Urteil des Gerichts (Vierte Kammer) vom 16. September 2013 – Duravit u. a./Kommission
(Rechtssache T‑364/10)
„Wettbewerb – Kartelle – Belgischer, deutscher, französischer, italienischer, niederländischer und österreichischer Markt für Badezimmerausstattungen – Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 EWR-Abkommen festgestellt wird – Koordinierung von Preiserhöhungen und Austausch sensibler Geschäftsinformationen – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – Beweislast – Geldbußen – Gleichbehandlung – Verhältnismäßigkeit – Gesetzmäßigkeit der Strafen“
1. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Ermessen der Kommission – Gerichtliche Nachprüfung – Befugnis des Unionsrichters zu unbeschränkter Nachprüfung – Umfang – Berücksichtigung der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen – Grenzen – Beachtung der allgemeinen Grundsätze des Rechts (Art. 261 AEUV und 263 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 31; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission) (vgl. Randnrn. 42-45, 48, 55, 177, 358, 359, 364)
2. Gerichtliches Verfahren – Beweisaufnahme – Anhörung von Zeugen – Ermessen des Gerichts erster Instanz – Auswirkung des Grundsatzes des Rechts auf ein faires Verfahren (Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 68) (vgl. Randnrn. 49-53)
3. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Rechtlicher Rahmen – Art. 23 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1/2003 – Der Kommission durch diesen Artikel eingeräumtes Ermessen – Einführung von Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen durch die Kommission – Kein Verstoß gegen die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Strafen und der Rechtssicherheit (Art. 101 Abs. 1 AEUV und 290 Abs. 1 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2 und 3; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission) (vgl. Randnrn. 64-66, 71-81)
4. Recht der Europäischen Union – Allgemeine Rechtsgrundsätze – Rechtssicherheit – Gesetzmäßigkeit der Strafen – Bedeutung (Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 49 Abs. 1) (vgl. Randnrn. 67-69)
5. Kartelle – Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen, die eine einheitliche Zuwiderhandlung darstellen – Begriff – Gesamtkartell – Kriterien – Einziges Ziel – Länderübergreifende Verbindungen und Handelsströme – Modalitäten der Begehung der Zuwiderhandlung – Keine Auswirkung (Art. 101 Abs. 1 AEUV) (vgl. Randnrn. 90-92, 134, 139, 140, 143)
6. Recht der Europäischen Union – Grundsätze – Grundrechte – Unschuldsvermutung – Verfahren in Wettbewerbssachen – Anwendbarkeit (Art. 6 Abs. 2 EU; Art. 101 Abs. 1 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 47 und 48 Abs. 1) (vgl. Randnrn. 93-95)
7. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine im Abschluss einer wettbewerbswidrigen Vereinbarung bestehende Zuwiderhandlung festgestellt wird – Entscheidung, die sich auf Beweismittel stützt, die genügen, um das Vorliegen einer Zuwiderhandlung darzutun – Beweisrechtliche Obliegenheiten von Unternehmen, die die Zuwiderhandlung bestreiten (Art. 101 Abs. 1 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 2) (vgl. Randnrn. 96-99, 141, 144)
8. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Art des Nachweises – Indizienbündel – Bei jedem einzelnen Indiz erforderlicher Grad der Beweiskraft – Vorlage von Erklärungen anderer beschuldigter Unternehmen durch die Kommission – Beweiswert (Art. 101 Abs. 1 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 2) (vgl. Randnrn. 100-108, 186, 191, 195)
9. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Mitteilung der Beschwerdepunkte – Notwendiger Inhalt – Wahrung der Verteidigungsrechte – Zulässige Beweismittel (Art. 101 Abs. 1 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 27 Abs. 1) (vgl. Randnrn. 150, 160)
10. Kartelle – Verbot – Zuwiderhandlungen – Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen, die eine einheitliche Zuwiderhandlung darstellen – Zurechnung der Verantwortung an ein Unternehmen aufgrund einer Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Ganzes – Voraussetzungen – Stillschweigende Billigung ohne offene Distanzierung oder Anzeige bei den zuständigen Behörden ausreichend für die Verantwortlichkeit des Unternehmens (Art. 101 Abs. 1 AEUV) (vgl. Randnrn. 180-183, 249, 252)
11. Kartelle – Abgestimmte Verhaltensweise – Begriff – Mit der Pflicht jedes Unternehmens, sein Marktverhalten selbständig zu bestimmen, unvereinbare Koordinierung und Zusammenarbeit – Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern – Wettbewerbswidriger Zweck oder wettbewerbswidrige Wirkung – Vermutung – Voraussetzungen – Angeblich erzwungene Beteiligung – Umstand, der keinen Rechtfertigungsgrund für ein Unternehmen darstellt, das von der Möglichkeit einer Anzeige bei den zuständigen Behörden keinen Gebrauch gemacht hat (Art. 101 Abs. 1 AEUV) (vgl. Randnrn. 199, 210-212, 227, 233, 318)
12. Gerichtliches Verfahren – Klageschrift – Formerfordernisse – Kurze Darstellung der Klagegründe – Fehlen – Unzulässigkeit (Satzung des Gerichtshofs, Art. 21 Abs. 1; Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 44 § 1 Buchst. c) (vgl. Randnrn. 292-294)
13. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Wahrung der Verteidigungsrechte – Anhörung der Unternehmen – Erstellung eines Protokolls und Aufzeichnung der Anhörung – Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör – Fehlen (Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 41 Abs. 1; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 27 Abs. 1; Verordnung Nr. 773/2004 der Kommission, Art. 12 und 14 Abs. 8) (vgl. Randnrn. 344-350)
14. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlung – Beurteilungskriterien – Art der Zuwiderhandlung und Umfang des von der Zuwiderhandlung betroffenen räumlichen Marktes (Art. 101 Abs. 1 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2 und 3; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Nrn. 21 bis 23) (vgl. Randnrn. 370-373)
15. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Höchstbetrag – Berechnung – Unterscheidung zwischen dem Endbetrag und dem Zwischenbetrag der Geldbuße – Folgen (Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2) (vgl. Randnrn. 379-384)
Gegenstand
| Klage auf teilweise Nichtigerklärung des Beschlusses K(2010) 4185 endg. der Kommission vom 23. Juni 2010 in einem Verfahren nach Artikel 101 AEUV und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/39092 – Badezimmerausstattungen) und, hilfsweise, Herabsetzung der mit diesem Beschluss gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße |
Tenor
1. | | Art. 1 Abs. 1 Nr. 8 des Beschlusses K(2010) 4185 endg. der Kommission vom 23. Juni 2010 in einem Verfahren nach Artikel 101 AEUV und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/39092 – Badezimmerausstattungen) wird insoweit für nichtig erklärt, als die Europäische Kommission darin feststellt, dass sich die Duravit AG, die Duravit BeLux SPRL/BVBA und die Duravit SA an einer Zuwiderhandlung in Italien, Österreich und den Niederlanden beteiligt haben. |
2. | | Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. |
3. | | Die Duravit AG, die Duravit BeLux und die Duravit SA tragen drei Viertel ihrer Kosten. |
4. | | Die Kommission trägt ein Viertel der Kosten der Duravit AG, der Duravit BeLux und der Duravit SA sowie ihre eigenen Kosten. |
5. | | Der Rat der Europäischen Union trägt seine eigenen Kosten. |