Language of document : ECLI:EU:T:2024:217

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

10. April 2024(*)

„Staatliche Beihilfen – Gebührensystem für die Abwassersammlung – Beschwerde eines Wettbewerbers – Beschluss, mit dem am Ende der Vorprüfungsphase festgestellt wird, dass keine staatliche Beihilfe vorliegt – Erfordernis der Unparteilichkeit – Objektive Unparteilichkeit – Begriff ‚Vorteil‘ – Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsteilnehmers – Ex‑ante‑Analyse der inkrementellen Rentabilität – Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe“

In der Rechtssache T‑486/18 RENV,

Danske Slagtermestre, mit Sitz in Odense (Dänemark), vertreten durch Rechtsanwalt H. Sønderby Christensen,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch I. Barcew, C. Vang und P. Němečková als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Königreich Dänemark, vertreten durch M. Søndahl Wolff, C. Maertens, J. Kronborg und M. Jespersen als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten D. Spielmann sowie der Richter I. Gâlea (Berichterstatter) und T. Tóth,

Kanzler: H. Eriksson, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung des Urteils vom 30. Juni 2022, Danske Slagtermestre/Kommission (C‑99/21 P, EU:C:2022:510),

auf die mündliche Verhandlung vom 26. September 2023

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV begehrt die Klägerin, Danske Slagtermestre, die Nichtigerklärung des Beschlusses C(2018) 2259 final der Kommission vom 19. April 2018 über die staatliche Beihilfe SA.37433 (2017/FC) – Dänemark (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Die Rechtsmittelführerin ist ein Berufsverband, der geltend macht, dänische Kleinmetzgereien, Schlachtbetriebe, Großhändler und verarbeitende Unternehmen zu vertreten.

3        Am 26. September 2013 reichte sie bei der Kommission eine Beschwerde mit der Begründung ein, dass das Königreich Dänemark mit dem Erlass des Lov nr. 902/2013 om ændring af lov om betalingsregler for spildevandsforsyningsselskaber m.v. (Betalingsstruktur for vandafledningsbidrag, bemyndigelse til opgørelse af særbidrag for behandling af særlig forurenet spildevand m.v.) (Gesetz Nr. 902/2013 zur Änderung des Gesetzes über die Regelung der Gebühren für Abwasserentsorgungsunternehmen [Gebührenstruktur für die Abwasserentsorgung mit der Möglichkeit der Erhebung besonderer Gebühren für die Behandlung besonders verschmutzter Abwässer etc.]) eine staatliche Beihilfe zugunsten großer Schlachthöfe in Form einer Verringerung der Gebühren für die Abwasserbehandlung gewährt habe.

4        Vor Inkrafttreten dieses Gesetzes sah das Lov nr. 633/2010 om betalingsregler for spildevandsforsyningsselskaber m.v. (Gesetz über die Regelung der Gebühren für Abwasserentsorgungsunternehmen etc.) eine einheitliche Abgabe pro Kubikmeter für alle an dieselbe Abwasserbehandlungsanlage angeschlossenen Verbraucher vor, unabhängig von ihrem Tätigkeitsbereich und ihrem Verbrauch. Mit dem Gesetz Nr. 902/2013 wurde ein degressives Modell in Stufen eingeführt, das einen Tarif pro Kubikmeter Abwasser vorsieht, der sich nach dem abgelassenen Abwasservolumen richtet (im Folgenden: Stufenmodell).

5        Das Stufenmodell ist wie folgt ausgestaltet:

–        Stufe 1 entspricht einem Wasserverbrauch von bis zu 500 m3 pro Jahr pro Grundstück;

–        Stufe 2 entspricht dem Teil des Wasserverbrauchs, der zwischen 500 m3 und 20 000 m3 pro Jahr pro Grundstück beträgt, und

–        Stufe 3 entspricht dem Teil des Wasserverbrauchs, der über 20 000 m3 pro Jahr pro Grundstück hinausgeht.

6        Der Tarif pro Kubikmeter für jede der Stufen ist wie folgt festgelegt:

–        der Tarif pro Kubikmeter der Stufe 2 ist um 20 % niedriger als der Tarif der Stufe 1;

–        und der Tarif pro Kubikmeter der Stufe 3 ist um 60 % niedriger als der Tarif der Stufe 1.

7        Im Rahmen des Stufenmodells zahlen somit die Verbraucher, die unter die dritte Stufe fallen, zunächst den für die erste Stufe vorgesehenen Tarif, bis ihr Wasserverbrauch 500 m³ überschreitet. Sie zahlen dann den für die zweite Stufe vorgesehenen Tarif, bis ihr Verbrauch 20 000 m³ überschreitet, und schließlich zahlen sie die Gebühr für die Abwasserbehandlung gemäß dem für die dritte Stufe vorgesehenen Tarif.

8        Zwischen dem 10. Oktober 2013 und dem 12. September 2017 sammelte die Kommission Informationen über die Beschwerde und tauschte Informationen mit der Klägerin und dem Königreich Dänemark aus. Am 23. Juli 2014 und am 25. Februar 2016 übersandte die Kommission der Klägerin vorläufige Beurteilungsschreiben, in denen sie die Auffassung vertrat, dass die fragliche Maßnahme keine staatliche Beihilfe darstelle.

9        Am 19. April 2018 erließ die Kommission den angefochtenen Beschluss, in dem sie die Auffassung vertrat, dass die mit dem Gesetz Nr. 902/2013 eingeführte Gebühr (im Folgenden: Abwassergebühr) bestimmten Unternehmen keinen besonderen Vorteil verschaffe und daher keine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstelle.

10      Zur Stützung dieses Ergebnisses führte die Kommission aus, dass ein marktwirtschaftlich handelnder privater Wirtschaftsteilnehmer das Stufenmodell angewandt hätte. Insoweit stellte sie zunächst im 36. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses fest, dass sie, da das Stufenmodell die Entgeltregelung für offene, nicht bestimmten Endnutzern gewidmete Infrastrukturen betreffe, gemäß Rn. 228 ihrer Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 [AEUV] (ABl. 2016, C 262, S. 1; im Folgenden: Bekanntmachung von 2016) prüfen werde, ob die Nutzer der Abwasserbehandlungsanlagen in Dänemark über die Abwassergebühr von einem Ex-ante-Standpunkt aus betrachtet inkrementell zur Rentabilität dieser Anlagen beitrügen. Auch wies sie in den Erwägungsgründen 37 und 38 dieses Beschlusses darauf hin, dass dies der Fall wäre, wenn diese Gebühr mittelfristig die Deckung der inkrementellen Kosten der Anlagen ermöglichen würde.

11      Sodann erachtete die Kommission in den Erwägungsgründen 39 und 40 des angefochtenen Beschlusses den Ansatz der dänischen Behörden, wonach sich die Kosten der Abwasserbehandlungsanlagen zu 80 % aus Fixkosten und zu 20 % aus variablen Kosten zusammensetzten, wobei Erstere gleichmäßig auf alle Nutzer aufzuteilen seien, während Letztere dem jeweiligen Nutzer zugerechnet werden könnten, für „angemessen“. Im 41. Erwägungsgrund dieses Beschlusses vertrat die Kommission die Auffassung, dass die Tarife für die Stufen 2 und 3 über den Gesamtkosten dieser Anlagen lägen und dies auch dann der Fall wäre, wenn sich das Verhältnis zwischen fixen und variablen Kosten nicht auf 80/20, sondern z. B. auf 70/30 beliefe. Daraus schloss sie im 42. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass die Nutzer der Abwasserbehandlungsanlagen in Dänemark durch die auf der Grundlage des Stufenmodells ermittelte Abwassergebühr im Sinne von Rn. 228 der Bekanntmachung von 2016 zu deren Rentabilität beitrügen.

12      Schließlich führte die Kommission in den Erwägungsgründen 43 bis 45 des angefochtenen Beschlusses aus, dass sich große Unternehmen im Falle einer Erhöhung der Abwassergebühr von dem bestehenden Netz von Abwasserbehandlungsanlagen abkoppeln könnten, um eigene Anlagen zu schaffen, so dass diese großen Unternehmen in diesem Fall nicht mehr verpflichtet wären, die genannte Gebühr zu zahlen.

13      Mit Beschluss vom 1. Dezember 2020, Danske Slagtermestre/Kommission (T‑486/18, nicht veröffentlicht, im Folgenden: ursprünglicher Beschluss, EU:T:2020:576), wies das Gericht die Klage mit der Begründung als unzulässig ab, dass die Klägerin nicht klagebefugt sei.

14      Mit Urteil vom 30. Juni 2022, Danske Slagtermestre/Kommission (C‑99/21 P, im Folgenden: Rechtsmittelurteil, EU:C:2022:510), hat der Gerichtshof den ursprünglichen Beschluss aufgehoben.

15      In Anwendung von Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union hat der Gerichtshof festgestellt, dass er über die erforderlichen Angaben verfügt, um endgültig über die Zulässigkeit der Klage zu entscheiden. Insoweit hat er festgestellt, dass der angefochtene Beschluss ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter ist, der keine Durchführungsmaßnahmen im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV nach sich zieht. Der Gerichtshof hat daher entschieden, dass die Klägerin, da sie vom angefochtenen Beschluss unmittelbar betroffen ist, zur Klage gegen diesen Beschluss befugt ist und dass die vorliegende, auf dessen Nichtigerklärung gerichtete Klage vor dem Gericht zulässig ist.

16      Unter Vorbehalt der Kostenentscheidung hat der Gerichtshof die Rechtssache zur Prüfung der Begründetheit an das Gericht zurückverwiesen.

 Anträge der Parteien

17      Die Klägerin beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten auferlegen.

18      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

19      Das Königreich Dänemark beantragt als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission, die Klage abzuweisen.

 Rechtliche Würdigung

20      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Rechtsmittelurteil endgültig entschieden hat, dass die von der Klägerin erhobene Klage zulässig ist (siehe oben, Rn. 15).

21      Daher ist nicht mehr über das Vorbringen der Parteien zur Zulässigkeit der Klage zu befinden und es sind die Klagegründe zu prüfen, mit denen die Klägerin die Begründetheit des angefochtenen Beschlusses in Abrede stellt.

22      Die Klägerin stützt ihre Klage auf sieben Klagegründe, mit denen sie im Wesentlichen geltend macht: erstens einen Verstoß gegen den in Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) verankerten Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens, zweitens einen Verstoß gegen das in Art. 41 Abs. 1 der Charta vorgesehene Recht jeder Person darauf, dass ihre Angelegenheiten von den Organen der Europäischen Union unparteiisch behandelt werden, drittens einen Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV, da die Kommission davon ausgegangen sei, dass die Abwassergebühr keinen Vorteil verschaffe, viertens die Selektivität dieses Vorteils, fünftens die Zurechenbarkeit des Stufenmodells an den dänischen Staat und seine Gewährung aus öffentlichen Mitteln, sechstens eine Behinderung des Wettbewerbs und siebtens eine Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten.

23      Das Gericht hält es für zweckmäßig, zunächst den zweiten Klagegrund zu prüfen, mit dem im Wesentlichen ein Verstoß gegen das Unparteilichkeitsgebot geltend gemacht wird.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen das Unparteilichkeitsgebot

24      Mit ihrem zweiten Klagegrund macht die Klägerin geltend, die Kommission habe wegen des Interessenkonflikts, in dem sich das für den Wettbewerb zuständige Kommissionsmitglied, das den angefochtenen Beschluss unterzeichnet habe (im Folgenden: betreffendes Kommissionsmitglied), befunden habe, gegen das in Art. 41 Abs. 1 der Charta vorgesehene Unparteilichkeitsgebot verstoßen. In diesem Sinne macht sie geltend, dass dieses Mitglied innerhalb der dänischen Regierung als Ministerin für Wirtschaft und Inneres, als stellvertretende Ministerpräsidentin und als Mitglied des Koordinierungsausschusses dieser Regierung an der Ausarbeitung des Gesetzes Nr. 902/2013 beteiligt gewesen sei. Die Kommission habe gegen bestimmte Vorschriften ihrer Geschäftsordnung (ABl. 2000, L 308, S. 26) und ihres Beschlusses vom 31. Januar 2018 über einen Verhaltenskodex für die Mitglieder der Europäischen Kommission (ABl. 2018, C 65, S. 7) verstoßen.

25      Die Kommission beantragt, den zweiten Klagegrund zurückzuweisen. Erstens sei die Umweltministerin und nicht das betreffende Kommissionsmitglied für die Ausarbeitung des Gesetzes Nr. 902/2013 verantwortlich gewesen. Zweitens sei ihre Eigenschaft als Mitglied des Koordinierungsausschusses der Regierung irrelevant, da die Billigung eines Gesetzentwurfs durch diesen Ausschuss lediglich bedeute, dass die Regierung den Entwurf dem dänischen Parlament vorlege. Drittens liege mangels eines persönlichen Interesses des betreffenden Kommissionsmitglieds, das die unabhängige Wahrnehmung seiner Aufgaben beeinflussen könne, wie u. a. potenzielle Vergünstigungen oder Vorteile für sie selbst, ihren Ehegatten oder direkte Familienangehörige, kein Interessenkonflikt im Sinne von Art. 2 Abs. 6 ihres Verhaltenskodex vor. Viertens weist die Kommission darauf hin, dass ihre Beschlüsse nach Art. 250 AEUV und Art. 2 Abs. 4 ihres Verhaltenskodex vom Kollegium der Kommissionsmitglieder mit der Mehrheit ihrer Mitglieder erlassen werde, so dass nur eines ihrer Mitglieder keinen entscheidenden Einfluss auf den Erlass eines Beschlusses haben könne.

26      Nach Art. 41 Abs. 1 der Charta hat jede Person u. a. ein Recht darauf, dass ihre Angelegenheiten von den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unparteiisch behandelt werden.

27      Hierzu ist festzustellen, dass das Erfordernis der Unparteilichkeit, das den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben auferlegt wird, darauf abzielt, die Gleichbehandlung zu gewährleisten, auf der die Union beruht. In Anbetracht der grundlegenden Bedeutung der Gewährleistung der Unabhängigkeit und Integrität sowohl für das interne Funktionieren als auch für das Außenbild der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union umfasst das Erfordernis der Unparteilichkeit alle Umstände, bei denen der Beamte oder Bedienstete, der aufgefordert wurde, über einen Fall zu entscheiden, vernünftigerweise erkennen muss, dass sie in den Augen Dritter seine Unabhängigkeit in diesem Bereich beeinträchtigen könnten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. März 2019, August Wolff und Remedia/Kommission, C‑680/16 P, EU:C:2019:257, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Daher obliegt es diesen Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen, dem Unparteilichkeitsgebot u. a. in seiner Ausprägung der objektiven Unparteilichkeit nachzukommen, wonach das betreffende Organ hinreichende Garantien bieten muss, um jeden berechtigten Zweifel im Hinblick auf etwaige Vorurteile auszuschließen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. März 2019, August Wolff und Remedia/Kommission, C‑680/16 P, EU:C:219:257, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung), wobei auch ein Eindruck von Bedeutung sein kann (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 19. November 2019, A. K. u. a. [Unabhängigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts], C‑585/18, C‑624/18 und C‑625/18, EU:C:2019:982, Rn. 128 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Hierzu ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass es nicht erforderlich ist, eine mangelnde Unparteilichkeit darzutun, um nachzuweisen, dass die Organisation des Verwaltungsverfahrens keine hinreichenden Garantien bietet, um jeden berechtigten Zweifel in Bezug auf etwaige Vorurteile auszuschließen, sondern es genügt, dass insoweit ein berechtigter Zweifel besteht und nicht ausgeräumt werden kann (Urteil vom 21. Oktober 2021, Parlament/UZ, C‑894/19 P, EU:C:2021:863, Rn. 54; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 27. März 2019, August Wolff und Remedia/Kommission, C‑680/16 P, EU:C:2019:257, Rn. 37).

30      So hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die objektive Unparteilichkeit eines Ausschusses beeinträchtigt sein kann, wenn ein Interessenkonflikt bei einem seiner Mitglieder zu einer Ämterkollision führen könnte, und zwar unabhängig vom persönlichen Verhalten dieses Mitglieds (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. März 2019, August Wolff und Remedia/Kommission, C‑680/16 P, EU:C:2019:257, Rn. 30).

31      Im vorliegenden Fall stellt die Klägerin im Wesentlichen die objektive Unparteilichkeit des betreffenden Kommissionsmitglieds in Abrede, indem sie darauf hinweist, dass dieses zum einen aufgrund seiner Aufgaben innerhalb der dänischen Regierung am Erlass des Gesetzes Nr. 902/2013 beteiligt gewesen sei und zum anderen die „administrative Letztverantwortung“ für die Behandlung ihrer Beschwerde und den Erlass des angefochtenen Beschlusses getragen habe.

32      Als Erstes trifft es, wie die Kommission ausführt, zu, dass zum einen die dänische Umweltministerin und nicht das betreffende Kommissionsmitglied den dem Erlass des Gesetzes Nr. 902/2013 zugrunde liegenden Entwurf vorgelegt hatte und dass zum anderen dieses Gesetz nach einer Abstimmung mit der Mehrheit der Mitglieder des dänischen Parlaments erlassen worden war.

33      Erstens ist jedoch unstreitig, dass das betreffende Kommissionsmitglied, bevor es diese Position bekleidete, zum Zeitpunkt der Einbringung des Entwurfs, der dem Gesetz Nr. 902/2013 zugrunde lag, und des Erlasses dieses Gesetzes, Ministerin für Wirtschaft und Inneres war, d. h. ein herausgehobenes Amt innerhalb der dänischen Regierung innehatte. Außerdem wird auch nicht bestritten, dass dieses Mitglied zur gleichen Zeit auch stellvertretende Ministerpräsidentin des Königreichs Dänemark und Mitglied des Koordinierungsausschusses dieser Regierung war. Somit hatte die betreffende Person, bevor sie Mitglied der Kommission wurde, in der dänischen Regierung eine besonders wichtige Position inne.

34      Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass das Gesetz Nr. 902/2013 die Änderung der bestehenden Wassergebührenregelung zum Gegenstand hatte und daher Maßnahmen – wie die Abwassergebühr – enthielt, bei denen zu erwarten war, dass sie sich auf die Ausgaben von Privatpersonen und Unternehmen auswirkten. Es kann jedoch vernünftigerweise davon ausgegangen werden, dass solche Maßnahmen im Einvernehmen mit dem Wirtschaftsminister, d. h. dem betreffenden Kommissionsmitglied, vorgeschlagen wurden. Im Übrigen war dieses Gesetz Teil eines umfassenden Aktionsplans der dänischen Regierung mit dem Titel „Wachstumsplan für Dänemark“.

35      Drittens geht aus einem von der Klägerin vorgelegten Presseartikel hervor, dass das betreffende Kommissionsmitglied am 26. Februar 2013 zusammen mit der Ministerpräsidentin, der Finanzministerin und dem Minister für Steuern im Namen der dänischen Regierung an einer Pressekonferenz zur Vorstellung dieses Aktionsplans teilgenommen hatte, der den dem Gesetz Nr. 902/2013 zugrunde liegenden Entwurf enthielt. Auf dieser Pressekonferenz hatte das betreffende Kommissionsmitglied zum einen insbesondere erklärt, dass „die Regierung … ein sehr klares Signal an die Unternehmen [sendet]“ und dass sie „den Unternehmen keine neuen allgemeinen Steuer- und Abgabenerhöhungen auferlegen [wird]“. Zum anderen hatte das betreffende Kommissionsmitglied auf derselben Pressekonferenz ebenfalls erklärt, dass es „neben den Körperschaftsteuerermäßigungen … eine Reihe von Steuererleichterungen geben [wird], insbesondere eine Senkung der Abwassersteuer“.

36      Das betreffende Kommissionsmitglied hat somit auf nationaler Ebene öffentlich und ausdrücklich zugunsten der Senkung der Abwassergebühr Stellung genommen.

37      In Anbetracht dessen kann mit Recht angenommen werden, dass das betreffende Kommissionsmitglied ein Interesse daran hatte, dass die im Gesetz Nr. 902/2013 vorgesehene Abwassergebühr, bei der es sich um eine Maßnahme zur Ermäßigung der Abwassergebühr zugunsten der größten Verbraucher handelt, nicht wegen ihrer Rechtswidrigkeit im Hinblick auf die unionsrechtlichen Vorschriften über staatliche Beihilfen in Frage gestellt wird.

38      Als Zweites ist daher zu prüfen, ob die Organisation des Verwaltungsverfahrens innerhalb der Kommission, das zum Erlass des angefochtenen Beschlusses geführt hat, hinreichende Garantien enthielt, um auszuschließen, dass dieses Verfahren mit einem Verstoß gegen das Unparteilichkeitsgebot behaftet ist.

39      Insoweit sieht Art. 250 AEUV, wie die Kommission geltend macht, zwar vor, dass ihre Beschlüsse mit der Mehrheit ihrer Mitglieder gefasst werden, so dass das betreffende Kommissionsmitglied keine ausschlaggebende Stimme für den Erlass des angefochtenen Beschlusses hatte.

40      Indessen werden „[d]ie Zuständigkeiten der Kommission … von ihrem Präsidenten … gegliedert und zwischen ihren Mitgliedern aufgeteilt“, wobei der Präsident „diese Zuständigkeitsverteilung im Laufe der Amtszeit ändern“ kann. Genauer gesagt bestimmt Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 der Geschäftsordnung der Kommission in der durch den Beschluss 2010/138/EU, Euratom der Kommission vom 24. Februar 2010 (ABl. 2010, L 55, S. 60) geänderten Fassung, dass „der Präsident den Mitgliedern der Kommission spezielle Aufgabenbereiche zuweisen [kann], in denen sie für die vorbereitenden Arbeiten der Kommission und die Durchführung ihrer Beschlüsse in besonderem Maße verantwortlich sind“.

41      Somit war das betreffende Kommissionsmitglied trotz des kollegialen Charakters des Beschlussfassungsverfahrens innerhalb der Kommission als für den Wettbewerb zuständiges Mitglied für die Vorbereitung des angefochtenen Beschlusses in besonderem Maße verantwortlich, was die Kommission im Übrigen in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, indem sie darauf hingewiesen hat, dass dieses Mitglied „die Letztverantwortung für die Vorbereitung des Vorschlags für diesen Beschluss“ getragen habe. In diesem Zusammenhang spielt die Vorbereitung eine wichtige Rolle für den letztlich von der Kommission erlassenen Beschluss (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 27. März 2019, August Wolff und Remedia/Kommission, C‑680/16 P, EU:C:2019:257, Rn. 33).

42      Diese Einschätzung wird insbesondere in der Wahrnehmung Dritter durch den von der Klägerin im Wesentlichen hervorgehobenen Umstand bekräftigt, dass das betreffende Kommissionsmitglied den angefochtenen Beschluss allein unterzeichnet hat.

43      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass das betreffende Kommissionsmitglied ungeachtet seines Interesses am Gesetz Nr. 902/2013 (siehe oben, Rn. 37) eine besondere Verantwortung im Rahmen des Verwaltungsverfahrens trug, das zum Erlass des angefochtenen Beschlusses führte und die Prüfung einer in diesem Gesetz enthaltenen Maßnahme im Hinblick auf die Vorschriften über staatliche Beihilfen betraf.

44      Was den Anschein anbelangt, ist eine solche Situation jedoch geeignet, in den Augen Dritter berechtigte Zweifel in Bezug auf etwaige Vorurteile des betreffenden Kommissionsmitglieds aufkommen zu lassen, und zwar unabhängig von seinem persönlichen Verhalten. Außerdem hat die Kommission nichts vorgetragen, was die Behauptungen der Klägerin in Frage stellen könnte, um die so entstandenen Zweifel zu zerstreuen. Folglich ist nach der oben in den Rn. 28 bis 30 angeführten Rechtsprechung festzustellen, dass das Verfahren, das zum Erlass des angefochtenen Beschlusses führte, keine hinreichenden Garantien im Hinblick auf die objektive Unparteilichkeit bot.

45      Folglich ist dem zweiten Klagegrund insgesamt stattzugeben. Daher brauchen weder das weitere Vorbringen der Klägerin im Rahmen dieses Klagegrundes noch das Vorbringen der Kommission zum Fehlen eines persönlichen oder familiären Interesses des betreffenden Kommissionsmitglieds geprüft zu werden, da das letztgenannte Vorbringen die subjektive Unparteilichkeit betrifft.

46      Das Gericht ist der Auffassung, dass ergänzend der dritte Klagegrund zu prüfen ist, mit dem geltend gemacht wird, die Kommission habe gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV verstoßen, indem sie im angefochtenen Beschluss zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die Abwassergebühr nicht zum Vorliegen eines Vorteils führe.

 Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV in Bezug auf die Voraussetzung des Vorliegens eines Vorteils

47      Mit ihrem dritten Klagegrund macht die Klägerin geltend, die Kommission habe zu Unrecht angenommen, dass die Abwassergebühr keinen Vorteil für bestimmte Unternehmen schaffe und daher keine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstelle.

48      Der dritte Klagegrund besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen. Mit dem ersten Teil macht die Klägerin geltend, der Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsteilnehmers (im Folgenden: Grundsatz des privaten Wirtschaftsteilnehmers) sei nicht anwendbar. Mit dem zweiten Teil macht sie geltend, dass dieser Grundsatz, seine Anwendbarkeit unterstellt, nicht beachtet worden sei.

 Zum ersten Teil des dritten Klagegrundes: Unanwendbarkeit des Grundsatzes des privaten Wirtschaftsteilnehmers

49      Die Klägerin macht geltend, der Grundsatz des privaten Wirtschaftsteilnehmers sei nicht anwendbar, da es erstens keinen wirklichen Markt für die Abwassersammlung in Dänemark gebe, zweitens dieser Grundsatz noch nie auf eine Maßnahme von allgemeiner Tragweite oder auf eine Maßnahme zur Gebührensenkung oder ‑befreiung angewandt worden sei und drittens die Kommission nicht die Auswirkungen des Stufenmodells auf die Kunden und Lieferanten der Schlachthöfe geprüft habe.

50      Die Kommission, unterstützt durch das Königreich Dänemark, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

51      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Art. 107 Abs. 1 AEUV mehrere kumulative Voraussetzungen für die Einstufung einer nationalen Maßnahme als staatliche Beihilfe aufstellt, darunter die Voraussetzung, dass die staatliche Maßnahme, um die es in einem bestimmten Fall geht, dem oder den durch sie begünstigten Unternehmen einen selektiven Vorteil gewähren muss (vgl. Urteil vom 17. November 2022, Volotea und easyJet/Kommission, C‑331/20 P und C‑343/20 P, EU:C:2022:886, Rn. 102 und 103 und die dort angeführte Rechtsprechung). Einen „Vorteil“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV gewährt insoweit jede staatliche Maßnahme, die – unabhängig von ihrer Form und ihren Zielen – unmittelbar oder mittelbar ein oder mehrere Unternehmen begünstigen kann oder die diesen Unternehmen einen Vorteil verschafft, den sie unter normalen Marktbedingungen nicht hätten erhalten können (vgl. Urteil vom 17. November 2022, Volotea und easyJet/Kommission, C‑331/20 P und C‑343/20 P, EU:C:2022:886, Rn. 107 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52      Die Feststellung des Vorliegens eines solchen Vorteils erfolgt grundsätzlich durch Anwendung des Grundsatzes des privaten Wirtschaftsteilnehmers, es sei denn, dass es nicht möglich ist, das in Rede stehende staatliche Verhalten in einem bestimmten Fall mit dem eines privaten Wirtschaftsteilnehmers zu vergleichen, weil dieses Verhalten untrennbar mit dem Bestehen einer Infrastruktur verbunden ist, die kein privater Wirtschaftsteilnehmer jemals hätte errichten können, oder dass der Staat in seiner Eigenschaft als Träger hoheitlicher Gewalt gehandelt hat, wobei die bloße Ausübung hoheitlicher Befugnisse wie der Einsatz legislativer oder fiskalischer Mittel ebenso wenig wie die Verfolgung von Zielen der öffentlichen Politik für sich allein zur Unanwendbarkeit dieses Grundsatzes führt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. November 2022, Volotea und easyJet/Kommission, C‑331/20 P und C‑343/20 P, EU:C:2022:886, Rn. 108 und 120 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Ob der genannte Grundsatz anwendbar ist, richtet sich nämlich nach dem wirtschaftlichen Charakter der betreffenden staatlichen Maßnahme und nicht danach, welche Mittel zu diesem Zweck eingesetzt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. September 2017, Kommission/Frucona Košice, C‑300/16 P, EU:C:2017:706, Rn. 27).

53      Im vorliegenden Fall betrifft die in Rede stehende Maßnahme die Gebührenregelung für die Abwasserbehandlung. Insoweit wird die Abwasserbehandlung von den Betreibern der Infrastruktur gegen ein Entgelt durchgeführt, das u. a. aus der in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden Abwassergebühr stammt. Insbesondere bezweckt und bewirkt diese Maßnahme eine Senkung der Gebühren für die größten Wasserverbraucher. Sie ist daher mit einem Mengenrabatt gleichzusetzen, den der Betreiber einer Infrastruktur bestimmten seiner Kunden gewährt, so dass das in Rede stehende staatliche Verhalten mit dem eines privaten Wirtschaftsteilnehmers verglichen werden kann.

54      Unabhängig vom allgemeinen Charakter des Beitrags zur Abwasserbehandlung ist das Tätigwerden der dänischen Behörden beim Erlass dieser Maßnahme daher wirtschaftlicher Natur, so dass jeder sich daraus ergebende Vorteil gemäß der oben in Rn. 52 angeführten Rechtsprechung anhand des Grundsatzes des privaten Wirtschaftsteilnehmers zu beurteilen ist.

55      Dieses Ergebnis wird zum einen nicht durch das Vorbringen der Klägerin in Frage gestellt, dass es keinen Markt für die Abwasserbehandlung gebe. Denn selbst wenn dieser Umstand nachgewiesen wäre, hätte er für sich genommen nicht die Unanwendbarkeit des Grundsatzes des privaten Wirtschaftsteilnehmers zur Folge, da, wenn keine Möglichkeit besteht, die Situation eines öffentlichen Unternehmens mit der eines privaten Unternehmens zu vergleichen, die zwangsläufig hypothetischen normalen Marktbedingungen anhand der verfügbaren objektiven und nachprüfbaren Faktoren zu ermitteln sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Juli 2003, Chronopost u. a./Ufex u. a., C‑83/01 P, C‑93/01 P und C‑94/01 P, EU:C:2003:388, Rn. 38).

56      Zum anderen ist zum Vorbringen der Klägerin, die Kommission habe nicht die Auswirkungen des Stufenmodells auf die Kunden und Lieferanten der Schlachthöfe geprüft, festzustellen, dass die Klägerin damit in Wirklichkeit nicht geltend macht, dass der Grundsatz des privaten Wirtschaftsteilnehmers nicht anwendbar gewesen sei, sondern die Anwendung dieses Grundsatzes durch die Kommission beanstandet. Somit ist dieses Vorbringen im Rahmen des vorliegenden Teils nicht erheblich.

57      Nach alledem ist festzustellen, dass der Grundsatz des privaten Wirtschaftsteilnehmers im vorliegenden Fall anwendbar war, so dass der erste Teil des dritten Klagegrundes zurückzuweisen ist.

 Zum zweiten Teil des dritten Klagegrundes: Fehler bei der Anwendung des Grundsatzes des privaten Wirtschaftsteilnehmers

58      Mit dem zweiten Teil des dritten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, die Kommission habe den Grundsatz des privaten Wirtschaftsteilnehmers falsch angewandt.

59      Insoweit wirft sie der Kommission u. a. vor, bei der Anwendung des Grundsatzes des privaten Wirtschaftsteilnehmers Durchschnittswerte berücksichtigt zu haben, ohne die Kosten jedes einzelnen Nutzers zu prüfen, wie es Rn. 228 der Bekanntmachung von 2016 verlange. Die Kommission habe sich insoweit selbst widersprochen, indem sie im angefochtenen Beschluss ausgeführt habe, dass diese Rn. 228 anwendbar sei, um sodann ihre Analyse auf Durchschnittswerte zu stützen, die einer begrenzten Zahl von Behandlungsanlagen entsprächen. Außerdem wirft die Klägerin der Kommission vor, die mit der Verlegung von Rohrleitungen verbundenen Kosten als Fixkosten angesehen zu haben, die gleichmäßig auf die einzelnen Nutzer umgelegt worden seien, auch wenn solche Leitungen nur bestimmten und von der Abwasserbehandlungsanlage entfernten Unternehmen zugutekämen. Schließlich macht sie geltend, dass es entgegen den Ausführungen der Kommission im angefochtenen Beschluss für Unternehmen in Wirklichkeit äußerst schwierig sei, sich von dem bestehenden Netz von Behandlungsanlagen abzukoppeln.

60      Die Kommission, unterstützt durch das Königreich Dänemark, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

61      Erstens hebt die Kommission hervor, dass sie, um festzustellen, ob ein Vorteil für die Endnutzer einer Infrastruktur vorliege, die Situation aus der Sicht des Betreibers der Infrastruktur betrachten müsse. Im vorliegenden Fall müsse sie daher prüfen, ob ein privater Wirtschaftsteilnehmer in der gleichen Situation wie der Betreiber einer Abwasserbehandlungsanlage das Stufenmodell angewandt hätte, so dass das auf einen Vergleich der Gebühren zwischen Schlachthöfen gestützte Argument der Klägerin irrelevant sei.

62      Zweitens bestreitet die Kommission, dass sie Rn. 228 der Bekanntmachung von 2016 im angefochtenen Beschluss falsch angewandt habe. In diesem Sinne macht sie zunächst geltend, dass das Stufenmodell allgemein für alle Nutzer von Abwasserbehandlungsanlagen im dänischen Hoheitsgebiet gelte, so dass sie nicht verpflichtet gewesen sei, die Höhe der von jedem einzelnen Nutzer gezahlten Abwassergebühr zu prüfen. Sodann weist sie darauf hin, dass das Stufenmodell auf einer Formel beruhe, die eine Berechnung für jeden Nutzer im dänischen Hoheitsgebiet ermögliche, indem die Fixkosten gleichmäßig auf alle Nutzer aufgeteilt und die variablen Kosten den einzelnen Nutzern zugewiesen würden. Schließlich macht die Kommission geltend, dass sie geprüft habe, ob die auf der Grundlage dieser Formel berechneten ermäßigten Gebühren die Kosten der Betreiber von Abwasserbehandlungsanlagen deckten, was für die Annahme ausreiche, dass der Grundsatz des privaten Wirtschaftsteilnehmers erfüllt sei.

63      Drittens tritt die Kommission dem Vorbringen der Klägerin zur Nichtberücksichtigung der mit den Rohrleitungen verbundenen Kosten entgegen und weist darauf hin, dass die Verlegung, die Instandhaltung und der Betrieb eines Rohrleitungsnetzes allen Nutzern zu denselben Bedingungen zugutekämen, so dass solche Kosten als fixe Kosten zu betrachten und auf alle Nutzer aufzuteilen seien und nicht als inkrementelle Kosten im Zusammenhang mit der Anwesenheit eines bestimmten Nutzers.

64      Viertens macht die Kommission zum einen geltend, dass das Argument der Klägerin, dass sich die großen Schlachthöfe nicht dafür entscheiden könnten, sich von einer bestehenden Abwasserbehandlungsanlage abzukoppeln, insoweit ins Leere gehe, als es für die Schlussfolgerung, dass die Abwassergebühr keinen Vorteil mit sich bringe, nicht ausschlaggebend sei. Außerdem sei dieses Argument unbegründet, da diese Unternehmen unter den in den dänischen Rechtsvorschriften festgelegten und im angefochtenen Beschluss in Erinnerung gerufenen Bedingungen tatsächlich die Möglichkeit hätten, eine solche Abkopplung vorzunehmen.

65      Das Königreich Dänemark macht geltend, dass das Stufenmodell keinen Vorteil für bestimmte Unternehmen schaffe. In diesem Sinne weist es darauf hin, dass die verschiedenen auf der Grundlage dieses Modells berechneten Tarife lediglich die Kosten widerspiegelten, die den Betreibern von Abwasserbehandlungsanlagen tatsächlich entstünden, und zwar auf eine realitätsgetreuere Weise als die im Gesetz Nr. 633/2010 vorgesehene Einheitsgebühr pro Kubikmeter Wasser. Dem Königreich Dänemark zufolge hätte ein privater Wirtschaftsteilnehmer eine solche Tarifstruktur gewählt, da er in erster Linie versuchen würde, seine Kosten zu decken und die wichtigsten Kunden an sich zu binden. Darüber hinaus weist das Königreich Dänemark in Bezug auf das Argument der Klägerin, dass das Stufenmodell die spezifischen Rohrleitungskosten für bestimmte Nutzer nicht berücksichtige, darauf hin, dass die Abwassergebühr, um die es in der vorliegenden Rechtssache gehe, nicht der einzige Beitrag sei, der an die Betreiber der Behandlungsanlagen gezahlt werde, und dass das Gesetz Nr. 902/2013 auch eine sogenannte Anschlussgebühr vorsehe, wobei es sich um eine einmalige, feste Gebühr handele, die beim Anschluss eines Grundstücks an die Infrastruktur zu entrichten sei und auf einem Grundsatz der geografischen Solidarität beruhe, wonach der Preis für den Anschluss unabhängig von der Entfernung zwischen dem betreffenden Grundstück und der betreffenden Abwasserbehandlungsanlage derselbe sei.

66      Nach ständiger Rechtsprechung impliziert die Anwendung des Grundsatzes des privaten Wirtschaftsteilnehmers, dass die Kommission nach einer umfassenden Beurteilung unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls nachweist, dass das bzw. die von der fraglichen staatlichen Maßnahme begünstigte bzw. begünstigten Unternehmen von einem durchschnittlich vorsichtigen und sorgfältigen privaten Wirtschaftsteilnehmer, der sich in einer möglichst ähnlichen Situation befindet und unter normalen Marktbedingungen tätig wird, einen derartigen Vorteil offenkundig nicht erhalten hätte bzw. hätten. Im Rahmen dieser umfassenden Beurteilung hat die Kommission alle Optionen, die ein solcher Wirtschaftsteilnehmer vernünftigerweise in Betracht gezogen hätte, jede verfügbare Information, die einen erheblichen Einfluss auf seine Entscheidung haben könnte, und die im Zeitpunkt der Entscheidung, einen Vorteil zu gewähren, vorhersehbaren Entwicklungen zu berücksichtigen (vgl. Urteil vom 17. November 2022, Volotea und easyJet/Kommission, C‑331/20 P und C‑343/20 P, EU:C:2022:886, Rn. 113 und die dort angeführte Rechtsprechung).

67      Insbesondere muss sich die Kommission um die Beurteilung der Frage kümmern, ob zu diesem Zeitpunkt der Vorgang, mit dem der Vorteil gewährt worden ist, in Anbetracht seiner kurz- oder längerfristigen Rentabilitätsaussichten sowie anderer mit ihm zusammenhängender geschäftlicher oder wirtschaftlicher Interessen in wirtschaftlicher, geschäftlicher und finanzieller Hinsicht als vernünftig angesehen werden konnte (vgl. Urteil vom 17. November 2022, Volotea und easyJet/Kommission, C‑331/20 P und C‑343/20 P, EU:C:2022:886, Rn. 114 und die dort angeführte Rechtsprechung).

68      Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Prüfung, die die Kommission bei der Anwendung des Grundsatzes des privaten Wirtschaftsteilnehmers vorzunehmen hat, erfordert, dass eine wirtschaftliche Gesamtbeurteilung vorgenommen wird, in deren Rahmen die Kommission über ein weites Ermessen verfügt (vgl. Urteil vom 10. November 2022, Kommission/Valencia Club de Fútbol, C‑211/20 P, EU:C:2022:862, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung), und dass es im Rahmen der Kontrolle, die die Unionsgerichte in Bezug auf die Würdigung komplexer wirtschaftlicher Gegebenheiten durch die Kommission im Bereich der staatlichen Beihilfen ausüben, nicht Sache dieser Gerichte ist, die wirtschaftliche Beurteilung seitens der Kommission durch ihre eigene zu ersetzen. Jedoch müssen die Unionsgerichte die sachliche Richtigkeit, die Zuverlässigkeit und die Kohärenz der angeführten Beweise prüfen und kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen (vgl. Urteil vom 11. November 2021, Autostrada Wielkopolska/Kommission und Polen, C‑933/19 P, EU:C:2021:905, Rn. 117 und die dort angeführte Rechtsprechung).

69      Insoweit liegt die Beweislast dafür, ob die Voraussetzungen für die Anwendung des Grundsatzes des privaten Wirtschaftsteilnehmers erfüllt sind oder nicht, bei der Kommission (vgl. Urteil vom 26. März 2020, Larko/Kommission, C‑244/18 P, EU:C:2020:238, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung), wobei diese Beweislast nicht erfüllt werden kann, indem bloße Hypothesen aufgestellt werden, die nicht in rechtlich hinreichender Weise untermauert sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. März 2016, Frucona Košice/Kommission, T‑103/14, EU:T:2016:152, Rn. 205).

70      Im Licht dieser Erwägungen ist das Vorbringen der Klägerin zu prüfen, mit dem die Art und Weise in Frage gestellt werden soll, in der die Kommission den Grundsatz des privaten Wirtschaftsteilnehmers im angefochtenen Beschluss angewandt hat.

71      Als Erstes ist festzustellen, dass sich die Kommission, um zu dem Schluss zu gelangen, dass die Abwassergebühr keinen Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV mit sich bringe, da sie mit dem Grundsatz des privaten Wirtschaftsteilnehmers im Einklang stehe, auf die in Rn. 228 Sätze 2 bis 4 der Bekanntmachung von 2016 vorgesehene Methode der Ex-ante-Rentabilitätsanalyse gestützt hat. Zum einen hat sie diese Sätze im 36. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses wiedergegeben. Zum anderen kam sie im 42. Erwägungsgrund dieses Beschlusses zu dem Ergebnis, dass „gemäß Rn. 228 der [Bekanntmachung von 2016] die Nutzer jeder Abwasserbehandlungsanlage durch [die Abwassergebühr] zur Rentabilität dieser Anlage beitragen“.

72      Insoweit gehört im Rahmen des oben in Rn. 68 in Erinnerung gerufenen weiten Ermessens der Kommission die Wahl der geeigneten Methode zu ihrer Verpflichtung, alle maßgeblichen Aspekte des streitigen Vorgangs und seinen Kontext, einschließlich der Lage des begünstigten Unternehmens und des betroffenen Marktes, zu prüfen, um festzustellen, ob das begünstigte Unternehmen eine wirtschaftliche Vergünstigung erhält, die es unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. Dezember 2018, Ryanair und Airport Marketing Services/Kommission, T‑165/15, EU:T:2018:953, Rn. 142, und vom 29. September 2021, TUIfly/Kommission, T‑447/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:625, Rn. 80).

73      Erlässt die Kommission jedoch Leitlinien oder eine Mitteilung, um die Kriterien zu präzisieren, die sie bei der Ausübung ihres Ermessens heranzuziehen beabsichtigt, führt dies zu einer Selbstbeschränkung dieses Ermessens, da sie sich an die leitenden Regeln, die sie sich selbst auferlegt hat, halten muss, soweit sie nicht von den Vorschriften des Vertrags abweichen. Dabei ist es Sache der Unionsgerichte, zu prüfen, ob die Kommission die Regeln beachtet hat, die sie sich selbst gegeben hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Dezember 2004, Kronofrance/Kommission, T‑27/02, EU:T:2004:348, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung).

74      Folglich war die Kommission, indem sie sich dafür entschieden hat, die in Rn. 228 Sätze 2 bis 4 der Bekanntmachung von 2016 festgelegte Methode der Ex-ante-Rentabilitätsanalyse anzuwenden, grundsätzlich verpflichtet, die dort aufgestellten Voraussetzungen zu beachten. In Rn. 228 Sätze 2 bis 4 der Bekanntmachung von 2016 hat die Kommission ihr Ermessen wie folgt eingegrenzt:

„Nach Auffassung der Kommission ist bei staatlichen Zuwendungen für offene, nicht bestimmten Nutzern gewidmeten Infrastrukturen das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten erfüllt, wenn die Nutzer von einem Ex-ante-Standpunkt aus betrachtet inkrementell zur Rentabilität des Vorhabens/Betreibers beitragen. Dies ist der Fall, wenn der Infrastrukturbetreiber mit einzelnen Nutzern Geschäftsvereinbarungen schließt, die es ihm ermöglichen, alle aus solchen Vereinbarungen resultierenden Kosten, einschließlich einer angemessenen Gewinnmarge, auf der Grundlage solider mittelfristiger Aussichten zu decken. Bei dieser Analyse sollten alle inkrementellen Einnahmen und alle erwarteten inkrementellen Kosten, die dem Betreiber im Zusammenhang mit den Tätigkeiten des betreffenden Nutzers entstehen, berücksichtigt werden.“

75      Daraus folgt, dass nach Rn. 228 Satz 2 der Bekanntmachung von 2016 für die Feststellung, ob der Betreiber einer öffentlichen, nicht bestimmten Nutzern gewidmeten Infrastruktur diese Infrastruktur Unternehmen zu Marktbedingungen zur Verfügung stellt, zu prüfen ist, ob die „Nutzer“ dieser Infrastruktur „schrittweise“, wie es in bestimmten Sprachfassungen dieser Mitteilung heißt (vgl. insoweit die französische oder die dänische Sprachfassung) oder, wie es in anderen Sprachfassungen heißt, „inkrementell“ (vgl. insoweit die englische, die deutsche, die spanische oder die rumänische Sprachfassung) zu deren Rentabilität beitragen. Somit ist davon auszugehen, dass die Methode der Ex-ante-Rentabilitätsanalyse erfordert, dass die inkrementellen (oder marginalen) Kosten und die inkrementellen (oder marginalen) Einnahmen, d. h. die mit der Nutzung der Infrastruktur durch einen zusätzlichen Nutzer unmittelbar verbundenen Kosten und Einnahmen, ermittelt werden, um zu beurteilen, ob dessen Anwesenheit zur Rentabilität beiträgt. Trotz der Verwendung des Begriffs „Nutzer“ im Plural impliziert diese Methode daher grundsätzlich, dass die Kosten und Einnahmen, die durch die Anwesenheit jedes einzelnen Nutzers einer Infrastruktur entstehen, ermittelt werden können.

76      Diese Lesart wird erstens durch Rn. 228 Satz 3 der Bekanntmachung von 2016 bestätigt, wonach die Nutzer inkrementell zur Rentabilität einer Infrastruktur beitragen, wenn deren Betreiber „mit einzelnen Nutzern“ Vereinbarungen schließt, die es ihm ermöglichen, alle sich daraus ergebenden Kosten zu tragen und auf der Grundlage solider mittelfristiger Aussichten eine angemessene Gewinnmarge einzubehalten.

77      Zweitens impliziert nach Rn. 228 Satz 4 der Bekanntmachung von 2016 die Methode der Ex-ante-Rentabilitätsanalyse, dass alle inkrementellen Einnahmen und alle erwarteten inkrementellen Kosten berücksichtigt werden, die dem Betreiber einer Infrastruktur im Zusammenhang mit den Tätigkeiten „des Nutzers“ entstehen, wobei dieser im Singular bezeichnet wird und einige Sprachfassungen der Mitteilung von 2016 darüber hinaus auf den Begriff „spezifischer Nutzer“ (vgl. insoweit die englische, die italienische, die spanische oder die rumänische Sprachfassung) oder „betreffender Nutzer“ (vgl. insoweit die deutsche Sprachfassung) Bezug nehmen.

78      Drittens bezieht sich die Kommission in Fn. 330 am Ende von Rn. 228 der Bekanntmachung von 2016 zum einen auf ihren Beschluss (EU) 2015/508 vom 1. Oktober 2014 über die mutmaßliche Infrastrukturbeihilfe Deutschlands zugunsten der Propapier PM2 GmbH – Staatliche Beihilfe SA.36147 (C 30/10) (ex NN 45/10; ex CP 327/08) (ABl. 2015, L 89, S. 72), bei dem es um die Prüfung einer ermäßigten Gebühr ging, die einem bestimmten Nutzer einer Infrastruktur einen Vorteil verschafft haben soll und in dem sie die Methode der Ex-ante-Rentabilitätsanalyse angewandt hat. Zum anderen verweist die Kommission in derselben Fußnote auf die Rn. 61 bis 64 ihrer Leitlinien für staatliche Beihilfe für Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften (ABl. 2014, C 99, S. 3, im Folgenden: Leitlinien von 2014), die die Bewertung von Vereinbarungen betreffen, die Flughäfen mit einzelnen Luftverkehrsgesellschaften schließen (vgl. Rn. 61 der Leitlinien von 2014), für die eine Methode der Ex-ante-Rentabilitätsanalyse mit ähnlichem Wortlaut wie in Rn. 228 der Bekanntmachung von 2016 festgelegt wird.

79      Unter diesen Umständen musste die Kommission, wie die Klägerin zu Recht hervorhebt, zur Anwendung der in Rn. 228 der Bekanntmachung von 2016 vorgesehenen Methode der Ex-ante-Rentabilitätsanalyse auf das Stufenmodell für jedes an eine Abwasserbehandlungsanlage angeschlossene Unternehmen prüfen, ob die gemäß dem Stufenmodell gezahlte Abwassergebühr die Kosten decken konnte, die sich aus der Nutzung der betreffenden Infrastruktur durch das jeweilige Unternehmen ergaben.

80      Zwischen den Parteien ist jedoch unstreitig, dass die Kommission nicht in der Lage war, die spezifischen Kosten und Einnahmen für die einzelnen Unternehmen, die die Abwasserbehandlungsanlagen in Dänemark nutzen, zu prüfen, da sie sich lediglich auf Durchschnittsdaten zu den Gesamtkosten und ‑einnahmen von sechs der 98 Gemeinden dieses Landes stützte.

81      Die Klägerin macht daher zu Recht geltend, dass die Kommission dadurch, dass sie sich ausschließlich auf diese Daten gestützt hat, die Grenzen, die sie ihrem Ermessen in Rn. 228 der Bekanntmachung von 2016 gesetzt hat, überschritten hat.

82      Selbst wenn man davon ausginge, dass die Kommission die Methode der Ex-ante-Rentabilitätsanalyse hätte anwenden dürfen, ohne jeden einzelnen Nutzer zu prüfen, würde eine solche Methode jedenfalls implizieren, dass sie in der Lage ist, zu überprüfen, dass das Stufenmodell auf einem Ansatz beruht, der es ermöglicht, den Nutzern mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die inkrementellen Kosten zuzuweisen, d. h. die Kosten, die unmittelbar durch ihre Nutzung einer Abwasserbehandlungsanlage entstehen.

83      Hierzu hat die Kommission in einem ersten Schritt im 39. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt, das Stufenmodell beruhe auf der Aufteilung der den Betreibern von Abwasserbehandlungsanlagen entstehenden Gesamtkosten zwischen zum einen den Fixkosten, die gleichmäßig auf alle Nutzer aufgeteilt würden, und zum anderen den variablen Kosten, die den einzelnen Nutzern abhängig von ihrem Verbrauch zugewiesen würden. In einem zweiten Schritt hat die Kommission in den Erwägungsgründen 40 und 41 dieses Beschlusses die Auffassung vertreten, dass die Einnahmen aus der Abwassergebühr nach Anwendung der Tarife der Stufen 2 und 3 alle den Betreibern von Abwasserbehandlungsanlagen entstehenden Kosten decken könnten, wobei sie sich auf die Schätzung der dänischen Behörden stützte, wonach diese Kosten zu 20 oder sogar 30 % variable Kosten und zu 70 oder 80 % Fixkosten seien (siehe oben, Rn. 11).

84      Aus diesen Erwägungen ergibt sich zwar, dass die dänischen Behörden einen Ansatz verfolgt haben, nach dem der variable Teil der Abwassergebühr von den variablen Kosten abhängig gemacht wurde, die dem Betreiber einer Abwasserbehandlungsanlage im Hinblick auf jeden einzelnen Nutzer entstehen.

85      In ihrer Antwort vom 18. Mai 2017 auf ein Auskunftsersuchen der Kommission erklärten die dänischen Behörden jedoch, dass die variablen Kosten in dem Ansatz, der als Grundlage für die Ausarbeitung des Stufenmodells gedient habe, nur die mit der von einem Nutzer verbrauchten Wassermenge zusammenhängenden Betriebsausgaben („OPEX“) umfassten.

86      Daraus folgt, dass, wie die Klägerin im Wesentlichen geltend macht, alle Kosten, die nicht mit der verbrauchten Wassermenge zusammenhingen, als Fixkosten angesehen und daher auf die einzelnen Nutzer aufgeteilt wurden, auch wenn diese Kosten allein aufgrund der Anwesenheit eines bestimmten Nutzers im Netz entstanden sein sollten. Dies gilt insbesondere für Investitionsausgaben („CAPEX“), wie z. B. die mit der Errichtung und dem Ausbau des Rohrleitungsnetzes verbundenen Kosten, die allesamt als Fixkosten angesehen wurden, auch wenn diese Ausgaben allein den Anschluss eines bestimmten Nutzers an das Netz zum Gegenstand hatten. Insoweit hat das Königreich Dänemark in Beantwortung einer Frage des Gerichts zwar eingeräumt, dass diese Kosten je nach der Entfernung zwischen der Anlage und dem Nutzer variierten, jedoch ausgeführt, dass diese Kosten nach einem Grundsatz der geografischen Solidarität gleichmäßig auf alle Nutzer aufgeteilt würden.

87      Die Kommission hat daher im 38. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu Unrecht behauptet, sie habe geprüft, ob die in Anwendung des Stufenmodells festgelegte Abwassergebühr die Deckung der mittelfristigen inkrementellen Kosten ermögliche, was ihrer Ansicht nach „alle Kategorien von Ausgaben oder Investitionen wie Personal‑, Ausrüstungs- und Investitionskosten, die sich aus der Anwesenheit des Nutzers ergeben“, umfasst.

88      Es ist daher offensichtlich, dass der Ansatz, der dem Stufenmodell zugrunde lag, keine angemessene Bestimmung der den Betreibern von Abwasserbehandlungsanlagen entstehenden inkrementellen Kosten ermöglichte.

89      Darüber hinaus kann das Vorbringen des Königreichs Dänemark, dass es eine gesonderte Gebühr für den Anschluss der Nutzer an das Abwasserbehandlungsnetz gebe (siehe oben, Rn. 65), nicht berücksichtigt werden, da die Kommission dieser Gebühr bei ihrer Beurteilung im angefochtenen Beschluss, in dem sie zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die nach dem Stufenmodell festgelegte Abwassergebühr keinen Vorteil mit sich bringe, nicht Rechnung getragen hat. Würde man ein solches Vorbringen berücksichtigen, führte dies dazu, dass das Gericht die Begründung des angefochtenen Beschlusses entgegen der ständigen Rechtsprechung ändern würde, wonach die Unionsgerichte im Rahmen einer Nichtigkeitsklage die vom Urheber im angefochtenen Beschluss gegebene Begründung nicht durch ihre eigene ersetzen dürfen (vgl. Urteil vom 5. Mai 2021, ITD und Danske Fragtmænd/Kommission, T‑561/18, EU:T:2021:240, Rn. 249 und die dort angeführte Rechtsprechung).

90      Jedenfalls ist eine solche gesonderte Gebühr nach dem Grundsatz der geografischen Solidarität für alle Nutzer unabhängig von ihrer Entfernung von der Abwasserbehandlungsanlage gleich und ermöglicht es daher ebenso wenig, einem bestimmten Nutzer die durch seinen Netzanschluss spezifisch verursachten Kosten zuzuweisen.

91      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission unter Missachtung der Grenzen, die sie ihrem Ermessen in Rn. 228 der Bekanntmachung von 2016 gesetzt hat, auf der Grundlage der Methode der Ex-ante-Rentabilitätsanalyse angenommen hat, dass die Abwassergebühr mit dem Grundsatz des privaten Wirtschaftsteilnehmers im Einklang stehe.

92      Als Zweites wird das Handeln eines privaten Wirtschaftsteilnehmers, wie oben in Rn. 67 ausgeführt, grundsätzlich von Rentabilitätsaussichten geleitet. Wenn also das Tätigwerden eines öffentlichen Wirtschaftsteilnehmers zugunsten eines Unternehmens selbst langfristig jede Aussicht auf Rentabilität außer Betracht lässt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass es im Einklang mit dem Grundsatz des privaten Wirtschaftsteilnehmers steht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Dezember 2020, Comune di Milano/Kommission, C‑160/19 P, EU:C:2020:1012, Rn. 114 und die dort angeführte Rechtsprechung).

93      Im Übrigen hat die Kommission sowohl in Rn. 228 der Bekanntmachung von 2016 als auch in Rn. 63 der Leitlinien von 2014 die Erfüllung des Grundsatzes des privaten Wirtschaftsteilnehmers ausdrücklich davon abhängig gemacht, dass für den Betreiber einer Infrastruktur, wenn er deren Nutzern einen Vorteil gewährt, eine „angemessene Gewinnmarge“ vorliegen muss.

94      Im vorliegenden Fall hat die Kommission, wie sich insbesondere aus den Erwägungsgründen 37 und 38 des angefochtenen Beschlusses ergibt und wie sie in Beantwortung einer vom Gericht im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme gestellten Frage ausgeführt hat, jedoch die Auffassung vertreten, dass die einzige Bedingung dafür, dass die mit dem neuen Stufenmodell eingeführten Rabatte dem Grundsatz des privaten Wirtschaftsteilnehmers entsprächen, darin bestehe, dass die Abwassergebühr die den Betreibern von Abwasserbehandlungsanlagen entstehenden Kosten decke.

95      Wie von der Klägerin im Wesentlichen vorgetragen, hat die Kommission, die die Beweislast für das Vorliegen der Anwendungsvoraussetzungen des Grundsatzes des privaten Wirtschaftsteilnehmers trägt (siehe oben, Rn. 69), mit einer solchen Beurteilung, die jede selbst langfristige Aussicht auf Rentabilität außer Betracht lässt, nicht nachweisen können, dass die in Rede stehende Gebühr diesem Grundsatz entsprach.

96      Im Übrigen hat das Königreich Dänemark in Beantwortung einer Frage des Gerichts ausgeführt, dass die Vorschriften über die Festlegung der Abwassergebühr dem Grundsatz der „Selbstfinanzierung“ unterlägen, der zum einen vorschreibe, dass die Höhe dieser Gebühr ausreiche, um die dem Betreiber einer Abwasserbehandlungsanlage entstehenden Kosten zu decken, und zum anderen ausschließe, dass ein solcher Betreiber eine Gewinnmarge einbehalte, da der Überschuss gegenüber den Kosten reinvestiert werden müsse und keine Dividenden an die Aktionäre ausgeschüttet werden könnten.

97      Darüber hinaus führt die Anwendung des Stufenmodells, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, im Vergleich zum System der Einheitsgebühr, das es ersetzt, insgesamt zu einer Verringerung des Betrags der Abwassergebühr. Insoweit hat die Kommission, wie sie in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, die Vereinbarkeit des Stufenmodells mit dem Grundsatz des privaten Wirtschaftsteilnehmers geprüft, ohne sich jedoch mit der Frage zu befassen, ob ein solcher Wirtschaftsteilnehmer das System der Einheitsgebühr für das Stufenmodell aufgegeben hätte, obwohl Letzteres weniger rentabel erschien. Die Ex-ante-Rentabilitätsanalyse, wie sie in Rn. 228 der Bekanntmachung von 2016 definiert ist, deren Wortlaut oben in Rn. 74 wiedergegeben ist, impliziert jedoch, dass die von der Kommission geprüfte nationale Maßnahme „inkrementell“ zur Rentabilität des Betreibers einer Infrastruktur beiträgt, so dass diese Maßnahme, um mit dem Grundsatz des privaten Wirtschaftsteilnehmers im Einklang zu stehen, eine solche Rentabilität – wenn auch langfristig – erhöhen und nicht verringern soll.

98      Somit ist festzustellen, dass die Kommission dadurch, dass sie nicht geprüft hat, ob die Abwassergebühr es den Betreibern von Abwasserbehandlungsanlagen ermöglichte, eine Gewinnspanne einzubehalten, gegen den Grundsatz des privaten Wirtschaftsteilnehmers und damit gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV verstoßen hat.

99      Als Drittes beanstandet die Klägerin die Beurteilung der Kommission in den Erwägungsgründen 43 bis 45 des angefochtenen Beschlusses, wonach die Beibehaltung hoher Tarife für die Wasseraufbereitung mit der Gefahr verbunden sei, dass sich die großen, unter Stufe 3 fallenden Unternehmen dafür entschieden, sich durch die Errichtung ihrer eigenen Anlage vom zentralen Abwasserbehandlungsnetz abzukoppeln, mit der Folge, dass sie nicht mehr der Abwassergebühr unterlägen.

100    Hierzu ist zunächst festzustellen, dass dieses Vorbringen entgegen dem Vorbringen der Kommission nicht ins Leere geht. Mit diesem Vorbringen wendet sich die Klägerin nämlich gegen einen Gesichtspunkt, den die Kommission im angefochtenen Beschluss berücksichtigt hat, um ihre Schlussfolgerung zu untermauern, dass die Abwassergebühr mit dem Grundsatz des privaten Wirtschaftsteilnehmers im Einklang stehe und daher keinen Vorteil mit sich bringe und keine staatliche Beihilfe darstelle (siehe oben, Rn. 12).

101    Zur Begründetheit der Beurteilung der Kommission bezüglich der Möglichkeit, sich vom zentralen Abwasserbehandlungsnetz abzukoppeln, ist erstens festzustellen, dass eine solche Möglichkeit von der Erfüllung einer Reihe kumulativer materieller Bedingungen abhängt, die in § 16 Abs. 1 und 2 der Bekendtgørelse nr. 1469 om spildevandstilladelser m.v. efter miljøbeskyttelseslovens kapitel 3 og 4 (Ministerialverordnung Nr. 1469 über Genehmigungen zur Abwasserbehandlung gemäß Kapitel 3 und Kapitel 4 des Umweltschutzgesetzes) vom 12. Dezember 2017 aufgeführt sind. Diese Bestimmungen sehen insbesondere vor, dass eine solche Abkopplung nur dann genehmigt werden kann, wenn zum einen die Gesamtfinanzierung des Betreibers der Abwasserbehandlungsanlage nicht wesentlich verringert wird und zum anderen die Anlage aus technischer Sicht weiterhin ordnungsgemäß betrieben werden kann. Wie die Klägerin zu Recht geltend macht, ist es daher unwahrscheinlich, dass solche Bedingungen von den unter Stufe 3 fallenden Nutzern, die die wichtigsten Nutzer sind und deren Abkopplung daher das ordnungsgemäße Funktionieren einer Abwasserbehandlungsanlage in technischer und finanzieller Hinsicht am ehesten beeinträchtigen würde, erfüllt werden.

102    Zweitens stellt die Möglichkeit, sich vom zentralen Abwasserbehandlungsnetz abzukoppeln auch dann, wenn die in der vorstehenden Randnummer genannten Voraussetzungen erfüllt sind, kein erworbenes Recht dar, sondern unterliegt, wie das Königreich Dänemark in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, der Genehmigung durch die kommunalen Behörden, die insoweit über ein weites Ermessen verfügen.

103    Drittens haben die Kommission und das Königreich Dänemark in Beantwortung einer vom Gericht im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme gestellten Frage mitgeteilt, dass ihnen zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses keine konkreten Beispiele für Unternehmen bekannt gewesen seien, die sich vollständig von dem zentralen Abwasserbehandlungsnetz, an das sie angeschlossen gewesen seien, abgekoppelt hätten, um eine eigene Anlage zu errichten.

104    Daraus folgt, dass die von der Kommission in den Erwägungsgründen 43 bis 45 des angefochtenen Beschlusses berücksichtigte Gefahr, dass sich unter Stufe 3 fallende Nutzer vom zentralen Abwasserentsorgungsnetz abkoppeln, hypothetisch und unzureichend untermauert war. Folglich ist die Kommission mit ihrer Feststellung, dass ein privater Wirtschaftsteilnehmer eine solche Gefahr bei der Festlegung der Höhe der Abwassergebühr berücksichtigt hätte, nicht der ihr nach der oben in Rn. 69 angeführten Rechtsprechung obliegenden Beweislast nachgekommen.

105    Angesichts der vorstehenden Ausführungen ist festzustellen, dass die Kommission gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV und Rn. 228 der Bekanntmachung von 2016 verstoßen hat, indem sie davon ausgegangen ist, dass die Abwassergebühr keinen Vorteil mit sich bringe, weil sich ein privater Wirtschaftsteilnehmer für sie entschieden hätte. Dem dritten Klagegrund ist daher stattzugeben.

106    Nach alledem ist dem zweiten Klagegrund sowie – ergänzend – dem dritten Klagegrund stattzugeben, so dass der angefochtene Beschluss für nichtig zu erklären ist, ohne dass die übrigen von der Klägerin geltend gemachten Klagegründe geprüft zu werden brauchen.

 Kosten

107    Gemäß Art. 219 der Verfahrensordnung des Gerichts entscheidet dieses in seinen Entscheidungen nach Aufhebung und Zurückverweisung über die Kosten des Rechtsstreits vor dem Gericht und über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vor dem Gerichtshof.

108    Im Rechtsmittelurteil hat der Gerichtshof den ursprünglichen Beschluss aufgehoben und die Kostenentscheidung vorbehalten. Das Gericht hat daher im vorliegenden Urteil zum einen über sämtliche Kosten der Verfahren vor dem Gericht (T‑486/18 und T‑486/18 RENV) und zum anderen über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens (C‑99/21 P) zu entscheiden.

109    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

110    Da die Kommission sowohl im Rechtsmittelverfahren als auch im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nach Zurückverweisung unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Klägerin die Kosten der vorliegenden Rechtssache sowie der Rechtssachen T‑486/18 und C‑99/21 P aufzuerlegen.

111    Im Übrigen trägt das Königreich Dänemark nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung seine eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Der Beschluss C(2018) 2259 final der Kommission vom 19. April 2018 über die staatliche Beihilfe SA.37433 (2017/FC) – Dänemark wird für nichtig erklärt.

2.      Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten, die Danske Slagtermestre im Rahmen der Verfahren vor dem Gericht und dem Gerichtshof entstanden sind.

3.      Das Königreich Dänemark trägt seine eigenen Kosten.

Spielmann

Gâlea

Tóth

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 10. April 2024.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Dänisch.