Language of document : ECLI:EU:T:2011:117

Rechtssachen T-443/08 und T-455/08

Freistaat Sachsen u. a.

gegen

Europäische Kommission

„Staatliche Beihilfen – Beihilfe zugunsten des Flughafens Leipzig/Halle – Finanzierung der Investitionen in den Bau der neuen Start- und Landebahn Süd – Entscheidung, mit der die Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wird – Nichtigkeitsklage – Kein Rechtsschutzinteresse – Unzulässigkeit – Begriff des Unternehmens – Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit – Flughafeninfrastruktur“

Leitsätze des Urteils

1.      Nichtigkeitsklage – Rechtsschutzinteresse – Klage des durch eine staatliche Beihilfe begünstigten Unternehmens gegen die Entscheidung der Kommission, mit der die Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wird – Entscheidung, die das durch die Beihilfe begünstigte Unternehmen nicht beschwert

(Art.  87 Abs. 1 EG, 88 Abs. 3 EG, 230 EG und 234 EG)

2.      Staatliche Beihilfen – Beihilfevorhaben – Gewährung einer Beihilfe unter Verstoß gegen das in Art. 88 Abs. 3 EG aufgestellte Verbot – Spätere Entscheidung der Kommission, mit der die Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wird – Pflichten der nationalen Gerichte, bei denen ein Antrag auf Rückzahlung gestellt wird

(Art. 88 Abs. 3 EG)

3.      Wettbewerb – Gemeinschaftsvorschriften – Adressaten – Unternehmen – Begriff – Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit – Verwaltung von Flughafeninfrastruktur – Bau oder Ausbau von Start- und Landebahnen – Einbeziehung

4.      Staatliche Beihilfen – Begriff – Rechtsbegriff – Auslegung anhand objektiver Kriterien – Möglichkeit für die Kommission, Leitlinien zu erlassen – Entwicklung der Wirtschafts- und Wettbewerbslage des von den Leitlinien erfassten Flughafensektors – Wirkungen

(Art.  87 Abs. 1 EG)

5.      Staatliche Beihilfen – Bestimmungen des Vertrags – Anwendungsbereich – Private oder öffentliche Unternehmen – Anwendung auf staatliche Einzweckgesellschaften

(Art. 86 Abs. 2 EG und 87 EG)

6.      Staatliche Beihilfen – Begriff – Beihilfen aus staatlichen Mitteln – Möglichkeit, eine öffentliche Einrichtung gleichzeitig als Geber und als Empfänger staatlicher Beihilfen einzustufen

(Art.  87 Abs. 1 EG)

7.      Staatliche Beihilfen – Bestehende Beihilfen und neue Beihilfen – Entwicklung des Gemeinsamen Marktes – Begriff – Änderung der wirtschaftlichen und rechtlichen Gegebenheiten in dem von der fraglichen Maßnahme betroffenen Sektor

(Art. 88 EG; Verordnung Nr. 659/1999 des Rates, Art. 1 Buchst. b Ziff. v)

8.      Staatliche Beihilfen – Rolle der Kommission nach dem Vertrag – Gerichtliche Kontrolle

(Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 2 EG, 87 EG und 88 EG)

9.      Handlungen der Organe – Begründung – Widerspruch – Wirkungen – Entscheidung der Kommission, mit der eine staatliche Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wird – Widersprüchliche Angabe des Betrags der Beihilfe im verfügenden Teil und in der Begründung der Entscheidung

(Art. 253 EG)

1.      Die Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person ist nur dann zulässig, wenn der Kläger ein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung hat. Es muss sich dabei um ein bestehendes und gegenwärtiges Interesse handeln, wofür auf den Tag der Klageerhebung abzustellen ist.

Auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen enthebt die bloße Tatsache, dass eine Entscheidung der Kommission eine Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt und somit für die durch die Beihilfe begünstigten Unternehmen grundsätzlich keine Beschwer darstellt, den Unionsrichter nicht der Prüfung, ob die Beurteilung der Kommission verbindliche Rechtswirkungen erzeugt, die die Interessen dieser Unternehmen beeinträchtigen können.

Insoweit erzeugt der Umstand, dass die Entscheidung der Kommission nicht dem von den Klägern im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Standpunkt entspricht, für sich allein keinerlei verbindliche Rechtswirkung, die die Interessen der Kläger beeinträchtigen kann, und kann deshalb als solcher kein Rechtsschutzinteresse der Kläger begründen. Das Verfahren zur Kontrolle staatlicher Beihilfen ist nämlich nach seiner allgemeinen Systematik ein Verfahren, das gegenüber dem Mitgliedstaat eröffnet wird, der für die Gewährung der Beihilfe verantwortlich ist. Die durch Beihilfen begünstigten Unternehmen und die die Beihilfen gewährenden, unterhalb der staatlichen Ebene angesiedelten Gebietskörperschaften sowie die Wettbewerber der Beihilfeempfänger gelten in diesem Verfahren nur als „Beteiligte“. Außerdem ist solchen Klägern ein wirksamer gerichtlicher Rechtsschutz gegen die Entscheidung der Kommission, mit der eine Kapitalzuführung als staatliche Beihilfe eingestuft wird, keineswegs abgeschnitten. Selbst wenn nämlich die Nichtigkeitsklage für unzulässig erklärt wird, sind sie nicht daran gehindert, beim nationalen Gericht im Rahmen eines dort anhängigen Rechtsstreits, in den sie gegebenenfalls verwickelt würden, um für die von ihnen angesprochenen Folgen der vorgetragenen Nichtigkeit der Kapitalzuführung einzustehen, ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG zu beantragen, um die Gültigkeit der Entscheidung der Kommission überprüfen zu lassen, soweit sie feststellt, dass es sich bei der fraglichen Maßnahme um eine Beihilfe handelt.

Im Übrigen kann ein Kläger zur Rechtfertigung seines Interesses an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung keine zukünftigen und ungewissen Situationen anführen. Die Bezugnahme eines Klägers auf „mögliche“ gesellschaftsrechtliche und insolvenzrechtliche Folgen der vorgetragenen Nichtigkeit einer Kapitalzuführung und nicht auf sichere Folgen reicht deshalb für die Anerkennung eines solchen Interesses nicht aus.

(vgl. Randnrn. 46, 49-50, 55, 58, 63)

2.      Wurde eine Beihilfe unter Verstoß gegen Art. 88 Abs. 3 letzter Satz EG gewährt, kann der nationale Richter auf Antrag eines anderen Wirtschaftsteilnehmers auch nach Erlass einer positiven Entscheidung der Kommission gehalten sein, über die Gültigkeit der Durchführungsmaßnahmen und die Rückforderung der gewährten finanziellen Unterstützung zu entscheiden. Das Unionsrecht gebietet in einem solchen Fall, dass das nationale Gericht diejenigen Maßnahmen ergreift, die geeignet sind, die Auswirkungen der Rechtswidrigkeit wirksam zu beseitigen, verlangt aber selbst dann, wenn keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen, von dem nationalen Gericht nicht, die Rückzahlung der gesamten rechtswidrigen Beihilfe anzuordnen. In diesem Fall ist das nationale Gericht nach dem Unionsrecht verpflichtet, dem Beihilfeempfänger aufzugeben, für die Dauer der Rechtswidrigkeit Zinsen zu zahlen. Im Rahmen des nationalen Rechts kann es gegebenenfalls außerdem die Rückzahlung der rechtswidrigen Beihilfe anordnen, unbeschadet des Rechts des Mitgliedstaats, diese später erneut durchzuführen. Es kann auch veranlasst sein, Anträgen auf Ersatz von durch die Rechtswidrigkeit der Beihilfe verursachten Schäden stattzugeben. Im Fall der rechtswidrigen Durchführung einer Beihilfe, auf die eine positive Entscheidung der Kommission folgt, verstößt es somit nicht gegen das Unionsrecht, wenn der Empfänger zum einen die Zahlung der für die Zukunft geschuldeten Beihilfe verlangen und zum anderen die vor Erlass der positiven Entscheidung geleistete Beihilfe behalten kann, unbeschadet der Folgen, die sich aus der Rechtswidrigkeit der zu früh gezahlten Beihilfe ergeben.

(vgl. Randnr. 60)

3.      Der Begriff des Unternehmens umfasst im Wettbewerbsrecht jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einrichtung unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung. Eine wirtschaftliche Tätigkeit ist jede Tätigkeit, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten.

Die Verwaltung von Flughafeninfrastruktur ist eine wirtschaftliche Tätigkeit, namentlich wenn das Unternehmen Flughafendienstleistungen gegen Entgelt anbietet, das aus Flughafengebühren herrührt, die als Gegenleistung für die vom Flughafenkonzessionsinhaber erbrachten Dienstleistungen anzusehen sind.

Dass ein Unternehmen einen Regionalflughafen und keinen internationalen Flughafen betreibt, kann den wirtschaftlichen Charakter seiner Tätigkeit nicht in Frage stellen, da diese darin besteht, Dienstleistungen auf dem Markt für Regionalflughafendienstleistungen gegen Entgelt anzubieten.

Der Betrieb einer Start- und Landebahn ist Teil der wirtschaftlichen Tätigkeit des Betreiberunternehmens, insbesondere, wenn die Bahn kommerziell betrieben wird.

Für die Zwecke der Prüfung des wirtschaftlichen Charakters der Tätigkeit des Unternehmens im Zusammenhang mit der Finanzierung des Ausbaus einer Start- und Landebahn durch öffentliche Gelder ist die Tätigkeit der Errichtung oder des Ausbaus einer Infrastruktur nicht von deren späterer Nutzung zu trennen, und der wirtschaftliche oder nichtwirtschaftliche Charakter der späteren Nutzung der errichteten Infrastruktur bestimmt zwangsläufig den Charakter der Ausbautätigkeit. Die Start- und Landebahnen sind nämlich wesentlich für die wirtschaftlichen Tätigkeiten eines Flughafenbetreibers. So erlaubt der Bau von Start- und Landebahnen einem Flughafen die Ausübung oder im Fall des Baus einer zusätzlichen Bahn oder des Ausbaus einer bestehenden Bahn die Ausweitung seiner wirtschaftlichen Haupttätigkeit.

(vgl. Randnrn. 88-89, 93-96)

4.      Die Frage, ob es sich bei einer Beihilfe um eine staatliche Beihilfe im Sinne des Vertrags handelt, ist aufgrund objektiver Gegebenheiten zu beantworten, die zu dem Zeitpunkt zu beurteilen sind, zu dem die Kommission ihre Entscheidung trifft. Die Kommission unterliegt, auch wenn sie an die von ihr erlassenen Rahmenregelungen und Mitteilungen auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen gebunden ist, dieser Bindung doch nur insoweit, als diese Texte nicht von einer fehlerfreien Auslegung der Vorschriften des Vertrags abweichen, da sie nicht in einem Sinne ausgelegt werden dürfen, durch den die Bedeutung der Art. 87 EG und 88 EG eingeschränkt würde oder der den mit diesen Artikeln verfolgten Zielen zuwiderliefe.

In Bezug auf den Flughafensektor war die Kommission in der Vergangenheit in der Mitteilung über die Anwendung der Artikel [87 EG] und [88 EG] sowie des Artikels 61 des EWR-Abkommens auf staatliche Beihilfen im Luftverkehr der Ansicht, dass der Bau oder Ausbau von Infrastrukturanlagen eine allgemeine wirtschaftspolitische Maßnahme sei, die von ihr nicht gemäß den Vertragsbestimmungen über staatliche Beihilfen kontrolliert werden könne.

Der Flughafensektor hat aber einen Wandel erfahren, der insbesondere die Organisation sowie die Wirtschafts- und Wettbewerbslage dieses Sektors betrifft. Außerdem ist durch die Rechtsprechung des Urteils vom 12. Dezember 2000, Aéroports de Paris/Kommission (T‑128/98), das mit Urteil vom 24. Oktober 2002, Aéroports de Paris/Kommission (C‑82/01 P), bestätigt wurde, seit 2000 anerkannt, dass Flughafenbetreiber grundsätzlich eine in den Anwendungsbereich der beihilferechtlichen Bestimmungen fallende wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG ausüben, was im Urteil vom 17. Dezember 2008, Ryanair/Kommission (T‑196/04), bestätigt worden ist. Folglich ist ab 2000 die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Flughäfen nicht mehr von vornherein auszuschließen. Die Kommission muss diesen Wandel und diese Auslegung sowie deren Auswirkungen auf die Anwendung von Art. 87 Abs. 1 EG auf die Finanzierung von Infrastruktur im Zusammenhang mit der Ausübung von Tätigkeiten des Flughafenbetriebs bei Erlass einer den Flughafensektor betreffenden Entscheidung berücksichtigen.

(vgl. Randnrn. 103-106)

5.      Art. 87 EG umfasst – mit dem alleinigen Vorbehalt des Art. 86 Abs. 2 EG – sämtliche privaten und öffentlichen Unternehmen mit allen ihren Produktionszweigen. Die Frage, ob eine wirtschaftliche Tätigkeiten ausübende Stelle nach innerstaatlichem Recht eine Rechtspersönlichkeit besitzt, die von derjenigen des Staates getrennt ist, hat keinen Einfluss auf das Bestehen finanzieller Beziehungen zwischen dem Staat und dieser Stelle und damit auf deren Möglichkeit, in den Genuss einer staatlichen Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG zu kommen.

Ebenso wenig wie zugelassen werden kann, dass die Vorschriften über staatliche Beihilfen allein durch die Gründung unabhängiger Einrichtungen, denen die Verteilung der Beihilfen übertragen wird, umgangen werden können, kommt es daher in Betracht, dass allein der Umstand, dass eine Einzweckgesellschaft („single purpose vehicle“) mit der einzigen Aufgabe, die staatliche Infrastruktur eines Flughafens zu verwalten und zu betreiben, gegründet wird, dazu führen kann, dass diese den Beihilfevorschriften entgeht. Zu prüfen ist nämlich, ob diese Einrichtung eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt und somit als Unternehmen eingestuft werden kann und ob ihr staatliche Mittel übertragen worden sind.

(vgl. Randnrn. 128-130)

6.      Die Einstufungen als Beihilfeempfänger und als Beihilfegeber sind nicht von vornherein miteinander unvereinbar. Ein öffentliches Unternehmen kann nämlich Empfänger einer staatlichen Beihilfe sein, wenn es sich um ein Unternehmen handelt, das auf einem Markt tätig ist. Nichts schließt es jedoch aus, dass dieses Unternehmen im Zusammenhang mit einer anderen Maßnahme auch eine Beihilfe gewähren kann. So kann eine staatliche Beihilfe nicht nur unmittelbar vom Staat gewährt werden, sondern auch von öffentlichen oder privaten Einrichtungen, die von ihm zur Durchführung der Beihilfe errichtet oder beauftragt wurden. Der Staat ist nämlich durchaus in der Lage, durch die Ausübung seines beherrschenden Einflusses auf öffentliche Unternehmen die Verwendung ihrer Mittel zu steuern, um gegebenenfalls besondere Vorteile zugunsten anderer Unternehmen zu finanzieren.

(vgl. Randnr. 143)

7.      Der Vertrag sieht für bestehende und für neue Beihilfen unterschiedliche Verfahren vor. Während neue Beihilfen gemäß Art. 88 Abs. 3 EG der Kommission vorher zu melden sind und nicht durchgeführt werden dürfen, bevor in dem Verfahren keine abschließende Entscheidung ergangen ist, dürfen bestehende Beihilfen gemäß Art. 88 Abs. 1 EG rechtmäßig durchgeführt werden, solange die Kommission nicht ihre Unvereinbarkeit festgestellt hat. Hinsichtlich bestehender Beihilfen kann daher gegebenenfalls nur eine Entscheidung ergehen, die ihre Unvereinbarkeit mit Wirkung für die Zukunft feststellt.

Bestehende Beihilfen sind nach Art. 1 Buchst. b Ziff. v der Verordnung Nr. 659/1999 über die Anwendung von Artikel [88 EG] Beihilfen, bei denen „nachgewiesen werden kann, dass sie zu dem Zeitpunkt, zu dem sie eingeführt wurden, keine Beihilfe waren und später aufgrund der Entwicklung des Gemeinsamen Marktes zu Beihilfen wurden, ohne dass sie eine Änderung durch den betreffenden Mitgliedstaat erfahren haben“. Der Begriff „Entwicklung des Gemeinsamen Marktes“ kann dahin verstanden werden, dass es sich um eine Änderung der wirtschaftlichen und rechtlichen Gegebenheiten in dem von der fraglichen Maßnahme betroffenen Sektor handelt. Eine solche Änderung kann sich insbesondere durch die Liberalisierung eines Marktes ergeben, der ursprünglich dem Wettbewerb entzogen war.

(vgl. Randnrn. 187-188)

8.      Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 2 EG verlangt, dass jedes Organ nach Maßgabe der ihm in diesem Vertrag zugewiesenen Befugnisse handelt. Auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen liegt dem Vertrag, indem dieser in Art. 88 EG der Kommission die fortlaufende Überprüfung und Kontrolle der Beihilfen überträgt, der Gedanke zugrunde, dass die Feststellung der etwaigen Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt in einem geeigneten Verfahren zu erfolgen hat, dessen Durchführung vorbehaltlich der Kontrolle durch das Gericht und den Gerichtshof Sache der Kommission ist. Die Art. 87 EG und 88 EG verleihen dieser damit eine zentrale Rolle bei der Feststellung der etwaigen Unvereinbarkeit einer Beihilfe.

(vgl. Randnrn. 201-202)

9.      Ein Widerspruch in der Begründung einer Entscheidung stellt eine Verletzung der Pflicht aus Art. 253 EG dar, die zur Nichtigkeit der betreffenden Handlung führen kann, wenn nachgewiesen wird, dass der Adressat der Handlung infolge dieses Widerspruchs die wirklichen Gründe der Entscheidung insgesamt oder zum Teil nicht erkennen kann und infolgedessen der verfügende Teil der Entscheidung ganz oder teilweise ohne rechtliche Stütze ist. Außerdem kann nur der verfügende Teil eines Rechtsakts bindende Rechtswirkungen erzeugen.

Eine Entscheidung der Kommission, mit der eine staatliche Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wird, ist widersprüchlich, wenn darin einerseits eingeräumt wird, dass bestimmte von der in der Entscheidung geprüften Kapitalzuführung betroffene Kosten in den Bereich der öffentlichen Aufgaben fielen und deshalb nicht als staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG eingestuft werden könnten, die Kommission aber andererseits die gesamte Kapitalzuführung als staatliche Beihilfe erachtet.

Keine Bestimmung des Unionsrechts verlangt von der Kommission, bei der Anordnung der Rückzahlung einer für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärten Beihilfe den genauen Betrag der zu erstattenden Beihilfe festzusetzen. Es genügt, dass die Entscheidung der Kommission Angaben enthält, die es ihrem Adressaten ermöglichen, ohne übermäßige Schwierigkeiten diesen Betrag selbst zu bestimmen. Allerdings muss die Kommission, wenn sie sich dafür entscheidet, den Betrag einer staatlichen Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG im verfügenden Teil einer Entscheidung zu nennen, den genauen Betrag dieser Beihilfe angeben.

Die genaue Angabe des Betrags einer rechtswidrigen Beihilfe, der von der Kommission im verfügenden Teil einer abschließenden Entscheidung genannt wird, mit der die Vereinbarkeit dieser Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt im Sinne von Art. 87 EG festgestellt wird, ist nämlich umso wichtiger, als sie sich auf den Betrag der Zinsen auswirken kann, die der Empfänger gegebenenfalls dafür entrichten muss, dass er die Beihilfe erhalten hat, bevor die Kommission über sie entschieden hat. Nach dem Unionsrecht ist das etwa befasste nationale Gericht verpflichtet, dem Beihilfeempfänger aufzugeben, für die Dauer der Rechtswidrigkeit Zinsen zu zahlen. Der Betrag dieser Zinsen wird aber insbesondere von dem Betrag der staatlichen Beihilfe als solcher abhängen. Die betreffenden Zinsen sind nämlich auf der Grundlage des Gesamtbetrags der staatlichen Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG zu berechnen und nicht auf der Grundlage allein des Teilbetrags der rechtswidrigen Beihilfe, der als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen wird.

(vgl. Randnrn. 222-223, 226-229)