Language of document : ECLI:EU:C:2015:708





Beschluss des Gerichtshofs (Siebte Kammer) vom 30. September 2015 –
Balogh

(Rechtssache C‑424/14)(1)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Mehrwertsteuer – Richtlinie 2006/112/EG – Art. 213 und 214 – Unterlassene Anzeige der Aufnahme einer Tätigkeit – Steuerbefreiung für Kleinunternehmen – Ahndung“

1.                     Zur Vorabentscheidung vorgelegte Fragen – Beantwortung, die keinen Raum für vernünftige Zweifel lässt – Anwendung von Art. 99 der Verfahrensordnung (Verfahrensordnung des Gerichtshofs, Art. 99) (vgl. Rn. 24)

2.                     Harmonisierung des Steuerrechts – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Verpflichtungen der Steuerschuldner – Anzeigepflicht bei Aufnahme einer Tätigkeit als Steuerpflichtiger – Nationale Regelung, die Steuerpflichtigen eine solche Pflicht auferlegt, wenn die Einnahmen aus einer Tätigkeit die Obergrenze für die Steuerbefreiung zugunsten von Kleinunternehmen nicht überschreiten – Zulässigkeit (Richtlinie 2006/112 des Rates, Art. 213 Abs. 1) (vgl. Rn. 30, Tenor 1)

3.                     Mitgliedstaaten – Verbliebene Zuständigkeiten – Verhängung von Sanktionen im Bereich der Mehrwertsteuer – Pflicht, bei der Ausübung dieser Zuständigkeit das Unionsrecht und seine allgemeinen Grundsätze zu beachten (vgl. Rn. 32, 33, 36)

4.                     Harmonisierung des Steuerrechts – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Pflichten der Steuerschuldner – Anzeigepflicht bei Aufnahme einer Tätigkeit als Steuerpflichtiger – Nationale Regelung, wonach gegen Steuerpflichtige, die diese Pflicht nicht einhalten, eine Geldbuße verhängt wird, wenn die Einnahmen aus einer Tätigkeit die Obergrenze für die Steuerbefreiung zugunsten von Kleinunternehmen nicht überschreiten – Zulässigkeit – Voraussetzung – Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – Dem nationalen Gericht obliegende Prüfung (Richtlinie 2006/112 des Rates) (vgl. Rn. 34-37, Tenor 2)

5.                     Zur Vorabentscheidung vorgelegte Fragen – Zuständigkeit des Gerichtshofs – Grenzen – Allgemeine oder hypothetische Fragen – Frage, die im Hinblick auf den Gegenstand des Ausgangsverfahrens abstrakten und rein hypothetischen Charakter hat – Unzulässigkeit (Art. 267 AEUV) (vgl. Rn. 39, 40, 42)

Tenor

1.

Art. 213 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass er nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, nach denen ein Steuerpflichtiger die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit anzuzeigen hat, wenn die Einnahmen aus dieser Tätigkeit die Obergrenze, bis zu der die Steuerbefreiung für Kleinunternehmen gilt, nicht überschreiten und der Steuerpflichtige keine steuerbare Tätigkeit ausüben möchte.

2.

Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass es nicht verbietet, dass mit einer verwaltungsrechtlichen Geldbuße geahndet wird, dass ein Steuerpflichtiger seiner Verpflichtung, die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit anzuzeigen, nicht nachgekommen ist, wenn die Einnahmen aus dieser Tätigkeit die Obergrenze, bis zu der die Steuerbefreiung für Kleinunternehmen gilt, nicht überschreiten. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob im Ausgangsverfahren die verhängte Sanktion mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist.


1 – ABl. C 439 vom 8.12.2014.