Language of document :

Vorabentscheidungsersuchen der Rechtbank Den Haag, zittingsplaats ̓s-Hertogenbosch (Niederlande), eingereicht am 18. März 2022 – F/Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid

(Rechtssache C-208/22)

Verfahrenssprache: Niederländisch

Vorlegendes Gericht

Rechtbank Den Haag, zittingsplaats ̓s-Hertogenbosch

Parteien des Ausgangsverfahrens

Kläger: F

Beklagter: Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid

Vorlagefragen

Ist die Dublin-Verordnung1 angesichts ihrer Erwägungsgründe 3, 32 und 39 in Verbindung mit den Art. 1, 4, 18, 19 und 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen und anzuwenden, dass der Grundsatz des zwischenstaatlichen Vertrauens nicht teilbar ist, so dass schwerwiegende und systematische Verstöße gegen das Unionsrecht, die vom eventuell zuständigen Mitgliedstaat vor der Überstellung gegenüber Drittstaatsangehörigen begangen werden, die (noch) keine Dublin-Rückkehrer sind, der Überstellung an diesen Mitgliedstaat absolut entgegenstehen?

Bei Verneinung dieser Frage: Ist Art. 3 Abs. 2 der Dublin-Verordnung in Verbindung mit den Art. 1, 4, 18, 19 und 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass, wenn der eventuell zuständige Mitgliedstaat das Unionsrecht auf schwerwiegende und systematische Weise verletzt, der überstellende Mitgliedstaat im Rahmen der Dublin-Verordnung nicht ohne Weiteres vom Grundsatz des zwischenstaatlichen Vertrauens ausgehen darf, sondern alle Zweifel daran beseitigen muss, dass der Antragsteller nach seiner Überstellung nicht in eine Situation geraten wird, die Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union widerspricht, bzw. glaubhaft machen muss, dass dies nicht geschehen wird?

Mit welchen Beweismitteln kann der Antragsteller seine Argumente, dass Art. 3 Abs. 2 der Dublin-Verordnung seiner Überstellung entgegensteht, untermauern, und welcher Beweismaßstab ist dabei anzuwenden? Hat der überstellende Mitgliedstaat angesichts der Verweise auf den unionsrechtlichen Besitzstand in den Erwägungsgründen der Dublin-Verordnung eine Pflicht zur Zusammenarbeit und/oder eine Vergewisserungspflicht bzw. müssen bei schwerwiegenden und systematischen Grundrechtsverstößen gegenüber Drittstaatsangehörigen individuelle Garantien vom zuständigen Mitgliedstaat eingeholt werden, dass die Grundrechte des Antragstellers nach seiner Überstellung (sehr wohl) beachtet werden? Fällt die Antwort auf diese Frage anders aus, wenn sich der Antragsteller in Beweisnot befindet, sofern er seine konsistenten und detaillierten Erklärungen nicht mit Dokumenten belegen kann, während dies angesichts der Art der Erklärungen nicht erwartet werden kann?

Fällt die Antwort auf die vorstehenden Fragen unter 3 anders aus, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass Beschwerden bei den Behörden und/oder die Einlegung von Rechtsbehelfen im zuständigen Mitgliedstaat nicht möglich und/oder nicht wirksam sind?

____________

1     Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. 2013, L 180, S. 31).