Language of document : ECLI:EU:T:2019:296

BESCHLUSS DES GERICHTS (Achte Kammer)

6. Mai 2019(*)

„Nichtigkeitsklage – Wirtschafts- und Währungsunion – Bankenunion – Einheitlicher Abwicklungsmechanismus für Kreditinstitute und bestimmte Wertpapierfirmen (SRM) – Abwicklungsverfahren, das auf den Ausfall oder wahrscheinlichen Ausfall eines Unternehmens anzuwenden ist – Mutter- und Tochtergesellschaft – Erklärung des Ausfalls oder wahrscheinlichen Ausfalls durch die EZB – Verordnung (EU) Nr. 806/2014 – Vorbereitende Handlungen – Nicht anfechtbare Handlungen – Unzulässigkeit“

In der Rechtssache T‑281/18,

ABLV Bank AS mit Sitz in Riga (Lettland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte O. Behrends, M. Kirchner und L. Feddern,

Klägerin,

gegen

Europäische Zentralbank (EZB), vertreten durch G. Marafioti und E. Koupepidou als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt J. Rodríguez Cárcamo,

Beklagte,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung der Entscheidungen der EZB vom 23. Februar 2018, mit denen diese erklärt hat, dass die Klägerin und ihre Tochtergesellschaft, die ABLV Bank Luxembourg SA, im Sinne von Art. 18 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (ABl. 2014, L 225, S. 1) ausfallen oder wahrscheinlich ausfallen,

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. M. Collins sowie der Richter R. Barents und J. Passer (Berichterstatter),

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

 Vorgeschichte

1        Die Klägerin, die ABLV Bank AS, ist ein Kreditinstitut mit Sitz in Lettland und die Muttergesellschaft des Konzerns ABLV. Die ABLV Bank Luxembourg SA (im Folgenden: ABLV Luxembourg) ist ein Kreditinstitut mit Sitz in Luxemburg und eine der Tochtergesellschaften des Konzerns ABLV, dessen Alleinaktionärin die Klägerin ist.

2        Die Klägerin wird als „bedeutendes Unternehmen“ eingestuft und wird deshalb im Rahmen des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM), der durch die Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die EZB (ABl. 2013, L 287, S. 63) geschaffen wurde, von der Europäischen Zentralbank (EZB) beaufsichtigt.

3        Am 22. Februar 2018 übermittelte die EZB dem Einheitlichen Abwicklungsausschuss (SRB) den Entwurf ihrer Bewertung in Bezug auf den Ausfall oder wahrscheinlichen Ausfall der Klägerin und der ABLV Luxembourg, um diesen hierzu gemäß Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (ABl. 2014, L 225, S. 1) anzuhören.

4        Am 23. Februar 2018 gelangte die EZB zu dem Ergebnis, dass die Klägerin und ABLV Luxembourg im Sinne von Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend gelten. Die Bewertung der Klägerin und der ABLV Luxembourg wurde dem SRB am selben Tag übermittelt. Diese Bewertungen bilden die erste bzw. zweite angefochtene Handlung (im Folgenden zusammen: angefochtene Handlungen).

5        Direkte und indirekte Anteilseigner der Klägerin erhoben gegen diese Handlungen eine Klage, die unter dem Aktenzeichen T‑283/18 in das Register eingetragen wurde.

6        Am 23. Februar 2018 erließ der SRB zwei Beschlüsse (SRB/EES/2018/09 und SRB/EES/2018/10) in Bezug auf die Klägerin bzw. ABLV Luxembourg, in denen er sich der Bewertung, dass diese im Sinne von Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 806/2014 ausfallen oder wahrscheinlich ausfallen würden, anschloss, jedoch unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Klägerin und der ABLV Luxembourg sowie ihrer finanziellen und wirtschaftlichen Situation feststellte, dass kein öffentliches Interesse an einer Abwicklungsmaßnahme gegen sie bestehe.

7        Am selben Tag stellte der SRB diese Beschlüsse der jeweiligen Adressatin zu, und zwar der lettischen sowie der luxemburgischen nationalen Abwicklungsbehörde, nämlich der Finanšu un kapitāla tirgus komisija (Finanz- und Kapitalmarktkommission, Lettland, im Folgenden: CMFC) sowie der Commission de surveillance du secteur financier (Aufsichtsbehörde für den Finanzsektor, CSSF, Luxemburg).

8        Am 26. Februar 2018 leiteten die Anteilseigner der Klägerin ein Verfahren zu deren eigener Abwicklung ein und beantragten bei der CMFC die Genehmigung ihres freiwilligen Abwicklungsplans.

9        Mit Entscheidung der EZB vom 11. Juli 2018 wurde der Klägerin infolge des Vorschlags der CMFC die Zulassung entzogen.

 Verfahren und Anträge der Parteien

10      Mit Klageschrift, die am 3. Mai 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Nichtigkeitsklage erhoben.

11      Mit gesondertem Schriftsatz, der am 1. August 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die EZB eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben.

12      Am 18. September 2018 hat die Klägerin ihre Stellungnahme zur Einrede der Unzulässigkeit übermittelt.

13      Die Klägerin beantragt,

–        die Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen;

–        die Klage für zulässig zu erklären;

–        die angefochtenen Handlungen für nichtig zu erklären;

–        der EZB die Kosten aufzuerlegen.

14      Die EZB beantragt,

–        die Klage als unzulässig abzuweisen;

–        der Klägerin sämtliche Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

15      Nach Art. 130 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts kann die Beklagte vorab eine Entscheidung des Gerichts über die Unzulässigkeit beantragen. Gemäß Art. 130 Abs. 6 der Verfahrensordnung kann das Gericht beschließen, das mündliche Verfahren über die Einrede der Unzulässigkeit zu eröffnen.

16      Da im vorliegenden Fall die EZB beantragt hat, über die Unzulässigkeit zu entscheiden, beschließt das Gericht, das sich aufgrund der Aktenlage für hinreichend informiert hält, ohne Fortsetzung des Verfahrens über diesen Antrag zu entscheiden.

17      Die EZB erhebt zwei Einreden der Unzulässigkeit gegen die Klage. Im Rahmen der ersten Einrede der Unzulässigkeit führt sie aus, dass die angefochtenen Handlungen vorbereitende Handlungen seien, die eine nicht verbindliche Bewertung der Tatsachen enthielten, dass diese Handlungen nicht an das betreffende Institut, sondern an den SRB übermittelt worden seien, und dass sie nicht mit einer Nichtigkeitsklage angefochten werden könnten, sondern die Grundlage für die Annahme eines Abwicklungsplans oder eines Beschlusses, dass eine Abwicklung nicht im öffentlichen Interesse sei, durch den SRB bildeten. Die Einstufung der Bewertung des Ausfalls oder wahrscheinlichen Ausfalls durch die Klägerin sei fehlerhaft, da die EZB in dem für die Annahme eines Abwicklungsplans vorgesehenen Rahmen keine Entscheidungsbefugnis habe. Eine Bewertung des Ausfalls oder wahrscheinlichen Ausfalls sei eine notwendige Voraussetzung für die Annahme eines Abwicklungsplans. Ein Abwicklungsplan sei jedoch keine notwendige Folge einer Bewertung des Ausfalls oder des wahrscheinlichen Ausfalls.

18      Außerdem sehe die Verordnung Nr. 806/2014 keine Möglichkeit zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage gegen die Bewertung, dass ein Unternehmen ausfalle oder wahrscheinlich ausfalle, vor. Demgegenüber lege Art. 86 Abs. 2 dieser Verordnung ausdrücklich fest, dass die Beschlüsse des SRB Gegenstand einer solchen Klage sein können.

19      Da die Klägerin die Beschlüsse des SRB angefochten habe, indem sie eine Nichtigkeitsklage eingebracht habe, die unter dem Aktenzeichen T‑280/18 ins Register eingetragen worden sei, könnten die angeblichen Rechtsmängel der Bewertung des Ausfalls oder des wahrscheinlichen Ausfalls daher außerdem mit dieser Klage gegen die Beschlüsse des SRB geltend gemacht werden, wodurch der Klägerin ausreichender gerichtlicher Rechtsschutz geboten werden könne. Hierzu führt die EZB aus, dass sie erwäge, der unter dem Aktenzeichen T‑280/18 in das Register eingetragenen Rechtssache zur Unterstützung der Anträge des SRB beizutreten, um zugunsten der Rechtmäßigkeit der Bewertung hinsichtlich des Ausfalls oder des wahrscheinlichen Ausfalls zu argumentieren.

20      Im Rahmen der zweiten Einrede der Unzulässigkeit macht die EZB geltend, dass die Klägerin von der Bewertung des Ausfalls oder des wahrscheinlichen Ausfalls nicht unmittelbar betroffen sei, da sich diese Bewertung zum einen nicht unmittelbar auf ihre rechtliche Situation ausgewirkt habe und sie zum anderen den für die Umsetzung zuständigen Behörden ausreichend Ermessensspielraum gelassen habe.

21      Im Hinblick auf das Verfahren vor den luxemburgischen Gerichten bringt die EZB insbesondere vor, dass die Klägerin dort hätte geltend machen können, dass die Bewertung des Ausfalls oder des wahrscheinlichen Ausfalls rechtswidrig gewesen sei, und aufgrund der Möglichkeit, bei den nationalen Gerichten die Vorlage einer Frage an den Gerichtshof zu beantragen, insoweit um gerichtlichen Rechtsschutz hätte ersuchen können. Die Klägerin habe jedoch hierzu beim Tribunal d’arrondissement de Luxembourg (Bezirksgericht Luxemburg, Luxemburg) nichts vorgebracht, sondern gerügt, dass die Bewertung des Ausfalls oder des wahrscheinlichen Ausfalls für dieses Gericht keine bindende Rechtswirkung entfalte, da es sich nur um eine einfache Beurteilung des Sachverhalts handle.

22      Außerdem zeige das von der Klägerin im Rahmen ihrer Klage geltend gemachte Rechtsschutzinteresse, dass diese unbegründet sei.

23      In Beantwortung der ersten Einrede der Unzulässigkeit der EZB trägt die Klägerin zahlreiche Gründe vor, weshalb die angefochtenen Handlungen ihre rechtliche Situation verändert hätten. Erstens werde mit diesen Handlungen förmlich festgestellt, dass gegen rechtliche Verpflichtungen verstoßen worden sei, und eine solche Feststellung müsse gerichtlich überprüfbar sein. Zweitens stellten die angefochtenen Handlungen eine negative förmliche Beurteilung beider Banken dar, die gerichtlich überprüfbar sein müsse. Drittens setzten die angefochtenen Handlungen die Banken Abwicklungsmaßnahmen aus, die ohne sie nicht erlassen werden dürften. Die laut Klägerin von der EZB anerkannte Bindungswirkung dieser Bewertung für den SRB bedeute, dass keine der Banken die Annahme von Abwicklungsmaßnahmen gegen sie mit der Begründung, dass sie nicht ausfalle oder wahrscheinlich nicht ausfalle, verhindern könne, und das, selbst wenn der SRB diese Ansicht teile. Viertens hätten die angefochtenen Handlungen zu einer massiven Übertragung von Zuständigkeiten auf den SRB geführt, was sich auf dessen Rechtsstellung ausgewirkt habe. Fünftens hätten die angefochtenen Handlungen zu einer Änderung des Rechtsstatus der Banken geführt, die gerichtlich überprüfbar sein müsse. Sechstens hätten die angefochtenen Handlungen schließlich durch ihre Veröffentlichung faktisch zur Schließung der Banken geführt und daher die Rechte der beiden Banken sowie ihrer Anteilseigner verletzt.

24      Zudem sei eine Erklärung des Ausfalls oder des wahrscheinlichen Ausfalls funktional äquivalent zum Entzug der Zulassung und müsse daher ebenfalls gerichtlich überprüfbar sein.

25      Ferner entspreche der Wortlaut der angefochtenen Handlungen als öffentlich bekannt gegebene Erklärung nicht dem Vorbringen der EZB, wonach die Bewertung des Ausfalls oder des wahrscheinlichen Ausfalls nur eine einfache Bekanntgabe tatsächlicher Umstände sei, da diese Bewertung öffentlich als äußerst technisch und rechtlich bezeichnet worden sei.

26      Die angefochtenen Handlungen seien verbindlich, und es handle sich dabei um eine abschließende Beurteilung. Die Klägerin verweist hierfür insbesondere auf einen Auszug aus den angefochtenen Handlungen, wie sie auf der Website der EZB veröffentlicht worden seien, wonach „die EZB nach der Bewertung des Ausfalls oder des wahrscheinlichen Ausfalls den Einheitlichen Abwicklungsausschuss (SRB) ordnungsgemäß informiert hat, der festgestellt hat, dass keine Abwicklungsmaßnahme erforderlich sei, da dies bezüglich dieser Banken nicht im öffentlichen Interesse liege“, und „die Abwicklung dieser Banken folglich nach lettischem bzw. luxemburgischem Recht erfolgen soll“. Mit diesen Erklärungen habe die EZB abschließend über die Frage des Ausfalls oder des wahrscheinlichen Ausfalls entschieden.

27      Eine gerichtliche Überprüfung einer Bewertung des Ausfalls oder des wahrscheinlichen Ausfalls nur im Rahmen der Beschlüsse des SRB zu erlauben, verstoße gegen das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf, insbesondere für den Fall, dass nach der Bewertung der EZB kein Beschluss des SRB erfolge. Zudem müsse jedes Organ der Europäischen Union für seine Handlungen verantwortlich sein.

28      Zur zweiten Einrede der Unzulässigkeit der EZB stellt die Klägerin fest, dass diese auf einer falschen Prämisse beruhe.

29      Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung natürliche oder juristische Personen nach Art. 263 Abs. 4 AEUV nur solche Handlungen anfechten können, die bindende rechtliche Wirkung entfalten, so dass sie ihre Interessen beeinträchtigen, indem sie ihre rechtliche Situation in qualifizierter Weise verändern (Urteil vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, EU:C:1981:264, Rn. 9; Beschlüsse vom 30. April 2003, Schmitz-Gotha Fahrzeugwerke/Kommission, T‑167/01, EU:T:2003:121, Rn. 46, und vom 31. Januar 2006, Schneider Electric/Kommission, T‑48/03, EU:T:2006:34, Rn. 44).

30      Im Fall von Handlungen, die in mehreren Phasen eines internen Verfahrens ergehen, liegt eine anfechtbare Handlung grundsätzlich nur bei den Maßnahmen vor, die den Standpunkt des Organs bei Abschluss dieses Verfahrens endgültig festlegen, nicht aber bei Zwischenmaßnahmen, die die abschließende Entscheidung vorbereiten sollen (Urteile vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, EU:C:1981:264, Rn. 10, und vom 27. Juni 1995, Guérin automobiles/Kommission, T‑186/94, EU:T:1995:114, Rn. 39) und deren Rechtswidrigkeit im Rahmen einer gegen diese gerichteten Klage geltend gemacht werden kann (Beschluss vom 31. Januar 2006, Schneider Electric/Kommission, T‑48/03, EU:T:2006:34, Rn. 45).

31      Etwas anderes würde sich nur ergeben, wenn Handlungen oder Entscheidungen im Rahmen des vorbereitenden Verfahrens selbst ein besonderes Verfahren endgültig abschlössen, das sich von demjenigen unterscheidet, das dem Organ die Entscheidung in der Sache ermöglichen soll (Urteil vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, EU:C:1981:264, Rn. 11, und Beschluss vom 9. Juni 2004, Camós Grau/Kommission, T‑96/03, EU:T:2004:172, Rn. 30).

32      Eine Zwischenmaßnahme kann außerdem nicht Gegenstand einer Klage sein, wenn feststeht, dass die Rechtswidrigkeit dieser Handlung im Rahmen einer Klage gegen die endgültige Entscheidung, deren Vorbereitung sie dient, geltend gemacht werden kann. Unter derartigen Umständen bietet die Klage gegen die das Verfahren abschließende Entscheidung einen ausreichenden gerichtlichen Rechtsschutz (Urteil vom 13. Oktober 2011, Deutsche Post und Deutschland/Kommission, C‑463/10 P und C‑475/10 P, EU:C:2011:656, Rn. 53; vgl. in diesem Sinne auch Urteile vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, EU:C:1981:264, Rn. 12, und vom 24. Juni 1986, AKZO Chemie und AKZO Chemie UK/Kommission, 53/85, EU:C:1986:256, Rn. 19).

33      Im vorliegenden Fall ist anhand des Wesens der Handlungen zu prüfen, ob die angefochtenen Handlungen, wie von der EZB vorgetragen, eine Mitteilung an den SRB als Grundlage für die Annahme eines Abwicklungsplans oder eines Beschlusses, dass eine Abwicklung nicht im öffentlichen Interesse ist, darstellen, aber nicht die rechtliche Situation der Klägerin als solche verändern.

34      Die angefochtenen Handlungen umfassen eine Bewertung des Ausfalls oder des wahrscheinlichen Ausfalls durch die EZB. Diese hat im Rahmen der Annahme eines Abwicklungsplans keine Entscheidungsbefugnis. Nach dem 26. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 806/2014 steht es, obwohl die EZB und der SRB in der Lage sein sollten, zu bewerten, ob ein Kreditinstitut ausfällt oder wahrscheinlich ausfällt, nämlich allein dem SRB zu, die Voraussetzungen für eine Abwicklung zu beurteilen und einen Abwicklungsplan anzunehmen, wenn er der Ansicht ist, dass alle Voraussetzungen erfüllt sind. Außerdem geht aus Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 ausdrücklich hervor, dass es dem SRB obliegt, festzustellen, ob die drei in dieser Bestimmung festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind. Zwar verfügt die EZB über die Befugnis, eine Bewertung zur ersten Voraussetzung, nämlich zum Ausfall oder zum wahrscheinlichen Ausfall, zu übermitteln, aber es handelt sich eben nur um eine Bewertung, die für den SRB nicht verbindlich ist.

35      Es ist unstreitig, dass die Bewertung des Ausfalls oder des wahrscheinlichen Ausfalls der Klägerin und der ABLV Luxembourg von der EZB nach Anhörung des SRB durchgeführt wurde.

36      Folglich müssen die angefochtenen Handlungen als vorbereitende Handlungen im Verfahren, das es dem SRB ermöglichen soll, eine Entscheidung über die Abwicklung der in Rede stehenden Banken zu treffen, betrachtet werden und können daher nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein.

37      Im Übrigen ist festzustellen, dass die Klägerin auch gegen die Beschlüsse des SRB, die nach der Übermittlung der angefochtenen Handlungen durch die EZB auf der Grundlage von Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 erlassen wurden, eine unter dem Aktenzeichen T‑280/18 in das Register eingetragene Klage erhoben hat.

38      Daher sind die angefochtenen Handlungen entgegen dem Vorbringen der Klägerin keine anfechtbaren Handlungen im Sinne des Art. 263 AEUV.

39      Dieses Ergebnis wird durch das Vorbringen der Klägerin nicht in Frage gestellt.

40      Erstens sind die angefochtenen Handlungen entgegen dem Vorbringen der Klägerin keinesfalls förmliche Entscheidungen in Bezug auf die Verletzung ihrer eigenen rechtlichen Verpflichtungen und derjenigen ihrer Tochtergesellschaft, sondern eine Bewertung der EZB in Bezug auf den Ausfall oder den wahrscheinlichen Ausfall dieser Institute.

41      Zweitens geht das Vorbringen, dass eine negative förmliche Beurteilung gerichtlich überprüfbar sein müsse, im Hinblick auf die oben in Rn. 37 angeführten Gesichtspunkte ins Leere.

42      Drittens ist die Prämisse falsch, dass die angefochtenen Handlungen die Banken Abwicklungsmaßnahmen aussetzten, die ohne sie nicht erlassen werden dürften. Die Entscheidung über die Annahme solcher Maßnahmen obliegt nämlich, wie oben in Rn. 34 ausgeführt, ausschließlich dem SRB.

43      Viertens ist das Vorbringen, dass die angefochtenen Handlungen zu einer massiven Übertragung von Zuständigkeiten auf den SRB geführt hätten, vollkommen unerheblich.

44      Fünftens ist in Bezug auf das Argument, dass die Änderung des Rechtsstatus der Banken durch die angefochtenen Handlungen gerichtlich überprüfbar sein müsse, darauf hinzuweisen, dass zum einen der Rechtsstatus der Banken durch die angefochtenen Handlungen nicht verändert wurde und dass zum anderen dieses Vorbringen jedenfalls im Hinblick auf die oben in Rn. 37 angeführten Gesichtspunkte unerheblich ist.

45      Schließlich genügt in Antwort auf das sechste Vorbringen der Klägerin der Hinweis, dass die angefochtenen Handlungen nicht veröffentlicht wurden, sondern dass die EZB zwei Pressemitteilungen veröffentlicht hat, die keinesfalls den angefochtenen Handlungen entsprechen. Dieses Vorbringen geht daher ins Leere.

46      Zur von der Klägerin geltend gemachten funktionalen Äquivalenz zwischen einer Bewertung des Ausfalls oder des wahrscheinlichen Ausfalls und einem Entzug der Zulassung ist festzuhalten, dass diese Handlungen keinesfalls gleichwertig sind, auch wenn sich eine solche Bewertung auf die tatsächliche Feststellung stützen mag, dass die Voraussetzungen zur Aufrechterhaltung der Zulassung gemäß Art. 18 Abs. 4 Buchst. a der Verordnung Nr. 806/2014 nicht mehr erfüllt sind. Insoweit genügt die Feststellung, dass sich die Voraussetzungen für den Entzug der Zulassung, die in Art. 18 der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. 2013, L 176, S. 338) genannt sind, deutlich von den Erwägungen unterscheiden, die der Bewertung eines Ausfalls oder eines wahrscheinlichen Ausfalls zugrunde liegen, wie sie in Art. 18 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 festgelegt sind.

47      In Bezug auf den angeblich unterschiedlichen Wortlaut der Veröffentlichung auf der Website der EZB und der angefochtenen Handlungen ist darauf hinzuweisen, dass zur Feststellung, ob eine Handlung eine „Entscheidung“ darstellt, zu prüfen ist, ob das Organ, wenn man das Wesen der Handlung und die Absicht dieses Organs betrachtet, mit der untersuchten Maßnahme am Ende der Vorprüfungsphase ihren Standpunkt zu der angezeigten Maßnahme endgültig festgelegt hat (vgl. entsprechend Urteil vom 17. Juli 2008, Athinaïki Techniki/Kommission, C‑521/06 P, EU:C:2008:422, Rn. 46). Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den oben in den Rn. 32 bis 36 genannten Gründen aus dem Wesen der angefochtenen Handlungen, dass diese keinesfalls Entscheidungen, sondern vorbereitende Handlungen sind.

48      Die Feststellung, dass die Bewertung des Ausfalls oder des wahrscheinlichen Ausfalls nur eine einfache Beurteilung des Sachverhalts darstellt, die keine Rechtswirkung erzeugt, wurde zudem von der Klägerin selbst eingeräumt. Das Urteil des Tribunal d’arrondissement de Luxembourg vom 9. März 2018 erwähnt nämlich ausdrücklich, dass „sich die Parteien darüber einig sind, dass die Bewertungen und Feststellungen der EZB und des SRB im Rahmen der Verordnung für das mit der vorliegenden Klage befasste Gericht nicht verbindlich sind“.

49      Nach alledem ist festzustellen, dass die angefochtenen Handlungen vorbereitende Handlungen sind, die die rechtliche Situation der Klägerin nicht verändern. Denn es handelt sich bei ihnen um eine Bewertung des Sachverhalts durch die EZB zur Frage des Ausfalls oder des wahrscheinlichen Ausfalls der Klägerin und ihrer Tochtergesellschaft, die keineswegs bindend ist, sondern die Grundlage für die Annahme eines Abwicklungsplans oder eines Beschlusses, dass eine Abwicklung nicht im öffentlichen Interesse ist, darstellt.

50      Nach alledem ist die Klage insgesamt als unzulässig abzuweisen, ohne dass es erforderlich wäre, die zweite von der EZB erhobene Einrede der Unzulässigkeit zu prüfen.

 Kosten

51      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der EZB die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

beschlossen:

1.      Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2.      Die ABLV Bank AS trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Europäischen Zentralbank (EZB).

Luxemburg, den 6. Mai 2019

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

A. M. Collins


*      Verfahrenssprache: Englisch.