SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
GIOVANNI PITRUZZELLA
vom 29. April 2021(1)
Rechtssache C‑783/19
Comité Interprofessionnel du Vin de Champagne
gegen
GB
(Vorabentscheidungsersuchen der Audiencia Provincial de Barcelona [Provinzgericht Barcelona, Spanien])
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Schutz der geografischen Angaben und der Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel – Dienstleistungen – Begriff der Anspielung – Vergleichbarkeit der Erzeugnisse – Geschützte Ursprungsbezeichnung ‚Champagne‘ – Verwendung der Bezeichnung ‚Champanillo‘ für Gastronomiedienstleistungen“
1. Das Vorabentscheidungsersuchen, das Gegenstand der vorliegenden Schlussanträge ist, betrifft die Auslegung von Art. 103 der Verordnung Nr. 1308/2013(2).
2. Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Comité Interprofessionnel du Vin de Champagne (im Folgenden: CIVC) und GB über die Benutzung des Zeichens CHAMPANILLO im geschäftlichen Verkehr als Bezeichnung für dem Gastronomiebetrieb gewidmete Geschäftslokale.
I. Rechtlicher Rahmen
3. Art. 92 der Verordnung Nr. 1308/2013 in deren Titel II Kapitel I Abschnitt 2 lautet:
„(1) Die in diesem Abschnitt festgelegten Vorschriften betreffend Ursprungsbezeichnungen, geografische Angaben und traditionelle Begriffe gelten für die Erzeugnisse im Sinne von Anhang VII Teil II Nummern 1, 3 bis 6, 8, 9, 11, 15 und 16(3).
(2) Die Vorschriften gemäß Absatz 1 gründen sich auf
a) den Schutz der legitimen Interessen der Verbraucher und der Erzeuger;
b) die Gewährleistung eines reibungslosen Funktionierens des Binnenmarktes für die betreffenden Erzeugnisse und
c) die Förderung der Herstellung von in diesem Abschnitt genannten Qualitätserzeugnissen, wobei auch Maßnahmen im Rahmen der innerstaatlichen Qualitätspolitik ergriffen werden können.“
4. Art. 93 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung bestimmt:
„(1) Im Sinne [des Abschnitts 2 des Titels II Kapitel I der Verordnung Nr. 1308/2013] bezeichnet der Ausdruck
a) ‚Ursprungsbezeichnung‘ den Namen einer Gegend, eines bestimmten Ortes oder in ordnungsgemäß gerechtfertigten Ausnahmefällen eines Landes, der zur Bezeichnung eines Erzeugnisses im Sinne des Artikels 92 Absatz 1 dient, das folgende Anforderungen erfüllt:
i) Es verdankt seine Güte oder Eigenschaften überwiegend oder ausschließlich den geografischen Verhältnissen einschließlich der natürlichen und menschlichen Einflüsse;
ii) die Weintrauben, aus denen es gewonnen wird, stammen ausschließlich aus diesem geografischen Gebiet;
iii) seine Herstellung erfolgt in diesem geografischen Gebiet und
iv) es wurde aus Rebsorten gewonnen, die zu Vitis vinifera gehören; …“
5. In Art. 103 („Schutz“) Abs. 2 der Verordnung heißt es:
„Geschützte Ursprungsbezeichnungen [(g.U.)] und geschützte geografische Angaben [(g.g.A.)] sowie die diese geschützten Namen in Übereinstimmung mit der Produktspezifikation verwendenden Weine werden geschützt gegen
a) jede direkte oder indirekte kommerzielle Verwendung dieses geschützten Namens
i) durch vergleichbare Erzeugnisse, die der Produktspezifikation des geschützten Namens nicht entsprechen, oder
ii) soweit durch diese Verwendung das Ansehen einer Ursprungsbezeichnung oder geografischen Angabe ausgenutzt wird;
b) jede widerrechtliche Aneignung, Nachahmung oder Anspielung, selbst wenn der tatsächliche Ursprung des Erzeugnisses oder der Dienstleistung angegeben ist oder wenn der geschützte Name in Übersetzung, Transkription oder Transliteration oder zusammen mit Ausdrücken wie ‚Art‘, ‚Typ‘, ‚Verfahren‘, ‚Fasson‘, ‚Nachahmung‘, ‚Aroma‘, oder ähnlichem verwendet wird;
…“.
6. Nach Art. 104 Satz 1 der Verordnung Nr. 1308/2013 „[erstellt und unterhält d]ie Kommission … ein öffentlich zugängliches elektronisches Register der [g.U.] und [g.g.A.] für Wein“.
7. Nach Art. 107 Abs. 1 dieser Verordnung sind bestimmte vor ihrem Inkrafttreten bestehende g.U. für Wein automatisch im Rahmen der Verordnung geschützt und werden in dem Register gemäß ihrem Art. 104 aufgeführt. Die Bezeichnung „Champagne“ ist eine g.U. im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1308/2013, die gemäß Art. 107 Abs. 1 dieser Verordnung auf Unionsebene eingetragen(4) und geschützt ist, da sie vor dem Inkrafttreten der Verordnung bestand. Diese Bezeichnung ist (weißen oder rosé) Qualitätsschaumweinen im Sinne von Anhang VII Teil II Nr. 5 der Verordnung Nr. 1308/2013 vorbehalten, die gemäß den in der entsprechenden Produktspezifikation festgelegten Vorgaben in bestimmten Gebieten oder Dörfern der französischen Departements Marne und Aube sowie in der Region Grand Est hergestellt werden.
II. Ausgangsrechtsstreit, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof
8. Das CIVC, Berufungskläger im Ausgangsverfahren, ist eine nach französischem Recht anerkannte halbstaatliche Einrichtung mit Rechtspersönlichkeit, die mit dem Schutz der Interessen der Champagnererzeuger betraut ist. Es erhob beim Juzgado Mercantil de Barcelona (Handelsgericht Barcelona, Spanien) Klage gegen GB, den Berufungsbeklagten des Ausgangsverfahrens, auf Unterlassung der Verwendung des Zeichens CHAMPANILLO, auch in den sozialen Netzwerken (Instagram und Facebook), auf Entfernung jedes Firmenzeichens sowie jedes Werbe- oder Geschäftsdokuments mit dem Zeichen vom Markt und aus dem Internet und auf Löschung des Domainnamens champanillo.es. GB ließ sich auf den Rechtsstreit ein und machte geltend, dass das Zeichen CHAMPANILLO als Handelsname von Gastronomiebetrieben („Tapas-Bars“ in der Autonomen Gemeinschaft Katalonien) ohne jede Gefahr der Verwechslung mit den von der Bezeichnung „Champagne“ erfassten Erzeugnissen und ohne jede Absicht, aus dem Ansehen dieser Bezeichnung Profit zu schlagen, verwendet werde.
9. Der Juzgado Mercantil de Barcelona (Handelsgericht Barcelona) wies sämtliche Anträge des CIVC zurück. Er stellte fest, dass mit der Verwendung des Zeichens CHAMPANILLO keine Anspielung unter Verstoß gegen die g.U. „Champagne“ verbunden sei, da damit nicht ein alkoholisches Getränk, sondern Gastronomiebetriebe – in denen kein Champagner ausgeschenkt werde – bezeichnet werden sollten. Folglich handle es sich nicht um durch die g.U. geschützte Erzeugnisse, und es werde auch auf ein anderes Publikum abgezielt. Das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) habe in einem Urteil von 2016 ausdrücklich ausgeschlossen, dass die Verwendung des Begriffs CHAMPÌN für die Vermarktung eines alkoholfreien kohlensäurehaltigen Getränks auf Fruchtbasis, das für den Konsum von Kindern auf Festen gedacht sei, gegen die g.U. „Champagne“ verstoße, da sich ungeachtet der klanglichen Ähnlichkeit der beiden Zeichen die betreffenden Erzeugnisse und ihr Zielpublikum voneinander unterschieden(5).
10. Das CIVC legte gegen das Urteil des Juzgado Mercantil de Barcelona (Handelsgericht Barcelona) Berufung bei der Audiencia Provincial de Barcelona (Provinzgericht Barcelona, Spanien) ein. Diese stellt fest, dass i) GB zweimal versucht habe, das Zeichen CHAMPANILLO als Marke beim spanischen Patent- und Markenamt eintragen zu lassen, und dass diese Anmeldungen auf Widerspruch des CIVC mit Entscheidungen vom 8. Februar 2011 und 14. April 2015 zurückgewiesen worden seien; ii) GB als grafische Unterstützung der Werbung für seine Lokale ein Bild von zwei Gläsern mit einem Schaumgetränk verwende; und iii) dass CIVC Dokumente vorgelegt habe, die belegten, dass GB bis 2015 in seinen Lokalen einen Schaumwein(6) mit der Bezeichnung „Champanillo“ im Ausschank gehabt habe und die Verkäufe erst auf Veranlassung des CIVC eingestellt worden seien.
11. Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass sowohl nach Art. 13 der Verordnung Nr. 510/2006(7) als auch nach Art. 103 der Verordnung Nr. 1308/2013 die g.U. gegenüber Erzeugnissen geschützt würden, mit der einzigen Ausnahme gemäß Art. 103 Abs. 2 Buchst. b der letztgenannten Verordnung, der auch Dienstleistungen erwähne. Es äußert Zweifel an der Tragweite und der zutreffenden Auslegung der unionsrechtlichen Bestimmungen über den Schutz von g.U. in einer Situation, in der das mit einer solchen Bezeichnung in Konflikt stehende Zeichen im Verkehr nicht zur Bezeichnung von Erzeugnissen, sondern von Dienstleistungen verwendet wird.
12. Unter diesen Umständen hat die Audiencia Provincial de Barcelona (Provinzgericht Barcelona) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Kann in den Schutzbereich einer Ursprungsbezeichnung nicht nur der Schutz gegenüber ähnlichen Erzeugnissen, sondern auch der Schutz gegenüber Dienstleistungen fallen, die mit dem direkten oder indirekten Vertrieb dieser Erzeugnisse in Verbindung stehen könnten?
2. Ist für die Feststellung einer Verletzungsgefahr infolge einer Anspielung im Sinne der angesprochenen Artikel der Gemeinschaftsverordnungen vor allem eine namensbezogene Prüfung vorzunehmen, um festzustellen, wie der verwendete Name auf den Durchschnittsverbraucher wirkt, oder muss zunächst festgestellt werden, dass es sich um gleiche Erzeugnisse, ähnliche Erzeugnisse oder komplexe Erzeugnisse, zu deren Bestandteilen ein durch eine Ursprungsbezeichnung geschütztes Erzeugnis gehört, handelt?
3. Ist die Verletzungsgefahr infolge einer Anspielung anhand objektiver Kriterien festzustellen, wenn eine vollständige oder sehr hohe Übereinstimmung der Namen vorliegt, oder ist sie unter Berücksichtigung der Erzeugnisse und Dienstleistungen, mit denen bzw. auf die angespielt wird, abzustufen, so dass auf eine geringe oder irrelevante Anspielungsgefahr geschlossen werden kann?
4. Handelt es sich bei dem Schutz, den die genannten Rechtsvorschriften bei einer Gefahr der Anspielung oder Ausnutzung vorsehen, um einen speziellen Schutz, der den Besonderheiten dieser Erzeugnisse entspricht, oder muss der Schutz zwangsläufig mit den Rechtsvorschriften gegen den unlauteren Wettbewerb in Verbindung gesetzt werden?
13. Das CIVC, die französische und die italienische Regierung sowie die Kommission haben Erklärungen gemäß Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs eingereicht. Im Wege einer prozessleitenden Maßnahme nach Art. 61 Abs. 1 seiner Verfahrensordnung hat der Gerichtshof die in Art. 23 der Satzung bezeichneten Beteiligten zur schriftlichen Beantwortung von Fragen aufgefordert. Das CIVC, GB, die französische und die italienische Regierung sowie die Kommission haben dem Folge geleistet.
III. Prüfung
A. Vorbemerkungen
14. Vor der Prüfung der Vorlagefragen sind einige Klarstellungen zu dem in der Vorlageentscheidung dargestellten rechtlichen Rahmen vorzunehmen.
15. Als Erstes geht aus dieser Entscheidung hervor, dass die Audiencia Provincial de Barcelona (Provinzgericht Barcelona) sowohl das bilaterale Abkommen zwischen Frankreich und Spanien vom 27. Juni 1973 über den Schutz von Ursprungsbezeichnungen, Herkunftsangaben und Bezeichnungen bestimmter Erzeugnisse(8) als auch kraft dieses Abkommens das Dekret Nr. 2010-1441 vom 22. November 2010 über die kontrollierte Ursprungsbezeichnung „Champagne“(9) und Art. L 643-1 des französischen Landwirtschaftsgesetzbuchs(10) für auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbar hält. Nach dem vorlegenden Gericht „ergänzen sich“ diese Bestimmungen des französischen Rechts mit den anwendbaren Bestimmungen des Unionsrechts.
16. Wie aber die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen zutreffend hervorgehoben hat, hat der Gerichtshof in Bezug auf die Verordnung Nr. 1234/2007(11) (die mit Wirkung vom 20. Dezember 2013 durch die Verordnung Nr. 1308/2013 aufgehoben und ersetzt wurde) bereits klargestellt, dass die mit den Rechtsvorschriften der Union eingeführte Schutzregelung für Ursprungsbezeichnungen „einheitlich und ausschließlich“ ist und sowohl der Anwendung einer nationalen Schutzregelung für aufgrund dieser Rechtsvorschriften geschützte geografische Angaben(12) als auch der Anwendung einer durch Verträge zwischen zwei Mitgliedstaaten vorgesehenen Schutzregelung(13) entgegensteht.
17. Als Zweites bezieht sich die Audiencia Provincial de Barcelona (Provinzgericht Barcelona) in der Formulierung der Vorlagefragen zwar nicht ausdrücklich auf irgendeine konkrete Bestimmung der Unionsverordnungen zum Schutz von g.U., doch nimmt sie in den Gründen der Vorlageentscheidung, wie erwähnt, neben Art. 103 der Verordnung Nr. 1308/2013 auch Art. 13 der Verordnung Nr. 510/2006(14) in Bezug. Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 2 der letztgenannten Verordnung(15) schließt jedoch Weinbauerzeugnisse ausdrücklich von ihrem Geltungsbereich aus. Daher sind weder die Verordnung Nr. 510/2006 noch die Verordnung Nr. 1151/2012, die sie ersetzt hat, auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbar.
18. Nichtsdestotrotz erkennt der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung, da die in den verschiedenen sektorbezogenen Verordnungen enthaltenen Bestimmungen über den Schutz geografischer Angaben weitgehend gleich gefasst sind, den bei der Auslegung der einzelnen Schutzregelungen entwickelten Grundsätzen horizontale Geltung zu(16).
19. Was schließlich die zeitliche Anwendbarkeit der Unionsvorschriften betrifft, erscheint es, auch wenn sich in der Vorlageentscheidung keine ausdrückliche Aussage in diesem Sinne findet, offenkundig, dass die Verhaltensweisen, gegen die sich die Klage des CIVC richtet, zumindest teilweise nach dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1308/2013 stattgefunden haben. Folglich sind die Vorlagefragen so zu verstehen, dass mit ihnen eine Auslegung von Art. 103 Abs. 2 dieser Verordnung begehrt wird. Ferner ergibt es sich zwar nicht ausdrücklich aus der Vorlageentscheidung, ist aber möglich, dass einige der Rechtsverstöße, die GB in Verletzung der g.U. „Champagne“ begangen haben soll, auf die Zeit unter der Geltung der Verordnung Nr. 1234/2007 zurückgehen. Auch wenn ich bei der Prüfung der Vorlagefragen nur auf Art. 103 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1308/2013 abstellen werde, gelten daher die Antworten, die ich darauf vorschlagen werde, auch für die Auslegung des im Wesentlichen gleichlautenden Art. 118m Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1234/2007 in der durch die Verordnung Nr. 491/2009(17) geänderten Fassung.
B. Zur ersten Vorlagefrage
20. Mit seiner ersten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die g.U. nur gegen Praktiken geschützt sind, die sich auf Erzeugnisse beziehen, die mit den durch die betreffende Ursprungsbezeichnung gekennzeichneten Erzeugnissen gleich oder vergleichbar sind, oder auch gegen Praktiken, die Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem direkten oder indirekten Vertrieb solcher Erzeugnisse betreffen.
21. Diese Frage ist weit gefasst und kann alle nach Art. 103 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1308/2013 verbotenen Verhaltensweisen erfassen.
22. Sowohl aus der Akte des Ausgangsverfahrens(18) als auch aus dem Wortlaut der zweiten und der dritten Vorlagefrage und den Gründen der Vorlageentscheidung ergibt sich jedoch, dass die Zweifel der Audiencia Provincial de Barcelona (Provinzgericht Barcelona) und der Rechtsstreit, über den dieses Gericht zu entscheiden hat, speziell den in Abs. 2 Buchst. b dieses Artikels vorgesehenen Schutz gegen Anspielung betreffen.
23. Gleichwohl haben sich sowohl das CIVC als auch die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen ausdrücklich auch auf Art. 103 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1308/2013 bezogen, während die französische Regierung die erste Vorlagefrage unter dem Blickwinkel aller nach Art. 103 Abs. 2 verbotenen Verhaltensweisen einschließlich der in den Buchst. c und d dieser Bestimmung genannten Praktiken geprüft hat(19).
24. Der Gerichtshof hat im Wege einer prozessleitenden Maßnahme die in Art. 23 der Satzung bezeichneten Beteiligten aufgefordert, sich zu der Möglichkeit zu äußern, auf den Ausgangsrechtsstreit Art. 103 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Verordnung Nr. 1308/2013 anzuwenden, der die direkte oder indirekte kommerzielle Verwendung der geschützten Bezeichnung, durch die deren Ansehen ausgenutzt wird, verbietet. In der Frage des Gerichtshofs ist ausdrücklich auf Rn. 31 des Urteils vom 7. Juni 2018, Scotch Whisky Association(20) (im Folgenden: Urteil Scotch Whisky Association), Bezug genommen worden, wo der Gerichtshof im Rahmen der Auslegung von Art. 16 Buchst. a der Verordnung Nr. 110/2008(21) klargestellt hat, dass „ein Sachverhalt nur dann unter [diese Bestimmung] fallen [kann], wenn das streitige Zeichen die eingetragene geografische Angabe in identischer oder zumindest in klanglich und/oder visuell hochgradig ähnlicher Form verwendet“.
25. Es besteht kein Zweifel daran, dass die g.U. „Champagne“ und das streitige Zeichen CHAMPANILLO einen gewissen Grad an klanglicher und visueller Ähnlichkeit aufweisen, insbesondere wenn man beim Vergleich die spanische Übersetzung der g.U., „Champán“, berücksichtigt(22). Letztere ist nämlich mit Ausnahme des Akzents in dem beanstandeten Namen vollständig wiedergegeben und sowohl visuell als auch klanglich unmittelbar wahrnehmbar. Es ist daher legitim, sich, auch um den Umfang der ersten Vorlagefrage abzustecken, die Frage zu stellen, ob Art. 103 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Verordnung Nr. 1308/2013 jedenfalls auf eine Situation wie die des Ausgangsrechtsstreits anwendbar ist, d. h., ob die Verwendung des beanstandeten Zeichens eine „Verwendung“ der g.U. „Champagne“ im Sinne dieser Bestimmung darstellen kann(23).
26. Wie die Kommission neige ich jedoch dazu, diese Frage zu verneinen und davon auszugehen, dass die vom CIVC beanstandeten Verhaltensweisen allein im Licht von Art. 103 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1308/2013 zu prüfen sind.
27. Auch wenn nämlich der Begriff „Verwendung“ einer g.g.A. im Sinne von Art. 103 Abs. 2 Buchst. a dieser Verordnung auch die Verwendung einer solchen Angabe in dem streitigen Zeichen „in klanglich und/oder visuell hochgradig ähnlicher Form“(24) umfassen kann, ist anhand der Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil Scotch Whisky Association festzustellen, dass der erforderliche Grad an Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen besonders ausgeprägt und nahe an der Identität sein muss, damit auf eine solche Verwendung erkannt werden kann. In Rn. 29 jenes Urteils hat der Gerichtshof nämlich ausgeführt, dass in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung eine Verwendung der g.g.A. „in einer Form, die klanglich und/oder visuell einen so engen Zusammenhang mit ihr aufweist, dass das streitige Zeichen eindeutig untrennbar mit ihr verbunden ist“, fällt.
28. Dieses Kriterium ist meines Erachtens bei einem Vergleich der im Ausgangsrechtsstreit einander gegenüberstehenden Zeichen nicht erfüllt. Insbesondere unterscheidet sich der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens von demjenigen, der Gegenstand der Rechtssache war, in der das Urteil CIVC erging, und bei dem es ebenfalls um die Wiedergabe einer Übersetzung der g.U. „Champagne“ als Teil der Bezeichnung eines Erzeugnisses ging. In jenem Fall wurde nämlich das Zeichen „Champagner“ (deutsche Übersetzung der Bezeichnung „Champagne“) in der beanstandeten Bezeichnung für sich stehend verwendet, auch wenn sich daran das Wort „Sorbet“ anschloss. Dagegen weicht das im Ausgangsverfahren streitige Zeichen sowohl visuell als auch klanglich spürbar von „Champàn“, der Bezeichnung auf Spanisch, ab, da dieser Bezeichnung die Nachsilbe „illo“ angefügt wurde.
29. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass dieser Zusatz demgegenüber die Feststellung einer starken Ähnlichkeit oder gar echten Übereinstimmung in begrifflicher Hinsicht zwischen der Bezeichnung „Champagne“ und dem streitigen Zeichen zuzulassen scheint, wenn dieses, wie aus der Akte hervorzugehen scheint, wörtlich „kleiner Champagner“ bedeutet und im Italienischen mehr oder weniger dem umgangssprachlichen Begriff „champagnino“ (auf Französisch: „petit champagne“) entspricht. Dieser Umstand spricht meines Erachtens erst recht für eine Subsumtion der beanstandeten Praktiken unter Art. 103 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1308/2013, der, wie im Folgenden besser zu sehen sein wird, Situationen erfasst, in denen der maßgebliche Verbraucher eine gedankliche Verbindung zwischen dem streitigen Zeichen und dem durch die g.U. geschützten Erzeugnis herstellt(25).
30. Schließlich stelle ich fest, dass der Gerichtshof im Rahmen der Auslegung von Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1151/2012, dessen Wortlaut weitgehend mit dem von Art. 103 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1308/2013 übereinstimmt, anerkannt hat, dass diese Bestimmung eine abgestufte Aufzählung verbotener Verhaltensweisen enthält und dass sich der Anwendungsbereich von Art. 13 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1151/2012 notwendigerweise von dem der anderen Regelungen über den Schutz eingetragener Namen und insbesondere von dem des Art. 13 Abs. 1 Buchst. b unterscheiden muss(26). Eine übermäßig weite Auslegung des Begriffs „Verwendung“ im Sinne von Art. 103 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Verordnung Nr. 1308/2013 unter Einschluss von Situationen, in denen die angeblich rechtswidrige Praxis in der Verwendung des geschützten Namens in einer Form besteht, die der eingetragenen Form nicht wesentlich entspricht, birgt aber die Gefahr, die Trennlinie zwischen den in dieser Bestimmung geregelten Sachverhalten und denen, die in den Anwendungsbereich von Art. 103 Abs. 2 Buchst. b dieser Verordnung fallen, zu stark aufzuweichen, was es erschwert, eine echte Eigenständigkeit der Tatbestände aufrechtzuerhalten.
31. Dies vorausgeschickt, wirft die Antwort auf die erste Vorlagefrage, wie sie vorstehend abgegrenzt ist, meines Erachtens keine besonderen Schwierigkeiten auf.
32. Im Wortlaut von Art. 103 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1308/2013 heißt es nämlich ausdrücklich, dass die g.U. gegen jede „widerrechtliche Aneignung, Nachahmung oder Anspielung, selbst wenn der tatsächliche Ursprung des Erzeugnisses oder der Dienstleistung angegeben ist“,(27) geschützt sind. Sowohl in syntaktischer Hinsicht als auch unter dem Gesichtspunkt der inneren logischen Kohärenz der Norm besteht kein Zweifel daran, dass sich diese Bestimmung auf den Ursprung der Ware oder der Dienstleistung bezieht, die mit dem streitigen Zeichen gekennzeichnet ist. Wie die italienische Regierung zutreffend ausführt, könnte es auch gar nicht anders sein, da nach der Definition in Art. 93 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1308/2013 g.U. ein Erzeugnis im Sinne von Art. 92 Abs. 1 dieser Verordnung bezeichnen und daher nicht für Dienstleistungen eingetragen werden können.
33. Die wörtliche Auslegung von Art. 103 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1308/2013 spricht somit für einen Schutz von g.U. gegen in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallende Praktiken auch dort, wo diese Praktiken Dienstleistungen betreffen.
34. Dafür spricht auch eine teleologische Auslegung dieser Bestimmung.
35. Der Gerichtshof hat anerkannt, dass die Verordnung Nr. 1308/2013 ein Instrument der gemeinsamen Agrarpolitik darstellt, das u. a. verhindern soll, dass Dritte missbräuchlich Vorteile aus dem Ruf ziehen, der sich aus der Qualität der Erzeugnisse, die mit nach der Verordnung eingetragenen geografischen Angaben versehen sind, ergibt(28).
36. Art. 103 Abs. 2 dieser Verordnung führt somit einen weiten Schutz ein, der sich im Einklang mit dem ersten Satz des 97. Erwägungsgrundes der Verordnung auf alle „Verwendungen …, die sich den Ruf zunutze machen, den [von einer geografischen Angabe erfasste] Erzeugnisse genießen“, erstrecken soll.
37. Genauer verbietet Art. 103 Abs. 2 Buchst. b jede Praxis, die darauf abzielt, das Ansehen einer g.U. (oder einer g.g.A.) durch eine Assoziation mit dieser unbefugt auszunutzen.
38. Unter diesen Umständen stünde eine Auslegung von Art. 103 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1308/2013, die den Schutz einer g.U. nicht zuließe, wenn das beanstandete Zeichen eine Dienstleistung und nicht ein Erzeugnis bezeichnet, nicht nur nicht mit dem weiten Umfang in Einklang, den der Gerichtshof dem Schutz eingetragener geografischer Angaben beimisst, sondern würde es, wie die italienische Regierung zu Recht ausführt, nicht ermöglichen, das im ersten Satz des 97. Erwägungsgrundes dieser Verordnung genannte Schutzziel vollständig zu erreichen. Eine unbefugte Ausnutzung des Ansehens eines unter eine g.U. fallenden Erzeugnisses kann nämlich nicht nur dann eintreten, wenn sich die nach Art. 103 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1308/2013 verbotene Praxis auf ein Erzeugnis bezieht, sondern auch dann, wenn sie eine Dienstleistung betrifft.
39. Um den Zielen der Verordnung Nr. 1308/2013 gerecht zu werden, muss diese Bestimmung daher auch in den Fällen Anwendung finden, in denen auf die g.U. bei der Vermarktung einer Dienstleistung angespielt wird. Diese Schlussfolgerung ergibt sich im Übrigen klar aus dem zweiten Satz des 97. Erwägungsgrundes der Verordnung, auf den sowohl das CIVC als auch die französische und die italienische Regierung sowie die Kommission verweisen und in dem es heißt: „Um einen fairen Wettbewerb zu fördern …, sollte sich [der] Schutz [der g.U. und der g.g.A.] auch auf nicht unter diese Verordnung fallende Erzeugnisse und Dienstleistungen erstrecken, einschließlich solcher, die nicht in Anhang I der Verträge aufgeführt sind“(29). Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass im 92. Erwägungsgrund der Verordnung speziell hinsichtlich der geschützten Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben für Weine eine Angleichung an die Verordnung Nr. 1151/2012, die die horizontale Qualitätspolitik der Union regelt, befürwortet wird. Der 32. Erwägungsgrund der letztgenannten Verordnung, wonach „[d]er Schutz von Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben … auch auf die widerrechtliche Aneignung und Nachahmung von eingetragenen Namen von Erzeugnissen und Dienstleistungen sowie die Anspielung auf sie ausgedehnt werden [sollte]“, stellt seinerseits ausdrücklich auf das Erfordernis ab, einen hohen Schutzgrad sicherzustellen und „ihn an den im Weinsektor geltenden Schutz anzugleichen“.
40. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof daher vor, auf die erste Vorlagefrage zu erkennen, dass Art. 103 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1308/2013 dahin auszulegen ist, dass auch auf Dienstleistungen bezogene Handlungen der widerrechtlichen Aneignung oder Nachahmung einer g.U. oder der Anspielung darauf in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen können.
41. Bevor ich meine Prüfung fortsetze, möchte ich für den Fall, dass der Gerichtshof entscheiden sollte, die Antwort auf die erste Vorlagefrage nicht allein auf die Auslegung von Art. 103 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1308/2013 zu beschränken, klarstellen, dass die gleiche Tragweite, die ich dem Gerichtshof für diese Bestimmung vorschlage, meines Erachtens auch Art. 103 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii dieser Verordnung zuerkannt werden muss.
42. Zum einen erlaubt es nämlich der Wortlaut der letztgenannten Bestimmung mit der Bezugnahme auf „jede direkte oder indirekte kommerzielle Verwendung“(30) nicht, ihren Anwendungsbereich unter Ausschluss von dienstleistungsbezogenen Verwendungen auf Verwendungen zu beschränken, die sich allein auf Erzeugnisse beziehen. Außerdem stellt diese Bestimmung, indem sie klarstellt, dass das Verbot gilt, „soweit durch diese Verwendung das Ansehen einer Ursprungsbezeichnung oder geografischen Angabe ausgenutzt wird“, ausdrücklich auf die Wirkungen der Verwendung und nicht auf eine bestimmte Verwendungsart ab. Zum anderen gelten die oben in den Nrn. 35 und 36 dargelegten Erwägungen zu den Zielen der Verordnung Nr. 1308/2013 und zum Umfang des Schutzes, den sie den gemäß ihren Bestimmungen eingetragenen geografischen Angaben gewährt, auch für eine teleologische Auslegung von Art. 103 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii dieser Verordnung(31).
C. Zur zweiten und zur dritten Vorlagefrage
43. Mit seiner zweiten und seiner dritten Vorlagefrage, die zusammen zu behandeln sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, nach welchen Kriterien zu beurteilen ist, ob eine Anspielung im Sinne von Art. 103 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1308/2013 vorliegt. Insbesondere möchte es wissen, welche Rolle bei dieser Beurteilung dem Vergleich zwischen dem von der g.U. erfassten Erzeugnis und dem Erzeugnis (oder der Dienstleistung), für das (oder die) das streitige Zeichen verwendet wird, zukommt und ob zuvor die Identität oder Ähnlichkeit dieser Erzeugnisse oder das Bestehen einer sonstigen Verbindung zwischen ihnen (oder zwischen dem Erzeugnis mit der g.U. und der fraglichen Dienstleistung) festgestellt werden muss.
44. Insoweit weise ich zunächst darauf hin, dass, während Art. 103 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1308/2013 klarstellt, dass die direkte oder indirekte Verwendung einer g.U. sowohl verboten ist, soweit sie „vergleichbare Erzeugnisse“ betrifft, die der Produktspezifikation der g.U. nicht entsprechen (Buchst. a Ziff. i), als auch, soweit durch diese Verwendung das Ansehen der g.U. ausgenutzt wird (Buchst. a Ziff. ii), Art. 103 Abs. 2 Buchst. b keinen Hinweis enthält, weder dahin, dass sich der Schutz gegen Anspielung rein auf Fälle beschränkt, in denen die mit der g.U. gekennzeichneten Erzeugnisse und die Erzeugnisse oder Dienstleistungen, für die das streitige Zeichen verwendet wird, „vergleichbar“ oder „ähnlich“ sind, noch dahin, dass sich dieser Schutz auf Fälle erstreckt, in denen sich das streitige Zeichen auf Erzeugnisse und/oder Dienstleistungen bezieht, die den mit der g.U. geschützten Erzeugnissen unähnlich sind(32). Andererseits scheint der Begriff der Ähnlichkeit der Waren, wie er im Markenrecht angewandt wird(33) und auf den das vorlegende Gericht offenbar Bezug nimmt, dem Schutz geografischer Angaben fremd zu sein, bei dem dagegen, wie gesehen, der Begriff der Vergleichbarkeit der Erzeugnisse(34) von Bedeutung ist, der im Übrigen enger auszulegen zu sein scheint(35).
45. In diesem Zusammenhang bin ich entgegen dem, was offenbar das CIVC und die französische Regierung vertreten, nicht der Ansicht, dass der Klarstellung des Gerichtshofs, wonach der Schutz eingetragener Bezeichnungen gegen Anspielung unabhängig von der Feststellung des Bestehens einer Verwechslungsgefahr ist(36), entscheidende Bedeutung für die Frage zukommt, ob der Anwendungsbereich dieses Schutzes als auf Erzeugnisse und/oder Dienstleistungen beschränkt anzusehen ist, die mit dem durch die g.U. geschützten Erzeugnis vergleichbar sind. Eine Verwechslungsgefahr kann nämlich auch dann ausgeschlossen werden – z. B. in den in Art. 103 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1308/2013 ausdrücklich vorgesehenen Fällen, in denen der Ursprung des Erzeugnisses oder der Dienstleistung angegeben ist oder in denen Ausdrücke wie „Verfahren“ oder „Nachahmung“ verwendet werden –, wenn die von der g.U. erfassten Erzeugnisse und die Erzeugnisse oder Dienstleistungen, für die das streitige Zeichen gilt, identisch oder vergleichbar sind.
46. Dies vorausgeschickt besteht zwar kein Zweifel daran, dass der sozusagen „natürliche“ Anwendungsbereich des Schutzes der g.U. gegen Anspielung von den Situationen gebildet wird, in denen aufgrund der Identität oder der Vergleichbarkeit der Erzeugnisse, denen die geschützte Bezeichnung zugutekommt, mit den durch das streitige Zeichen gekennzeichneten Erzeugnissen oder Dienstleistungen die Verwendung des Zeichens dessen Inhaber in die Lage versetzt, sich die Ersteren zuerkannten typischen Eigenschaften anzueignen, doch ergibt sich, wie gesehen(37), aus der Präambel der Verordnung Nr. 1308/2013, was in der Rechtsprechung des Gerichtshofs auch eine eindeutige Bestätigung findet, dass die g.U. allgemeiner gegen jede missbräuchliche Ausnutzung des Ansehens geschützt sind, das mit den Erzeugnissen, die mit einer g.U. versehen sind, verbunden ist.
47. Wie ich bereits in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Fundación Consejo Regulador de la Denominación de Origen Protegida Queso Manchego (C‑614/17, EU:C:2019:11, Nr. 17) ausgeführt habe, stellt der Schutz gegen Anspielung eine Schutzform sui generis dar, die nicht an das Kriterium der Irreführung gebunden ist – das die Geeignetheit des mit der eingetragenen Bezeichnung in Konflikt stehenden Zeichens voraussetzt, das Publikum bezüglich der geografischen Herkunft oder der Qualität des Erzeugnisses in die Irre zu führen – und nicht auf einen reinen Schutz gegen Verwirrung zurückzuführen ist. Sein Hauptziel ist im Schutz des Qualitätskapitals und des Rufs der eingetragenen Bezeichnungen gegen Trittbrettfahrerei zu suchen.
48. Das Vorliegen einer Anspielung beurteilt sich daher anhand von Kriterien, die kennzeichnend für den Schutz der g.U. sind und dem Erreichen der Ziele der Qualitätsregelungen der Union dienen.
49. Der Gerichtshof hat die Kriterien für diese Beurteilung nach und nach geklärt. So hat er entschieden, dass der Begriff „Anspielung“ vor allem eine Fallgestaltung erfasst, in der der zur Bezeichnung eines Erzeugnisses verwendete Ausdruck einen Teil einer eingetragenen Bezeichnung in der Weise einschließt, dass der Verbraucher „durch den Namen des Erzeugnisses veranlasst wird, gedanklich einen Bezug zu der Ware herzustellen, die die Bezeichnung trägt“(38).
50. Im Urteil Scotch Whisky Association hat der Gerichtshof jedoch in Bezug auf Art. 16 Buchst. b der Verordnung Nr. 110/2008 klargestellt, dass weder der teilweise Einschluss einer eingetragenen Bezeichnung im streitigen Zeichen noch eine klangliche und visuelle Ähnlichkeit des Zeichens mit der Bezeichnung eine zwingende Voraussetzung für die Feststellung des Vorliegens einer Anspielung darstellt(39). Eine solche kann sich nämlich auch aus der bloßen „inhaltlichen Nähe“ des streitigen Zeichens zu der eingetragenen Bezeichnung ergeben(40). Dafür reicht es nicht, dass der streitige Bestandteil des fraglichen Zeichens bei den angesprochenen Verkehrskreisen eine irgendwie geartete Assoziation mit der eingetragenen Bezeichnung oder dem zugehörigen geografischen Gebiet hervorruft. Vielmehr ist „ein hinreichend unmittelbarer und eindeutiger Zusammenhang“ zwischen diesem Bestandteil und der eingetragenen Bezeichnung erforderlich(41).
51. Nach dem Gerichtshof besteht das entscheidende Kriterium für die Feststellung, ob eine „Anspielung“ auf eine g.U. im Sinne des Art. 103 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1308/2013 wie auch der entsprechenden Bestimmungen der Verordnungen über die verschiedenen Qualitätsregelungen der Union gegeben ist, somit darin, „ob der Verbraucher durch einen streitigen Namen veranlasst wird, einen unmittelbaren gedanklichen Bezug zu der von der g.U. erfassten Ware herzustellen“(42). Außerdem hat der Gerichtshof klargestellt, dass eine Anspielung auch nicht ausgeschlossen werden kann, wenn der streitige Bestandteil nicht aus einer Bezeichnung besteht, sondern aus Bildzeichen, die aufgrund ihrer begrifflichen Nähe zu der eingetragenen Bezeichnung beim Verbraucher unmittelbar und eindeutig einen gedanklichen Bezug zu den Erzeugnissen hervorrufen können, die diese Bezeichnung tragen(43).
52. Es ist sicher richtig, dass der Gerichtshof die vorstehend dargestellten Grundsätze in Bezug auf Situationen entwickelt hat, in denen die von der eingetragenen Bezeichnung erfassten Erzeugnisse und die mit dem streitigen Zeichen gekennzeichneten Erzeugnisse weitgehend vergleichbar waren.
53. Bei der schrittweisen Abgrenzung der Kriterien für die Beurteilung des Vorliegens einer Anspielung hat der Gerichtshof jedoch immer deutlicher auf den Prozess der gedanklichen Verbindung zwischen dem streitigen Zeichen und dem Erzeugnis, dem die g.U. oder die g.g.A. zugutekommt, abgestellt. In diesem Zusammenhang wurde die Ähnlichkeit zwischen den betreffenden Erzeugnissen sowohl unter dem Warenblickwinkel als auch unter dem Blickwinkel ihres konkreten Erscheinungsbilds nicht als Voraussetzung für die Feststellung des Vorliegens einer Anspielung betrachtet, sondern als ein Kriterium für die Beurteilung der Eignung der klanglichen, visuellen und inhaltlichen Ähnlichkeiten zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen zur Herbeiführung der erforderlichen gedanklichen Verbindung(44).
54. Allgemeiner geht, wie ich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Fundación Consejo Regulador de la Denominación de Origen Protegida Queso Manchego(45) ausgeführt habe, aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs(46) hervor, dass die Prüfung des Vorliegens einer Anspielung jede implizite oder explizite Bezugnahme auf die eingetragene Bezeichnung berücksichtigen muss, ganz gleich, ob es sich um Wort- oder Bildbestandteile auf dem Etikett des konventionellen Erzeugnisses(47) oder auf seiner Verpackung oder um Bestandteile handelt, die die Form dieses Erzeugnisses betreffen oder wie es dem Publikum angeboten wird(48). Diese Prüfung muss auch die Identität oder den Ähnlichkeitsgrad zwischen den in Rede stehenden Erzeugnissen und deren Vermarktungsmodalitäten, auch was die jeweiligen Verkaufskanäle betrifft, sowie die Gesichtspunkte berücksichtigen, die die Feststellung ermöglichen, ob der Verweis auf das von der geschützten Bezeichnung erfasste Erzeugnis absichtlich oder hingegen zufällig ist. Die Feststellung einer Anspielung beruht deshalb auf der Beurteilung eines Bündels von Indizien, ohne dass das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines dieser Indizien für sich allein genommen erlaubt, das Vorliegen einer Anspielung zu bejahen oder auszuschließen.
55. Nach alledem bin ich der Ansicht, dass die Identität oder Vergleichbarkeit des Erzeugnisses, dem eine g.U. oder eine g.g.A. zugutekommt, mit dem Erzeugnis (oder der Dienstleistung), das (oder die) mit dem streitigen Zeichen gekennzeichnet ist, oder des erstgenannten Erzeugnisses mit einer charakterisierenden Zutat des zweitgenannten Erzeugnisses(49) kein Gesichtspunkt ist, der vorab zu prüfen ist, um gegebenenfalls eine Anspielung im Sinne des Art. 103 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1308/2013 von vornherein auszuschließen.
56. Nichtsdestoweniger stellt eine solche Identität oder Vergleichbarkeit – oder ihr Fehlen – einen Gesichtspunkt dar, der zu berücksichtigen ist, um im Rahmen einer Prüfung aller relevanten Umstände zu beurteilen, ob der Tatbestand einer solchen Anspielung konkret erfüllt ist. Dass diese Erzeugnisse gemeinsame objektive Merkmale aufweisen, bei identischen Gelegenheiten konsumiert werden oder ähnlich aussehen, aber auch dass sie miteinander konkurrieren oder einander ergänzen(50), ist daher ein relevantes Beurteilungskriterium, ebenso wie – wenn sich das streitige Zeichen auf eine Dienstleistung bezieht – der Umstand, dass diese mit dem Vertrieb des von der eingetragenen Bezeichnung erfassten Erzeugnisses oder eines identischen oder vergleichbaren Erzeugnisses zusammenhängt.
57. Angesichts der Fragen des vorlegenden Gerichts sind noch Klarstellungen zum Begriff des maßgeblichen Verbrauchers in Verfahren, die eine Anspielung betreffen, und zur „Abstufbarkeit“ der Anspielung vorzunehmen. Danach folgen einige Hinweise zur Anwendung der oben dargelegten Grundsätze auf den Ausgangsrechtsstreit.
1. Zu den maßgeblichen Verkehrskreisen
58. Da, wie gesehen, die Feststellung einer nach Art. 103 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1308/2013 verbotenen Anspielung nicht den Nachweis des Bestehens einer Verwechslungsgefahr verlangt, setzen sich die maßgeblichen Verkehrskreise, deren Wahrnehmung für die Beurteilung von Bedeutung ist, ob das streitige Zeichen geeignet ist, eine unzulässige Assoziation mit dem eingetragenen Namen hervorzurufen, anders als der Juzgado Mercantil de Barcelona (Handelsgericht Barcelona) in dem beim vorlegenden Gericht angefochtenen Urteil angenommen zu haben scheint, nicht allein aus der Zielgruppe der mit diesem Namen gekennzeichneten Erzeugnisse zusammen.
59. Insbesondere in Anbetracht der Ziele des Schutzes des lauteren Wettbewerbs und des Verbraucherschutzes, die mit den Schutzregelungen der g.U. und g.g.A. verfolgt werden, hat der Gerichtshof klargestellt, dass in Verfahren, die das Vorliegen einer Anspielung auf solche Namen betreffen, das nationale Gericht auf die Wahrnehmung eines „normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers“(51) abzustellen hat und dass sich in Anbetracht der Notwendigkeit, einen wirksamen und einheitlichen Schutz dieser Namen im gesamten Unionsgebiet sicherzustellen, dieser Begriff auf den europäischen Verbraucher bezieht(52) und nicht nur, wie GB fälschlicherweise anzunehmen scheint, auf einen Verbraucher des Mitgliedstaats, in dem das Erzeugnis hergestellt (oder die Dienstleistung erbracht) wird, mit dem (oder der) auf den eingetragenen Namen angespielt wird(53).
2. Zur „Abstufbarkeit“ der Anspielung
60. In der dritten Vorlagefrage geht es um die Möglichkeit, die „Gefahr einer Anspielung“ insbesondere anhand des Vergleichs zwischen den Erzeugnissen, auf die angespielt wird, und den Erzeugnissen und Dienstleistungen, mit denen angespielt wird, abzustufen und Sachverhalte vom Anwendungsbereich des Art. 103 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1308/2013 auszunehmen, bei denen diese Gefahr gering oder irrelevant ist.
61. Insoweit ist oben bereits geklärt worden, dass die nach dieser Bestimmung vorzunehmende Beurteilung im Licht aller relevanten Faktoren vorzunehmen ist, zu denen auch die Vergleichbarkeit der fraglichen Erzeugnisse (oder der Erzeugnisse, denen der eingetragene Name zugutekommt, und der mit dem streitigen Zeichen gekennzeichneten Dienstleistung) gehört, ohne dass allerdings das Vorliegen einer Anspielung automatisch wegen fehlender oder geringer Vergleichbarkeit ausgeschlossen werden könnte.
62. Dies vorausgeschickt fällt die Verwendung des streitigen Zeichens unter das Verbot des Art. 103 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1308/2013, wenn das nationale Gericht – von dem die besagte Beurteilung vorzunehmen ist(54) – auf der Grundlage der mutmaßlichen Reaktion des Verbrauchers(55) zu dem Ergebnis gelangt, dass dieser durch das streitige Zeichen veranlasst wird, „einen unmittelbaren gedanklichen Bezug“ zu der durch den eingetragenen Namen geschützten Ware „herzustellen“. Besteht dagegen nach dem Urteil des nationalen Gerichts keine Anfälligkeit für eine solche gedankliche Verbindung, ist davon auszugehen, dass eine Anspielung im Sinne dieser Bestimmung ausgeschlossen ist.
63. Somit ist der Begriff „Anspielung“ keiner Abstufung zugänglich. Die Konturen dieses Begriffs sind vom Gerichtshof bereits im Urteil Scotch Whisky Association herausgearbeitet worden, in dem, wie schon oben in Nr. 50 ausgeführt, klargestellt wurde, dass eine „Anspielung“ tatbestandlich nur bei „einem hinreichend unmittelbaren und eindeutigen Zusammenhang“(56) zwischen dem streitigen Zeichen und dem eingetragenen Namen als gegeben anzusehen ist(57). Ohne einen solchen „qualifizierten“ Zusammenhang muss eine Anspielung auch bei einer Bezugnahme auf den eingetragenen Namen und bei Vergleichbarkeit der fraglichen Erzeugnisse ausgeschlossen werden.
3. Anwendung auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens
64. Zwar ist es, wie bereits ausgeführt, Sache des vorlegenden Gerichts, im Licht aller vorstehend dargestellten Gesichtspunkte über den ihm unterbreiteten Fall zu entscheiden, doch kann der Gerichtshof in seiner Entscheidung auf ein Vorabentscheidungsersuchen gegebenenfalls Klarstellungen vornehmen, um diesem Gericht eine Richtschnur für seine Entscheidung zu geben(58).
65. Geht es wie im Ausgangsverfahren darum, in Bezug auf die Verwendung einer Bezeichnung festzustellen, ob eine Anspielung vorliegt, wird das nationale Gericht nach der oben angeführten Rechtsprechung den etwaigen teilweisen Einschluss der eingetragenen Bezeichnung in der streitigen Bezeichnung, eine klangliche und/oder visuelle Ähnlichkeit dieser Bezeichnung mit der eingetragenen Bezeichnung(59) oder auch eine inhaltliche Nähe der einander gegenüberstehenden Ausdrücke, selbst wenn sie verschiedenen Sprachen entstammen(60), berücksichtigen müssen.
66. Im Sachverhalt des Ausgangsverfahrens wurde die g.U. „Champagne“ in der Form, in der sie eingetragen wurde, teilweise in die streitige Bezeichnung eingeschlossen. Die spanische Übersetzung dieser g.U. („Champàn“) wurde indes (mit Ausnahme des Akzents) vollständig eingeschlossen. Daraus ergibt sich eine erhebliche visuelle wie auch klangliche Ähnlichkeit der beiden Bezeichnungen unabhängig davon, ob die Form, in der die g.U. „Champagne“ eingetragen wurde, berücksichtigt wird oder die spanische Übersetzung dieser Bezeichnung. In inhaltlicher Hinsicht besteht wohl, wie bereits ausgeführt, ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem von der g.U. „Champagne“ erfassten Erzeugnis, wenn – wie es scheint, aber vom vorlegenden Gericht zu bestätigen ist – im Spanischen der Ausdruck „Champanillo“ wörtlich „kleiner Champagner“ bedeutet.
67. Was die Gesichtspunkte anbelangt, die sich nicht auf den Vergleich der einander gegenüberstehenden Bezeichnungen beziehen, wird das vorlegende Gericht zunächst den Zusammenhang berücksichtigen müssen, der zwischen dem von der g.U. „Champagne“ erfassten Erzeugnis und der mit dem streitigen Zeichen gekennzeichneten Dienstleistung besteht, der, da es sich um Gastronomiedienstleistungen handelt, d. h. um Dienstleistungen, die unmittelbar mit der Vermarktung von Champagner oder von „vergleichbaren“ Erzeugnissen in Verbindung stehen können, kaum zu bestreiten scheint. Wie eng dieser Zusammenhang ist, wird zu beurteilen sein, indem geprüft wird, ob, wie es den Anschein hat, der Verkauf von Champagner oder gleichartigen Getränken auch in dem Gastronomiebereich, in dem GB tätig ist(61), nicht unüblich ist.
68. Ein weiterer Gesichtspunkt, der vom vorlegenden Gericht bei seiner Beurteilung zu berücksichtigen sein wird, besteht darin, dass die streitige Bezeichnung in den von GB verwendeten Firmenzeichen und Werbebotschaften mit einem Bild einhergeht, auf dem zwei (typischerweise für den Genuss von Champagner verwendete) Gläser in Form einer Schale mit Stiel abgebildet sind, die ein Schaumgetränk enthalten und sich in einer Weise treffen, die ein Anstoßen darstellt. Trotz der roten Farbe des Getränks hat diese Darstellung zweifellos das Potenzial einer Anspielung sowohl auf das von der g.U. „Champagne“ erfasste Erzeugnis als auch auf die Situationen, anlässlich deren dieses Erzeugnis typischerweise genossen wird.
69. Auch wenn schließlich die Feststellung einer Anspielung im Sinne von Art. 103 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1308/2013 nicht voraussetzt, dass es sich um ein absichtliches Verhalten handelt(62), stellt doch die Absichtlichkeit einen Gesichtspunkt dar, der im Rahmen dieser Feststellung zu berücksichtigen ist(63). Alle vorgenannten Faktoren – einschließlich des ehemaligen Anbietens eines Schaumweins unter dem besagten Namen CHAMPANILLO in den mit dem streitigen Zeichen gekennzeichneten Lokalen – sprechen aber in ihrer Gesamtheit betrachtet wohl eher gegen eine Zufälligkeit der Bezugnahme auf die g.U. „Champagne“.
70. Im Ergebnis neige ich – vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht zu treffenden Feststellungen – angesichts der sich aus der Akte ergebenden Umstände der Auffassung zu, dass ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger europäischer Durchschnittsverbraucher durch das Zeichen „Champanillo“, wie es von GB verwendet wird, um seine Gastronomiedienstleistungen zu kennzeichnen und zu bewerben, veranlasst wird, einen unmittelbaren gedanklichen Bezug zu dem von der g.U. „Champagne“ geschützten Erzeugnis herzustellen, so dass der Tatbestand einer unzulässigen Anspielung im Sinne des Art. 103 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1308/2013 erfüllt ist.
4. Ergebnis zur zweiten und zur dritten Vorlagefrage
71. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die zweite und die dritte Vorlagefrage zu antworten, dass es für die Feststellung, ob eine Anspielung auf eine g.U. im Sinne von Art. 103 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1308/2013 vorliegt, nicht erforderlich ist, vorab festzustellen, dass das von der g.U. erfasste Erzeugnis und das mit dem streitigen Zeichen gekennzeichnete Erzeugnis oder die damit gekennzeichnete Dienstleistung identisch oder vergleichbar sind oder dass das letztgenannte Erzeugnis unter seinen Zutaten das von der g.U. erfasste Erzeugnis enthält. Eine solche Identität oder Vergleichbarkeit – oder ihr Fehlen – stellt jedoch einen Gesichtspunkt dar, den das nationale Gericht zusammen mit jedem anderen relevanten Gesichtspunkt bei der Beurteilung des Vorliegens einer Anspielung im Sinne dieser Bestimmung zu berücksichtigen hat.
D. Zur vierten Vorlagefrage
72. Mit der vierten Vorlagefrage möchte die Audiencia Provincial de Barcelona (Provinzgericht Barcelona) vom Gerichtshof im Wesentlichen wissen, ob der in Art. 103 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1308/2013 vorgesehene Schutz gegen Anspielung die Feststellung des Vorliegens eines unlauteren Wettbewerbs erfordert.
73. Wie bereits ausgeführt, entspricht der Schutz der eingetragenen Namen, den die Qualitätsregelungen der Union errichten, eigenen Kriterien, die dem Erreichen der Ziele dieser Regelungen dienen(64). Diese Kriterien werden in den Bestimmungen über die verschiedenen Verletzungstatbestände in Bezug auf eingetragene Namen abschließend genannt, die in den sektorbezogenen und horizontalen Verordnungen mit den genannten Regelungen enthalten sind(65). Die betreffenden Bestimmungen müssen außerdem im gesamten Unionsgebiet einheitlich angewandt werden.
74. Was insbesondere den Schutz der eingetragenen Namen gegen Anspielung betrifft, ergibt sich aus den Antworten auf die ersten drei Vorlagefragen, dass dieser Schutz weder die Feststellung voraussetzt, dass die von dem eingetragenen Namen erfassten Erzeugnisse mit den Erzeugnissen oder Dienstleistungen, für die das streitige Zeichen verwendet wird, in einem Wettbewerbsverhältnis stehen oder dass für den Verbraucher hinsichtlich dieser Erzeugnisse und/oder Dienstleistungen eine Verwechslungsgefahr besteht, noch die Feststellung, dass den Verhaltensweisen, aus denen sich eine Anspielung ergeben kann, Absicht zugrunde liegt.
75. Auch wenn, wie von der Kommission vorgebracht, nicht ausgeschlossen ist, dass in ein und demselben Verhalten gleichzeitig eine nach Art. 103 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1308/2013 unzulässige Praxis und eine unlautere Wettbewerbshandlung im Sinne des anwendbaren nationalen Rechts liegen kann, ist daher der Anwendungsbereich dieser Bestimmung weiter und beschränkt sich nicht auf die Fälle, in denen dieses Verhalten von einem Wettbewerber an den Tag gelegt wird.
76. Mithin schlage ich vor, auf die vierte Vorlagefrage zu erkennen, dass der in Art. 103 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1308/2013 vorgesehene Schutz gegen Anspielung nicht auf Fälle beschränkt ist, in denen die Verhaltensweise, die zu einer Anspielung führt, eine unlautere Wettbewerbshandlung im Sinne der einschlägigen Bestimmungen des anwendbaren nationalen Rechts darstellt.
IV. Ergebnis
77. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen der Audiencia Provincial de Barcelona (Provinzgericht Barcelona, Spanien) wie folgt zu beantworten:
Art. 103 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse ist dahin auszulegen, dass auch auf Dienstleistungen bezogene Handlungen der widerrechtlichen Aneignung oder Nachahmung einer geschützten Ursprungsbezeichnung oder der Anspielung darauf in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen können.
Für die Feststellung, ob eine Anspielung auf eine geschützte Ursprungsbezeichnung im Sinne von Art. 103 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1308/2013 vorliegt, ist es nicht erforderlich, vorab festzustellen, dass das Erzeugnis, dem die geschützte Ursprungsbezeichnung zugutekommt, und das mit dem streitigen Zeichen gekennzeichnete Erzeugnis oder die damit gekennzeichnete Dienstleistung identisch oder vergleichbar sind oder dass das letztgenannte Erzeugnis unter seinen Zutaten das Erzeugnis enthält, dem die geschützte Ursprungsbezeichnung zugutekommt. Eine solche Identität oder Vergleichbarkeit – oder ihr Fehlen – stellt jedoch einen Gesichtspunkt dar, den das nationale Gericht zusammen mit jedem anderen relevanten Gesichtspunkt bei der Beurteilung des Vorliegens einer Anspielung im Sinne dieser Bestimmung zu berücksichtigen hat.
Der in Art. 103 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1308/2013 vorgesehene Schutz gegen Anspielung ist nicht auf Fälle beschränkt, in denen die Verhaltensweise, die zu einer Anspielung führt, eine unlautere Wettbewerbshandlung im Sinne der einschlägigen Bestimmungen des anwendbaren nationalen Rechts darstellt.