Language of document : ECLI:EU:T:2005:430

Rechtssache T‑62/02

Union Pigments AS

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Wettbewerb – Artikel 81 EG – Kartell – Zinkphosphatmarkt – Geldbuße – Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 – Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung – Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung – Nichtigkeitsklage“

Leitsätze des Urteils

1.      Wettbewerb – Kartelle – Vereinbarungen zwischen Unternehmen – Beweislast der Kommission für die Zuwiderhandlung und ihre Dauer – Unternehmen, das sich vorübergehend vom Kartell zurückgezogen hat, um aus diesem mehr Vorteile für sich herauszuholen – Kein tatsächlicher Rückzug

(Artikel 81 Absatz 1 EG)

2.      Wettbewerb – Kartelle – Vereinbarungen zwischen Unternehmen – Angeblich erzwungene Beteiligung – Umstand, der keinen Rechtfertigungsgrund für ein Unternehmen darstellt, das von der Möglichkeit einer Anzeige bei den zuständigen Behörden keinen Gebrauch gemacht hat

(Artikel 81 Absatz 1 EG; Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 3)

3.      Wettbewerb – Kartelle – Zurechnung an ein Unternehmen – Verantwortlichkeit für Handlungen anderer Unternehmen im Rahmen der gleichen Zuwiderhandlung – Zulässigkeit – Kriterien

(Artikel 81 Absatz 1 EG)

4.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlungen – Mildernde Umstände – Abstellung der Zuwiderhandlung nach Eingreifen der Kommission – Einzelfallprüfung

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2)

5.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlungen – Berücksichtigung der Auswirkungen der gesamten Zuwiderhandlung

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nr. 1 A)

6.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlungen – Grundsatz der individuellen Festsetzung von Sanktionen – Anwendung bei der Berücksichtigung mildernder oder erschwerender Umstände

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15)

7.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlungen – Mildernde Umstände – Passive Mitwirkung oder Mitläufertum des Unternehmens

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nrn. 2 und 3)

8.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlungen – Mildernde Umstände – Von den kartellinternen Vereinbarungen abweichendes Verhalten – Beurteilung

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15)

9.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Messung der tatsächlichen Fähigkeit, auf dem betroffenen Markt eine Schädigung herbeizuführen – Erheblichkeit der Marktanteile des betroffenen Unternehmens

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2)

10.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Einteilung der betroffenen Unternehmen in Gruppen mit einem für die jeweilige Gruppe gleichen Ausgangsbetrag – Voraussetzungen

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2)

11.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Keine Notwendigkeit, den Umsatz der betroffenen Unternehmen zu berücksichtigen und die Geldbußen proportional zu diesem Umsatz festzusetzen

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2)

12.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Durch Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 festgelegte Grenze – Anwendungsmodalitäten

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2)

13.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Abschreckung sowohl des Unternehmens, das die Zuwiderhandlung begangen hat, als auch Dritter – Festsetzung einer symbolischen Geldbuße wegen des vor Erlass der Sanktionsentscheidung gefassten Entschlusses des betroffenen Unternehmens, die Wettbewerbsvorschriften zu beachten – Ausschluss

(Artikel 81 EG und 82 EG; Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2)

14.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Keine Verpflichtung zur Berücksichtigung der finanziellen Situation des betroffenen Unternehmens – Tatsächliche Steuerkraft des Unternehmens in einem gegebenen sozialen Umfeld – Berücksichtigung – Festsetzung der Geldbußen in einer Höhe, die zum Konkurs oder zur Auflösung des betroffenen Unternehmens als Folge der Geldbuße führt – Kein grundsätzliches Verbot

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nr. 5 Buchstabe b)

1.      In einem Verfahren nach Artikel 81 Absatz 1 EG muss die Kommission nicht nur das Vorliegen eines Kartells, sondern auch dessen Dauer beweisen.

Bei einem Unternehmen, das sich vorübergehend von einem Kartell zurückgezogen hat, ist der Schluss zulässig, dass es an dem Kartell ohne wirkliche Unterbrechung teilgenommen hat, wenn es sich nicht endgültig vom Kartell zurückgezogen hat, um es der Kommission anzuzeigen oder um sich auf dem relevanten Markt zumindest wieder einem lauteren Wettbewerb entsprechend und unabhängig zu verhalten, sondern vielmehr versucht hat, seinen angeblichen Rückzug dazu zu nutzen, mehr Vorteile aus dem Kartell für sich herauszuholen.

(vgl. Randnrn. 36, 38, 42)

2.      Ein Unternehmen, das mit anderen an wettbewerbswidrigen Handlungen beteiligt ist, kann sich nicht darauf berufen, dass es von den anderen Teilnehmern zur Teilnahme an der Zuwiderhandlung gezwungen worden sei, da es wegen des auf es ausgeübten Drucks bei der zuständigen Behörde hätte Anzeige erstatten oder bei der Kommission einen Antrag nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 hätte stellen können, statt an diesen Handlungen teilzunehmen.

(vgl. Randnr. 63)

3.      Ein Unternehmen, das sich an einer vielgestaltigen Zuwiderhandlung gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften durch eigene Handlungen beteiligt hat, die den Begriff der auf ein wettbewerbswidriges Ziel gerichteten Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 EG erfüllen und zur Verwirklichung der Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit beitragen sollen, kann während der gesamten Zeit seiner Beteiligung an der genannten Zuwiderhandlung auch für das Verhalten verantwortlich sein, das andere Unternehmen im Rahmen dieser Zuwiderhandlung an den Tag legen, wenn das betreffende Unternehmen nachweislich von dem rechtswidrigen Verhalten der anderen Beteiligten weiß oder es vernünftigerweise vorhersehen kann und bereit ist, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen.

(vgl. Randnr. 87)

4.      Nummer 3 dritter Gedankenstrich der Leitlinien der Kommission für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, sieht eine Verringerung des Grundbetrags bei Beendigung der Verstöße nach dem ersten Eingreifen der Kommission (insbesondere Nachprüfungen) vor. Die Kommission ist jedoch nicht gehalten, die Beendigung einer Zuwiderhandlung grundsätzlich als mildernden Umstand zu berücksichtigen. Die Reaktion eines Unternehmens auf die Einleitung einer Untersuchung seiner Tätigkeiten kann nur unter Berücksichtigung der speziellen Umstände des konkreten Falles beurteilt werden.

(vgl. Randnr. 92)

5.      In Nummer 1 Abschnitt A der Leitlinien der Kommission für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, verpflichtet sich die Kommission ausdrücklich, bei der Ermittlung der Schwere eines Verstoßes neben seiner Art und dem Umfang des betreffenden räumlichen Marktes die konkreten Auswirkungen auf den Markt zu berücksichtigen, sofern diese messbar sind. Daraus folgt, dass die Schwere der Zuwiderhandlung zwar in einem ersten Schritt anhand der Merkmale der Zuwiderhandlung selbst, wie etwa ihrer Natur und ihrer Auswirkung auf den Markt, beurteilt wird, diese Beurteilung in einem zweiten Schritt aber entsprechend den individuellen Gegebenheiten im Fall des betreffenden Unternehmens modifiziert wird, wobei die Kommission neben der Größe und den Möglichkeiten des Unternehmens nicht nur etwaige erschwerende Umstände, sondern auch eventuelle mildernde Umstände berücksichtigt.

Wenn eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsvorschriften von mehreren Unternehmen begangen worden ist, sind für die Festsetzung der allgemeinen Höhe der Geldbußen nicht die Wirkungen zu berücksichtigen, die sich aus dem von einem Unternehmen behaupteten eigenen individuellen Verhalten ergeben, sondern die Wirkungen der Zuwiderhandlung, an der es teilgenommen hat, in ihrer Gesamtheit.

(vgl. Randnrn. 103-104, 106)

6.      Bei einer von mehreren Unternehmen begangenen Zuwiderhandlung gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften ist die relative Schwere des Tatbeitrags jedes einzelnen Unternehmens zu prüfen. Dies ist die logische Folge des Grundsatzes der individuellen Straf‑ und Sanktionsfestsetzung, wonach gegen ein Unternehmen nur Sanktionen für die Handlungen verhängt werden dürfen, die ihm individuell zur Last gelegt worden sind. Dieser Grundsatz gilt in allen Verwaltungsverfahren, die aufgrund der gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften zu Sanktionen führen können. So sehen die Nummern 2 und 3 der Leitlinien der Kommission für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, eine Abänderung des Grundbetrags der Geldbuße vor, je nachdem, ob im Fall des einzelnen Unternehmens erschwerende oder mildernde Umstände vorliegen.

Dabei kann sich ein Teilnehmer an einer Zuwiderhandlung grundsätzlich nicht auf einen mildernden Umstand berufen, den er mit dem Verhalten der anderen Teilnehmer an dieser Zuwiderhandlung begründet, wie z. B. die Tatsache, dass die anderen Kartellmitglieder sich früher oder stärker für das Kartell eingesetzt haben. Dies kann gegebenenfalls als erschwerender Umstand im Fall der letzteren, nicht aber als mildernder Umstand zugunsten der anderen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen gewertet werden.

(vgl. Randnrn. 118-120, 125)

7.      Eine ausschließlich passive Mitwirkung oder reines Mitläufertum eines Unternehmens bei einem Wettbewerbsverstoß stellt, wenn dies bewiesen ist, nach Nummer 3 erster Gedankenstrich der Leitlinien der Kommission für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, einen mildernden Umstand dar. Diese passive Rolle bedeutet, dass sich das betreffende Unternehmen nicht hervorgetan haben darf, d. h. nicht aktiv an der Ausarbeitung der wettbewerbswidrigen Vereinbarungen beteiligt gewesen ist. Als Anhaltspunkt für die passive Rolle eines Unternehmens innerhalb eines Kartells kann u. a. angesehen werden, dass es im Vergleich zu den normalen Mitgliedern des Kartells deutlich seltener an den Besprechungen teilgenommen hat, dass es spät in den Markt, auf dem die Zuwiderhandlung stattgefunden hat, eingetreten ist, unabhängig davon, wie lange es an der Zuwiderhandlung mitgewirkt hat, oder dass es entsprechende ausdrückliche Aussagen von Vertretern dritter an der Zuwiderhandlung beteiligter Unternehmen gibt.

(vgl. Randnr. 126)

8.      Bei der Bemessung der zu verhängenden Geldbuße ist nicht zwangsläufig als mildernder Umstand zu berücksichtigen, dass sich ein Unternehmen, dessen Beteiligung an einer Preisabsprache mit seinen Konkurrenten erwiesen ist, auf dem Markt nicht in der mit ihnen vereinbarten Weise verhalten hat. Ein Unternehmen, das trotz der Absprache mit seinen Konkurrenten eine andere als die vereinbarte Marktpolitik verfolgt, versucht möglicherweise nämlich nur, das Kartell zu seinem Vorteil auszunutzen.

(vgl. Randnr. 130)

9.      Wird für die Bemessung einer Geldbuße, die wegen Zuwiderhandlung gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften verhängt wird, die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der Urheber der Verstöße, den Wettbewerb zu schädigen, untersucht, was eine Beurteilung des tatsächlichen Gewichts dieser Unternehmen auf dem betreffenden Markt, d. h. ihren Einfluss auf diesen, einschließt, so vermittelt der Gesamtumsatz nur ein unvollständiges Bild der Verhältnisse. Es lässt sich nämlich nicht ausschließen, dass ein mächtiges Unternehmen mit vielen unterschiedlichen Geschäftsbereichen auf einem spezifischen Produktmarkt nur am Rande vertreten ist. Ebenso wenig lässt sich ausschließen, dass ein Unternehmen mit einer starken Stellung auf einem räumlichen Markt außerhalb der Gemeinschaft auf dem Markt der Gemeinschaft oder des Europäischen Wirtschaftsraums nur schwach vertreten ist. In diesen Fällen bedeutet der bloße Umstand, dass das betreffende Unternehmen einen hohen Gesamtumsatz erzielt, nicht unbedingt, dass es einen entscheidenden Einfluss auf den von der Zuwiderhandlung betroffenen Markt ausübt. Daher sind die Marktanteile eines Unternehmens, auch wenn sie nicht entscheidend für die Schlussfolgerung sein können, dass ein Unternehmen einer mächtigen Wirtschaftseinheit angehört, doch relevant für die Bestimmung des Einflusses, den das Unternehmen auf den Markt ausüben konnte.

(vgl. Randnr. 152)

10.    Wenn die Kommission die betroffenen Unternehmen für die Bemessung der Geldbußen wegen Verstoßes gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften in Gruppen einteilt, so dass für Unternehmen derselben Gruppe der gleiche Ausgangsbetrag gilt, muss bei der Aufteilung in Gruppen der Grundsatz der Gleichbehandlung beachtet werden, wonach vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist. Dementsprechend sehen die Leitlinien der Kommission für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, in Nummer 1 Abschnitt A Absatz 6 vor, dass bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung eine Differenzierung gerechtfertigt sein kann, wenn an einem Verstoß derselben Art Unternehmen von sehr unterschiedlicher Größe beteiligt waren. Im Übrigen muss die Höhe der Geldbußen zumindest in einem angemessenen Verhältnis zu den anderen Faktoren stehen, die für die Beurteilung der Schwere des Verstoßes eine Rolle gespielt haben.

Daher muss, wenn die Kommission eine solche Einteilung in Gruppen vornimmt, die Bestimmung der Schwellenwerte für jede der auf diese Weise gebildeten Gruppen schlüssig und objektiv gerechtfertigt sein.

(vgl. Randnrn. 154-156)

11.    Bei der Bemessung der Geldbußen wegen Wettbewerbsverstößen ist die Kommission nicht verpflichtet, bei ihrer Berechnung von Beträgen auszugehen, die auf dem Umsatz der betroffenen Unternehmen basieren. Wenn die Geldbußen gegen mehrere Unternehmen festgesetzt werden, die an ein und derselben Zuwiderhandlung beteiligt sind, müssen die von der Kommission für die betroffenen Unternehmen ermittelten endgültigen Beträge der Geldbußen dabei auch nicht jeden Unterschied zwischen den Unternehmen bei den Gesamt‑ oder Produktumsätzen widerspiegeln.

(vgl. Randnr. 159)

12.    Die Höchstgrenze nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17, wonach die Geldbuße, die gegen ein Unternehmen wegen Verstoßes gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften letztlich festgesetzt wird, im Fall, dass sie 10 % des Unternehmensumsatzes übersteigt, unbeschadet der Zwischenberechnungen zur Berücksichtigung der Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung herabzusetzen ist, verbietet der Kommission nicht, bei ihren Berechnungen einen Zwischenbetrag einzubeziehen, der 10 % des Umsatzes des betreffenden Unternehmens übersteigt, sofern der Endbetrag der gegen dieses Unternehmen festgesetzten Geldbuße diese Grenze nicht überschreitet.

(vgl. Randnr. 161)

13.    Die Tatsache, dass ein Unternehmen vor Erlass der Entscheidung, mit der eine Geldbuße gegen es festgesetzt worden ist, den Entschluss gefasst hat, die Wettbewerbsvorschriften zu beachten, ist kein ausreichender Grund dafür, dass die Kommission eine bloß symbolische Geldbuße gegen es verhängt. Nicht nur die Abschreckung des betroffenen Unternehmens, sondern auch die Abschreckung Dritter ist nämlich ein wichtiges Ziel des Artikels 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17.

(vgl. Randnr. 174)

14.    Die Kommission ist nicht verpflichtet, bei der Bemessung der Geldbuße wegen Verstoßes gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften die schlechte Finanzlage eines betroffenen Unternehmens zu berücksichtigen, da die Anerkennung einer solchen Verpflichtung darauf hinauslaufen würde, den am wenigsten den Marktbedingungen angepassten Unternehmen einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Diese Feststellung wird durch Nummer 5 Buchstabe b der Leitlinien der Kommission für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, nicht in Frage gestellt, wonach die tatsächliche Steuerkraft eines Unternehmens zu berücksichtigen ist. Letztere ist nämlich nur „im gegebenen sozialen Umfeld“ relevant, d. h. im Licht der Folgen, die die Zahlung der Geldbuße u. a. in Form einer Zunahme der Arbeitslosigkeit oder einer Beeinträchtigung der dem betreffenden Unternehmen vor‑ und nachgelagerten Wirtschaftssektoren hätte.

Dass eine Maßnahme einer Gemeinschaftsbehörde zum Konkurs oder zur Auflösung eines bestimmten Unternehmens führt, ist nach dem Gemeinschaftsrecht an und für sich nicht verboten. Die Auflösung eines Unternehmens in seiner bestehenden Rechtsform kann zwar die finanziellen Interessen der Eigentümer, Aktionäre oder Anteilseigner beeinträchtigen, bedeutet aber nicht, dass auch die durch das Unternehmen repräsentierten personellen, materiellen und immateriellen Mittel ihren Wert verlieren.

(vgl. Randnrn. 175-177)