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Klage, eingereicht am 10. Juli 2021 – Ferriere Nord/Kommission

(Rechtssache T-414/21)

Verfahrenssprache: Italienisch

Parteien

Klägerin: Ferriere Nord SpA (Osoppo, Italien) (Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte W. Viscardini, G. Donà und B. Comparini)

Beklagte: Europäische Kommission

Anträge

Die Klägerin beantragt,

1. a) die Europäische Union, vertreten durch die Europäische Kommission, gemäß den Art. 266 Abs. 2, 268 und 340 Abs. 2 AEUV zur Zahlung von 1 096 814,68 Euro (oder, hilfsweise, des vom Gericht gegebenenfalls unter Anwendung eines anderen als des nachstehend genannten Zinssatzes festgelegten anderen Betrags) – einem Betrag, der sich aus der Anwendung des am 9. März 2010 geltenden Refinanzierungssatzes (von 1 %) der Europäischen Zentralbank (EZB), erhöht um 3,5 Prozentpunkte, für den Zeitraum vom 9. März 2010 bis zum 25. Oktober 2017 ergibt (abzüglich 129 847,10 Euro, die als „aufgelaufene“ Zinsen bereits gezahlt sind) – als Ersatz des Schadens, der der Ferriere Nord SpA dadurch entstanden ist, dass die für die (durch die Beschlüsse C[2009] 7492 final vom 30. September 2009 und C[2009] 9912 final vom 8. Dezember 2009 der Europäischen Kommission verhängte) Geldbuße, die von der Ferriere Nord SpA am 9. März 2010 vorläufig gezahlt und von der Europäischen Kommission am 25. Oktober 2017 infolge des Urteils des Gerichtshofs vom 21. September 2017 in der Rechtssache C-88/15 P zurückgezahlt wurde, geschuldeten Verzugszinsen (unter Verstoß gegen Art. 266 Abs. 1 AEUV) nicht gezahlt worden sind, zu verurteilen;

folglich,

1. b) die Europäische Union, vertreten durch die Europäische Kommission, zur Zahlung eines weiteren Betrags als Kapitalisierung des oben unter Buchst. a genannten Schadensersatzes ab dem 25. Oktober 2017 (oder, hilfsweise, ab einem vom Gericht gegebenenfalls festgelegten anderen Zeitpunkt) bis zum Zeitpunkt der vollständigen und tatsächlichen Zahlung zu verurteilen, der zu dem von der Europäischen Zentralbank für ihre Hauptrefinanzierungsgeschäfte festgesetzten Zinssatz, erhöht um 3,5 Prozentpunkte (oder, hilfsweise, zu dem vom Gericht gegebenenfalls festgelegten Zinssatz), zu berechnen ist;

2. das Schreiben Ares(2021)2904048 der Europäischen Kommission (Generaldirektion Haushalt) vom 30. April 2021 gemäß Art. 263 AEUV für nichtig zu erklären;

3. jedenfalls die Europäische Kommission zur Tragung der in diesem Verfahren entstandenen Kosten zu verurteilen.

Klagegründe und wesentliche Argumente

Die Klägerin stützt ihre Klage auf zwei Gründe: Schadensersatz (1) und Nichtigerklärung des angefochtenen Schreibens (2).

Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Kommission wegen Verstoßes gegen Art. 266 Abs. 1 AEUV (sowie gegen Art. 83 der Verordnung Nr. 1268/20121 und/oder gegebenenfalls gegen Art. 86 der Verordnung Nr. 2342/20022 )

Insoweit wird geltend gemacht, dass zur vollständigen Durchführung (im Sinne von Art. 266 Abs. 1 AEUV) des Urteils des Gerichtshofs vom 21. September 2017 in der Rechtssache C-88/15 P (mit dem eine Nachprüfungsentscheidung aus dem Jahr 2009 gemäß Art. 101 AEUV für nichtig erklärt worden sei), die Kommission Ferriere Nord nicht nur die im Jahr 2010 vorläufig gezahlte Geldbuße, sondern auch die damit verbundenen Verzugszinsen habe erstatten müssen, die nach dem in Art. 83 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1268/2012 vorgesehenen Satz zu berechnen seien, d. h. dem von der EZB für ihre Hauptrefinanzierungsgeschäfte festgesetzten Satz, der am ersten Kalendertag des Fälligkeitsmonats gelte, zuzüglich 3,5 Prozentpunkte. Stattdessen habe die Kommission am 25. Oktober 2017 als Zinsen nur die „aufgelaufenen“ Zinsen im Sinne von Art. 90 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1268/2012 als Erträge des Bankkontos gezahlt, auf das die Klägerin die Geldbuße vorläufig eingezahlt habe. Die Nichtzahlung der Verzugszinsen stelle einen Verstoß gegen das Primärrecht der Europäischen Union dar (Art. 266 Abs. 1 AEUV), der die außervertragliche Haftung der Kommission zur Folge habe. Der aus den oben genannten Gründen geschuldete Schadensersatz müsse sodann ab dem Zeitpunkt, zu dem nur die „aufgelaufenen“ Zinsen gezahlt worden seien, bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung kapitalisiert werden.

Verstoß gegen Art. 46 der Satzung und folglich gegen Art. 266 Abs. 1 AEUV (sowie gegen Art. 83 der Verordnung Nr. 1268/2012 und/oder gegebenenfalls gegen Art. 86 der Verordnung Nr. 2342/2002)

Insoweit wird geltend gemacht, die Kommission habe im Schreiben vom 30. April 2021 erklärt, dass sie dem im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens gestellten Schadensersatzantrag von Ferriere Nord auf der Grundlage von Art. 46 der Satzung des Gerichtshofs nicht stattgeben könne/wolle, weil die dort vorgesehene fünfjährige Verjährungsfrist abgelaufen sei, da der ihre außervertragliche Haftung begründende Tatbestand (und damit der Beginn der Verjährungsfrist) die vorläufige Zahlung der Geldbuße im Jahr 2010 sei. Ferriere Nord macht dagegen geltend, dass der die außervertragliche Haftung begründende Tatbestand darin bestehe, dass die Kommission am 25. Oktober 2017 – als die Geldbuße in Durchführung des Urteils von 2017 zurückgezahlt worden sei – die in Art. 83 der Verordnung Nr. 1268/2012 vorgesehenen Verzugszinsen nicht gezahlt habe, sondern nur die nach Art. 90 der Verordnung „aufgelaufenen“ Zinsen gezahlt habe. Dieser Verstoß gegen Art. 266 Abs. 1 AEUV stelle das rechtswidrige Verhalten der Kommission dar und begründe ihre außervertragliche Haftung, so dass die in Art. 46 der Satzung vorgesehene fünfjährige Verjährungsfrist ab dem Zeitpunkt dieses Verstoßes zu laufen beginne.

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1 Delegierte Verordnung (EU) Nr. 1268/2012 der Kommission vom 29. Oktober 2012 über die Anwendungsbestimmungen für die Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union (ABl. 2012, L 362, S. 1).

2 Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2342/2002 der Kommission vom 23. Dezember 2002 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1065/2002 des Rates über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 2002, L 357, S. 1).