Language of document : ECLI:EU:T:2005:431

Rechtssache T‑64/02

Dr. Hans Heubach GmbH & Co. KG

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Wettbewerb – Artikel 81 EG – Kartell – Zinkphosphatmarkt – Geldbuße – Leitlinien für die Bemessung von Geldbußen – Nichtigkeitsklage – Einrede der Rechtswidrigkeit – Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 – Schwere der Zuwiderhandlung – Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung – Begründung“

Leitsätze des Urteils

1.      Einrede der Rechtswidrigkeit – Tragweite – Handlungen, deren Rechtswidrigkeit geltend gemacht werden kann – Leitlinien der Kommission für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen wegen Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln – Einbeziehung

(Artikel 241 EG; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission)

2.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Leitlinien der Kommission – Möglichkeit der Berücksichtigung der besonderen Situation kleiner und mittlerer Unternehmen

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2, Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission)

3.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere und Dauer der Zuwiderhandlungen – Unterscheidung

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2, Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission)

4.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlung – Horizontales Preis-, Quoten- und Kundenzuteilungskartell – Besonders schwere Zuwiderhandlung – Umstände, die diese Qualifizierung nicht ausschließen

(Artikel 81 Absatz 1 EG; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission)

5.      Wettbewerb – Kartelle – Abgrenzung des Marktes – Gegenstand – Bestimmung der Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten

(Artikel 81 EG)

6.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlungen – Berücksichtigung der Auswirkungen der gesamten Zuwiderhandlung – Feststellung erschwerender oder mildernder Umstände im Fall jedes einzelnen Teilnehmers

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2)

7.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlungen – Mildernde Umstände – Schlechte Finanzlage in der betreffenden Branche – Ausschluss

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2)

8.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Gesamtumsatz des betroffenen Unternehmens – Mit den Waren, auf die sich die Zuwiderhandlung erstreckte, erzielter Umsatz – Jeweilige Berücksichtigung – Grenzen

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2)

9.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Keine Verpflichtung zur Berücksichtigung der finanziellen Situation des betroffenen Unternehmens – Tatsächliche Steuerkraft des Unternehmens in einem gegebenen sozialen Umfeld – Berücksichtigung – Festsetzung der Geldbußen in einer Höhe, die zum Konkurs oder zur Auflösung des betroffenen Unternehmens als Folge der Geldbuße führt – Kein grundsätzliches Verbot

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nr. 5 Buchstabe b)

10.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Abschreckung sowohl des Unternehmens, das die Zuwiderhandlung begangen hat, als auch Dritter

(Artikel 81 EG und 82 EG; Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2)

11.    Wettbewerb – Geldbußen – Verhängung – Kein Erfordernis eines vom Unternehmen aus der Zuwiderhandlung gezogenen Vorteils – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlungen – Mildernde Umstände – Fehlen eines Vorteils – Ausschluss

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nummer 2 Absatz 1)

12.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Höchstbetrag – Berechnung – Zu berücksichtigender Umsatz – Gesamtumsatz – Keine Berücksichtigung des Umsatzes, der mit dem Produkt erzielt worden ist, das Gegenstand der wettbewerbsbeschränkenden Praxis war – Kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2)

13.    Gemeinschaftsrecht – Allgemeine Rechtsgrundsätze – Verbot der Rückwirkung von Strafvorschriften – Anwendungsbereich – Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Tragweite des Grundsatzes – Anhebung des Bußgeldniveaus in Einzelentscheidungen oder allgemein geltenden Entscheidungen – Vorhersehbarkeit für die betroffenen Unternehmen – Zulässigkeit

(Europäische Menschenrechtskonvention, Artikel 7; Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absätze 2 und 4; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission)

14.    Wettbewerb – Geldbußen – Entscheidung, mit der Geldbußen verhängt werden – Begründungspflicht – Umfang – Angabe der Gesichtspunkte, anhand deren die Kommission die Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung bestimmen konnte – Ausreichende Angabe

(Artikel 253 EG)

1.      Die Leitlinien der Kommission für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, stellen zwar nicht die Rechtsgrundlage der Entscheidung dar, mit der gegen einen Wirtschaftsteilnehmer eine Geldbuße verhängt wird und die auf der Verordnung Nr. 17 beruht, regeln aber allgemein und abstrakt das Verfahren, das die Kommission für die Bemessung der Geldbußen vorgesehen hat. Angesichts der möglichen Rechtswirkungen von Verhaltensregeln wie den Leitlinien, die Vorschriften von allgemeiner Geltung enthalten, besteht daher, wenn diese von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung angewandt werden, zwischen dieser Entscheidung und den Leitlinien ein unmittelbarer Zusammenhang, so dass gegen sie die Rüge der Rechtswidrigkeit erhoben werden kann.

(vgl. Randnr. 35)

2.      Die Leitlinien der Kommission für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, erlauben der Kommission erforderlichenfalls die besondere Situation zu berücksichtigen, in der sich die kleinen und mittleren Unternehmen befinden.

(vgl. Randnr. 39)

3.      Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 sieht ausdrücklich vor, dass bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße „neben der Schwere des Verstoßes auch die Dauer der Zuwiderhandlung“ zu berücksichtigen ist. Angesichts dieses Wortlauts kann, selbst wenn bestimmte Zuwiderhandlungen ihrem Wesen nach auf Dauer angelegt sind, der Kommission nicht verwehrt sein, die tatsächliche Dauer im konkreten Fall zu berücksichtigen. So haben Kartelle, die zwar langfristig angelegt sind, aber nach kurzer Zeit tatsächlichen Funktionierens von der Kommission entdeckt oder von einem Teilnehmer angezeigt werden, zwangsläufig eine weniger schädliche Wirkung als solche, die über einen langen Zeitraum tatsächlich funktionieren. Folglich ist stets zwischen der Dauer einer Zuwiderhandlung und ihrer Schwere, wie sie sich aus ihrem Wesen ergibt, zu unterscheiden.

(vgl. Randnr. 45)

4.      Im Rahmen der Bemessung der Geldbußen wegen Verstoßes gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften ist bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung insbesondere die Art der Wettbewerbsbeschränkungen zu berücksichtigen. So kann ein horizontales Kartell, das die Preise und Quoten auf europäischer Ebene festsetzt und in dessen Rahmen zumindest ein Kunde zugeteilt worden ist, aufgrund seiner Art von der Kommission zu Recht als besonders schwer eingestuft werden.

Diese Einstufung wird durch das Fehlen formeller Maßnahmen zur Kontrolle der Durchführung des Kartells, durch die Festsetzung der Quoten auf europäischer Ebene, was eine Abschottung der nationalen Märkte verhindert, durch die Festsetzung lediglich von Richtpreisen oder schließlich durch die Zuweisung nur einiger Kunden nicht in Frage gestellt.

(vgl. Randnrn. 66-67, 70-71, 77, 82, 90)

5.      Die Kommission ist in einer Entscheidung nach Artikel 81 EG zu einer Abgrenzung des Marktes verpflichtet, wenn ohne eine solche Abgrenzung nicht beurteilt werden kann, ob die Vereinbarung, der Beschluss von Unternehmensvereinigungen oder die abgestimmte Verhaltensweise, um die es jeweils geht, geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, oder eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckt oder bewirkt.

(vgl. Randnr. 122)

6.      Wenn eine Zuwiderhandlung gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften von mehreren Unternehmen begangen worden ist, sind für die Festsetzung der allgemeinen Höhe der Geldbußen nicht die Wirkungen zu berücksichtigen, die sich aus dem von einem Unternehmen behaupteten eigenen individuellen Verhalten ergeben, sondern die Wirkungen der Zuwiderhandlung, an der es teilgenommen hat, in ihrer Gesamtheit.

Dagegen ist die relative Schwere des Tatbeitrags jedes einzelnen Unternehmens zu prüfen, um festzustellen, ob in seinem Fall erschwerende oder mildernde Umstände vorliegen.

(vgl. Randnrn. 127, 132)

7.      Bei der Bestimmung der Schwere eines kartellrechtlichen Verstoßes ist die Kommission nicht verpflichtet, die schlechte Finanzlage in der betreffenden Branche als mildernden Umstand zu berücksichtigen. Im Allgemeinen entstehen Kartelle nämlich dann, wenn eine Branche in Schwierigkeiten ist.

(vgl. Randnr. 139)

8.      Für die Bemessung der Geldbuße, die wegen Verstoßes gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften festgesetzt wird, darf weder dem Gesamtumsatz des Unternehmens noch dem Teil dieses Umsatzes, der auf die Waren entfällt, die Gegenstand der Zuwiderhandlung sind, eine im Verhältnis zu den anderen Beurteilungskriterien übermäßige Bedeutung zugemessen werden, so dass die Festsetzung einer angemessenen Geldbuße nicht das Ergebnis eines bloßen, auf den Gesamtumsatz gestützten Rechenvorgangs sein kann, insbesondere dann, wenn die betroffenen Waren nur einen geringen Teil dieses Umsatzes ausmachen.

(vgl. Randnr. 154)

9.      Die Kommission ist nicht verpflichtet, bei der Bemessung der Geldbuße wegen Verstoßes gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften die schlechte Finanzlage eines betroffenen Unternehmens zu berücksichtigen, da die Anerkennung einer solchen Verpflichtung darauf hinauslaufen würde, den am wenigsten den Marktbedingungen angepassten Unternehmen einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Diese Feststellung wird durch Nummer 5 Buchstabe b der Leitlinien der Kommission für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, nicht in Frage gestellt, wonach die tatsächliche Steuerkraft eines Unternehmens zu berücksichtigen ist. Letztere ist nämlich nur „im gegebenen sozialen Umfeld“ relevant, d. h. im Licht der Folgen, die die Zahlung der Geldbuße u. a. in Form einer Zunahme der Arbeitslosigkeit oder einer Beeinträchtigung der dem betreffenden Unternehmen vor‑ und nachgelagerten Wirtschaftssektoren hätte.

Dass eine Maßnahme einer Gemeinschaftsbehörde zum Konkurs oder zur Auflösung eines bestimmten Unternehmens führt, ist nach dem Gemeinschaftsrecht an und für sich nicht verboten. Die Auflösung eines Unternehmens in seiner bestehenden Rechtsform kann zwar die finanziellen Interessen der Eigentümer, Aktionäre oder Anteilseigner beeinträchtigen, bedeutet aber nicht, dass auch die durch das Unternehmen repräsentierten personellen, materiellen und immateriellen Mittel ihren Wert verlieren.

(vgl. Randnrn. 161-163)

10.    Das Abschreckungsziel, das die Kommission bei der Bemessung einer Geldbuße verfolgen darf, besteht darin, zu gewährleisten, dass die Unternehmen die im Vertrag für ihre Tätigkeiten in der Gemeinschaft oder im Europäischen Wirtschaftsraum festgelegten Wettbewerbsvorschriften beachten. Die abschreckende Wirkung einer wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsvorschriften der Gemeinschaft festgesetzten Geldbuße darf daher nicht allein nach Maßgabe der besonderen Situation des verurteilten Unternehmens bestimmt werden.

(vgl. Randnr. 181)

11.    Die Höhe der wegen Verstoßes gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften festgesetzten Geldbuße muss zwar in einem angemessenen Verhältnis stehen zur Dauer der festgestellten Zuwiderhandlung und zu den anderen Faktoren, die für die Beurteilung der Schwere des Verstoßes eine Rolle spielen, darunter zu dem Gewinn, den das betreffende Unternehmen aus seinem Verhalten ziehen konnte, doch steht die Tatsache, dass ein Unternehmen aus der Zuwiderhandlung keinen Vorteil gezogen hat, der Verhängung einer Geldbuße nicht entgegen, soll diese ihren abschreckenden Charakter nicht verlieren. Somit muss die Kommission bei der Bemessung der Geldbußen das Fehlen eines aus der betreffenden Zuwiderhandlung gezogenen Vorteils nicht berücksichtigen.

Zwar kann die Kommission nach Nummer 2 Absatz 1 fünfter Gedankenstrich ihrer Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, die Geldbuße wegen erschwerender Umstände erhöhen, um den Betrag der aufgrund der Zuwiderhandlung unrechtmäßig erzielten Gewinne zu übertreffen, doch bedeutet dies nicht, dass sie sich damit für die Zukunft verpflichtet hätte, unter allen Umständen für die Bemessung der Geldbuße den mit der festgestellten Zuwiderhandlung verbundenen finanziellen Vorteil zu ermitteln. Anders ausgedrückt kann das Fehlen eines solchen Vorteils nicht als mildernder Umstand anerkannt werden.

(vgl. Randnrn. 184-186)

12.    Bei der Bemessung der wegen Verstoßes gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften festgesetzten Geldbußen soll durch die durch Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 eingeführte Höchstgrenze von 10 % des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes verhindert werden, dass die Geldbußen außer Verhältnis zur Größe des Unternehmens stehen. Da dafür aber allein der Gesamtumsatz einen ungefähren Anhaltspunkt liefern kann, muss sich diese Höchstgrenze auf den Gesamtumsatz beziehen.

Daher kann sich ein betroffenes Unternehmen nicht mit dem Hinweis auf die gegen andere an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen verhängten Geldbußen auf eine Ungleichbehandlung berufen, da die Kommission für die Bestimmung der Höchstgrenze der Geldbuße nicht den Umsatz berücksichtigen muss, den das Unternehmen mit dem in Rede stehenden Produkt im Verhältnis zu seinem Gesamtumsatz erzielt hat.

(vgl. Randnrn. 196, 199)

13.    Das Verbot der Rückwirkung von Strafvorschriften ist ein allen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamer Grundsatz, der auch in Artikel 7 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte verankert ist, und gehört zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, deren Wahrung der Gemeinschaftsrichter zu sichern hat.

Zwar sind nach Artikel 15 Absatz 4 der Verordnung Nr. 17 Entscheidungen der Kommission, mit denen Geldbußen wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht festgesetzt werden, nicht strafrechtlicher Art, doch muss die Kommission in jedem Verwaltungsverfahren, das in Anwendung der Wettbewerbsvorschriften des Vertrages zu Sanktionen führen kann, die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts und insbesondere das Rückwirkungsverbot beachten.

Die Unternehmen, gegen die ein Verwaltungsverfahren eingeleitet ist, das zu einer Geldbuße führen kann, müssen jedoch mit der Möglichkeit rechnen, dass die Kommission jederzeit eine Anhebung des Bußgeldniveaus gegenüber dem von ihr in der Vergangenheit festgelegten Niveau beschließen kann. Dies gilt nicht nur, wenn die Kommission das Bußgeldniveau in Einzelentscheidungen anhebt, sondern auch, wenn das Niveau durch die Anwendung allgemein geltender Verhaltensregeln wie der Leitlinien angehoben wird.

Daraus folgt, dass aufgrund des Ermessens, über das die Kommission bei der Bemessung der Geldbußen verfügt, um das Verhalten der Unternehmen in dem Sinne lenken zu können, dass sie die Wettbewerbsvorschriften einhalten, die neue Berechnungsmethode für die Geldbußen in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, wenn sich diese Methode denn wirklich auf das Niveau der verhängten Geldbußen im Vergleich zur früheren Praxis der Kommission verschärfend auswirkt, nicht gegen die Grundsätze des Artikels 7 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte verstößt, da sie für die betroffenen Unternehmen in der Zeit, in der die Zuwiderhandlung begangen wurde, durchaus vorhersehbar war.

(vgl. Randnrn. 205-210)

14.    Bei einer Bußgeldentscheidung gegen mehrere Unternehmen wegen einer Zuwiderhandlung gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften ist bei der Ermittlung des Umfangs der Begründungspflicht insbesondere zu berücksichtigen, dass die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln ist, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten.

Dabei verlangt die Begründungspflicht als ein wesentliches Formerfordernis von der Kommission nicht, in ihrer Entscheidung bezifferte Angaben zur Art der Berechnung der Geldbußen zu machen, sondern nur, die Gesichtspunkte wiederzugeben, anhand deren sie die Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung bestimmen konnte.

(vgl. Randnrn. 218, 222)