Language of document : ECLI:EU:F:2011:191

BESCHLUSS DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
DER EUROPÄISCHEN UNION (Zweite Kammer)

7. Dezember 2011(*)

„Öffentlicher Dienst – Schadensersatzantrag wegen überlanger Prozessdauer – Unzuständigkeit des Gerichts – Verweisung an das Gericht der Europäischen Union“

In der Rechtssache F‑44/05 RENV

betreffend eine Klage nach den Art. 236 EG und 152 EA,

Guido Strack, ehemaliger Beamter der Europäischen Kommission, wohnhaft in Köln (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte H. Tettenborn und N. Lödler,

Kläger,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch H. Krämer und B. Eggers als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
(Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin M. I. Rofes i Pujol, der Richterin I. Boruta (Berichterstatterin) und des Richters K. Bradley,

Kanzlerin: W. Hakenberg,

folgenden

Beschluss

1        Herr Strack erhob mit Klageschrift, die am 17. Juni 2005 bei der Kanzlei des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften einging, eine Klage, mit der er im Wesentlichen die Aufhebung der Entscheidung, mit der seine Bewerbung um die Stelle eines Leiters des Referats „Ausschreibungen und Verträge“ des Amts für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften abgelehnt worden war, und der Entscheidung, Herrn A auf diese Stelle zu ernennen, sowie die Verurteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften auf Zahlung von Schadensersatz für den erlittenen immateriellen Schaden begehrte.

2        Mit Beschluss vom 15. Dezember 2005 verwies das Gericht erster Instanz die Rechtssache gemäß Art. 3 Abs. 3 des Beschlusses 2004/752/EG, Euratom des Rates vom 2. November 2004 zur Errichtung des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (ABl. L 333, S. 7) an dieses Gericht. Die Klage wurde unter dem Aktenzeichen F‑44/05 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen.

3        Mit Urteil vom 25. September 2008, Strack/Kommission (F‑44/05, im Folgenden: Urteil vom 25. September 2008), hob das Gericht die Entscheidung über die Ablehnung der Bewerbung des Klägers auf, verurteilte die Kommission, an den Kläger 2 000 Euro als Ersatz seines immateriellen Schadens zu zahlen, und wies die Klage im Übrigen ab.

4        Auf Rechtsmittel der Kommission und Anschlussrechtsmittel des Klägers hat das Gericht der Europäischen Union das Urteil vom 25. September 2008 teilweise aufgehoben und die Sache an das Gericht zurückverwiesen (Urteil vom 9. Dezember 2010, Kommission/Strack, T‑526/08 P, im Folgenden: Urteil des Gerichts der Europäischen Union). Die Rechtssache ist unter dem Aktenzeichen F-44/05 RENV in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen und der Zweiten Kammer der Gerichts zugewiesen worden.

5        Am 21. Februar bzw. 12. April 2011 haben der Kläger und die Kommission auf der Grundlage von Art. 114 Abs. 1 der Verfahrensordnung jeweils einen Schriftsatz eingereicht. Der Kläger hat in seinem Schriftsatz zum Urteil des Gerichts der Europäischen Union Stellung genommen und außerdem u. a. Schadensersatz wegen überlanger Prozessdauer beantragt.

 Vorbringen des Klägers

6        Der Kläger wirft den Gerichten der Europäischen Union vor, ihr Urteil jeweils verspätet erlassen zu haben. So seien von der Erhebung der Klage vor dem Gericht erster Instanz am 17. Juni 2005 bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Gericht am 11. Juli 2007 über zwei Jahre vergangen. Sodann seien von der mündlichen Verhandlung bis zur Verkündung des Urteils am 25. September 2008 erneut mehr als 14 Monate verstrichen. Das Rechtsmittelverfahren habe, obwohl er auf eine mündliche Verhandlung verzichtet habe, zwei Jahre gedauert.

7        Infolgedessen liege eine überlange Prozessdauer vor, wegen der Schadensersatz verlangt werde. Falls jedoch dieser Schadensersatzanspruch nach Ansicht des Gerichts nicht unmittelbar im Rahmen des Verfahrens F‑44/05 RENV zu behandeln sein sollte, weil er als selbständiger Antrag an den Gerichtshof der Europäischen Union zu richten sei, solle der vorliegende Antrag als solcher behandelt und an die zuständigen Stellen des Gerichtshofs weitergeleitet werden.

 Würdigung durch das Gericht

8        Nach Art. 1 des Anhangs I der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist das Gericht für Streitsachen zwischen der Union und deren Bediensteten gemäß Art. 270 AEUV zuständig. Außerdem bewegt sich nach ständiger Rechtsprechung ein Schadensersatzprozess zwischen einem Beamten und dem Organ, dem er angehört oder angehörte, nur dann im Rahmen von Art. 270 AEUV, wenn der betreffende Schaden in einem Dienstverhältnis wurzelt, das den Betroffenen an ein Organ bindet oder band (vgl. Urteil des Gerichts vom 12. Mai 2011, Missir Mamachi di Lusignano/Kommission, F‑50/09, Randnr. 116 und die dort angeführte Rechtsprechung, Rechtsmittel beim Gericht der Europäischen Union anhängig, Rechtssache T‑401/11 P).

9        Im vorliegenden Fall hat der Kläger in seinem Schriftsatz vom 21. Februar 2011 in der Rechtssache F‑44/05 RENV einen Schadensersatzantrag wegen überlanger Dauer des Verfahrens gestellt. Aus den Randnrn. 78 bis 85 dieses Schriftsatzes und insbesondere dessen Randnr. 81 geht jedoch hervor, dass sich dieser Antrag teilweise auf die überlange Dauer des gerichtlichen Verfahrens bezieht. Folglich ist festzustellen, dass das Gericht für die Entscheidung über den Antrag auf Schadensersatz wegen überlanger Verfahrensdauer offensichtlich unzuständig ist, soweit er das gerichtliche Verfahren betrifft, und zwar unbeschadet der weiteren Schadensersatzanträge des Klägers in seinem Schriftsatz. Denn der behauptete Schaden wurzelt nicht in dem Dienstverhältnis des Klägers zur Kommission, sondern in der angeblich den Gerichten der Europäischen Union anzulastenden Verzögerung der Entscheidung, die sein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf verletze.

10      Insoweit ist festzustellen, dass das Gericht nach Art. 73 seiner Verfahrensordnung „den Rechtsstreit an den Gerichtshof oder an das Gericht der Europäischen Union [verweist], wenn es feststellt, dass die bei ihm erhobene Klage in die Zuständigkeit des Gerichtshofs oder des Gerichts der Europäischen Union fällt“. Da eine Klageschrift nur das Medium ist, mit dem eine Gesamtheit von Anträgen gestellt wird, kann jeder Antrag mit eigenständiger sachlicher Grundlage als Klage im Sinne von Art. 73 der Verfahrensordnung gelten. Nach Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 1 AEUV und Art. 51 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs ist das Gericht der Europäischen Union für Entscheidungen im ersten Rechtszug über Schadensersatzklagen zuständig, die von Einzelnen erhoben werden, sofern diese Klagen ihren Ursprung nicht in einem Dienstverhältnis haben, das den Betroffenen an ein Organ bindet oder band (vgl. Urteil des Gerichts vom 12. Mai 2011, Missir Mamachi di Lusignano/Kommission, F‑50/09, Randnr. 116 und die dort angeführte Rechtsprechung).

11      Daher ist der Antrag auf Schadensersatz wegen überlanger Prozessdauer, den der Kläger in den Randnrn. 78 bis 85 seines Schriftsatzes vom 21. Februar 2001 begründet hat und der unter A.4 der in diesem Schriftsatz gestellten Anträge aufgeführt ist, zur Entscheidung an das Gericht der Europäischen Union zu verweisen, ohne dass damit die Entscheidung über die Frage der Zulässigkeit des Antrags nach dessen Verfahrensordnung vorweggenommen wird, insbesondere da der Kläger den Schadensersatzantrag in seinem Schriftsatz nach Art. 114 Abs. 1 der Verfahrensordnung und nicht mit besonderem Schriftsatz gestellt hat.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
(Zweite Kammer)

beschlossen:

1.      Der Antrag auf Schadensersatz wegen überlanger Prozessdauer, den Herr Strack in den Randnrn. 78 bis 85 des Schriftsatzes vom 21. Februar 2001 begründet hat und der unter A.4 der Anträge dieses Schriftsatzes aufgeführt ist, wird an das Gericht der Europäischen Union verwiesen.

2.      Die Entscheidung über die im Zusammenhang mit diesem Antrag entstandenen Kosten bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 7. Dezember 2011

Die Kanzlerin

 

      Die Präsidentin

W. Hakenberg

 

      M. I. Rofes i Pujol


* Verfahrenssprache: Deutsch.