dass die Befugnis zur Feststellung der vor einem nationalen Gericht geltend gemachten Ungültigkeit von Handlungen der Unionsorgane dem Gerichtshof im Rahmen von Art. 267 AEUV vorbehalten bleibt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. Oktober 1987, Foto-Frost, 314/85, EU:C:1987:452, Rn. 17, und vom 6. Oktober 2015, Schrems, C‑362/14, EU:C:2015:650, Rn. 62). Dasselbe muss für GASP-Beschlüsse gelten, in Bezug auf die die Verträge dem Gerichtshof eine Zuständigkeit für die Überwachung der Rechtmäßigkeit übertragen.

(vgl. Rn. 62, 64, 74-76, 78, Tenor 1)

3.      Das Vorabentscheidungsersuchen zur Beurteilung der Gültigkeit ist also in gleicher Weise wie die Nichtigkeitsklage eine Form der Rechtmäßigkeitskontrolle der Unionshandlungen (vgl. Urteile vom 22. Oktober 1987, Foto-Frost, 314/85, EU:C:1987:452, Rn. 16, vom 21. Februar 1991, Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest, C‑143/88 und C‑92/89, EU:C:1991:65, Rn. 18, vom 6. Dezember 2005, ABNA u. a., C‑453/03, C‑11/04, C‑12/04 und C‑194/04, EU:C:2005:741, Rn. 103, und vom 3. Oktober 2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, C‑583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 95).

Dieses wesentliche Merkmal des Rechtsschutzsystems der Union gilt auch für die Überwachung der Rechtmäßigkeit von Beschlüssen, mit denen im Rahmen der GASP restriktive Maßnahmen gegenüber natürlichen oder juristischen Personen verhängt werden. Weder aus dem EU-Vertrag noch aus dem AEU-Vertrag geht nämlich hervor, dass bei Beschlüssen, mit denen restriktive Maßnahmen gegenüber natürlichen oder juristischen Personen verhängt werden, die Rechtmäßigkeit allein im Wege einer Nichtigkeitsklage vor dem Gericht gemäß Art. 256 in Verbindung mit Art. 263 AEUV überwacht werden könnte und nicht etwa im Wege eines Ersuchens um Vorabentscheidung zur Beurteilung der Gültigkeit. Wenn Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 letzter Satz EUV insoweit auf Art. 275 Abs. 2 AEUV verweist, dann nicht, um zu bestimmen, in welchen Verfahren der Gerichtshof die Rechtmäßigkeit bestimmter Beschlüsse überwachen darf, sondern um zu bestimmen, bei welchen Beschlüssen der Gerichtshof – in jedem Verfahren, das die Überwachung der Rechtmäßigkeit zum Gegenstand hat – eine solche Überwachung vornehmen darf. Für die Durchführung eines Beschlusses, mit dem restriktive Maßnahmen gegenüber natürlichen oder juristischen Personen verhängt werden, sind aber zum Teil die Mitgliedstaaten verantwortlich. Das Ersuchen um Vorabentscheidung zur Beurteilung der Gültigkeit ist deshalb wichtig, um einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu gewährleisten, vor allem dann, wenn wie im Ausgangsverfahren vor einem nationalen Gericht sowohl die Rechtmäßigkeit der nationalen Durchführungsmaßnahmen als auch die des zugrunde liegenden GASP-Beschlusses selbst in Zweifel gezogen werden. Da die Mitgliedstaaten dafür Sorge zu tragen haben, dass ihre einzelstaatliche Politik mit den durch Beschlüsse des Rates gemäß Art. 29 EUV bestimmten Standpunkten der Union in Einklang steht, ist der Zugang zur gerichtlichen Kontrolle von Beschlüssen, die den Erlass restriktiver Maßnahmen gegenüber natürlichen oder juristischen Personen vorsehen, unerlässlich.

(vgl. Rn. 68-71)

4.      Die Prüfung der zweiten Frage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit von Art. 1 Abs. 2 Buchst. b bis d und Abs. 3, Art. 7 und Anhang III des Beschlusses 2014/512 in der durch den Beschluss 2014/872 geänderten Fassung oder von Art. 3, Art. 3a, Art. 4 Abs. 3 und 4, Art. 5 Abs. 2 Buchst. b bis d und Abs. 3, Art. 11 sowie der Anhänge II und VI der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 des Rates vom 31. Juli 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren, in der durch die Verordnung (EU) Nr. 1290/2014 des Rates vom 4. Dezember 2014 geänderten Fassung berühren könnte. Die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Bestimmtheit (nulla poena sine lege certa) sind dahin auszulegen, dass sie einen Mitgliedstaat nicht daran hindern, gemäß Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 833/2014 in der durch die Verordnung Nr. 1290/2014 geänderten Fassung für Verstöße gegen diese Verordnung Strafsanktionen vorzusehen, bevor die Tragweite der Verordnung und somit der entsprechenden Strafsanktionen vom Gerichtshof der Europäischen Union präzisiert worden ist.

Als Erstes ist zum allgemeinen Grundsatz der Rechtssicherheit festzustellen, dass dieser elementare Grundsatz des Unionsrechts insbesondere verlangt, dass eine Regelung klar und deutlich ist, damit die Betroffenen ihre Rechte und Pflichten unzweideutig erkennen und sich somit in ihrem Verhalten darauf einstellen können (Urteil vom 10. Januar 2006, IATA und ELFAA, C‑344/04, EU:C:2006:10, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung). Als Zweites ist zu dem vom vorlegenden Gericht angeführten Bestimmtheitsgrundsatz (nulla poena sine lege certa) festzustellen, dass aus diesem, Art. 49 („Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen“) der Charta zuzuordnenden Grundsatz, der nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine besondere Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes der Rechtssicherheit darstellt (vgl. Urteil vom 3. Juni 2008, Intertanko u. a., C‑308/06, EU:C:2008:312, Rn. 70), insbesondere folgt, dass das Gesetz die Straftaten und die für sie angedrohten Strafen klar definieren muss. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Rechtsunterworfene anhand des Wortlauts der einschlägigen Bestimmung und nötigenfalls mit Hilfe ihrer Auslegung durch die Gerichte erkennen kann, welche Handlungen und Unterlassungen seine strafrechtliche Verantwortung begründen (Urteil vom 3. Mai 2007, Advocaten voor de Wereld, C‑303/05, EU:C:2007:261, Rn. 50). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs darf der Bestimmtheitsgrundsatz im Übrigen nicht so verstanden werden, dass er die schrittweise Klärung der Vorschriften über die strafrechtliche Verantwortlichkeit durch Auslegung seitens der Gerichte untersagt, sofern sie hinreichend vorhersehbar ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 217 und 218).

(vgl. Rn. 161, 162, 167, Tenor 2)

5.      Der Begriff „Finanzhilfe“ in Art. 4 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 833/2014 in der durch die Verordnung Nr. 1290/2014 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Abwicklung von Zahlungen durch eine Bank oder ein sonstiges Finanzinstitut als solche nicht darunter fällt.

Die systematische Auslegung von Art. 4 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 833/2014 legt den Schluss nahe, dass der Unionsgesetzgeber, wie insbesondere die deutsche Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen geltend gemacht hat, mit dem Ausdruck „Finanzhilfe“ Handlungen meinte, die mit Zuschüssen, Darlehen und Ausfuhrkreditversicherungen vergleichbar sind. Während bei diesen Handlungen eigene Mittel des betreffenden Finanzinstituts verwendet werden müssen, werden Zahlungsdienste von ihm als Mittler geleistet. Es überträgt die Mittel des Auftraggebers an einen bestimmten Empfänger, ohne auf eigene Mittel zurückzugreifen. Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 833/2014 kann also nicht dahin ausgelegt werden, dass er den Finanzinstituten die Verpflichtung auferlegt, für die Abwicklung einer jeden Zahlung im Zusammenhang mit dem Verkauf, der Lieferung, der Verbringung oder der Ausfuhr der in Anhang II der Verordnung aufgeführten Güter nach Russland über die dafür nach Art. 3 der Verordnung Nr. 833/2014 erforderliche Genehmigung hinaus eine zusätzliche Genehmigung einzuholen, wenn sie feststellen, dass die Zahlung, die sie abwickeln sollen, ganz oder teilweise die Gegenleistung für eine solche Transaktion darstellt. Insbesondere in Anbetracht dessen, dass Art. 4 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung nicht das Ziel hat, das Einfrieren von Geldern oder Beschränkungen im Bereich des Geldtransfers einzuführen, ist nämlich davon auszugehen, dass der Unionsgesetzgeber, wenn er für die Abwicklung jeder Überweisung, die einen Zusammenhang mit den in Anhang II der Verordnung Nr. 833/2014 aufgeführten Gütern aufweist, neben der nach Art. 3 der Verordnung Nr. 833/2014 für Transaktionen der in der vorstehenden Randnummer genannten Art erforderlichen Genehmigung eine zusätzliche Genehmigung hätte vorschreiben wollen, zur Festlegung einer solchen Verpflichtung und ihrer Grenzen einen anderen Ausdruck als „Finanzhilfe“ verwendet hätte. Schließlich ist festzustellen, dass das Ziel der Verordnung Nr. 833/2014 zwar u. a. darin besteht, die Kosten für die Handlungen der Russischen Föderation gegenüber der Ukraine zu erhöhen, doch wird dieses Ziel durch Art. 4 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung sachgemäß verwirklicht, indem er Beschränkungen der Finanzhilfe in Bezug auf die Ausfuhr für die Erdölindustrie bestimmter Güter nach Russland einführt, zugleich aber die Abwicklung von Zahlungen als solche keiner vorherigen Genehmigung unterwirft. Diese Auslegung lässt das Verbot unberührt, das für jede Abwicklung von Zahlungen im Zusammenhang mit einem Geschäft gilt, das nach Art. 3 Abs. 5 der Verordnung Nr. 833/2014 selbst verboten ist.

(vgl. Rn. 179-183, Tenor 3)

6.      Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 833/2014 in der durch die Verordnung Nr. 1290/2014 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er ab dem 12. September 2014 die Begebung von Global Depositary Receipts (GDR) auf der Grundlage eines Depotvertrags mit einer der in Anhang VI der Verordnung Nr. 833/2014 in der durch die Verordnung Nr. 1290/2014 geänderten Fassung aufgeführten Organisationen auch dann verbietet, wenn die GDR Aktien repräsentieren, die vor diesem Zeitpunkt von einer solchen Organisation begeben worden waren.

(vgl. Tenor 3)