Language of document : ECLI:EU:T:2016:320

Verbundene Rechtssachen T‑479/11 und T‑157/12

Französische Republik
und

IFP Énergies nouvelles

gegen

Europäische Kommission

„Staatliche Beihilfen – Erdölsuche – Unbeschränkte staatliche Garantie, die dem Institut français du pétrole (IFP) implizit durch die Verleihung des Status eines ‚établissement public à caractère industriel et commercial‘ (öffentliches Unternehmen in den Bereichen Industrie und Handel, EPIC) gewährt wird – Vorteil – Vermutung des Vorteils“

Leitsätze – Urteil des Gerichts (Achte Kammer) vom 26. Mai 2016

1.      Staatliche Beihilfen – Begriff – Gewährung eines Vorteils für die Begünstigten – Staatliche Garantie zugunsten eines Unternehmens, das nicht den gewöhnlichen Sanierungs- und Abwicklungsverfahren unterliegt – Nachweispflicht der Kommission hinsichtlich des Vorliegens eines Vorteils – Beurteilung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Aspekte – Vorteil, der sich für das Unternehmen, für das die Garantie gilt, in seinen Beziehungen zu seinen Gläubigern konkretisiert

(Art. 107 Abs. 1 AEUV)

2.      Staatliche Beihilfen – Begriff – Gewährung eines Vorteils für die Begünstigten – Staatliche Garantie zugunsten eines Unternehmens, das nicht den gewöhnlichen Sanierungs- und Abwicklungsverfahren unterliegt – Nachweispflicht der Kommission hinsichtlich des Vorliegens eines Vorteils – Rein hypothetische Erwägungen – Erwägungen, mit denen der Nachweispflicht nicht genügt wird

(Art. 107 Abs. 1 AEUV)

3.      Staatliche Beihilfen – Verwaltungsverfahren – Verpflichtungen der Kommission – Sorgfältige und unparteiische Prüfung – Berücksichtigung möglichst vollständiger und verlässlicher Informationen – Umfang der Verpflichtung

(Art. 108 Abs. 2 AEUV)

4.      Staatliche Beihilfen – Begriff – Rechtsbegriff – Auslegung anhand objektiver Kriterien – Gerichtliche Überprüfung – Umfang

(Art. 107 Abs. 1 AEUV)

5.      Handlungen der Organe – Begründung – Verpflichtung – Umfang – Heilung eines Begründungsmangels im gerichtlichen Verfahren – Unzulässigkeit

(Art. 296 AEUV)

6.      Staatliche Beihilfen – Begriff – Gewährung eines Vorteils für die Begünstigten – Erfordernis der Berücksichtigung der Wirkungen einer Maßnahme, um den Vorteil des Begünstigten zu bestimmen

(Art. 107 Abs. 1 AEUV)

7.      Staatliche Beihilfen – Begriff – Gewährung eines Vorteils für die Begünstigten – Staatliche Garantie zugunsten eines Unternehmens, das nicht den gewöhnlichen Sanierungs- und Abwicklungsverfahren unterliegt – Nachweis des Vorliegens eines Vorteils mittels der Vermutung einer Verbesserung der finanziellen Position des Unternehmens – Grenzen

(Art. 107 Abs. 1 AEUV)

8.      Staatliche Beihilfen – Prüfung durch die Kommission – Prüfung einer Beihilferegelung in ihrer Gesamtheit – Zulässigkeit – Prüfung der allgemeinen Merkmale einer aufgrund einer anmeldepflichtigen Beihilferegelung gewährten Beihilfe – Unzulässigkeit

(Art. 108 AEUV)

9.      Staatliche Beihilfen – Begriff – Gewährung eines Vorteils für die Begünstigten – Staatliche Garantie zugunsten eines Unternehmens, das nicht den gewöhnlichen Sanierungs- und Abwicklungsverfahren unterliegt – Nachweis des Vorliegens eines Vorteils mittels der Vermutung der Verbesserung der finanziellen Position des Unternehmens – Widerlegung der Vermutung

(Art. 107 Abs. 1 AEUV)

1.      Der Begriff der Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV umfasst nicht nur positive Leistungen, sondern auch Maßnahmen, die in verschiedener Form die von einem Unternehmen normalerweise zu tragenden Belastungen vermindern und die somit zwar keine Subventionen im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen aber nach Art und Wirkung gleichstehen. Somit gelten als Beihilfen staatliche Maßnahmen gleich welcher Art, die unmittelbar oder mittelbar Unternehmen begünstigen oder als ein wirtschaftlicher Vorteil anzusehen sind, den das begünstigte Unternehmen unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte.

Um festzustellen, ob das begünstigte Unternehmen eine wirtschaftliche Vergünstigung erhält, die es unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte, hat die Kommission, alle maßgeblichen Aspekte des streitigen Vorgangs und seinen Kontext, einschließlich der Lage des begünstigten Unternehmens und des betroffenen Marktes, zu prüfen.

Die Methode, die Kommission gewählt hat, um zu ermitteln, ob eine öffentlich-rechtliche Forschungseinrichtung durch die Verleihung des eine unbeschränkte staatliche Garantie implizierenden Status eines öffentlichen Unternehmens in den Bereichen Industrie und Handel einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt hat, nämlich, den Vorteil zu untersuchen, den die Einrichtung in ihren Beziehungen zu ihren Gläubigern erlangt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Vorteil aus einer staatlichen Garantie, die mit dem Status des betreffenden Unternehmens einhergeht, konkretisiert sich nämlich in den Beziehungen des Unternehmens zu seinen Gläubigern. Bei der Feststellung eines Vorteils in einem konkreten Fall müssen die günstigere Behandlung, die die Gläubiger dem Unternehmen, für das die Garantie besteht, gewähren und die dadurch verminderten Kosten bzw. maximierten Leistungen jedoch unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Aspekte des streitigen Vorgangs und seines Kontexts, einschließlich der Lage des begünstigten Unternehmens und des betroffenen Marktes, bestimmt werden.

(vgl. Rn. 70, 71, 82, 83, 87, 88)

2.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 71, 94-108, 114, 115)

3.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 72)

4.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 73-75)

5.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 126, 130)

6.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 129)

7.      Der Gerichtshof hat in dem Urteil vom 3. April 2014, Frankreich/Kommission, C‑559/12 P, zwar bestätigt, dass die einfache Vermutung besteht, dass eine implizite unbeschränkte staatliche Bürgschaft für ein Unternehmen, das nicht den gewöhnlichen Sanierungs- und Abwicklungsverfahren unterliegt, eine Verbesserung seiner finanziellen Position durch eine Verminderung der in der Regel von ihm zu tragenden Belastungen zur Folge hat. Die Zulässigkeit des Rückgriffs auf eine Vermutung als Art der Beweisführung hängt aber von der Plausibilität der Hypothesen ab, auf denen die Vermutung beruht.

Die in dem Urteil aufgestellte Vermutung beruht auf zwei Prämissen, die vom Gerichtshof für plausibel gehalten wurden. Erstens muss das Vorliegen einer Garantie der staatlichen Behörden eines Mitgliedstaats einen positiven Einfluss auf die Beurteilung des Ausfallrisikos des Begünstigten der Garantie durch die Gläubiger haben. Zweitens muss sich dieser positive Einfluss in der Senkung der Kreditkosten niederschlagen. Die Plausibilität der Hypothese der Kommission, dass sich der positive Einfluss des Vorliegens einer Garantie der staatlichen Behörden eines Mitgliedstaats auf die Einschätzung des Risikos des Ausfalls des Begünstigten der Garantie durch die Gläubiger in einer Senkung der dem Begünstigten der Garantie durch seine Lieferanten angebotenen Preise niedergeschlagen habe, liegt aber nicht auf der Hand.

Jedenfalls kann sich die Kommission zum Nachweis des Vorliegens eines Vorteils in den Beziehungen einer öffentlich-rechtlichen Forschungseinrichtung, für die eine implizite unbeschränkte staatliche Garantie gilt, zu ihren Lieferanten und Kunden nicht auf diese vom Gerichtshof in dem genannten Urteil aufgestellte einfache Vermutung berufen, da diese nur für Rechtsverhältnisse gilt, die mit einer Finanzierung, einem Darlehen oder ganz allgemein einem Kredit des Gläubigers eines solchen öffentlichen Unternehmens zu tun haben, insbesondere für das Verhältnis zwischen dem Unternehmen und den Kredit- und Finanzinstituten.

(vgl. Rn. 136-139, 142, 160)

8.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 165-173)

9.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 187-195)