Language of document : ECLI:EU:T:2023:602

URTEIL DES GERICHTS (Siebte erweiterte Kammer)

4. Oktober 2023(*)

„Pflanzenschutzmittel – Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 – Durchführungsverordnung (EU) 2020/17 – Nichterneuerung der Genehmigung des Wirkstoffs Chlorpyrifos-methyl – Nichtigkeitsklage – Klagebefugnis – Zulässigkeit – Verpflichtung zur Prüfung aller Bedingungen und Kriterien, die in der Verordnung Nr. 1107/2009 vorgesehen sind – Fehlende Schlussfolgerung der EFSA – Transparenzgebot – Anspruch auf rechtliches Gehör – Begründungspflicht – Unterschiedliche Risikobewertungen durch den berichterstattenden Mitgliedstaat und die EFSA – Verpflichtung zur Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls – Zwischenbericht einer laufenden Studie – Vorsorgeprinzip – Beweislast und Beweisgegenstand – Offensichtlicher Beurteilungsfehler – Anwendbarkeit des Analogiekonzepts und des beweiskraftbasierten Ansatzes – Möglichkeit der Berufung auf die Anweisungen der ECHA und die Leitlinien der EFSA“

In der Rechtssache T‑77/20,

Ascenza Agro SA mit Sitz in Setúbal (Portugal),

Industrias Afrasa SA mit Sitz in Paterna (Spanien),

vertreten durch Rechtsanwälte K. Van Maldegem und P. Sellar, Rechtsanwältin M. Ombredane und V. McElwee, Solicitor,

Klägerinnen,

unterstützt durch

European Crop Care Association (ECCA) mit Sitz in Overijse (Belgien), vertreten durch Rechtsanwälte S. Pappas und A. Pappas,

Streithelferin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch A. Dawes, F. Castilla Contreras und M. ter Haar als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Königreich Dänemark, vertreten durch M. Søndahl Wolff und J. Kronborg als Bevollmächtigte,

Französische Republik, vertreten durch A.‑L. Desjonquères als Bevollmächtigte,

und

Health and Environment Alliance (HEAL) mit Sitz in Brüssel (Belgien), vertreten durch Rechtsanwalt A. Bailleux,

Streithelfer,

erlässt

DAS GERICHT (Siebte erweiterte Kammer)

zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung des Präsidenten R. da Silva Passos, des Richters V. Valančius, der Richterin I. Reine sowie der Richter L. Truchot (Berichterstatter) und M. Sampol Pucurull,

Kanzler: S. Spyropoulos, Verwaltungsrätin,

aufgrund der Beschlüsse vom 8. Juni 2020, Ascenza Agro/Kommission (T‑77/20 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:246), und vom 8. Juni 2020, Industrias Afrasa/Kommission (T‑77/20 RII, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:247),

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 8. September 2022,

nach Ausscheiden des Richters Valančius aus dem Dienst am 26. September 2023 gemäß Art. 22 und Art. 24 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragen die Klägerinnen, die Ascenza Agro SA (im Folgenden: Ascenza) und die Industrias Afrasa SA, die Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung (EU) 2020/17 der Kommission vom 10. Januar 2020 zur Nichterneuerung der Genehmigung des Wirkstoffs Chlorpyrifos-methyl gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Änderung des Anhangs der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 der Kommission (ABl. 2020, L 7, S. 11, im Folgenden: angefochtene Verordnung).

I.      Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Chlorpyrifos-methyl (im Folgenden: CHP-methyl) ist ein Wirkstoff in Pflanzenschutzmitteln zur Bekämpfung von Schädlingen und zur Behandlung von gelagertem Getreide sowie leeren Lagerräumen. Es gehört zu einer Gruppe von Chemikalien, die als Organophosphate bezeichnet werden. Chlorpyrifos ist ein anderer Wirkstoff, der ebenfalls dieser Gruppe angehört.

3        Mit der Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (ABl. 1991, L 230, S. 1) wurde die rechtliche Regelung für die Zulassung des Inverkehrbringens von Pflanzenschutzmitteln in der Europäischen Union aufgestellt. Sie enthielt Vorschriften, die für Pflanzenschutzmittel und die in diesen Mitteln enthaltenen Wirkstoffe galten.

4        Art. 4 („Gewährung, Überprüfung und Entziehung der Zulassung für Pflanzenschutzmittel“) der Richtlinie 91/414 bestimmte:

„(1)      Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass ein Pflanzenschutzmittel nur zugelassen wird, wenn

a)      seine Wirkstoffe in Anhang I aufgeführt … sind …“

5        Art. 5 („Aufnahme von Wirkstoffen in Anhang I“) der Richtlinie 91/414 sah vor:

„(1)      Ein Wirkstoff wird nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse für einen anfänglichen Zeitraum von höchstens zehn Jahren in Anhang I aufgenommen, wenn angenommen werden kann, dass die diesen Wirkstoff enthaltenden Pflanzenschutzmittel folgende Voraussetzungen erfüllen:

a)      [I]hre bei Anwendung gemäß guter Pflanzenschutzpraxis entstandenen Rückstände haben keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder auf das Grundwasser bzw. keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt und können, soweit toxikologisch oder ökologisch signifikant, mit allgemein gebräuchlichen Methoden gemessen werden,

b)      ihre Anwendung gemäß guter Pflanzenschutzpraxis hat keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier oder keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt gemäß Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b) Ziffern iv) und v).

…“

6        CHP-methyl wurde durch die Richtlinie 2005/72/EG der Kommission vom 21. Oktober 2005 zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates zur Aufnahme der Wirkstoffe Chlorpyrifos, Chlorpyrifos-methyl, Mancozeb, Maneb und Metiram (ABl. 2005, L 279, S. 63) in Anhang I der Richtlinie 91/414 aufgenommen. Die Richtlinie 2005/72 trat am 1. Juli 2006 in Kraft.

7        Die Richtlinie 91/414 ist durch die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates (ABl. 2009, L 309, S. 1) ersetzt worden, die am 14. Dezember 2009 in Kraft trat und seit dem 14. Juni 2011 gilt.

8        Gemäß Art. 78 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1107/2009 gelten die in Anhang I der Richtlinie 91/414 aufgenommenen Wirkstoffe als genehmigt. Sie sind nunmehr in Teil A des Anhangs der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 der Kommission vom 25. Mai 2011 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Liste zugelassener Wirkstoffe (ABl. 2011, L 153, S. 1) aufgeführt.

9        Art. 14 („Erneuerung der Genehmigung“) der Verordnung Nr. 1107/2009 bestimmt:

„(1)      Auf Antrag wird die Genehmigung eines Wirkstoffs erneuert, wenn festgestellt wird, dass die in Artikel 4 genannten Genehmigungskriterien erfüllt sind.

…“

10      Art. 4 („Genehmigungskriterien für Wirkstoffe“) der Verordnung Nr. 1107/2009 lautet:

„(1)      Ein Wirkstoff wird gemäß Anhang II genehmigt, wenn aufgrund des wissenschaftlichen und technischen Kenntnisstandes zu erwarten ist, dass unter Berücksichtigung der Genehmigungskriterien in den Nummern 2 und 3 jenes Anhangs Pflanzenschutzmittel, die diesen Wirkstoff enthalten, die Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 erfüllen.

Bei der Bewertung des Wirkstoffs wird zunächst ermittelt, ob die Genehmigungskriterien nach Anhang II Nummern 3.6.2 bis 3.6.4 und Nummer 3.7 erfüllt sind. Sind diese Kriterien erfüllt, so wird anschließend geprüft, ob die in Anhang II Nummern 2 und 3 festgelegten übrigen Genehmigungskriterien erfüllt sind.

…“

11      In Anhang II („Verfahren und Kriterien für die Genehmigung von Wirkstoffen, Safenern und Synergisten gemäß Kapitel II“) der Verordnung Nr. 1107/2009 heißt es:

„…

3.6      Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit

3.6.4.      Ein Wirkstoff, Safener oder Synergist wird nur dann zugelassen, wenn er auf der Grundlage der von der [Europäischen] Behörde [für Lebensmittelsicherheit] überprüften Auswertung von Reproduktionstoxizitätsversuchen entsprechend den Datenanforderungen für die Wirkstoffe, Safener oder Synergisten sowie von anderen verfügbaren Daten und Informationen, einschließlich einer Überprüfung der wissenschaftlichen Literatur, nicht gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 als reproduktionstoxische Substanz der Kategorie 1A oder 1B eingestuft wird oder einzustufen ist, es sei denn, die Exposition von Menschen gegenüber diesem Wirkstoff, Safener oder Synergisten in einem Pflanzenschutzmittel ist unter realistisch anzunehmenden Verwendungsbedingungen vernachlässigbar, d. h.[,] das Mittel wird in geschlossenen Systemen verwendet oder unter anderen Bedingungen, bei denen der Kontakt mit Menschen ausgeschlossen ist und Rückstände des betreffenden Wirkstoffs, Safeners oder Synergisten in Nahrungs- und Futtermitteln den gemäß Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 festgelegten Standardwert nicht übersteigen.

…“

12      Am 18. September 2012 erließ die Europäische Kommission die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 844/2012 zur Festlegung der notwendigen Bestimmungen für das Erneuerungsverfahren für Wirkstoffe gemäß der Verordnung Nr. 1107/2009 (ABl. 2012, L 252, S. 26).

13      Im Juni 2013 reichten zwei Hersteller von CHP-methyl, die Unternehmen Ascenza, damals Sapec Agro SA, und Dow AgroSciences Ltd (im Folgenden zusammen: die Antragsteller), jeweils einen Antrag auf Erneuerung der Genehmigung für CHP-methyl.

14      Die von der Kommission erteilte Genehmigung für CHP-methyl, die ursprünglich am 30. Juni 2016 ablaufen sollte, wurde dreimal verlängert und lief schließlich am 31. Januar 2020 ab.

15      Am 9. Februar 2017 übermittelte das Königreich Spanien als berichterstattender Mitgliedstaat (im Folgenden: BEMS) und in Absprache mit der Republik Polen, die mitberichterstattender Mitgliedstaat war, Ascenza den Entwurf des Bewertungsberichts betreffend die Erneuerung der Genehmigung für CHP-methyl (im Folgenden: Entwurf des Bewertungsberichts).

16      Im Entwurf des Bewertungsberichts stellte der BEMS keine schädlichen Auswirkungen von CHP-methyl auf die Gesundheit von Menschen fest, insbesondere stellte er kein genotoxisches Potenzial und keine Entwicklungsneurotoxizität fest. Er empfahl die Erneuerung der Genehmigung für CHP-methyl.

17      Nach Eingang der Stellungnahme von Ascenza wurde der Entwurf des Bewertungsberichts fertiggestellt. Er wurde sodann der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und der Kommission am 3. Juli 2017 und anschließend Ascenza am 21. September 2017 übermittelt. Der BEMS hielt seine Empfehlung aufrecht, die Genehmigung für CHP-methyl zu erneuern.

18      Im Juli 2017 leitete die EFSA den Entwurf des Bewertungsberichts an die Mitgliedstaaten und die Antragsteller weiter, um deren Stellungnahmen entgegenzunehmen.

19      Die EFSA führte eine öffentliche Konsultation durch, die am 18. Oktober 2017 begann.

20      Der BEMS fasste die im Rahmen der Konsultation eingegangenen Stellungnahmen in einer Berichtstabelle zusammen, die Ascenza am 8. Januar 2018 übermittelt wurde.

21      In dieser Berichtstabelle fand sich keine Stellungnahme zum genotoxischen Potenzial von CHP-methyl. Dagegen fanden sich kritische Stellungnahmen der Öffentlichkeit zur Studie über die Entwicklungsneurotoxizität, die im Dossier zur Erneuerung der Genehmigung von CHP-methyl enthalten war (im Folgenden: Studie über die Entwicklungsneurotoxizität). Insbesondere wurde angegeben, dass die Studie über die Entwicklungsneurotoxizität „aufgrund des Fehlens von Daten zur Höhe des Kleinhirns in Verbindung mit der nachgewiesenen Wirkung des verwandten Wirkstoffs Chlorpyrifos auf die Höhe des Kleinhirns bei niedriger Dosierung nicht akzeptabel sei“.

22      Am 4. Juli 2018 ersuchte die EFSA die Antragsteller, zusätzliche Informationen zu übermitteln.

23      Nachdem der BEMS die Antworten der Antragsteller erhalten hatte, aktualisierte er den Entwurf des Bewertungsberichts, den er anschließend im Zuge der Aktualisierung nach und nach im Februar und März 2019 an die EFSA weiterleitete. Im Entwurf des Bewertungsberichts stellte der BEMS keine schädlichen Auswirkungen von CHP-methyl auf die Gesundheit von Menschen fest, insbesondere stellte er kein genotoxisches Potenzial und keine Entwicklungsneurotoxizität fest, und er empfahl weiterhin die Erneuerung der Genehmigung dieses Wirkstoffs.

24      Zwischen dem 1. und dem 5. April 2019 organisierte die EFSA Expertenanhörungen, um bestimmte Elemente im Zusammenhang mit der Toxizität bei Säugetieren zu erörtern.

25      Am 1. Juli 2019 richtete die Kommission ein Schreiben an die EFSA, in dem sie die Behörde ersuchte, bis zum 31. Juli 2019 eine „Erklärung“ mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der Bewertung von CHP-methyl im Hinblick auf die menschliche Gesundheit abzugeben und einzuschätzen, ob zu erwarten sei, dass dieser Wirkstoff die Genehmigungskriterien betreffend die menschliche Gesundheit erfülle, wie sie sich aus Art. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 ergäben (siehe oben, Rn. 10).

26      In diesem Schreiben wies die Kommission darauf hin, dass die Genehmigung für CHP-methyl am 31. Januar 2020 ablaufe, nachdem der Genehmigungszeitraum dreimal verlängert worden sei. Sie fügte hinzu, dass eine erneute Verlängerung zu vermeiden sei, wenn angesichts der von der EFSA abgeschlossenen Arbeiten „eindeutige“ Hinweise dafür vorlägen, dass die Genehmigungskriterien nicht mehr als erfüllt anzusehen seien.

27      Am 31. Juli 2019 übermittelte die EFSA der Kommission und den Mitgliedstaaten eine „Erklärung“ zu den verfügbaren Ergebnissen der Bewertung der Risiken für die menschliche Gesundheit, die am selben Tag genehmigt wurde (im Folgenden: Erklärung vom 31. Juli 2019). Die EFSA veröffentlichte diese Erklärung am 28. August 2019 auf ihrer Website.

28      In der Erklärung vom 31. Juli 2019 stellte die EFSA fest, dass sie von der Kommission „vor Abschluss des Peer-Review“ ein Mandat erhalten habe. Die Bewertung der Risiken von CHP-methyl sei im Rahmen der Expertenanhörungen im April 2019 (siehe oben, Rn. 24) erörtert worden, und der von den Experten verfolgte Ansatz beruhe weitgehend auf strukturellen Gemeinsamkeiten zwischen diesem Wirkstoff und Chlorpyrifos. Nach den Anhörungen im April 2019 habe sie die Anwendung des Analogiekonzepts neu überdacht. Mit dieser Methode ließen sich bei der Risikobewertung Daten aus Studien berücksichtigen, die mit einem anderen als dem in Rede stehenden Wirkstoff durchgeführt worden seien. Man habe beschlossen, die Frage der Anwendung des Analogiekonzepts im Rahmen eines späteren Expertengesprächs zu diskutieren.

29      Die zur Genotoxizität von CHP-methyl übermittelten regulatorischen Daten hätten keinen Anlass zu Bedenken gegeben, doch hätten die Experten darauf hingewiesen, dass zum genotoxischen Potenzial von CHP-methyl keine öffentliche Literatur verfügbar sei, während es mehrere Veröffentlichungen zu Chlorpyrifos gebe. Da für Chlorpyrifos Bedenken wegen Chromosomenaberrationen und Schäden an der Desoxyribonucleinsäure (DNA) bestanden hätten, seien die Experten zu dem Ergebnis gelangt, dass es in Bezug auf CHP-methyl Datenlücken gebe. Alle Experten seien sich einig gewesen, dass diese Unsicherheiten bei der Bewertung des Risikos von CHP-methyl zu berücksichtigen seien und folglich nicht ausgeschlossen werden könne, dass ein potenzielles Risiko für DNA-Schäden bestehe.

30      Was die Entwicklungsneurotoxizität betreffe, seien die Experten der Auffassung gewesen, dass die Studie über die Entwicklungsneurotoxizität (siehe oben, Rn. 21), der keine merklichen Auswirkungen zu entnehmen seien, gewisse Einschränkungen bei den Kontrollen aufweise, so dass verlässliche statistische Analysen nicht möglich seien.

31      Folglich seien sich die Experten einig gewesen, dass sowohl für die Genotoxizität als auch für die Entwicklungsneurotoxizität kein Referenzwert festgelegt werden könne, was dazu führe, dass die Bewertung des Risikos für Verbraucher, Anwender, Arbeiter, Umstehende und Anwohner nicht möglich sei.

32      Die Experten hätten auch epidemiologische Daten berücksichtigt, die einen Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber Chlorpyrifos oder CHP-methyl und Entwicklungsstörungen des Nervensystems bei Kindern nachwiesen.

33      Darüber hinaus gab die EFSA in der Erklärung vom 31. Juli 2019 an, dass die Experten einen vorsichtigen Ansatz verfolgt hätten, als sie zu dem Ergebnis gelangt seien, dass CHP-methyl auch die Kriterien erfülle, um als reproduktionstoxische Substanz der Kategorie 1B eingestuft zu werden (siehe oben, Rn. 11).

34      Am 12. August 2019 übermittelte die Kommission den Antragstellern einen Bericht über die Erneuerung unter Berücksichtigung der Erklärung vom 31. Juli 2019, in dem vorgeschlagen wurde, die Genehmigung für CHP-methyl nicht zu erneuern (im Folgenden: Bericht über die Erneuerung). Sie forderte die Antragsteller zur Stellungnahme auf.

35      Am 14. August 2019 forderte die Kommission die Antragsteller außerdem auf, zur Erklärung vom 31. Juli 2019 Stellung zu nehmen.

36      Am 23. und 30. August 2019 nahm Ascenza zur Erklärung vom 31. Juli 2019 und zum Bericht über die Erneuerung Stellung.

37      Am 5. September 2019 traten die Experten der EFSA und der Mitgliedstaaten erneut zu einer Sitzung zusammen.

38      Am 9. und 16. September 2019 gab Ascenza eine ergänzende Stellungnahme zum Bericht über die Erneuerung ab.

39      Mit Schreiben vom 24. September 2019 forderte die Kommission die EFSA auf, die Erklärung vom 31. Juli 2019 bis zum 31. Oktober 2019 zu aktualisieren, um die Sitzung vom 5. September 2019 zu berücksichtigen. Die Kommission wies darauf hin, dass die aktualisierte Erklärung eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der Bewertung von CHP-methyl im Hinblick auf die menschliche Gesundheit enthalten müsse sowie eine Einschätzung, ob zu erwarten sei, dass dieser Wirkstoff die Genehmigungskriterien betreffend die menschliche Gesundheit gemäß Art. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 erfülle.

40      Am 15. Oktober 2019 erhielt Ascenza vom BEMS einen aktualisierten Entwurf des Bewertungsberichts. In diesem Entwurf wurden Bedenken hinsichtlich der Genotoxizität geäußert. Als Ergebnis enthielt er die folgende Feststellung:

„Der Vorschlag für die Erneuerung der Genehmigung des Wirkstoffs CHP-methyl kann erfolgen, wenn die Bedenken hinsichtlich der Genotoxizität geklärt sind und der Peer-Review des Wirkstoffs abgeschlossen ist.“

41      Am 15. Oktober 2019 ging die Kommission auf die Stellungnahme ein, die ihr Ascenza am 16. September 2019 übermittelt hatte (siehe oben, Rn. 38). In ihrer Antwort wies sie darauf hin, dass sie es angesichts der erheblichen Bedenken in Bezug auf die menschliche Gesundheit und des Aufschubs der Bewertung der Umweltrisiken für angezeigt halte, die EFSA zu ersuchen, in einer Erklärung die für die menschliche Gesundheit genannten Bedenken zu bestätigen.

42      Am 21. und 22. Oktober 2019 trat der Ständige Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel (im Folgenden: Ständiger Ausschuss) zusammen, um sich u. a. zur Frage der Erneuerung der Genehmigung für CHP-methyl auszutauschen.

43      Am 11. November 2019 übermittelte die EFSA der Kommission und den Mitgliedstaaten ihre aktualisierte Erklärung, die am 8. November 2019 genehmigt worden war (im Folgenden: Erklärung vom 8. November 2019). Die EFSA veröffentlichte diese Erklärung am 26. November 2019 auf ihrer Website.

44      In der Erklärung vom 8. November 2019 erinnerte die EFSA daran, dass die zur Genotoxizität von CHP-methyl eingereichten regulatorischen Daten keinen Anlass zu Bedenken gäben. Darüber hinaus rief sie in Erinnerung, dass die Experten in ihrer Sitzung im April 2019 der Meinung gewesen seien, dass zum genotoxischen Potenzial von CHP-methyl keine öffentliche Literatur verfügbar sei, während es mehrere Veröffentlichungen zu Chlorpyrifos gebe. Soweit für Chlorpyrifos Probleme im Hinblick auf die Genotoxizität festgestellt worden seien, habe man die Auffassung vertreten, dass die Anwendung des Analogiekonzepts angesichts der Ähnlichkeit der zwei Wirkstoffe gerechtfertigt sei.

45      Zudem hätten die Experten im September 2019 bei ihrem Treffen zur Anwendung des Analogiekonzepts in Bezug auf die Molekularstruktur der zwei Wirkstoffe erklärt, dass sich aus den festgestellten Unterschieden kein unterschiedliches genotoxisches Potenzial ableiten lasse.

46      Darüber hinaus hatte der BEMS nach zusätzlichen Literaturrecherchen wissenschaftliche Arbeiten zu CHP-methyl gefunden, in denen Informationen enthalten waren, die den zu Chlorpyrifos geäußerten Bedenken entsprachen. Eine Mehrzahl von Experten hatte daraufhin die Auffassung vertreten, dass die Hinweise in der Literatur, selbst wenn sie bestimmten Einschränkungen unterlägen, im Rahmen des Ansatzes der Beweiskraft der Daten zu berücksichtigen seien und unter Zugrundelegung eines vorsichtigen Ansatzes Anlass zu Bedenken hinsichtlich etwaiger, durch CHP-methyl verursachter DNA-Schäden gäben. Die Experten seien daher zu dem Schluss gelangt, dass die Bedenken, die für Chlorpyrifos in Bezug auf die Gefahr von Chromosomenaberrationen und DNA-Schäden erhoben worden seien, auf CHP-methyl übertragen werden könnten, so dass das genotoxische Potenzial unklar sei.

47      Die EFSA erklärte außerdem, die Experten hätten festgestellt, dass die Studie über die Entwicklungsneurotoxizität unzureichend sei (siehe oben, Rn. 21), während eine Studie zu Chlorpyrifos belege, dass die Exposition gegenüber diesem Wirkstoff zu einer Verringerung der Höhe des Kleinhirns führe. Außerdem hätten sie epidemiologische Daten berücksichtigt, die einen Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber Chlorpyrifos oder CHP-methyl und Entwicklungsstörungen des Nervensystems bei Kindern nachwiesen.

48      In der Erklärung vom 8. November 2019 gab die EFSA ferner an, die Experten seien sich einig gewesen, dass sowohl für die Genotoxizität als auch für die Entwicklungsneurotoxizität kein Referenzwert ermittelt werden könne, was dazu führe, dass es nicht möglich sei, das Risiko zu bewerten, das für Verbraucher, Anwender, Arbeiter, Umstehende und Anwohner durch CHP-methyl entstehe.

49      Die Experten seien der Auffassung gewesen, dass CHP-methyl die Kriterien erfülle, um als reproduktionstoxische Substanz der Kategorie 1B eingestuft zu werden, wobei die EFSA gegenüber diesem Ergebnis Vorbehalte geäußert habe.

50      Auf der Grundlage der oben in den Rn. 44 bis 49 dargelegten Erwägungen stellte die EFSA fest, dass die „in Art. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 vorgesehenen Kriterien in Bezug auf die menschliche Gesundheit nicht erfüllt sind“.

51      Am 11. November 2019 wurden Ascenza die Erklärung vom 8. November 2019 und der aktualisierte Bericht über die Erneuerung übermittelt. Die Kommission forderte Ascenza am gleichen Tag auf, zu diesen zwei Dokumenten Stellung zu nehmen.

52      Am 22. November 2019 nahm Ascenza zum Bericht über die Erneuerung und zur Erklärung vom 8. November 2019 Stellung.

53      Am 6. Dezember 2019 gaben die im Rahmen des Ständigen Ausschusses zusammengetretenen Mitgliedstaaten mit qualifizierter Mehrheit eine befürwortende Stellungnahme zum Entwurf einer Verordnung über die Nichterneuerung der Genehmigung von CHP-methyl ab.

54      Am 10. Januar 2020 erließ die Kommission die angefochtene Verordnung, in der es heißt:

„(10)      … [Die EFSA] übermittelte [die Erklärung vom 31. Juli 2019] zu den verfügbaren Ergebnissen der Bewertung des Risikos für die menschliche Gesundheit an die Kommission. Am 11. November 2019 übermittelte die [EFSA] im Anschluss an ein weiteres Expertengespräch im September 2019 [die Erklärung vom 8. November 2019] an die Kommission. In [dieser] Erklärung bestätigte die [EFSA] ihre Schlussfolgerungen zur Bewertung des Risikos für die menschliche Gesundheit, dass kritische Problembereiche bestehen. Angesichts der Bedenken hinsichtlich Chlorpyrifos und der frei verfügbaren wissenschaftlichen Literatur zu [CHP]-methyl ist nach dem Ansatz der Beweiskraft der Daten nicht auszuschließen, dass [CHP]-methyl genotoxisches Potenzial hat. Während des Peer-Review betrachteten die Experten die Anwendung des Analogiekonzepts auf die beiden Stoffe als gerechtfertigt, da sie strukturell ähnlich sind und ein ähnliches toxikokinetisches Verhalten aufweisen. Daher können für [CHP]-methyl keine gesundheitsbasierten Referenzwerte festgelegt und das Risiko für die Verbraucher sowie das Risiko durch eine nicht lebensmittelbezogene Exposition nicht bewertet werden. Darüber hinaus wurden Bedenken im Hinblick auf die Entwicklungsneurotoxizität (DNT) festgestellt, für die es epidemiologische Belege gibt, die zeigen, dass ein Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber Chlorpyrifos und/oder [CHP]-methyl während der Entwicklungsphase und Entwicklungsstörungen des Nervensystems bei Kindern besteht. Ferner wiesen die Experten im Peer-Review darauf hin, dass es möglicherweise angezeigt ist, [CHP]-methyl gemäß den Kriterien der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates als reproduktionstoxisch (Kategorie 1B) einzustufen.

(11)      Die Kommission forderte die Antragsteller auf, zu den Erklärungen der [EFSA] Stellung zu nehmen. Außerdem forderte die Kommission gemäß Artikel 14 Absatz 1 Unterabsatz 3 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 844/2012 die Antragsteller auf, zum [Bericht über] die Erneuerung Stellung zu nehmen. Die von den Antragstellern vorgelegten Stellungnahmen wurden eingehend geprüft.

(12)      Die Bedenken gegenüber dem Wirkstoff konnten jedoch trotz der von den Antragstellern vorgebrachten Argumente nicht ausgeräumt werden.

(13)      Folglich konnte nicht nachgewiesen werden, dass in Bezug auf einen oder mehrere repräsentative Verwendungszwecke mindestens eines Pflanzenschutzmittels die Genehmigungskriterien gemäß Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erfüllt sind. Die Umweltrisikobewertung ist zwar noch nicht abgeschlossen, sie kann jedoch diese Schlussfolgerung nicht ändern, da die Genehmigungskriterien, die die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit betreffen, nicht erfüllt sind, und sollte daher die Entscheidung über die Erneuerung der Genehmigung des Wirkstoffs nicht weiter verzögern. Daher sollte die Genehmigung des Wirkstoffs [CHP]-methyl in Übereinstimmung mit Artikel 20 Absatz 1 Buchstabe b der genannten Verordnung nicht erneuert werden.“

55      Ferner erließ die Kommission am 10. Januar 2020 die Durchführungsverordnung (EU) 2020/18 zur Nichterneuerung der Genehmigung des Wirkstoffs Chlorpyrifos gemäß der Verordnung Nr. 1107/2009 und zur Änderung des Anhangs der Durchführungsverordnung Nr. 540/2011 (ABl. 2020, L 7, S. 14).

56      Der zehnte Erwägungsgrund der Durchführungsverordnung 2020/18 lautet:

„Am 31. Juli 2019 übermittelte die [EFSA] der Kommission ihre Erklärung. In ihrer Erklärung bestätigte [sie], dass ihre Schlussfolgerungen zur Bewertung des Risikos für die menschliche Gesundheit darauf hindeuten, dass kritische Problembereiche bestehen. Auf der Grundlage der verfügbaren Informationen kann nicht ausgeschlossen werden, dass Chlorpyrifos genotoxisches Potenzial hat, da eine Reihe von In-vitro- und In-vivo-Studien positive Befunde erbracht haben. Daher können für Chlorpyrifos keine gesundheitsbasierten Referenzwerte festgelegt und das Risiko für die Verbraucher sowie das Risiko durch eine nicht lebensmittelbezogene Exposition nicht bewertet werden. Darüber hinaus wurden bei der vorliegenden Studie über die Entwicklungsneurotoxizität bei Ratten entwicklungsneurotoxische Wirkungen (DNT‑Wirkungen) beobachtet, und es gibt epidemiologische Belege, die zeigen, dass ein Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber Chlorpyrifos und/oder [CHP]-methyl während der Entwicklungsphase und Entwicklungsstörungen des Nervensystems bei Kindern besteht. Ferner wird darauf hingewiesen, dass es Experten im Peer-Review für angezeigt hielten, Chlorpyrifos gemäß den Kriterien der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates als reproduktionstoxisch (Kategorie 1B) einzustufen.“

II.    Anträge der Parteien und Verfahren

57      Die Klägerinnen beantragen,

–        die angefochtene Verordnung für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

58      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes aufzuerlegen;

–        der European Crop Care Association (ECCA) die durch ihren Beitritt als Streithelferin entstandenen Kosten aufzuerlegen.

59      Die ECCA beantragt,

–        die angefochtene Verordnung für nichtig zu erklären;

–        die ihr entstandenen Kosten der Kommission aufzuerlegen.

60      Die Health and Environment Alliance (HEAL) beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        die ihr entstandenen Kosten den Klägerinnen aufzuerlegen.

61      Das Königreich Dänemark beantragt, die Klage abzuweisen.

62      Die Französische Republik beantragt, die Klage abzuweisen.

63      Das Gericht hat der EFSA und den Parteien gemäß Art. 24 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union mehrere Fragen gestellt. Die Fragen wurden fristgemäß beantwortet.

III. Zur Zulässigkeit der Klage und der im Lauf des Verfahrens vorgelegten Dokumente

64      Zunächst ist die Zulässigkeit der Klage und anschließend die Zulässigkeit bestimmter Dokumente in der Akte zu prüfen.

A.      Zur Zulässigkeit der Klage

65      Nach Art. 263 Abs. 4 AEUV kann jede natürliche oder juristische Person unter den Bedingungen von Art. 263 Abs. 1 und 2 gegen die an sie gerichteten oder sie unmittelbar und individuell betreffenden Handlungen sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, Klage erheben.

66      Da die Klägerinnen nicht Adressaten der angefochtenen Verordnung sind, ist zu prüfen, ob diese sie unmittelbar und individuell betrifft.

67      Zunächst ist die Klagebefugnis von Ascenza zu prüfen.

68      Die Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit erfordert, dass sich die beanstandete Maßnahme unmittelbar auf die Rechtsstellung dieser Personen auswirkt und dass sie den Adressaten dieser Maßnahme, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, ihre Umsetzung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der beanstandeten Regelung ohne Anwendung anderer Durchführungsvorschriften ergibt (vgl. Urteil vom 17. Mai 2018, BASF Agro u. a./Kommission, T‑584/13, EU:T:2018:279, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

69      Im vorliegenden Fall ändert die angefochtene Verordnung die im Anhang der Durchführungsverordnung Nr. 540/2011 enthaltene Liste der Wirkstoffe, die für die Verwendung in Pflanzenschutzmitteln zugelassen sind. Gemäß Art. 3 der angefochtenen Verordnung sind die Mitgliedstaaten, die Zulassungen für Pflanzenschutzmittel erteilt haben, die CHP-methyl als Wirkstoff enthalten, aufgrund dieser Änderung verpflichtet, die Zulassungen spätestens am 16. April 2020 zu widerrufen. Aus dieser Bestimmung ergibt sich, dass die Mitgliedstaaten insoweit über keinen Gestaltungsspielraum verfügen.

70      Folglich wirkt sich die angefochtene Verordnung unmittelbar auf die Rechtsstellung von Ascenza aus, die CHP-methyl erzeugt und vermarktet (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Mai 2018, BASF Agro u. a./Kommission, T‑584/13, EU:T:2018:279, Rn. 35 und 36, und vom 19. Dezember 2019, Probelte/Kommission, T‑67/18, EU:T:2019:873, Rn. 51).

71      Was die Voraussetzung der individuellen Betroffenheit anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass eine andere Person als der Adressat einer Handlung nur dann geltend machen kann, im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV individuell betroffen zu sein, wenn diese Handlung sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder wegen tatsächlicher Umstände, die sie aus dem Kreis aller übrigen Personen herausheben, berührt und sie dadurch in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten (Urteil vom 15. Juli 1963, Plaumann/Kommission, 25/62, EU:C:1963:17, S. 223).

72      Nach ständiger Rechtsprechung ist derjenige, der einen Antrag auf Genehmigung eines Wirkstoffs gestellt hat, der die Unterlagen eingereicht hat und am Bewertungsverfahren beteiligt gewesen ist, sowohl von dem den Wirkstoff bedingt genehmigenden Rechtsakt als auch von einem die Genehmigung ablehnenden Rechtsakt individuell betroffen (vgl. Urteil vom 17. Mai 2018, BASF Agro u. a./Kommission, T‑584/13, EU:T:2018:279, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese Rechtsprechung gilt auch für denjenigen, der einen Antrag auf Erneuerung der Genehmigung eines Wirkstoffs gestellt hat, wenn der Antrag durch den in Rede stehenden Rechtsakt abgelehnt wird.

73      Im vorliegenden Fall steht zum einen fest, dass Ascenza, damals Sapec Agro, einen Antrag auf Erneuerung der Genehmigung für CHP-methyl gestellt hatte und anschließend am Verfahren zur Erneuerung der Genehmigung teilnahm. Folglich ist Ascenza von der angefochtenen Verordnung individuell betroffen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Mai 2018, BASF Agro u. a./Kommission, T‑584/13, EU:T:2018:279, Rn. 46, und vom 19. Dezember 2019, Probelte/Kommission, T‑67/18, EU:T:2019:873, Rn. 64).

74      Aus den oben in den Rn. 65 bis 73 dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass Ascenza zur Anfechtung der angefochtenen Verordnung befugt ist, was die Kommission im Übrigen ausdrücklich anerkannt hat.

75      Die Kommission bezweifelt die Klagebefugnis von Industrias Afrasa.

76      Aus Erwägungen der Prozessökonomie ist in dem Fall, dass eine Entscheidung von mehreren Klägern angefochten wird und einer dieser Kläger erwiesenermaßen klagebefugt ist, die Klagebefugnis der übrigen Kläger nicht zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. März 1993, CIRFS u. a./Kommission, C‑313/90, EU:C:1993:111, Rn. 31, und vom 9. Juni 2011, Comitato „Venezia vuole vivere“ u. a./Kommission, C‑71/09 P, C‑73/09 P und C‑76/09 P, EU:C:2011:368, Rn. 36 und 37).

77      Wie oben in Rn. 74 festgestellt, ist Ascenza befugt, die angefochtene Verordnung anzufechten.

78      Somit ist festzustellen, dass die vorliegende Klage zulässig ist, ohne dass die Klagebefugnis von Industrias Afrasa geprüft werden muss.

B.      Zur Zulässigkeit der drei Studien, die die EFSA 2013, 2016 und 2017 veröffentlicht hat und die Klägerinnen im Lauf des Verfahrens vorgelegt haben

79      Art. 85 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts sieht vor: „Die Hauptparteien können für ihr Vorbringen noch in der Erwiderung oder in der Gegenerwiderung Beweise oder Beweisangebote vorlegen, sofern die Verspätung der Vorlage gerechtfertigt ist.“

80      Die Klägerinnen haben in der Anlage ihrer Erwiderung drei Studien der EFSA aus den Jahren 2013, 2016 und 2017 beigebracht, die ihrer Meinung nach belegen, dass mit CHP-methyl kein genotoxisches Risiko verbunden sei.

81      Die Klägerinnen haben erklärt, sie hätten durch eine andere, die Genotoxizität von Chlorpyrifos betreffende Studie, die am 21. Mai 2020, d. h. nach Erhebung ihrer Klage, veröffentlicht worden sei, von den drei Studien erfahren.

82      Zur Rechtfertigung des Umstands, dass sie die Studien nicht vor dieser Veröffentlichung und vor Einreichung der Erwiderung übermittelt haben, machen die Klägerinnen in Beantwortung einer prozessleitenden Maßnahme des Gerichts geltend, dass Ascenza nicht verpflichtet gewesen sei, die drei Studien in das Dossier zur Beantragung der Erneuerung der Genehmigung von CHP-methyl aufzunehmen.

83      Selbst wenn dies jedoch erwiesen wäre, lässt sich daraus nicht folgern, dass es ihnen nicht möglich war, die Studien zum Zeitpunkt der Klageerhebung vorzulegen. Wie nämlich oben in Rn. 80 dargelegt, wurden die drei Studien vor Erlass der angefochtenen Verordnung und somit auch vor Erhebung der vorliegenden Klage veröffentlicht.

84      Somit kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerinnen die verspätete Vorlage der genannten Studien als Beweise gerechtfertigt haben.

85      Folglich sind sie gemäß Art. 85 Abs. 2 der Verfahrensordnung für unzulässig zu erklären (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. April 2017, Alkarim for Trade and Industry/Rat, T‑35/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:262, Rn. 28 und 29, und vom 18. September 2017, Uganda Commercial Impex/Rat, T‑107/15 und T‑347/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:628, Rn. 73 und 74).

IV.    Prüfung der Begründetheit der Klage

86      Die Klägerinnen machen acht Klagegründe geltend: erstens eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften, zweitens einen Verstoß gegen das Transparenzgebot, drittens eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, viertens einen Verstoß gegen das Vorsorgeprinzip, fünftens einen Verstoß gegen die Verpflichtung, alle relevanten Gesichtspunkte und Umstände der Situation zu berücksichtigen, die mit der angefochtenen Verordnung geregelt werden sollte, sechstens einen Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, siebtens einen offensichtlichen Beurteilungsfehler in Bezug auf die von der EFSA und anschließend der Kommission vorgenommene Risikobewertung und achtens einen offensichtlichen Beurteilungsfehler und einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

87      Darüber hinaus macht die ECCA drei zusätzliche Klagegründe geltend: Der neunte und der zehnte Klagegrund betreffen einen Verstoß gegen die Begründungspflicht, und der elfte Klagegrund betrifft einen Verstoß gegen Art. 14 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012.

A.      Zum ersten Klagegrund: Verletzung wesentlicher Formvorschriften

88      Die Klägerinnen beanstanden die Verletzung wesentlicher Formvorschriften.

89      Sie tragen erstens vor, die angefochtene Verordnung stütze sich zu Unrecht auf zwei Erklärungen, die sich nur auf einen Teil der Risikobewertung beschränkten, nämlich den Teil zur menschlichen Gesundheit.

90      Außerdem nehme Art. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 auf Anhang II dieser Verordnung Bezug, der eine Reihe von Kriterien aufzähle. Bei der Annahme von Schlussfolgerungen müsse die EFSA jedes einzelne Kriterium prüfen, was sie jedoch im vorliegenden Fall unterlassen habe.

91      Schließlich könne sich die Kommission nicht darauf stützen, dass CHP-methyl als reproduktionstoxische Substanz der Kategorie 1B einzustufen sei, um das Verfahren zur Erneuerung der Genehmigung von CHP-methyl „zu beenden“, ohne eine umfassende Bewertung dieses Wirkstoffs vorzunehmen.

92      Zweitens sei das Verfahren zum Erlass der angefochtenen Verordnung mit Fehlern behaftet, da die EFSA entgegen Art. 13 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 keine Schlussfolgerung angenommen habe. Die Klägerinnen berufen sich insoweit auf ein Dokument der EFSA mit dem Titel „Definitionen der wissenschaftlichen und der begleitenden Publikationen der EFSA“, das auf der Website der EFSA verfügbar ist.

93      Sie weisen außerdem darauf hin, dass nach Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 die Kommission der EFSA mitteilen kann, dass eine Schlussfolgerung nicht erforderlich ist. Die Kommission habe der EFSA insoweit jedoch keine ordnungsgemäße Mitteilung zukommen lassen.

94      Selbst wenn man annehme, dass eine Schlussfolgerung vorliege, sei diese fehlerhaft, da sie Lücken aufweise.

95      Drittens seien die in Art. 13 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 vorgesehenen Fristen nicht eingehalten worden.

96      Die Nichteinhaltung der Fristen habe sich zwangsläufig auf den Inhalt der angefochtenen Verordnung ausgewirkt, da im Fall der Einhaltung der Fristen die Abstimmung im Ständigen Ausschuss erfolgt wäre, bevor einer der Mitgliedstaaten eine nicht maßgebliche Verhaltensnorm erlassen hätte, die ihn dazu bewogen habe, zugunsten der angefochtenen Verordnung abzustimmen.

97      Die ECCA macht geltend, die EFSA sei nicht aufgrund der Tatsache, dass eine Erklärung abgegeben worden sei, von ihrer Verpflichtung zur Annahme einer Schlussfolgerung entbunden worden.

98      Die von der EFSA angenommene Schlussfolgerung müsse zu allen in Anhang II der Verordnung Nr. 1107/2009 aufgeführten Kriterien Stellung nehmen, und die Kommission könne den Bericht über die Erneuerung erst dann annehmen, wenn die EFSA die Risikobewertung abgeschlossen habe.

99      Da das Analogiekonzept in der Verordnung Nr. 1107/2009 nicht erwähnt werde, führe die Anwendung dieses Konzepts durch die EFSA und später die Kommission zu einer Verletzung wesentlicher Formvorschriften.

100    Der vorliegende Klagegrund besteht aus drei Rügen. Sie betreffen erstens das für die Kommission geltende Verbot, das Verfahren zur Erneuerung der Genehmigung für CHP-methyl zu beenden, ohne alle in den Rechtsvorschriften vorgesehenen Bedingungen und Kriterien zu prüfen, zweitens das Fehlen einer Schlussfolgerung der EFSA und drittens die Nichteinhaltung der in den Rechtsvorschriften vorgesehenen Fristen.

1.      Zum Verbot für die Kommission, das Verfahren zur Erneuerung der Genehmigung für CHP-methyl zu beenden, ohne alle in der Verordnung Nr. 1107/2009 vorgesehenen Bedingungen und Kriterien zu prüfen

101    Als Erstes ist zu untersuchen, ob die Kommission zu Unrecht versäumt hat, alle in Art. 4 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1107/2009 vorgesehenen Bedingungen zu prüfen.

102    Art. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 ist gemäß Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung auf den vorliegenden Fall anwendbar (siehe oben, Rn. 9).

103    Gemäß Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 wird ein Wirkstoff gemäß Anhang II der Verordnung genehmigt, wenn zu erwarten ist, dass unter Berücksichtigung der Genehmigungskriterien in den Nrn. 2 und 3 jenes Anhangs Pflanzenschutzmittel, die diesen Wirkstoff enthalten, die Voraussetzungen von Art. 4 Abs. 2 und 3 der Verordnung erfüllen.

104    Art. 4 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1107/2009 bestimmt:

„(2)      Die Rückstände von Pflanzenschutzmitteln müssen als Folge der Verwendung entsprechend der guten Pflanzenschutzpraxis und unter der Voraussetzung realistischer Verwendungsbedingungen folgende Anforderungen erfüllen:

a)      Sie dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen, einschließlich besonders gefährdeter Personengruppen, oder von Tieren – unter Berücksichtigung von Kumulations- und Synergieeffekten, wenn es von der [EFSA] anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt – noch auf das Grundwasser haben.

b)      Sie dürfen keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt haben.

(3)      Pflanzenschutzmittel müssen als Folge der Verwendung entsprechend der guten Pflanzenschutzpraxis und unter der Voraussetzung realistischer Verwendungsbedingungen folgende Anforderungen erfüllen:

a)      Sie müssen hinreichend wirksam sein.

b)      Sie dürfen keine sofortigen oder verzögerten schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen, einschließlich besonders gefährdeter Personengruppen, oder von Tieren – weder direkt noch über das Trinkwasser (unter Berücksichtigung der bei der Trinkwasserbehandlung entstehenden Produkte), über Nahrungs- oder Futtermittel oder über die Luft oder Auswirkungen am Arbeitsplatz oder durch andere indirekte Effekte unter Berücksichtigung bekannter Kumulations- und Synergieeffekte, soweit es von der [EFSA] anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Bewertung solcher Effekte gibt – noch auf das Grundwasser haben.

c)      Sie dürfen keine unannehmbaren Auswirkungen auf Pflanzen oder Pflanzenerzeugnisse haben.

d)      Sie dürfen bei den zu bekämpfenden Wirbeltieren keine unnötigen Leiden oder Schmerzen verursachen.

e)      Sie dürfen keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt haben …“

105    Es ist erstens festzustellen, dass die in Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1107/2009 genannten Voraussetzungen, auf die Art. 4 Abs. 1 der Verordnung verweist, die Rückstände des den fraglichen Wirkstoff enthaltenden Pflanzenschutzmittels betreffen.

106    Folglich ist Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009, auch wenn er nicht auf Rückstände von Pflanzenschutzmitteln verweist, dahin gehend auszulegen, dass ein Wirkstoff genehmigt wird, wenn zu erwarten ist, dass sowohl Pflanzenschutzmittel, die diesen Wirkstoff enthalten, als auch ihre Rückstände mehrere Voraussetzungen erfüllen.

107    Zweitens sieht Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 vor, dass „die Voraussetzungen“ – und nicht nur eine der Voraussetzungen – von Art. 4 Abs. 2 und 3 der Verordnung erfüllt sind. Gleiches gilt für den jeweiligen einleitenden Unterabsatz der genannten Bestimmungen.

108    Angesichts der oben in den Rn. 105 bis 107 dargelegten Erwägungen sind die in Art. 4 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1107/2009 genannten Voraussetzungen als kumulativ anzusehen.

109    Somit reicht es entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen für die Ablehnung eines Antrags auf Genehmigung eines Wirkstoffs aus, dass nur eine der Voraussetzungen nicht erfüllt ist.

110    Im vorliegenden Fall stützte sich die Kommission für den Erlass der angefochtenen Verordnung auf Art. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009. Sie berief sich insoweit auf die Auswirkungen von CHP-methyl auf die menschliche Gesundheit und konkret auf drei Gründe: erstens den Umstand, dass „nicht auszuschließen [ist], dass [CHP]-methyl genotoxisches Potenzial hat“, zweitens das Bestehen von „Bedenken im Hinblick auf die Entwicklungsneurotoxizität (DNT)“ von CHP-methyl und drittens den Umstand, dass „es möglicherweise angezeigt ist, [CHP]-methyl … als reproduktionstoxisch (Kategorie 1B) einzustufen“ (siehe unten, Rn. 266 und 267).

111    Da die Kommission somit der Auffassung war, dass das Vorliegen schädlicher Auswirkungen des CHP-methyl enthaltenden Pflanzenschutzmittels und seiner Rückstände auf die menschliche Gesundheit nicht ausgeschlossen werden könne, war sie berechtigt, keine Prüfung dieses Wirkstoffs im Hinblick auf alle in Art. 4 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1107/2009 genannten Voraussetzungen vorzunehmen.

112    Folglich ist das Vorbringen zurückzuweisen, die Kommission sei verpflichtet gewesen, alle in Art. 4 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1107/2009 genannten Voraussetzungen zu prüfen.

113    Als Zweites ist zu untersuchen, ob die Kommission zu Unrecht versäumt hat, alle in Anhang II der Verordnung Nr. 1107/2009 vorgesehenen Kriterien zu prüfen.

114    Insoweit legt Art. 4 („Genehmigungskriterien für Wirkstoffe“) der Verordnung Nr. 1107/2009 die Voraussetzungen und Genehmigungskriterien für Wirkstoffe fest.

115    Wie oben in Rn. 103 dargelegt, wird nach Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 ein Wirkstoff gemäß Anhang II der Verordnung genehmigt, wenn zu erwarten ist, dass unter Berücksichtigung der Genehmigungskriterien in den Nrn. 2 und 3 jenes Anhangs Pflanzenschutzmittel, die diesen Wirkstoff enthalten, die Voraussetzungen von Art. 4 Abs. 2 und 3 der Verordnung erfüllen.

116    Zwar verweist Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 auf die Genehmigungskriterien in Anhang II der Verordnung, die zu berücksichtigen sind, doch sieht er nicht vor, dass ein Wirkstoff genehmigt wird, wenn die in den Nrn. 2 und 3 des Anhangs genannten Kriterien erfüllt sind oder gar nur eines der Kriterien erfüllt ist.

117    Ebenso wenig sieht Anhang II der Verordnung Nr. 1107/2009 für eines der in den Nrn. 2 und 3 des Anhangs genannten Kriterien vor, dass der fragliche Wirkstoff genehmigt werden muss, wenn das Kriterium erfüllt ist.

118    Laut dem in Nr. 3.6.4 des Anhangs II der Verordnung Nr. 1107/2009 genannten einzigen Kriterium, auf das sich die Klägerinnen zur Stützung ihres Vorbringens ausdrücklich berufen, wird ein Wirkstoff „nur dann zugelassen, wenn er … nicht … als reproduktionstoxische Substanz der Kategorie 1A oder 1B eingestuft wird oder einzustufen ist“.

119    Folglich wird ein Wirkstoff nicht zugelassen, wenn er als reproduktionstoxische Substanz der Kategorie 1A oder 1B eingestuft wird oder einzustufen ist.

120    Die in den Nrn. 3.6.2, 3.6.3 und 3.6.5 des Anhangs II der Verordnung Nr. 1107/2009 genannten Kriterien, die sich auf die Genotoxizität, die Karzinogenität und endokrinschädliche Eigenschaften beziehen, sind auf die gleiche Art und Weise formuliert und auszulegen wie das Kriterium in Nr. 3.6.4 des Anhangs (siehe oben, Rn. 118).

121    In diesem Sinne kann, wie es die Klägerinnen und die Kommission in ihren Schriftsätzen tun, von „Ausschlusskriterien“ gesprochen werden, und zwar in Abgrenzung zu den in Art. 4 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1107/2009 genannten Voraussetzungen, für die Art. 4 Abs. 1 der Verordnung vorsieht, dass der in Rede stehende Wirkstoff genehmigt werden muss, wenn zu erwarten ist, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind.

122    Angesichts der oben in den Rn. 114 bis 121 dargelegten Erwägungen können die in den Nrn. 2 und 3 des Anhangs II der Verordnung Nr. 1107/2009 genannten Kriterien, insbesondere die Kriterien in den Nrn. 3.6.2 bis 3.6.5 des Anhangs, nicht als Genehmigungskriterien eines Wirkstoffs angesehen werden, die die Genehmigungskriterien in Art. 4 Abs. 2 und 3 der Verordnung ergänzen. Erst recht können diese Kriterien nicht als alternative Genehmigungskriterien eines Wirkstoffs angesehen werden.

123    Folglich war die Kommission nicht verpflichtet, jedes der Kriterien zu prüfen, da sie der Auffassung war, dass eine der in Art. 4 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1107/2009 genannten kumulativen Voraussetzungen für die Genehmigung eines Wirkstoffs nicht erfüllt sei.

124    Somit ist das Vorbringen zurückzuweisen, mit dem geltend gemacht wird, die EFSA sei verpflichtet gewesen, CHP-methyl im Hinblick auf sämtliche in Anhang II der Verordnung Nr. 1107/2009 genannten Kriterien zu prüfen.

125    Als Drittes machen die Klägerinnen geltend, die Kommission habe sich zur „Rechtfertigung der Beendigung des Verfahrens zur Risikobewertung“ unter Ablehnung des Antrags auf Erneuerung der Genehmigung für CHP-methyl in der angefochtenen Verordnung zu Unrecht auf den Hinweis der Experten im Peer-Review gestützt, wonach es möglicherweise angezeigt sei, CHP-methyl als reproduktionstoxisch (Kategorie 1B) einzustufen.

126    Die Klägerinnen berufen sich auf einen „Vorbehalt“, der in Bezug auf das Kriterium in Nr. 3.6.4 des Anhangs II der Verordnung Nr. 1107/2009 bestehe. Diese Bestimmung sieht vor, dass ein Wirkstoff nicht zugelassen werden kann, wenn er als reproduktionstoxische Substanz der Kategorie 1B eingestuft wird oder einzustufen ist, es sei denn, die Exposition von Menschen gegenüber diesem Wirkstoff ist unter realistisch anzunehmenden Verwendungsbedingungen vernachlässigbar (siehe oben, Rn. 11).

127    Es ist zutreffend, dass im vorliegenden Fall weder die EFSA noch die Kommission die oben in Rn. 126 genannte Ausnahme, die die Klägerinnen als „Vorbehalt“ bezeichnen, geprüft haben.

128    Die Ausnahme muss jedoch nur dann geprüft werden, wenn die Kommission die Verweigerung der Genehmigung eines Wirkstoffs auf Nr. 3.6.4 des Anhangs II der Verordnung Nr. 1107/2009 stützen möchte, d. h., wenn sie sich unabhängig von den anderen Informationen im Dossier zur Beantragung der Genehmigung des fraglichen Wirkstoffs verpflichtet fühlt, den Antrag aufgrund der Einstufung des Wirkstoffs oder der Notwendigkeit einer solchen Einstufung abzulehnen.

129    Der angefochtenen Verordnung ist zu entnehmen, dass das Vorliegen schädlicher Auswirkungen des CHP-methyl enthaltenden Pflanzenschutzmittels und seiner Rückstände auf die menschliche Gesundheit nicht ausgeschlossen werden kann. Somit stützt sich die angefochtene Verordnung nicht auf die Einstufung dieses Wirkstoffs als reproduktionstoxische Substanz der Kategorie 1B oder auf die Notwendigkeit einer solchen Einstufung (siehe oben, Rn. 110 und 111).

130    Im dritten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung heißt es, „dass es möglicherweise angezeigt ist, [CHP]-methyl als reproduktionstoxisch (Kategorie 1B) einzustufen“. Diese Begründung stützt sich somit nicht auf das Vorliegen einer solchen Einstufung oder ihre Notwendigkeit.

131    Mithin war die Kommission nicht verpflichtet, sich zu der in Nr. 3.6.4 des Anhangs II der Verordnung Nr. 1107/2009 enthaltenen Ausnahme zu äußern.

132    Folglich beging die Kommission keinen Rechtsfehler bei der Auslegung von Nr. 3.6.4 des Anhangs II der Verordnung Nr. 1107/2009.

133    Angesichts der oben in den Rn. 125 bis 132 dargelegten Erwägungen ist festzustellen, dass die Kommission vor der Ablehnung einer Erneuerung der Genehmigung von [CHP]-methyl nicht verpflichtet war, zu prüfen, ob die Exposition von Menschen gegenüber diesem Wirkstoff unter realistisch anzunehmenden Verwendungsbedingungen vernachlässigbar ist.

134    Somit ist das Vorbringen zum Fehlen einer solchen Prüfung zurückzuweisen.

135    Nach alledem ist die vorliegende Rüge zurückzuweisen.

2.      Zum Fehlen einer Schlussfolgerung

136    Die Klägerinnen machen geltend, das Verfahren zum Erlass der angefochtenen Verordnung sei mit Fehlern behaftet, da die EFSA entgegen den Bestimmungen von Art. 13 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 keine Schlussfolgerung angenommen habe.

137    Vorab ist festzustellen, dass die Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 erlassen wurde, um die notwendigen Bestimmungen für das Erneuerungsverfahren festzulegen, das in Unterabschnitt 3 („Erneuerung und Überprüfung“) der Verordnung Nr. 1107/2009 vorgesehen ist.

138    In Art. 12 („Schlussfolgerung der [EFSA]“) der Verordnung Nr. 1107/2009 heißt es:

„…

(2)      Die [EFSA] organisiert gegebenenfalls eine Konsultation mit Experten, einschließlich Experten aus dem berichterstattenden Mitgliedstaat.

Die [EFSA] nimmt innerhalb von 120 Tagen nach Ablauf der für die Übermittlung schriftlicher Stellungnahmen vorgesehenen Frist unter Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik und unter Heranziehung der zum Zeitpunkt des Antrags verfügbaren Leitlinien eine Schlussfolgerung dazu an, ob der Wirkstoff voraussichtlich die Genehmigungskriterien des Artikels 4 erfüllt, übermittelt diese Schlussfolgerung dem Antragsteller, den Mitgliedstaaten und der Kommission und macht sie öffentlich zugänglich. …

(4)      Die Schlussfolgerung der [EFSA] enthält die Einzelheiten zum Bewertungsverfahren und zu den Eigenschaften des betreffenden Wirkstoffs.

…“

139    Art. 13 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 trägt ebenfalls die Überschrift „Schlussfolgerung der [EFSA]“. Abs. 1 Unterabs. 1 dieses Artikels, der die Definition gemäß Art. 12 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1107/2009 mutatis mutandis übernimmt, lautet:

„Die [EFSA] nimmt innerhalb von 5 Monaten nach Ablauf der in Artikel 12 Absatz 3 vorgesehenen Frist vor dem Hintergrund des neuesten Standes von Wissenschaft und Technik und unter Heranziehung der zum Zeitpunkt der Vorlage der ergänzenden Dossiers verfügbaren Leitlinien eine Schlussfolgerung dazu an, ob angenommen werden kann, dass der Wirkstoff voraussichtlich den Genehmigungskriterien gemäß Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 genügt. Gegebenenfalls organisiert die [EFSA] eine Sachverständigenkonsultation, in die auch Sachverständige aus dem berichterstattenden und dem mitberichterstattenden Mitgliedstaat einbezogen werden. Die [EFSA] übermittelt ihre Schlussfolgerung dem Antragsteller, den Mitgliedstaaten und der Kommission.“

140    Der Begriff der „Schlussfolgerung“ der EFSA ist im Hinblick auf diese Bestimmungen zu definieren.

141    Im vorliegenden Fall enthalten die einschlägigen Rechtsvorschriften keine Definition der Schlussfolgerung.

142    Allerdings ist den oben in den Rn. 138 und 139 genannten Bestimmungen zu entnehmen, dass die Schlussfolgerung, formal betrachtet, zum einen von der EFSA angenommen werden muss und zum anderen dem Antragsteller, den Mitgliedstaaten und der Kommission zu übermitteln ist.

143    Zwar wurde im vorliegenden Fall entgegen den Anforderungen der oben genannten Bestimmungen die Erklärung vom 31. Juli 2019 nicht an Ascenza übermittelt.

144    Wie jedoch oben in Rn. 43 dargelegt, enthält die Erklärung vom 8. November 2019 nur eine Aktualisierung der Erklärung vom 31. Juli 2019. Unter diesen Umständen beinhaltet die Übermittlung der Erklärung vom 8. November 2019 im Wesentlichen die Übermittlung der aktualisierten Erklärung vom 31. Juli 2019.

145    Soweit die Erklärung vom 8. November 2019 im Einklang mit Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 übermittelt wurde, hat die EFSA das oben in Rn. 142 genannte formale Kriterium gewahrt.

146    Was den Inhalt der Schlussfolgerung betrifft, ist den maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung Nr. 1107/2009 und der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 zu entnehmen, dass die EFSA in der von ihr angenommenen Schlussfolgerung neben „Einzelheiten“ zum Bewertungsverfahren und zu den Eigenschaften des betreffenden Wirkstoffs angibt, „ob der Wirkstoff voraussichtlich die Genehmigungskriterien des Artikels 4 [der Verordnung Nr. 1107/2009] erfüllt“.

147    Somit ist das ausschlaggebende Element, das für die Feststellung des Vorliegens einer Schlussfolgerung zu berücksichtigen ist, die Abgabe einer Stellungnahme der EFSA zu der Frage, ob ein Wirkstoff voraussichtlich die Bedingungen und Kriterien von Art. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 erfüllt.

148    Im vorliegenden Fall vertrat die EFSA sowohl in der Erklärung vom 31. Juli 2019 als auch in der Erklärung vom 8. November 2019 die Auffassung, dass CHP-methyl die Genehmigungskriterien von Art. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 in Bezug auf die menschliche Gesundheit nicht erfülle.

149    Somit ist festzustellen, dass die EFSA eine Schlussfolgerung im Sinne von Art. 13 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 angenommen hat, was durch die nachstehenden Erwägungen nicht in Frage gestellt werden kann.

150    Zwar hatte, erstens, die EFSA in dem Dokument „Definitionen der wissenschaftlichen und der begleitenden Publikationen der EFSA“, das auf ihrer Website verfügbar ist, die folgenden Definitionen festgelegt:

„A.2.1 Stellungnahme der EFSA

Eine Stellungnahme der EFSA ist ein Dokument, das sich mit einem Problem befasst und als Empfehlung oder sachliche Erklärung zur Prüfung durch die Europäische Kommission, das Europäische Parlament, den Rat der Europäischen Union, die Mitgliedstaaten oder Interessengruppen erstellt wird. Eine Stellungnahme der EFSA wird in der Regel relativ kurzfristig erstellt. Die EFSA kann während des Prozesses den Wissenschaftlichen Ausschuss, ein Wissenschaftliches Gremium oder ein EFSA-Netzwerk zu Rate ziehen.

A.2.3 Schlussfolgerung zur Peer-Review von Pestiziden

Bei einer EFSA-Schlussfolgerung handelt es sich um eine umfassende wissenschaftliche Bewertung, die die Ergebnisse des Peer-Review-Verfahrens von der Risikobewertung zu der Frage enthält, ob der in einem Pflanzenschutzmittel verwendete Wirkstoff die im einschlägigen Rechtsrahmen vorgesehenen Zulassungskriterien voraussichtlich erfüllen wird.“

151    Somit könnte unter Berücksichtigung der in den vorgenannten Definitionen enthaltenen Merkmale der Schluss gezogen werden, dass die Erklärung vom 31. Juli 2019 und die Erklärung vom 8. November 2019 keine Schlussfolgerungen sind, sondern Stellungnahmen, wie dies von den Klägerinnen geltend gemacht wird (siehe oben, Rn. 92).

152    Allerdings kann das Dokument „Definitionen der wissenschaftlichen und der begleitenden Publikationen der EFSA“, das keine normative Bedeutung hat, nicht für die Definition des Begriffs „Schlussfolgerung“ im Sinne von Art. 13 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 berücksichtigt werden.

153    Zweitens hat die Kommission die von ihr angeforderten Dokumente zwar selbst in ihren an die EFSA gerichteten Aufforderungen vom 1. Juli 2019 und 24. September 2019 als „Erklärungen“ bezeichnet (siehe oben, Rn. 25 und 39). Auch wenn die Rechtsgrundlage, auf die sich diese Aufforderungen stützen, nicht genannt ist, ergibt sich aus Art. 29 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der EFSA und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. 2002, L 31, S. 1), dass die Kommission die EFSA zu jeder Frage in den Bereichen ihres Auftrags ersuchen kann, ein wissenschaftliches Gutachten abzugeben. Die EFSA hat auf diese Ersuchen reagiert, indem sie Dokumente erstellt hat, die sie ebenfalls als „Erklärungen“ bezeichnet hat (siehe oben, Rn. 27 und 43).

154    Die Feststellung des Vorliegens einer „Schlussfolgerung“ hängt jedoch vor allem vom Inhalt des fraglichen Dokuments und nicht von seiner Bezeichnung ab.

155    Wie oben in Rn. 148 dargelegt, hat sich die EFSA in den fraglichen „Erklärungen“ dahin gehend geäußert, dass CHP-methyl nicht die Genehmigungskriterien gemäß Art. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 in Bezug auf die menschliche Gesundheit erfülle.

156    Folglich ist das Vorbringen, das sich auf einen Verstoß gegen Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 stützt (siehe oben, Rn. 93), dem zufolge die Kommission die EFSA informiert, wenn sie der Auffassung ist, dass eine Schlussfolgerung nicht erforderlich ist, als sachlich unzutreffend zurückzuweisen, da es voraussetzt, dass die EFSA keine Schlussfolgerung angenommen hat.

157    Die Klägerinnen machen außerdem geltend, selbst wenn man annehme, dass die Erklärungen der EFSA als Schlussfolgerungen angesehen werden könnten, seien diese jedenfalls unzulässig, da sie keine umfassende Bewertung von CHP-methyl enthielten (siehe oben, Rn. 94).

158    Insoweit genügt der Hinweis auf die oben in den Rn. 112 und 124 dargelegten Gründe.

159    Zwar stellt die EFSA in dem Dokument „Definitionen der wissenschaftlichen und der begleitenden Publikationen der EFSA“ fest, dass es sich bei einer EFSA-Schlussfolgerung um eine umfassende wissenschaftliche Bewertung handelt (siehe oben, Rn. 150).

160    Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei diesem Dokument um Leitlinien im Sinne der Rechtsprechung handelt.

161    Insoweit hat der Gerichtshof entschieden, dass die Leitlinien eine Verhaltensnorm darstellen, die einen Hinweis auf die zu befolgende Verwaltungspraxis enthält und von denen ein Organ im Einzelfall nicht ohne Angabe von Gründen abweichen kann, die mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbar sind. Das fragliche Organ hat dadurch, dass es derartige Verhaltensnormen erlassen und durch ihre Veröffentlichung angekündigt hat, dass es sie von nun an auf die von diesen Normen erfassten Fälle anwenden werde, die Ausübung seines Ermessens beschränkt (Urteil vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 209 bis 211).

162    Aus der Stellungnahme, die die EFSA dem Gericht in Beantwortung einer prozessleitenden Maßnahme gemäß Art. 24 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union zukommen ließ, ergibt sich, dass die EFSA dem Dokument „Definitionen der wissenschaftlichen und der begleitenden Publikationen der EFSA“ keine bindende Wirkung verleihen wollte.

163    Somit ist auch das Vorbringen zurückzuweisen, das sich auf die Unzulässigkeit der Schlussfolgerung der EFSA stützt.

164    Nach alledem ist die vorliegende Rüge zurückzuweisen.

3.      Zur Nichteinhaltung der in den Rechtsvorschriften vorgesehenen Fristen

165    Die Klägerinnen machen geltend, es liege eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften vor, da die EFSA keine Schlussfolgerung innerhalb der Fristen gemäß den einschlägigen Rechtsvorschriften angenommen habe.

166    Gemäß Art. 13 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 verfügt die EFSA für die Annahme ihrer Schlussfolgerung über eine Frist von fünf Monaten, die nach Ablauf der Frist von 60 Tagen beginnt, in der Stellungnahmen zum Entwurf des Bewertungsberichts eingereicht werden können. Art. 13 Abs. 3 der Durchführungsverordnung sieht vor, dass diese Frist verlängert werden kann, um die Frist zu berücksichtigen, die dem Antragsteller für die Übermittlung zusätzlicher Informationen und dem berichterstattenden Mitgliedstaat für die Übermittlung seiner Bewertung dieser Informationen gesetzt wird.

167    Im vorliegenden Fall steht fest, dass die oben in Rn. 166 genannte Frist nicht eingehalten wurde.

168    Die Rechtsvorschriften sehen jedoch für den Fall, dass die Frist nicht eingehalten wird, keine Sanktion vor.

169    Außerdem würde die Nichtigerklärung einer Verordnung wie der angefochtenen ungeachtet des Fehlens einer gesetzlich vorgesehenen Sanktion und allein wegen Überschreitung der genannten Frist nur zur Wiedereröffnung des Verwaltungsverfahrens führen, was eine Verlängerung des Verwaltungsverfahrens mit der Begründung, dass es bereits zu lange gedauert habe, zur Folge hätte (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 19. Januar 2010, Co-Frutta/Kommission, T‑355/04 und T‑446/04, EU:T:2010:15, Rn. 70 und 71).

170    Somit stellt die Einhaltung der Frist gemäß Art. 13 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 nur die Beachtung einer Regel guter Verwaltungsführung dar, deren Nichteinhaltung – auch wenn nicht ausgeschlossen ist, dass sie die Haftung der Union für Schäden begründen kann, die das betreffende Organ den Antragstellern verursacht hat – für sich allein jedoch nicht geeignet ist, die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verordnung zu beeinträchtigen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 27. November 2001, Z/Parlament, C‑270/99 P, EU:C:2001:639, Rn. 21).

171    Nach alledem ist die vorliegende Rüge zurückzuweisen.

172    Das Vorbringen der ECCA zur unzulässigen Anwendung des Analogiekonzepts, das in der Verordnung Nr. 1107/2009 nicht erwähnt werde (siehe oben, Rn. 99), wird im Rahmen des siebten Klagegrundes, der sich auf einen offensichtlichen Beurteilungsfehler in Bezug auf die von der EFSA und anschließend der Kommission vorgenommene Risikobewertung stützt, in der Sache geprüft.

173    Was außerdem die Rüge der ECCA betrifft, die Kommission sei für den Erlass der angefochtenen Verordnung nicht zuständig, ist dieses Vorbringen ebenfalls als jeder rechtlichen Grundlage entbehrend zurückzuweisen. Gemäß Art. 14 Abs. 2 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 ist die Kommission nämlich zuständig für den Erlass einer Verordnung wie der angefochtenen, die sich auf die Erneuerung der Genehmigung eines Wirkstoffs bezieht.

174    Somit ist der erste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

B.      Zum elften Klagegrund: Verstoß gegen Art. 14 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012

175    Die ECCA macht einen Verstoß gegen Art. 14 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 geltend und trägt vor, die Kommission dürfe dem Ständigen Ausschuss den Bericht über die Erneuerung nicht vorlegen, bevor die EFSA die Bewertung abgeschlossen habe.

176    Gemäß Art. 14 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 legt die Kommission dem Ständigen Ausschuss innerhalb von sechs Monaten nach Eingang der Schlussfolgerung der EFSA einen Bericht über die Erneuerung vor, und dieser Bericht trägt der Schlussfolgerung Rechnung.

177    Im vorliegenden Fall wurde der Bericht über die Erneuerung den Antragstellern zwar bereits am 12. August 2019 von der Kommission übermittelt. Zudem trat der Ständige Ausschuss am 21. und 22. Oktober 2019 für einen ersten Meinungsaustausch zur Frage der Erneuerung der Genehmigung für CHP-methyl zusammen (siehe oben, Rn. 42), d. h., bevor die EFSA die Erklärung vom 8. November 2019 annahm.

178    Da dem Bericht über die Erneuerung jedoch die Erklärung vom 31. Juli 2019 zugrunde lag (siehe oben, Rn. 34), hatte die Kommission die Schlussfolgerung der EFSA (siehe oben, Rn. 148 und 149) berücksichtigt, bevor sie eine erste Fassung des Berichts annahm.

179    Außerdem aktualisierte die Kommission später den Bericht über die Erneuerung, um die Erklärung vom 8. November 2019 zu berücksichtigen (siehe oben, Rn. 51). Es wurde nicht behauptet, dass der Ständige Ausschuss, als er am 6. Dezember 2019 eine Entscheidung traf (siehe oben, Rn. 53), nicht auf der Grundlage des aktualisierten Berichts entschieden habe.

180    Entgegen dem Vorbringen der ECCA war somit der dem Ständigen Ausschuss bei Abgabe seiner Stellungnahme vorliegende Bericht über die Erneuerung nicht älter als die letzte von der EFSA vorgenommene Bewertung.

181    Nach alledem ist der vorliegende, von der ECCA geltend gemachte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen, ohne dass zuvor über seine Zulässigkeit entschieden werden muss.

C.      Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen das Transparenzgebot

182    Die Klägerinnen rügen einen Verstoß gegen das Transparenzgebot.

183    Sie machen geltend, zwischen dem Zeitpunkt, an dem Ascenza die von der EFSA angeforderten zusätzlichen Informationen übermittelt habe (siehe oben, Rn. 22), und Anfang April 2019, als Expertenanhörungen durchgeführt worden seien (siehe oben, Rn. 24), hätten sich weder die Kommission noch die EFSA ihnen gegenüber transparent verhalten. Ascenza sei überrascht gewesen, dass bis dahin nie geäußerte Bedenken in Bezug auf die Genotoxizität und die Entwicklungsneurotoxizität aufgekommen seien.

184    Außerdem beanstanden die Klägerinnen, dass Ascenza weder über die Durchführung von Expertenanhörungen im April 2019 noch über die fehlende Annahme einer Schlussfolgerung durch die EFSA noch über die Aufforderung der Kommission an die EFSA, Erklärungen vorzulegen, informiert worden sei.

185    Zudem sei Ascenza nicht über das Vorliegen einer Studie zur Genotoxizität von Chlorpyrifos in Kenntnis gesetzt worden, mit deren Durchführung die EFSA ein Forschungsinstitut im Februar 2019 betraut habe.

186    Die Studie sei weder Ascenza im Rahmen des Verfahrens zum Erlass der angefochtenen Verordnung noch den im April und September 2019 zu Anhörungen zusammengekommenen Experten übermittelt worden. Darüber hinaus berufen sich die Klägerinnen auf das Vorliegen eines Zwischenberichts. Infolge einer Beweiserhebungsmaßnahme des Gerichts habe die EFSA dem Gericht diesen Zwischenbericht vorgelegt, den sie am 30. April 2019 erhalten habe.

187    Es ist darauf hinzuweisen, dass sich die betroffene Person, die vor dem Gericht zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung eines Rechtsakts der Union mit allgemeiner Geltung den Verstoß gegen eine Transparenzpflicht geltend macht, auf eine ausdrückliche Bestimmung berufen muss, die ihr ein Verfahrensrecht verleiht und dem Rechtsrahmen entstammt, der den Erlass dieses Rechtsakts regelt (vgl. entsprechend Urteil vom 19. Dezember 2019, Probelte/Kommission, T‑67/18, EU:T:2019:873, Rn. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung).

188    Als Erstes ist zu prüfen, ob die angefochtene Verordnung einen Rechtsakt mit allgemeiner Geltung darstellt.

189    Insoweit ist entschieden worden, dass die auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1107/2009 erlassenen Maßnahmen zur Genehmigung, Verlängerung der Genehmigung oder Erneuerung der Genehmigung von Wirkstoffen allgemeine Geltung haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. September 2018, Mellifera/Kommission, T‑12/17, EU:T:2018:616, Rn. 71).

190    Die angefochtene Verordnung hat die Nichterneuerung der Genehmigung des Wirkstoffs CHP-methyl gemäß der Verordnung Nr. 1107/2009 zum Gegenstand und betrifft somit abstrakt und allgemein jede Person, die beabsichtigt, diesen Wirkstoff zu erzeugen, zu vermarkten oder zu verwenden, sowie jede Person, die über Zulassungen für Pflanzenschutzmittel verfügt, die diesen Wirkstoff enthalten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Mai 2018, Bayer CropScience u. a./Kommission, T‑429/13 und T‑451/13, EU:T:2018:280, Rn. 54, vom 27. September 2018, Mellifera/Kommission, T‑12/17, EU:T:2018:616, Rn. 56 bis 65, und vom 9. Februar 2022, AMVAC Netherlands/Kommission, T‑317/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:62, Rn. 59).

191    Folglich kann die angefochtene Verordnung als Rechtsakt mit allgemeiner Geltung eingestuft werden, ohne dass die individuelle Betroffenheit von Ascenza durch den Rechtsakt (siehe oben, Rn. 71 bis 74) diese Einstufung in Frage stellen kann.

192    Es ist nämlich zwischen der Frage nach der allgemeinen oder individuellen Geltung eines Rechtsakts, die von dem Rechtsakt als solchem abhängt, und der Frage der individuellen Betroffenheit eines gewöhnlichen Klägers, die von seiner Situation im Hinblick auf diesen Rechtsakt abhängt, zu unterscheiden.

193    Zwar haben, wenn man die Kriterien von Art. 263 Abs. 4 AEUV anlegt, bestimmte Rechtsakte aufgrund ihrer Rechtsnatur und ihrer Tragweite tatsächlich normativen Charakter, doch können sie, ohne ihren normativen Charakter zu verlieren, unter bestimmten Umständen bestimmte Wirtschaftsteilnehmer individuell betreffen, so dass diese, wenn sie von den Rechtsakten auch unmittelbar betroffen sind, befugt sind, eine Klage auf Nichtigerklärung der Rechtsakte zu erheben (vgl. entsprechend Urteile vom 21. Februar 1984, Allied Corporation u. a./Kommission, 239/82 und 275/82, EU:C:1984:68, Rn. 11, und vom 16. Mai 1991, Extramet Industrie/Rat, C‑358/89, EU:C:1991:214, Rn. 13 und 14).

194    Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verordnung ein Rechtsakt mit allgemeiner Geltung ist.

195    Als Zweites ist zu untersuchen, ob die von den Klägerinnen geltend gemachte Transparenzpflicht dem Rechtsrahmen entstammt, der den Erlass der angefochtenen Verordnung regelt.

196    Im vorliegenden Fall besteht der Rechtsrahmen zum einen aus der Verordnung Nr. 1107/2009, die die allgemeinen Bestimmungen insbesondere zum Verfahren der Erneuerung der Genehmigung eines Wirkstoffs enthält, und zum anderen aus der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012, in der die besonderen Bestimmungen zur Durchführung des Verfahrens zur Erneuerung der Genehmigung eines Wirkstoffs festgelegt sind.

197    Insbesondere auf dem Gebiet der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln führt die EFSA die Aufgabe der wissenschaftlichen Risikobewertung durch, wie dem zwölften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1107/2009 und Art. 12 („Schlussfolgerung der Behörde“) der Verordnung zu entnehmen ist.

198    Im 40. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 178/2002, mit der die EFSA errichtet wird, heißt es, dass das Vertrauen der Unionsorgane, der Öffentlichkeit und der Beteiligten in die EFSA von entscheidender Bedeutung ist und deshalb u. a. ihre Transparenz unbedingt gewährleistet sein muss.

199    Insoweit wird im zwölften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1107/2009 und im elften Erwägungsgrund der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 darauf hingewiesen, dass Bestimmungen aufgenommen werden sollten, die die Transparenz des Prozesses zur Bewertung von Wirkstoffen gewährleisten.

200    Die Wahrung des Transparenzgebots im Bereich des Pflanzenschutzes wird somit durch besondere Bestimmungen gewährleistet.

201    Folglich obliegt es im vorliegenden Fall den Klägerinnen, sich auf eine ausdrückliche Bestimmung des Rechtsrahmens zu berufen, der den Erlass der angefochtenen Verordnung regelt und ihnen ein Verfahrensrecht im Zusammenhang mit der Einhaltung einer Transparenzpflicht verleiht.

202    Die Klägerinnen erheben insoweit drei Rügen im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes. Die Rügen betreffen erstens das verspätete Aufkommen von Bedenken zur Genotoxizität und Entwicklungsneurotoxizität von CHP-methyl, zweitens die Verletzung der Verpflichtung, Ascenza über Ereignisse zu unterrichten, die im Lauf des Verfahrens zum Erlass der angefochtenen Verordnung eingetreten seien, und drittens die Verletzung der Verpflichtung, Ascenza über das Vorliegen einer zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verordnung laufenden Studie zu informieren.

1.      Zu den verspäteten Bedenken in Bezug auf die Genotoxizität und Entwicklungsneurotoxizität von CHP-methyl

203    Die Klägerinnen machen geltend, Ascenza sei von den Vorbehalten in Bezug auf die Genotoxizität und Entwicklungsneurotoxizität von CHP-methyl überrascht worden, und die Vorbehalte seien erst ab April 2019 geäußert worden.

204    Im vorliegenden Fall wurden die Bedenken hinsichtlich der Genotoxizität von CHP-methyl erst im Rahmen der von EFSA im April 2019 durchgeführten Expertenanhörungen kommuniziert.

205    Die Klägerinnen berufen sich jedoch, obwohl ihnen dies obliegt (siehe oben, Rn. 187 und 201), auf keine ausdrückliche Bestimmung, die Ascenza ein Verfahrensrecht verleiht und dem Rechtsrahmen entstammt, der den Erlass der angefochtenen Verordnung regelt.

206    Wie zudem oben in den Rn. 139 und 166 dargelegt, ist Art. 13 Abs. 1 und 3 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 zu entnehmen, dass die EFSA bei der Annahme von Schlussfolgerungen neue Daten berücksichtigt, die sich aus der Weiterentwicklung der wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse, einer etwaigen Anhörung von Experten oder einer etwaigen Anforderung zusätzlicher Informationen vom Antragsteller ergeben.

207    Folglich war die EFSA u. a. auf der Grundlage, wie vorliegend, der Ergebnisse einer Expertenanhörung berechtigt, zu dem Zeitpunkt, als sie ihre Schlussfolgerung vorbereitete, neue Einwände gegenüber der Erneuerung der Genehmigung des fraglichen Wirkstoffs zu erheben.

208    Überdies waren, entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen, von der Öffentlichkeit Bedenken im Hinblick auf die Studie über die Entwicklungsneurotoxizität geäußert worden, jedoch stellte der BEMS in diesem Stadium kein entwicklungsneurotoxisches Potenzial von CHP-methyl fest (siehe oben, Rn. 16 bis 33).

209    Angesichts der oben in den Rn. 205 bis 208 dargelegten Erwägungen kann ein Umstand wie der oben in Rn. 204 genannte nicht als Verstoß gegen etwaige, der Kommission oder der EFSA obliegende Transparenzpflichten angesehen werden.

210    Die vorliegende Rüge ist daher zurückzuweisen.

2.      Zur Verletzung der Verpflichtung, Ascenza über verschiedene, im Rahmen des Verfahrens zum Erlass der angefochtenen Verordnung eingetretene Ereignisse zu informieren

211    Die Klägerinnen beanstanden, dass Ascenza weder über das im April 2019 durchgeführte Expertentreffen noch über die fehlende Annahme einer Schlussfolgerung durch die EFSA noch über die Aufforderung der Kommission an die EFSA, Erklärungen vorzulegen, informiert worden sei.

212    Die Klägerinnen führen zur Stützung der vorliegenden Rüge keine Rechtsvorschrift an. Außerdem sehen die maßgeblichen Bestimmungen des Rechtsrahmens für den Erlass der angefochtenen Verordnung keine Verpflichtung vor, den Antragsteller zu diesen verschiedenen Themen zu informieren.

213    Erstens bestimmt nämlich Art. 12 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012, dass die EFSA dem Antragsteller den Entwurf des Bewertungsberichts weiterleitet. Zweitens übermittelt die EFSA gemäß Art. 13 Abs. 1 der Durchführungsverordnung dem Antragsteller ihre Schlussfolgerung. Drittens erhält der Antragsteller nach Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 3 der Durchführungsverordnung Gelegenheit, zum Bericht über die Erneuerung Stellung zu nehmen, was voraussetzt, dass ihm der Bericht übermittelt wurde.

214    Da sich die Person, die vor dem Gericht zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung eines Rechtsakts der Union den Verstoß gegen eine Transparenzpflicht geltend macht, auf eine ausdrückliche Bestimmung berufen muss, die ihr ein Verfahrensrecht verleiht und dem Rechtsrahmen entstammt, der den Erlass dieses Rechtsakts regelt (siehe oben, Rn. 187), kann im vorliegenden Fall kein Verstoß gegen eine Transparenzpflicht festgestellt werden.

215    Im Übrigen ist als Erstes darauf hinzuweisen, dass die EFSA eine Schlussfolgerung angenommen hat (siehe oben, Rn. 149).

216    Folglich ist das Vorbringen zur Verletzung der Verpflichtung, Ascenza über das Fehlen einer Schlussfolgerung zu informieren, jedenfalls als sachlich unzutreffend zurückzuweisen.

217    Was als Zweites das Vorbringen betrifft, Ascenza sei nicht über das an die EFSA gerichtete Schreiben der Kommission vom 1. Juli 2019 informiert worden, mit dem die EFSA zur Abgabe einer Erklärung aufgefordert worden sei (siehe oben, Rn. 25), ist festzustellen, dass Ascenza am 14. August 2019 von dieser Erklärung Kenntnis erlangte, als die Kommission sie aufforderte, dazu Stellung zu nehmen (siehe oben, Rn. 35). Somit hatte sie zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von der Entscheidung der Kommission, die EFSA zur Abgabe einer Erklärung aufzufordern. Außerdem konnte sie davon ausgehen, dass die EFSA eine zweite Erklärung annehmen würde, da in der Erklärung vom 31. Juli 2019 auf eine später durchzuführende Expertenanhörung zur Anwendung des Analogiekonzepts Bezug genommen wurde (siehe oben, Rn. 28).

218    Selbst wenn man daher annimmt, dass insoweit eine Informationspflicht bestand, wurde diese nicht verletzt.

219    Das Argument ist somit jedenfalls zurückzuweisen.

3.      Zur Verletzung der Verpflichtung, Ascenza über das Vorliegen einer zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verordnung laufenden Studie zu informieren

220    Die Klägerinnen beanstanden, Ascenza sei nicht über das Vorliegen einer Studie informiert worden, deren Ergebnisse am 14. Mai 2020 auf der Website der EFSA genehmigt worden seien (im Folgenden: Studie vom 14. Mai 2020).

221    Nach ständiger Rechtsprechung ist die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Rechtsakts im Rahmen einer Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 AEUV nach der Sach- und Rechtslage zu beurteilen, wie sie bei Erlass des Akts bestand (Urteile vom 7. Februar 1979, Frankreich/Kommission, 15/76 und 16/76, EU:C:1979:29, Rn. 7, vom 17. Mai 2001, IECC/Kommission, C‑449/98 P, EU:C:2001:275, Rn. 87, und vom 10. September 2019, HTTS/Rat, C‑123/18 P, EU:C:2019:694, Rn. 37).

222    Im vorliegenden Fall liegt das Datum der Studie vom 14. Mai 2020 nach dem Erlass der angefochtenen Verordnung.

223    Folglich kann die Studie nicht zur Stützung des vorliegenden Klagegrundes geltend gemacht werden.

224    Was das Vorbringen betrifft, Ascenza sei nicht über das Vorliegen einer während des Verfahrens zum Erlass der angefochtenen Verordnung durchgeführten Studie und über den der EFSA am 30. April 2019 übermittelten Zwischenbericht informiert worden, ist festzustellen, dass keine Bestimmung der Verordnung Nr. 1107/2009 oder der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 vorsieht, dass der Antragsteller darüber zu informieren ist.

225    Folglich ist das fragliche Vorbringen angesichts der oben in den Rn. 187 und 201 dargelegten Erwägungen zurückzuweisen.

226    Aus dem Vorstehenden folgt, dass die vorliegende Rüge und der zweite Klagegrund insgesamt zurückzuweisen sind.

D.      Zum dritten Klagegrund: Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör

227    Die Klägerinnen machen geltend, Ascenza habe keine Gelegenheit gehabt, eine umfassende Stellungnahme zur Bedeutung, Qualität und Zweckdienlichkeit der drei wissenschaftlichen Artikel abzugeben, auf die sich die EFSA in ihrer Erklärung vom 8. November 2019 für ihre Bewertung der Genotoxizität von CHP-methyl gestützt habe.

228    Die Klägerinnen sind nämlich der Auffassung, dass die in der Erklärung vom 8. November 2019 enthaltene Zusammenfassung der Artikel zu kurz gewesen sei.

229    Die Stellungnahme von Ascenza zum Bericht über die Erneuerung und zur Erklärung vom 8. November 2019 sei übermittelt worden, nachdem der BEMS, die EFSA und die Kommission ihre Bewertung abgeschlossen hätten, und die einzige Stelle, die diese Stellungnahme habe berücksichtigen können, sei der Ständige Ausschuss gewesen, der nicht mit der Risikobewertung beauftragt sei.

230    Von der Erstellung der Studie vom 14. Mai 2020 und dem der EFSA am 30. April 2019 übermittelten Zwischenbericht habe Ascenza erst zu spät Kenntnis erlangt. Auch habe sie von den drei Studien, die die EFSA 2013, 2016 und 2017 veröffentlicht habe, erst zu spät erfahren, nämlich durch den Verweis auf diese Studien in der Studie vom 14. Mai 2020.

231    Nach Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta der Grundrechte der Europäischen Union umfassen das Recht auf eine gute Verwaltung und die Wahrung der Verteidigungsrechte das Recht einer jeden Person, gehört zu werden, bevor ihr gegenüber eine für sie nachteilige individuelle Maßnahme getroffen wird. Der Anspruch darauf, in allen gegen eine Person eröffneten Verfahren, die zu einer beschwerenden Maßnahme führen könnten, gehört zu werden, ist nämlich ein elementarer Rechtsgrundsatz des Unionsrechts, der auch dann zu beachten ist, wenn eine Regelung für das betreffende Verfahren fehlt. Dieser Grundsatz gebietet es, dass die Adressaten von Entscheidungen, die deren Interessen spürbar beeinträchtigen, in die Lage versetzt werden, ihren Standpunkt zu den Gesichtspunkten in sachdienlicher Weise vorzutragen, die zu ihren Lasten festgestellt worden sind, um den fraglichen Rechtsakt zu stützen (vgl. Urteile vom 15. Juni 2006, Dokter u. a., C‑28/05, EU:C:2006:408, Rn. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 19. Dezember 2019, Probelte/Kommission, T‑67/18, EU:T:2019:873, Rn. 86 und die dort angeführte Rechtsprechung).

232    Bei Rechtsakten mit allgemeiner Geltung hingegen verlangen nach den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts, wie dem Anspruch auf Anhörung, Konsultierung und Information, weder der Prozess ihrer Ausarbeitung noch diese Rechtsakte selbst die Beteiligung der betroffenen Personen. Anders verhält es sich dann, wenn eine ausdrückliche Bestimmung des Rechtsrahmens, der den Erlass dieses Rechtsakts regelt, einer betroffenen Person ein solches Verfahrensrecht verleiht (vgl. Urteil vom 19. Dezember 2019, Probelte/Kommission, T‑67/18, EU:T:2019:873, Rn. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung).

233    Im vorliegenden Fall ist Ascenza, wie oben in den Rn. 71 bis 74 und 191 bis 194 dargelegt, von der angefochtenen Verordnung mit allgemeiner Geltung individuell betroffen.

234    Die Klägerinnen können sich somit, obwohl die angefochtene Verordnung einen Rechtsakt mit allgemeiner Geltung darstellt, erfolgreich darauf berufen, dass Ascenzas Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt sei, soweit eine ausdrückliche Bestimmung des Rechtsrahmens für den Erlass der Verordnung Ascenza ein solches Verfahrensrecht verleiht.

235    Hierzu ist festzustellen, dass erstens gemäß Art. 12 Abs. 1 und 3 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 die EFSA dem Antragsteller den Entwurf des Bewertungsberichts weiterleitet und für die Einreichung schriftlicher Stellungnahmen eine Frist von 60 Tagen einräumt, zweitens sie gemäß Art. 13 Abs. 1 der Durchführungsverordnung dem Antragsteller ihre Schlussfolgerung übermittelt und drittens nach Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 3 der Durchführungsverordnung der Antragsteller Gelegenheit erhält, zum Bericht über die Erneuerung Stellung zu nehmen, wobei der Bericht dem Entwurf des Bewertungsberichts und der Schlussfolgerung der EFSA Rechnung tragen muss.

236    Die Klägerinnen machen nicht geltend, dass die insoweit in der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 enthaltenen Garantien im vorliegenden Fall nicht eingehalten worden seien.

237    Folglich ist zu prüfen, ob im Rahmen der Anwendung dieser Bestimmungen und Garantien die von den Klägerinnen erhobenen Rügen die Feststellung einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ermöglichen könnten.

238    Mit den Rügen beanstanden die Klägerinnen erstens, dass die Zusammenfassung der drei wissenschaftlichen Artikel zur Genotoxizität in der Erklärung vom 8. November 2019 unvollständig gewesen sei (siehe oben, Rn. 227 und 228), zweitens, dass Ascenza vor Abschluss der Bewertung des in Rede stehenden Wirkstoffs durch den BEMS, die EFSA und die Kommission keine Möglichkeit gehabt habe, zur Erklärung vom 8. November 2019 und zum Bericht über die Erneuerung Stellung zu nehmen (siehe oben, Rn. 229), und drittens, dass Ascenza keine Gelegenheit gehabt habe, zur Studie vom 14. Mai 2020 und zu anderen Studien Stellung zu nehmen (siehe oben, Rn. 230).

1.      Zur Unvollständigkeit der Zusammenfassung der drei wissenschaftlichen Artikel zur Genotoxizität in der Erklärung vom 8. November 2019

239    Im vorliegenden Fall wurde die Erklärung vom 8. November 2019 Ascenza am 11. November 2019 übermittelt, und die Verweise auf die fraglichen Artikel sowie ein Hyperlink zu diesen Artikeln befinden sich am Ende der Erklärung.

240    Die Kommission erklärt, ohne dass die Klägerinnen dem widersprechen, dass die Artikel öffentlich zugänglich seien.

241    Somit können sich die Klägerinnen nicht darauf berufen, dass die Zusammenfassung der drei wissenschaftlichen Artikel zur Genotoxizität in der Erklärung vom 8. November 2019 unvollständig gewesen sei.

242    Folglich ist die vorliegende Rüge zurückzuweisen.

2.      Zur fehlenden Möglichkeit von Ascenza, vor Abschluss der Bewertung von CHP-methyl durch den BEMS, die EFSA und die Kommission zur Erklärung vom 8. November 2019 und zum Bericht über die Erneuerung Stellung zu nehmen

243    Am 22. November 2019 nahm Ascenza zum Bericht über die Erneuerung und zur Erklärung vom 8. November 2019 Stellung, und am 6. Dezember 2019 gaben die im Rahmen des Ständigen Ausschusses zusammengetretenen Mitgliedstaaten mit qualifizierter Mehrheit eine befürwortende Stellungnahme zum Entwurf einer Verordnung über die Nichterneuerung der Genehmigung von CHP-methyl ab. Den Akten ist nicht zu entnehmen, dass zwischenzeitlich der BEMS den Entwurf des Bewertungsberichts, die EFSA die Erklärung vom 8. November 2019 oder die Kommission den Bericht über die Erneuerung abgeändert hätten (siehe oben, Rn. 52 und 53).

244    Es ist daher zutreffend, dass die Stellungnahme von Ascenza zum Bericht über die Erneuerung und zur Erklärung vom 8. November 2019 nach Abschluss der Bewertung durch den BEMS, die EFSA und die Kommission abgegeben wurde (siehe oben, Rn. 229).

245    Aus diesem Umstand lässt sich jedoch nicht schließen, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt wurde.

246    Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 sieht nämlich vor, dass der Verordnungsentwurf dem Entwurf des Berichts des berichterstattenden Mitgliedstaats über die Bewertung der Erneuerung und der Schlussfolgerung der EFSA „Rechnung [trägt]“.

247    Die Kommission und der Ständige Ausschuss sind insoweit bei Erlass einer Verordnung zur Erneuerung der Genehmigung eines Wirkstoffs nicht an die Feststellungen der EFSA oder des berichterstattenden Mitgliedstaats gebunden und können daher bei ihrer Entscheidung Stellungnahmen, einschließlich Beanstandungen, berücksichtigen, die ein Antragsteller im Nachhinein zu diesen Feststellungen übermittelt hat (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 9. September 2011, Dow AgroSciences u. a./Kommission, T‑475/07, EU:T:2011:445, Rn. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung).

248    Zudem setzt der Anspruch auf rechtliches Gehör, der nicht dem Schutz der Rechte der Verwaltung und der beratenden Gremien dient, nicht voraus, dass ein beratendes Gremium, wie die EFSA oder der Mitgliedstaat in seiner Eigenschaft als Berichterstatter, über die Stellungnahme des Antragstellers zu seinem Vorschlag oder seiner Stellungnahme verfügt oder gar den eigenen Vorschlag oder die eigene Stellungnahme infolge der Stellungnahme des Antragstellers abändern kann. Es ist nur erforderlich, dass die Entscheidungsinstanz darüber verfügt.

249    Folglich ist die vorliegende Rüge zurückzuweisen.

3.      Zur fehlenden Möglichkeit von Ascenza, zur Studie vom 14. Mai 2020 und zu anderen Studien Stellung zu nehmen

250    Der Anspruch auf rechtliches Gehör setzt voraus, dass der Betroffene in der Lage ist, seinen Standpunkt zu den Gesichtspunkten, auf die die Verwaltung ihre Entscheidung zu stützen beabsichtigt, sachdienlich vorzutragen (Urteile vom 18. Dezember 2008, Sopropé, C‑349/07, EU:C:2008:746, Rn. 37, vom 3. Juli 2014, Kamino International Logistics und Datema Hellmann Worldwide Logistics, C‑129/13 und C‑130/13, EU:C:2014:2041, Rn. 30, und vom 14. Juli 2021, Griba/CPVO [Stark Gugger], T‑181/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:440, Rn. 65).

251    Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass nur die Gesichtspunkte, die der beanstandeten Maßnahme zugrunde liegen, womit gemeint ist, dass sie von dem betreffenden Organ berücksichtigt wurden (vgl. entsprechend Urteil vom 3. Februar 2021, Moi/Parlament, T‑17/19, EU:T:2021:51, Rn. 118), dem Betroffenen übermittelt werden müssen.

252    Im vorliegenden Fall wollte die Kommission die angefochtene Verordnung jedoch weder auf die Studie vom 14. Mai 2020 noch auf den der EFSA am 30. April 2019 übermittelten Zwischenbericht noch auf die drei von der EFSA 2013, 2016 und 2017 veröffentlichten Studien (siehe oben, Rn. 230) stützen.

253    Diese Dokumente werden nicht in der angefochtenen Verordnung und auch nicht in den Erklärungen der EFSA vom 31. Juli und 8. November 2019 erwähnt. Die Erklärungen enthalten eine abschließende Aufzählung sämtlicher Studien, die bei der Bewertung von CHP-methyl durch die EFSA berücksichtigt wurden.

254    Mithin konnte es keine Verpflichtung geben, Ascenza den Inhalt der verschiedenen Studien zu übermitteln, es sei denn, die Klägerinnen beweisen, dass ihr Inhalt von der EFSA oder der Kommission berücksichtigt wurde.

255    Da die Klägerinnen insoweit keinen Nachweis erbracht haben, ist die vorliegende Rüge zurückzuweisen.

256    Im Übrigen ist in Bezug auf die Berufung der Klägerinnen auf die drei von der EFSA 2013, 2016 und 2017 veröffentlichten Studien darauf hinzuweisen, dass diese Studien für unzulässig erklärt worden sind (siehe oben, Rn. 85).

257    Somit ist die vorliegende Rüge insoweit in jedem Fall zurückzuweisen.

258    Aus alledem folgt, dass der vorliegende Klagegrund insgesamt zurückzuweisen ist.

E.      Zum neunten Klagegrund: Verstoß gegen die Begründungspflicht im Zusammenhang mit dem Erlass einer Verordnung durch die Kommission auf der Grundlage einer wissenschaftlichen Bewertung, die von der Bewertung in dem Entwurf des Bewertungsberichts des BEMS abweicht

259    Die ECCA macht geltend, im Fall von Abweichungen zwischen der wissenschaftlichen Bewertung des berichterstattenden Mitgliedstaats und der von der EFSA vorgenommenen wissenschaftlichen Bewertung obliege es der Kommission, substantiiert und genau zu begründen, warum sie sich auf die eine und nicht auf die andere Bewertung stütze.

260    Die angefochtene Verordnung enthalte keine „Begründung“ der zusätzlichen Literaturrecherche, die der BEMS vor der Erklärung vom 8. November 2019 durchgeführt habe.

261    Die Klägerinnen machen geltend, der berichterstattende Mitgliedstaat nehme im Verfahren zur Erneuerung der Genehmigung eines Wirkstoffs eine herausragende Rolle ein.

262    Insoweit ist festzustellen, dass die ECCA sich zwar auf eine „erhöhte Begründungspflicht“ beruft, die der Kommission obliege, jedoch die Geltung einer solchen Pflicht in einem Fall wie dem vorliegenden sich weder aus den anwendbaren Rechtsvorschriften noch aus der Rechtsprechung ergibt.

263    Zur Begründungspflicht der Kommission ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die nach Art. 296 Abs. 2 AEUV vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen muss, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und der Gerichtshof seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, und in der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen von Art. 296 Abs. 2 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet. Insbesondere braucht die Kommission nicht auf alle Argumente einzugehen, die die Betroffenen vor ihr geltend gemacht haben, sondern es reicht aus, wenn sie die Tatsachen und rechtlichen Erwägungen anführt, denen nach dem Aufbau der Entscheidung eine wesentliche Bedeutung zukommt (vgl. Urteil vom 6. September 2013, Sepro Europe/Kommission, T‑483/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:407, Rn. 101 und die dort angeführte Rechtsprechung).

264    Ferner hängt nach ständiger Rechtsprechung der Umfang der Begründungspflicht von der Rechtsnatur der betreffenden Maßnahme ab; bei generellen Rechtsakten, wie im Fall der angefochtenen Verordnung (siehe oben, Rn. 194), kann sich die Begründung darauf beschränken, die Gesamtlage anzugeben, die zum Erlass der Maßnahme geführt hat, und die allgemeinen Ziele zu bezeichnen, die mit ihr erreicht werden sollen. In diesem Zusammenhang hat der Unionsrichter wiederholt entschieden, dass es, wenn der angefochtene Rechtsakt den von dem Organ verfolgten Zweck in seinen wesentlichen Zügen erkennen lässt, zu weit ginge, eine besondere Begründung für die einzelnen technischen Entscheidungen zu verlangen (Urteile vom 21. Juli 2011, Etimine, C‑15/10, EU:C:2011:504, Rn. 115, und vom 28. Mai 2020, Agrochem-Maks/Kommission, T‑574/18, EU:T:2020:226, Rn. 59).

265    Der vorliegende Klagegrund ist vor dem Hintergrund der in den vorstehenden Randnummern angeführten Rechtsprechung zu prüfen.

266    Insoweit ist dem zehnten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung (siehe oben, Rn. 54) zum einen zu entnehmen, dass die Kommission sich auf drei Gründe stützte, um die Erneuerung der Genehmigung von CHP-methyl zu verweigern.

267    Erstens sei es „nicht auszuschließen, dass [CHP-methyl] genotoxisches Potenzial hat“, zweitens gebe es „Bedenken im Hinblick auf die Entwicklungsneurotoxizität (DNT)“ von CHP-methyl, und drittens sei es „möglicherweise angezeigt …, [CHP-methyl] … als reproduktionstoxisch (Kategorie 1B) einzustufen“. Diese Gesichtspunkte entsprechen der in der Erklärung vom 8. November 2019 enthaltenen Schlussfolgerung der Experten bei ihrem Treffen im September 2019 (siehe oben, Rn. 44 bis 49).

268    Die Kommission fügte hinzu, dass die Bedenken gegenüber CHP-methyl trotz der von den Antragstellern vorgebrachten Argumente nicht hätten ausgeräumt werden können. Sie zog daraus den Schluss, es habe nicht nachgewiesen werden können, dass die Genehmigungskriterien gemäß Art. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 erfüllt seien (vgl. die oben in Rn. 54 angeführten Erwägungsgründe 12 und 13 der angefochtenen Verordnung).

269    Zum anderen ist dem zehnten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung zu entnehmen, dass sich die Kommission bei Erlass der Verordnung auf die zwei Erklärungen stützte, die die EFSA am 31. Juli und am 8. November 2019 veröffentlicht hatte und denen zufolge in Bezug auf CHP-methyl Bedenken für die menschliche Gesundheit bestünden.

270    Soweit die Erklärung vom 8. November 2019 eine Aktualisierung der Erklärung vom 31. Juli 2019 darstellt, wie oben in Rn. 43 dargelegt, stützte die Kommission die Begründung der angefochtenen Verordnung insbesondere auf diese aktualisierte Erklärung, deren Inhalt sie übernahm. Folglich ist bei der Prüfung der Begründung der angefochtenen Verordnung die aktualisierte Erklärung zu berücksichtigen.

271    Der Erklärung vom 8. November 2019 ist insoweit erstens zu entnehmen, dass die Experten bei der Zusammenkunft im April 2019 (siehe oben, Rn. 24) in Bezug auf das genotoxische Potenzial von CHP-methyl die strukturelle Gemeinsamkeit des Moleküls der zwei Wirkstoffe erörtert hätten und darin übereingekommen seien, das Analogiekonzept anzuwenden. Darüber hinaus hätten die Experten festgestellt, dass zum genotoxischen Potenzial von CHP-methyl keine öffentliche Literatur verfügbar sei, während es mehrere Veröffentlichungen zu Chlorpyrifos gebe. Da für Chlorpyrifos Bedenken wegen Chromosomenaberrationen und DNA-Schäden bestanden hätten, seien die Experten zu dem Ergebnis gelangt, dass es in Bezug auf CHP-methyl Datenlücken gebe. Sie seien daher übereinstimmend der Meinung gewesen, dass diese Unsicherheiten bei der Bewertung der Risiken von CHP-methyl zu berücksichtigen seien und folglich nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Wirkstoff DNA-Schäden verursachen könne (siehe oben, Rn. 44).

272    Was das Expertentreffen anbelangt, das im September 2019 (siehe oben, Rn. 37) zur Möglichkeit der Anwendung des Analogiekonzepts durchgeführt wurde, ist der Erklärung vom 8. November 2019 zu entnehmen, dass die Experten in Bezug auf die Molekularstruktur der zwei Wirkstoffe der Auffassung gewesen seien, dass sich aus den festgestellten Unterschieden kein unterschiedliches genotoxisches Potenzial ableiten lasse (siehe oben, Rn. 45).

273    Die Erklärung enthält außerdem den Hinweis, dass der BEMS nach zusätzlichen Literaturrecherchen wissenschaftliche Arbeiten zu CHP-methyl gefunden habe, in denen Aspekte beschrieben seien, die den Aspekten von Chlorpyrifos ähnelten. Eine Mehrzahl von Experten habe daraufhin die Auffassung vertreten, dass die Hinweise in der Literatur, selbst wenn sie bestimmten Einschränkungen unterlägen, im Rahmen des Ansatzes der Beweiskraft der Daten zu berücksichtigen seien und unter Zugrundelegung eines vorsichtigen Ansatzes Anlass zu Bedenken hinsichtlich etwaiger, durch CHP-methyl verursachter DNA-Schäden gäben. Die Experten – und in der Folge die EFSA – seien daher zu dem Schluss gelangt, dass die Bedenken, die für Chlorpyrifos in Bezug auf die Gefahr von Chromosomenaberrationen und DNA-Schäden erhoben worden seien, auf CHP-methyl übertragen werden könnten, so dass das genotoxische Potenzial unklar sei (siehe oben, Rn. 46).

274    Zweitens ist der Erklärung vom 8. November 2019 zu entnehmen, dass sich die Experten bei ihrem Treffen im September 2019 auf drei Gesichtspunkte stützten, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass Bedenken im Hinblick auf die Entwicklungsneurotoxizität (DNT) von CHP-methyl bestünden. Diese Gesichtspunkte betrafen den Vorwurf der Unzulänglichkeit der Studie über die Entwicklungsneurotoxizität bei Ratten (siehe oben, Rn. 47), drei wissenschaftliche Artikel zum Vorliegen eines Zusammenhangs zwischen der Exposition gegenüber Chlorpyrifos oder CHP-methyl – sowie im weiteren Sinne gegenüber von organischen Phosphaten abgeleiteten Insektiziden – und Entwicklungsstörungen des Nervensystems bei Kindern sowie andere wissenschaftliche Artikel, die ebenfalls die Entwicklungsneurotoxizität von CHP-methyl nachweisen sollten.

275    Drittens ist der Erklärung vom 8. November 2019 zu entnehmen, dass die Experten bei dem Treffen im September 2019 der Auffassung gewesen seien, CHP-methyl könne die Kriterien erfüllen, um als reproduktionstoxische Substanz der Kategorie 1B eingestuft zu werden, wobei die EFSA gegenüber diesem Ergebnis Vorbehalte geäußert habe.

276    Die oben in den Rn. 266 bis 275 dargelegten Gesichtspunkte sind detailliert und bringen die Überlegungen des in Rede stehenden Organs klar und eindeutig zum Ausdruck.

277    Zunächst ist zwar festzustellen, dass der BEMS in mehreren aufeinanderfolgenden Fassungen des Entwurfs des Bewertungsberichts die Erneuerung der Genehmigung von CHP-methyl vorschlug.

278    Zudem stellte er in diesen Fassungen keine schädlichen Auswirkungen von CHP-methyl auf die Gesundheit von Menschen fest, insbesondere stellte er kein genotoxisches Potenzial und keine Entwicklungsneurotoxizität fest (siehe oben, Rn. 16, 17 und 23).

279    In der letzten Fassung des Entwurfs des Bewertungsberichts wies der BEMS jedoch darauf hin, dass zwei zusätzliche In-vitro-Studien zu CHP-methyl sowie eine neue epidemiologische Untersuchung das genotoxische Potenzial dieses Wirkstoffs aufgezeigt hätten. Im Rahmen des Ansatzes der Beweiskraft der Daten habe die Untersuchung der Genotoxizität von CHP-methyl zu keinem endgültigen Ergebnis geführt. Der BEMS fügte hinzu, dass es nicht möglich gewesen sei, Referenzwerte vorzuschlagen, und folgerte daraus, dass der Vorschlag für die Erneuerung der Genehmigung von CHP-methyl gemacht werden könne, wenn die Bedenken zur Genotoxizität geklärt seien (siehe oben, Rn. 40).

280    Selbst wenn man also davon ausgeht, dass es im Fall von Abweichungen zwischen der wissenschaftlichen Bewertung des BEMS und der von der EFSA vorgenommenen wissenschaftlichen Bewertung der Kommission obliegt, substantiiert und genau zu begründen, warum sie sich auf die eine und nicht auf die andere Bewertung stützt, ist festzustellen, dass im vorliegenden Fall nicht nachgewiesen wurde, dass eine hinreichende Abweichung gegeben ist, die zu einer solchen erhöhten Begründungspflicht führt.

281    Zudem lagen den Klägerinnen zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verordnung nicht nur die Erklärungen der EFSA, sondern auch die verschiedenen Fassungen des Entwurfs des Bewertungsberichts vor. Sie waren daher in der Lage, die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verordnung auf der Grundlage eines etwaigen Widerspruchs zwischen den Inhalten der verschiedenen Dokumente in Frage zu stellen.

282    Als Zweites enthält die angefochtene Verordnung zwar keine Begründung der zusätzlichen Literaturrecherche, die der BEMS vor dem Treffen der Experten am 5. September 2019 durchführte (siehe oben, Rn. 46).

283    Die oben in den Rn. 266 bis 275 dargelegten detaillierten Gesichtspunkte waren jedoch angesichts der oben in den Rn. 263 und 264 angeführten Rechtsprechung ausreichend, um den Klägerinnen zu ermöglichen, die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verordnung in Frage zu stellen.

284    Außerdem ist den Ausführungen oben in Rn. 271, die von den Klägerinnen nicht bestritten werden, zu entnehmen, dass die Experten bei ihrem Treffen im April 2019 zu dem Ergebnis gelangt waren, dass es in Bezug auf CHP-methyl Datenlücken gebe. In einem solchen Kontext konnte sich der BEMS veranlasst sehen, zusätzliche Literaturrecherchen vorzunehmen.

285    Schließlich enthält, wie den Ausführungen oben in Rn. 46 zu entnehmen ist, die Erklärung vom 8. November 2019 eine Reihe von Erläuterungen dazu, wie die zusätzlichen Studien, die der BEMS beim Treffen am 5. September 2019 vorlegte, verwendet wurden.

286    Die Erläuterungen in der Erklärung vom 8. November 2019 werden außerdem vom BEMS auf S. 82 der aktualisierten Fassung des Entwurfs des Bewertungsberichts, die Ascenza am 15. Oktober 2019 übermittelt wurde, mit näheren Angaben ergänzt.

287    Nach alledem ist die angefochtene Verordnung angesichts ihrer Natur als Rechtsakt mit allgemeiner Geltung und des Kontexts ihres Erlasses, der im vorliegenden Fall dadurch gekennzeichnet ist, dass den Klägerinnen zum Zeitpunkt ihres Erlasses die ihr zugrunde liegenden Erklärungen der EFSA sowie die aufeinanderfolgenden Fassungen des Entwurfs des Bewertungsberichts zugänglich waren, hinreichend begründet.

288    Somit ist der vorliegende, von der ECCA geltend gemachte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen, ohne dass zuvor über seine Zulässigkeit entschieden werden muss.

F.      Zum fünften Klagegrund: Verstoß gegen die Verpflichtung, alle relevanten Gesichtspunkte und Umstände der Situation zu berücksichtigen, die mit der angefochtenen Verordnung geregelt werden sollte

289    Die Klägerinnen machen geltend, weder die Kommission noch der Ständige Ausschuss könnten bei der Entscheidung über die Erneuerung der Genehmigung eines Wirkstoffs irrelevante Gesichtspunkte berücksichtigen.

290    Die befürwortende Stellungnahme des Ständigen Ausschusses habe jedoch nur durch die ebenfalls befürwortende Stellungnahme, die die Republik Finnland im Namen des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland abgegeben habe, erreicht werden können. Die Republik Finnland habe auf der Grundlage einer vom Vereinigten Königreich erteilten Anweisung für die Stimmabgabe abgestimmt, die auf politischen Erwägungen beruht habe und in keinem Zusammenhang zu den Bedingungen der Erneuerung der Genehmigung eines Wirkstoffs gestanden habe.

291    In ihrer Erwiderung beanstanden die Klägerinnen außerdem, dass die EFSA und später die Kommission relevante Gesichtspunkte nicht berücksichtigt hätten, und zwar die Studie vom 14. Mai 2020 und die drei von der EFSA 2013, 2016 und 2017 veröffentlichten Studien.

292    Im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes werden zwei verschiedene Rügen erhoben. Die erste Rüge betrifft die entscheidende Rolle, die die Berücksichtigung eines irrelevanten Gesichtspunkts zunächst durch einen Mitgliedstaat, später durch den Ständigen Ausschuss und zuletzt durch die Kommission bei Erlass der angefochtenen Verordnung gespielt habe. Die zweite Rüge betrifft die fehlende Berücksichtigung relevanter Gesichtspunkte, nämlich der Studie vom 14. Mai 2020 und der drei anderen Studien, durch die EFSA und später die Kommission.

1.      Zur entscheidenden Rolle der von den Klägerinnen als irrelevanter Gesichtspunkt beanstandeten Anweisung des Vereinigten Königreichs für die Stimmabgabe im Ständigen Ausschuss

293    Im vorliegenden Fall steht fest, dass die befürwortende Stellungnahme des Ständigen Ausschusses mit der Stimmabgabe des Vereinigten Königreichs erreicht werden konnte. Durch die Stimmabgabe, die sich für die in der angefochtenen Verordnung vorgesehenen Maßnahmen aussprach, konnte die qualifizierte Mehrheit erreicht werden, die in den Rechtsvorschriften vorgeschrieben ist.

294    Ebenso steht fest, dass das Vereinigte Königreich nicht wollte, dass eine Stimmenthaltung seinerseits die Verabschiedung des fraglichen Rechtsaktentwurfs verhindert.

295    Nach Auffassung der Klägerinnen wurde somit bei der Annahme der Stellungnahme des Ständigen Ausschusses und bei Erlass der angefochtenen Verordnung ein irrelevanter Gesichtspunkt berücksichtigt.

296    Insbesondere habe, da die befürwortende Stellungnahme des Ständigen Ausschusses nur mit der Ja-Stimme des Vereinigten Königreichs habe erreicht werden können, die Berücksichtigung eines irrelevanten Gesichtspunkts bei der Abgabe der Stimme dieses Mitgliedstaats zwangsläufig die Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts bei der Abgabe der Stellungnahme des Ständigen Ausschusses und bei Erlass der angefochtenen Verordnung impliziert, so dass die Verordnung rechtswidrig sei.

297    Der Klagegrund richtet sich somit gegen die Begründung der angefochtenen Verordnung und nicht gegen das Verfahren zum Erlass der Verordnung.

298    Zwar ist es zutreffend, dass die Stimmabgabe des Vereinigten Königreichs dem Ständigen Ausschuss die Annahme einer befürwortenden Stellungnahme zum Entwurf der Verordnung und anschließend den Erlass der angefochtenen Verordnung ermöglichte, doch die Gründe, die zum Erlass der Verordnung führten, sind die oben in den Rn. 266 bis 268 dargelegten.

299    Diesen Gründen ist zu entnehmen, dass die Gesichtspunkte, die das Vereinigte Königreich bei seiner Stimmabgabe berücksichtigte, nicht von der Kommission berücksichtigt wurden, als sie die angefochtene Verordnung erließ, und dass dies auch für die Abstimmung im Ständigen Ausschuss gilt.

300    Somit ist die vorliegende Rüge als nicht stichhaltig zurückzuweisen, da kein Zusammenhang zwischen der behaupteten Rechtswidrigkeit, die die Begründung der angefochtenen Verordnung betrifft, und dem zur Stützung der Rechtswidrigkeit angeführten Sachverhalt besteht, d. h. den Gesichtspunkten, die das Vereinigte Königreich bei seiner Stimmabgabe berücksichtigte.

2.      Zur fehlenden Berücksichtigung der Studie vom 14. Mai 2020 und der drei anderen Studien, die nach Auffassung der Klägerinnen einen relevanten Gesichtspunkt darstellen

301    Die Klägerinnen beanstanden, dass die EFSA und später die Kommission die Studie vom 14. Mai 2020 und die drei von der EFSA 2013, 2016 und 2017 veröffentlichten Studien nicht berücksichtigt hätten.

302    In Fällen, in denen ein Organ über einen weiten Ermessensspielraum verfügt, wie dies vorliegend der Fall ist (siehe unten, Rn. 414 bis 416), kommt der Kontrolle der Einhaltung der Garantien, die die Unionsrechtsordnung für Verwaltungsverfahren vorsieht, wesentliche Bedeutung zu. Zu diesen Garantien gehört die Verpflichtung des zuständigen Organs, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen und seine Entscheidung hinreichend zu begründen. Nur so können die Unionsgerichte überprüfen, ob die für die Ausübung des Ermessens maßgeblichen sachlichen und rechtlichen Umstände vorgelegen haben (Urteile vom 21. November 1991, Technische Universität München, C‑269/90, EU:C:1991:438, Rn. 14, vom 7. September 2006, Spanien/Rat, C‑310/04, EU:C:2006:521, Rn. 121 und 122, und vom 6. November 2008, Niederlande/Kommission, C‑405/07 P, EU:C:2008:613, Rn. 56).

303    Was als Erstes die Studie vom 14. Mai 2020 betrifft, ist nach ständiger Rechtsprechung die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Rechtsakts im Rahmen einer Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 AEUV nach der Sach- und Rechtslage zu beurteilen, wie sie bei Erlass des Akts bestand (siehe oben, Rn. 221).

304    Im vorliegenden Fall war die Studie vom 14. Mai 2020 zu dem Zeitpunkt, zu dem die EFSA ihre Erklärungen vorlegte, sowie zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verordnung noch in Ausarbeitung befindlich. Folglich konnte die Studie weder von der EFSA noch von der Kommission noch vom Ständigen Ausschuss berücksichtigt werden.

305    Als Zweites ist zu der Information, wonach während des Verfahrens zum Erlass der angefochtenen Verordnung eine Studie in Ausarbeitung befindlich gewesen sei, und zum Zwischenbericht, der der EFSA zu dem Zeitpunkt, als sie die Bewertung von CHP-methyl vornahm, vorgelegen habe, festzustellen, dass die EFSA in Beantwortung einer prozessleitenden Maßnahme des Gerichts gemäß Art. 24 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union erklärt hat, dass sie infolge der Empfehlungen in der Stellungnahme des wissenschaftlichen Ausschusses für Pflanzenschutzmittel und ihre Rückstände vom 14. Dezember 2016 mit dem Titel „Untersuchung zu den experimentellen toxikologischen Eigenschaften von Pflanzenschutzmitteln, die in einem potenziellen Zusammenhang mit der Parkinson-Erkrankung und Leukämie bei Kindern stehen“ begonnen habe, zu prüfen, ob eine Studie in Auftrag gegeben werden könne, um die Wirkung von zwei Pestiziden, Permethrin und Chlorpyrifos, in humanen Stammzellen in verschiedenen Stadien der Ontogenese zu erforschen und in auf Tiere gestützten Modellen das Potenzial dieser zwei Pestizide, Leukämie bei Kindern hervorzurufen, zu untersuchen.

306    Die EFSA hat hinzugefügt, am 12. Dezember 2018 sei ein Verhandlungsverfahren eingeleitet worden, und der am Ende dieses Verfahrens vergebene Auftrag sei am 1. Februar 2019 mit einem spanischen Forschungsinstitut unterzeichnet worden und habe als Datum für die Lieferung der Studie den 24. Juli 2020 vorgesehen.

307    Der von diesem Institut vorgelegte wissenschaftliche Bericht sei von der EFSA am 14. Mai 2020 genehmigt worden.

308    Den vorstehend beschriebenen Umständen haben weder die Klägerinnen noch die ECCA widersprochen.

309    Aus diesen Umständen ergibt sich jedoch, dass die Studie vom 14. Mai 2020 in einem Kontext in Auftrag gegeben wurde, der in keinem Zusammenhang zu dem Verfahren steht, das zum Erlass der angefochtenen Verordnung führte.

310    Zudem hat die EFSA auch erklärt, ohne dass die Klägerinnen oder die ECCA dem widersprochen hätten, dass es sich bei den in der Studie vom 14. Mai 2020 verwendeten Methoden um Methoden einer Phase der wissenschaftlichen Exploration gehandelt habe und nicht um Methoden einer durch die anwendbare Regelung vorgeschriebenen Bewertung der Risiken eines Wirkstoffs.

311    Ebenso ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem der EFSA am 30. April 2019 übermittelten Zwischenbericht nur um einen vorläufigen Bericht handelte.

312    Denn obwohl das mit der Studie beauftragte Institut geplant hatte, In-vitro- und In-vivo-Tests anzulegen, enthielt der Bericht zu diesem Zeitpunkt nur eine Beschreibung der Ergebnisse der In-vitro-Tests, da die In-vivo-Tests noch nicht abgeschlossen waren. Die Verfasser des Berichts wiesen insoweit darauf hin, dass sie keine Empfehlung abgeben und keine Schlussfolgerung annehmen würden, solange die In-vivo-Tests noch nicht abgeschlossen und analysiert seien.

313    Schließlich war die Studie vom 14. Mai 2020 darauf gerichtet, zu untersuchen, inwieweit Chlorpyrifos möglicherweise dazu beiträgt, dass bestimmte genetische Veränderungen auftreten, die speziell mit Leukämie bei Kindern verbunden sind. Somit waren der Gegenstand der Studie und folglich auch der Gegenstand des Zwischenberichts eingeschränkt verglichen mit der allgemeineren Frage der Bewertung des genotoxischen Potenzials von Chlorpyrifos.

314    Daher war die EFSA nicht verpflichtet, bei der Bewertung von CHP-methyl den ihr am 30. April 2019 übermittelten Zwischenbericht zu berücksichtigen, und sie war erst recht nicht verpflichtet, die Information zu berücksichtigen, der zufolge eine Studie, nämlich die Studie vom 14. Mai 2020, während des Verfahrens zum Erlass der angefochtenen Verordnung in Ausarbeitung befindlich war.

315    Im Übrigen genügt in Bezug auf die Berufung der Klägerinnen auf die drei von der EFSA 2013, 2016 und 2017 veröffentlichten Studien der Hinweis, dass diese Studien für unzulässig erklärt worden sind (siehe oben, Rn. 85).

316    Nach alledem ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.

G.      Zum sechsten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung

317    Die Klägerinnen machen geltend, entgegen dem, was der neunte Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung anzudeuten scheine, wonach im Rahmen des Expertengesprächs im April 2019 (siehe oben, Rn. 24) neue Bedenken hinsichtlich der menschlichen Gesundheit erhoben worden seien, werde das Auftreten solcher Bedenken zu diesem Zeitpunkt des Verfahrens zum Erlass der angefochtenen Verordnung durch nichts in der Akte gestützt.

318    Die Studie über die Entwicklungsneurotoxizität sei nämlich bereits vorgelegt und vom BEMS geprüft gewesen. Die vom BEMS übermittelten Artikel zur Genotoxizität von CHP-methyl seien von der EFSA erst in der Erklärung vom 8. November 2019 berücksichtigt worden.

319    Außerdem habe die Kommission Gesichtspunkte nicht berücksichtigt, die gegen eine Nichterneuerung der Genehmigung von CHP-methyl gesprochen hätten, nämlich den Standpunkt des BEMS im Entwurf des Bewertungsberichts oder in der Sitzung des Ständigen Ausschusses, die Zweifel und Vorbehalte der EFSA in ihren Erklärungen vom 31. Juli und 8. November 2019 und die Grenzen der Methoden bestimmter, von der EFSA berücksichtigter wissenschaftlicher Artikel (siehe oben, Rn. 46).

320    Die Klägerinnen folgern daraus, dass die Kommission die Genehmigung für CHP-methyl nicht habe erneuern wollen und deshalb nach Gesichtspunkten gesucht habe, die diesen Standpunkt rechtfertigen könnten.

321    Es ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Unionsrecht die Verwaltungsverfahren unter Beachtung der Garantien ablaufen müssen, die durch den in Art. 41 der Grundrechtecharta verankerten Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verliehen werden. Zu diesen Garantien gehört die Verpflichtung des zuständigen Organs, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen (Urteil vom 25. Oktober 2018, KF/SATCEN, T‑286/15, EU:T:2018:718, Rn. 176).

322    Gemäß der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 ist die EFSA auf der Grundlage u. a., wie vorliegend, der Ergebnisse einer Expertenanhörung berechtigt, zu dem Zeitpunkt, an dem sie ihre Schlussfolgerung vorbereitet, neue Einwände gegenüber der Erneuerung der Genehmigung des fraglichen Wirkstoffs zu erheben (siehe oben, Rn. 206 bis 207).

323    Ferner ist der Erklärung vom 8. November 2019, die insoweit nicht in Frage gestellt wird, zu entnehmen, dass die Experten bei der Zusammenkunft im April 2019 in Bezug auf das genotoxische Potenzial von CHP-methyl die strukturelle Gemeinsamkeit des Moleküls der zwei Wirkstoffe erörtert hätten und darin übereingekommen seien, das Analogiekonzept anzuwenden.

324    Darüber hinaus stellten die Experten fest, dass zum genotoxischen Potenzial von CHP-methyl keine öffentliche Literatur verfügbar sei, während es mehrere Veröffentlichungen zu Chlorpyrifos gebe.

325    Da für Chlorpyrifos Bedenken wegen Chromosomenaberrationen und DNA-Schäden aufgekommen waren, gelangten die Experten zu dem Ergebnis, dass es in Bezug auf CHP-methyl Datenlücken gebe. Sie waren daher übereinstimmend der Meinung, dass diese Unsicherheiten bei der Bewertung der Risiken von CHP-methyl zu berücksichtigen seien und folglich nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Wirkstoff DNA-Schäden verursachen könne (siehe oben, Rn. 44).

326    Was die Bedenken zur Entwicklungsneurotoxizität betrifft, war bei der im Oktober 2017 eingeleiteten öffentlichen Konsultation (siehe oben, Rn. 21) Kritik an der Studie über die Entwicklungsneurotoxizität geäußert worden.

327    Außerdem enthält die Erklärung vom 8. November 2019 den Hinweis, die Experten hätten festgestellt, dass die Studie über die Entwicklungsneurotoxizität unzureichend sei, während einer Studie zu Chlorpyrifos zu entnehmen war, dass die Exposition gegenüber diesem Wirkstoff zu einer Verringerung der Höhe des Kleinhirns führt. Darüber hinaus berücksichtigten die Experten epidemiologische Daten, die einen Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber Chlorpyrifos oder CHP-methyl – sowie im weiteren Sinne gegenüber von organischen Phosphaten abgeleiteten Insektiziden – und Entwicklungsstörungen des Nervensystems bei Kindern nachwiesen (siehe oben, Rn. 30 bis 32).

328    Diese Angaben werden von den Klägerinnen nicht bestritten.

329    Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass, auch wenn im April 2019 offenbar keine neuen wissenschaftlichen Daten in das Dossier zur Erneuerung der Genehmigung von CHP-methyl aufgenommen wurden, die Überlegungen der Experten auf dem im April 2019 abgehaltenen Treffen sie dazu bewogen haben, Zweifel im Hinblick auf die gesundheitliche Unschädlichkeit von CHP-methyl zu äußern, ohne dass angesichts der oben dargelegten Umstände ein Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung festgestellt werden kann.

330    Dieses Ergebnis kann durch die übrigen, von den Klägerinnen geltend gemachten Umstände (siehe oben, Rn. 319) nicht in Frage gestellt werden.

331    Was erstens den Inhalt der letzten Fassung des Entwurfs des Bewertungsberichts betrifft, stellte der BEMS darin fest, dass zwei zusätzliche In-vitro-Studien zu CHP-methyl sowie eine neue epidemiologische Untersuchung das genotoxische Potenzial dieses Wirkstoffs aufgezeigt hätten.

332    Im Rahmen des Ansatzes der Beweiskraft der Daten habe die Untersuchung der Genotoxizität von CHP-methyl zu keinem endgültigen Ergebnis geführt. Der BEMS fügte hinzu, dass es nicht möglich gewesen sei, Referenzwerte vorzuschlagen, und folgerte daraus, dass der Vorschlag für die Erneuerung der Genehmigung von CHP-methyl gemacht werden könne, wenn die Bedenken zur Genotoxizität geklärt seien (siehe oben, Rn. 279).

333    Somit kann der Standpunkt des BEMS, selbst wenn er sich nicht in allen Punkten mit dem Standpunkt der EFSA deckt, angesichts der oben in den Rn. 323 bis 327 dargelegten Umstände nicht zu der Feststellung führen, dass der Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verletzt wurde.

334    Was den vom BEMS im Ständigen Ausschuss vertretenen Standpunkt betrifft, äußerte sich dieser in einer Stimmabgabe, die bei der Stimmenauszählung berücksichtigt wurde. Zudem kann der Standpunkt als solcher nicht zur Feststellung einer Verletzung des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung führen.

335    Wenn die Klägerinnen zweitens geltend machen, die EFSA sei der Auffassung gewesen, dass die Ergebnisse zur Genotoxizität von CHP-methyl negativ seien (siehe oben, Rn. 319), d. h., dass der Wirkstoff kein Risiko für die menschliche Gesundheit darstelle, so ist die von den Klägerinnen vorgenommene Auslegung der Erklärung vom 8. November 2019 insoweit falsch.

336    Drittens könnten die Grenzen der Methoden bestimmter, von den Experten und später von der EFSA berücksichtigter wissenschaftlicher Artikel zur Genotoxizität von CHP-methyl (siehe oben, Rn. 319), sofern sie erwiesen wären, die Feststellung oben in Rn. 329 auch nicht in Frage stellen.

337    Explorative Studien werden nämlich in der Regel mit dem spezifischen Ziel durchgeführt, eine bestimmte wissenschaftliche Hypothese zu überprüfen, so dass mit ihrer Hilfe zusätzlich zu den standardisierten Studien die Eigenschaften der fraglichen Wirkstoffe identifiziert werden können. Eine Vorgehensweise, bei der die Verwendung nicht standardisierter oder explorativer Studien generell ausgeschlossen wäre, würde es daher unmöglich machen, Stoffe zu ermitteln, die ein Risiko darstellen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 11. Mai 2017, Deza/ECHA, T‑115/15, EU:T:2017:329, Rn. 185, und vom 16. Dezember 2020, PlasticsEurope/ECHA, T‑207/18, EU:T:2020:623, Rn. 88).

338    Hinzu kommt, dass die EFSA in ihrer Erklärung vom 8. November 2019, auf die sich die Kommission beim Erlass der angefochtenen Verordnung insbesondere stützte, auch andere Beweise als die fraglichen wissenschaftlichen Artikel berücksichtigte, nämlich Publikationen zu Chlorpyrifos, die Anlass zu Bedenken hinsichtlich der Genotoxizität dieses Wirkstoffs gaben, was ihr ermöglichte, unter Anwendung des Analogiekonzepts das Bestehen von Bedenken hinsichtlich der Genotoxizität von CHP-methyl festzustellen (siehe oben, Rn. 44).

339    Nach alledem ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.

H.      Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen das Vorsorgeprinzip

340    Die Klägerinnen machen geltend, die EFSA habe das Vorsorgeprinzip falsch angewandt.

341    Sie erheben drei Rügen: erstens die fehlerhafte Anwendung des Vorsorgeprinzips im Stadium der Risikobewertung, zweitens die Ausschöpfung der Anforderungen des Vorsorgeprinzips, nachdem eine umfassende Bewertung des streitigen Wirkstoffs zu keinen Bedenken geführt habe, und drittens die rein hypothetische Natur der die Erklärung vom 8. November 2019 stützenden Erwägungen.

1.      Zur fehlerhaften Anwendung des Vorsorgeprinzips im Stadium der Risikobewertung

342    Die Klägerinnen beanstanden, die EFSA habe, obwohl das Vorsorgeprinzip nicht während der Risikobewertungsphase, sondern nur während der Risikomanagementphase anwendbar sei, dieses Prinzip im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der Bewertung von CHP-methyl angewandt, als sie das Analogiekonzept verwendet habe.

343    In der Erklärung vom 8. November 2019 habe die EFSA darauf hingewiesen, dass die Mehrzahl der Experten vorsichtshalber entschieden habe, in Bezug auf die Genotoxizität für CHP-methyl die gleichen Schlussfolgerungen zu ziehen wie für Chlorpyrifos. Die Klägerinnen berufen sich auch auf weitere Auszüge dieser Erklärung, die die Entwicklungsneurotoxizität beträfen und aus denen sich ergebe, dass die EFSA und die angehörten Experten das Analogiekonzept auf der Grundlage des Vorsorgeprinzips angewandt hätten.

344    Die ECCA macht geltend, in der Erklärung vom 8. November 2019 habe sich die EFSA auf das Vorsorgeprinzip und nicht bloß auf einen „vorsichtigen Ansatz“ gestützt, um die Anwendung des Analogiekonzepts zu begründen. Sie beruft sich auf die Mitteilung der Kommission vom 2. Februar 2000 über die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips (KOM[2000] 1 endgültig, im Folgenden: Mitteilung über das Vorsorgeprinzip).

345    Aus dem Vorsorgeprinzip ergibt sich, dass bei Unsicherheiten hinsichtlich des Vorliegens oder des Umfangs von Risiken für die menschliche Gesundheit Schutzmaßnahmen getroffen werden können, ohne dass abgewartet werden müsste, dass das Bestehen und die Schwere dieser Risiken vollständig dargelegt werden (Urteile vom 22. Dezember 2010, Gowan Comércio Internacional e Serviços, C‑77/09, EU:C:2010:803, Rn. 73, und vom 1. Oktober 2019, Blaise u. a., C‑616/17, EU:C:2019:800, Rn. 43).

346    Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs erfordert eine korrekte Anwendung des Vorsorgeprinzips u. a. eine umfassende Bewertung des Gesundheitsrisikos auf der Grundlage der zuverlässigsten verfügbaren wissenschaftlichen Daten und der neuesten Ergebnisse der internationalen Forschung (Urteil vom 22. Dezember 2010, Gowan Comércio Internacional e Serviços, C‑77/09, EU:C:2010:803, Rn. 75).

347    Wenn es sich als unmöglich erweist, das Vorliegen oder den Umfang des behaupteten Risikos mit Sicherheit festzustellen, weil die Ergebnisse der durchgeführten Studien unzureichend, nicht schlüssig oder ungenau sind, die Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Schadens für die menschliche Gesundheit jedoch fortbesteht, falls das Risiko eintreten sollte, rechtfertigt das Vorsorgeprinzip den Erlass beschränkender Maßnahmen (Urteile vom 22. Dezember 2010, Gowan Comércio Internacional e Serviços, C‑77/09, EU:C:2010:803, Rn. 76, und vom 1. Oktober 2019, Blaise u. a., C‑616/17, EU:C:2019:800, Rn. 43).

348    Gemäß der oben in den Rn. 345 bis 347 angeführten Rechtsprechung obliegt es den mit der Risikobewertung beauftragten Stellen, wie der EFSA, der Kommission nicht nur die von ihnen erzielten sicheren Ergebnisse, sondern auch anhaltende Unsicherheiten mitzuteilen, damit sie gegebenenfalls beschränkende Maßnahmen erlässt.

349    Im vorliegenden Fall ist der Erklärung vom 8. November 2019 zu entnehmen, dass die Experten bei der Zusammenkunft im April 2019 in Bezug auf das genotoxische Potenzial von CHP-methyl die strukturelle Gemeinsamkeit des Moleküls der zwei Wirkstoffe erörtert hätten und darin übereingekommen seien, das Analogiekonzept anzuwenden. Darüber hinaus hätten die Experten festgestellt, dass zum genotoxischen Potenzial von CHP-methyl keine öffentliche Literatur verfügbar sei, während es mehrere Veröffentlichungen zu Chlorpyrifos gebe. Da für Chlorpyrifos Bedenken wegen Chromosomenaberrationen und DNA-Schäden aufgekommen waren, gelangten die Experten zu dem Ergebnis, dass es in Bezug auf CHP-methyl Datenlücken gebe. Sie waren daher übereinstimmend der Meinung, dass diese Unsicherheiten bei der Bewertung der Risiken von CHP-methyl zu berücksichtigen seien und folglich nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Wirkstoff DNA-Schäden verursachen könne. Später beim Expertentreffen im September 2019 zur Möglichkeit der Anwendung des Analogiekonzepts waren die Experten in Bezug auf die Molekularstruktur der zwei Wirkstoffe der Auffassung, dass sich aus den festgestellten Unterschieden kein unterschiedliches genotoxisches Potenzial ableiten lasse.

350    Darüber hinaus ist der Erklärung vom 8. November 2019 auch zu entnehmen, dass sich die Experten bei ihrem Treffen im September 2019 auf drei Gesichtspunkte gestützt haben, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass Bedenken im Hinblick auf die Entwicklungsneurotoxizität von CHP-methyl bestünden. Diese Gesichtspunkte betrafen erstens den Vorwurf der Unzulänglichkeit der Studie über die Entwicklungsneurotoxizität, zweitens drei wissenschaftliche Artikel zum Vorliegen eines Zusammenhangs zwischen der Exposition gegenüber Chlorpyrifos oder CHP-methyl – sowie im weiteren Sinne gegenüber von organischen Phosphaten abgeleiteten Insektiziden – und Entwicklungsstörungen des Nervensystems bei Kindern und drittens andere wissenschaftliche Artikel, die ebenfalls die Entwicklungsneurotoxizität von CHP-methyl nachweisen sollten (siehe oben, Rn. 274).

351    Schließlich ist der Erklärung vom 8. November 2019 zu entnehmen, dass die Experten bei dem Treffen im September 2019 der Auffassung gewesen seien, CHP-methyl könne die Kriterien erfüllen, um als reproduktionstoxische Substanz der Kategorie 1B eingestuft zu werden, wobei die EFSA gegenüber diesem Ergebnis Vorbehalte geäußert habe (siehe oben, Rn. 275). Die EFSA wies darauf hin, dass die Experten insoweit den gleichen Ansatz wie für Chlorpyrifos angewandt hätten.

352    Somit führten die im April und September 2019 zusammengekommenen Experten sowie anschließend die EFSA eine Bewertung des mit der vorgeschlagenen Verwendung von CHP-methyl verbundenen Gesundheitsrisikos durch, bei der anhaltende Unsicherheiten in dieser Frage offenbar wurden (siehe oben, Rn. 349 bis 351).

353    Angesichts der oben in den Rn. 345 bis 348 dargelegten Erwägungen ist eine solche Vorgehensweise mit dem Vorsorgeprinzip vereinbar. Dieses setzt voraus, dass die mit der Risikobewertung beauftragten Stellen, wie die EFSA, der Kommission auch die von ihnen festgestellten Unsicherheiten mitteilen, damit sie gegebenenfalls beschränkende Maßnahmen erlassen kann.

354    Zudem lässt sich aus dem Umstand, dass sich die im September 2019 zusammengekommenen Experten und später die EFSA im Rahmen der Bewertung der mit CHP-methyl verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit aus Vorsorge auf das Analogiekonzept und insoweit auf Daten stützten, die in diesem Zusammenhang für Chlorpyrifos verfügbar waren, nicht folgern, dass das Vorsorgeprinzip zweimal angewandt wurde. Die Anwendung dieses Prinzips besteht nämlich aus dem Erlass von Schutzmaßnahmen bei anhaltenden Unsicherheiten hinsichtlich des Vorliegens oder des Umfangs von Risiken für die menschliche Gesundheit (siehe oben, Rn. 345). Im vorliegenden Fall hatte jedoch nur die Kommission – und nicht die EFSA, die dafür nicht zuständig ist – Schutzmaßnahmen erlassen.

355    Außerdem kann aus einer rein formalen Prüfung der Begründung der angefochtenen Verordnung und der ihr zugrunde liegenden Erklärungen und aus der Verwendung bestimmter Formulierungen wie „Vorsorge“ und „Vorsicht“ nicht gefolgert werden, dass gegen das Vorsorgeprinzip verstoßen wurde. Allein eine Prüfung des Inhalts der Begründung, wie oben in den Rn. 349 bis 352 vorgenommen, könnte gegebenenfalls ein solches Ergebnis rechtfertigen.

356    Somit kann im vorliegenden Fall das Argument der Klägerinnen, das sich auf die Verwendung des Begriffs „Vorsorge“ in der Erklärung vom 8. November 2019 stützt, auf die die angefochtene Verordnung Bezug nimmt, nicht zur Feststellung einer Verletzung des Vorsorgeprinzips führen.

357    Nach alledem ist vorliegend keine Verletzung des Vorsorgeprinzips gegeben.

358    Das Ergebnis oben in Rn. 357 kann auch nicht durch das Vorbringen der ECCA in Frage gestellt werden, das sich auf die Mitteilung über das Vorsorgeprinzip stützt.

359    Die ECCA macht nicht geltend, dass die angefochtene Verordnung rechtswidrig sei, weil die Kommission gegen Leitlinien verstoßen habe, die sie selbst erlassen und mit denen sie die Ausübung ihres eigenen Ermessens beschränkt habe (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 209 bis 211).

360    Die ECCA begnügt sich nämlich damit, zur Stützung des Klagegrundes, mit dem die Klägerinnen die Verletzung des Vorsorgeprinzips geltend machen, auf die Mitteilung über das Vorsorgeprinzip zu verweisen, und beruft sich auf die Mitteilung, um die Pflichten zu bestimmen, denen die Kommission gemäß diesem Prinzip nachkommen muss.

361    Das Vorsorgeprinzip ist ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, den der Unionsgesetzgeber beachten muss (Urteile vom 1. Oktober 2019, Blaise u. a., C‑616/17, EU:C:2019:800, Rn. 41 und 42, und vom 26. November 2002, Artegodan u. a./Kommission, T‑74/00, T‑76/00, T‑83/00 bis T‑85/00, T‑132/00, T‑137/00 und T‑141/00, EU:T:2002:283, Rn. 184).

362    Im Hinblick auf einen allgemeinen Rechtsgrundsatz und die Bestimmung der Verpflichtungen, die die Unionsorgane gemäß diesem Grundsatz einhalten müssen, ist das Gericht nicht an die Erwägungen in den von den Unionsorganen erlassenen Leitlinien gebunden (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 30. Mai 2013, Quinn Barlo u. a./Kommission, C‑70/12 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:351, Rn. 53).

363    Selbst wenn man also davon ausgeht, dass die Mitteilung über das Vorsorgeprinzip als Handlung angesehen werden kann, die gegenüber der Kommission verbindliche Rechtswirkungen erzeugt, sind die Verpflichtungen, die der Kommission unmittelbar nach dem Vorsorgeprinzip obliegen, nicht auf der Grundlage dieser Mitteilung, sondern anhand der Rechtsprechung des Gerichtshofs und des Gerichts zu bestimmen, um zu prüfen, inwieweit die angefochtene Verordnung als rechtswidrig angesehen werden könnte. Jedoch hat diese oben in den Rn. 345 bis 356 vorgenommene Prüfung nicht zu einer solchen Feststellung der Rechtswidrigkeit geführt.

364    Nach alledem ist die vorliegende Rüge zurückzuweisen.

2.      Zur Ausschöpfung der Anforderungen des Vorsorgeprinzips nach einer umfassenden, keine Bedenken hervorrufenden Bewertung des streitigen Wirkstoffs

365    Die Klägerinnen machen geltend, die Anforderungen des Vorsorgeprinzips seien erfüllt, wenn der Antragsteller alle „regulatorischen Daten“ eingereicht habe.

366    Sie berufen sich auf einen Auszug aus der Erklärung vom 8. November 2019, der die Genotoxizität betrifft und wonach „die eingereichten verfügbaren regulatorischen Daten zu CHP-methyl keinen Anlass zu Bedenken gegeben haben“. Dieser Auszug belege, dass die Antragsteller alle relevanten Daten eingereicht hätten, diese Daten alle geprüft worden seien und das Ergebnis „negativ“ gewesen sei.

367    Folglich seien die Anforderungen des Vorsorgeprinzips erfüllt und definitiv „ausgeschöpft“ gewesen. Somit sei der EFSA die Anwendung des Vorsorgeprinzips, insbesondere unter Zugrundelegung des Analogiekonzepts, nicht mehr möglich gewesen.

368    Insoweit ist als Erstes festzustellen, dass der Begriff „regulatorische Daten“, den die EFSA in den Erklärungen vom 31. Juli und vom 8. November 2019 verwendete, weder in der Verordnung Nr. 1107/2009 noch in der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 definiert ist.

369    Ebenso wenig ist er in der Verordnung (EU) Nr. 283/2013 der Kommission vom 1. März 2013 zur Festlegung der Datenanforderungen für Wirkstoffe gemäß der Verordnung Nr. 1107/2009 (ABl. 2013, L 93, S. 1) oder in der Verordnung (EU) Nr. 284/2013 der Kommission vom 1. März 2013 zur Festlegung der Datenanforderungen für Pflanzenschutzmittel gemäß der Verordnung Nr. 1107/2009 (ABl. 2013, L 93, S. 85) definiert.

370    Daher hat das Gericht die EFSA im Wege einer prozessleitenden Maßnahme gemäß Art. 24 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Bedeutung dieses Begriffs im Zusammenhang mit den Erklärungen vom 31. Juli und 8. November 2019 befragt.

371    Die EFSA hat erklärt, ohne dass die Klägerinnen dem widersprochen hätten, dass sich der in den Erklärungen vom 31. Juli und 8. November 2019 verwendete Begriff „regulatorische Daten“ auf alle Versuche und Studien beziehe, die die Antragsteller gemäß der anwendbaren Regelung vorgelegt hätten. Ergänzend zu den insoweit eingereichten Versuchen und Studien seien die Antragsteller außerdem verpflichtet, Beweise vorzulegen, die sich aus der öffentlich zugänglichen wissenschaftlichen Literatur ergäben.

372    Art. 6 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 sieht vor, dass der Antragsteller die ergänzenden Dossiers vorlegt.

373    In Art. 7 („Inhalt der ergänzenden Dossiers“) der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 heißt es:

„(1)      Die ergänzende Kurzfassung des Dossiers umfasst Folgendes:

d)      Daten und Risikobewertungen, die nicht in dem Genehmigungsdossier oder den nachfolgenden Erneuerungsdossiers enthalten waren und die erforderlich sind …

e)      für jeden einzelnen Punkt der Datenanforderungen für den Wirkstoff gemäß einer Verordnung zur Festlegung der Datenanforderungen für Wirkstoffe gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009, für die gemäß Buchstabe d neue Daten erforderlich sind, die Zusammenfassungen und Ergebnisse von Versuchen und Studien, den Namen ihres Eigentümer[s] und der Person oder Einrichtung, die die Versuche und Studien durchgeführt hat, sowie für jeden einzelnen Versuch oder jede einzelne Studie eine Begründung, warum er/sie erforderlich ist;

f)      für jeden einzelnen Punkt der Datenanforderungen für das Pflanzenschutzmittel gemäß einer Verordnung zur Festlegung der Datenanforderungen für Pflanzenschutzmittel gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009, für die gemäß Buchstabe d neue Daten erforderlich sind, die Zusammenfassungen und Ergebnisse von Versuchen und Studien, den Namen ihres Eigentümer[s] und der Person oder Einrichtung, die die Versuche und Studien für ein oder mehrere für die beantragten Verwendungen repräsentativen Pflanzenschutzmittel durchgeführt hat, sowie für jeden einzelnen Versuch oder jede einzelne Studie eine Begründung, warum er/sie erforderlich ist;

m)      die Zusammenfassungen und Ergebnisse der wissenschaftlichen und von Fachleuten überprüften frei verfügbaren Literatur …

(3)      Das ergänzende vollständige Dossier enthält den Volltext jedes der in Absatz 1 Buchstaben e, f und m genannten Versuchs- und Studienberichte.

…“

374    Somit stellte die EFSA, als sie erklärte, dass die von den Antragstellern zur Genotoxizität von CHP-methyl übermittelten „regulatorischen Daten“ keinen Anlass zu Bedenken gegeben hätten, lediglich fest, dass die von den Antragstellern nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. e und f der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 vorgelegten Versuche und Studien nicht den Schluss zuließen, dass Risiken für die menschliche Gesundheit vorlägen. Sie bezog sich folglich nicht auf die wissenschaftliche und von Fachleuten überprüfte frei verfügbare Literatur im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. m der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012.

375    Als Zweites gab die EFSA in den Erklärungen vom 31. Juli und 8. November 2019 an, die Experten hätten festgestellt, dass zum genotoxischen Potenzial von CHP-methyl keine öffentliche Literatur verfügbar sei, während es mehrere Veröffentlichungen zu Chlorpyrifos gebe. Da für Chlorpyrifos Bedenken wegen Chromosomenaberrationen und DNA-Schäden aufgekommen seien, hätten die Experten festgestellt, dass es in Bezug auf CHP-methyl Datenlücken gebe. Die Experten seien sich einig gewesen, dass die daraus resultierenden Unsicherheiten bei der Bewertung des Risikos von CHP-methyl zu berücksichtigen seien und folglich nicht ausgeschlossen werden könne, dass ein potenzielles Risiko für DNA-Schäden bestehe (siehe oben, Rn. 29 und 44).

376    In der Erklärung vom 8. November 2019 wies die EFSA darauf hin, dass die Experten im September 2019 bei ihrem Treffen zur Anwendung des Analogiekonzepts in Bezug auf die Molekularstruktur der zwei Wirkstoffe erklärt hätten, dass sich aus ihren Unterschieden kein unterschiedliches genotoxisches Potenzial ableiten lasse (siehe oben, Rn. 45).

377    Ebenso ist der Erklärung vom 8. November 2019 zu entnehmen, dass der BEMS nach zusätzlichen Literaturrecherchen wissenschaftliche Arbeiten zu CHP-methyl gefunden habe, in denen Informationen enthalten seien, die denen entsprächen, die Chlorpyrifos beträfen. Eine Mehrzahl von Experten habe daraufhin die Auffassung vertreten, dass die Hinweise in der Literatur, selbst wenn sie bestimmten Einschränkungen unterlägen, im Rahmen des Ansatzes der Beweiskraft der Daten zu berücksichtigen seien und unter Zugrundelegung eines vorsichtigen Ansatzes Anlass zu Bedenken hinsichtlich etwaiger, durch CHP-methyl verursachter DNA-Schäden gäben. Die Experten seien daher zu dem Schluss gelangt, dass die Bedenken, die für Chlorpyrifos in Bezug auf die Gefahr von Chromosomenaberrationen und DNA-Schäden erhoben worden seien, auf CHP-methyl übertragen werden könnten, so dass das genotoxische Potenzial unklar sei (siehe oben, Rn. 46).

378    Somit kam die EFSA aufgrund der von ihr in der Erklärung vom 8. November 2019 dargelegten Prüfung der Genotoxizität von CHP-methyl zu dem Schluss, dass die für Chlorpyrifos in Bezug auf die Gefahr von Chromosomenaberrationen und DNA-Schäden erhobenen Bedenken auf CHP-methyl übertragen werden könnten, so dass das genotoxische Potenzial von CHP-methyl unklar sei (siehe oben, Rn. 44 und 45).

379    Darüber hinaus stellte die EFSA in der Erklärung vom 8. November 2019 fest, die Experten seien sich einig gewesen, dass u. a. für die Genotoxizität kein Referenzwert ermittelt werden könne, was dazu führe, dass es nicht möglich sei, die Risiken zu bewerten, die für Verbraucher, Anwender, Arbeiter, Umstehende und Anwohner durch CHP-methyl entständen (siehe oben, Rn. 48).

380    Die Zusammenfassung der Begründungen der Erklärungen vom 31. Juli und 8. November 2019, wie sie sich aus den vorstehenden Rn. 375 bis 379 ergibt, mündet in die Feststellung, dass der oben in Rn. 366 angeführte Auszug aus der Erklärung vom 8. November 2019, wenn er in seinem Kontext betrachtet wird, entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht den Schluss zulässt, dass die EFSA in dieser Erklärung der Auffassung war, dass die Ergebnisse zur Genotoxizität von CHP-methyl „negativ“ seien, d h. dass der Wirkstoff kein Risiko für die menschliche Gesundheit darstelle, sondern nur, dass die Versuche und Studien, die die Antragsteller nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. e und f der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 vorgelegt hatten, nicht die Feststellung von Risiken für die menschliche Gesundheit zuließen.

381    Es ist darauf hinzuweisen, dass eine korrekte Anwendung des Vorsorgeprinzips u. a. eine umfassende Bewertung des Gesundheitsrisikos auf der Grundlage der zuverlässigsten verfügbaren wissenschaftlichen Daten und der neuesten Ergebnisse der internationalen Forschung erfordert (siehe oben, Rn. 346).

382    Zudem ist es im Rahmen der Risikobewertung aufgrund dessen, dass diese Bewertung insbesondere unabhängig und objektiv sein muss, unerlässlich, andere relevante Nachweise als die vom Antragsteller vorgelegten Versuche, Analysen und Studien zu berücksichtigen, die diesen widersprechen. In diesem Zusammenhang gilt es nicht nur, die zuverlässigsten verfügbaren wissenschaftlichen Daten sowie die neuesten Ergebnisse der internationalen Forschung zu berücksichtigen, sondern auch, den vom Antragsteller vorgelegten Studien nicht in allen Fällen ein überwiegendes Gewicht beizumessen (Urteil vom 1. Oktober 2019, Blaise u. a., C‑616/17, EU:C:2019:800, Rn. 93 und 94).

383    Der oben in den Rn. 381 und 382 angeführten Rechtsprechung sowie den oben in den Rn. 372 und 373 angeführten Bestimmungen ist zu entnehmen, dass bei der Bewertung der mit einem Wirkstoff verbundenen Risiken nicht nur die Versuche und Studien, zu deren Beibringung der Antragsteller gemäß der Regelung verpflichtet ist, zugrunde zu legen sind, sondern auch die relevante, neueste und zuverlässige verfügbare wissenschaftliche Literatur.

384    Dieses Ergebnis wird durch den 24. Erwägungsgrund der Verordnung (EU) 2019/1381 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über die Transparenz und Nachhaltigkeit der EU-Risikobewertung im Bereich der Lebensmittelkette und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 178/2002, (EG) Nr. 1829/2003, (EG) Nr. 1831/2003, (EG) Nr. 2065/2003, (EG) Nr. 1935/2004, (EG) Nr. 1331/2008, (EG) Nr. 1107/2009, (EU) 2015/2283 und der Richtlinie 2001/18/EG (ABl. 2019, L 231, S. 1) bestätigt. Die Verordnung ist für den vorliegenden Fall relevant, da sie nicht nur die Verordnung Nr. 178/2002 zur Errichtung der EFSA geändert hat, sondern auch die Verordnung Nr. 1107/2009, auf deren Grundlage die angefochtene Verordnung erlassen wurde.

385    Im 24. Erwägungsgrund der Verordnung 2019/1381 heißt es:

„In der Öffentlichkeit gibt es gewisse Bedenken, dass sich von der [EFSA] im Hinblick auf Zulassungsverfahren durchgeführte Bewertungen in erster Linie auf Studien der Industrie stützen. Es ist von größter Bedeutung, dass die [EFSA] Recherchen in der wissenschaftlichen Literatur durchführt, um andere Daten und Studien zu dem zu bewertenden Gegenstand prüfen zu können. Als zusätzliche Gewähr dafür, dass die [EFSA] auf alle einschlägigen wissenschaftlichen Daten und Studien zugreifen kann, die zu dem Gegenstand eines Antrags oder Meldung zur Zulassung oder auf Verlängerung einer Zulassung oder Genehmigung vorliegen, sollte eine Konsultation Dritter vorgesehen werden, durch die ermittelt werden kann, ob weitere relevante wissenschaftliche Daten oder Studien verfügbar sind …“

386    Somit lässt sich aus dem Umstand, dass die von den Antragstellern vorgelegten Versuche und Studien zu CHP-methyl keinen Anlass zu Bedenken gaben, entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht folgern, dass die Bewertung der mit der Verwendung dieses Wirkstoffs verbundenen Risiken abschließend durchgeführt worden war.

387    Nach alledem ist die vorliegende Rüge zurückzuweisen.

3.      Zur Erklärung vom 8. November 2019, der rein hypothetische Erwägungen zugrunde liegen sollen

388    Die Klägerinnen machen geltend, der Erklärung vom 8. November 2019 lägen rein hypothetische Erwägungen sowohl in Bezug auf die von der EFSA vorgenommene Bewertung der Genotoxizität als auch in Bezug auf ihre Bewertung der Entwicklungsneurotoxizität zugrunde.

389    Hinsichtlich der vorliegenden Rüge ist davon auszugehen, dass die Klägerinnen die Richtigkeit der Bewertung der mit CHP-methyl verbundenen Gesundheitsrisiken bestreiten.

390    Die Klägerinnen beschränken sich insoweit darauf, zwei Auszüge der Erklärung vom 8. November 2019 anzuführen, in denen die Begriffe „Vorsorge“ und „Vorsicht“ verwendet werden.

391    Wie oben in Rn. 355 dargelegt, kann aus einer rein formalen Prüfung der Begründung der angefochtenen Verordnung und der ihr zugrunde liegenden Erklärungen und aus der Verwendung bestimmter Formulierungen wie „Vorsorge“ und „Vorsicht“ nicht gefolgert werden, dass gegen das Vorsorgeprinzip verstoßen wurde.

392    Folglich reicht es, um die hypothetische Natur der von der EFSA vorgenommenen Bewertung nachzuweisen, in Ermangelung eines den Inhalt der genannten Begründung betreffenden Arguments nicht aus, sich auf die fraglichen Auszüge zu berufen.

393    Nach alledem sind die vorliegende Rüge und der Klagegrund eines Verstoßes gegen das Vorsorgeprinzip insgesamt zurückzuweisen.

I.      Zum siebten Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler in Bezug auf die von der EFSA und anschließend der Kommission vorgenommene Risikobewertung

394    Die Klägerinnen beanstanden jede der drei Begründungen der angefochtenen Verordnung: erstens die Begründung zum genotoxischen Potenzial von CHP-methyl, zweitens die Begründung, die die Bedenken hinsichtlich der Entwicklungsneurotoxizität von CHP-methyl betrifft, und drittens die Begründung, es sei „möglicherweise angezeigt“, CHP-methyl als reproduktionstoxisch (Kategorie 1B) einzustufen (siehe oben, Rn. 266 und 267).

395    Da diese Gründe die Bewertung der Risiken für die menschliche Gesundheit betreffen, ist zunächst an die rechtliche Regelung zu erinnern, die im Bereich der Risikobewertung und insbesondere der Bewertung von Risiken für die menschliche Gesundheit anwendbar ist, bevor die gegen die einzelnen Gründe erhobenen Rügen nacheinander geprüft werden.

1.      Zur rechtlichen Regelung für die Risikobewertung

396    In Bezug auf die rechtliche Regelung für die Risikobewertung ist erstens auf die Regeln zur Beweislast und zum Beweisgegenstand sowie zweitens auf den Umfang der auszuübenden gerichtlichen Kontrolle hinzuweisen.

a)      Beweislast und Beweisgegenstand

397    Was erstens den Antrag auf Genehmigung eines Wirkstoffs betrifft, bestimmt Art. 7 („Antrag“) der Verordnung Nr. 1107/2009:

„(1)      Der Hersteller eines Wirkstoffs legt einem Mitgliedstaat (‚berichterstattender Mitgliedstaat‘ genannt) einen Antrag auf Genehmigung dieses Wirkstoffs oder auf Änderung der Bedingungen für eine Genehmigung vor, zusammen mit einem vollständigen Dossier und einer Kurzfassung davon gemäß Artikel 8 Absätze 1 und 2 oder mit einer wissenschaftlich fundierten Begründung für die Nichtvorlage bestimmter Teile dieser Dossiers; dabei ist nachzuweisen, dass der Wirkstoff die Genehmigungskriterien gemäß Artikel 4 erfüllt.

…“

398    Zudem heißt es in Art. 8 („Dossiers“) der Verordnung Nr. 1107/2009:

„(1)      Die Kurzfassung des Dossiers umfasst:

a)      Informationen über eine oder mehrere repräsentative Verwendungen an weit verbreiteten Kulturpflanzen in jeder einzelnen Zone für mindestens ein Pflanzenschutzmittel, das den Wirkstoff enthält, als Nachweis der Erfüllung der Genehmigungskriterien des Artikels 4; decken die vorgelegten Informationen nicht alle Zonen ab oder betreffen sie eine Kulturpflanze, die nicht weit verbreitet ist, ist eine Begründung für diesen Ansatz beizufügen;

b)      für jeden einzelnen Punkt der Datenanforderungen für den Wirkstoff, die Zusammenfassungen und Ergebnisse von Versuchen und Studien, den Namen ihres Eigentümers und der Person oder Einrichtung, die die Versuche und Studien durchgeführt hat;

c)      für jeden einzelnen Punkt der Datenanforderungen für das Pflanzenschutzmittel die Zusammenfassungen und Ergebnisse von Versuchen und Studien, den Namen ihres Eigentümers und der Person oder Einrichtung, die die Versuche und Studien durchgeführt hat, soweit diese relevant sind für die Bewertung der in Artikel 4 Absätze 2 und 3 genannten Kriterien für ein oder mehrere Pflanzenschutzmittel, die repräsentativ für die Verwendungen gemäß Buchstabe a sind, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass gemäß Absatz 2 des vorliegenden Artikels fehlende Daten in dem Dossier, die aus der vorgeschlagenen eingeschränkten Bandbreite repräsentativer Verwendungen des Wirkstoffs resultieren, zu Einschränkungen der Genehmigung führen können;

d)      für jeden Versuch oder jede Studie, die Wirbeltiere betreffen, einen Nachweis der Maßnahmen zur Vermeidung von Tierversuchen und der Wiederholung von Versuchen und Studien mit Wirbeltieren;

e)      eine Checkliste, aus der hervorgeht, dass das in Absatz 2 des vorliegenden Artikels vorgeschriebene Dossier im Hinblick auf die beantragten Verwendungen vollständig ist;

f)      eine Begründung, warum die vorgelegten Versuchs- und Studienberichte für die erste Genehmigung des Wirkstoffs oder für Änderungen der Genehmigungsbedingungen notwendig sind;

g)      gegebenenfalls eine Kopie eines Rückstandshöchstgehalts-Antrags gemäß Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 bzw. eine Begründung für die Nichtvorlage diesbezüglicher Informationen;

h)      eine Bewertung aller vorgelegten Informationen.

(2)      Das vollständige Dossier enthält den Volltext der einzelnen Versuchs- und Studienberichte bezüglich aller unter Absatz 1 Buchstaben b und c genannten Informationen. Es enthält keine Berichte über Versuche oder Studien, in deren Rahmen der Wirkstoff oder das Pflanzenschutzmittel gezielt an Menschen verabreicht wird.

…“

399    Der Gerichtshof hat insoweit entschieden, dass sich aus Art. 7 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1107/2009 ergibt, dass die Versuche, Studien und Analysen, die erforderlich sind, um die Genehmigung eines Wirkstoffs zu ermöglichen, vom Antragsteller zu erbringen sind, und dass diese Vorschriften die logische Folge des Grundsatzes nach Art. 7 Abs. 1 der genannten Verordnung sind, der besagt, dass der Antragsteller den Nachweis zu erbringen hat, dass der Wirkstoff, auf den sich ein Genehmigungsantrag bezieht, die zu diesem Zweck von dieser Verordnung aufgestellten Kriterien erfüllt (Urteil vom 1. Oktober 2019, Blaise u. a., C‑616/17, EU:C:2019:800, Rn. 78 und 79).

400    Der Gerichtshof hat festgestellt, dass diese Verpflichtung zur Wahrung des Vorsorgeprinzips beiträgt, indem sie gewährleistet, dass die Unschädlichkeit der Wirkstoffe und Pflanzenschutzmittel nicht vermutet wird (Urteil vom 1. Oktober 2019, Blaise u. a., C‑616/17, EU:C:2019:800, Rn. 80).

401    Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass zum einen der Bericht erstattende Mitgliedstaat und die EFSA, wenn sie der Auffassung sind, dass die vom Antragsteller vorgelegten Informationen nicht ausreichen, verpflichtet sind, gemäß Art. 11 Abs. 3, Art. 12 Abs. 3 und Art. 37 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 beim Antragsteller zusätzliche Informationen anzufordern, und zum anderen die übrigen Mitgliedstaaten und die Öffentlichkeit nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Stellungnahmen zum Entwurf des Bewertungsberichts einreichen können.

402    Der Gerichtshof hat außerdem festgestellt, dass die Kommission zwingend gehalten ist, andere relevante Nachweise als die vom Antragsteller vorgelegten Versuche, Analysen und Studien zu berücksichtigen, die diesen widersprechen, und dass ein solches Vorgehen dem Vorsorgeprinzip entspricht (Urteil vom 1. Oktober 2019, Blaise u. a., C‑616/17, EU:C:2019:800, Rn. 93).

403    Ferner hat er ausgeführt, dass die Kommission die zuverlässigsten verfügbaren wissenschaftlichen Daten sowie die neuesten Ergebnisse der internationalen Forschung zu berücksichtigen und den vom Antragsteller vorgelegten Studien nicht in allen Fällen ein überwiegendes Gewicht beizumessen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Oktober 2019, Blaise u. a., C‑616/17, EU:C:2019:800, Rn. 94).

404    Der Gerichtshof hat daraus gefolgert, dass in dem Fall, dass die Kommission zu dem Ergebnis gelangt, dass der Antragsteller in Anbetracht sämtlicher ihr zur Verfügung stehender Informationen nicht hinreichend nachgewiesen hat, dass die Voraussetzungen für die beantragte Genehmigung oder Zulassung vorliegen, sie den Antrag zurückweisen muss, ohne dass es für diese Entscheidung erforderlich wäre, ein Gegengutachten einzuholen (Urteil vom 1. Oktober 2019, Blaise u. a., C‑616/17, EU:C:2019:800, Rn. 95).

405    Zweitens ist in Bezug auf die in der Verordnung Nr. 1107/2009 und der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 enthaltenen Bestimmungen für die Genehmigung von Wirkstoffen bzw. für die Erneuerung der Genehmigung festzustellen, dass sie einander entsprechen.

406    In Art. 14 („Erneuerung der Genehmigung“) der Verordnung Nr. 1107/2009 heißt es nämlich, dass „[a]uf Antrag … die Genehmigung eines Wirkstoffs erneuert [wird], wenn festgestellt wird, dass die in Artikel 4 genannten Genehmigungskriterien erfüllt sind“, und diese Formulierung entspricht der Formulierung in Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 1 letzter Satz der Verordnung Nr. 1107/2009.

407    Außerdem ist in Art. 15 der Verordnung Nr. 1107/2009 wie beim Antrag auf Genehmigung eines Wirkstoffs vorgesehen, dass ein Antrag auf Erneuerung der Genehmigung vom Hersteller des fraglichen Wirkstoffs eingereicht wird.

408    Zudem enthält Art. 7 („Inhalt der ergänzenden Dossiers“) der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 eine Aufzählung von Inhalten, die mutatis mutandis der Aufzählung entspricht, die in Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 enthalten ist (siehe oben, Rn. 373 und 398).

409    Drittens gelten, angesichts der Vergleichbarkeit der Bestimmungen für den Antrag auf Genehmigung eines Wirkstoffs und der Bestimmungen für die Erneuerung der Genehmigung, die oben in den Rn. 399 bis 404 dargelegten Erwägungen auch für die Erneuerung der Genehmigung eines Wirkstoffs.

410    Folglich hat derjenige, der einen Antrag auf Erneuerung der Genehmigung eines Wirkstoffs stellt, alle in Art. 7 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 genannten Informationen beizubringen, um nachzuweisen, dass der fragliche Wirkstoff die in Art. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 aufgestellten Kriterien erfüllt (siehe oben, Rn. 399).

411    Die Kommission gibt dem Antrag statt, wenn sich den vorgelegten Informationen sowie anderen Informationen, die gegebenenfalls von den mit der Bewertung des fraglichen Wirkstoffs beauftragten Behörden berücksichtigt wurden, entnehmen lässt, dass der Wirkstoff die genannten Kriterien erfüllt (siehe oben, Rn. 401 bis 404), die kumulativ sind (siehe oben, Rn. 108).

412    Insoweit muss insbesondere zu erwarten sein, dass sowohl Pflanzenschutzmittel, die diesen Wirkstoff enthalten, als auch ihre Rückstände keine schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben (siehe oben, Rn. 106).

413    Dagegen ist es für die Ablehnung des Antrags, d. h. für den Erlass einer Maßnahme, die im Hinblick auf die Rechte des Herstellers, der die Erneuerung der Genehmigung eines Wirkstoffs beantragt, beschränkend und im Hinblick auf die menschliche Gesundheit schützend ist, ausreichend, dass eine bloße Unsicherheit hinsichtlich des Vorliegens einer Gefahr für die menschliche Gesundheit festgestellt werden kann (siehe oben, Rn. 345 bis 347).

b)      Umfang der gerichtlichen Kontrolle

414    Angesichts der komplexen technischen Beurteilungen, die vorzunehmen sind, wenn gemäß den Bestimmungen der Verordnung Nr. 1107/2009 die mit der Anwendung von Stoffen verbundenen Risiken bewertet werden, ist der Kommission in dieser Hinsicht ein weites Ermessen zuzuerkennen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteile vom 18. Juli 2007, Industrias Químicas del Vallés/Kommission, C‑326/05 P, EU:C:2007:443, Rn. 74 und 75, und vom 22. Dezember 2010, Gowan Comércio Internacional e Serviços, C‑77/09, EU:C:2010:803, Rn. 55).

415    Die gerichtliche Kontrolle der von der Kommission als Urheberin des angefochtenen Rechtsakts vorgenommenen Sachverhaltswürdigung erstreckt sich mittelbar auch auf die Sachverhaltswürdigung durch die EFSA, wenn sich die Kommission, wie im vorliegenden Fall, bei der Frage, ob ein Risiko vorliegt, auf die Bewertung der EFSA stützt.

416    Ein die Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts rechtfertigender offensichtlicher Irrtum der Verwaltung bei der Würdigung komplexer Tatsachen kann nur festgestellt werden, wenn die vom Kläger vorgebrachten Beweise ausreichen, um die Sachverhaltswürdigung im Rechtsakt als nicht plausibel erscheinen zu lassen. Abgesehen von dieser Plausibilitätskontrolle darf das Gericht seine Beurteilung komplexer Tatsachen nicht an die Stelle der Beurteilung des Organs setzen, das den Rechtsakt erlassen hat (vgl. Urteil vom 17. Mai 2018, BASF Agro u. a./Kommission, T‑584/13, EU:T:2018:279, Rn. 94 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. auch in diesem Sinne Urteil vom 7. Mai 2020, BTB Holding Investments und Duferco Participations Holding/Kommission, C‑148/19 P, EU:C:2020:354, Rn. 72).

2.      Zum genotoxischen Potenzial

417    Einer der Gründe, die die Kommission in der angefochtenen Verordnung anführt, beruht auf der von den Experten bei ihrem Treffen im September 2019 und später von der EFSA abgegebenen Feststellung, es sei nicht auszuschließen, dass CHP-methyl genotoxisches Potenzial habe (siehe oben, Rn. 267).

418    Wie oben in den Rn. 44 bis 46 dargelegt, beruht diese Feststellung auf der Anwendung sowohl des Analogiekonzepts als auch des Ansatzes der Beweiskraft (im Folgenden zusammen: die zwei Methoden).

419    Im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes beanstanden die Klägerinnen, wie die zwei Methoden im vorliegenden Fall von den Experten bei ihrem Treffen im September 2019 und später von der EFSA angewandt wurden.

a)      Allgemeine Erwägungen zu den zwei Methoden

420    Es sind zum einen Inhalt und Zweck der zwei Methoden zu bestimmen und zum anderen die Rechtmäßigkeit der Verwendung dieser Methoden durch die EFSA im Bereich der Pflanzenschutzmittel, die in der mündlichen Verhandlung von der ECCA in Frage gestellt worden ist.

1)      Inhalt und Zweck der zwei Methoden

421    Eine Bezugnahme auf die zwei Methoden findet sich zum einen in der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. 2008, L 353, S. 1), die Kriterien für die Einstufung und Kennzeichnung von Wirkstoffen festlegt, von denen einige berücksichtigt werden, um festzustellen, ob ein Wirkstoff Gegenstand einer Zulassung nach der Verordnung Nr. 1107/2009 sein kann (siehe oben, Rn. 11), und zum anderen in der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. 2006, L 396, S. 1, im Folgenden: REACH-Verordnung).

422    Was erstens den Inhalt der zwei Methoden betrifft, wird das Analogiekonzept in Abschnitt 1.5 des Anhangs XI der REACH‑Verordnung als eine Methode beschrieben, nach der die Eigenschaften bestimmter Stoffe aus den zu anderen, strukturell ähnlichen Bezugsstoffen vorliegenden Daten abgeleitet werden können.

423    Was den Ansatz der Beweiskraft betrifft, auf den auch mit den Begriffen „Beweiswert“ und „Beweise“ Bezug genommen wird, ist Abschnitt 1.1.1.3 des Anhangs I der Verordnung Nr. 1272/2008 zu entnehmen, dass die Eigenschaften bestimmter Stoffe mit diesem Ansatz aus Daten abgeleitet werden können, die aus mehreren unabhängigen Informationsquellen stammen, beispielsweise die Ergebnisse von geeigneten In-vitro-Tests, einschlägige Tierversuchsdaten, Informationen aus der Anwendung des Kategorienkonzepts (Gruppierung, Übertragung), Erfahrungen beim Menschen wie Daten über berufsbedingte Exposition, Daten aus Unfalldatenbanken, epidemiologische und klinische Studien sowie gut dokumentierte Fallberichte und Beobachtungen.

424    Zweitens bestimmt Art. 13 Abs. 1 der REACH-Verordnung in Bezug auf den Zweck der zwei Methoden, dass Informationen über die Toxizität für den Menschen, sofern irgend möglich, durch andere Mittel als Versuche mit Wirbeltieren zu gewinnen sind, also durch die Verwendung von alternativen Methoden, beispielsweise durch Nutzung von Daten über strukturell verwandte Stoffe (Gruppierung oder Analogie). Ganz allgemein sieht diese Bestimmung vor, dass Informationen über inhärente Stoffeigenschaften durch andere Mittel als Versuche gewonnen werden können, sofern die Bedingungen des Anhangs XI der genannten Verordnung eingehalten werden.

425    Somit kann die Verwendung von Studien und Versuchen durch die Nutzung von Methoden vermieden werden, die in Abschnitt 1 („Die Durchführung einer Prüfung ist wissenschaftlich nicht notwendig“) des Anhangs XI („Allgemeine Bestimmungen für Abweichungen von den Standard-Prüfprogrammen der Anhänge VII bis X“) der REACH-Verordnung aufgeführt sind und zu denen das Analogiekonzept und der Ansatz der Beweiskraft zählen.

426    In Abschnitt 1.5 des Anhangs XI der REACH-Verordnung, der das Analogiekonzept betrifft, wird darauf hingewiesen, dass es bei Anwendung dieser Methode nicht notwendig ist, jeden Stoff für jeden Endpunkt zu prüfen.

427    Folglich kann diese Methode angewandt werden, wenn keine Daten zu den zur Risikobewertung vorgelegten Stoffen vorliegen (Urteil vom 21. Juli 2011, Nickel Institute, C‑14/10, EU:C:2011:503, Rn. 63).

428    In Abschnitt 1.2 des Anhangs XI der REACH-Verordnung, der den Ansatz der Beweiskraft betrifft, wird festgestellt, dass dieser Ansatz, wenn er es ermöglicht, hinreichende Beweismittel zusammenzutragen, um das Vorliegen oder Fehlen einer bestimmten gefährlichen Eigenschaft zu bestätigen, dazu führt, dass auf weitere Tierversuche, insbesondere Versuche an Wirbeltieren, verzichtet werden kann.

429    Durch den Ansatz der Beweiskraft wird es somit, ebenso wie durch das Analogiekonzept, entbehrlich, jeden Stoff für jeden Endpunkt zu prüfen (siehe oben, Rn. 426).

430    Aus den oben in den Rn. 424 bis 429 dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass die zwei Methoden insbesondere darauf gerichtet sind, die Verwendung von Versuchen an Wirbeltieren zu begrenzen.

2)      Zur Rechtmäßigkeit der Verwendung der zwei Methoden durch die EFSA bei der Bewertung der in den Pflanzenschutzmitteln enthaltenen Wirkstoffe

431    Es ist zu untersuchen, ob die EFSA die zwei Methoden verwenden kann, wenn sie einen Wirkstoff bewertet.

432    Gemäß den maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung Nr. 1107/2009 und der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 gibt die EFSA in der von ihr angenommenen Schlussfolgerung an, „ob der Wirkstoff voraussichtlich die Genehmigungskriterien des Artikels 4 [der Verordnung Nr. 1107/2009] erfüllt“.

433    Somit hat der Unionsgesetzgeber im Bereich der Bewertung von Wirkstoffen der EFSA eine Zuständigkeit für die rechtliche Einstufung des ihr vorgelegten Sachverhalts im Hinblick auf die Bestimmungen von Art. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 und somit für die Beurteilung dieses Sachverhalts übertragen.

434    Überdies enthalten die Verordnung Nr. 1107/2009 und die Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 keine Regelungen, die die EFSA verpflichten, bestimmte Bewertungsmethoden anzuwenden.

435    Die einzigen Bestimmungen, die insoweit genauere Angaben enthalten, sind erstens Art. 12 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1107/2009, wonach die EFSA „unter Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik“ eine Schlussfolgerung annimmt, zweitens Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012, der in Bezug auf die Bewertung eines Wirkstoffs für die Zwecke der Erneuerung der Genehmigung ebenfalls vorsieht, dass die EFSA „auf der Grundlage des derzeitigen wissenschaftlichen und technischen Kenntnisstands“ eine Schlussfolgerung annimmt, und drittens Nr. 1.2 des Anhangs II der Verordnung Nr. 1107/2009, wonach die Bewertung durch die EFSA wissenschaftlichen Grundsätzen folgen und unter Einbeziehung von Sachverständigen vorgenommen werden muss.

436    Folglich räumen die anwendbaren Bestimmungen der EFSA einen weiten Gestaltungsspielraum bei der Wahl der von ihr anzuwendenden Bewertungsmethoden ein und legen als einzige Bedingung fest, dass ihre Bewertung wissenschaftlicher Natur sein muss.

437    Zudem ist der Kommission, angesichts der komplexen technischen Beurteilungen, die vorzunehmen sind, wenn gemäß den Bestimmungen der Verordnung Nr. 1107/2009 die mit der Anwendung von Stoffen verbundenen Risiken bewertet werden, ein weites Ermessen zuzuerkennen (siehe oben, Rn. 414 und 415).

438    Da sich die Kommission im vorliegenden Fall auf die von der EFSA vorgenommene Risikobewertung stützte (siehe oben, Rn. 269), muss sich die gerichtliche Kontrolle dieser Bewertung auch auf einen offensichtlichen Beurteilungsfehler beschränken.

439    Im Licht der oben in den Rn. 432 bis 438 dargelegten Erwägungen ist zu prüfen, ob die Rüge der ECCA begründet ist.

440    Wie den Rn. 421 bis 428 des vorliegenden Urteils zu entnehmen ist, sehen sowohl die Verordnung Nr. 1272/2008 als auch die REACH-Verordnung die Verwendung der zwei Methoden vor. Der Unionsgesetzgeber war somit der Auffassung, dass diese Methoden aus wissenschaftlicher Sicht hinreichend verlässlich sind, um für die Bewertung chemischer Stoffe in anderen Bereichen als dem Pflanzenschutzmittelbereich verwendet zu werden.

441    Zudem hat der Gerichtshof in Bezug auf das Analogiekonzept festgestellt, dass es sich dabei um eine in der Wissenschaft weitgehend anerkannte Bewertungsmethode für Stoffe handelt (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 21. Juli 2011, Nickel Institute, C‑14/10, EU:C:2011:503, Rn. 71).

442    Wenn schließlich die ECCA geltend macht, das Analogiekonzept könne für die Bewertung von Wirkstoffen nach der Verordnung Nr. 1107/2009 nicht verwendet werden, da das Ziel dieser Verordnung – im Gegensatz zum Ziel der REACH-Verordnung – darin bestehe, „eine rechtliche Sicherheit zu garantieren“, ist darauf hinzuweisen, dass es für die Ablehnung eines Antrags auf Genehmigung eines Wirkstoffs oder auf Erneuerung einer solchen Genehmigung ausreicht, dass eine bloße Unsicherheit hinsichtlich des Vorliegens einer Gefahr für die Gesundheit festgestellt werden kann (siehe oben, Rn. 413).

443    Folglich kann die ECCA nicht mit Erfolg geltend machen, dass allein die Verwendung der zwei Methoden im Rahmen der Bewertung eines Wirkstoffs durch die EFSA einen offensichtlichen Beurteilungsfehler dieser Bewertung zur Folge habe.

444    Dieses Vorbringen ist somit zurückzuweisen, ohne dass über seine Zulässigkeit entschieden werden muss.

445    Zudem ist die Verwendung der zwei Methoden bei der Bewertung von Wirkstoffen nicht nur kein offensichtlicher Fehler, sondern sie ist sogar gerechtfertigt.

446    Der elfte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1107/2009 sieht nämlich vor, dass zum einen die Entwicklung von anderen Versuchen als Tierversuchen gefördert werden sollte, damit für den Menschen relevante Sicherheitsdaten gewonnen werden, und zum anderen die derzeit gebräuchlichen Tierversuche ersetzt werden sollten. Im 40. Erwägungsgrund der Verordnung heißt es weiter, dass erstens der Einsatz von anderen Versuchen als Tierversuchen und andere Risikobewertungsstrategien gefördert, zweitens Tierversuche für die Zwecke der Verordnung auf ein Minimum beschränkt und drittens Versuche an Wirbeltieren als letzte Möglichkeit durchgeführt werden sollten.

447    Die zwei Methoden, die es entbehrlich machen, jeden Stoff für jeden Endpunkt zu prüfen, tragen somit dazu bei, dass weniger Tierversuche durchgeführt werden (siehe oben, Rn. 424 bis 430).

448    Unter diesen Umständen trägt die Verwendung der zwei Methoden bei der Bewertung von Wirkstoffen zur Verwirklichung eines der Ziele der Verordnung Nr. 1107/2009 und folglich seiner Durchführungsverordnung, der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012, bei.

449    Aus den Ausführungen oben in den Rn. 431 bis 448 ergibt sich, dass die EFSA berechtigterweise die zwei Methoden verwenden kann, um einen Wirkstoff zu bewerten (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 21. Juli 2011, Nickel Institute, C‑14/10, EU:C:2011:503, Rn. 36 bis 42 und 61 bis 75).

450    Auf der Grundlage der oben in den Rn. 421 bis 449 dargelegten Erwägungen sind zunächst die Rügen und Argumente zu prüfen, die sich auf das Analogiekonzept beziehen, und in einem zweiten Schritt diejenigen, die den Ansatz der Beweiskraft betreffen. Außerdem berufen sich die Klägerinnen in ihrer Erwiderung zur Stützung des vorliegenden Klagegrundes auf die Studie vom 14. Mai 2020 (siehe oben, Rn. 220) sowie drei weitere Studien. Die Rügen und Argumente, die sich auf diese Studien beziehen, sind in einem dritten Schritt zu prüfen.

b)      Zum Analogiekonzept

451    Die Klägerinnen beanstanden die Anwendung des Analogiekonzepts durch die Kommission im vorliegenden Fall. Sie stützen die vorliegende Rüge auf drei Argumente: Erstens liege ein Widerspruch zwischen der Schlussfolgerung der EFSA in der Erklärung vom 8. November 2019 und dem zehnten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung vor, zweitens sei gegen die Bestimmungen der REACH-Verordnung zum Analogiekonzept verstoßen worden und drittens liege eine Unvereinbarkeit mit dem Dokument „Rahmen zur Analogiebeurteilung“ vor, das die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) im März 2017 auf ihrer Website veröffentlicht habe.

1)      Zum Widerspruch zwischen der Schlussfolgerung der EFSA in der Erklärung vom 8. November 2019 und dem zehnten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung

452    Dem zehnten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung ist zu entnehmen, dass die Kommission in dieser Verordnung die Bewertung der genotoxischen Risiken von CHP-methyl auf eine Anwendung des Analogiekonzepts stützte, die die Berücksichtigung von Daten zu Chlorpyrifos ermöglichte (siehe oben, Rn. 266 bis 268).

453    Die Klägerinnen berufen sich auf einen Auszug aus der Erklärung vom 8. November 2019, aus dem hervorgeht, dass mehrere Unterschiede zwischen CHP-methyl und Chlorpyrifos zu einer unterschiedlichen Toxizität beitragen könnten und unterschiedliche Wirkungen in Bezug auf die Toxizität bei den zwei Stoffen festgestellt worden seien.

454    Auf der Grundlage dieses Auszugs machen die Klägerinnen geltend, die EFSA sei der Auffassung gewesen, dass sich die toxikologischen Eigenschaften der zwei Stoffe in Bezug auf Säugetiere „offensichtlich“ unterschieden, und sie folgern daraus, dass zwischen der Schlussfolgerung der EFSA in der Erklärung vom 8. November 2019 und dem zehnten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung ein Widerspruch vorliege.

455    Insoweit ist erstens festzustellen, dass sich der von den Klägerinnen angeführte Auszug in dem Teil der Erklärung vom 8. November 2019 befindet, der die Toxizität für Säugetiere betrifft, und nicht in dem Teil, der sich mit der Genotoxizität beschäftigt. Somit ist die Zugrundelegung dieses Auszugs für sich genommen nicht ausreichend, um eine endgültige Schlussfolgerung in Bezug auf die Bewertung der Genotoxizität von CHP-methyl durch die EFSA zu treffen, zumal der Teil der Erklärung vom 8. November 2019, der die Genotoxizität betrifft, auf den Teil folgt, der die Toxizität für Säugetiere behandelt.

456    Zweitens ist dem die Genotoxizität betreffenden Teil der Erklärung vom 8. November 2019 zu entnehmen, dass die Experten bei der Zusammenkunft im April 2019 (siehe oben, Rn. 24) die strukturelle Gemeinsamkeit des Moleküls der zwei Wirkstoffe erörtert hätten und darin übereingekommen seien, das Analogiekonzept anzuwenden. Darüber hinaus hätten die Experten festgestellt, dass zum genotoxischen Potenzial von CHP-methyl keine öffentliche Literatur verfügbar sei, während es mehrere Veröffentlichungen zu Chlorpyrifos gebe. Da für Chlorpyrifos Bedenken wegen Chromosomenaberrationen und DNA-Schäden aufgekommen waren, gelangten die Experten zu dem Ergebnis, dass es in Bezug auf CHP-methyl Datenlücken gebe. Sie waren daher übereinstimmend der Meinung, dass diese Unsicherheiten bei der Risikobewertung zu berücksichtigen seien und folglich nicht ausgeschlossen werden könne, dass CHP-methyl DNA-Schäden verursachen könne (siehe oben, Rn. 29).

457    Was das Expertentreffen anbelangt, das im September 2019 (siehe oben, Rn. 37) durchgeführt wurde und u. a. die Möglichkeit der Anwendung des Analogiekonzepts betraf (siehe oben, Rn. 28), ist dem gleichen, die Genotoxizität betreffenden Teil der Erklärung vom 8. November 2019 zu entnehmen, dass die Experten die im vorangehenden, die Toxizität für Säugetiere betreffenden Teil festgestellten Unterschiede zwischen den zwei fraglichen Wirkstoffen berücksichtigt hätten und der Auffassung gewesen seien, dass sich angesichts der Molekularstruktur der zwei Wirkstoffe aus den festgestellten Unterschieden kein unterschiedliches genotoxisches Potenzial ableiten lasse.

458    Angesichts der Ausführungen oben in den Rn. 455 bis 457 ist festzustellen, dass die Experten nach der Berücksichtigung der Unterschiede zwischen CHP-methyl und Chlorpyrifos in Bezug auf die Toxizität für Säugetiere der Auffassung waren, dass eine Anwendung des Analogiekonzepts trotz dieser Unterschiede möglich sei.

459    Dieses Ergebnis wurde später von der EFSA übernommen.

460    Somit machen die Klägerinnen zu Unrecht geltend, dass zwischen der Schlussfolgerung der EFSA in der Erklärung vom 8. November 2019 und dem zehnten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung ein Widerspruch bestehe.

461    Folglich ist das vorliegende Argument zurückzuweisen.

2)      Zum Verstoß gegen die das Analogiekonzept betreffenden Bestimmungen der REACH-Verordnung

462    Die Klägerinnen machen geltend, die in der REACH-Verordnung genannten Voraussetzungen für die Anwendung des Analogiekonzepts seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt. CHP-methyl und Chlorpyrifos könnten nämlich nicht als „strukturell verwandte“ Stoffe im Sinne von Art. 13 Abs. 1 der REACH-Verordnung angesehen werden. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass sie „infolge struktureller Ähnlichkeit voraussichtlich ähnlich sind oder einem bestimmten Muster folgen“, wie Abschnitt 1.5 des Anhangs XI der REACH-Verordnung vorsehe.

463    Insoweit hat das Gericht im Urteil vom 12. Dezember 2014, Xeda International/Kommission (T‑269/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1069, Rn. 49 und 75), festgestellt, dass die Kommission keiner Verpflichtung unterlag, auf den durch die Leitlinie 91/414, die durch die Verordnung Nr. 1107/2009 ersetzt worden war (siehe oben, Rn. 7), gesteckten Rechtsrahmen den in der REACH-Verordnung entwickelten Ansatz anzuwenden, insbesondere in Bezug auf die in jener Verordnung vorgesehenen Bewertungsmethoden.

464    Gleiches gilt für den vorliegenden Fall.

465    Zwar haben die Experten und anschließend die EFSA für die Bewertung von CHP-methyl das Analogiekonzept verwendet, das, wie oben in den Rn. 421 bis 426 dargelegt, in der REACH-Verordnung vorgesehen ist.

466    Eine Verordnung wie die angefochtene, die die Genehmigung eines in einem Pflanzenschutzmittel enthaltenen Wirkstoffs betrifft und nicht die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe, wird jedoch nicht auf der Grundlage der Bestimmungen der REACH-Verordnung, sondern auf der Grundlage der Bestimmungen der Verordnung Nr. 1107/2009 und der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 erlassen.

467    Folglich geht die Rüge, mit der ein Verstoß gegen Art. 13 Abs. 1 der REACH-Verordnung geltend gemacht wird, ins Leere, da die Bestimmungen der Verordnung im vorliegenden Fall nicht anwendbar sind.

468    Das Vorbringen der Klägerinnen könnte jedoch so verstanden werden, dass sie keinen Verstoß gegen die oben in Rn. 421 genannten Vorschriften geltend machen, sondern einen offensichtlichen Fehler, den die EFSA begangen habe, als sie zu Unrecht das Analogiekonzept in einem Fall angewandt habe, in dem dieses Konzept nicht maßgeblich sei, da die zwei fraglichen Wirkstoffe keine strukturelle Ähnlichkeit besäßen, was jedoch für eine aus wissenschaftlicher Sicht angemessene Anwendung des Analogiekonzepts unabdingbar sei.

469    Nach Ansicht der Klägerinnen ergibt sich die fehlende Ähnlichkeit der zwei Wirkstoffe aus den in der Erklärung vom 8. November 2019 enthaltenen Informationen. Die Klägerinnen verweisen insoweit auf die „unterschiedliche Länge der an das Phosphoratom gebundenen Alkoxygruppe“, „Unterschiede bei der sterischen Orientierung der an das Enzym gebundenen Gruppe“, „Unterschiede bei der Reaktivierungs- oder Alterungsrate“, Unterschiede in Bezug auf die „akute Toxizität“, „Unterschiede bei der Wirksamkeit im Fall kurzfristiger Exposition“, „kritische zusätzliche Wirkungen [von CHP-methyl] in Studien zur kurz- und langfristigen Toxizität für die Nebennieren“, „geringwertige strukturelle Unterschiede …, die zu quantitativen Unterschieden bei der [Acetylcholinesterase]-Hemmung führen könnten“ und auf einen Unterschied bei der Alterung von Acetylcholinesterase.

470    Sie fügen hinzu, zwar sei Chlorpyrifos Gegenstand des Beschlusses (EU) 2021/592 des Rates vom 7. April 2021 über die Vorlage – im Namen der Europäischen Union – eines Vorschlags zur Aufnahme von Chlorpyrifos in Anlage A des Stockholmer Übereinkommens über persistente organische Schadstoffe (ABl. 2021, L 125, S. 52) gewesen, doch sei kein entsprechender Vorschlag zu CHP-methyl ergangen.

471    Es wird allerdings nicht bestritten, dass die zwei fraglichen Wirkstoffe zur gleichen Gruppe chemischer Stoffe, nämlich der Organophosphate, zählen und insgesamt eine ähnliche chemische Struktur haben.

472    Selbst wenn man daher annimmt, dass die Klägerinnen die mit Gründen versehene Schlussfolgerung in Frage stellen wollten, zu der die Experten gelangten, nachdem sie die Unterschiede zwischen den zwei fraglichen Wirkstoffen berücksichtigt hatten (siehe oben, Rn. 457), lassen die von ihnen angeführten Umstände (siehe oben, Rn. 469 und 470) nicht den Schluss zu, dass es jeglicher Plausibilität entbehrt, die Ähnlichkeit der zwei Wirkstoffe festzustellen (siehe oben, Rn. 416).

473    Was zudem speziell die Bezugnahme auf den Beschluss 2021/592 betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Rechtsakts im Rahmen einer Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 AEUV nach der Sach- und Rechtslage zu beurteilen ist, wie sie bei Erlass des Akts bestand (siehe oben, Rn. 221). Folglich können sich die Klägerinnen nicht mit Erfolg auf diesen Beschluss berufen, der nach dem Erlass der angefochtenen Verordnung verabschiedet wurde.

474    Das vorliegende Argument ist daher zurückzuweisen.

3)      Zur Unvereinbarkeit mit dem ECHA-Dokument „Rahmen zur Analogiebeurteilung“

475    Für den Nachweis, dass die Voraussetzungen für die Anwendung des Analogiekonzepts im vorliegenden Fall nicht erfüllt gewesen seien, berufen sich die Klägerinnen auf das ECHA-Dokument „Rahmen zur Analogiebeurteilung“. Sie berufen sich insbesondere auf eine Voraussetzung, die in dem Dokument genannt wird und sich auf die Darlegung einer Hypothese bezieht, die die Anwendung des Analogiekonzepts rechtfertigt.

476    Insoweit ist zu prüfen, inwieweit das ECHA-Dokument „Rahmen zur Analogiebeurteilung“ für die EFSA oder die Kommission, die dieses Dokument nicht verfasst haben, verbindlich sein kann.

477    Wie bereits oben in Rn. 161 dargelegt, hat das fragliche Organ dadurch, dass es derartige Verhaltensnormen erlassen und durch ihre Veröffentlichung angekündigt hat, dass es sie von nun an auf die von diesen Normen erfassten Fälle anwenden werde, die Ausübung seines Ermessens beschränkt (Urteil vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 211).

478    Diese Rechtsprechung gilt nur für den Verfasser der fraglichen Verhaltensnormen.

479    Folglich kann nicht wirksam geltend gemacht werden, dass die EFSA oder die Kommission, die nicht Verfasser des Dokuments „Rahmen zur Analogiebeurteilung“ sind, nicht von den in diesem Dokument enthaltenen Normen abweichen können, ohne dass dies gegebenenfalls wegen eines Verstoßes gegen allgemeine Rechtsgrundsätze wie die der Gleichbehandlung oder des Vertrauensschutzes geahndet würde.

480    Zudem haben die Kläger nicht nachgewiesen und noch nicht einmal geltend gemacht, dass die EFSA in der Erklärung vom 8. November 2019, in der früheren Erklärung oder in einem anderen Dokument darauf hingewiesen habe, dass sie sich auf das ECHA-Dokument „Rahmen zur Analogiebeurteilung“ stützen wolle.

481    Selbst wenn man annimmt, dass das Dokument „Rahmen zu Analogiebeurteilung“ als für die EFSA und die Kommission geltend angesehen werden kann, wird darin auf der Seite, die dem Inhaltsverzeichnis vorangeht, darauf hingewiesen, dass das Dokument den Benutzern dabei helfen soll, die Verpflichtungen einzuhalten, die ihnen aufgrund der REACH-Verordnung obliegen. Darüber hinaus enthält das Dokument den Hinweis, dass die genannte Verordnung die alleinige gesetzliche Referenz ist und die Informationen in dem Dokument keine Rechtsberatung darstellen.

482    Somit richtet sich das Dokument „Rahmen zu Analogiebeurteilung“ nicht an die ECHA selbst, sondern an die Benutzer des Dokuments, d. h. an Personen, die einen Antrag auf Registrierung eines chemischen Stoffs stellen möchten. Außerdem dient es nicht dazu, Verpflichtungen festzulegen, sondern es soll eine Hilfestellung für diese Personen sein.

483    Folglich kann nicht festgestellt werden, dass die ECHA mit dem Dokument „Rahmen zur Analogiebeurteilung“ die Ausübung ihres Ermessens beschränken wollte. Ein solches Dokument kann das Ermessen der EFSA oder der Kommission daher nicht beschränken, selbst wenn man annimmt, dass es auf sie anwendbar ist.

484    Angesichts der Erwägungen oben in den Rn. 476 bis 483 können sich die Klägerinnen für den Nachweis der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verordnung nicht mit Erfolg auf die Bestimmungen des Dokuments „Rahmen zur Analogiebeurteilung“ berufen.

485    Das vorliegende Argument ist daher zurückzuweisen.

486    Somit ist die Rüge, mit der die Anwendung des Analogiekonzepts durch die EFSA und die Kommission beanstandet wird, insgesamt zurückzuweisen.

c)      Zum Ansatz der Beweiskraft

487    Zur Stützung der vorliegenden Rüge machen die Klägerinnen drei Argumente geltend: erstens einen Verstoß gegen eine Bedingung für die Anwendung des Ansatzes der Beweiskraft, die voraussetze, dass keine individuelle Datenquelle für die Formulierung einer angemessenen Schlussfolgerung ausreiche, zweitens eine fehlerhafte Beurteilung der Experten, die zu Unrecht der Ansicht gewesen seien, dass zwei wissenschaftliche Artikel trotz ihrer methodischen Einschränkungen mit mehr Gewicht in ihre Schlussfolgerung einfließen sollten als alle in den „regulatorischen Daten“ enthaltenen Informationen zur Genotoxizität, und drittens einen Verstoß gegen die im August 2017 von der EFSA veröffentlichten Leitlinien zur Verwendung des Ansatzes der Beweiskraft im Rahmen der wissenschaftlichen Bewertung (im Folgenden: Leitlinien zur Beweiskraft).

1)      Zum Verstoß gegen eine Bedingung für die Anwendung des Ansatzes der Beweiskraft

488    Die Klägerinnen machen geltend, dass der Ansatz der Beweiskraft nur anwendbar sei, wenn keine individuelle Datenquelle für die Formulierung einer angemessenen Schlussfolgerung ausreiche. Die EFSA habe jedoch in der Erklärung vom 8. November 2019 anerkannt, dass alle von Ascenza vorgelegten „regulatorischen Daten“ vollständig seien. Folglich sei der Ansatz der Beweiskraft im vorliegenden Fall nicht anwendbar.

489    Als Erstes berufen sich die Klägerinnen zur Stützung dieses Arguments auf Abschnitt 1.2 des Anhangs XI der REACH-Verordnung, in dem es u. a. heißt: „Es ist möglich, dass Daten aus verschiedenen Quellen vorliegen, die in ihrer Gesamtheit hinreichend beweiskräftig sind und die Annahme/den Schluss zulassen, dass ein Stoff eine bestimmte gefährliche Eigenschaft besitzt oder nicht besitzt, während die Daten aus irgendeiner einzelnen dieser Quellen eine solche Aussage nicht erlauben.“

490    Auf der Grundlage der oben in den Rn. 463 bis 467 dargelegten Erwägungen ist das vorliegende Argument als ins Leere gehend zurückzuweisen, soweit es auf einem Verstoß gegen die Bestimmungen der REACH-Verordnung beruht.

491    Als Zweites berufen sich die Klägerinnen im Rahmen des vorliegenden Arguments auf einen Verstoß gegen die Leitlinien zur Beweiskraft.

492    Sie verweisen auf einen Auszug der Leitlinien zur Beweiskraft, wonach der Ansatz anwendbar ist, wenn eine „Einbeziehung von Evidenz“ notwendig ist.

493    Die Klägerinnen machen geltend, die „regulatorischen Daten“, die Ascenza im Dossier zur Beantragung der Erneuerung der Genehmigung von CHP-methyl vorgelegt habe, seien von der EFSA als vollständig erachtet worden und somit als ausreichend anzusehen, ohne dass eine Anwendung des Ansatzes der Beweiskraft erforderlich sei.

494    Selbst wenn man annimmt, dass sich die Klägerinnen zur Stützung ihres Nichtigkeitsantrags mit Erfolg auf den fraglichen Auszug der Leitlinien zur Beweiskraft berufen können (siehe unten, Rn. 521 bis 535), ist daran zu erinnern, dass die EFSA, als sie in ihrer Erklärung vom 8. November 2019 darauf hinwies, dass die von den Antragstellern zur Genotoxizität von CHP-methyl übermittelten „regulatorischen Daten“ keinen Anlass zu Bedenken gegeben hätten, lediglich feststellte, dass die von den Antragstellern nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. e und f der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 vorgelegten Versuche und Studien nicht den Schluss zuließen, dass Risiken für die menschliche Gesundheit vorlägen. Sie wollte damit nicht auf die von Fachleuten überprüfte frei verfügbare Literatur im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. m der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 Bezug nehmen (siehe oben, Rn. 374).

495    Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen war die EFSA somit nicht der Auffassung, dass die von den Antragstellern vorgelegten Daten ausreichten, um eine angemessene und endgültige Schlussfolgerung zu ziehen und insbesondere festzustellen, dass mit CHP-methyl kein genotoxisches Risiko verbunden sei.

496    Vielmehr gab die EFSA in den Erklärungen vom 31. Juli und 8. November 2019 an, die Experten hätten festgestellt, dass zum genotoxischen Potenzial von CHP-methyl keine öffentliche Literatur verfügbar sei, während es mehrere Veröffentlichungen zu Chlorpyrifos gebe. Da für Chlorpyrifos Bedenken wegen Chromosomenaberrationen und DNA-Schäden aufgekommen seien, hätten die Experten festgestellt, dass es in Bezug auf CHP-methyl Datenlücken gebe. Die Experten seien sich einig gewesen, dass die daraus resultierenden Unsicherheiten bei der Bewertung des Risikos von CHP-methyl zu berücksichtigen seien und folglich nicht ausgeschlossen werden könne, dass ein potenzielles Risiko für DNA-Schäden bestehe (siehe oben, Rn. 375).

497    Auf der Grundlage der oben in den Rn. 491 bis 496 dargelegten Erwägungen ist das Argument der Klägerinnen als sachlich unzutreffend zurückzuweisen, soweit es den Verstoß gegen die Leitlinien zur Beweiskraft betrifft.

498    Aus alledem ergibt sich, dass das erste Argument der Klägerinnen zurückzuweisen ist.

2)      Zur fehlerhaften Beurteilung der Experten in Bezug auf die Berücksichtigung wissenschaftlicher Artikel zur Genotoxizität von CHP-methyl

499    Die Klägerinnen machen als Erstes geltend, die Experten seien zu Unrecht der Ansicht gewesen, dass wissenschaftliche Artikel zur Genotoxizität von CHP-methyl trotz ihrer methodischen Einschränkungen mit mehr Gewicht in ihre Schlussfolgerung einfließen sollten als alle in den „regulatorischen Daten“ enthaltenen Informationen zur Genotoxizität von CHP-methyl.

500    Es ist daran zu erinnern, dass die EFSA, als sie erklärte, dass die von den Antragstellern zur Genotoxizität von CHP-methyl übermittelten „regulatorischen Daten“ keinen Anlass zu Bedenken gegeben hätten, lediglich feststellte, dass die von den Antragstellern nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. e und f der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 vorgelegten Versuche und Studien nicht den Schluss zuließen, dass Risiken für die menschliche Gesundheit vorlägen. Sie bezog sich folglich nicht auf die wissenschaftliche und von Fachleuten überprüfte frei verfügbare Literatur im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. m der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 (siehe oben, Rn. 374).

501    Der Rechtsprechung und den anwendbaren Bestimmungen ist jedoch zu entnehmen, dass bei der Bewertung der mit einem Wirkstoff verbundenen Risiken nicht nur die Versuche und Studien, zu deren Beibringung der Antragsteller gemäß der Regelung verpflichtet ist, zugrunde zu legen sind, sondern auch die relevante, neueste und zuverlässige verfügbare wissenschaftliche Literatur (siehe oben, Rn. 383).

502    Die EFSA wies in diesem Zusammenhang in der Erklärung vom 8. November 2019 darauf hin, dass die Experten in ihrer Sitzung im April 2019 der Meinung gewesen seien, dass zum genotoxischen Potenzial von CHP-methyl keine öffentliche Literatur verfügbar sei, während es mehrere Veröffentlichungen zu Chlorpyrifos gebe und in diesen Veröffentlichungen Probleme im Hinblick auf die Genotoxizität festgestellt worden seien (siehe oben, Rn. 29).

503    Der BEMS fand nach zusätzlichen Literaturrecherchen wissenschaftliche Arbeiten zur Genotoxizität von CHP-methyl, in denen Aspekte beschrieben wurden, die den Aspekten von Chlorpyrifos ähneln (siehe oben, Rn. 46).

504    Eine Mehrzahl der im September 2019 zusammengekommenen Experten vertrat daraufhin die Auffassung, dass die Hinweise in der Literatur, selbst wenn sie bestimmten Einschränkungen unterlägen, im Rahmen des Ansatzes der Beweiskraft der Daten zu berücksichtigen seien und unter Zugrundelegung eines vorsichtigen Ansatzes Anlass zu Bedenken hinsichtlich etwaiger, durch CHP-methyl verursachter DNA-Schäden gäben (siehe oben, Rn. 46).

505    Die Experten – und in der Folge die EFSA – gelangten daher zu dem Schluss, dass die gegenüber Chlorpyrifos in Bezug auf die Gefahr von Chromosomenaberrationen und DNA-Schäden erhobenen Bedenken auf CHP-methyl übertragen werden könnten, so dass das genotoxische Potenzial unklar sei (siehe oben, Rn. 46).

506    Somit waren die Experten und die EFSA nicht der Auffassung, dass die vom BEMS übermittelten wissenschaftlichen Artikel zur Genotoxizität von CHP-methyl mit mehr Gewicht in ihre Schlussfolgerung einfließen sollten als alle anderen Informationen zur Genotoxizität von CHP-methyl. Sie haben lediglich im Einklang mit der Rechtsprechung und den oben in Rn. 501 genannten Bestimmungen bei der Bewertung der mit CHP-methyl verbundenen Risiken nicht nur die Versuche und Studien zugrunde gelegt, zu deren Beibringung der Antragsteller gemäß der Regelung verpflichtet war, sondern auch die relevante, neueste und zuverlässige verfügbare wissenschaftliche Literatur berücksichtigt.

507    Außerdem haben sich die Experten nicht nur auf die vom BEMS übermittelten wissenschaftlichen Artikel zur Genotoxizität von CHP-methyl gestützt, als sie feststellten, dass trotz der Ergebnisse der von den Antragstellern nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. e und f der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 vorgelegten Versuche und Studien eine Unsicherheit in Bezug auf das genotoxische Risiko bestehe. Vielmehr haben sie auch die oben in Rn. 502 erwähnten, verfügbaren Publikationen zu Chlorpyrifos berücksichtigt.

508    Schließlich haben die Experten entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen die Einschränkungen der wissenschaftlichen Artikel zur Genotoxizität von CHP-methyl berücksichtigt (siehe oben, Rn. 504).

509    Zudem ist daran zu erinnern, dass es den mit der Risikobewertung beauftragten Stellen obliegt, der Kommission nicht nur die von ihnen erzielten sicheren Ergebnisse, sondern auch anhaltende Unsicherheiten mitzuteilen (siehe oben, Rn. 348), was im vorliegenden Fall durch die Experten und die EFSA geschehen ist.

510    Somit ist das Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen, soweit damit beanstandet wird, die Experten hätten bei ihrer Bewertung den vom BEMS übermittelten wissenschaftlichen Artikeln zur Genotoxizität von CHP-methyl zu viel Gewicht beigemessen.

511    Als Zweites beanstanden die Klägerinnen ganz allgemein, dass die zwei Artikel nicht vorschriftsgemäß verfasst worden seien. Sie berufen sich auf einen Auszug aus dem Entwurf des Bewertungsberichts, wonach die fraglichen wissenschaftlichen Artikel nicht „im Einklang mit der Guten Laborpraxis erstellt“ worden seien und „neue, in den Standardleitlinien nicht enthaltene Techniken verwendet“ worden seien.

512    Hierzu ist erstens festzustellen, dass der BEMS in dem fraglichen Auszug darauf hinweist, dass „[o]bwohl die zwei [Artikel] zwar nicht im Einklang mit [der Guten Laborpraxis] erstellt wurden und neue, in den Standardleitlinien nicht enthaltene Techniken verwendet wurden, die aufgrund ihrer Ergebnisse aufgekommenen Bedenken nicht durch die [von den Antragstellern] bereitgestellten Studien zerstreut werden konnten, da [Letztere] es nicht zuließen, eine größere Bandbreite an DNA-Schäden zu analysieren“.

513    Folglich ist dem angeführten Auszug nicht zu entnehmen, dass der BEMS der Auffassung war, die zwei fraglichen Artikel könnten aufgrund ihrer von ihm festgestellten methodischen Einschränkungen nicht berücksichtigt werden.

514    Zweitens können, obwohl der auf einen Verstoß gegen die Bestimmungen der REACH-Verordnung gestützte Klagegrund im vorliegenden Fall ins Leere geht (siehe oben, Rn. 463 bis 467), die maßgeblichen Bestimmungen dieser Verordnung zur Orientierung wirksam berücksichtigt werden, um festzustellen, ob die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging, als sie eine Bewertung der EFSA unter Anwendung einer der zwei Methoden übernahm.

515    Die Verwendung neuartiger Prüfungen wird in Abschnitt 1.2 des Anhangs XI der REACH-Verordnung nicht ausgeschlossen, vielmehr heißt es dort, dass solche Methoden hinreichend beweiskräftige Daten liefern können, die den Schluss zulassen, dass ein Stoff eine bestimmte gefährliche Eigenschaft besitzt oder nicht besitzt.

516    Drittens werden explorative Studien in der Regel mit dem spezifischen Ziel durchgeführt, eine bestimmte wissenschaftliche Hypothese zu überprüfen, so dass mit ihrer Hilfe zusätzlich zu den standardisierten Studien die Eigenschaften der fraglichen Wirkstoffe identifiziert werden können. Eine Vorgehensweise, bei der die Verwendung nicht standardisierter oder explorativer Studien generell ausgeschlossen wäre, würde es daher unmöglich machen, Stoffe zu ermitteln, die ein Risiko für die Umwelt darstellen (vgl. die oben in Rn. 337 angeführte Rechtsprechung).

517    Folglich ist das Vorbringen der Klägerinnen auch insoweit zurückzuweisen, als die Vorschriftswidrigkeit der vom BEMS übermittelten Artikel geltend gemacht wird.

518    Aus den Erwägungen oben in den Rn. 500 bis 517 ergibt sich, dass die von den Klägerinnen angeführten Umstände nicht den Schluss zulassen, dass die fraglichen Artikel so offensichtlich falsch verwendet wurden, dass die insoweit von der EFSA und der Kommission vorgenommenen Beurteilungen jeglicher Plausibilität entbehren (siehe oben, Rn. 416).

519    Folglich ist das zweite Argument der Klägerinnen zurückzuweisen.

3)      Zum Verstoß gegen die Leitlinien zur Beweiskraft

520    Die Klägerinnen berufen sich auf mehrere Auszüge der Leitlinien zur Beweiskraft, gegen die die EFSA verstoßen habe.

521    Insoweit ist festzustellen, dass die EFSA gemäß Art. 12 der Verordnung Nr. 1107/2009 und Art. 13 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 zwar an der Bewertung von Wirkstoffen beteiligt ist, doch ist sie nicht für die Entscheidung über die Genehmigung der Wirkstoffe oder die Erneuerung der Genehmigung zuständig. Dafür ist ausschließlich die Kommission zuständig, die gemäß Art. 79 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 vom Ständigen Ausschuss unterstützt wird.

522    Das zur Stützung eines Antrags auf Nichtigerklärung einer Verordnung wie der angefochtenen erhobene Vorbringen, es sei gegen Leitlinien verstoßen worden, die die EFSA erlassen habe, geht somit grundsätzlich ins Leere (siehe oben, Rn. 477 und 478).

523    Im vorliegenden Fall hat die Kommission die Begründung der angefochtenen Verordnung jedoch auf die Bewertung der EFSA gestützt, wie sie aus deren zwei Erklärungen hervorging (siehe oben, Rn. 269). Somit hätte ein etwaiger Verstoß der EFSA gegen Leitlinien, die sie zwecks Festlegung eines Rahmens für die von ihr vorzunehmende Bewertung von Wirkstoffen erlassen hat, Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Begründung der angefochtenen Verordnung.

524    Folglich ist zu prüfen, ob es sich bei den Leitlinien zur Beweiskraft tatsächlich um Leitlinien handelt.

525    Der Gerichtshof hat entschieden, dass Leitlinien eine Verhaltensnorm darstellen, die einen Hinweis auf die zu befolgende Verwaltungspraxis enthält und von denen ein Organ im Einzelfall nicht ohne Angabe von Gründen abweichen kann, die mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbar sind. Das fragliche Organ hat nämlich dadurch, dass es derartige Verhaltensnormen erlassen und durch ihre Veröffentlichung angekündigt hat, dass es sie fortan auf die von diesen Normen erfassten Fälle anwenden werde, die Ausübung seines Ermessens beschränkt und kann nicht von diesen Normen abweichen, ohne dass dies gegebenenfalls wegen eines Verstoßes gegen allgemeine Rechtsgrundsätze wie die der Gleichbehandlung oder des Vertrauensschutzes geahndet würde (vgl. die oben in Rn. 161 angeführte Rechtsprechung).

526    Gemäß Art. 12 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1107/2009 und Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012, wonach die EFSA in ihrer Schlussfolgerung angibt, ob der fragliche Wirkstoff voraussichtlich die Genehmigungskriterien des Art. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 erfüllt, unterliegt die wissenschaftliche Bewertung der mit der Verwendung eines Wirkstoffs verbundenen Risiken dem Ermessen der EFSA (siehe oben, Rn. 433), die somit beschließen kann, die Ausübung dieses Ermessens zu beschränken.

527    Zudem können, im Gegensatz zum Dokument „Rahmen zur Analogiebeurteilung“ (siehe oben, Rn. 479), die Leitlinien zur Beweiskraft, da sie von der EFSA verfasst wurden, der EFSA Verpflichtungen rechtlicher Art auferlegen, auf die sich ein Kläger in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Kommission die Begründung der angefochtenen Verordnung auf die Bewertung der EFSA stützte, mit Erfolg berufen könnte.

528    Schließlich unterscheiden sich die Leitlinien zur Beweiskraft in anderer Hinsicht von dem Dokument „Rahmen zur Analogiebeurteilung“ (siehe oben, Rn. 481 bis 482). Abschnitt 1.5 („Adressaten und Grad der Verpflichtung“) der Leitlinien zur Beweiskraft enthält den Hinweis, dass die Leitlinien an alle diejenigen gerichtet sind, die an den Bewertungen der EFSA mitwirken, und einen Rahmen darstellen, der harmonisiert und trotzdem flexibel ist und für alle Tätigkeitsbereiche der EFSA sowie jedwede wissenschaftliche Bewertung gilt, einschließlich der Risikobewertung. Ferner heißt es, dass der Wissenschaftliche Ausschuss – der Verfasser der Leitlinien zur Beweiskraft – im Hinblick auf eine Verbesserung der Transparenz der Auffassung ist, dass die Leitlinien für die EFSA unbedingt anwendbar sind.

529    Somit hat die EFSA dadurch, dass sie diese Verhaltensnormen erlassen und durch ihre Veröffentlichung angekündigt hat, dass sie sie fortan auf die von diesen Normen erfassten Fälle anwenden werde, die Ausübung ihres Ermessens beschränkt (vgl. die oben in Rn. 161 angeführte Rechtsprechung).

530    Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Leitlinien zur Beweiskraft für die EFSA verbindlich sein können. Dies ist bei Bestimmungen der Leitlinien der Fall, deren Wortlaut auf das Bestehen einer Verpflichtung hindeutet, deren Anwendung kontrolliert werden kann.

531    Aus diesem Grund und auch angesichts der Ausführungen oben in Rn. 523 kann das Vorbringen zum Verstoß gegen die Leitlinien zur Beweiskraft zur Stützung des Nichtigkeitsantrags der Klägerinnen angeführt werden.

532    Art. 13 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 sieht jedoch vor, dass die EFSA ihre Schlussfolgerung unter Verwendung der „zum Zeitpunkt der Vorlage der ergänzenden Dossiers geltenden“ Leitlinien annimmt.

533    Es steht fest, dass die ergänzenden Dossiers zur Stützung des Antrags auf Erneuerung der Genehmigung von CHP-methyl im Juli 2015 vorgelegt wurden, während die Leitlinien zur Beweiskraft erst im August 2017 veröffentlicht wurden (siehe oben, Rn. 487).

534    Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Leitlinien zur Beweiskraft weder für die EFSA galten, als sie die zwei Erklärungen annahm, noch für die Kommission, als sie die angefochtene Verordnung erließ.

535    Somit können sich die Klägerinnen nicht mit Erfolg auf die Leitlinien berufen.

536    Selbst wenn man annimmt, dass die oben in Rn. 532 genannte Bestimmung nicht für die Leitlinien zur Beweiskraft gilt, steht es im Einklang mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit und dem Rückwirkungsverbot, wenn diese Leitlinien nur auf die nach ihrer Veröffentlichung gestellten Anträge auf Genehmigung chemischer Stoffe oder Erneuerung einer solchen Genehmigung angewandt werden.

537    Denn der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es im Allgemeinen, den Beginn der Geltungsdauer eines Unionsrechtsakts auf einen Zeitpunkt vor dessen Veröffentlichung zu legen. Zwar kann dies ausnahmsweise dann anders sein, wenn das angestrebte Ziel es verlangt und das berechtigte Vertrauen der Betroffenen gebührend beachtet ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Januar 1979, Racke, 98/78, EU:C:1979:14, Rn. 20).

538    Die Akte enthält jedoch keinen Hinweis darauf, dass diese zwei Voraussetzungen erfüllt sind.

539    Folglich sind das dritte Argument der Klägerinnen sowie die Rüge, mit der die Anwendung des Ansatzes der Beweiskraft durch die EFSA in ihren zwei Erklärungen und später durch die Kommission in der angefochtenen Verordnung beanstandet wird, insgesamt in jedem Fall zurückzuweisen.

d)      Zu den in der Erwiderung neu vorgebrachten Umständen

540    Die Klägerinnen berufen sich auf die Studie vom 14. Mai 2020 (siehe oben, Rn. 220). Sie machen geltend, die Ergebnisse der Studie ließen den Schluss zu, dass Chlorpyrifos kein genotoxisches Potenzial habe. Gleiches gelte folglich für CHP-methyl. Somit liege insoweit ein offensichtlicher Beurteilungsfehler vor.

541    Das Vorbringen der Klägerinnen betrifft erstens die Studie vom 14. Mai 2020 als solche, zweitens die Information, dass die Studie während des Verfahrens zum Erlass der angefochtenen Verordnung in Ausarbeitung befindlich war, drittens den der EFSA am 30. April 2019 übermittelten Zwischenbericht (siehe oben, Rn. 186) und viertens andere, in der Studie vom 14. Mai 2020 genannte Studien.

542    Was erstens die Berufung der Klägerinnen auf die Studie vom 14. Mai 2020 betrifft, die nach dem Erlass der angefochtenen Verordnung erstellt wurde, genügt der Hinweis, dass die Studie aus den oben in den Rn. 220 bis 223 dargelegten Gründen nicht berücksichtigt werden konnte.

543    Zweitens ist zum Vorliegen einer in Ausarbeitung befindlichen Studie, deren Ergebnisse während des Verfahrens zum Erlass der angefochtenen Verordnung noch nicht bekannt waren, festzustellen, dass dieser Umstand für sich genommen nur dann den Schluss auf einen etwaigen offensichtlichen Beurteilungsfehler in der angefochtenen Verordnung zuließe, wenn er die Kommission verpflichtet hätte, den Erlass der Verordnung bis zur Freigabe der Ergebnisse der Studie zu verschieben.

544    Die Klägerinnen haben sich jedoch auf keine Bestimmung und keinen Grundsatz berufen, der die Kommission verpflichtet, den Erlass einer Maßnahme wie der angefochtenen Verordnung allein aus dem Grund zu verschieben, dass sich eine Studie in Ausarbeitung befindet.

545    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof, nachdem er festgestellt hatte, dass die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1107/2009 auf dem Vorsorgeprinzip beruhen und dem nicht entgegenstehen, dass die Kommission dieses Prinzip anwendet, wenn wissenschaftliche Ungewissheit besteht, ob die Wirkstoffe, die Gegenstand einer Überprüfung gemäß Art. 21 der Verordnung Nr. 1107/2009 sind, Gefahren für die menschliche Gesundheit bergen, entschieden hat, dass das Vorsorgeprinzip nicht verlangt, dass der Erlass einer Verordnung über die Aufhebung oder Änderung der Genehmigung eines Wirkstoffs allein deshalb aufgeschoben wird, weil gerade Studien durchgeführt werden, durch die die verfügbaren wissenschaftlichen und technischen Daten in Frage gestellt werden könnten (Urteil vom 6. Mai 2021, Bayer CropScience und Bayer/Kommission, C‑499/18 P, EU:C:2021:367, Rn. 79 und 82).

546    Eine solche Lösung, die im Rahmen eines Verfahrens angewandt wird, mit dem die Kommission jederzeit die noch gültige Genehmigung eines Wirkstoffs überprüfen kann, gilt auch für ein – wie vorliegend der Fall – Verfahren zur Erneuerung der Genehmigung eines Wirkstoffs, das die Genehmigung eines Wirkstoffs betrifft, deren Gültigkeitszeitraum abgelaufen ist oder ablaufen wird.

547    Was drittens den Zwischenbericht betrifft, der der EFSA vorlag, als sie die Bewertung von CHP-methyl vornahm, kann das Vorliegen des Zwischenberichts, der der EFSA am 30. April 2019 übermittelt wurde, angesichts der oben in den Rn. 305 bis 314 dargelegten Umstände nicht zu der Feststellung führen, dass die EFSA und später die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begingen, als sie zu dem Ergebnis kamen, dass ein genotoxisches Potenzial von CHP-methyl nicht ausgeschlossen werden könne (siehe oben, Rn. 266 bis 268).

548    Viertens genügt in Bezug auf die Berufung der Klägerinnen auf die drei von der EFSA 2013, 2016 und 2017 veröffentlichten Studien der Hinweis, dass diese Studien für unzulässig erklärt worden sind (siehe oben, Rn. 85).

549    Folglich ist die Rüge, die die von den Klägerinnen in der Erwiderung neu vorgebrachten Umstände betrifft, insgesamt zurückzuweisen.

550    Angesichts der Erwägungen oben in den Rn. 417 bis 549 ist festzustellen, dass die Risikobetrachtung, die die Kommission in der angefochtenen Verordnung in Bezug auf die Genotoxizität von CHP-methyl vornahm, nicht offensichtlich auf Beurteilungen beruht, die jeglicher Plausibilität entbehren (siehe oben, Rn. 416). Somit ist die Rüge zum genotoxischen Potenzial von CHP-methyl insgesamt zurückzuweisen.

3.      Entwicklungsneurotoxizität

551    Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe sich – nach der EFSA – zu Unrecht auf drei wissenschaftliche, in der Erklärung vom 8. November 2019 genannte Artikel gestützt, als sie festgestellt habe, dass es „Bedenken im Hinblick auf die Entwicklungsneurotoxizität (DNT)“ von CHP-methyl gebe.

552    Die fraglichen Artikel bezögen sich nicht unmittelbar auf CHP-methyl. Die Klägerinnen bestreiten den von der EFSA festgestellten Zusammenhang zwischen einer Exposition gegenüber CHP-methyl und den in diesen Artikeln beschriebenen schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit. Sie stützen sich insoweit auf eine Fußnote in der Erklärung vom 8. November 2019, die ihrer Meinung nach die Berücksichtigung einer Exposition gegenüber CHP-methyl in diesen Artikeln in Frage stellt. Sie machen ferner geltend, CHP-methyl sei nicht in der Region verwendet worden, in der die einem der Artikel zugrunde liegende Studie durchgeführt worden sei.

553    Darüber hinaus bestreiten die Klägerinnen die Verlässlichkeit und Relevanz der drei anderen Artikel, die die EFSA in der Erklärung vom 8. November 2019 anführte.

554    Außerdem beanstanden sie, wie bereits in Bezug auf die Genotoxizität (siehe oben, Rn. 475), dass die Kommission für CHP-methyl und sämtliche von organischen Phosphaten abgeleiteten Insektizide das Analogiekonzept verwendet habe, ohne die Hypothese für die Anwendung und Begründung des Analogiekonzepts dargelegt zu haben.

555    Vorab sind die Umstände in Erinnerung zu rufen, auf die sich die Kommission stützte, um in der angefochtenen Verordnung festzustellen, dass es „Bedenken im Hinblick auf die Entwicklungsneurotoxizität (DNT)“ von CHP-methyl gebe.

556    Insoweit stellte die Kommission im zehnten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung fest, dass es für die Bedenken im Hinblick auf die Entwicklungsneurotoxizität von CHP-methyl „epidemiologische Belege gibt, die zeigen, dass ein Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber Chlorpyrifos und/oder [CHP]-methyl während der Entwicklungsphase und Entwicklungsstörungen des Nervensystems bei Kindern besteht“.

557    Darüber hinaus stützte die Kommission, wie oben in Rn. 269 erwähnt, die Begründung der angefochtenen Verordnung auf die zwei Erklärungen der EFSA und insbesondere auf die Erklärung vom 8. November 2019, deren Inhalt sie übernahm.

558    In der Erklärung vom 8. November 2019 stützte sich die EFSA auf drei Gesichtspunkte, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass Bedenken im Hinblick auf die Entwicklungsneurotoxizität (DNT) von CHP-methyl bestünden. Diese Gesichtspunkte betrafen erstens den Vorwurf der Unzulänglichkeit der Studie über die Entwicklungsneurotoxizität (siehe oben, Rn. 21), zweitens drei wissenschaftliche Artikel zum Vorliegen eines Zusammenhangs zwischen der Exposition gegenüber Chlorpyrifos oder CHP-methyl – sowie im weiteren Sinne gegenüber von organischen Phosphaten abgeleiteten Insektiziden – und Entwicklungsstörungen des Nervensystems bei Kindern und drittens andere wissenschaftliche Artikel, die ebenfalls die Entwicklungsneurotoxizität von CHP-methyl nachweisen sollten.

559    Folglich ist zu prüfen, inwieweit die Entscheidung der EFSA, sich auf die drei oben in Rn. 558 genannten Gesichtspunkte zu stützen, um festzustellen, dass Bedenken hinsichtlich der Entwicklungsneurotoxizität von CHP-methyl bestünden, durch die Argumente der Klägerinnen in Frage gestellt werden kann.

560    Was den ersten oben in Rn. 558 genannten Gesichtspunkt betrifft, d. h. die Studie über die Entwicklungsneurotoxizität, die Ratten betraf, findet sich in der Erklärung vom 8. November 2019 der Hinweis, dass es nicht möglich gewesen sei, die Höhe des Kleinhirns von Neugeborenen zu bewerten, da nur drei Kontrollstichproben für weibliche Tiere am 72. Tag nach der Geburt verfügbar gewesen seien. Aufgrund dieser statistischen Schwäche habe keine verlässliche Analyse durchgeführt werden können. Die Experten seien sich daher einig gewesen, dass die unzureichenden Daten zur Höhe des Kleinhirns als wesentlicher Mangel anzusehen seien, da eine Studie zu Chlorpyrifos eine Verringerung der Höhe des Kleinhirns bei Exposition gegenüber diesem Wirkstoff offenbart habe. In der Erklärung heißt es ferner, dass es nicht möglich gewesen sei, die höchste Dosis ohne beobachtete schädliche Wirkung (no observed adverse effect level) festzulegen, d. h. die höchste Dosis, bei der keine schädliche Wirkung beobachtet wird.

561    Die Klägerinnen beschränken sich insoweit auf das Vorbringen, die Studie über die Entwicklungsneurotoxizität sei nicht mit der ebenfalls in der Erklärung vom 8. November 2019 erwähnten Studie zu Chlorpyrifos (siehe oben, Rn. 560) vergleichbar. Zur Stützung dieses Arguments machen sie geltend, die zwei Studien seien mit einem zeitlichen Abstand von mehr als 15 Jahren durchgeführt worden und in der Studie über die Entwicklungsneurotoxizität seien zehnmal höhere Dosen verwendet worden.

562    Diese Gesichtspunkte und im weiteren Sinne das Argument einer fehlenden Vergleichbarkeit der zwei in Rede stehenden Studien können jedoch als solche weder die Feststellung der EFSA zur fehlenden Aussagekraft der Studie über die Entwicklungsneurotoxizität noch die Feststellung zum Auftreten einer Verringerung der Kleinhirnhöhe bei Exposition gegenüber Chlorpyrifos im Rahmen der Studie zu diesem Wirkstoff in Frage stellen. Diese Feststellungen betreffen nämlich die Vergleichsgegenstände, und das Argument der Klägerinnen betrifft nur das Verhältnis zwischen diesen Gegenständen (siehe oben, Rn. 560 und 561).

563    Die beiden Feststellungen reichen jedoch für die Schlussfolgerung aus, dass eine Unsicherheit in Bezug auf das Vorliegen eines entwicklungsneurotoxischen Risikos im Zusammenhang mit der Verwendung von CHP-methyl nicht ausgeschlossen werden kann.

564    Unter diesen Umständen und angesichts der Erwägungen oben in Rn. 413 lassen die Argumente der Klägerinnen es nicht zu, einen offensichtlichen Fehler darin zu sehen, dass die Experten zu dem Schluss kamen, die unzureichenden Daten zur Höhe des Kleinhirns seien als wesentlicher Mangel der Studie über die Entwicklungsneurotoxizität anzusehen, da eine Studie zu Chlorpyrifos eine Verringerung der Höhe des Kleinhirns bei Exposition gegenüber diesem Wirkstoff offenbart habe.

565    Zwar machen die Klägerinnen geltend, es sei möglich gewesen, eine zusätzliche Studie zu CHP-methyl anzufordern, um seine Wirkung auf die Höhe des Kleinhirns zu beurteilen.

566    Es ist jedoch zu beachten, dass derjenige, der einen Antrag auf Erneuerung der Genehmigung eines Wirkstoffs stellt, alle in Art. 7 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 genannten Informationen beizubringen hat, um nachzuweisen, dass der fragliche Wirkstoff die in Art. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 aufgestellten Kriterien erfüllt (siehe oben, Rn. 410).

567    Folglich kann die statistische Schwäche einer vom Antragsteller vorgelegten Studie nicht zu der Feststellung führen, dass die Bewertung des fraglichen Wirkstoffs unzureichend war und dies der EFSA anzulasten ist.

568    Zudem kann die EFSA gemäß Art. 13 Abs. 3 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 zwar zusätzliche Informationen beim Antragsteller anfordern, doch steht ihr nach diesen Bestimmungen ein gewisser Gestaltungsspielraum zu. Art. 13 Abs. 3 der genannten Durchführungsverordnung sieht nämlich vor, dass die EFSA zusätzliche Informationen vom Antragsteller anfordert, wenn sie „die Auffassung [vertritt], dass sie zusätzliche Informationen vom Antragsteller benötigt“.

569    Folglich haben die Klägerinnen, die sich auf die Feststellung beschränken, dass die Behörden eine konkrete zusätzliche Studie anfordern „konnten“ und „die Wahl hatten“, nicht dargelegt, dass ein offensichtlicher Beurteilungsfehler vorliegt.

570    Was den zweiten oben in Rn. 558 genannten Gesichtspunkt betrifft, der aus den in der Erklärung vom 8. November 2019 angeführten drei wissenschaftlichen Artikeln besteht, geht aus diesen Artikeln nach Ansicht der EFSA hervor, dass eine pränatale Exposition gegenüber von organischen Phosphaten abgeleiteten Insektiziden, zu denen CHP-methyl zähle, einem festen Muster folgend zu einem frühen kognitiven und verhaltensbezogenen Defizit führe.

571    Die genannten Artikel stützten sich somit auf eine Korrelation zwischen der Exposition der untersuchten menschlichen Populationen gegenüber von organischen Phosphaten abgeleiteten Insektiziden und den negativen Auswirkungen auf die Gesundheit ihrer Mitglieder.

572    Die Klägerinnen stellen ein Element dieser Korrelation in Frage, nämlich die Exposition der untersuchten menschlichen Populationen gegenüber CHP-methyl.

573    Insoweit ist festzustellen, dass gemäß Art. 3 Nr. 32 der Verordnung Nr. 1107/2009 ein Metabolit ein Abbauprodukt eines Wirkstoffs ist, das entweder in Organismen oder in der Umwelt entsteht.

574    Auch wenn die drei oben in Rn. 570 genannten wissenschaftlichen Artikel nicht speziell die Exposition gegenüber CHP-methyl betreffen, wurde in zwei Artikeln ein Metabolit sowohl von CHP-methyl als auch von Chlorpyrifos im mütterlichen Urin der untersuchten Population gemessen.

575    Zwar ist es möglich, wie einer Fußnote in der Erklärung vom 8. November 2019 zu entnehmen ist, dass ein signifikanter Anteil dieses in den Urinproben enthaltenen Metaboliten auf eine unmittelbare Aufnahme des bereits in der Umwelt vorhandenen Metaboliten zurückzuführen ist und nicht auf die Ingestion von CHP-methyl oder Chlorpyrifos. In der fraglichen Fußnote wird jedoch nicht ausgeschlossen, dass das Vorkommen dieses Metaboliten in den Urinproben zumindest teilweise von einer solchen Ingestion stammt.

576    Ebenso wenig lässt der Umstand, dass CHP-methyl in der Region, in der die Studie für einen der drei oben in Rn. 570 genannten Artikel durchgeführt wurde, nicht für landwirtschaftliche Zwecke genutzt wurde oder dass in dieser Region „eine zusätzliche Belastung mit Insektizidvorstufen im Vergleich zur nationalen Stichprobe“ gegeben war, die Schlussfolgerung zu, dass bei der untersuchten Bevölkerungsgruppe keine Exposition gegenüber CHP-methyl stattgefunden hatte. Die Klägerinnen haben nämlich keine Nachweise erbracht, anhand deren sich ausschließen lässt, dass die Ernährung für die untersuchte Bevölkerungsgruppe eine bedeutende Quelle der Exposition gegenüber diesem Wirkstoff darstellt.

577    Zudem wurde in den drei oben in Rn. 570 genannten wissenschaftlichen Artikeln auch das Vorkommen anderer Metaboliten, die zwar nicht spezifisch für von organischen Phosphaten abgeleitete Insektizide sind, jedoch bei deren Abbau entstehen können, im Urin von Müttern und Kindern berücksichtigt. Das Vorhandensein dieser anderen Metaboliten, das in den genannten Artikeln festgestellt wurde, bestätigt somit das Vorliegen einer Exposition der untersuchten Bevölkerungsgruppen gegenüber von organischen Phosphaten abgeleiteten Insektiziden und folglich eine Korrelation zwischen dieser Exposition und den festgestellten frühen kognitiven und verhaltensbezogenen Defiziten.

578    Angesichts der Erwägungen oben in den Rn. 570 bis 577 lässt das Vorbringen der Klägerinnen nicht den Schluss zu, dass die Feststellung, wonach die Ergebnisse der oben in Rn. 570 genannten drei wissenschaftlichen Artikel dazu beitragen, Bedenken hinsichtlich der Entwicklungsneurotoxizität von CHP-methyl entstehen zu lassen, indem sie darlegen, dass die pränatale Exposition gegenüber von organischen Phosphaten abgeleiteten Insektiziden mit dem Auftreten früher kognitiver und verhaltensbezogener Defizite korreliert, offensichtlich fehlerhaft ist.

579    Was den dritten oben in Rn. 558 genannten Gesichtspunkt betrifft, der aus den drei zusätzlichen wissenschaftlichen Artikeln besteht, die ebenfalls einen Beitrag zum Nachweis der Entwicklungsneurotoxizität von CHP-methyl geleistet haben sollen, so beziehen sich diese Artikel, wie von den Klägerinnen geltend gemacht, nicht konkret auf CHP-methyl, sondern auf von organischen Phosphaten abgeleitete Insektizide. Dieser Umstand kann für sich genommen jedoch nicht die Schlussfolgerung entkräften, wonach die Ergebnisse der den Artikeln zugrunde liegenden Studien für das Bestehen eines Zusammenhangs zwischen der Exposition gegenüber von organischen Phosphaten abgeleiteten Insektiziden, zu denen CHP-methyl zählt, und dem Risiko der Entwicklungsneurotoxizität sprechen.

580    Die Artikel stellen somit einen übereinstimmenden Gesichtspunkt dar, der in die gleiche Richtung weist wie die zwei anderen Gesichtspunkte, die die EFSA bereits berücksichtigt hatte, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass Bedenken hinsichtlich der Entwicklungsneurotoxizität von CHP-methyl bestünden.

581    Was die zwei letzten oben in Rn. 558 genannten Gesichtspunkte betrifft, hat die Kommission zu Recht darauf hingewiesen, dass die Klägerinnen keine Anhaltspunkte vorgelegt haben, die die ihrer Argumentation implizit zugrunde liegende These stützen könnten, wonach CHP-methyl eine Ausnahme zu dem beobachteten Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber von organischen Phosphaten abgeleiteten Insektiziden und dem Bestehen früher kognitiver und verhaltensbezogener Defizite bilde.

582    Aus den oben in den Rn. 555 bis 581 dargelegten Gründen ergibt sich, dass in Bezug auf die Entwicklungsneurotoxizität von CHP-methyl nicht festgestellt werden kann, dass die Erklärung vom 8. November 2019 und folglich die angefochtene Verordnung, deren Begründung sich insbesondere auf die in der Erklärung enthaltene Bewertung stützt, auf Beurteilungen beruhen, die jeglicher Plausibilität entbehren (siehe oben, Rn. 416).

583    Selbst wenn man annimmt, dass die Klägerinnen so zu verstehen sind, dass sie geltend machen, es sei nicht möglich, das Analogiekonzept in Bezug auf die Entwicklungsneurotoxizität von CHP-methyl anzuwenden, tragen sie hierzu nur ein einziges konkretes Argument vor, nämlich dass keine mit der erforderlichen Begründung versehene Hypothese genannt worden sei, auf der die Anwendung des Analogiekonzepts beruhe.

584    Dieses Argument, das implizit, jedoch zwangsläufig die Berufung auf Bestimmungen des ECHA-Dokuments voraussetzt, kann aufgrund der oben in den Rn. 476 bis 483 dargelegten Erwägungen zurückgewiesen werden.

585    Zudem können die fehlende Benennung einer Hypothese sowie das beanstandete Fehlen einer von der EFSA oder der Kommission gelieferten „überzeugenden Erläuterung“ in Bezug auf die Anwendung des Analogiekonzepts nicht dazu führen, dass die Feststellung, es bestünden Bedenken hinsichtlich der Entwicklungsneurotoxizität von CHP-methyl, ihrer Plausibilität beraubt wird, da diese Feststellung auf drei Gesichtspunkten basiert, die von den Klägerinnen nicht wirksam in Frage gestellt worden sind.

586    Nach alledem ist die vorliegende Rüge insgesamt zurückzuweisen.

4.      Einstufung als reproduktionstoxische Substanz der Kategorie 1B

587    Die Klägerinnen machen geltend, dass die Empfehlungen der EFSA für die Einstufung eines Wirkstoffs als toxisch im Sinne der Verordnung Nr. 1272/2008 in der Regel nicht zu einer solchen Einstufung führten. Daher sei CHP-methyl anschließend nicht als reproduktionstoxische Substanz der Kategorie 1B eingestuft worden. Dies gelte auch für andere Wirkstoffe, für die die EFSA diese Einstufung empfohlen habe.

588    Zudem sei das Analogiekonzept rechtswidrig oder unangemessen angewandt worden, und die EFSA habe insoweit selbst Vorbehalte geäußert.

589    In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass sich die Kommission in der angefochtenen Verordnung bei der Ablehnung der Erneuerung der Genehmigung von CHP-methyl auf drei Gründe berief, und zwar erstens den Umstand, dass „nicht auszuschließen [ist], dass [CHP]-methyl genotoxisches Potenzial hat“, zweitens das Bestehen von „Bedenken im Hinblick auf die Entwicklungsneurotoxizität (DNT)“ von CHP-methyl und drittens den Umstand, dass „es möglicherweise angezeigt ist, [CHP]-methyl … als reproduktionstoxisch (Kategorie 1B) einzustufen“ (siehe oben, Rn. 267).

590    Die Rüge der Klägerinnen bezieht sich jedoch nur auf den dritten der von der Kommission in der angefochtenen Verordnung angeführten Gründe.

591    Können bestimmte Gründe einer Entscheidung bereits für sich allein diese Entscheidung rechtlich hinreichend rechtfertigen, so haben Mängel, mit denen andere Gründe der Entscheidung gegebenenfalls behaftet sind, jedenfalls keinen Einfluss auf deren verfügenden Teil. Stützt die Kommission den verfügenden Teil einer Entscheidung auf mehrere Teile ihrer Würdigung, wovon jeder allein ausreichen würde, um die Verfügung zu begründen, so hat das Gericht eine derartige Entscheidung grundsätzlich nur dann für nichtig zu erklären, wenn jede dieser Stützen fehlerhaft ist. In einem derartigen Fall kann ein Fehler oder ein anderer Mangel, der nur eine der genannten Stützen betrifft, nicht genügen, um die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung herbeizuführen, da dieser Fehler den verfügenden Teil der Entscheidung nicht entscheidend beeinflussen kann (vgl. Urteil vom 14. Dezember 2005 General Electric/Kommission, T‑210/01, EU:T:2005:456, Rn. 42 und 43 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

592    Im vorliegenden Fall handelt es sich bei dem Umstand, dass „nicht auszuschließen [ist], dass [CHP]-methyl genotoxisches Potenzial hat“, und dem Bestehen von „Bedenken im Hinblick auf die Entwicklungsneurotoxizität (DNT)“ von CHP-methyl um Gründe, die die Klägerinnen im Rahmen der dagegen konkret erhobenen Rügen nicht wirksam in Frage gestellt haben (siehe oben, Rn. 417 bis 586). Diese Gründe sind zusammengenommen geeignet, den Erlass der angefochtenen Verordnung rechtlich hinreichend zu rechtfertigen.

593    Für die Ablehnung eines Antrags auf Erneuerung, d. h. für den Erlass einer Maßnahme, die im Hinblick auf die Rechte des Herstellers, der die Erneuerung der Genehmigung eines Wirkstoffs beantragt, beschränkend und im Hinblick auf die Gesundheit schützend ist, reicht es nämlich aus, dass, wie im vorliegenden Fall, eine bloße Unsicherheit hinsichtlich des Bestehens einer Gefahr für die Gesundheit festgestellt werden kann (siehe oben, Rn. 413).

594    Ferner wurde der dritte Grund, wonach es „möglicherweise angezeigt ist“, CHP-methyl als reproduktionstoxisch (Kategorie 1B) einzustufen, von der Kommission selbst als nicht tragender Grund angesehen, da er erst an dritter Stelle genannt wurde, durch die Formulierung „[f]erner“ eingeleitet wurde und als auf einer hypothetischen Einstufung von CHP-methyl als reproduktionstoxisch (Kategorie 1B) beruhend dargestellt wurde (siehe oben, Rn. 54).

595    Folglich hätte ein etwaiger Fehler, aufgrund dessen der dritte Grund mit einem Mangel behaftet wäre, keine Auswirkung auf den verfügenden Teil der Entscheidung der Kommission.

596    Nach alledem ist die vorliegende Rüge als ins Leere gehend zurückzuweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. März 2021, FMC/Kommission, T‑719/17, EU:T:2021:143, Rn. 35, 147 und 148).

597    Somit ist der Klagegrund, mit dem ein offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission gerügt wird, den sie begangen haben soll, als sie sich auf die Risikobewertung der EFSA stützte, insgesamt zurückzuweisen.

J.      Zum achten Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler und Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

598    Die Klägerinnen machen geltend, die angefochtene Verordnung verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da eine alternative Maßnahme denkbar gewesen sei, die darin bestanden hätte, die Genehmigung von CHP-methyl unter dem Vorbehalt der Übermittlung bestätigender Informationen zu erneuern.

599    Die Klägerinnen stützen sich auf drei Gesichtspunkte: Erstens seien die „regulatorischen Daten“ vollständig gewesen, zweitens sei der BEMS nicht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Erneuerung der Genehmigung von CHP-methyl verweigert werden müsse, und drittens habe Ascenza vorgeschlagen, die im Rahmen des Verfahrens zum Erlass der angefochtenen Verordnung aufgekommenen Unsicherheiten abzuklären.

600    Sie berufen sich zunächst auf die Bedenken hinsichtlich der Genotoxizität von CHP-methyl, die erst in einem späten Verfahrensabschnitt erhoben worden seien, sodann auf die Studie vom 14. Mai 2020 und schließlich auf die Bestimmungen von Nr. 3.6.4 des Anhangs II der Verordnung Nr. 1107/2009 (siehe oben, Rn. 11).

601    Außerdem verweisen die Klägerinnen auf Argumente, die sie zur Stützung der bereits geprüften und zurückgewiesenen Klagegründe geltend gemacht haben, wie den Verstoß gegen die Transparenzpflicht oder den offensichtlichen Beurteilungsfehler in Bezug auf die von der EFSA und anschließend der Kommission vorgenommene Risikobewertung.

602    Es ist darauf hinzuweisen, dass in dem Fall, dass die Kommission zu dem Ergebnis gelangt, dass der Antragsteller in Anbetracht sämtlicher ihr zur Verfügung stehender Informationen nicht hinreichend nachgewiesen hat, dass die Voraussetzungen für die beantragte Genehmigung oder Zulassung vorliegen, sie den Antrag zurückweisen muss, ohne dass es für diese Entscheidung erforderlich wäre, ein Gegengutachten einzuholen (Urteil vom 1. Oktober 2019, Blaise u. a., C‑616/17, EU:C:2019:800, Rn. 95).

603    In einem solchen Fall geht der Klagegrund, mit dem die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme der Kommission beanstandet wird, ins Leere, da die Kommission verpflichtet ist, den fraglichen Antrag zurückzuweisen.

604    Vorliegend kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass die Antragsteller das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erneuerung der Genehmigung von CHP-methyl nicht hinreichend nachgewiesen hätten.

605    Dieses Ergebnis ist von den Klägerinnen nicht wirksam in Frage gestellt worden (siehe oben, Rn. 597).

606    Folglich können sich die Klägerinnen nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Kommission die Möglichkeit gehabt habe, eine alternative und weniger belastende Maßnahme zu beschließen.

607    Selbst wenn man den Gestaltungsspielraum berücksichtigt, über den die Kommission als Verantwortliche für den Umgang mit den bei der wissenschaftlichen Bewertung ermittelten Risiken verfügt, reichen die von den Klägerinnen vorgetragenen Umstände (siehe oben, Rn. 598 bis 601) insgesamt nicht aus, um festzustellen, dass die Kommission, als sie sich dafür entschied, die Genehmigung von CHP-methyl nicht zu erneuern, anstatt sie unter dem Vorbehalt der Übermittlung bestätigender Daten zu erneuern, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging.

608    Zwar sieht Art. 6 Buchst. f der Verordnung Nr. 1107/2009 vor, dass die Genehmigung eines Wirkstoffs Bedingungen und Einschränkungen unterworfen werden kann, wie der Übermittlung zusätzlicher bestätigender Informationen an die Mitgliedstaaten, die Kommission und an die EFSA, soweit „im Verlaufe der Bewertung oder aufgrund neuer wissenschaftlicher und technischer Erkenntnisse neue Anforderungen festgelegt werden“.

609    Die vorgenannten Bestimmungen räumen der Kommission jedoch einen weiten Gestaltungsspielraum ein, da sie sie nicht dazu verpflichten, eine mit Bedingungen und Einschränkungen versehene Genehmigung zu erteilen, anstatt die Genehmigung oder ihre Erneuerung zu verweigern.

610    Im Übrigen ist nach ständiger Rechtsprechung die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Rechtsakts im Rahmen einer Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 AEUV nach der Sach- und Rechtslage zu beurteilen, wie sie bei Erlass des Akts bestand (siehe oben, Rn. 221).

611    Folglich kann die von den Klägerinnen angeführte Studie vom 14. Mai 2020 nicht berücksichtigt werden, da sie nach dem Erlass der angefochtenen Verordnung erstellt wurde (siehe oben, Rn. 222 und 223).

612    Was den Zwischenbericht zu dieser Studie betrifft, der vor dem Erlass der angefochtenen Verordnung erstellt wurde, sowie die Information, der zufolge eine Studie während des Verfahrens zum Erlass der angefochtenen Verordnung in Ausarbeitung befindlich war, können diese Gesichtspunkte angesichts der Ausführungen oben in den Rn. 305 bis 314 nicht zu der Feststellung führen, dass die EFSA und später die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begingen, als sie zu dem Ergebnis kamen, dass das genotoxische Potenzial von CHP-methyl nicht ausgeschlossen werden könne.

613    Außerdem steht die Studie vom 14. Mai 2020 in keinem Zusammenhang mit dem von der Kommission in der angefochtenen Verordnung genannten zweiten Grund, der Bedenken in Bezug auf die Entwicklungsneurotoxizität von CHP-methyl betrifft.

614    Somit lässt sich aus diesen Gesichtspunkten nicht folgern, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging, als sie sich dafür entschied, die Genehmigung von CHP-methyl nicht zu erneuern, anstatt sie unter dem Vorbehalt der Übermittlung bestätigender Daten zu erneuern.

615    Außerdem ist keiner der anderen von den Klägerinnen geltend gemachten Gesichtspunkte (siehe oben, Rn. 599 bis 601) für den Nachweis relevant, dass zum einen die Bedingungen von Art. 6 Buchst. f der Verordnung Nr. 1107/2009 erfüllt sind und zum anderen die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging, als sie die Genehmigung von CHP-methyl nicht unter dem Vorbehalt der Übermittlung bestätigender Daten erneuerte.

616    Darüber hinaus sind diese Gesichtspunkte nicht stichhaltig.

617    Erstens lässt sich aus dem Umstand, dass die von den Antragstellern vorgelegten Versuche und Studien zu CHP-methyl keinen Anlass zu Bedenken gaben, nicht folgern, dass die Bewertung der mit der Verwendung dieses Wirkstoffs verbundenen Risiken abschließend durchgeführt worden war (siehe oben, Rn. 386).

618    Zweitens wurde im vorliegenden Fall, wie oben in Rn. 280 dargelegt, nicht nachgewiesen, dass der Entwurf des Bewertungsberichts und die Schlussfolgerung der EFSA hinreichend voneinander abweichen.

619    Drittens lässt der Umstand, dass Ascenza vorgeschlagen habe, die im Lauf des Verfahrens zum Erlass der angefochtenen Verordnung aufgekommenen Unsicherheiten abzuklären, nicht die Feststellung zu, dass ein offensichtlicher Beurteilungsfehler vorliegt.

620    Insoweit haben die Klägerinnen, die sich auf den Hinweis beschränken, dass die Behörden eine konkrete zusätzliche Studie anfordern „konnten“ und „die Wahl hatten“, nicht dargelegt, dass ein Verstoß gegen Art. 13 Abs. 3 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 (siehe oben, Rn. 568 und 569) oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vorliegt.

621    Viertens lässt der Umstand, dass die EFSA erst nach den Expertenanhörungen im April 2019 (siehe oben, Rn. 24) in der Erklärung vom 31. Juli 2019 Bedenken in Bezug auf die menschliche Gesundheit äußerte (siehe oben, Rn. 28 bis 33), nicht den Schluss zu, dass ein offensichtlicher Beurteilungsfehler vorliegt.

622    Dies gilt umso mehr, als die anwendbaren Bestimmungen vorsehen, dass die EFSA auf der Grundlage u. a., wie vorliegend, der Ergebnisse einer Expertenanhörung berechtigt ist, zu dem Zeitpunkt, an dem sie ihre Schlussfolgerung vorbereitet, neue Einwände gegenüber der Erneuerung der Genehmigung des fraglichen Wirkstoffs zu erheben (siehe oben, Rn. 206 bis 207), d. h. in einem Verfahrensabschnitt, der hinter demjenigen liegt, in dem sie, zusammen mit den nicht Bericht erstattenden Mitgliedstaaten und der Öffentlichkeit, Stellungnahmen zum Entwurf des Bewertungsberichts abgeben kann.

623    Was ferner den in der angefochtenen Verordnung genannten Grund betrifft, der sich auf die Entwicklungsneurotoxizität bezieht, war bei der Freigabe des Entwurfs des Bewertungsberichts, die am 18. Oktober 2017 begann, bereits Kritik an der Studie über die Entwicklungsneurotoxizität durch Mitglieder der Öffentlichkeit geäußert worden (siehe oben, Rn. 21).

624    Fünftens berufen sich die Klägerinnen auf die Bestimmungen von Nr. 3.6.4 des Anhangs II der Verordnung Nr. 1107/2009.

625    Gemäß diesen Bestimmungen ist ein Wirkstoff nur dann zu genehmigen, wenn er nicht nach den Bestimmungen der Verordnung Nr. 1272/2008 als reproduktionstoxisch der Kategorie 1A oder 1B eingestuft wird oder einzustufen ist, es sei denn, die Exposition von Menschen gegenüber diesem Wirkstoff ist unter realistisch anzunehmenden Verwendungsbedingungen vernachlässigbar (siehe oben, Rn. 11).

626    Die Klägerinnen machen geltend, angesichts des „Vorbehalts“, den diese Bestimmung vorsehe, sei es nicht ausreichend, das Vorliegen der Voraussetzung, wonach der streitige Wirkstoff als reproduktionstoxisch der Kategorie 1B eingestuft wird oder einzustufen ist, festzustellen, um die Genehmigung oder die Erneuerung der Genehmigung des fraglichen Wirkstoffs auszuschließen.

627    Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass sich das Argument der Klägerinnen gegen die zweite Begründung der angefochtenen Verordnung richtet, die sich auf das Bestehen von „Bedenken im Hinblick auf die Entwicklungsneurotoxizität (DNT)“ von CHP-methyl stützt.

628    Diese Begründung bezieht sich aber nicht auf das Kriterium einer möglichen Einstufung von CHP-methyl als reproduktionstoxisch (Kategorie 1A oder 1B) gemäß den Bestimmungen der Verordnung Nr. 1272/2008, sondern auf das Bestehen von Bedenken im Hinblick auf die Entwicklungsneurotoxizität des fraglichen Wirkstoffs.

629    Folglich ist das Argument als ins Leere gehend zurückzuweisen.

630    Aus den Erwägungen oben in den Rn. 607 bis 629 ergibt sich, dass die Klägerinnen jedenfalls nicht nachgewiesen haben, dass die angefochtene Verordnung offensichtlich unverhältnismäßig ist.

631    Der vorliegende Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

K.      Zum zehnten Klagegrund: Verstoß gegen die Pflicht zur Begründung der Anwendung des Analogiekonzepts

632    Die ECCA macht geltend, der Kommission habe eine erhöhte Begründungspflicht oblegen, da sie sich – nach der EFSA – in Bezug auf die Genotoxizität von CHP-methyl auf das Analogiekonzept gestützt habe.

633    Die Erklärung vom 8. November 2019 weise einen inneren Widerspruch auf, da mehrere Unterschiede zwischen CHP-methyl und Chlorpyrifos erwähnt würden.

634    Zudem habe Ascenza während des Verfahrens zum Erlass der angefochtenen Verordnung detaillierte Argumente zur Rechtswidrigkeit der Verwendung des Analogiekonzepts vorgetragen.

635    Schließlich habe die Kommission erstmals die Dauer des Verfahrens zur Prüfung eines Antrags auf Erneuerung verkürzt, indem sie die EFSA aufgefordert habe, Erklärungen vorzulegen. Nach Auffassung der ECCA hätte die Kommission die insoweit an die EFSA gerichteten Aufforderungen ausführlicher begründen müssen.

636    Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe nicht hinreichend dargelegt, inwieweit das Analogiekonzept auf Chlorpyrifos und CHP-methyl anwendbar sei.

637    Außerdem seien die an die EFSA gerichteten Aufforderungen, Erklärungen abzugeben, nicht ausreichend begründet.

638    Die Kommission habe ferner nicht hinreichend begründet, warum sie drei Studien, die den Vorschriften nicht entsprächen, mehr Bedeutung beigemessen habe als den „regulatorischen Daten“ (siehe oben, Rn. 365 bis 374).

639    Insoweit ist vorab festzustellen, dass sich die ECCA zwar auf eine der Kommission obliegende „erhöhte Begründungspflicht“ beruft, jedoch weder den anwendbaren Rechtsvorschriften noch der Rechtsprechung zu entnehmen ist, dass in einem Fall wie dem vorliegenden eine solche Pflicht anwendbar ist.

640    Darüber hinaus ist auf die oben in den Rn. 263 und 264 angeführte Rechtsprechung zu verweisen, vor deren Hintergrund der vorliegende Klagegrund zu prüfen ist.

641    Im vorliegenden Fall heißt es im zehnten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung:

„… Angesichts der Bedenken hinsichtlich Chlorpyrifos und der frei verfügbaren wissenschaftlichen Literatur zu [CHP]-methyl ist nach dem Ansatz der Beweiskraft der Daten nicht auszuschließen, dass [CHP]-methyl genotoxisches Potenzial hat. Während des Peer-Review betrachteten die Experten die Anwendung des Analogiekonzepts auf die beiden Stoffe als gerechtfertigt, da sie strukturell ähnlich sind und ein ähnliches toxikokinetisches Verhalten aufweisen. Daher können für [CHP]-methyl keine gesundheitsbasierten Referenzwerte festgelegt und das Risiko für die Verbraucher sowie das Risiko durch eine nicht lebensmittelbezogene Exposition nicht bewertet werden. …“

642    Zudem sind bei der Prüfung der Begründung der angefochtenen Verordnung die beiden Erklärungen der EFSA und insbesondere die Erklärung vom 8. November 2019 zu berücksichtigen, deren Inhalt die Kommission im zehnten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung ausdrücklich übernahm (siehe oben, Rn. 269 und 270).

643    Dieser Erklärung ist zu entnehmen, dass die Experten bei der Zusammenkunft im April 2019 (siehe oben, Rn. 24) die strukturelle Gemeinsamkeit der zwei Moleküle erörtert hätten und darin übereingekommen seien, das Analogiekonzept anzuwenden. Was das Expertentreffen im September 2019 betrifft (siehe oben, Rn. 37), das u. a. die Möglichkeit einer Anwendung des Analogiekonzepts zum Gegenstand hatte (siehe oben, Rn. 28), enthält die Erklärung den Hinweis, dass die Experten die in dem Teil zur Toxizität für Säugetiere festgestellten Unterschiede zwischen den zwei fraglichen Wirkstoffen berücksichtigt hätten und der Auffassung gewesen seien, dass sich angesichts der Molekularstruktur der zwei Wirkstoffe aus diesen Unterschieden kein unterschiedliches genotoxisches Potenzial ableiten lasse (siehe oben, Rn. 451 bis 457).

644    Angesichts der Erwägungen oben in den Rn. 641 bis 643 ist entgegen dem Vorbringen der ECCA und der Klägerinnen festzustellen, dass die Begründung der angefochtenen Verordnung in Bezug auf die Gründe für die Anwendung des Analogiekonzepts hinreichend detailliert ist.

645    Ergänzend ist erstens festzustellen, dass die Erklärung vom 8. November 2019 entgegen dem Vorbringen der ECCA (siehe oben, Rn. 633) mit keinem inneren Widerspruch behaftet ist, da die EFSA darauf hinwies, dass die Experten trotz der von ihnen zuvor identifizierten Unterschiede zwischen den zwei Wirkstoffen zu dem Ergebnis gekommen seien, dass das Analogiekonzept für CHP-methyl und Chlorpyrifos angewandt werden könne.

646    Zweitens ist in Bezug auf die Rüge der ECCA, Ascenza habe während des Verfahrens zum Erlass der angefochtenen Verordnung detaillierte Argumente zur Rechtswidrigkeit der Verwendung des Analogiekonzepts vorgetragen (siehe oben, Rn. 634), darauf hinzuweisen, dass nach Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 76 der Verfahrensordnung des Gerichts die Klageschrift den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss. Diese Angaben müssen so klar und genau sein, dass dem Beklagten die Vorbereitung seiner Verteidigung und dem Gericht die Entscheidung über die Klage, gegebenenfalls auch ohne weitere Informationen, ermöglicht wird (Urteil vom 30. Januar 2007, France Télécom/Kommission, T‑340/03, EU:T:2007:22, Rn. 166).

647    Ferner ist daran zu erinnern, dass zwar die Klageschrift zu speziellen Punkten durch Bezugnahmen auf bestimmte Passagen beigefügter Unterlagen untermauert und ergänzt werden kann, die Anlagen aber eine bloße Beweis- und Hilfsfunktion haben. Sie können deshalb nicht der näheren Ausführung eines in der Klageschrift gedrängt dargestellten Klagegrundes unter Nennung in der Klageschrift nicht enthaltener Rügen oder Argumente dienen. Die Klägerin muss in ihrer Klageschrift die genauen Rügen angeben, über die das Gericht entscheiden soll, und zumindest in gedrängter Form die rechtlichen und tatsächlichen Umstände darlegen, auf denen diese Rügen beruhen (Urteil vom 30. Januar 2007, France Télécom/Kommission, T‑340/03, EU:T:2007:22, Rn. 167).

648    Im vorliegenden Fall beschränkt sich die ECCA in ihren Schriftsätzen jedoch auf den Verweis auf eine Reihe von Anlagen zur Klageschrift und den Hinweis auf die „Relevanz … und Bedeutung der Argumente“, ohne nähere Angaben zu den Argumenten zu machen.

649    Folglich ist die oben in Rn. 646 genannte Rüge als unzulässig zurückzuweisen.

650    Drittens ist zur Begründung der an die EFSA gerichteten Aufforderungen der Kommission, Erklärungen abzugeben (siehe oben, Rn. 637), festzustellen, dass im vorliegenden Fall der Nichtigkeitsantrag der Klägerinnen nicht auf diese Erklärungen, sondern auf die angefochtene Verordnung gerichtet ist. Außerdem machen die Klägerinnen nicht geltend, dass die Erklärungen rechtswidrig seien. Folglich ist eine Rüge wie die vorliegende, die sich auf einen inhärenten Mangel der Erklärungen stützt, als ins Leere gehend anzusehen.

651    Im Hinblick auf die Begründung der angefochtenen Verordnung selbst, soweit sie die fraglichen Aufforderungen betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass es im neunten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung heißt:

„Im April 2019 organisierte die [EFSA] ein Expertengespräch, um bestimmte Elemente im Zusammenhang mit der Bewertung des Risikos für die menschliche Gesundheit zu erörtern. Aufgrund von Bedenken hinsichtlich der Genotoxizität und der Entwicklungsneurotoxizität, die während dieses Gesprächs geäußert wurden, hat die Kommission der [EFSA] am 1. Juli 2019 ein Mandat erteilt und um eine Erklärung zu den verfügbaren Ergebnissen der Bewertung des Risikos für die menschliche Gesundheit und eine Einschätzung ersucht, ob angenommen werden kann, dass der Wirkstoff die Genehmigungskriterien gemäß Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009, die die menschliche Gesundheit betreffen, erfüllt.“

652    Angesichts der oben in den Rn. 263 und 264 angeführten Rechtsprechung musste die Kommission die Gründe, aus denen sie die fraglichen Aufforderungen im Rahmen des Verfahrens zum Erlass der angefochtenen Verordnung versandte, nicht ausführlicher darlegen als im neunten Erwägungsgrund der Verordnung.

653    Was viertens die Begründung in Bezug auf das Argument betrifft, den vom BEMS bei der zweiten Expertenanhörung im September 2019 vorgelegten ergänzenden Artikeln sei mehr Bedeutung beigemessen worden als den „regulatorischen Daten“ (siehe oben, Rn. 638), ergibt sich aus den Ausführungen oben in Rn. 506, dass dieses Argument sachlich unzutreffend ist.

654    Aus den Erwägungen oben in den Rn. 639 bis 653 folgt, dass der vorliegende, von der ECCA geltend gemachte Klagegrund zurückzuweisen ist, ohne dass zuvor über seine Zulässigkeit entschieden werden muss.

655    Die Klage ist somit insgesamt abzuweisen.

 Kosten

656    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kommission und der HEAL die Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes aufzuerlegen.

657    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Folglich tragen das Königreich Dänemark und die Französische Republik ihre eigenen Kosten.

658    Nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht entscheiden, dass ein anderer Streithelfer als die in den Abs. 1 und 2 dieses Artikels genannten seine eigenen Kosten trägt. Im vorliegenden Fall sind der ECCA, die dem Rechtsstreit zur Unterstützung der Anträge der Klägerinnen beigetreten ist, ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Ascenza Agro SA und Industrias Afrasa SA tragen ihre eigenen Kosten und die Kosten der Europäischen Kommission, einschließlich der Kosten der Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, sowie die Kosten der Health and Environment Alliance (HEAL).

3.      Das Königreich Dänemark, die Französische Republik und die European Crop Care Association (ECCA) tragen ihre eigenen Kosten.

da Silva Passos

Reine

Truchot

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 4 Oktober 2023.

Unterschriften.


*      Verfahrenssprache: Englisch.