Language of document : ECLI:EU:C:2017:125

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

16. Februar 2017(*)

„Rechtsmittel – Wettbewerb – Kartelle – Europäischer Markt für Paraffinwachse und deutscher Markt für Paraffingatsch – Festsetzung der Preise und Aufteilung der Märkte – Begründungspflicht – Nachweis der Zuwiderhandlung – Verfälschung von Beweisen – Verordnung (EG) Nr. 1/2003 – Art. 23 Abs. 2 –Berechnung der Geldbuße – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen von 2006 – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“

In der Rechtssache C‑95/15 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 24. Februar 2015,

H&R ChemPharm GmbH mit Sitz in Salzbergen (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt M. Klusmann und Professor S. Thomas,

Rechtsmittelführerin,

andere Partei des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch R. Sauer, C. Vollrath und L. Wildpanner als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt A. Böhlke,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt



DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça (Berichterstatter), der Richterin M. Berger sowie der Richter A. Borg Barthet, E. Levits und F. Biltgen,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die H&R ChemPharm GmbH die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 12. Dezember 2014, H&R ChemPharm/Kommission (T‑551/08, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2014:1081), mit dem ihre Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung K(2008) 5476 endg. vom 1. Oktober 2008 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/39181 – Kerzenwachse) (im Folgenden: streitige Entscheidung) und, hilfsweise, auf Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbuße abgewiesen wurde.

 Rechtlicher Rahmen

2        Die Abs. 2 und 3 von Art. 23 („Geldbußen“) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) lauten:

„(2)      Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen verhängen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig

a)      gegen Artikel 81 oder Artikel 82 [EG] verstoßen …

Die Geldbuße für jedes an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen oder jede beteiligte Unternehmensvereinigung darf 10 % seines bzw. ihres jeweiligen im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes nicht übersteigen.

(3)      Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen.“

3        In den Ziff. 5, 6, 13, 15, 21 und 25 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2, im Folgenden: Leitlinien von 2006) heißt es:

„5.      … [D]ie Geldbußen [sollten] auf der Grundlage des Wertes der verkauften Waren oder Dienstleistungen berechnet werden, mit denen der Verstoß in Zusammenhang steht. Auch die Dauer der Zuwiderhandlung sollte bei der Bestimmung des angemessenen Betrags der Geldbuße eine wichtige Rolle spielen …

6.      Die Verbindung des Umsatzes auf den vom Verstoß betroffenen Märkten mit der Dauer stellt eine Formel dar, die die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung und das jeweilige Gewicht des einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmens angemessen wiedergibt. Sie vermittelt Aufschluss über die Größenordnung der Geldbuße und sollte nicht als Grundlage für eine automatische arithmetische Berechnungsmethode verstanden werden.

13.      Zur Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße verwendet die Kommission den Wert der von dem betreffenden Unternehmen im relevanten räumlichen Markt innerhalb des EWR verkauften Waren oder Dienstleistungen, die mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren … Zusammenhang stehen. Im Regelfall ist der Umsatz im letzten vollständigen Geschäftsjahr zugrunde zu legen, in dem das Unternehmen an der Zuwiderhandlung beteiligt war (nachstehend ‚Umsatz‘).

15.      Die Kommission bestimmt den Umsatz eines Unternehmens mittels der zuverlässigsten Daten, die von diesem Unternehmen verfügbar sind.

21.      Grundsätzlich kann ein Betrag von bis zu 30 % des Umsatzes festgesetzt werden.

25.      Zusätzlich, unabhängig von der Dauer der Beteiligung eines Unternehmens an der Zuwiderhandlung, fügt die Kommission einen Betrag zwischen 15 % und 25 % des Umsatzes … hinzu[,] um die Unternehmen von vornherein an der Beteiligung an horizontalen Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen, Aufteilung von Märkten oder Mengeneinschränkungen abzuschrecken …“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

4        Der Sachverhalt ist in den Rn. 1 bis 13 des angefochtenen Urteils wie folgt dargestellt worden:

„1.      Verwaltungsverfahren und Erlass der [streitigen] Entscheidung

1      Mit der [streitigen] Entscheidung … stellte die Kommission … fest, dass [H&R ChemPharm] gemeinsam mit anderen Unternehmen eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG und gegen Art. 53 Abs. 1 des Abkommens über den [EWR] begangen habe, indem sie sich an einem Kartell auf dem EWR-Markt für Paraffinwachse und dem deutschen Markt für Paraffingatsch beteiligt habe.

2      Die [streitige] Entscheidung ist an folgende Gesellschaften gerichtet: die Eni SpA, die Esso Deutschland GmbH, die Esso Société Anonyme Française, die ExxonMobil Petroleum and Chemical BVBA und die Exxon Mobil Corp. (im Folgenden zusammen: ExxonMobil), H&R ChemPharm, die H&R Wax Company Vertrieb GmbH und die Hansen & Rosenthal KG (im Folgenden zusammen: H&R), die Tudapetrol Mineralölerzeugnisse Nils Hansen KG (im Folgenden: Tudapetrol), die MOL Nyrt., die Repsol YPF Lubricantes y Especialidades SA, die Repsol Petróleo SA und die Repsol YPF SA (im Folgenden zusammen: Repsol), die Sasol Wax GmbH, die Sasol Wax International AG, die Sasol Holding in Germany GmbH und die Sasol Ltd (im Folgenden zusammen: Sasol), die Shell Deutschland Oil GmbH, die Shell Deutschland Schmierstoff GmbH, die Deutsche Shell GmbH, die Shell International Petroleum Company Ltd, die Shell Petroleum Company Ltd, die Shell Petroleum NV und die Shell Transport and Trading Company Ltd (im Folgenden zusammen: Shell), die RWE Dea AG und die RWE AG (im Folgenden zusammen: RWE) sowie die Total SA und die Total France SA (im Folgenden zusammen: Total) …

9      In der [streitigen] Entscheidung vertritt die Kommission aufgrund der ihr vorliegenden Beweise die Ansicht, dass die Adressaten – die meisten Paraffinwachs- und Paraffingatschhersteller im EWR – an einer einzigen, komplexen und fortdauernden Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen teilgenommen hätten, die den EWR betroffen habe. Die Zuwiderhandlung habe in Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen bestanden, die darauf abgezielt hätten, auf dem Markt für Paraffinwachse Preise festzusetzen und kommerziell empfindliche Informationen auszutauschen und offenzulegen (im Folgenden: Haupttatkomplex). Im Fall von RWE (später Shell), ExxonMobil, MOL, Repsol, Sasol und Total habe die Zuwiderhandlung auch darin bestanden, Paraffinwachs-Kunden und ‑Märkte aufzuteilen (im Folgenden: zweiter Tatkomplex). Die von RWE, ExxonMobil, Sasol und Total begangene Zuwiderhandlung habe auch auf dem deutschen Markt an Endabnehmer verkauftes Paraffingatsch betroffen (im Folgenden: Tatkomplex Paraffingatsch) …

10      Die rechtswidrigen Verhaltensweisen seien konkret bei wettbewerbswidrigen Treffen, die von den Teilnehmern als ‚technische Treffen‘ oder mitunter als ‚Blauer Salon‘ bezeichnet worden seien, und bei ‚Paraffingatsch-Treffen‘ erfolgt, die speziell Fragen zum Paraffingatsch gewidmet gewesen seien.

12      Die [streitige] Entscheidung enthält u. a. folgende Bestimmungen:

Artikel 1

Die folgenden Unternehmen haben eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 Absatz 1 [EG] und – seit dem 1. Januar 1994 – gegen Artikel 53 EWR-Abkommen begangen, indem sie sich in den jeweils genannten Zeiträumen an einer fortdauernden Vereinbarung und/oder einer fortdauernden abgestimmten Verhaltensweise im Paraffinwachssektor auf dem Gemeinsamen Markt und, seit 1. Januar 1994, im Europäischen Wirtschaftsraum beteiligten:

Tudapetrol Mineralölerzeugnisse Nils Hansen KG: vom 24. März 1994 bis zum 30. Juni 2002;

H&R Wax Company Vertrieb GmbH: vom 1. Januar 2001 bis zum 28. April 2005;

Hansen & Rosenthal KG: vom 1. Januar 2001 bis zum 28. April 2005;

[H&R ChemPharm]: vom 1. Juli 2001 bis zum 28. April 2005;

Artikel 2

Für die in Artikel 1 genannte Zuwiderhandlung werden folgende Geldbußen festgesetzt:

Tudapetrol Mineralölerzeugnisse Nils Hansen KG: 12 000 000 [Euro];

Hansen & Rosenthal KG gesamtschuldnerisch mit … H&R Wax Company Vertrieb GmbH: 24 000 000 [Euro],

davon gesamtschuldnerisch mit

[H&R ChemPharm]: 22 000 000 [Euro];

…‘

2.      Verhältnis zwischen der H&R-Gruppe und Tudapetrol

13      In der [streitigen] Entscheidung hat die Kommission festgestellt:

‚(22)      Die [H&R-]Gruppe … handelt weltweit mit Mineralölerzeugnissen. … Tudapetrol … war die Handels- und Vertriebsgesellschaft für Hansen & Rosenthal für Paraffinwachs und Paraffingatsch. Der Untersuchung zufolge sind Hansen & Rosenthal und Tudapetrol zwei getrennte und unabhängige Unternehmen, sie werden aber aufgrund der engen persönlichen Verbindungen einerseits … und der Vertriebsverbindungen zwischen Hansen & Rosenthal und Tudapetrol andererseits im Folgenden als „H&R/Tudapetrol“ bezeichnet. …

(23)      H&R/Tudapetrol stieg am 24. März 1994 in das Paraffingeschäft ein, als die Hansen & Rosenthal KG im Rahmen einer gemeinsamen [Akquisition] von der Wintershall AG, einer Tochter der BASF, eine in Salzbergen angesiedelte Raffinerie für Schmierstoffe erwarb (SRS GmbH) und diese in eine Produktionsgesellschaft umwandelte.

(24)      Die Raffinerie in Salzbergen (SRS GmbH) wird von der H&R Chemisch-Pharmazeutische Spezialitäten GmbH, einer 100%igen Tochter [von H&R ChemPharm], betrieben. Die H&R ChemPharm GmbH wiederum ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der H&R Wasag AG. Hauptanteilseigner der H&R Wasag AG ist die H&R Beteiligung GmbH. … Die H&R Beteiligung GmbH befindet sich im Eigentum der H&R Wax Company Vertrieb GmbH, einer 100%igen Tochter der Hansen & Rosenthal KG (der Muttergesellschaft der H&R-Gruppe).

(25)      Für den Vertrieb von Paraffinwachs und Paraffingatsch war ursprünglich das unabhängige Unternehmen Tudapetrol Mineralölerzeugnisse Nils Hansen KG zuständig. … Am 1. Mai 2000 wurde der Vertrieb auf die H&R Wax Company Vertrieb Komplementär GmbH & Co. KG transferiert, und seit dem 1. Januar 2001 liegt der Vertrieb bei der H&R Wax Company Vertrieb GmbH …

(28)      Die Personen, die bei der Unternehmensgruppe H&R/Tudapetrol mit der Leitung der Paraffinwachs- und Paraffingatschsparte betraut waren und H&R/Tudapetrol vertraten bzw. von den in [der streitigen] Entscheidung beschriebenen Verhaltensweisen wussten, sind unter anderem: …

[Herr H.]: 1994-1997 Auszubildender bei der SRS GmbH; 1997-2002 Verkaufs- und Marketingabteilung bei … Tudapetrol …; seit 2001 Vertriebsleiter bei der H&R Wax Company Vertrieb GmbH (seit 2002 [Geschäftsführer] in der H&R Wax Company Vertrieb GmbH);

[Herr G.]: 1994-2001 Produktmanager bei der SRS GmbH; seit 2001 Produktmanager bei der H&R Management & Service GmbH/[H&R ChemPharm] (2002 wurde die H&R Management & Service GmbH in [H&R ChemPharm] umfirmiert); 1999-2000 Verkaufsleiter bei … Tudapetrol …; seit 2001 Verkaufsleiter bei der H&R Wax Company Vertrieb GmbH …;

[Herr W.]: 1994-1998 Verkaufsleiter bei … Tudapetrol …; 1999 Berater bei … Tudapetrol …; 2000-2001 Verkaufsleiter bei der SRS GmbH (ab Juli 2001 beschäftigt bei der H&R Management & Service GmbH, die 2002 in [H&R Chem-Pharm] umfirmiert wurde), vor 1994 Verkaufsleiter bei der Wintershall AG.

(29)      In [der streitigen] Entscheidung und sofern nichts Gegenteiliges genannt ist, bezieht sich „Hansen & Rosenthal“ bzw. „H&R“ auf Unternehmen der Unternehmensgruppe H&R/Tudapetrol, die an dem Kartell beteiligt waren.‘“

 Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

5        Mit Klageschrift, die am 15. Dezember 2008 bei der Kanzlei des Gerichts einging, beantragte H&R ChemPharm, die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären und, hilfsweise, die gegen sie verhängte Geldbuße herabzusetzen. Sie machte vier Klagegründe geltend.

6        Das Gericht wies die Klage mit dem angefochtenen Urteil in vollem Umfang zurück.

 Anträge der Parteien

7        Mit ihrem Rechtsmittel beantragt H&R ChemPharm,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben;

–        hilfsweise, die gegen sie verhängte Geldbuße herabzusetzen;

–        weiter hilfsweise, die Sache an das Gericht zurückzuverweisen;

–        die Auferlegung von Gerichtskosten in Höhe von 10 000 Euro gemäß Art. 90 Buchst. a der Verfahrensordnung des Gerichts aufzuheben;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

8        Die Kommission beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und H&R ChemPharm die Kosten aufzuerlegen.

 Zum Rechtsmittel

9        H&R ChemPharm macht sechs Rechtsmittelgründe geltend.

 Zum ersten Rechtsmittelgrund: widersprüchliche und unzureichende Begründung des angefochtenen Urteils

 Vorbringen der Parteien

10      Der aus drei Teilen bestehende erste Rechtsmittelgrund von H&R ChemPharm ist gegen die Rn. 38 bis 86 des angefochtenen Urteils gerichtet. Mit dem ersten Teil rügt sie eine widersprüchliche und fehlerhafte Anwendung des Begriffs des Unternehmens im Sinne von Art. 81 EG durch das Gericht. Das Gericht habe einerseits angenommen, dass ihre Handlungen und die von Tudapetrol auseinanderzuhalten seien. Es habe nämlich festgestellt, dass die Kommission gegen sie und Tudapetrol getrennte Geldbußen habe verhängen dürfen. Andererseits habe es angenommen, dass „H&R/Tudapetrol“ eine „gemeinsame Einheit“ sei.

11      Das Gericht habe ferner nicht geprüft, ob im vorliegenden Fall die tatsächlichen Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Einheit vorlägen. Selbst wenn man annähme, dass sich aus den Gründen des angefochtenen Urteils das Vorliegen einer „wirtschaftlichen Einheit“ ergäbe, wäre Art. 81 EG verletzt, denn gegen die einzelnen Konzerngesellschaften dürfe nur eine Buße verhängt werden, und zwar gesamtschuldnerisch. Die Verhängung zweier getrennter Geldbußen gegen ein einheitliches Unternehmen verstoße auch gegen den Grundsatz ne bis in idem.

12      Mit dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes rügt H&R ChemPharm, das Gericht habe den für die Organe der Europäischen Union geltenden Anforderungen an die Begründungspflicht nicht genügt. Den Gründen des angefochtenen Urteils sei nicht zu entnehmen, ob H&R/Tudapetrol als einheitliches Unternehmen angesehen worden sei oder ob es sich um zwei Unternehmen handele. Außerdem habe das Gericht, weil H&R/Tudapetrol unterscheidungslos zusammen genannt würden, nicht klar benannt, welche Handlungen den einzelnen Personen und Unternehmen zugerechnet werden sollten und warum.

13      Mit dem dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes rügt H&R ChemPharm, angesichts der widersprüchlichen Aussagen zum Unternehmensbegriff und der unzureichenden Begründung der streitigen Entscheidung sei sie nicht in der Lage gewesen, ihre Verteidigungsrechte sachgerecht geltend zu machen, so dass diese verletzt worden seien. Außerdem liege ein Verstoß gegen den Grundsatz nemo tenetur se ipsum accusare vor, da ihr nichts anderes übrig geblieben sei, als die sie belastenden Beweise, die nicht eindeutig benannt worden seien, selbst zu identifizieren.

14      Nach Auffassung der Kommission ist der erste Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

15      Zum ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes ist festzustellen, dass die Rügen der Rechtsmittelführerin auf einem unzutreffenden Verständnis des angefochtenen Urteils beruhen. Den Rn. 29 bis 86 des angefochtenen Urteils, die nicht widersprüchlich sind, ist nämlich nicht zu entnehmen, dass die Gesellschaften der H&R-Gruppe, zu der H&R ChemPharm gehört, und Tudapetrol wettbewerbsrechtlich eine wirtschaftliche Einheit darstellten. In diesen Randnummern wird vielmehr vom Gegenteil ausgegangen. Insoweit geht aus Rn. 13 des angefochtenen Urteils eindeutig hervor, dass das Gericht die Beurteilung der Kommission berücksichtigt hat, wonach „Hansen & Rosenthal und Tudapetrol [der Untersuchung zufolge] zwei getrennte und unabhängige Unternehmen [sind]“.

16      Zum zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes ist festzustellen, dass dem Vorbringen von H&R ChemPharm, dem angefochtenen Urteil sei nicht zu entnehmen, ob es sich bei den Gesellschaften der H&R-Gruppe und Tudapetrol wettbewerbsrechtlich um ein einheitliches Unternehmen oder um zwei verschiedene Unternehmen handele, aus den in der vorstehenden Randnummer dargelegten Gründen nicht gefolgt werden kann.

17      Mit ihrem übrigen Vorbringen im Rahmen des zweiten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes wendet sich H&R ChemPharm im Wesentlichen gegen Rn. 60 des angefochtenen Urteils, in der das Gericht festgestellt hat, dass die streitige Entscheidung hinsichtlich der Tatsachen, die die der Rechtsmittelführerin zur Last gelegte Zuwiderhandlung begründeten, eine hinreichende Begründung enthalte und es erlaube, diese und die Tudapetrol zur Last gelegten Tatsachen auseinanderzuhalten.

18      Nach gefestigter Rechtsprechung muss die nach Art. 253 EG erforderliche Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist anhand sämtlicher Umstände des Einzelfalls, insbesondere anhand des Inhalts des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und des Interesses zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 253 EG genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. September 2011, Elf Aquitaine/Kommission, C‑521/09 P, EU:C:2011:620, Rn. 147 und 150).

19      Im vorliegenden Fall hat das Gericht in den Rn. 48 bis 60 des angefochtenen Urteils geprüft, ob die streitige Entscheidung hinsichtlich des Verhaltens, das den Gesellschaften der H&R-Gruppe, zu der H&R ChemPharm gehört, und Tudapetrol jeweils zur Last gelegt wird, eine hinreichende Begründung enthält.

20      Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt sich, dass das Gericht zu Recht festgestellt hat, dass in der streitigen Entscheidung

–        die Funktionsweise des Haupttatkomplexes (Paraffinwachse) geschildert werde, des einzigen Tatkomplexes, an dem sich H&R ChemPharm beteiligt haben soll;

–        ausgeführt werde, dass die rechtswidrigen Verhaltensweisen konkret bei wettbewerbswidrigen Treffen, die als „technische Treffen“ bezeichnet worden seien, erfolgt seien;

–        die Dauer der Beteiligung von H&R ChemPharm an der Zuwiderhandlung getrennt festgestellt worden sei;

–        ausgeführt werde, dass bei der Bestimmung der Dauer der Beteiligung an der Zuwiderhandlung auf die Zeiträume, in denen bestimmte Personen bei H&R ChemPharm beschäftigt gewesen seien, und auf die bekannte Beteiligung dieser Personen an den technischen Treffen abgestellt worden sei;

–        diese Personen genannt würden;

–        die Dauer der Beschäftigung dieser Personen und die von ihnen wahrgenommenen Funktionen angegeben seien, insbesondere für den Überschneidungszeitraum vom 1. Juli 2001 bis zum 30. Juni 2002, für den die Kommission gleichzeitig die Verantwortlichkeit von H&R ChemPharm und von Tudapetrol festgestellt habe;

–        die 14 Treffen bezeichnet würden, die im Zeitraum der Beteiligung von H&R ChemPharm an der Zuwiderhandlung stattgefunden hätten, und die Mitarbeiter von H&R ChemPharm genannt würden, die an den Treffen teilgenommen hätten;

–        jeweils das Beweismittel bezeichnet werde, das die Anwesenheit eines Mitarbeiters von H&R ChemPharm bei diesen Treffen belege.

21      Die Schlussfolgerung des Gerichts, die Kommission habe die streitige Entscheidung hinreichend begründet, ist daher rechtlich nicht zu beanstanden.

22      Zum dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes ist festzustellen, dass das Vorbringen von H&R ChemPharm auf der Annahme beruht, dass das angefochtene Urteil und die streitige Entscheidung unter einem Begründungsmangel leiden. Wie bereits ausgeführt, trifft diese Annahme aber nicht zu. Ihr kann daher nicht gefolgt werden.

23      Der erste Rechtsmittelgrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum zweiten Rechtsmittelgrund: fehlerhafte Zurechnung einer Zuwiderhandlung an H&R ChemPharm durch die Kommission

 Vorbringen der Parteien

24      Der zweite Rechtsmittelgrund von H&R ChemPharm besteht aus drei Teilen. Mit dem ersten Teil rügt sie, das Gericht habe dadurch, dass es ihr in den Rn. 126 ff. des angefochtenen Urteils das Verhalten eines ihrer Mitarbeiter, Herrn G., zugerechnet habe, weil dieser im Allgemeinen berechtigt gewesen sei, für sie tätig zu werden, gegen Art. 81 EG verstoßen. Herr G. habe bei ihr keine vertriebliche Funktion gehabt.

25      Herr G. habe zwar an technischen Treffen teilgenommen. Er habe dies aber im Rahmen seiner Tätigkeit als Vertriebsmitarbeiter der H&R Wax Company getan und nicht in seiner Funktion als ihr Produktmanager. In Fällen von Mehrfachvertretungsberechtigungen sei gemäß dem Grundsatz in dubio pro reo, dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit und den allgemeinen Grundsätzen des Unternehmensrechts zu ermitteln, in welcher Funktion und in wessen Interesse der gemeinsame Mitarbeiter tätig gewesen sei. Sonst hafteten auch Unternehmen, deren Geschäftsfeld von dem wettbewerbswidrigen Verhalten nicht betroffen sei.

26      Mit dem zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes rügt H&R ChemPharm, das Gericht habe dadurch gegen Art. 81 EG verstoßen, dass es in den Rn. 163 ff. des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass sie sich ab dem 1. Juli 2001, dem Tag, an dem Herr G. seine Tätigkeit bei ihr aufgenommen habe, am Kartell beteiligt habe, wobei es auf Ereignisse abgestellt habe, die allesamt vor diesem Zeitpunkt gelegen hätten. Eine bloße Vorkenntnis, die Herr G. wegen seiner vorherigen Tätigkeit für andere Unternehmen von etwaigen Zuwiderhandlungen Dritter hätte haben können, sei aber nicht geeignet, eine ihr zurechenbare Zuwiderhandlung zu begründen. Hierzu müsse eine Koordinierung des betroffenen Unternehmens mit Wettbewerbern nachgewiesen werden.

27      Mit dem dritten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes rügt H&R ChemPharm, das Gericht habe gegen den in Art. 6 Abs. 3 Buchst. d der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) niedergelegten Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen. In den Rn. 136 ff. des angefochtenen Urteils habe das Gericht es nämlich abgelehnt, ihren Geschäftsführer, Herrn S., zu den Tätigkeiten von Herrn G. zu vernehmen, obwohl es hierauf im Hinblick auf die Zurechnung des Verhaltens von Herrn G. an H&R ChemPharm angekommen wäre. Ohne Kenntnis vom Inhalt einer Zeugenaussage dürfe das Gericht eine angebotene Vernehmung aber nicht mit spekulativen Überlegungen zum möglichen Inhalt der Zeugenaussage oder deren geringerem Beweiswert gegenüber Beweisen aus der Zeit vor dem Gerichtsverfahren (in tempore non suspecto) zurückweisen.

28      Nach Auffassung der Kommission ist der zweite Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

29      Soweit H&R ChemPharm im Rahmen des ersten Teils des zweiten Rechtsmittelgrundes geltend macht, Herr G., ein Mitarbeiter von ihr, habe bei ihr keine vertriebliche Funktion gehabt, greift sie die vom Gericht in den Rn. 128 bis 135 des angefochtenen Urteils vorgenommene Würdigung der Tatsachen und Beweise an.

30      Nach Art. 256 Abs. 1 AEUV und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist ein Rechtsmittel aber auf Rechtsfragen beschränkt. Für die Feststellung und Beurteilung der relevanten Tatsachen sowie die Beweiswürdigung ist allein das Gericht zuständig. Somit ist die Würdigung der Tatsachen und Beweise, vorbehaltlich ihrer Verfälschung, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels unterliegt (Urteil vom 9. Oktober 2014, ICF/Kommission, C‑467/13 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2274, Rn. 26).

31      Eine Verfälschung von Tatsachen oder Beweisen muss sich nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs in offensichtlicher Weise aus den Akten ergeben, ohne dass es einer neuen Tatsachen- und Beweiswürdigung bedarf (Urteil vom 19. Dezember 2013, Siemens u. a./Kommission, C‑239/11 P, C‑489/11 P und C‑498/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:866, Rn. 42).

32      Im vorliegenden Fall hat H&R ChemPharm nicht belegt, dass das Gericht mit seiner Feststellung in den Rn. 131 bis 134 des angefochtenen Urteils, dass der zwischen ihr und Herrn G. geschlossene Arbeitsvertrag sowohl produktionsbezogene als auch vertriebliche Aufgaben vorgesehen habe und sie selbst angegeben habe, dass Herr G. „die Schnittstelle zwischen Produktion und Vertrieb“ dargestellt habe, wobei er auch die „kaufmännische Seite“ zu betreuen gehabt habe, die Tatsachen und Beweise offensichtlich verfälscht hätte.

33      Zum Vorbringen von H&R ChemPharm, Herr G. sei gleichzeitig auch für H&R Wax Company Vertrieb tätig gewesen, so dass ihr dessen wettbewerbswidrige Handlungen zu Unrecht zugerechnet worden seien, ist festzustellen, dass das Gericht in Rn. 127 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass „die Befugnis der Kommission, ein Unternehmen, das eine Zuwiderhandlung begangen hat, mit einer Sanktion zu belegen, nur die rechtswidrige Handlung einer Person [voraussetzt], die im Allgemeinen berechtigt ist, für das Unternehmen tätig zu werden“.

34      Diese Erwägungen stehen im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach die Anwendung von Art. 81 EG die Handlung einer Person, die berechtigt ist, für das Unternehmen tätig zu werden, voraussetzt, nicht hingegen eine Handlung der Inhaber oder Geschäftsführer des betreffenden Unternehmens und nicht einmal deren Kenntnis von der Zuwiderhandlung (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, EU:C:1983:158, Rn. 97, und vom 7. Februar 2013, Slovenská sporiteľňa, C‑68/12, EU:C:2013:71, Rn. 25).

35      Im Übrigen ist es, anders als H&R ChemPharm annimmt, nicht ausgeschlossen, dass ein und dieselbe natürliche Person gleichzeitig im Interesse verschiedener Kartellteilnehmer tätig ist. Es ist Sache des Gerichts, bei der allein ihm zustehenden Beurteilung der Tatsachen und Beweise im Einzelfall zu überprüfen, ob dies der Fall ist.

36      Entgegen dem Vorbringen von H&R ChemPharm hat das Gericht im vorliegenden Fall in den Rn. 128 bis 135 des angefochtenen Urteils im Kern geprüft, ob Herr G. im Rahmen des betreffenden Kartells speziell im Interesse von H&R ChemPharm tätig war. Es hat dabei insbesondere die Tragweite des Haupttatkomplexes, an dem sich H&R ChemPharm nach den Feststellungen der Kommission beteiligte, und die von Herrn G. bei dieser Gesellschaft wahrgenommenen Funktionen berücksichtigt.

37      Zum zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes ist festzustellen, dass es sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs bei einer abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG um eine Form der Koordinierung zwischen Unternehmen handelt, die zwar noch nicht bis zum Abschluss eines Vertrags im eigentlichen Sinne gediehen ist, jedoch bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lässt (Urteil vom 4. Juni 2009, T‑Mobile Netherlands u. a., C‑8/08, EU:C:2009:343, Rn. 26).

38      Überdies müssen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs das Vorliegen und die Dauer einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise in den meisten Fällen aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können (Urteile vom 21. September 2006, Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission, C‑105/04 P, EU:C:2006:592, Rn. 94 und 95, und vom 21. Januar 2016, Eturas u. a., C‑74/14, EU:C:2016:42, Rn. 36).

39      Da das Verbot, an wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen und Vereinbarungen teilzunehmen, sowie die Sanktionen, die Zuwiderhandelnden auferlegt werden können, bekannt sind, ist es nämlich üblich, dass die Tätigkeiten, mit denen diese Verhaltensweisen und Vereinbarungen verbunden sind, insgeheim ablaufen, dass die Zusammenkünfte heimlich stattfinden – meist in einem Drittland – und dass die Unterlagen darüber auf ein Minimum reduziert werden. Selbst wenn die Kommission Schriftstücke findet, die – wie z. B. die Protokolle einer Zusammenkunft – eine unzulässige Kontaktaufnahme zwischen Wirtschaftsteilnehmern explizit bestätigen, handelt es sich normalerweise nur um lückenhafte und vereinzelte Belege, so dass es häufig erforderlich ist, bestimmte Einzelheiten durch Schlussfolgerungen zu rekonstruieren (Urteil vom 17. Juni 2010, Lafarge/Kommission, C‑413/08 P, EU:C:2010:346, Rn. 22).

40      Bei einer sich über mehrere Jahre erstreckenden Zuwiderhandlung steht außerdem das Fehlen eines unmittelbaren Beweises für die Beteiligung einer Gesellschaft an der Zuwiderhandlung während eines bestimmten Zeitraums nicht der Feststellung entgegen, dass sich diese Gesellschaft auch während des betreffenden Zeitraums daran beteiligte, sofern diese Feststellung auf objektiven und übereinstimmenden Indizien beruht (Urteil vom 17. September 2015, Total Marketing Services/Kommission, C‑634/13 P, EU:C:2015:614, Rn. 27).

41      Im vorliegenden Fall zielt die vom Gericht in den Rn. 163 bis 178 des angefochtenen Urteils hinsichtlich des Zeitpunkts des Beginns der Beteiligung von H&R ChemPharm an der Zuwiderhandlung vorgenommene Würdigung im Wesentlichen darauf ab, im Einklang mit der oben in Rn. 37 angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs den Zeitpunkt zu bestimmen, ab dem es sich um eine praktische Zusammenarbeit zwischen den am fraglichen Kartell beteiligten Unternehmen in Bezug auf ihr Marktverhalten handelte.

42      Das Gericht hat insoweit als Beginn der Beteiligung von H&R ChemPharm an der Zuwiderhandlung den 1. Juli 2001 angesetzt, den Tag, an dem Herr G. seine Tätigkeit bei dieser Gesellschaft aufnahm. Dieser sei wegen der von ihm wahrgenommenen Aufgaben ab diesem Zeitpunkt in der Lage gewesen, das Marktverhalten von H&R ChemPharm gemäß den fraglichen wettbewerbswidrigen Absprachen zu beeinflussen.

43      Nach der oben in den Rn. 38 bis 40 dargestellten Rechtsprechung des Gerichtshofs ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Gericht zum Nachweis der Beteiligung von Herrn G. am fraglichen Kartell Belege aus der Zeit vor dem 1. Juli 2001 herangezogen hat.

44      Zum dritten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes ist darauf hinzuweisen, dass es auch dann, wenn ein in der Klageschrift enthaltener Antrag auf Vernehmung von Zeugen die Tatsachen, die Gegenstand der Vernehmung des oder der Zeugen sein sollten, genau bezeichnete und genau die Gründe angab, die ihre Vernehmung rechtfertigten, Sache des Gerichts war, die Sachdienlichkeit des Antrags im Hinblick auf den Streitgegenstand und die Erforderlichkeit einer Vernehmung der genannten Zeugen zu beurteilen (Urteil vom 19. Dezember 2013, Siemens u. a./Kommission, C‑239/11 P, C‑489/11 P und C‑498/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:866, Rn. 323).

45      Im Übrigen hat der Gerichtshof die Vereinbarkeit dieses Ermessens des Gerichts mit dem durch Art. 6 EMRK garantierten, nunmehr in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) niedergelegten Recht auf ein faires Verfahren bejaht. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs räumt das Recht auf ein faires Verfahren dem Angeklagten nämlich kein absolutes Recht ein, das Erscheinen von Zeugen vor einem Gericht zu erwirken, und es ist grundsätzlich Sache des Gerichts, darüber zu entscheiden, ob die Ladung eines Zeugen erforderlich oder sachdienlich ist. Das Recht auf ein faires Verfahren verlangt nicht die Ladung jedes Zeugen, sondern bezweckt eine völlige Waffengleichheit, die gewährleistet, dass das streitige Verfahren als Ganzes dem Angeklagten angemessene und ausreichende Gelegenheit gibt, dem auf ihm lastenden Verdacht entgegenzutreten (Urteil vom 19. Dezember 2013, Siemens u. a./Kommission, C‑239/11 P, C‑489/11 P und C‑498/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:866, Rn. 324 und 325).

46      Im vorliegenden Fall hat das Gericht bei der von ihm in den Rn. 128 bis 135 des angefochtenen Urteils vorgenommenen Beurteilung hinsichtlich der von Herrn G. bei H&R ChemPharm getragenen Verantwortung verschiedene Beweise herangezogen. Wie oben in Rn. 32 ausgeführt, ist nicht erwiesen, dass es diese Beweise verfälscht hätte.

47      Bei den betreffenden Beweisen handelt es sich ausschließlich um Schriftstücke, die H&R ChemPharm selbst vorgelegt hat, nämlich ihre Schreiben vom 8. Dezember 2005 und 19. Januar 2007 sowie den zwischen ihr und Herrn G. geschlossenen Arbeitsvertrag. Mit dem Vorbringen, durch die Weigerung, den betreffenden Zeugen zu vernehmen, sei ihre Möglichkeit, zu den von Herrn G. übernommenen Aufgaben Stellung zu nehmen, in unzulässiger Weise eingeschränkt worden, kann H&R ChemPharm daher keinen Erfolg haben.

48      Der zweite Teil des Rechtsmittelgrundes ist daher als teils unzulässig, teils unbegründet zurückzuweisen.

 Zum dritten Rechtsmittelgrund: fehlerhafte Festsetzung der verhängten Geldbuße im Hinblick auf die Umsätze der Klaus Dahleke KG

 Vorbringen der Parteien

49      Der aus zwei Teilen bestehende dritte Rechtsmittelgrund von H&R ChemPharm ist gegen die Rn. 226 bis 246 des angefochtenen Urteils gerichtet. Mit dem ersten Teil wird ein Verstoß gegen Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 gerügt. H&R ChemPharm wendet sich gegen die Feststellung des Gerichts, dass die Kommission bei der Festsetzung der gegen sie verhängten Geldbuße die Umsätze der Gesellschaft Klaus Dahleke habe berücksichtigen dürfen. Diese habe sich nicht an der Zuwiderhandlung beteiligt und mit H&R ChemPharm im Zeitraum der Beteiligung an der Zuwiderhandlung wettbewerbsrechtlich auch keine wirtschaftliche Einheit im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs gebildet.

50      Es gebe keine Rechtsgrundlage, nach der dem Hersteller die Umsätze seines Händlers zuzurechnen wären, wenn beide nicht zu demselben Unternehmen gehörten. Eine geldbußenerhöhende Zurechnung von Umsätzen Dritter verstoße gegen den in Art. 49 Abs. 1 der Charta niedergelegten Grundsatz der Gesetzmäßigkeit, laufe auf die Verhängung einer Geldbuße unter Verstoß gegen den Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit hinaus und führe zur Verhängung einer unverhältnismäßigen Geldbuße.

51      Die Zurechnung der betreffenden Umsätze könne auch nicht durch Angaben gerechtfertigt werden, die sie im Verwaltungsverfahren gemacht habe. Wegen Art. 47 der Charta und des sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden Willkürverbots hätte das Gericht selbst eigenständig prüfen müssen, ob diese Angaben relevant seien, unabhängig davon, wofür sie sich hinsichtlich der zu berücksichtigenden Umsätze ausgesprochen habe. Hinzu komme, dass der Vortrag einer Partei im Verwaltungsverfahren keine verfahrensrechtliche Präklusionswirkung für späteren Vortrag in einem anderen Zusammenhang vor den Gerichten haben könne.

52      Mit dem zweiten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes macht H&R ChemPharm geltend, das angefochtene Urteil leide unter einem Begründungsmangel. Darin sei ihr Vortrag vor dem Gericht zur Berücksichtigung der von Klaus Dahleke erzielten Umsätze bei der Festsetzung der verhängten Geldbuße nicht erwähnt worden. Das Gericht habe auch nicht zu erkennen gegeben, auf welcher rechtlichen Grundlage es ihr Drittumsätze zugerechnet habe. Im Übrigen sei den Gründen des angefochtenen Urteils nicht zu entnehmen, welche der Angaben, die sie in Beantwortung der Fragen zu den Kapitalverflechtungen zwischen ihr und Klaus Dahleke gemacht habe, nicht geeignet gewesen seien, die Beurteilung durch das Gericht zu ändern, wie es in Rn. 244 des angefochtenen Urteils festgestellt habe.

53      Nach Auffassung der Kommission ist der dritte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

54      Zum ersten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes ist zunächst festzustellen, dass die Rüge von H&R ChemPharm, bei der Festsetzung der Geldbuße dürften die von Klaus Dahleke erzielten Umsätze nicht berücksichtigt werden, weil sich diese Gesellschaft nicht an der fraglichen Zuwiderhandlung beteiligt habe, nach den dem Gerichtshof vorliegenden Akten im ersten Rechtszug nicht erhoben wurde.

55      H&R ChemPharm hatte in ihrer Klageschrift im Rahmen des dritten Klagegrundes nämlich lediglich pauschal behauptet, die Kommission habe den von ihr mit den relevanten Produkten erzielten Umsatz fehlerhaft bestimmt, weil sie die Angaben zu den von den Gesellschaften der H&R-Gruppe erzielten Umsätzen nicht berücksichtigt habe. In ihrer Erwiderung hatte H&R ChemPharm dann erläutert, dass der Fehler, der der Kommission bei der Berechnung unterlaufen sei, darin bestehe, dass sie von den ihr mitgeteilten Umsätzen die von Klaus Dahleke erzielten nicht abgezogen habe, obwohl diese Gesellschaft mit H&R ChemPharm nicht im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit verbunden sei.

56      Nach ständiger Rechtsprechung könnte eine Partei, wenn ihr gestattet würde, vor dem Gerichtshof erstmals Angriffs- oder Verteidigungsmittel und Argumente geltend zu machen, die sie vor dem Gericht nicht geltend gemacht hat, den Gerichtshof, dessen Befugnisse im Rechtsmittelverfahren beschränkt sind, im Ergebnis mit einem weiter reichenden Rechtsstreit befassen, als ihn das Gericht zu entscheiden hatte. Im Rechtsmittelverfahren ist die Zuständigkeit des Gerichtshofs daher auf die Prüfung beschränkt, wie das Gericht die vor ihm erörterten Klagegründe und Argumente gewürdigt hat (Urteil vom 22. Oktober 2015, AC‑Treuhand/Kommission, C‑194/14 P, EU:C:2015:717, Rn. 54). Die erstmals vor dem Gerichtshof erhobene Rüge der Rechtsmittelführerin ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

57      Sodann ist zum einen darauf hinzuweisen, dass Ziff. 15 der Leitlinien von 2006 lautet: „Die Kommission bestimmt den Umsatz eines Unternehmens mittels der zuverlässigsten Daten, die von diesem Unternehmen verfügbar sind.“ Zum anderen hat die Kommission nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs dadurch, dass sie Verhaltensnormen wie Leitlinien erlassen und durch ihre Veröffentlichung angekündigt hat, dass sie diese von nun an auf die von ihnen erfassten Fälle anwenden werde, die Ausübung ihres Ermessens beschränkt und kann nicht von den Normen abweichen, ohne dass dies gegebenenfalls wegen eines Verstoßes gegen allgemeine Rechtsgrundsätze wie die der Gleichbehandlung oder des Vertrauensschutzes geahndet würde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 211).

58      In Anbetracht des oben in Rn. 55 zusammengefassten erstinstanzlichen Vorbringens von H&R ChemPharm hat das Gericht in den Rn. 225 bis 239 des angefochtenen Urteils also zu Recht geprüft, ob die Kommission durch die Einbeziehung der von Klaus Dahleke erzielten Umsätze in ihre Berechnung im Einklang mit Ziff. 15 der Leitlinien von 2006 gehandelt hatte.

59      In diesem Zusammenhang rügt H&R ChemPharm, das Gericht habe nicht geprüft, ob die Angaben, die sie im Verwaltungsverfahren gegenüber der Kommission gemacht habe, relevant seien. Insoweit ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten, dass das Gericht H&R ChemPharm im Rahmen prozessleitender Maßnahmen aufgefordert hat, zur Klarstellung dieser Angaben schriftlich mehrere Fragen zu beantworten. Außerdem hat es in Rn. 239 des angefochtenen Urteils begründet, warum es den von H&R ChemPharm gewählten Ansatz für gerechtfertigt hielt.

60      Schließlich wendet sich H&R ChemPharm mit ihrem Vorbringen, sie und Klaus Dahleke bildeten keine wirtschaftliche Einheit, gegen die Feststellung des Gerichts in Rn. 243 des angefochtenen Urteils, wonach es im vorliegenden Fall nicht darum gehe, „der H&R-Gruppe oder speziell [H&R ChemPharm] die wettbewerbswidrigen Handlungen von Klaus Dahleke zuzurechnen, sondern um die Berechnung des Umsatzes der H&R-Gruppe“.

61      Hierzu ist festzustellen, dass der Gerichtshof entschieden hat, dass von der Kommission, nachdem sie dargetan hat, dass die Muttergesellschaft für die von ihrer Tochtergesellschaft begangene Zuwiderhandlung haftbar zu machen ist, nicht verlangt werden kann, für jede Tochtergesellschaft der Gruppe den Nachweis zu erbringen, dass sie ihr Marktverhalten nicht eigenständig bestimmt. Es handelt sich bei der Frage, ob die Zuwiderhandlung einer Tochtergesellschaft der Muttergesellschaft zuzurechnen ist, und dem Verbot, eine Geldbuße zu verhängen, die über 10 % des Umsatzes des betreffenden Unternehmens hinausgeht, um zwei verschiedene Fragen, die unterschiedlichen Zielsetzungen entsprechen. Es ist gegebenenfalls Sache der Gesellschaft, nach deren Meinung der konsolidierte Umsatz die tatsächliche Wirtschaftslage nicht widerspiegelt, Gesichtspunkte anzuführen, die geeignet sind, eine Kontrollbefugnis der Muttergesellschaft zu widerlegen (Urteil vom 26. November 2013, Groupe Gascogne/Kommission, C‑58/12 P, EU:C:2013:770, Rn. 57).

62      Die Erwägungen des Gerichts in Rn. 243 des angefochtenen Urteils, mit denen es im Kern entschieden hat, dass es sich bei der Festsetzung der zu verhängenden Geldbuße und dem Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit im Sinne des Wettbewerbsrechts der Union um zwei verschiedene Fragen mit unterschiedlichen Prüfungsvoraussetzungen handele, sind demnach rechtlich nicht zu beanstanden.

63      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten, dass H&R ChemPharm nicht einmal ansatzweise substantiiert dargelegt hat, dass Klaus Dahleke nicht unter ihrer Kontrolle gestanden hätte. Vielmehr hat sie, wie sich aus den Rn. 226 bis 238 des angefochtenen Urteils ergibt, die Umsätze dieser Gesellschaft bei ihren Angaben gegenüber der Kommission zu den Umsätzen der Vertriebsgesellschaften der H&R-Gruppe mehrmals einbezogen.

64      Zum zweiten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes ist festzustellen, dass das Gericht in den Rn. 243 bis 245 des angefochtenen Urteils eigens auf das erstinstanzliche Vorbringen von H&R ChemPharm, sie und Klaus Dahleke bildeten keine wirtschaftliche Einheit, eingegangen ist.

65      Wie sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt, hat das Gericht H&R ChemPharm im Rahmen prozessleitender Maßnahmen zudem verschiedene Fragen nach den Kapitalverflechtungen zwischen den Produktionsgesellschaften der H&R-Gruppe und Klaus Dahleke zur schriftlichen Beantwortung gestellt. H&R ChemPharm hat darauf der Sache nach lediglich geantwortet, dass sie die der Kommission von ihr übermittelten Angaben nicht näher erläutern bzw. die Fragen nicht zuverlässig beantworten könne. Es ist also nicht zu beanstanden, dass das Gericht den Inhalt dieser Antworten in Rn. 244 des angefochtenen Urteils nicht eingehend geprüft hat.

66      Mit ihrem Vorbringen, das angefochtene Urteil leide unter einem Begründungsmangel, kann H&R ChemPharm also nicht durchdringen.

67      Folglich ist der dritte Rechtsmittelgrund als teils unzulässig, teils unbegründet zurückzuweisen.

 Zum vierten Rechtsmittelgrund: fehlerhafte Festsetzung der Geldbuße im Hinblick auf die Umsätze der „Auslandsgesellschaften“

 Vorbringen der Parteien

68      Der vierte, aus drei Teilen bestehende Rechtsmittelgrund von H&R ChemPharm ist gegen die Rn. 268 bis 290 des angefochtenen Urteils gerichtet. Mit dem ersten Teil rügt sie, das Gericht habe gegen Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 und gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit der Geldbuße verstoßen. Es habe zu Unrecht entschieden, dass die Erhöhung des durchschnittlichen Umsatzes im Referenzzeitraum (2002–2004) durch die Berücksichtigung des Umsatzes der 2004 hinzuerworbenen Auslandsgesellschaften unschädlich sei und dass die Extrapolierung dieses durchschnittlichen Umsatzes auf den gesamten Zeitraum der Beteiligung an der Zuwiderhandlung die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung und das jeweilige Gewicht des daran beteiligten Unternehmens angemessen widerspiegele.

69      Im Parallelverfahren, in dem das Urteil vom 11. Juli 2014, Esso u. a./Kommission (T‑540/08, EU:T:2014:630), ergangen sei, habe das Gericht genau entgegengesetzt entschieden. Es habe die von der Kommission verhängte Geldbuße reduziert, wobei es verschiedene Umsatzdurchschnittswerte für die Zeiträume vor und nach dem Zusammenschluss gebildet habe. Wäre diese Methode in der vorliegenden Rechtssache angewandt worden, wäre eine niedrigere Geldbuße verhängt worden.

70      Mit dem zweiten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes rügt H&R ChemPharm, das angefochtene Urteil sei nicht hinreichend begründet. Das Gericht habe zwar entschieden, dass die Vorgehensweise der Kommission unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falls angemessen gewesen sei und dass sich der Sachverhalt der Rechtssache, in der das Urteil vom 11. Juli 2014, Esso u. a./Kommission (T‑540/08, EU:T:2014:630), ergangen sei, vom vorliegenden Sachverhalt unterscheide. Es habe aber nicht erläutert, worin diese besonderen Umstände bestünden und warum die Berücksichtigung des zusammenschlussbedingt erhöhten Umsatzes im vorliegenden Fall die Bedeutung der Zuwiderhandlung und das jeweilige Gewicht des daran beteiligten Unternehmens angemessen wiedergebe.

71      Mit dem dritten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes rügt H&R ChemPharm einen Verstoß gegen Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 und gegen die Unschuldsvermutung, das Verbot der Verhängung ungesetzlicher Strafen und das Verbot der Doppelbestrafung, die in den Art. 48 bis 50 der Charta niedergelegt seien. Das Gericht habe die Umsätze der Auslandsgesellschaften und der H&R ESP International GmbH doppelt berücksichtigt. Da es in Rn. 279 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der Behauptung von H&R ChemPharm bestünden, dass die Auslandsgesellschaften mit H&R ESP International „identisch“ seien, hätte es in dubio pro reo entscheiden müssen. Im Übrigen sei das Gericht wegen des Rechts auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 EMRK zu einer eigenen Sachverhaltsaufklärung verpflichtet gewesen, um etwaige Zweifel an dem von den Parteien unterbreiteten Sachverhalt auszuräumen.

72      Die Kommission hält das Vorbringen von H&R ChemPharm für nicht stichhaltig.

 Würdigung durch den Gerichtshof

73      Mit dem ersten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes macht H&R ChemPharm im Kern geltend, im Fall einer Änderung der Unternehmensstruktur während des Bestehens des Kartells, die insbesondere wegen des Erwerbs von Gesellschaften zu einer Erhöhung des Umsatzes führe, müsse die Kommission bei der Festsetzung der Geldbuße stets zwischen den Zeiträumen vor und nach dem Erwerb unterscheiden und getrennt berechnete Durchschnittsumsätze heranziehen.

74      Einem Vorbringen, das auf eine derart allgemeine These gestützt ist, kann jedoch nicht gefolgt werden.

75      In der Einleitung der Leitlinien von 2006 heißt es in Ziff. 5, dass „die Geldbußen auf der Grundlage des Wertes der verkauften Waren oder Dienstleistungen berechnet werden [sollten], mit denen der Verstoß in Zusammenhang steht“, und dass „[a]uch die Dauer der Zuwiderhandlung … bei der Bestimmung des angemessenen Betrags der Geldbuße eine wichtige Rolle spielen [sollte]“. In Ziff. 6 heißt es weiter: „Die Verbindung des Umsatzes auf den vom Verstoß betroffenen Märkten mit der Dauer stellt eine Formel dar, die die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung und das jeweilige Gewicht des einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmens angemessen wiedergibt. Sie vermittelt Aufschluss über die Größenordnung der Geldbuße und sollte nicht als Grundlage für eine automatische arithmetische Berechnungsmethode verstanden werden.“

76      Demnach hat das Gericht in Rn. 267 des angefochtenen Urteils in Anwendung der Leitlinien von 2006, deren Methode zur Berechnung der Geldbußen von H&R ChemPharm nicht in Frage gestellt worden ist, zu Recht festgestellt, dass die Kommission verpflichtet ist, einen Umsatz anzusetzen, der die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung und das jeweilige Gewicht des einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmens für die gesamte Dauer der Beteiligung an der Zuwiderhandlung angemessen wiederzugeben vermag.

77      Je nach den Umständen des Einzelfalls mag es hierzu erforderlich sein, für Zeiträume vor und nach einem Zusammenschluss verschiedene Umsätze heranzuziehen. Das heißt aber nicht, dass eine solche Differenzierung stets geboten wäre.

78      H&R ChemPharm geht in Anbetracht von Ziff. 6 der Leitlinien von 2006 und der Rechtsprechung des Gerichtshofs nämlich zu Unrecht davon aus, dass die Festsetzung der zu verhängenden Geldbuße durch die Kommission das Ergebnis einer genauen Rechenoperation sei, mit der erreicht werden könne, dass eine möglichst niedrige Geldbuße verhängt werde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Oktober 2003, Salzgitter/Kommission, C‑182/99 P, EU:C:2003:526, Rn. 75).

79      H&R ChemPharm kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Umstände des vorliegenden Falles mit denen der Rechtssache, in der das Urteil vom 11. Juli 2014, Esso u. a./Kommission (T‑540/08, EU:T:2014:630), ergangen ist, identisch seien. In dieser Rechtssache hat das Gericht, wie sich aus Rn. 113 seines Urteils ergibt, festgestellt, dass der von der Kommission angesetzte Durchschnittsumsatz zu einem außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung stehenden Grundbetrag der Geldbuße geführt habe.

80      Insoweit ergibt sich aus den Rn. 271 und 272 des angefochtenen Urteils, dass die Kommission in der genannten Rechtssache lediglich die nach der betreffenden Fusion (1999) erzielten Umsätze der Jahre 2000 bis 2002 berücksichtigte und dann auf den Zeitraum vor der Fusion (1992 bis 1999) extrapolierte, in dem sich nur eines der betreffenden Unternehmen am Kartell beteiligt hatte, und dass sich der Umsatz nach der Fusion nahezu verdoppelt hatte.

81      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hingegen, dass die Kommission den Durchschnitt der in den Jahren 2002 bis 2004 auf dem relevanten Markt erzielten Umsätze zugrunde legte und die Tatsache, dass die betreffenden Unternehmenskäufe im Lauf des Jahres 2004 erfolgten, berücksichtigte, dass H&R ChemPharm wegen ihrer Beteiligung am betreffenden Kartell in der Zeit vom 1. Juli 2001 bis zum 28. April 2005 haftbar gemacht wurde und dass die im Jahr 2004 festzustellende Zunahme des Umsatzes auch auf die Erweiterung der Union am 1. Mai dieses Jahres zurückzuführen war.

82      Zum zweiten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes ist festzustellen, dass aus einer Gesamtschau der Rn. 268 bis 272 des angefochtenen Urteils klar und eindeutig hervorgeht, aus welchen Gründen das Gericht den Durchschnitt der Umsätze der H&R-Gruppe in den Jahren 2002 bis 2004 als eine die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung und das jeweilige Gewicht des daran beteiligten Unternehmens für die gesamte Dauer der Beteiligung von H&R ChemPharm an der Zuwiderhandlung angemessen wiedergebende Formel ansah und dass der Sachverhalt der Rechtssache, in der das Urteil vom 11. Juli 2014, Esso u. a./Kommission (T‑540/08, EU:T:2014:630), ergangen ist, nicht mit dem der vorliegenden Rechtssache identisch war. Das angefochtene Urteil genügt mithin den Anforderungen, die für das Gericht hinsichtlich der Begründung gelten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. April 2013, Mindo/Kommission, C‑652/11 P, EU:C:2013:229, Rn. 29).

83      Zum dritten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes ist festzustellen, dass das Gericht in den Rn. 274 bis 283 des angefochtenen Urteils die der Kommission von H&R ChemPharm im Verwaltungsverfahren übermittelten Angaben untersucht hat. Es ist zu dem Ergebnis gekommen, dass sie nicht mit dem Vorbringen von H&R ChemPharm vor ihm vereinbar seien, wonach der Umsatz, den sie für das Jahr 2004 in Bezug auf die im Ausland ansässigen Gesellschaften angegeben habe, die von H&R ESP International erzielten Umsätze umfasse.

84      Hierzu ist festzustellen, dass sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten entgegen dem Vorbringen von H&R ChemPharm ergibt, dass das Gericht diese Gesellschaft im Rahmen prozessleitender Maßnahmen aufgefordert hatte, schriftlich die im Ausland ansässigen Gesellschaften zu benennen und die Kapitalverflechtungen zwischen ihnen und H&R ESP International zu erläutern. Wie aus den Rn. 286 und 287 des angefochtenen Urteils hervorgeht, hat H&R ChemPharm hierzu trotz ihrer Behauptung, die im Ausland ansässigen Gesellschaften seien mit H&R ESP International „identisch“, jedoch keine weiteren Angaben gemacht.

85      Die von H&R ChemPharm angegriffene Feststellung des Gerichts in Rn. 279 des angefochtenen Urteils, dass „ernsthafte Zweifel daran [bestehen], dass die Behauptung [von H&R ChemPharm], die ‚Auslandsgesellschaften‘ seien mit der Gesellschaft H&R ESP International identisch, zutrifft“, genügt in jeder Hinsicht den einschlägigen verfahrensrechtlichen Anforderungen.

86      Das Verfahren vor den Gerichten der Union ist nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs nämlich ein streitiges Verfahren. Mit Ausnahme der Gründe zwingenden Rechts wie dem Fehlen einer Begründung der angefochtenen Entscheidung, die der Richter von Amts wegen zu berücksichtigen hat, ist es Sache des Klägers, gegen die Entscheidung Klagegründe vorzubringen und sie zu belegen (Urteil vom 24. Oktober 2013, Kone u. a./Kommission, C‑510/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:696, Rn. 30).

87      Wie der Gerichtshof bereits ausgeführt hat, verstößt dieses verfahrensrechtliche Erfordernis nicht gegen die Regel, wonach bei Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht die Kommission die von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen zu beweisen und die Beweise beizubringen hat, die das Vorliegen der eine Zuwiderhandlung darstellenden Tatsachen rechtlich hinreichend belegen. Vom Kläger wird nämlich im Rahmen einer Klage verlangt, dass er die beanstandeten Punkte der angefochtenen Entscheidung bezeichnet, insoweit Rügen formuliert und Beweise oder zumindest ernsthafte Indizien für deren Begründetheit beibringt (Urteil vom 24. Oktober 2013, Kone u. a./Kommission, C‑510/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:696, Rn. 31).

88      Mithin ist der vierte Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum fünften Rechtsmittelgrund: Unverhältnismäßigkeit der Geldbuße

 Vorbringen der Parteien

89      Der fünfte Rechtsmittelgrund von H&R ChemPharm besteht aus zwei Teilen. Mit dem ersten Teil macht sie geltend, der bei ihr angesetzte Geldbußenkoeffizient von 17 % des Umsatzes sei im Verhältnis zu dem bei den übrigen mit einer Sanktion belegten Unternehmen, denen zusätzlich zu Preisabsprache und Informationsaustausch noch eine Markt- und Kundenaufteilung vorgeworfen worden sei, angesetzten Satz von 18 % zu hoch.

90      Das Gericht habe in den Rn. 312 bis 315 des angefochtenen Urteils gegen die Regel verstoßen, dass die Festsetzung der gegen ein Unternehmen zu verhängenden Geldbuße immer im Hinblick auf die gegen die anderen Kartellteilnehmer verhängten Geldbußen erfolgen müsse und nicht isoliert erfolgen dürfe, da die Unternehmen bei der Festsetzung der gegen sie zu verhängenden Geldbuße nicht ungleich behandelt werden dürften.

91      Außerdem stünden die Erwägungen in Rn. 317 des angefochtenen Urteils, dass die Vereinbarungen über die Aufteilung der Märkte und Kunden eher sporadisch gewesen seien, in Widerspruch zu den Feststellungen der Kommission in den Rn. 108 und 243 der streitigen Entscheidung. Das Gericht habe in dieser Randnummer des angefochtenen Urteils ferner zu Unrecht festgestellt, dass die Vereinbarungen über die Aufteilung der Märkte und Kunden immer im Rahmen von Treffen zur Festsetzung der Preise getroffen worden seien.

92      Auch die Feststellung des Gerichts in Rn. 318 des angefochtenen Urteils, dass der Unrechtsgehalt einer Preisabsprache und einer Markt- und Kundenaufteilung gleich sei, treffe nicht zu. Anders als Preisabsprachen stellten Markt- und Kundenaufteilungen nicht nur eine Störung des Wettbewerbs dar, sondern bewirkten eine Abschottung von Märkten, beschränkten den Wettbewerb unmittelbar für konkrete Kunden, und ihre Umsetzung könne besonders effektiv nachgehalten werden.

93      Mit dem zweiten Teil des fünften Rechtsmittelgrundes macht H&R ChemPharm geltend, die gegen sie verhängte Geldbuße stehe im Vergleich zu den Geldbußen der übrigen Kartellteilnehmer außer Verhältnis zu ihrer Größe. Der Grundbetrag der Geldbuße liege bei ExxonMobil lediglich bei 0,04 % des Konzernumsatzes im Jahr 2007, während er sich bei ihr auf 2,5 % des Umsatzes belaufe. Sie sei eine kleine, auf Nischenprodukte spezialisierte und mit vergleichsweise geringen finanziellen Ressourcen ausgestattete Marktteilnehmerin. Sie sei zudem erst nach der Einführung des Kartells in den Markt eingetreten und sogar Opfer der von den anderen Unternehmen getroffenen Abwehrabsprachen gewesen. Das Gericht habe in den Rn. 330 und 331 des angefochtenen Urteils aber allein auf den Umsatz auf dem vom Kartell betroffenen Markt abgestellt, ohne die genannten Faktoren zu berücksichtigen.

94      Nach Auffassung der Kommission ist der fünfte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

95      Zum ersten Teil des fünften Rechtsmittelgrundes ist festzustellen, dass der Gerichtshof nach gefestigter Rechtsprechung bei seiner Entscheidung über Rechtsfragen im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens nicht seine eigene Würdigung aus Gründen der Billigkeit an die Stelle der Würdigung des Gerichts setzen darf, das in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung über die Höhe der gegen Unternehmen wegen Verletzung des Unionsrechts verhängten Geldbußen entscheidet. Nur wenn der Gerichtshof der Ansicht wäre, dass die Höhe der Sanktion nicht nur unangemessen, sondern auch dermaßen überhöht ist, dass sie unverhältnismäßig wird, wäre somit ein Rechtsfehler des Gerichts wegen der unangemessenen Höhe einer Geldbuße festzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Mai 2013, Quinn Barlo u. a./Kommission, C‑70/12 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:351, Rn. 57).

96      Im vorliegenden Fall hat das Gericht in den Rn. 312 bis 320 des angefochtenen Urteils begründet, warum der Anteil am Umsatz, den die Kommission bei der Festsetzung der Geldbuße gemäß den Ziff. 21 und 25 der Leitlinien von 2006 angesetzt hat, seiner Auffassung nach die Schwere der von H&R ChemPharm begangenen Zuwiderhandlung angemessen wiedergab.

97      Zum Vorbringen von H&R ChemPharm, das Gericht habe bei seiner Beurteilung die gegen die übrigen Kartellteilnehmer verhängten Geldbußen nicht berücksichtigt, geht aus den Rn. 317 bis 320 des angefochtenen Urteils hervor, dass das Gericht den bei Gesellschaften, die sich wie H&R ChemPharm lediglich am Haupttatkomplex beteiligten, angesetzten Koeffizienten mit dem bei Gesellschaften, die sich darüber hinaus am zweiten Tatkomplex beteiligten, angesetzten verglichen hat.

98      Zu dem gegen die Rn. 317 und 318 des angefochtenen Urteils gerichteten Vorbringen von H&R ChemPharm ist festzustellen, dass es dieser Gesellschaft mit ihrem Vorbringen letztlich darum geht, unter dem Vorwand, dem Gericht seien Rechtsfehler unterlaufen, dessen tatsächliche Feststellungen zu den Merkmalen der Zuwiderhandlung in Zweifel zu ziehen. Sie bestehen im Wesentlichen darin, dass die wettbewerbswidrigen Vereinbarungen über die Aufteilung der Märkte oder Kunden nicht nur im Vergleich zu den wettbewerbswidrigen Vereinbarungen zur Festsetzung der Preise eher sporadisch gewesen seien, sondern auch zweitrangig gegenüber dem mit Letzteren, dem Haupttatkomplex, verfolgten Ziel.

99      Im Hinblick auf die oben in den Rn. 30 und 31 dargestellte Rechtsprechung ist festzustellen, dass sich H&R ChemPharm mit ihrem Vorbringen darauf beschränkt, selektiv und isoliert bestimmte Passagen der streitigen Entscheidung wiederzugeben oder unabhängig von den speziellen Umständen des vorliegenden Falles allgemeine Erwägungen anzustellen. Damit ist nicht dargetan, dass das Gericht die von ihm geprüften Tatsachen und Beweise offensichtlich verfälscht hat.

100    Zum zweiten Teil des fünften Rechtsmittelgrundes ist festzustellen, dass H&R ChemPharm in keiner Weise dargetan hat, dass das Gericht in ihrem Fall die Festsetzung einer unverhältnismäßigen Geldbuße gebilligt hätte.

101    Insoweit kann es mit dem Hinweis sein Bewenden haben, dass die Kommission, wenn gegen mehrere an derselben Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen Geldbußen festgesetzt werden, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht dafür zu sorgen braucht, dass in den Endbeträgen der Geldbußen der betreffenden Unternehmen eine Differenzierung anhand ihres Gesamtumsatzes zum Ausdruck kommt (Urteil vom 7. September 2016, Pilkington Group u. a./Kommission, C‑101/15 P, EU:C:2016:631, Rn. 65).

102    Insbesondere verstößt es nicht gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung, dass ein Unternehmen, dessen Tätigkeiten sich mehr als die anderer Unternehmen auf den Verkauf von mittelbar oder unmittelbar mit der Zuwiderhandlung in Verbindung stehenden Waren oder Dienstleistungen konzentrierten, durch die Anwendung der in Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 vorgesehenen Berechnungsmethode für den Grundbetrag der Geldbußen mit einer Geldbuße belegt wird, die einen höheren Anteil an seinem Gesamtumsatz darstellt als bei den den anderen Unternehmen jeweils auferlegten Geldbußen (Urteil vom 7. September 2016, Pilkington Group u. a./Kommission, C‑101/15 P, EU:C:2016:631, Rn. 64).

103    Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den von H&R ChemPharm nicht angegriffenen Feststellungen des Gerichts in Rn. 333 des angefochtenen Urteils, dass „bei ExxonMobil und H&R die zwischen dem Grundbetrag und dem Gesamtumsatz des Konzerns bestehende Differenz hinsichtlich des Anteils allein darauf zurückzuführen ist, dass die Umsätze mit Produkten, die zu den von dem Kartell betroffenen Märkten gehörten, bei ExxonMobil einen weitaus geringeren Anteil am Umsatz ausmachen als bei H&R“.

104    Folglich ist der fünfte Rechtsmittelgrund als unzulässig zurückzuweisen.

 Zum sechsten Rechtsmittelgrund: fehlerhafte Kostenfestsetzung

 Vorbringen der Parteien

105    Mit dem sechsten Rechtsmittelgrund rügt H&R ChemPharm, das Gericht habe gegen Art. 90 Buchst. a seiner Verfahrensordnung, Art. 6 EMRK und seine Begründungspflicht verstoßen, indem es sie in Rn. 352 des angefochtenen Urteils dazu verurteilt habe, angebliche Kosten in Höhe von 10 000 Euro zu erstatten.

106    Die vom Gericht angegebenen Gründe könnten diese Verurteilung nicht rechtfertigen, da das Gericht nach Art. 90 Buchst. a der Verfahrensordnung des Gerichts nur solche Kosten auferlegen könne, die von einer Partei „veranlasst“ worden und zugleich als „vermeidbar“ einzustufen seien. Das Gericht habe aber nicht erläutert, wodurch und wofür zusätzliche Kosten entstanden sein sollten. Der bloße Hinweis darauf, dass ihr Verhalten die Prüfung der Sache erschwert habe, stelle keine hinreichende Abgrenzung zu allgemeinen Betriebs- und Verfahrenskosten dar. Jedenfalls hätte ihr das Gericht vor ihrer Verurteilung zur Tragung der betreffenden Kosten in Anbetracht seiner Praxis und im Hinblick auf den Sanktionscharakter der angefochtenen Maßnahme Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen.

107    Nach Auffassung der Kommission ist der sechste Rechtsmittelgrund nicht stichhaltig.

 Würdigung durch den Gerichtshof

108    Art. 90 Buchst. a der Verfahrensordnung des Gerichts in der hier anwendbaren Fassung gehört zu deren sechstem Kapitel („Prozesskosten“). Er sieht vor, dass das Verfahren vor dem Gericht kostenfrei ist, das Gericht aber Kosten, die vermeidbar gewesen wären, der Partei auferlegen kann, die sie veranlasst hat.

109    Nach Art. 58 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist „[e]in Rechtsmittel nur gegen die Kostenentscheidung oder gegen die Kostenfestsetzung … unzulässig“. Nach ständiger Rechtsprechung sind zudem Anträge, mit denen die Fehlerhaftigkeit der Kostenentscheidung des Gerichts geltend gemacht wird, gemäß dieser Bestimmung als unzulässig zurückzuweisen, wenn alle anderen Rechtsmittelgründe zurückgewiesen worden sind (vgl. u. a. Beschluss vom 16. Oktober 1997, Dimitriadis/Rechnungshof, C‑140/96 P, EU:C:1997:493, Rn. 56, und Urteil vom 15. April 2010, Gualtieri/Kommission, C‑485/08 P, EU:C:2010:188, Rn. 111).

110    Demnach ist der die Kosten betreffende Rechtsmittelgrund unzulässig, da alle übrigen Rechtsmittelgründe von H&R ChemPharm zurückgewiesen werden.

111    Da keiner der sechs Rechtsmittelgründe von H&R ChemPharm durchgreift, ist das Rechtsmittel in vollem Umfang zurückzuweisen.

 Kosten

112    Nach Art. 184 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist, über die Kosten.

113    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da H&R ChemPharm mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die durch das vorliegende Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2.      Die H&R ChemPharm GmbH trägt die Kosten.



Da Cruz Vilaça

Berger

Borg Barthet

Levits

 

Biltgen

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 16. Februar 2017.

Der Kanzler

 

Der Präsident der Fünften Kammer

A. Calot Escobar

 

J. L. da Cruz Vilaça


* Verfahrenssprache: Deutsch.