Language of document : ECLI:EU:T:1999:136

URTEIL DES GERICHTS (Vierte erweiterte Kammer)

7. Juli 1999 (1)

„EGKS - Nichtigkeitsklage - Zulässigkeit - Staatliche Beihilfen - Einzelfallentscheidung über die Genehmigung der Gewährung staatlicher Beihilfen an ein Stahlunternehmen - Rechtsgrundlage - Artikel 4 Buchstabe c und 95 Absatz 1 des Vertrages - Gegenleistungen für die Gewährung einer staatlichen Beihilfe - Keine Kapazitätsverringerung - Diskriminierungsverbot - Verletzung wesentlicher Formvorschriften“

In der Rechtssache T-89/96

British Steel plc, Gesellschaft englischen Rechts mit Sitz in London, Prozeßbevollmächtigte: William Sibree und Philip Raven, Solicitors,Zustellungsanschrift: Kanzlei der Rechtsanwälte Elvinger, Hoss und Prussen, 15, Côte d'Eich, Luxemburg,

Klägerin,

unterstützt durch

Hoogovens Staal BV, Gesellschaft niederländischen Rechts mit Sitz in IJmuiden (Niederlande), Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt Erik H. Pijnacker Hordijk, Amsterdam, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Luc Frieden, 62, Avenue Guillaume, Luxemburg,

Streithelferin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Nicholas Khan und Paul Nemitz, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,

Beklagte,

unterstützt durch

Irish Ispat Ltd, Gesellschaft irischen Rechts mit Sitz in Haulbowline, Cobh (Irland), Prozeßbevollmächtigter: Solicitor Richard Martin im Beistand von Barrister Jeremiah Healy, und Barrister David Barniville, Irish Bar, Zustellungsanschrift: Kanzlei der Rechtsanwälte Zeyen, Beghin und Feider, 56-58, rue Charles Martel, Luxemburg,

und

Irland, vertreten durch Chief State Solicitor Michael A. Buckley als Bevollmächtigten im Beistand von Alex Schuster, Irish Bar, Zustellungsanschrift: Irische Botschaft, 28, route d'Arlon, Luxemburg,

Streithelfer,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 96/315/EGKS der Kommission vom 7. Februar 1996 über Beihilfen, die Irland dem Stahlunternehmen Irish Steel gewähren will (ABl. L 121, S. 16),

erläßt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Vierte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten R. M. Moura Ramos, des Richters R. García-Valdecasas, der Richterinnen V. Tiili und P. Lindh sowie des Richters P. Mengozzi,

Kanzler: A. Mair, Verwaltungsrat

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. November 1998,

folgendes

Urteil

1.
    Der Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (im folgenden: Vertrag) verbietet grundsätzlich die Gewährung staatlicher Beihilfen an die Eisen- und Stahlindustrie. Artikel 4 Buchstabe c des Vertrages erklärt „von den Staaten bewilligte Subventionen oder Beihilfen oder von ihnen auferlegte Sonderlasten, in welcher Form dies auch immer geschieht“, für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt für Kohle und Stahl.

2.
    Artikel 95 Absätze 1 und 2 des Vertrages lautet:

„In allen in diesem Vertrag nicht vorgesehenen Fällen, in denen eine Entscheidung oder Empfehlung der Kommission erforderlich erscheint, um eines der in Artikel 2, 3 und 4 näher bezeichneten Ziele der Gemeinschaft auf dem Gemeinsamen Markt für Kohle und Stahl gemäß Artikel 5 zu erreichen, kann diese Entscheidung oder Empfehlung mit einstimmiger Zustimmung des Rates und nach Anhörung des Beratenden Ausschusses ergehen.

Die gleiche, in derselben Form erlassene Entscheidung oder Empfehlung bestimmt gegebenenfalls die anzuwendenden Sanktionen.“

3.
    Um den Erfordernissen einer Umstrukturierung der Eisen- und Stahlindustrie gerecht zu werden, erließ die Kommission auf der Grundlage der zitierten Bestimmungen des Artikels 95 des Vertrages zu Beginn der achtziger Jahre eine gemeinschaftliche Beihilferegelung, mit der in bestimmten, abschließend aufgezählten Fällen staatliche Beihilfen für die Eisen- und Stahlindustrie genehmigt wurden. Diese Regelung wurde später mehrfach geändert, um den konjunkturellen Schwierigkeiten der Eisen- und Stahlindustrie zu begegnen. Daher ist der im entscheidungserheblichen Zeitraum geltende gemeinschaftliche Kodex über Beihilfen an die Eisen- und Stahlindustrie, der durch die Entscheidung Nr. 3855/91/EGKS der Kommission vom 27. November 1991 zur Einführung gemeinschaftlicher Vorschriften über Beihilfen an die Eisen- und Stahlindustrie (ABl. L 362, S. 57; im folgenden: Beihilfenkodex oder Fünfter Kodex) erlassenwurde, bereits der fünfte seiner Art. Der Fünfte Kodex war bis zum 31. Dezember 1996 in Kraft. Er wurde am 1. Januar 1997 durch die Entscheidung Nr. 2496/96/EGKS der Kommission vom 18. Dezember 1996 zur Einführung gemeinschaftlicher Vorschriften über Beihilfen an die Eisen- und Stahlindustrie (ABl. L 338, S. 42) ersetzt, die den Sechsten Stahlbeihilfenkodex darstellt. Aus den Begründungserwägungen des Fünften Kodex ergibt sich, daß mit ihm ebenso wie mit seinen Vorgängern ein Gemeinschaftssystem eingeführt wurde, das für allgemeine oder besondere Beihilfen gelten sollte, die die Mitgliedstaaten, in welcher Form auch immer, gewähren. Nach diesem Kodex waren Betriebs- oder Investitionshilfen - mit Ausnahme der Schließungsbeihilfen - untersagt (Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 1997 in der Rechtssache T-243/94, British Steel/Kommission, Slg. 1997, II-1887, Randnr. 3; im folgenden: Urteil British Steel).

4.
    Parallel zum Beihilfenkodex, bei dem es sich um eine allgemeine Entscheidung handelte, griff die Kommission mehrfach auf Artikel 95 des Vertrages zurück, um Einzelfallentscheidungen über die Genehmigung der Gewährung von Sonderbeihilfen in Ausnahmefällen zu erlassen. Unter diesen Umständen erließ die Kommission am 12. April 1994 sechs Einzelfallentscheidungen über die Genehmigung der geplanten Beihilfen Deutschlands an das Stahlunternehmen EKO Stahl AG, Eisenhüttenstadt (Entscheidung 94/256/EGKS, ABl. L 112, S. 45), der geplanten Beihilfen Portugals an das Stahlunternehmen Siderurgia Nacional (Entscheidung 94/257/EGKS, ABl. L 112, S. 52), der geplanten Beihilfen Spaniens zugunsten des öffentlichen spanischen Stahlunternehmens Corporación de la Siderurgia Integral (CSI) (Entscheidung 94/258/EGKS, ABl. L 112, S. 58), der Gewährung von Beihilfen an die staatseigenen Stahlunternehmen Italiens (Stahlkonzern ILVA) (Entscheidung 94/259/EGKS, ABl. L 112, S. 64), des Beihilfevorhabens von Deutschland zugunsten des Stahlunternehmens Sächsische Edelstahlwerke GmbH, Freital/Sachsen, (Entscheidung 94/260/EGKS, ABl. L 112, S. 71) und des Beihilfevorhabens von Spanien zugunsten des Edelstahlherstellers Sidenor (Entscheidung 94/261/EGKS, ABl. L 112, S. 77). Diese Entscheidungen waren Gegenstand dreier Nichtigkeitsklagen vor dem Gericht, die zu den Urteilen vom 24. Oktober 1997 in den Rechtssachen T-239/94 (EISA/Kommission, Slg. 1997, II-1839; im folgenden: Urteil EISA), British Steel und T-244/94 (Wirtschaftsvereinigung Stahl u. a./Kommission, Slg. 1997, II-1963; im folgenden: Urteil Wirtschaftsvereinigung Stahl) führten.

Sachverhalt

5.
    Die Irish Steel Ltd (im folgenden: Irish Steel) ist ein zu 100 % in staatlichem Besitz befindliches Unternehmen mit Sitz in Haulbowline, Cobh, County Cork, das Irlands einziges Stahl- und Walzwerk betreibt. Irish Steel verfügt über jährliche Flüssigstahlkapazitäten von 500 000 Tonnen und Warmwalzkapazitäten von 343 000 Tonnen für Fertigerzeugnisse (Profileisen). In den fünf Geschäftsjahren von 1990 bis 1995 betrug ihre tatsächliche Produktion von warmgewalzten Fertigerzeugnissen 278 000, 248 000, 272 000, 276 000 und 258 000 Tonnen und lag somit erheblich unter ihren Kapazitäten.

6.
    In den Jahren 1980 bis 1985 erhielt Irish Steel nach Genehmigung durch die Kommission von der irischen Regierung Zuwendungen im Wert von 183 Mio. IRL. Danach machte das Unternehmen eine Periode anhaltender finanzieller Schwierigkeiten durch; Ende des Geschäftsjahres 1994/95 betrugen die Gesamtverluste über 138 Mio. IRL.

7.
    1993 übernahm die irische Regierung die Bürgschaft für zwei zu einem unter dem marktüblichen Satz liegenden Zinssatz gewährte Darlehen (in Höhe von 10 Mio. IRL und von 2 Mio. IRL). Diese Darlehen wurden als erforderlich angesehen, um die Fortführung des Betriebes zu gewährleisten. Der Kommission wurde dieses Beihilfeelement seinerzeit nicht mitgeteilt.

8.
    Die Verschlechterung der finanziellen Lage von Irish Steel veranlaßte die irische Regierung, der Kommission mit Schreiben vom 1. März 1995 einen Umstrukturierungsplan für das Unternehmen und die staatlichen Hilfen mitzuteilen, mit denen sie die Umstrukturierung zu unterstützen beabsichtigte. Dieser Plan sah einen Eigenkapitalbeitrag von 40 Mio. IRL und die in der vorstehenden Randnummer genannte staatliche Kreditbürgschaft von 10 Mio. IRL vor (im folgenden: erster Umstrukturierungsplan). Zur gleichen Zeit nahmen die irischen Behörden Verhandlungen auf mit dem Ziel, Irish Steel zu privatisieren.

9.
    Mit der Mitteilung der Kommission 95/C 284/04 gemäß Artikel 6 Absatz 4 des Beihilfenkodex an die Mitgliedstaaten und Drittbetroffenen über Beihilfen der irischen Regierung an Irish Steel (ABl. C 284, S. 5; im folgenden: Mitteilung 95/C) forderte die Kommission am 4. April 1995 die Betroffenen auf, zur Vereinbarkeit der notifizierten Maßnahmen mit dem Gemeinsamen Markt Stellung zu nehmen. Die irische Regierung zog jedoch die Notifizierung vom 1. März 1995 mit Schreiben vom 7. September 1995 zurück und legte der Kommission eine geänderte Mitteilung vor. Diese Mitteilung umfaßte ein neues Vorhaben staatlicher Finanzhilfemaßnahmen, die als Gegenleistung für den im Anschluß an ein Ausschreibungsverfahren erfolgten Erwerb von Irish Steel durch die (in Indonesien ansässige, von indischem Kapital kontrollierte und in verschiedenen Ländern tätige) private Gesellschaft Ispat International gedacht waren. Über dieses zweite Vorhaben gab es keine Mitteilung an Drittbetroffene.

10.
    Nach Schätzungen der Kommission belief sich die mit der Veräußerung von Irish Steel verbundene staatliche Finanzhilfe auf einen Höchstbetrag von 38,298 Mio. IRL für folgende Zwecke:

-    bis zu 17 Mio. IRL für die Abschreibung des unverzinslichen staatlichen Kredits,

-    eine Bareinlage von bis zu 2,831 Mio. IRL zur Deckung eines Bilanzdefizits,

-    eine Bareinlage von bis zu 2,36 Mio. IRL zur Deckung besonderer Sanierungsarbeiten im Umweltbereich,

-    eine Bareinlage von bis zu 4,617 Mio. IRL für Schuldendienstkosten,

-    eine Bareinlage von bis zu 0,628 Mio. IRL zur Deckung eines Defizits in der Altersversicherung,

-    eine weitere Bareinlage von bis zu 7,2 Mio. IRL zur Berücksichtigung der als Auflage für die Zustimmung des Rates erforderlichen Änderungen des Umstrukturierungsplans,

-    Entschädigungen von bis zu 2,445 Mio. IRL für eine mögliche Restbesteuerung und sonstige Kosten und Forderungen aus der Vergangenheit,

-    bis zu 1,217 Mio. IRL, die das in den staatlichen Bürgschaften für zwei Darlehen in Höhe von 12 Mio. IRL enthaltene Beihilfeelement darstellten (die in das nach Artikel 6 Absatz 4 des Beihilfenkodex eröffnete Verfahren einbezogen gewesen seien und jetzt im Rahmen des Kaufvertrags von dem Investor übernommen würden, der die Deckung übernehme und den Staat für die mit den Bürgschaften verbundenen Risiken entschädige).

11.
    Nach dem zweiten Umstrukturierungsplan sollte Ispat International sämtliche Aktien der Irish Steel für 1 IRL erwerben und - mit Ausnahme des laufenden unverzinslichen staatlichen Darlehens in Höhe von 17 Mio. IRL, das abgeschrieben werden sollte - alle Schulden und Verbindlichkeiten übernehmen. Außerdem verpflichtete sich Ispat International, Irish Steel Kapital in Höhe von 5 Mio. IRL zuzuführen und in den folgenden fünf Jahren Investitionen von insgesamt 25 Mio. IRL vorzunehmen.

12.
    Mit Schreiben vom 11. Oktober 1995 übermittelte die Kommission dieses zweite Vorhaben dem Rat (im folgenden: Mitteilung vom 11. Oktober 1995), der es am 22. Dezember 1995 billigte. Mit ihrer am 21. Mai 1996 veröffentlichten Entscheidung 96/315/EGKS vom 7. Februar 1996 über Beihilfen, die Irland dem Stahlunternehmen Irish Steel gewähren will (ABl. L 121, S. 16; im folgenden: angefochtene Entscheidung), genehmigte die Kommission die Gewährung der geplanten staatlichen Beihilfen.

13.
    Die Kommission machte ihre Genehmigung von der Einhaltung der in den Abschnitten V bis VII der angefochtenen Entscheidung erläuterten und in deren Artikeln 2 bis 5 niedergelegten Bedingungen abhängig. In Abschnitt V der angefochtenen Entscheidung heißt es u. a.: „Die derzeitigen Kapazitäten für Flüssigstahl und Walzwerkfertigerzeugnisse dürfen außer aufgrund von Produktivitätsverbesserungen mindestens fünf Jahre lang, gerechnet ab der letzten Beihilfezahlung ... nicht erhöht werden.“

14.
    Allerdings verlangte die angefochtene Entscheidung im Unterschied zu den Entscheidungen 94/256, 94/257, 94/258, 94/259, 94/260 und 94/261 keine Verringerungen der Produktionskapazität, denn sie seien „nicht möglich, ohne die Anlage zu schließen, da Irish Steel nur über ein Warmwalzwerk verfügt“ (Abschnitt V). Gleichwohl erlegte sie Irish Steel als weitere Bedingungen auf,

-    das der Kommission im November 1995 mitgeteilte Angebot an Erzeugnissen in den fünf auf die Zahlung der Beihilfen folgenden Jahren nicht auszudehnen,

-    keine größeren Träger als die ihres damaligen Sortiments zu erzeugen,

-    die jährlichen Produktionsniveaus für warmgewalzte Fertig- und Halbfertigerzeugnisse (Knüppel) in jedem Geschäftsjahr bis zum 30. Juni 2000 nicht zu überschreiten und

-    ihre europäischen Verkäufe (in der Gemeinschaft sowie in der Schweiz und in Norwegen) von Fertigerzeugnissen im gleichen Zeitraum auf ein bestimmtes Niveau zu begrenzen.

15.
    Durch Rechtsakt vom 18. Juni 1996 wurde die Firma von Irish Steel in Irish Ispat Ltd (im folgenden: Ispat) geändert.

Verfahren

16.
    Die British Steel plc hat mit Klageschrift, die am 11. Juni 1996 bei der Kanzlei eingegangen ist, nach Artikel 33 des Vertrages die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung beantragt.

17.
    Parallel dazu hat der Verband Wirtschaftsvereinigung Stahl am 10. Juli 1996 ebenfalls Klage gegen dieselbe Entscheidung erhoben. Sie ist unter der Nummer T-106/96 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden.

18.
    In der vorliegenden Rechtssache haben Ispat und Irland am 5. und 6. November 1996 bei der Kanzlei des Gerichts Anträge auf Zulassung als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Beklagten eingereicht. Die Gesellschaft Hoogovens Staal BV (im folgenden: Hoogovens) hat am 8. November 1996 bei der Kanzlei des Gerichts einen Antrag auf Zulassung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerin eingereicht. Die Klägerin hat am 5. Dezember 1996 ihre Stellungnahme zu den Streithilfeanträgen eingereicht.

19.
    British Steel hat am 21. und 28. November 1996 bei der Kanzlei des Gerichts Anträge eingereicht, bestimmte Teile der Klageschrift, der Klagebeantwortung (soweit diese Teile der Klageschrift wiedergebe) und der Erwiderung vertraulich zu behandeln.

20.
    Mit Beschluß vom 29. Mai 1997 hat das Gericht (Erste erweiterte Kammer) die Streithilfe zur Unterstützung der Anträge der Beklagten und der Klägerin zugelassen und dem Antrag auf vertrauliche Behandlung teilweise stattgegeben.

21.
    Ispat hat außerdem zweimal, mit am 26. August 1997 bei der Kanzlei eingegangenem Schreiben und in ihrem Streithilfeschriftsatz, beantragt, Zugang zu bestimmten Verfahrensunterlagen in der Rechtssache, die zum Urteil British Steel geführt hat, zu erhalten. Das Gericht hat diesen Antrag zurückgewiesen und diese Entscheidung mit Schreiben vom 19. September und 22. Oktober 1997 bekanntgegeben.

22.
    Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Vierte erweiterte Kammer) die Eröffnung der mündlichen Verhandlung beschlossen und die Verfahrensbeteiligten gebeten, schriftlich einige Fragen zu beantworten. Die Verfahrensbeteiligten haben in der Sitzung vom 25. November 1998 mündlich verhandelt und die mündlichen Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Parteien

23.
    Die Klägerin beantragt,

-    die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

-    der Kommission die Kosten einschließlich der Kosten der Klägerin aufzuerlegen;

-    den Streithelfern die durch ihre Streithilfe entstandenen Kosten aufzuerlegen.

24.
    Die Streithelferin Hoogovens beantragt,

-    die angefochtene Entscheidung in vollem Umfang für nichtig zu erklären;

-    der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

25.
    Die Kommission, unterstützt durch Irland, beantragt,

-    die Klage abzuweisen;

-    der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

26.
    Die Streithelferin Ispat beantragt,

-    die Klage abzuweisen;

-    der Klägerin die Kosten einschließlich derjenigen aufzuerlegen, die durch ihre Streithilfe entstanden sind.

Zulässigkeit

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

27.
    Die Kommission macht geltend, die Klage sei verspätet, da die Klägerin die in Artikel 33 Absatz 3 des Vertrages festgelegte Frist von einem Monat nach Zustellung oder Veröffentlichung der Entscheidung versäumt habe. Mit Unterstüzung von Ispat vertritt die Kommission die Meinung, die in dieser Bestimmung genannte Frist beginne auch von dem Zeitpunkt an zu laufen, zu dem die Klägerin so hinreichende Kenntnis von dem Rechtsakt erlangt habe, daß sie ihr Klagerecht ausüben könne, unabhängig davon, ob der Rechtsakt später im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht werde oder nicht. Im vorliegenden Fall habe die Klägerin jedoch spätestens am 28. Februar 1996 hinreichende Kenntnis von der angefochtenen Entscheidung gehabt als sie die Pressemitteilung über deren Erlaß erhalten habe.

28.
    Außerdem sei die Klägerin stets über das Genehmigungsverfahren für die Gewährung der Beihilfe an Irish Steel unterrichtet gewesen. Dies werde u. a. durch das Schreiben, das die Klägerin am 10. Oktober 1995 an die Kommission gesandt habe, und durch die Verhandlungen bestätigt, die im Beratenden EGKS-Ausschuß (im folgenden: Ausschuß), in dem sie vertreten gewesen sei, in der Sitzung vom 25. Oktober 1995 geführt worden seien.

29.
    Ferner bewiesen zahlreiche Hinweise, daß die Klägerin eingeräumt habe, daß sie sehr wohl vor dem 11. Juni 1996, dem Tag der Klageerhebung, hinreichende Kenntnis von der angefochtenen Entscheidung gehabt habe. Die Kommission beruft sich insoweit auf die Zeitungsartikel in der Irish Times vom 21. Dezember 1995 und auf zwei Artikel der Agentur Reuters vom 21. Dezember 1995, in denen die Klägerin im Anschluß an die Zustimmung des Rates ihre Absicht bekundet habe, die angefochtene Entscheidung anzufechten. Im übrigen werde im Jahresbericht des Steel Subsidies Monitoring Committee, eines vom Handels- und Industrieministerium des Vereinigten Königreichs eingerichteten Ausschusses zur Überwachung der staatlichen Beihilfen im Stahlsektor, ausgeführt, daß „der Ausschuß die Entscheidung von British Steel so versteht, daß sie wegen dieser Entscheidung gegen die Kommission Klage erheben will“.

30.
    Irland unterstützt das Vorbringen der Kommission, daß die Frist nach Artikel 33 des Vertrages von dem Zeitpunkt an zu laufen beginne, zu dem die Klägerin genaue Kenntnis von dem Rechtsakt erlangt habe. Da zwischen dem Handels- und Industrieministerium des Vereinigten Königreichs und dem Steel Subsidies Monitoring Committee enge Beziehungen bestünden, habe die Klägerin im vorliegenden Fall über das Handels- und Industrieministerium, mehrere Monatebevor sie eine Ausfertigung der Entscheidung von der Kommission erhalten habe, Kenntnis von ihr erlangt.

31.
    Die Klägerin trägt mit Unterstützung von Hoogovens hingegen vor, genaue Kenntnis von der angefochtenen Entscheidung habe sie erst am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt, d. h. am 21. Mai 1996, erlangt. Sie habe die Kommission in der Woche, in der die Entscheidung ergangen sei, um eine Ausfertigung dieser Entscheidung gebeten, diese aber erst am 28. Mai 1996 (nach der Veröffentlichung des Rechtsakts) erhalten, so daß sie deren Nichtigerklärung nicht vor ihrer Veröffentlichung habe beantragen können.

32.
    Jedenfalls stehe die von der Kommission vorgenommene Auslegung des Artikels 33 Absatz 3 EGKS-Vertrag (sowie des Artikels 173 EG-Vertrag [nach Änderung jetzt Artikel 230 EG]), wonach die Frist von dem Zeitpunkt an zu laufen beginne, zu dem der Betroffene unabhängig von der späteren Veröffentlichung des Rechsakts von diesem Rechtsakt Kenntnis erlangt habe, im Widerspruch zu diesen Bestimmungen und zur Rechtsprechung des Gerichtshofes.

Würdigung durch das Gericht

33.
    Nach dem Wortlaut des Artikels 33 Absatz 3 des Vertrages sind Nichtigkeitsklagen innerhalb eines Monats nach Zustellung der individuellen Entscheidung oder Empfehlung oder nach Veröffentlichung der allgemeinen Entscheidung oder Empfehlung zu erheben. Indem er diese Bestimmung im Licht des Artikels 173 Absatz 5 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 Absatz 5 EG) ausgelegt hat, hat der Gerichtshof entschieden, daß es in Ermangelung einer Bekanntgabe oder Mitteilung demjenigen, der von dem Vorliegen einer ihn betreffenden Handlung erfährt, obliegt, binnen angemessener Frist ihren vollständigen Wortlaut anzufordern; von dieser Einschränkung abgesehen, kann jedoch die Klagefrist erst von dem Zeitpunkt an zu laufen beginnen, zu dem der betroffene Dritte genaue Kenntnis vom Inhalt und von der Begründung der fraglichen Handlung erlangt, so daß er sein Klagerecht ausüben kann (Urteile des Gerichtshofes vom 6. Juli 1988 in der Rechtssache 236/86, Dillinger Hüttenwerke, Slg. 1988, 3761, Randnr. 14, und vom 6. Dezember 1990 in der Rechtssache C-180/88, Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie/Kommission, Slg. 1990, I-4413, Randnrn. 22 bis 24).

34.
    Ferner hat das Gericht im Zusammenhang mit dem EG-Vertrag bereits entschieden, daß das Kriterium des Zeitpunkts der Kenntniserlangung von der Handlung als Beginn der Klagefrist subsidiären Charakter gegenüber den Zeitpunkten der Bekanntgabe oder der Mitteilung der Handlung hat (Urteil des Gerichts vom 15. September 1998 in der Rechtssache T-11/95, BP Chemicals/Kommission, Slg. 1998, II-3235, Randnr. 47, sowie die angeführte Rechtsprechung).

35.
    Im vorliegenden Fall ist die angefochtene Entscheidung am 21. Mai 1996 im Amtsblatt veröffentlicht worden. Die am 11. Juni 1996 eingereichte Klage ist daherinnerhalb der in Artikel 33 Absatz 3 des Vertrages vorgesehenen Frist von einem Monat erhoben worden.

36.
    Da unter diesen Umständen das Hilfskriterium nicht anzuwenden ist, geht das Vorbringen der Kommission, die Klägerin habe von der angefochtenen Entscheidung vor deren Veröffentlichung Kenntnis gehabt, ins Leere.

37.
    Demnach ist die Einrede der Unzulässigkeit der Klage zurückzuweisen.

Begründetheit

38.
    Die Klägerin stützt ihren Antrag auf Nichtigerklärung auf drei Klagegründe: fehlende Befugnis der Kommission zum Erlaß der angefochtenen Entscheidung, Verletzung des Vertrages oder einer bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm und Verletzung wesentlicher Formvorschriften.

1. Zum Klagegrund der fehlenden Befugnis der Kommission

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

39.
    Nach Auffassung der Klägerin sind die hier geltend gemachten Argumente im wesentlichen die gleichen, wie sie sie in der Klageschrift in der Rechtssache vorgebracht habe, die zum Urteil British Steel geführt habe. Sie trägt mit Unterstützung von Hoogovens vor, daß die Kommission zum Erlaß der angefochtenen Entscheidung nicht befugt gewesen sei. Der Beihilfenkodex stelle einen erschöpfenden und zwingenden rechtlichen Rahmen dar, soweit er der Genehmigung von Beihilfen, die mit seinen Bestimmungen unvereinbar seien, entgegenstehe. Artikel 1 des Beihilfenkodex verbiete insbesondere ausdrücklich alle Betriebs- und Investitionsbeihilfen. Die Kommission sei daher nicht befugt gewesen, die Gewährung solcher Beihilfen zu genehmigen. Sie könne sich eine solche Befugnis nicht nach Artikel 95 Absatz 1 des Vertrages anmaßen, da der Beihilfenkodex selbst nach Artikel 95 erlassen worden sei und abschließend die maßgebenden Kriterien für die Verwirklichung der Ziele des Vertrages festlege, falls er seinerseits nicht durch eine allgemeine Entscheidung abgeändert werde.

40.
    Wenn die Kommission plane, Beihilfen zu genehmigen, die die Voraussetzungen des Beihilfenkodex nicht erfüllten, müsse sie den Wortlaut des Kodex durch eine allgemeine und für alle betroffenen Unternehmen geltende Entscheidung ändern. Der Beihilfenkodex würde nämlich völlig überflüssig, wenn er durch Einzelfallentscheidungen der Kommission umgangen werden könnte, die diese ins Auge fasse, um Sonderfällen gerecht zu werden. Im vorliegenden Fall habe die Kommission aber keine Änderung des Beihilfenkodex vorgenommen, sondern sich auf den Erlaß von Entscheidungen beschränkt, mit denen unter Verstoß gegen die Bestimmungen des Kodex bestimmten öffentlichen Unternehmen zum Nachteil von Wettbewerbern, denen keine staatlichen Beihilfen genehmigt worden seien,rechtswidrig Vorteile zugewendet worden seien. Zudem habe die Kommission im vorliegenden Fall keinen Abbau der Produktionskapazität als Gegenleistung für die Genehmigung der Beihilfe verlangt.

41.
    In ihrer Stellungnahme zu den Streithilfeschriftsätzen und zum Urteil British Steel trägt die Klägerin zwei weitere Argumente zur Stützung dieses Klagegrundes vor. Sie macht erstens geltend, daß der Fünfte Kodex im Zusammenhang mit den vorangegangenen Beihilfenkodizes auszulegen sei (Urteil British Steel, Randnr. 47). Nach dieser Auslegung gelte sein abschließender und zwingender Charakter für alle Arten von Beihilfen und nicht nur für die Beihilfen, die im Kodex aufgezählt seien. Zweitens gehöre, selbst wenn der Fünfte Kodex nur für die darin aufgeführten Beihilfen verbindlich wäre, die Bareinlage von bis zu 2,36 Mio. IRL zur „Deckung besonderer Sanierungsarbeiten im Umweltbereich“ zur Kategorie der „Umweltschutzbeihilfen“ nach Artikel 3 des Kodex.

42.
    Die Kommission weist vor allem darauf hin, daß die einzelnen Beihilfenkodizes nach Artikel 95 des Vertrages erlassen worden seien und damit auf derselben Rechtsgrundlage beruhten wie die angefochtene Entscheidung. Mithin sei der rechtliche Rang dieser Maßnahmen identisch, und der Fünfte Beihilfenkodex könne nicht als endgültig und zwingend angesehen werden.

43.
    Ispat macht geltend, die Kommission sei zum Erlaß der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage von Artikel 95 des Vertrages befugt gewesen. Daß der Fünfte Kodex auf ebendiesem Artikel 95 des Vertrages erlassen worden sei, lasse die Befugnis der Kommission in diesem Bereich nicht entfallen.

44.
    Für Irland ist es undenkbar, daß ein Rechtsakt des abgeleiteten Rechts wie der Beihilfenkodex dazu benutzt werden könnte, um einer Vorschrift des Primärrechts wie Artikel 95 des Vertrages die praktische Wirksamkeit zu nehmen. Der Fünfte Kodex könne die Kommission nicht hindern, auf der Grundlage von Artikel 95 des Vertrages Einzelfallentscheidungen zu erlassen, um die Gewährung von Beihilfen an Stahlunternehmen in Fällen zu genehmigen, die außerhalb des Anwendungsbereichs dieses Kodex lägen.

Würdigung durch das Gericht

45.
    Nach der Begründung des Beihilfenkodex (vgl. insbesondere Abschnitt I) sollten der „Eisen- und Stahlindustrie ... vor allem nicht die Forschungs- und Entwicklungsbeihilfen und diejenigen Beihilfen entzogen werden, mit deren Hilfe sie ihre Anlagen an die neuen Umweltschutznormen anpassen kann“. Zur Verringerung der Überkapazitäten bei der Produktion und zur Wiederherstellung des Marktgleichgewichts wurden außerdem unter bestimmten Voraussetzungen „soziale Beihilfen [genehmigt], um die teilweise Schließung von Stahlwerksanlagen zu fördern, und Beihilfen, um die endgültige Einstellung der EGKS-Tätigkeit der am wenigsten konkurrenzfähigen Unternehmen zu finanzieren“. Wie das Gericht u. a. bereits im Urteil British Steel entschieden hat, führte der Beihilfenkodexallgemein bestimmte Kategorien von Beihilfen auf, die als mit dem Vertrag vereinbar angesehen wurden (Randnrn. 47 und 49). Er führte allgemein geltende Ausnahmen ein vom Verbot staatlicher Beihilfen ausschließlich zugunsten von Forschungs- und Entwicklungsbeihilfen, Umweltschutzbeihilfen, Schließungsbeihilfen sowie Regionalbeihilfen für Eisen- und Stahlunternehmen, die im Hoheitsgebiet oder einem Teilgebiet bestimmter Mitgliedstaaten niedergelassen sind, sofern diese Beihilfen bestimmte Voraussetzungen erfüllen.

46.
    Demnach bildet der Beihilfenkodex einen abschließenden und verbindlichen rechtlichen Rahmen nur für die Beihilfen, die in ihm aufgezählt und als mit dem Vertrag vereinbar angesehen werden. In diesem Bereich führt er eine umfassende Regelung ein, die eine einheitliche Behandlung aller in die festgelegten, befreiten Kategorien fallenden Beihilfen im Rahmen eines einzigen Verfahrens gewährleisten soll. Die Kommission ist durch diese Regelung demnach nur gebunden, wenn sie die Vereinbarkeit von Beihilfen, für die dieser Kodex gilt, mit dem Vertrag beurteilt. Sie darf daher solche Beihilfen nicht unter Verstoß gegen die allgemeinen Vorschriften des Kodex durch eine Einzelfallentscheidung genehmigen (vgl. Urteile EISA, Randnr. 71, British Steel, Randnr. 50, und Wirtschaftsvereinigung Stahl, Randnr. 42).

47.
    Dagegen kann bei Beihilfen, die nicht zu den durch den Kodex vom Verbot befreiten Kategorien gehören, eine individuelle Ausnahme von diesem Verbot gewährt werden, wenn die Kommission im Rahmen der Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 95 des Vertrages der Ansicht ist, daß solche Beihilfen zur Erreichung der Ziele des Vertrages erforderlich sind. Der Beihilfenkodex kann nämlich nicht das Verbot von Beihilfen bezwecken, die nicht in die abschließend aufgezählten Kategorien fallen. Die Kommission ist nach Artikel 95 Absätze 1 und 2 des Vertrages, der nur auf die im Vertrag nicht vorgesehenen Fälle abstellt (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 12. Juli 1962 in der Rechtssache 9/61, Niederlande/Hohe Behörde, Slg. 1962, 435, Randnr. 2), nicht befugt, bestimmte Kategorien von Beihilfen zu verbieten, da ein solches Verbot bereits im Vertrag selbst, nämlich in Artikel 4 Buchstabe c, vorgesehen ist. Die Beihilfen, die nicht zu den Kategorien gehören, die der Kodex von diesem Verbot ausnimmt, fallen somit weiterhin ausschließlich unter Artikel 4 Buchstabe c. Erweisen sich also derartige Beihilfen zur Erreichung der Ziele des Vertrages gleichwohl als erforderlich, so kann die Kommission von Artikel 95 des Vertrages Gebrauch machen, um dieser unvorhergesehenen Situation gegebenenfalls durch eine Einzelfallentscheidung zu begegnen (vgl. Urteile EISA, Randnr. 72, British Steel, Randnr. 51, und Wirtschaftsvereinigung Stahl, Randnr. 43).

48.
    Die durch die angefochtene Entscheidung erfaßten Beihilfen, die die Umstrukturierung und dadurch die Privatisierung von Irish Steel ermöglichen, fallen nicht in den Anwendungsbereich des Beihilfenkodex. Die Kommission durfte diese Beihilfen daher durch eine auf der Grundlage von Artikel 95 des Vertragesgetroffene Einzelfallentscheidung genehmigen, falls die Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllt waren.

49.
    Die Klägerin macht demgegenüber, gestützt auf die Urteile EISA, British Steel und Wirtschaftsvereinigung Stahl, geltend, daß die Bareinlage von bis zu 2,36 Mio. IRL zur Deckung besonderer Sanierungsarbeiten im Umweltbereich zu den im Beihilfenkodex aufgeführten Kategorien gezählt habe und die Kommission sie folglich nicht außerhalb des dort vorgesehenen Verfahrens hätte genehmigen dürfen.

50.
    Artikel 3 des Beihilfenkodex befreit „Beihilfen, mit denen die Anpassung von Anlagen, die mindestens zwei Jahre vor Inkraftsetzung der neuen gesetzlichen Umweltschutznormen in Betrieb genommen würden, an diese Normen erleichtert werden soll“, wenn der Betrag der Beihilfen „ein Nettobeihilfeäquivalent von 15 % der unmittelbar mit der betreffenden Umweltschutzmaßnahme verbundenen Investitionskosten“ nicht übersteigt.

51.
    Die genannte Einlage fällt nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 3 des Kodex. Wie der Vertreter von Ispat in der Sitzung ausgeführt hat, übersteigt diese Einlage, auch wenn sie auf die Anpassung von Anlagen an die gesetzlichen Umweltschutzanforderungen abzielt, doch ein Nettobeihilfeäquivalent von 15 % der darauf bezogenen Investitionskosten. Diese Beihilfe ist demnach nicht durch diese Bestimmung vom generellen Verbot des Artikels 4 Buchstabe c des Vertrages befreit.

52.
    Demnach konnte diese Beihilfe durch eine unmittelbar auf Artikel 95 des Vertrages gestützte Einzelfallentscheidung genehmigt werden, da die Voraussetzungen dieses Artikels erfüllt waren (vgl. oben, Randnrn. 46 f.). Die angefochtene Entscheidung hat einen anderen Anwendungsbereich als der Beihilfenkodex, weil sie aus außergewöhnlichen Gründen und ein für allemal Beihilfen billigt, die grundsätzlich nicht mit dem Vertrag vereinbar wären; die von ihr genehmigte Ausnahme ist daher vom Beihilfenkodex völlig unabhängig. Somit ist sie nicht den in diesem Kodex genannten Bedingungen unterworfen und hat daher für die Zwecke der Verfolgung der vom Vertrag festgelegten Ziele ergänzenden Charakter gegenüber dem Kodex.

53.
    Nach alledem kann die angefochtene Entscheidung nicht als eine ungerechtfertigte Ausnahme vom Fünften Kodex angesehen werden, sondern sie stellt vielmehr eine Handlung dar, die ebenso wie jener ihre Grundlage in Artikel 95 Absätze 1 und 2 des Vertrages findet.

54.
    Folglich greift der Klagegrund der fehlenden Befugnis der Kommission zum Erlaß der angefochtenen Entscheidung nicht durch.

2. Zum Klagegrund der Verletzung des Vertrages oder einer bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm

55.
    Die Klägerin gliedert diesen Klagegrund in vier Teile. Die angefochtene Entscheidung verstoße dadurch gegen den Vertrag, daß sie erstens zu einer Wettbewerbsverzerrung führe, zweitens nicht zur Verwirklichung eines der Ziele des Vertrages erforderlich sei, drittens gegen das Diskriminierungsverbot verstoße und viertens nicht notifizierte Beihilfen nachträglich legalisiere.

Zum Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung

56.
    Die Klägerin unterscheidet in diesem Punkt zwei Aspekte. Der Kommission sei in der angefochtenen Entscheidung ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen, indem sie zum einen Irish Steel eine Erhöhung der Produktion gestattet und angenommen habe, dies werde nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führen (a), und da zum anderen die Irish Steel auferlegten Bedingungen nicht ausreichten, um alle wettbewerbswidrigen Auswirkungen auszuschließen (b).

a)    Die angefochtene Entscheidung gestatte eine Erhöhung der Produktion und führe damit zu einer Wettbewerbsverzerrung

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

57.
    Nach Auffassung der Klägerin verursacht die Gewährung der Beihilfen an Irish Steel eine nicht hinnehmbare Wettbewerbsverzerrung im Stahlsektor. Sie beruft sich hierzu auf das Urteil des Gerichtshofes vom 3. Oktober 1985 in der Rechtssache 214/83 (Deutschland/Kommission, Slg. 1985, 3053), in dem der Gerichtshof ausgeführt habe, daß die „Kommission ... keinesfalls die Gewährung staatlicher Beihilfen gestatten [konnte], die nicht zur Erreichung der im EGKS-Vertrag aufgestellten Ziele unerläßlich sind und die zu Wettbewerbsverzerrungen auf dem Gemeinsamen Stahlmarkt führen würden“ (Randnr. 30). In diesem Urteil habe der Gerichtshof außerdem den Grundsatz bestätigt, daß die Gewährung von Beihilfen in engem Zusammenhang mit der Umstrukturierung der Stahlindustrie, insbesondere den Kapazitätsverringerungen, stehe.

58.
    Die Kommission habe diesen Grundsatz beim Erlaß der Entscheidungen 94/256, 94/257, 94/258, 94/259, 94/260 und 94/261 angewandt. In diesen Entscheidungen habe sie als Gegenleistung für die Genehmigung von Beihilfen einen Abbau der Produktionskapazität verlangt (vgl. den XXIII. Bericht über die Wettbewerbspolitik, Nr. 481). Da die angefochtene Entscheidung die Irish Steel gewährten Beihilfen genehmige, ohne eine Kapazitätsverringerung zu verlangen, stehe sie somit in krassem Widerspruch zu den oben genannten Entscheidungen und zur Rechtsprechung des Gerichtshofes.

59.
    Obwohl in der angefochtenen Entscheidung eingeräumt werde, daß eine Überkapazität im Profileisen-Sektor bestehe und eine Erhöhung der Kapazität den Wettbewerb in einem gegen das Gemeinschaftsinteresse verstoßenden Ausmaßverfälsche, habe sie Irish Steel in der Annahme, diese spiele auf dem Gemeinschaftsmarkt eine untergeordnete Rolle, gestattet, sowohl ihre Produktionskapazität als auch ihre Produktion und ihre Verkäufe zu steigern.

60.
    Was die Stellung von Irish Steel auf dem betreffenden Markt angehe, habe die Kommission zu Unrecht den gesamten Stahlträgermarkt anstelle des Marktes für kleine Träger (Stahlträger mit einer Stärke von bis zu 300 mm) zugrunde gelegt, da die beiden Märkte sowohl hinsichtlich des Angebots als auch hinsichtlich der Nachfrage völlig unterschiedlich seien (vgl. Teil IV des Berichts von T. A. J. Cockerill im Anhang zur Klageschrift, Appeal of Article 95 Decision on Irish Steel Limited, Irish Steel and the European Union Market for Billets and Small Beams; im folgenden: Cockerill-Bericht). Demnach halte Irish Steel in Westeuropa einen Marktanteil von 9,1 % (berechnet auf der Grundlage der Verkäufe von 1986 bis 1994) statt 5 %, wie die Kommission angenommen habe. Außerdem werde dieser Marktanteil im Laufe der fünf folgenden Jahre 12 % erreichen. Jedenfalls könne sich die Methode zur Festlegung des Marktes nicht auf die Einteilung in Anhang 1 des Vertrages stützen, da diese nicht erstellt worden sei, um die Warenmärkte zum Zwecke der Untersuchung des Wettbewerbs festzulegen.

61.
    Zudem finde das Argument der geringen Auswirkung weder in der Rechtsprechung noch in der Praxis der Kommission irgendeine Stütze.

62.
    Die Steigerung der Produktionskapazität für Knüppel ergebe sich aus der Irish Steel mit der angefochtenen Entscheidung erteilten Genehmigung, ihre Produktion fünf Jahre lang regelmäßig zu steigern, um im Geschäftsjahr 1999/2000 361 000 Tonnen Profileisen pro Jahr und 90 000 Tonnen Knüppel pro Jahr zu erreichen, während ihre gegenwärtige Gußkapazität von 400 000 Tonnen pro Jahr es ihr nur ermögliche, die vorgesehenen Mengen an Profileisen herzustellen. Um 90 000 Tonnen Knüppel herstellen zu können, habe Irish Steel die Absicht bekundet, eine neue Stranggußanlage zu erwerben und die vorhandene Anlage neu zu konfigurieren (Artikel im Metal Bulletin vom 25. März 1996).

63.
    Außerdem sei die Schätzung ihrer Produktionskapazität für kleine Träger vor der Gewährung der Beihilfen um 10 000 Tonnen pro Jahr erhöht worden (vgl. die von der Kommission 1994 erstellte Studie über die Investitionen in der Bergwerks-, Eisen- und Stahlindustrie der Gemeinschaft, S. 119 f., Übersichten 34 und 36, sowie die Erklärungen des Kommissionsvertreters Andropoulos im Ausschuß in der Sitzung vom 25. Oktober).

64.
    Die Steigerung der Produktion, um sie auf ihren Höchststand zu bringen, komme schließlich in Wirklichkeit einer Erhöhung der Produktionskapazität gleich, und diese Erhöhung müsse nicht notwendig durch den Bau einer neuen Anlage erfolgen, sondern könne beispielsweise durch eine Erhöhung der Zahl der Arbeitsschichten erreicht werden.

65.
    Was die Steigerung der Produktion und der Verkäufe angeht, weist die Klägerin darauf hin, daß die angefochtene Entscheidung eine Steigerung der Produktion von Knüppeln gestatte, und hebt hervor, daß Herr Armstead, der Generaldirektor von Irish Steel (nach dem erwähnten Artikel im Metal Bulletin) erklärt habe, seine Gesellschaft beabsichtige, ihre Knüppelerzeugung auf die Erzeugung von Knüppeln höherer Qualität umzustellen. Der Cockerill-Bericht zeige jedoch, daß die Steigerung der Verkäufe von Knüppeln höherer Qualität zu Lasten von Erzeugern wie der Klägerin gehe und zu einem Preissturz führe.

66.
    Was die kleinen Träger betreffe, sei Irish Steel ermächtigt, ihre Verkäufe in Westeuropa um fast 14 % zu steigern. Diese Verkäufe entsprächen 12 % des durchschnittlichen strukturellen Jahresüberschusses, der laut Cockerill-Bericht für Träger etwas über drei Millionen Tonnen gelegen habe. Im übrigen könne die Nachfrage nach Trägern infolge der Stagnation im Bausektor, von dem diese Nachfrage weitgehend abhängig sei und bei dem es eine Tendenz zum Rückgang des Stahlverbrauchs gebe, gleichbleiben oder fallen. Die Klägerin bestreitet ferner, daß die von der Kommission geltend gemachten Kapazitätsverringerungen eine nennenswerte Auswirkung auf der Angebotsseite haben könnten.

67.
    Die Steigerung der Produktion von Irish Steel habe somit eine Reihe von wettbewerbswidrigen Auswirkungen. Erstens habe die Steigerung der Verkäufe von Irish Steel eine Senkung der Preise (in der Größenordnung von 10,48 %) zur Folge, da die anderen Erzeuger versuchten, den Umfang ihrer Verkäufe beizubehalten, was den Preis für Träger auf ein Niveau zurückführe, das den variablen Kosten sehr nahe komme. Zweitens habe diese Preissenkung nachteilige Folgen für die Rentabilität der nicht subventionierten Unternehmen und veranlasse langfristig weitere Unternehmen dazu, ihre Produktion einzustellen. Da drittens das Preisniveau bereits unterhalb dessen liege, was erforderlich sei, um die übliche Verzinsung des Kapitals zu gewährleisten und Neuinvestitionen zu ermöglichen, könne ein Sinken der Preise die gegenwärtigen Gesamtinvestitionen der Erzeuger unter ein Niveau fallen lassen, das erforderlich sei, um den Fortbestand dieses Sektors langfristig zu sichern. Schließlich werde diese Preissenkung für British Steel bei den Erträgen zu einem Gesamtverlust von etwa 10 Millionen UKL führen.

68.
    Demnach habe die Kommission zu Unrecht angenommen, daß die Steigerung der Produktion von Irish Steel zur Lösung des Problems der Überkapazität beitragen könne und keine Wettbewerbsverzerrung zur Folge habe. Zudem spiele es für die Feststellung dieser Wettbewerbsverzerrung eine geringe Rolle, daß Irish Steel ihre Produktionskapazität durch eine Verbesserung ihrer Rentabilität erhöhe. Worauf es ankomme, sei die Menge der auf den Markt gebrachten Erzeugnisse.

69.
    Die Kommission erklärt, die wirtschaftlichen Einschätzungen der Klägerin bedürften der Berichtigung. Erstens bleibe die Kapazität von Irish Steel für die Produktion von Roh- und Gußstahl gleich, nämlich bei 500 000 Tonnen.

70.
    Die Neuberechnung der Kapazität für die Produktion von kleinen Trägern könne keine Steigerung für die Zukunft bedeuten. Tatsächlich sei die einzige bei Irish Steel eingetretene Veränderung eine Verringerung der Produktion warmgewalzter Erzeugnisse im Jahr 1992 gewesen.

71.
    Außerdem stelle die Klägerin die tatsächliche Marktlage falsch dar, wenn sie behaupte, daß die Kapazität von Irish Steel für die Produktion von Trägern 12 % des Marktes in Westeuropa ausmache. Denn um zu diesem Ergebnis zu gelangen, habe die Klägerin die Irish Steel für 1999/2000 genehmigte Maximalerzeugung mit den gegenwärtigen Kapazitätsniveaus verglichen. Lege man hingegen die Gesamtkapazität für Träger in der EG (12 275 000 Tonnen) für 1994 zugrunde, betrage der Marktanteil von Irish Steel (361 000 Tonnen) nur 2,9 %.

72.
    Was zweitens die Steigerungen der Erzeugung von kleinen Trägern angehe, habe die angefochtene Entscheidung ausdrücklich vorgesehen, daß sie im Rahmen des sich aus der verbesserten Produktivität ergebenden Wachstums erfolgten. Bei der Schätzung der Steigerung der Verkäufe in Westeuropa bis 1999/2000 habe die Klägerin in ihren Berechnungen vernachlässigt, daß die Produktion von Irish Steel 1994/95 anomal gering gewesen sei. Lege man die Produktionsniveaus von 1990/91 zugrunde, betrage die Steigerung der Verkäufe nur etwa 6 % in fünf Jahren statt 14 %, wie die Klägerin angebe.

73.
    Zur angeblichen Wettbewerbsverzerrung führt die Kommission drittens aus, sie habe nie geleugnet, daß die angefochtene Entscheidung sich so auswirken könne, was im übrigen durch das erwähnte Urteil Deutschland/Kommission nicht untersagt werde. Die Ausführungen der Klägerin lieferten allerdings keinen Beweis dafür, daß diese Wettbewerbsverzerrung dem Gemeinschaftsinteresse zuwiderlaufe.

74.
    Die Knüppelproduktion von Irish Steel solle in dem von der angefochtenen Entscheidung erfaßten Zeitraum von 30 000 auf 90 000 Tonnen steigen, was 0,2 % des gegenwärtigen Verbrauchs in der Gemeinschaft von etwa 40 Mio. Tonnen (nach den Angaben im Cockerill-Bericht) ausmache. Selbst wenn Irish Steel ausschließlich Knüppel von hoher Qualität produzieren sollte, bliebe sie im Vergleich zur Quasi-Monopolstellung der Klägerin auf diesem Markt weiterhin bei einem vernachlässigbaren Marktanteil.

75.
    Was den Markt für kleine Träger betrifft, bestreitet die Kommission, unterstützt von Ispat und gestützt auf den Report on Commission Decision 96/315/ECSC of 7 February 1996 von F. O'Toole und P. Walsh (im Anhang des Streithilfeschriftsatzes von Ispat), eine Fehlbeurteilung durch die Heranziehung des Marktes für Träger als des relevanten Marktes anstelle des Marktes für kleine Träger.

76.
    Hinsichtlich der Auswirkungen der Produktionssteigerungen von Irish Steel auf die Preise und die Gewinne der Wettbewerber schließlich habe die Klägerin ihren Berechnungen und Schätzungen ebenfalls nicht miteinander vergleichbare Zahlen zugrunde gelegt, um zu überzogenen Ergebnissen zu gelangen.

77.
    Nach Auffassung von Ispat ersucht die Klägerin das Gericht um Überprüfung der wirtschaftlichen Bewertung, die Grundlage der angefochtenen Entscheidung sei. Sie verweist darauf, daß die von der Klägerin vorgetragenen Angaben zur Begründung eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers der Kommission der Berichtigung bedürften. Ihre tatsächliche Produktionskapazität im Werk liege bei 500 000 Tonnen Flüssigstahl. Bei einem Umwandlungsgrad in der Verarbeitung von Flüssigstahl zu Knüppeln von etwa 98,5 % verfüge sie über eine Gußkapazität für Knüppel von 492 500 Tonnen. Dies genüge für die Herstellung von 361 000 Tonnen Fertigerzeugnissen sowie der (in der Endstufe geplanten) 90 000 Tonnen Knüppel für den freien Markt.

78.
    Ispat bestreitet außerdem die Behauptung, sie habe die Absicht, eine neue Stranggußanlage zu errichten. Der Artikel im Metal Bulletin, auf den sich die Klägerin stütze, gebe die Äußerungen von Herrn Armstead falsch wieder. Im übrigen wäre es völlig unrealistisch, eine neue Stranggußanlage zu installieren, nur um die Produktion von Knüppeln von 65 auf 85 Tonnen pro Stunde zu steigern, wie in diesem Artikel ausgeführt werde.

79.
    Irland trägt erstens vor, es gebe keine allgemeine Vorschrift, die die Kommission verpflichte, als Vorbedingung für die Gewährung staatlicher Beihilfen Kapazitätsverringerungen zu verlangen. Jede Einzelfallentscheidung sei ein Akt sui generis, und da es im vorliegenden Fall nicht möglich gewesen sei, Irish Steel Kapazitätsverringerungen aufzuerlegen, habe sich die Kommission für einen Umstrukturierungsplan entschieden, der erhebliche Beschränkungen für Erzeugung und Verkäufe mit sich bringe. Folglich werde die Gültigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht dadurch berührt, daß keine Kapazitätsverringerung auferlegt worden sei.

80.
    Zweitens komme es für die Beurteilung der Frage, ob durch die angefochtene Entscheidung eine Wettbewerbsverzerrung geschaffen worden sei, darauf an, ob der Wettbewerb in einem gegen das Gemeinschaftsinteresse verstoßenden Ausmaß verfälscht worden sei. Angesichts der Tatsache, daß die potentielle Gußstahlkapazität von Irish Steel 1998 bei 500 000 Tonnen gelegen und dies nur 0,33 % der für die gesamte Gemeinschaft vorgesehenen 184 Millionen Tonnen ausgemacht habe, falle jede sich aus der Gewährung einer staatlichen Beihilfe an Irish Steel ergebende Wettbewerbsverzerrung in die Kategorie einer vernachlässigbaren Größe. Obwohl auch geringfügige Verzerrungen der Anwendung der Wettbewerbsvorschriften nicht entzogen seien, gewährleiste die Härte der von der Kommission auferlegten Bedingungen die Gültigkeit der angefochtenen Entscheidung, da sie im gemeinsamen Interesse der Eisen- und Stahlindustrie in der Gemeinschaft gerechtfertigt werden könne.

Würdigung durch das Gericht

81.
    Im Bereich der staatlichen Beihilfen hat der Gerichtshof im Urteil Deutschland/Kommission entschieden, daß die Kommission nicht die Gewährung von Beihilfen genehmigen darf, „die zu Wettbewerbsverzerrungen auf dem gemeinsamen Stahlmarkt führen würden“ (Randnr. 30). Im gleichen Sinne hat er im Urteil vom 13. Juni 1958 in der Rechtssache 15/57 (Compagnie des hauts fourneaux de Chasse/Hohe Behörde, Slg. 1958, 161, 194) ausgeführt, daß die Kommission „verpflichtet [ist], mit Umsicht zu handeln, erst nach sorgfältiger Abwägung aller betroffenen Interessen einzugreifen und eine vorhersehbare Benachteiligung Dritter - soweit möglich - in Grenzen zu halten“.

82.
    Im übrigen verfügt die Kommission nach gefestigter Rechtsprechung in diesem Bereich über einen „weiten Ermessensspielraum ..., der [ihrer] politischen Verantwortung ... entspricht“ (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 26. Juni 1990 in der Rechtssache C-8/89, Zardi, Slg. 1990, I-2515, Randnr. 11). Folglich kann die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung der Kommission nur dann beeinträchtigt sein, wenn diese Entscheidung zur Erreichung des mit ihr verfolgten Zieles offensichtlich unangemessen ist oder außer Verhältnis steht (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 9. Juli 1985 in der Rechtssache 179/84, Bozzetti, Slg. 1985, 2301, und vom 11. Juli 1989 in der Rechtssache 265/87, Schräder HS Kraftfutter, Slg. 1989, 2237, Randnr. 22).

83.
    Was die durch die angefochtene Entscheidung verursachte Wettbewerbsverzerrung betrifft, ist zunächst zu prüfen, ob der Kommission bei der Bestimmung des einschlägigen Produktmarktes, der die Berechnungsgrundlage für den Marktanteil des Empfängerunternehmens bildete, bei der Berechnung der Produktionskapazitäten, die erforderlich waren, um die in der angefochtenen Entscheidung (Artikel 2) vorgesehenen Produktionssteigerungen zu gewährleisten und bei der Prüfung der Auswirkungen der Beihilfe auf den Wettbewerb ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen ist.

84.
    Erstens lassen die Anhaltspunkte für die praktische Bestimmung des Marktes, auf die sich die Klägerin stützt (Teil IV des Cockerill-Berichts) nicht den Schluß zu, daß der Kommission ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen ist, als sie den betreffenden Markt als denjenigen für Stahlträger im allgemeinen bestimmt hat. Die Klägerin macht geltend, auf dem Markt für Stahlträger (warmgewalzte lange Fertigerzeugnisse) gebe es einen eigenen Teilmarkt, und zwar den für kleine Träger (Stahlträger mit einer Stärke von bis zu 300 mm), zu dem die Erzeugung von Irish Steel zu zählen sei. Ihrer Auffassung nach können die Stahlträger und die kleinen Träger unter Berücksichtigung ihrer sehr unterschiedlichen Merkmale sowohl in bezug auf ihren Preis als auch auf ihr Gewicht und ihre Lagerungsbedingungen nicht als hinreichend austauschbar angesehen werden. Allerdings hat die Kommission angenommen - und der Cockerill-Bericht spricht nicht gegen diese Einschätzung -, daß diese eingeschränkte Austauschbarkeit auf der Nachfrageseite nicht die Feststellung zulasse, daß es sich um verschiedene Märkte handele, da auf der Angebotsseite eine Austauschbarkeit vorliege, die es den meisten Herstellern ermögliche, bei einer erhöhten Nachfrage nach Trägernvon geringer Stärke ihre Produktion ohne zusätzliche Kosten oder Risiken umzustellen. Denn wie die Klägerin selbst angibt, erfolgt die Produktion von Stahlträgern zu zwei Dritteln in „Multi-Mills“ (Mehrzweck-Walzwerken), die eine größere Flexibilität bei der Produktion und ein breiteres Angebot an Erzeugnissen bieten (Punkte 4.32 und 4.34 des Cockerill-Berichts).

85.
    Was zweitens die Steigerung der Produktionskapazitäten angeht, haben die Parteien in ihren mündlichen Ausführungen eingeräumt, daß die genaue Gußstahlkapazität von Irish Steel zum Zeitpunkt der Genehmigung der Beihilfe statt 400 000 Tonnen, wie von der Klägerin angegeben, 500 000 Tonnen betragen habe. Folglich ist das Vorbringen, die Produktionskapazität von Irish Steel sei nicht ausreichend gewesen, um die in der angefochtenen Entscheidung für das Geschäftsjahr 1999/2000 vorgesehenen Höchstmengen, d. h. 361 000 Tonnen Profileisen und 90 000 Tonnen Knüppel, zu erzeugen, sachlich falsch. Jedenfalls verbietet die angefochtene Entscheidung die sich aus einer Produktivitätsverbesserung ergebenden Kapazitätssteigerungen (Abschnitt V) nicht. Unbestritten reicht es aus, daß Irish Steel ihre Produktivität um 1 % pro Jahr steigert, um im Jahr 2000 361 000 Tonnen erzeugen zu können.

86.
    Drittens läßt das Vorbringen der Klägerin nicht die Feststellung zu, daß die Schlußfolgerungen der Kommission in bezug auf die Steigerung der Erzeugung und der Verkäufe und ihre Auswirkung auf den Markt einen offensichtlichen Beurteilungsfehler aufweisen. In bezug auf Knüppel sind die Voraussagen der Klägerin, Irish Steel werde sich dem Markt für Knüppel höherer Qualität zuwenden und einen Preissturz verursachen, nur aus einem Zeitungsartikel abgeleitete Vermutungen. Wie die Klägerin in der Klageschrift selbst eingeräumt hat, ist es „mangels Angaben zur Qualität der Knüppel, die Irish Steel herstellen möchte, unmöglich, die sich daraus künftig ergebende Wettbewerbsverzerrung zu bestimmen“.

87.
    Bei den kleinen Trägern legt die Klägerin nicht miteinander vergleichbare Zahlen zugrunde, um zu übertriebenen Ergebnissen zu gelangen. Denn wenn man den Durchschnitt der Verkäufe in Westeuropa in den fünf Jahren vor Erlaß der angefochtenen Entscheidung (263 000 Tonnen; vgl. Punkt 5.36 der Klageschrift) anstelle des Umfangs der Verkäufe 1994, die anomal niedrig waren (238 000 Tonnen), als Grundlage heranzieht, beträgt die von 1995 bis 2000 geplante Steigerung der Verkäufe 57 000 Tonnen statt 82 000 Tonnen, wie die Klägerin behauptet. Berücksichtigt man, daß der Gesamtverbrauch auf dem europäischen Markt 1994 bei 5 460 000 Tonnen für Träger und bei 2 457 000 Tonnen für kleine Träger lag (nach den Angaben im Cockerill-Bericht), beläuft sich die genehmigte Steigerung der Verkäufe auf 1,04 % bzw. 2,31 %. Berücksichtigt man zudem die Nachfrage nach Trägern im Jahr 1994 von 5 460 000 Tonnen und die Irish Steel für das Geschäftsjahr 1999/2000 zugestandenen Verkäufe von 320 000 Tonnen, beträgt der Marktanteil von Irish Steel 5,8 %, d. h. 1 % mehr als die 4,8 %, die sie von 1990 bis 1995 durchschnittlich erreicht hatte.

88.
    Schließlich belaufen sich die Auswirkungen der durch die angefochtene Entscheidung genehmigten Beihilfe auf den Wettbewerb auf 0,15 % ([90 000 - 30 000] : 40 000 000, vgl. oben, Randnr. 74) auf dem Markt der Knüppel aus legiertem Stahl und auf 1 % auf dem Markt für Träger. Auch wenn die Beihilfen mit geringen Auswirkungen nicht vom Verbot des Artikels 4 Buchstabe c des Vertrages ausgenommen sind, ist darauf hinzuweisen, daß die angefochtene Entscheidung auf der Grundlage von Artikel 95 des Vertrages ergangen ist, der es der Kommission ermöglicht, die Beihilfen zu genehmigen, die zur Erreichung der Ziele des Vertrages erforderlich sind. Hier ist die Kommission zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß die betreffende Beihilfe aufgrund ihrer geringfügigen Auswirkungen keine nicht hinnehmbaren Wettbewerbsverzerrungen verursachen könne.

89.
    Folglich ist nicht dargetan, daß der Kommission ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen ist, als sie angenommen hat, daß die durch die angefochtene Entscheidung genehmigte Beihilfe keine gegen das Gemeinschaftsinteresse verstoßenden Wettbewerbsverzerrungen verursache.

b)    Die auferlegten Bedingungen reichten nicht aus, um eine Wettbewerbsverzerrung auszuschließen

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

90.
    Die Klägerin trägt vor, die von der Kommission auferlegten Bedingungen seien zur Erreichung des verfolgten Zieles offensichtlich ungeeignet. Erstens bilde die globale Begrenzung des Umfangs der Verkäufe in Westeuropa keine ausreichende Gegenleistung, da die auferlegte Beschränkung im Ergebnis dazu führe, daß Irish Steel seine Verkäufe immer noch um 12 % statt 20 % steigern könne. Definitionsgemäß bedeute eine Gegenleistung aber einen Verlust für das Empfängerunternehmen der Beihilfe - bisher eine entsprechende Kapazitätsverringerung - zum Ausgleich des gewährten Vorteils und nicht wie hier einen bloßen Rückgang der Gewinne.

91.
    Zweitens könne die Irish Steel auferlegte Bedingung, ihr Angebot an Profileisen nicht auszudehnen und die Erzeugung ihrer drei größten Typen von Trägern für den Markt der Europäischen Union auf 35 000 Tonnen pro Jahr zu beschränken, nicht den Schaden ausgleichen, der den übrigen Herstellern wegen der dieser Gesellschaft gewährten Beihilfe entstehen könne. Die Kommission habe zu Unrecht angenommen, daß das Werk Shelton von British Steel vor den Folgen der Verkäufe von Irish Steel geschützt sei. Zwar stelle diese Walzstraße Profileisen her, die im allgemeinen größer seien als die von Irish Steel hergestellten. Jedoch würden die beiden Walzstraßen in Scunthorpe, in denen British Steel Profileisen mittlerer Stärke herstelle, vermutlich von den Verkäufen von Irish Steel beeinträchtigt, und da die Walzstraße in Shelton wegen ihrer Entfernung von der Quelle für Flüssigstahl zu höheren Kosten produziere, müßten die Investitionen in das Werkin Shelton stark gekürzt werden. Die Zukunft dieser Walzstraße sei daher ungewiß. Demnach erreiche die geplante Maßnahme in der Praxis das angestrebte Ziel nicht.

92.
    Die Kommission hält die Berechnung der Steigerung der Verkäufe von Irish Steel durch die Klägerin für falsch, da sie auf einen Vergleich ihrer Verkäufe im Europa der Zwölf mit den künftigen Verkäufen in Westeuropa gestützt sei.

93.
    Außerdem gingen die Ausführungen zur Walzstraße in Shelton von der falschen Voraussetzung aus, das Ziel der von der Kommission auferlegten Maßnahme bestehe darin, speziell diese Walzstraße zu schützen, während die Beschränkung für den Gemeinschaftsmarkt gelte und sämtlichen Herstellern in der Gemeinschaft zugute kommen solle. Gleichwohl erzeuge die Klägerin etwa 2 Millionen Tonnen kleiner Träger pro Jahr, und Irish Steel habe in diesem Jahrzehnt im Vereinigten Königreich kaum Träger der größten Größe verkauft. Selbst wenn die Verkäufe dieser kleinen Träger durch Irish Steel 1993/94 (165 Tonnen) den generellen Durchdringungsgrad, den diese Gesellschaft für die Gesamtheit ihrer Erzeugnisse auf dem britischen Markt erzielte, d. h. annähernd 25 %, erreichen sollte, müßte British Steel jedenfalls nur mit einer Konkurrenz von 8 000 Tonnen rechnen.

94.
    Ispat macht zunächst geltend, die Gegenleistungen sollten sicherstellen, daß der Wettbewerb nicht in einem gegen das Gemeinschaftsinteresse verstoßenden Ausmaß verfälscht werde. Dies sei die einzige Bedingung, die die Kommission bei der Ausübung der sich aus Artikel 95 des Vertrages ergebenden Befugnisse zu beachten habe. Folglich sei die Genehmigung einer öffentlichen Beihilfe nach Artikel 95 entgegen der Behauptung der Klägerin nicht von einer individuellen Sanktion abhängig. Vergleiche man außerdem die Bedingungen, die in einer Reihe früherer auf der Grundlage von Artikel 95 erlassener Entscheidungen, insbesondere in den Entscheidungen von 1994 (vgl. oben, Randnr. 4) auferlegt worden seien, so seien die in der angefochtenen Entscheidung verlangten Gegenleistungen gleichartig. Zudem enthalte die angefochtene Entscheidung eine neuartige Beschränkung, nämlich das Verbot, fünf Jahre lang keine neuen Erzeugnisse oder größeren Formate zu fertigen.

Würdigung durch das Gericht

95.
    Das Vorbringen der Klägerin läuft darauf hinaus, daß die angefochtene Entscheidung unverhältnismäßig sei, weil sie keine Kapazitätsverringerungen vorschreibe und weil die verlangten Gegenleistungen nicht ausreichten, um die Auswirkungen der Beihilfe auf den Wettbewerb so gering wie möglich zu halten.

96.
    Die Gemeinschaftsrechtsprechung hat, u. a. im Urteil Deutschland/Kommission, stets den engen Zusammenhang hervorgehoben, der zwischen der Gewährung von Beihilfen für die Stahlindustrie und den dieser Industrie auferlegten Umstrukturierungsbemühungen besteht (Randnr. 30). Ferner hat der Gemeinschaftsrichter mehrfach betont, daß diese Umstrukturierungsanstrengunginsbesondere einen Abbau der Produktionskapazitäten der begünstigten Unternehmen umfaßt. Allerdings sind als Faktoren, die die genauen Beträge der zu genehmigenden Beihilfen beeinflussen können, nicht nur die Anzahl der Tonnen abzubauender Produktionskapazität zu berücksichtigen; es kommen vielmehr noch andere Aspekte hinzu, die von einer Region der Gemeinschaft zur anderen unterschiedlich sind, wie z. B. die in der Vergangenheit unternommenen Umstrukturierungsbemühungen, die durch die Krise der Stahlindustrie hervorgerufenen regionalen und sozialen Probleme, die technische Entwicklung sowie die Anpassung der Unternehmen an die Markterfordernisse (Urteile Deutschland/Kommission, Randnrn. 31 und 34, und British Steel, Randnr. 136).

97.
    Im übrigen gibt es weder eine Regel noch einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, wonach die Kommission verpflichtet wäre, Kapazitätsverringerungen zur Vorbedingung für die Gewährung staatlicher Beihilfen im EGKS-Bereich zu machen. Die Kommission muß insoweit lediglich Gegenleistungen verlangen, die zur Begrenzung der wettbewerbswidrigen Auswirkungen der Beihilfen und dementsprechend zur Vermeidung nicht hinnehmbarer Wettbewerbsverzerrungen geeignet sind. Die gegenteilige Annahme liefe auf eine Einschränkung des Ermessens hinaus, das der Kommission durch Artikel 95 des Vertrages eingeräumt wird, um unvorhergesehenen Situationen zu begegnen und ihren jeweiligen Besonderheiten Rechnung zu tragen. Außerdem würde eine solche Regel die Kommission zwingen, die Genehmigung der Beihilfe unabhängig davon zu versagen, daß sich daraus nachteilige Folgen für den Gemeinsamen Markt ergeben würden, wenn wie hier eine Kapazitätsverringerung nicht möglich wäre, ohne das Unternehmen zu schließen. Denn in den Fällen, in denen die Kommission einen Kapazitätsabbau nicht für möglich hält oder in denen ein solcher nicht das geeignetste Mittel zur Erreichung der verfolgten Ziele darstellt, kann sie stets andere Gegenleistungen verlangen, nämlich Produktions- und Verkaufsbeschränkungen, wenn diese geeignet sind, die Auswirkungen der Beihilfe auf den Wettbewerb so gering wie möglich zu halten. Wie das Gericht bereits entschieden hat, kann die Beurteilung der Kommission nicht allein anhand wirtschaftlicher Kriterien nachgeprüft werden. Die Kommission kann im Rahmen der Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 95 des Vertrages einem weiten Spektrum politischer, wirtschaftlicher oder sozialer Erwägungen Rechnung tragen (Urteil British Steel, Randnr. 136).

98.
    In Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission Irish Steel mehrere Verpflichtungen auferlegt:

„(1) Mindestens fünf Jahre lang, gerechnet ab der letzten Beihilfezahlung im Rahmen der Regelung, erhöht das Empfängerunternehmen - außer im Wege von Produktivitätsverbesserungen - nicht seine gegenwärtigen Flüssigstahlkapazitäten von 500 000 Tonnen pro Jahr sowie die derzeitigen Warmwalzkapazitäten von 343 000 Tonnen pro Jahr für Fertigerzeugnisse.

(2) Das Empfängerunternehmen dehnt sein der Kommission im November 1995 mitgeteiltes derzeitiges Angebot an Fertigerzeugnissen in den ersten fünf Jahren nicht aus und erzeugt im gleichen Zeitraum keine größeren Träger als die seines jetzigen Angebots. Innerhalb seines derzeitigen Sortiments an Trägern beschränkt das Unternehmen die Produktion seiner größten U-Träger (britisches System - imperial), HE-Träger (metrisches System) und IPE-Träger zusammen auf 35 000 Tonnen pro Jahr für den Gemeinschaftsmarkt.

(3) Das Empfängerunternehmen überschreitet nicht die nachfolgenden Produktionsniveaus je Geschäftsjahr:

                                (in 1 000 Tonnen)

1995/96 1996/97 1997/98 1998/99 1999/2000
Warmgewalzte Fertigerzeugnisse

320

335

350

356

361
Knüppel
30
50
70
80
90

(4) Das Empfängerunternehmen überschreitet nicht die nachfolgenden Niveaus europäischer Verkäufe (Gemeinschaft, Schweiz und Norwegen) an warmgewalzten Fertigerzeugnissen je Geschäftsjahr:

                                (in 1 000 Tonnen)

1995/96
1996/97
1997/98
1998/99
1999/2000
298
302
312
320
320

...“

99.
    Diese Irish Steel auferlegten Produktions- und Verkaufsbeschränkungen sind das Ergebnis einer Gewichtung und Abwägung mehrerer Faktoren, nämlich der spezifischen Lage auf dem Stahlsektor, insbesondere der Überkapazität (Abschnitt I der angefochtenen Entscheidung), der Stellung von Irish Steel auf dem betreffenden Markt (vgl. Nr. 4.3 der Mitteilung vom 11. Oktober 1995), der Fähigkeit von Ispat International, das Empfängerunternehmen wieder rentabel zu machen (Abschnitt III der angefochtenen Entscheidung), sowie des Erfordernisses, bestimmte Gegenleistungen zu verlangen, um die Auswirkungen der mit den Beihilfen gewährten Vergünstigungen auf dem Markt zu beschränken und dem Unternehmen gleichzeitig zu erlauben, seine Produktivität zu erhöhen (Abschnitt V). Die Klägerin hat jedoch nicht dargetan, daß die Festlegung von Obergrenzen für Produktion und Verkäufe als Gegenleistungen für die Genehmigung der Beihilfen offensichtlich unangemessen oder unverhältnismäßig wäre.

100.
    Jedenfalls kommt es - wie die Klägerin selbst vorträgt - zur Begrenzung der wettbewerbswidrigen Auswirkungen der Gewährung einer Beihilfe auf einem durch Produktionsüberkapazitäten gekennzeicheten Markt darauf an, daß Erzeugnisse nur in begrenztem Umfang auf den Markt gelangen. Die angefochtene Entscheidung hat dem Empfängerunternehmen jedoch Produktions- und Verkaufsbeschränkungen auferlegt (vgl. oben, Randnr. 98). Zwar ist es Irish Steel gestattet, ihre Verkäufe im Verhältnis zu ihren früheren Ergebnissen um über 8 % zu steigern. Jedoch sind diese Grenzen nach Maßgabe der Produktivitätszuwächse festgelegt worden, die das Unternehmen erzielen muß, um rentabel zu werden. Unter Berücksichtigung der im Vergleich zu großen Stahlerzeugern wie der Klägerin begrenzten Marktanteile von Irish Steel erscheint die Steigerung um 2,31 % (vgl. oben, Randnr. 87) gemessen am Gesamtverbrauch von 2 457 000 Tonnen als eine geringe und für die Sanierung des Empfängerunternehmens notwendige Verzerrung. Selbst wenn man annimmt, daß die anderen von der Kommission beschlossenen Gegenleistungen, insbesondere die, die Produktion der drei größten von Irish Steel hergestellten Arten von Trägern zu beschränken, die Walzstraße in Shelton nicht schützen können, reicht dies nicht für den Nachweis aus, daß der Kommission ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen ist, da das Ziel dieser Maßnahmen darin besteht, alle Hersteller in der Gemeinschaft und nicht einen bestimmten Hersteller zu schützen.

101.
    Folglich ist die Rüge zurückzuweisen, der Kommission sei dadurch ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen, daß sie zur Vermeidung einer Wettbewerbsverzerrung unzureichende Gegenleistungen auferlegt habe.

Zur Erforderlichkeit der Beihilfe

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

102.
    Die Klägerin wirft der Kommission erstens vor, bei der Beurteilung der Erforderlichkeit der Beihilfe unmaßgebliche Gesichtspunkte berücksichtigt zu haben.

103.
    Die Kommission habe im vorliegenden Fall auf den EG-Vertrag bezogene Gesichtspunkte berücksichtigt und ihre Entscheidung zu einem großen Teil auf die Stellungnahme des Rates gestützt, wonach die Berücksichtigung der Probleme der Mitgliedstaaten, in denen es nur ein einziges Stahlunternehmen gebe, zu den in den Artikeln 2 und 3 EGKS-Vertrag festgelegten Zielen gehörten (Schlußfolgerungen des Rates auf der Tagung vom 8. November 1994). Denn in Nummer 2.1 der Mitteilung vom 11. Oktober 1995 weise die Kommission darauf hin, daß Irland „staatliche Regionalbeihilfen gemäß Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a des Unionsvertrags erhalten“ könne. Da sich die Ziele des EGKS-Vertrags und die des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a EG) voneinander unterschieden, seien diese Gesichtspunkte für die Beurteilung der Erforderlichkeit der Beihilfe nicht maßgebend (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 13. April 1994 in der Rechtssache C-128/92, Banks, Slg.1994, I-1209). Im übrigen entspreche das Ziel des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag keinem der Ziele des EGKS-Vertrags, da die Kommission im Rahmen dieses Vertrages niemals die Entwicklung bestimmter Gebiete fördern könne, ohne die Auswirkungen auf die anderen Regionen zu berücksichtigen. Jedenfalls habe der Rat nicht die Befugnis, Vertragsbestimmungen durch bei seinen Tagungen abgegebene Stellungnahmen zu ändern.

104.
    Die Klägerin beruft sich zweitens darauf, daß die Mitteilung vom 11. Oktober 1995 nicht erläutere, aus welchen Gründen die Irish Steel gewährten Beihilfen zur Erreichung eines der in den Artikeln 2 und 3 des Vertrages festgelegten Ziele erforderlich seien. Im Zusammenhang mit der Produktionsüberkapazität und dem oben erwähnten Nachfragerückgang trage die angefochtene Entscheidung, mit der Irish Steel gestattet werde, ihre Produktionskapazität zu steigern, und mit der die dieser Firma gewährten Beihilfen genehmigt würden, nicht nur nicht zur Verfolgung der in den Artikeln 2 und 3 des Vertrages vorgesehenen Ziele bei, sondern verschärfe noch die Lage der gesamten Eisen- und Stahlindustrie.

105.
    Die Kommission ist der Ansicht, es sei Sache der Gemeinschaftsorgane, im Rahmen ihres weiten Ermessens die Artikel 2 und 3 des Vertrages so auszulegen und zu konkretisieren, daß ihnen durch die Handlungen zur Anwendung der Verträge praktische Wirkung zukomme. Daher sei die vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 18. März 1980 in den Rechtssachen 154/78, 205/78, 206/78, 226/78, 227/78, 228/78, 263/78, 264/78, 31/79, 39/79, 83/79 und 85/79 (Valsabbia u. a./Kommission, Slg. 1980, 907, Randnrn. 54 und 55) festgelegte Rechtsprechung zugrunde zu legen. Jedenfalls habe sie sich beim Erlaß der angefochtenen Entscheidung nicht auf den EG-Vertrag gestützt.

Würdigung durch das Gericht

106.
    Nach Artikel 4 Buchstabe c des Vertrages sind staatliche Beihilfen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl grundsätzlich untersagt, da sie die Verwirklichung der im Vertrag festgelegten wesentlichen Ziele der Gemeinschaft, insbesondere die Einführung eines Systems des freien Wettbewerbs, beeinträchtigen können.

107.
    Ein solches Verbot bedeutet jedoch nicht, daß jede staatliche Beihilfe im EGKS-Bereich als mit den Zielen des Vertrages unvereinbar anzusehen wäre. Artikel 4 Buchstabe c - ausgelegt im Licht sämtlicher Ziele des Vertrages, wie sie in dessen Artikeln 2 bis 4 festgelegt sind - soll nicht die Gewährung staatlicher Beihilfen verhindern, die zur Erreichung dieser Ziele beitragen können. Er behält den Gemeinschaftsorganen im Bereich des Vertrages die Befugnis vor, die Vereinbarkeit solcher Beihilfen mit dem Vertrag zu beurteilen und gegebenenfalls deren Gewährung zu genehmigen. Diese Feststellung wird durch das Urteil des Gerichtshofes vom 23. Februar 1961 in der Rechtssache 30/59 (De Gezamenlijke Steenkolenmijnen in Limburg/Hohe Behörde, Slg. 1961, 3, 47) und das UrteilBritish Steel (Randnr. 41) bestätigt: So wie bestimmte nichtstaatliche finanzielle Zuwendungen an Montanunternehmen, die nach den Artikeln 55 § 2 und 58 § 2 des Vertrages zulässig sind, nur durch die Kommission oder mit deren ausdrücklicher Genehmigung gewährt werden können, ist auch Artikel 4 Buchstabe c dahin auszulegen, daß er den Gemeinschaftsorganen innerhalb der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Beihilfen eine ausschließliche Zuständigkeit einräumt.

108.
    Nach der Systematik des Vertrages steht es somit nicht im Widerspruch zu Artikel 4 Buchstabe c, wenn die Kommission auf der Grundlage des Artikels 95 Absätze 1 und 2 von den Mitgliedstaaten geplante Beihilfen, die mit den Zielen des Vertrages vereinbar sind, ausnahmsweise genehmigt, um unvorhergesehenen Situationen zu begegnen (vgl. die Urteile Niederlande/Hohe Behörde, und British Steel, Randnr. 42).

109.
    Da der EGKS-Vertrag anders als der EG-Vertrag der Kommission oder dem Rat keine spezifische Befugnis zur Genehmigung staatlicher Beihilfen verleiht, ist die Kommission nach Artikel 95 Absätze 1 und 2 ermächtigt, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Ziele des Vertrages zu erreichen, und somit nach dem in dieser Vorschrift vorgesehenen Verfahren die Beihilfen zu genehmigen, die ihr zur Erreichung dieser Ziele erforderlich erscheinen (vgl. u. a. Urteil EISA, Randnrn. 61 bis 64 und die angeführte Rechtsprechung). Entgegen dem Vorbringen der Klägerin stellt die Beihilfe, nachdem sie als für das ordnungsgemäße Funktionieren des gemeinsamen Stahlmarktes erforderlich beurteilt worden ist, keine vom Vertrag untersagte staatliche Beihilfe mehr dar.

110.
    Die Voraussetzung der Erforderlichkeit ist vor allem dann erfüllt, wenn der betreffende Sektor mit außergewöhnlichen Krisensituationen konfrontiert ist. Insoweit hat der Gerichtshof in seinem Urteil Deutschland/Kommission (Randnr. 30) „den engen Zusammenhang [betont], der im Rahmen der Anwendung des EGKS-Vertrags in Krisenzeiten zwischen der Gewährung von Beihilfen für die Stahlindustrie und den dieser Industrie auferlegten Umstrukturierungsbemühungen besteht“. Die Kommission beurteilt im Rahmen dieser Anwendung nach ihrem Ermessen, ob die Beihilfen, die die Umstrukturierungsmaßnahmen begleiten sollen, mit den Grundprinzipien des Vertrages vereinbar sind (Urteil EISA, Randnrn. 77 f.).

111.
    In diesem Bereich hat sich die Rechtmäßigkeitskontrolle auf die Prüfung der Frage zu beschränken, ob die Kommission die Grenzen ihres Ermessens nicht dadurch überschritten hat, daß sie die Tatsachen entstellt oder offensichtlich unrichtig beurteilt oder einen Ermessens- oder Verfahrensmißbrauch begangen hat (vgl. u. a. Urteil des Gerichtshofes vom 15. Juni 1993 in der Rechtssache C-225/91, Matra/Kommission, Slg. 1993, I-3203, Randnr. 25).

112.
    Die angefochtene Entscheidung strebt nach ihrem Abschnitt IV an, „die irische Stahlindustrie mit einer soliden und wirtschaftlich lebensfähigen Struktur auszustatten“. Es ist daher erstens zu prüfen, ob ein solcher Zweck gegen die inden Artikeln 2 und 3 des Vertrages genannten Ziele verstößt, und zweitens, ob die angefochtene Entscheidung zur Erreichung dieser Ziele erforderlich war.

113.
    Nach ständiger Rechtsprechung besteht die Rolle der Kommission in Anbetracht der Verschiedenartigkeit der im Vertrag festgelegten Ziele darin, diese verschiedenen Ziele ständig miteinander in Einklang zu bringen, wobei sie von ihrem Ermessen Gebrauch macht, um zu einer Wahrung des gemeinsamen Interesses zu gelangen (Urteile des Gerichtshofes vom 13. Juni 1958 in der Rechtssache 9/56, Meroni/Hohe Behörde, Slg. 1958, 11, 43, vom 21. Juni 1958 in der Rechtssache 8/57, Groupement des hauts fourneaux et aciéries belges/Hohe Behörde, Slg. 1958, 233, 252, und vom 29. September 1987 in den Rechtssachen 351/85 und 360/85, Fabrique de fer de Charleroi und Dillinger Hüttenwerke/Kommission, Slg. 1987, 3639, Randnr. 15). Insbesondere in dem erwähnten Urteil Valsabbia u. a./Kommission (Randnr. 54) hat der Gerichtshof ausgeführt, daß die Kommission dann, wenn sie Widersprüche zwischen den einzelnen Zielen sieht, einem der Ziele des Artikels 3 den Vorrang einzuräumen hat, den sie aufgrund der wirtschaftlichen Gegebenheiten, die zu der Entscheidung Anlaß gegeben haben, für angebracht hält.

114.
    Was die Frage angeht, ob die Sanierung des begünstigten Unternehmens der Erreichung der Vertragsziele dient, so trägt, wie das Gericht in seinen Urteilen EISA, British Steel und Wirtschaftsvereinigung Stahl ausgeführt hat, die Privatisierung eines Unternehmens, um dessen Lebensfähigkeit zu sichern, und der Abbau von Arbeitsplätzen in einem vertretbaren Maß zur Erreichung der Ziele des Vertrages bei, berücksichtigt man die Sensibilität des Stahlsektors und den Umstand, daß bei einer Verschärfung der Krise die Gefahr außergewöhnlich schwerer und anhaltender Störungen im Wirtschaftsleben des betreffenden Mitgliedstaats bestanden hätte. Es ist jedoch unstreitig, daß die betreffende Beihilfe die Privatisierung des begünstigten öffentlichen Unternehmens, die Umstrukturierung bestehender Einrichtungen und den Abbau von Arbeitsplätzen in einem vertretbaren Maß erleichtern soll (vgl. Abschnitt II der angefochtenen Entscheidung). Unstreitig ist auch, daß dem Stahlsektor in mehreren Mitgliedstaaten wegen des Standorts der Stahlanlagen in Regionen, die durch Unterbeschäftigung gekennzeichnet sind, und des Ausmaßes der in Frage stehenden wirtschaftlichen Interessen wesentliche Bedeutung zukommt. Unter diesen Umständen hätten Entscheidungen über Stillegungen und den Abbau von Arbeitsplätzen ohne unterstützende staatliche Maßnahmen sehr ernste Schwierigkeiten für die öffentliche Ordnung hervorrufen können, insbesondere durch eine Verschärfung des Problems der Arbeitslosigkeit und die Gefahr der Schaffung einer größeren wirtschaftlichen und sozialen Krisensituation (Urteil British Steel, Randnr. 107). Da Irish Steel das einzige Eisen- und Stahlunternehmen in Irland ist, hätte eine eventuelle Stillegung zwangsläufig noch stärkere Auswirkungen auf Wirtschaft und Beschäftigungssituation dieses Mitgliedstaats haben müssen.

115.
    Somit genügt die angefochtene Entscheidung, die derartige Schwierigkeiten durch die Sanierung von Irish Steel lösen will, dadurch den Anforderungen des Vertrages, daß sie unbestreitbar darauf abzielt, dafür zu sorgen, daß „keine Unterbrechung in der Beschäftigung eintritt“, wie es Artikel 2 Absatz 2 verlangt. Außerdem verfolgt die Entscheidung die in Artikel 3 verankerten Ziele insbesondere in bezug darauf, „Voraussetzungen [zu] erhalten, die einen Anreiz für die Unternehmen bieten, ihr Produktionspotential auszubauen und zu verbessern“ (Buchstabe d), und „die geordnete Ausweitung und Modernisierung der Erzeugung sowie die Verbesserung der Qualität in einer Weise zu fördern, die jede Schutzmaßnahme gegen Konkurrenzindustrien ausschließt“ (Buchstabe g) (vgl. Urteil British Steel, Randnr. 108).

116.
    Folglich bringt die angefochtene Entscheidung verschiedene Vertragsziele miteinander in Einklang, um für das ordnungsgemäße Funktionieren des Gemeinsamen Marktes zu sorgen.

117.
    Zu prüfen ist zweitens, ob die angefochtene Entscheidung zu diesem Zweck erforderlich war. Wie der Gerichtshof in Randnummer 30 seines Urteils Deutschland/Kommission ausgeführt hat, könnte die Kommission „keinesfalls die Gewährung staatlicher Beihilfen gestatten, die nicht zur Erreichung der im EGKS-Vertrag aufgestellten Ziele unerläßlich sind und die zu Wettbewerbsverzerrungen auf dem Gemeinsamen Stahlmarkt führen würden“ (Urteil British Steel, Randnr. 110).

118.
    Auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen verfügt die Kommission nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes „über ein Ermessen, das sie nach Maßgabe wirtschaftlicher und sozialer Wertungen ausübt, die auf die Gemeinschaft als Ganzes zu beziehen sind“ (Urteile des Gerichtshofes vom 17. September 1980 in der Rechtssache 730/79, Philip Morris/Kommission, Slg. 1980, 2671, Randnr. 24, und Matra/Kommission, sowie Urteile des Gerichts vom 13. September 1995 in den Rechtssachen T-244/93 und T-486/93, TWD/Kommission, Slg. 1995, II-2265, Randnr. 82, und British Steel, Randnr. 112).

119.
    Aus der angefochtenen Entscheidung (vgl. Abschnitt III) wie auch aus der Mitteilung vom 11. Oktober 1995 geht hervor, daß sich der Umstrukturierungsplan zusammen mit der Privatisierung von Irish Steel der Kommission als einzige Lösung darstellte, die die Neuausrichtung der Gesellschaft mit einem Minimum an sozioökonomischen Kosten ermöglichte (vgl. insbesondere die Nrn. 5 ff. der Mitteilung). Der Verkauf der Gesellschaft an einen international tätigen privaten Investor mit weitreichender Erfahrung im Eisen- und Stahlsektor sowie dessen Fähigkeit, unrentable Eisen- und Stahlunternehmen zu sanieren, gehörten zu den Bewertungsfaktoren, die die Kommission veranlaßt haben, die angefochtene Entscheidung zu erlassen. Außerdem wurde die Durchführbarkeit des mit der Privatisierung von Irish Steel verknüpften Umstrukturierungsplans von unabhängigen Fachleuten bestätigt, die zu dem Urteil gelangt waren, daß die von Ispat International vorgeschlagenen Investitionen es erlaubten, die erforderlichenProduktivitätsgewinne zu verwirklichen und die Kosten zu senken (vgl. insbesondere die Nrn. 7.15 bis 7.18 und 13.1 der Mitteilung vom 11. Oktober 1995).

120.
    Zum Argument, die Kommission habe bei der Beurteilung der Erforderlichkeit der Beihilfe unerhebliche Gesichtpunkte berücksichtigt, ist festzustellen, daß die Bezugnahme auf Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag nur der Erläuterung der besonderen Umstände des Falles Irish Steel dient. Gibt es nur ein einziges, kleines Stahlwerk in einem Mitgliedstaat und liegt dieses in einer wirtschaftlich benachteiligten Region, darf die Kommission diese Gesichtpunkte bei der Beurteilung der Erforderlichkeit der Beihilfe berücksichtigen. Jedenfalls war die schwierige Wirtschaftslage der Region, in der Irish Steel ihren Sitz hat, nur einer der Faktoren, denen die Kommission Rechnung getragen hat.

121.
    Demnach hat die Klägerin keinen konkreten Anhaltspunkt dafür vorgetragen, daß der Kommission bei der Beurteilung der Erforderlichkeit der Beihilfe zur Sanierung des Empfängerunternehmens ein offensichtlicher Fehler unterlaufen ist.

Zum Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

122.
    Die Klägerin macht geltend, die angefochtene Entscheidung verstoße gegen das Diskriminierungsverbot, indem sie ein öffentliches Unternehmen zum Nachteil der Privatunternehmen begünstige. Irish Steel habe die fraglichen Beihilfen nur deshalb erhalten, weil sie ein staatlich kontrolliertes Unternehmen sei. Das Diskriminierungsverbot verlange aber, vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich zu behandeln, es sei denn, eine solche Behandlung sei durch objektive Gründe gerechtfertigt. Schlügen die Mitgliedstaaten vor, lediglich die öffentlichen Unternehmen zu unterstützen, sei die Kommission nicht berechtigt, Beihilfen zu genehmigen, deren Gewährung eine offensichtlich diskriminierende Unterscheidung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor bewirken könnte. Denn bei der Beurteilung öffentlicher Beihilfeprogramme habe die Kommission unter anderem die Aufgabe, darauf zu achten, daß solche Programme nicht diskriminierend seien (vgl. hierzu Urteil des Gerichtshofes vom 24. Februar 1987 in der Rechtssache 304/85, Falck/Kommission, Slg. 1987, 871, Randnr. 27).

123.
    Außerdem seien durch die angefochtene Entscheidung Beihilfen für ein Unternehmen genehmigt worden, das es versäumt habe, eine tiefgreifende Umstrukturierung vorzunehmen, und zwar zum Nachteil der Konkurrenzunternehmen, insbesondere der Klägerin, die das bereits getan hätten. Schließlich erfolge mit der angefochtenen Entscheidung eine weitere Ungleichbehandlung, weil sie Irish Steel gestatte, ihre Produktion über die bestehende Kapazität hinaus zu steigern, während andere Unternehmen in der Vergangenheit gezwungen worden seien, Kapazitätsverringerungen vorzunehmen,um Beihilfen in Anspruch nehmen zu können. Für diese Ungleichbehandlung gebe es keinerlei objektiven Gründe.

124.
    Die Kommission ist der Ansicht, die Klägerin vergleiche zu Unrecht ihre und die Lage anderer Unternehmen, die seit 1985 keine Beihilfen erhalten, gleichwohl aber Umstrukturierungen vorgenommen hätten, mit der Lage von Irish Steel. Die Klägerin habe nämlich von 1980 bis 1985 Beihilfen erhalten, die ihr die Privatisierung und die Schaffung einer soliden und wirtschaftlich lebensfähigen Struktur ermöglicht hätten. Die Kommission führt, unterstützt von Ispat, weiter aus, daß das Diskriminierungsverbot, wie es im Urteil Falck/Kommission konkretisiert worden sei, hier nicht herangezogen werden könne. Zudem sei das Argument, die angefochtene Entscheidung sei diskriminierend, weil sie Irish Steel die Steigerung ihrer Produktionskapazität gestatte, aus den bereits vorgetragenen Gründen nicht stichhaltig.

125.
    Irland weist darauf hin, daß sämtliche Beihilfen im Rahmen der Privatisierung von Irish Steel genehmigt worden seien und die staatliche Beteiligung an dieser Gesellschaft somit beendet sei. Dementsprechend könne man das Argument, die Beihilfe sei eine Ungleichbehandlung zugunsten eines öffentlichen Unternehmens, nicht gelten lassen.

Würdigung durch das Gericht

126.
    Gemäß Artikel 4 Buchstabe b des Vertrages sind „Maßnahmen oder Praktiken, die eine Diskriminierung zwischen Erzeugern ... herbeiführen“, als unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt für Stahl innerhalb der Gemeinschaft untersagt.

127.
    Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Diskriminierung vor, wenn vergleichbare Sachverhalte in unterschiedlicher Weise behandelt und dadurch bestimmte Wirtschaftsteilnehmer gegenüber anderen benachteiligt werden, ohne daß diese Ungleichbehandlung durch das Vorliegen objektiver Unterschiede von einigem Gewicht gerechtfertigt wäre (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 15. Januar 1985 in der Rechtssache 250/83, Finsider/Kommission, Slg. 1985, 131, Randnr. 8). Speziell im Bereich der Beihilfen für die Stahlindustrie hat der Gerichtshof festgestellt, daß eine Ungleichbehandlung und damit eine Diskriminierung vorliegt, wenn eine Genehmigungsentscheidung „entweder Stahlunternehmen, die sich in derselben Situation befinden, unterschiedliche Vorteile oder Stahlunternehmen, die sich in erheblich unterschiedlichen Situationen befinden, identische Vorteile“ verschafft (Urteile Deutschland/Kommission, Randnr. 36, und British Steel, Randnr. 142).

128.
    Die Frage der Diskriminierung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor auf dem Gebiet der Gewährung von Beihilfen im Rahmen des Vertrages ist im Urteil Falck/Kommission geprüft worden. Nach der Feststellung, daß für die Gewährung der Beihilfe in erster Linie die betreffende Regierung verantwortlich ist, hat der Gerichtshof in Randnummer 27 dieses Urteils die Rolle der Kommission wie folgt beschrieben: „[Zwar kann] jede Maßnahme auf dem Gebietder Beihilfegewährung ein Unternehmen gegenüber einem anderen begünstigen, [doch darf die Kommission] Beihilfen nicht genehmigen, deren Gewährung eine offensichtlich diskriminierende Unterscheidung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor bewirken könnte. In einem solchen Fall würde die Beihilfegewährung nämlich in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise zu Wettbewerbsverzerrungen führen“ (Urteil British Steel, Randnr. 143).

129.
    Allerdings kann - wie die Kommission geltend macht - das Urteil Falck/Kommission nur in solchen Fällen herangezogen werden, in denen der Staat zwischen möglichen Empfängern der Beihilfe eine Auswahl getroffen und dabei öffentliche Wirtschaftsteilnehmer bevorzugt hat. Irish Steel ist jedoch das einzige in Irland ansässige Stahlunternehmen. Außerdem ergibt sich aus den Begleitumständen der Genehmigung kein Anhaltspunkt dafür, daß diese maßgebend durch den Umstand beeinflußt gewesen wäre, daß es sich bei Irish Steel um ein öffentliches Unternehmen handelte. Demnach konnte die angefochtene Entscheidung keine offensichtliche Diskriminierung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor herbeiführen, wie die Klägerin behauptet. Jedenfalls wurden die für vereinbar angesehenen Beihilfen vom irischen Staat im Rahmen der Privatisierung von Irish Steel gewährt (vgl. oben, Randnr. 11).

130.
    Was den angeblichen Widerspruch zwischen der angefochtenen Entscheidung und den früheren auf der Grundlage von Artikel 95 des Vertrages getroffenen Entscheidungen insoweit betrifft, als Irish Steel nicht zur Verringerung ihrer Produktionskapazitäten verpflichtet wurde, so ist zunächst darauf hinzuweisen, daß der Umfang der Beihilfe im vorliegenden Fall nicht mit dem Umfang der Beihilfen verglichen werden kann, um die es in den Entscheidungen 94/256, 94/257, 94/258, 94/259, 94/260 und 94/261 ging. Die Kommission gibt in Nummer 14.1 der Mitteilung vom 11. Oktober 1995 an, daß, wenn sie den gleichen Maßstab wie in diesen Entscheidungen angelegt hätte, d. h. eine Kapazitätsverringerung von 750 000 Tonnen je gewährter Beihilfetranche von einer Milliarde, Irish Steel eine Kapazitätsverringerung von 28 000 Tonnen auferlegt worden wäre. Dies könne nicht mit den Kapazitätsverringerungen verglichen werden, die den Empfängern der von den oben genannten Entscheidungen erfaßten Beihilfen auferlegt worden seien, bei denen es um die Gewährung sehr viel höherer Beträge gegangen sei. Ferner ist auf die Begleitumstände hinzuweisen, unter denen die angefochtene Entscheidung ergangen ist. Die durch diese Entscheidung für zulässig erklärte Finanzhilfe entspricht nämlich dem Ziel, die irische Stahlindustrie mit einer soliden und wirtschaftlich lebensfähigen Struktur auszustatten. Außerdem hat die Kommission im Einklang mit der erwähnten Erklärung des Rates vom 25. Februar 1993 die besonderen Probleme Irlands berücksichtigt, das nur über ein kleines Unternehmen verfügt (Abschnitt IV der angefochtenen Entscheidung). Wie die Kommission in der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, war es schließlich nicht möglich, die Kapazität des Unternehmens zu verringern, ohne dessen Schließung zu bewirken, da Irish Steel nur über ein einziges Warmwalzwerk verfügt (Abschnitt V). Demnach ist die fehlende Forderung nach einer Kapazitätsverringerung durch diebesonderen Umstände gerechtfertigt, unter denen die Beihilfen mit der angefochtenen Entscheidung genehmigt wurden. Jedenfalls stellen die Irish Steel auferlegten Verkaufsbeschränkungen und die übrigen in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Verpflichtungen Gegenleistungen dar, die es zuvor nicht gab.

131.
    Was das Argument betrifft, die Genehmigung der streitigen Beihilfe sei deshalb diskriminierend, weil sie einem Unternehmen zugute komme, das in der Vergangenheit keine tiefgreifende Umstrukturierung vorgenommen habe, und zwar zum Nachteil der Konkurrenzunternehmen, die das getan hätten, so hat die Klägerin, die solche Beihilfen erhalten hat, daß sie umstrukturiert und privatisiert werden konnte, nicht dargetan, wodurch die angefochtene Entscheidung Irish Steel eine Vorzugsbehandlung einräume.

132.
    Demnach ist das Vorbringen der Klägerin, die angefochtene Entscheidung verstoße gegen das Diskriminierungsverbot, zurückzuweisen.

Zur rechtswidrigen Legalisierung nicht notifizierter Beihilfen

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

133.
    Die Klägerin trägt vor, von 1990 bis 1994 habe der irische Staat Irish Steel mehrere Beihilfen gewährt, und zwar sowohl in Form von Darlehens- und Kreditbürgschaften als auch in Form öffentlicher Darlehen. Die betreffenden Beihilfen seien der Kommission jedoch nicht gemäß Artikel 6 Absatz 4 des Beihilfenkodex angezeigt worden (vgl. oben, Randnr. 7).

134.
    Diese formwidrigen Beihilfen ließen sich nicht nachträglich durch eine Genehmigungsentscheidung der Kommission legalisieren. Dies habe der Gerichtshof in seinem Urteil vom 21. November 1991 in der Rechtssache C-354/90 (Fédération nationale du commerce extérieur des produits alimentaires und Syndicat national des négociants et transformateurs de saumon, Slg. 1991, I-5505, Randnr. 16; im folgenden: Urteil FNCE) bestätigt.

135.
    Auch wenn Artikel 95 des Vertrages keine ausdrückliche Verfahrensvorschrift enthalte, die es den Mitgliedstaaten verbiete, Beihilfen zu gewähren, bevor die Genehmigung der Kommission erteilt sei, ergebe sich dieses Verbot stillschweigend daraus, daß die Bestimmungen über Beihilfen im EGKS-Vertrag strenger seien als im EG-Vertrag. Jedenfalls gelte im vorliegenden Fall die Notifizierungspflicht nach Artikel 6 Absatz 2 des Fünften Kodex.

136.
    Die Kommission weist zunächst darauf hin, daß nur ein Teil der Beihilfen ohne vorherige Notifizierung und Genehmigung gewährt worden sei. Sie macht ferner geltend, daß die Nichteinhaltung des Notifizierungsverfahrens weder im Fall des Artikels 93 Absatz 3 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 Absatz 3 EG) noch im Fall des Artikels 6 des Fünften Kodex, der die gleiche Verpflichtung zur vorherigenNotifizierung und das Verbot vorweggenommener Zahlungen vorsehe, einen Einfluß auf die materielle Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt habe. Schließlich beanstandet sie die Auslegung des Urteils FNCE durch die Klägerin.

Würdigung durch das Gericht

137.
    Das durch den EGKS-Vertrag auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen eingeführte System ermöglicht es der Kommission, unter bestimmten Voraussetzungen und unter Beachtung des Verfahrens nach Artikel 95 des Vertrages die Gewährung staatlicher Beihilfen zu genehmigen, die zum ordnungsgemäßen Funktionieren des gemeinsamen Stahlmarktes erforderlich sind. Demnach ist das Verbot nach Artikel 4 Buchstabe c weder unbedingt noch absolut.

138.
    Der innere Aufbau dieses Systems der Beihilfengenehmigung setzt für Einzelfallentscheidungen zunächst voraus, daß der Mitgliedstaat einen Antrag auf Anwendung des Verfahrens nach Artikel 95 des Vertrages an die Kommission richtet, und weiter, daß die Erforderlichkeit der Beihilfe im Hinblick auf die Verwirklichung der Ziele des Vertrages geprüft wird. Dementsprechend besteht das im EGKS-Vertrag festgeschriebene System wie das des Artikels 93 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 EG) aus zwei getrennten Abschnitten. Der erste hat instrumentalen Charakter und umfaßt die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, der Kommission alle geplanten Beihilfen mitzuteilen, sowie das (schlicht aus Artikel 4 Buchstabe c des Vertrages) folgende Verbot, diese Beihilfen vor ihrer Genehmigung durch die Kommission zu zahlen; der zweite hat substantiellen Charakter und besteht in der Prüfung der Erforderlichkeit der Beihilfe im Hinblick auf die Verwirklichung bestimmter Vertragsziele. Im übrigen führt Artikel 6 des Beihilfenkodex für die Beihilfen, die er vom Verbot des Artikels 4 Buchstabe c des Vertrages ausnimmt, ein völlig vergleichbares Verfahren der Mitteilung und Prüfung ihrer Vereinbarkeit vor.

139.
    Nach den Akten wurde die in Rede stehende Beihilfe von 1,217 Mio. IRL, die der staatlichen Bürgschaft für zwei Darlehen in Höhe von 12 Mio. IRL entsprach (vgl. oben, Randnr. 7), ohne vorherige Mitteilung an die Kommission gewährt (vgl. u. a. Nr. 9 der Mitteilung 95/C). Es bleibt daher zu prüfen, ob die angefochtene Entscheidung unter Berücksichtigung dieser fehlenden vorherigen Mitteilung eine - wie die Klägerin behauptet - rechtswidrige Legalisierung dieser Beihilfe darstellt.

140.
    Zum EG-Vertrag hat der Gerichtshof entschieden, daß der Verstoß gegen die in Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag genannten Verpflichtungen die Kommission nicht von der Verpflichtung befreien kann, die Vereinbarkeit der Beihilfe im Hinblick auf Artikel 92 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 EG) zu prüfen, und daß die Kommission sie nicht für rechtswidrig erklären kann, ohne geprüft zu haben, ob die Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist (vgl. Urteil FNCE, Randnr. 13).

141.
    Da jedoch das Verbot des Artikels 4 Buchstabe c des Vertrages nur ein grundsätzliches Verbot ist und die Kommission befugt ist, staatliche Beihilfen zu genehmigen, die für das ordnungsgemäße Funktionieren des Gemeinsamen Marktes für erforderlich gehalten werden, kommt der vorherigen Mitteilung instrumenteller Charakter auch für die abschließende Entscheidung über die Vereinbarkeit der Beihilfe sowie darüber zu, ob diese im Hinblick auf die Verwirklichung bestimmter Vertragsziele erforderlich ist. Das Fehlen dieser Mitteilung genügt nicht, die Kommission von der Verpflichtung zu befreien oder sie gar daran zu hindern, auf der Grundlage von Artikel 95 tätig zu werden und die Beihilfen gegebenenfalls für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu erklären. Im vorliegenden Fall ist die Kommission zu dem Ergebnis gelangt, daß die Beihilfen für die Umstrukturierung von Irish Steel einschließlich der streitigen Beihilfe für das ordnungsgemäße Funktionieren des Gemeinsamen Marktes erforderlich gewesen seien und daß sie nicht zu nicht hinnehmbaren Wettbewerbsverzerrungen führten. Folglich kann die fehlende Mitteilung die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung weder insgesamt noch insoweit beeinträchtigen, als sie die nicht zuvor notifizierte Beihilfe betrifft.

142.
    Außerdem hindert diese Stellungnahme die von der vorweggenommenen Zahlung der Beihilfe Betroffenen nicht daran, sich an die staatlichen Gerichte zu wenden und die Ungültigkeit der zur Durchführung der regelwidrigen Beihilfe getroffenen Maßnahmen geltend zu machen oder die Gewährung eines Ausgleichs für den möglicherweise erlittenen Schaden zu beantragen, selbst wenn die Beihilfe nachträglich für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt worden ist. Der Gerichtshof hat nämlich die unmittelbare Wirkung des in Artikel 4 Buchstabe c des Vertrages ausgesprochenen Beihilfenverbots bereits anerkannt (Urteil vom 23. April 1956 in den Rechtssachen 7/54 und 9/54, Groupement des industries sidérurgiques luxembourgeoises/Hohe Behörde, Slg. 1956, 55, 93). Außerdem hat der Gerichtshof, wie die Kommission zu Recht erwähnt, im Urteil FNCE die unmittelbare Wirkung von Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag und die Verpflichtung der nationalen Gerichte hervorgehoben, daraus die gebotenen Konsequenzen dergestalt zu ziehen, daß die Rechtmäßigkeit wiederhergestellt wird und die einzelnen gegebenenfalls für den aufgrund der rechtswidrigen Gewährung einer staatlichen Beihilfe entstandenen Schaden einen Ausgleich erhalten. Allerdings wirkt sich der Umstand, daß Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag unmittelbare Wirkung zukommt, nicht notwendig auf die sachliche Prüfung der Beihilfe aus und führt auch nicht zur Rechtswidrigkeit der von der Kommission erlassenen Entscheidung über die Vereinbarkeit (Randnrn. 13 und 14).

143.
    Demnach ist die Rüge einer rechtswidrigen Legalisierung der nicht zuvor notifizierten Beihilfen unbegründet.

144.
    Nach alledem ist der Klagegrund der Verletzung des EGKS-Vertrags oder einer bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm zurückzuweisen.

3. Zum Klagegrund einer Verletzung wesentlicher Formvorschriften

145.
    Mit diesem Klagegrund macht die Klägerin einen Begründungsmangel, das Versäumnis, das kontradiktorische Verfahren einzuleiten, und den Verstoß gegen die Verpflichtung zur Einholung der Zustimmung des Ausschusses geltend.

Zum Begründungsmangel

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

146.
    Die Klägerin wirft der Kommission vor, die angefochtene Entscheidung nicht hinreichend begründet zu haben. Diese nach Artikel 95 des Vertrages erlassene Entscheidung habe Ausnahmecharakter, und im übrigen habe sich die Kommission ohne Rechtfertigung von ihrer früheren Entscheidungspraxis entfernt. Die Klägerin verweist insoweit auf das Urteil des Gerichtshofes vom 26. November 1975 in der Rechtssache 73/74 (Groupement des Fabricants de Papiers Peints de Belgique u. a./Kommission, Slg. 1975, 1491, Randnr. 31). Zudem habe die Kommission keine zufriedenstellenden Gründe für die Genehmigung eines Beihilfebetrags angegeben, der den Betrag von 31 Mio. IRL überstiegen habe, die sie in der Mitteilung vom 11. Oktober 1995 als die unbedingt notwendigen Höchstbetrag angesehen habe.

147.
    Die Kommission vertritt die Ansicht, die angefochtene Entscheidung sei hinreichend begründet.

Würdigung durch das Gericht

148.
    Gemäß Artikel 5 Absatz 2 vierter Gedankenstrich des Vertrages „gibt [die Gemeinschaft] die Gründe für ihr Handeln bekannt“. In Artikel 15 Absatz 1 heißt es: „Die Entscheidungen, Empfehlungen und Stellungnahmen der Kommission sind mit Gründen zu versehen und haben auf die pflichtgemäß eingeholten Stellungnahmen Bezug zu nehmen.“ Aus diesen Vorschriften sowie aus den allgemeinen Grundsätzen des Vertrages ergibt sich, daß für die Kommission eine Begründungspflicht besteht, wenn sie allgemeine oder individuelle Entscheidungen erläßt, unabhängig von der Rechtsgrundlage, die sie dafür wählt.

149.
    Nach ständiger Rechtsprechung muß die Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepaßt sein und die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, daß die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und der Gemeinschaftsrichter seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. In der Begründung brauchen jedoch nicht alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden. Sie ist nicht nur anhand des Wortlauts des Rechtsakts zu beurteilen, sondern auch anhand seines Kontexts und sämtlicher Rechtsvorschriften, die auf dem betreffenden Gebiet gelten (Urteil des Gerichtshofes vom 29. Februar 1996 in der Rechtssache C-56/93, Belgien/Kommission, Slg. 1996, I-723, und Urteil des Gerichts vom 22. Oktober 1996 in der Rechtssache T-266/94, Skibsværftsforeningen u. a./Kommission, Slg.1996, II-1399, Randnr. 230). Außerdem ist die Begründung eines Rechtsakts u. a. anhand „des Interesses zu beurteilen, das die Adressaten oder andere von der Maßnahme betroffene Personen im Sinne von Artikel 33 Absatz 2 EGKS-Vertrag an der Begründung haben können“ (Urteil des Gerichtshofes vom 19. September 1985 in den Rechtssachen 172/83 und 226/83, Hoogovens Groep/Kommission, Slg. 1985, 2831, Randnr. 24, und Urteil British Steel, Randnr. 160). Geht schließlich eine Kommissionsentscheidung erheblich weiter als die früheren Entscheidungen, muß die Kommission ihren Gedankengang ausdrücklich darlegen (Urteil Groupement des Fabricants de Papiers Peints de Belgique u. a./Kommission, Randnr. 31).

150.
    Erstens ergibt sich aus Abschnitt V der angefochtenen Entscheidung, daß die Kommission im vorliegenden Fall einen Kapazitätsabbau deshalb nicht in Aussicht genommen hat, weil er „nicht möglich [war], ohne die Anlage zu schließen, da Irish Steel nur über ein Warmwalzwerk verfügt“; eine solche Lösung hätte darüber hinaus mit „[d]em Bestreben, die irische Stahlindustrie mit einer soliden und wirtschaftlich lebensfähigen Struktur auszustatten“, nicht im Einklang gestanden. Außerdem hat das Gericht in Randnummer 130 bereits ausgeführt, daß der Verzicht auf die Forderung nach einer Kapazitätsverringerung durch die besonderen Umstände gerechtfertigt war, unter denen die Beihilfen genehmigt wurden. Da diese Bedingungen in der angefochtenen Entscheidung aufgeführt sind, kann die Klägerin nicht behaupten, die Kommission habe ihren Gedankengang nicht ausdrücklich dargelegt.

151.
    Was zweitens die von der Kommission mit der angefochtenen Entscheidung verfolgten, in den Artikeln 2 und 3 des Vertrages vorgesehenen Ziele angeht, so wird in Abschnitt IV dieser Entscheidung außerdem dargelegt, inwiefern die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der von Irland vorgeschlagenen Finanzhilfe im Rahmen eines Programms zur Umstrukturierung von Irish Steel, das von unabhängigen Fachleuten für durchführbar gehalten wurde, die in diesen Artikeln genannten Ziele erfüllten.

152.
    Drittens ergibt sich aus der angefochtenen Entscheidung, daß die zusätzliche Beihilfe, auf die die Klägerin verweist, die Gegenleistung für die vom Rat auferlegten Produktions- und Verkaufsbeschränkungen war (Abschnitt II).

153.
    Darüber hinaus ist diese Rüge nach gefestigter Rechtsprechung um so weniger begründet, als die Klägerin im Verfahren der Ausarbeitung der angefochtenen Entscheidung unstreitig durch ihren Vertreter im Ausschuß, Herrn Evans, eine aktive Rolle gespielt und die tatsächlichen und rechtlichen Gründe gekannt hat, die die Kommission veranlaßt haben, die Beihilfen für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu halten und keinen Kapazitätsabbau als Gegenleistung zu verlangen (vgl. u. a. Urteil des Gerichtshofes vom 11. Januar 1973 in der Rechtssache 13/72, Niederlande/Kommission, Slg. 1973, 27, Randnr. 12, und Urteil British Steel, Randnr. 168).

154.
    Folglich greift die Rüge eines Begründungsmangels nicht durch.

Zur Nichteinleitung des kontradiktorischen Verfahrens

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

155.
    Nach Auffassung der Klägerin ist die Kommission gemäß Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 Absatz 2 EG) und Artikel 6 Absatz 4 des Fünften Kodex verpflichtet, Drittbetroffene von dem Antrag auf Genehmigung so in Kenntnis zu setzen, daß sie Stellung nehmen können. Im vorliegenden Fall habe die Kommission das ursprüngliche Vorhaben der irischen Regierung im Amtsblatt veröffentlichen lassen (Mitteilung 95/C), nicht jedoch den zweiten Umstrukturierungplan. Daher habe die Kommission den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör und auf Abgabe einer rechtzeitigen Stellungnahme zu dem in der Prüfung befindlichen Vorhaben nicht beachtet.

156.
    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen und weist insbesondere darauf hin, daß die der Klägerin durch Artikel 95 verliehenen Verfahrensrechte weiter gingen, als die nach Artikel 6 Absatz 4 des Beihilfenkodex. Die Klägerin habe nämlich über eine längere Frist zur Abgabe ihrer Stellungnahme verfügt, und sie hätte dies sowohl unmittelbar als auch über den Ausschuß tun können.

Würdigung durch das Gericht

157.
    Die angefochtene Entscheidung wurde auf der Grundlage von Artikel 95 Absätze 1 und 2 des Vertrages erlassen. Diese Vorschrift sieht die Zustimmung des Rates und die obligatorische Anhörung des Ausschusses vor. Sie begründet keinen Anspruch der Adressaten der Entscheidungen und der Beteiligten auf rechtliches Gehör. Artikel 6 Absatz 4 des Beihilfenkodex führt dagegen einen solchen Anspruch wie folgt ein: „Stellt die Kommission, nachdem sie die Beteiligten zur Stellungnahme aufgefordert hat, fest, daß eine Beihilfe nicht mit den Bestimmungen der vorliegenden Entscheidung vereinbar ist, so unterrichtet sie den betreffenden Mitgliedstaat von ihrer Entscheidung.“ Diese Vorschrift war in allen dem Fünften Kodex vorausgegangenen Beihilfenkodizes (vgl. Entscheidung Nr. 257/80/EGKS der Kommission vom 1. Februar 1980 zur Einführung von gemeinschaftlichen Regeln über spezifische Beihilfen zugunsten der Eisen- und Stahlindustrie, ABl. L 29, S. 5) enthalten.

158.
    Die Klägerin ist der Ansicht, die Kommission habe gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verstoßen, da sie auch ohne eine ausdrückliche Bestimmung in Artikel 95 EGKS-Vertrag ihr gegenüber ein kontradiktorisches Verfahren nach dem Vorbild von Artikel 6 des Fünften Beihilfenkodex hätte einleiten müssen. Sie zieht außerdem eine Parallele zwischen Artikel 95 EGKS-Vertrag und Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag, um daraus einen allgemeinen Grundsatz herzuleiten, der die Kommission verpflichte, die Betroffenen systematisch immer dann am Verfahrenzu beteiligen, wenn sie die Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Vertrag zu beurteilen habe.

159.
    Es kann dahingestellt bleiben, ob es einen allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz gibt, der den Beteiligten einen Anspruch auf rechtliches Gehör in einem Beschlußfassungsverfahren im Bereich der staatlichen Beihilfen verleiht, denn die Klägerin hatte im Rahmen des Verfahrens zum Erlaß der angefochtenen Entscheidung jedenfalls Gelegenheit, ihren Standpunkt im Ausschuß geltend zu machen. Gemäß Artikel 18 des Vertrages besteht der Ausschuß nämlich aus Vertretern der Erzeuger, der Arbeitnehmer, der Verbraucher und der Händler. Unstreitig war British Steel als Erzeuger dort vertreten. So wurde in der 324. Sitzung dieses Ausschusses am 24. November 1995 die Genehmigung der Beihilfen für Irish Steel erörtert, und der Vertreter der Klägerin hatte Gelegenheit, zu den von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen Stellung zu nehmen (vgl. Urteil British Steel, Randnr. 176).

160.
    Jedenfalls kann die Veröffentlichung der Mitteilung 95/C im Amtsblatt bei der Klägerin keinen Irrtum über den Vorschlag hervorgerufen haben, der dem Rat vorlag und zu dem der Ausschuß angehört worden ist. Die Klägerin konnte nämlich bereits vor der Veröffentlichung dieser Mitteilung am 28. Oktober 1995 durch ihre Teilnahme an der Sitzung des Ausschusses, die am 25. Oktober 1995 stattfand, wissen, daß die irische Regierung den ersten Umstrukturierungsplan zurückgezogen und einen zweiten, geänderten Plan vorgelegt hatte.

161.
    Demnach hatte die Klägerin Gelegenheit, gemäß dem Verfahren nach Artikel 95 des Vertrages ihren Standpinkt zum Erlaß der angefochtenen Entscheidung zu Gehör zu bringen. Unter diesen Umständen ist die Rüge eines Verstoßes gegen die Verpflichtung, ein kontradiktorisches Verfahren einzuleiten, zurückzuweisen.

Zum Verstoß gegen die Verpflichtung, den Ausschuß anzuhören

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

162.
    Die Klägerin wirft der Kommission vor, sie habe nicht die Zustimmung des Ausschusses zu den letztlich genehmigten Beihilfen eingeholt. Der Betrag der ursprünglich vorgeschlagenen Beihilfe und die Bedingungen für deren Genehmigung seien nämlich zwischen der Sitzung des Ausschusses vom 25. Oktober 1995 und der endgültigen Zustimmung des Rates am 22. Dezember 1995 geändert worden. Unter Berufung auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes zur Anhörung des Europäischen Parlaments im Rahmen von auf der Grundlage von Artikel 235 EG-Vertrag (jetzt Artikel 308 EG) getroffenen Entscheidungen (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 16. Juli 1992 in der Rechtssache C-65/90, Parlament/Rat, Slg. 1992, I-4593) trägt die Klägerin vor, die Verpflichtung zur erneuten Anhörung des Ausschusses habe deshalb bestanden, weil sich die angefochtene Entscheidung in zweierlei Hinsicht wesentlich von dem ihm vorgelegten Vorschlag unterscheide: Erstens sei der Betrag der Beihilfe um 22 %gestiegen, und zweitens seien die Verkaufsbeschränkungen erheblich geändert worden. Gleichwohl habe der Ausschuß zu keinem Zeitpunkt Gelegenheit gehabt, zu den wettbewerbsverzerrenden Auswirkungen, zu der diese zusätzliche Beihilfen führen könnten, oder zu der Frage Stellung zu nehmen, ob die neuen Bedingungen geeignet seien, eine solche Störung zu vermeiden.

163.
    Die Kommission trägt vor, das Vorbringen der Klägerin sei auf die Annahme gestützt, die Beihilfe werde eine Wettbewerbsverzerrung nach sich ziehen, was bereits widerlegt sei. Im Licht der von der Klägerin herangezogenen Rechtsprechung ergebe sich keine Verpflichtung zur erneuten Anhörung.

Würdigung durch das Gericht

164.
    Im vorliegenden Fall hat die Kommission den Ausschuß gemäß Artikel 95 des Vertrages in der Sitzung vom 25. Oktober 1995 angehört. Dieser Anhörung lag der Wortlaut der Mitteilung vom 11. Oktober 1995 zugrunde. Die endgültige Genehmigung der Beihilfen wurde jedoch mit einigen Änderungen auf der Tagung des Rates vom 22. Dezember 1995 beschlossen, ohne daß der Ausschuß zu diesen Änderungen angehört worden wäre.

165.
    Dem von der Klägerin hierzu vorgebrachten Argument, es bestehe nach Artikel 95 des Vertrages eine Parallele zwischen der Verpflichtung zur Anhörung des Europäischen Parlaments und der Verpflichtung zur Anhörung des Ausschusses, kann nicht gefolgt werden. Das Europäische Parlament ist ein Gemeinschaftsorgan, dessen wirksame Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren der Gemeinschaft ein Element des vom Vertrag gewollten institutionellen Gleichgewichts darstellt (vgl. u. a. Urteil des Gerichtshofes vom 10. Juni 1997 in der Rechtssache C-392/95, Parlament/Rat, Slg. 1997, I-3213, Randnr. 14). Demgegenüber handelt es sich in der vorliegenden Rechtssache um die Beteiligung eines fachtechnischen Organs am Entscheidungsprozeß der Gemeinschaftsorgane. Folglich gehen die Verfahrensanforderungen bei der Stellungnahme nach Artikel 95 EGKS-Vertrag nicht so weit wie bei der nach Artikel 235 EG-Vertrag erforderlichen Anhörung des Europäischen Parlaments.

166.
    Jedenfalls ist zu prüfen, ob sich im vorliegenden Fall die Verpflichtung zur erneuten Anhörung aus der Systematik des Artikels 95 und insbesondere aus den mit der darin vorgesehenen Anhörung verfolgten Zielen ergibt.

167.
    Die Auslegung der Artikel 18 und 19 (Zusammensetzung und Aufgaben des Ausschusses) in Verbindung mit Artikel 95 des Vertrages zeigt, daß die Anhörung dieses Gremiums dazu dient, erstens alle beruflich Betroffenen in die Lage zu versetzen, zu den von der Kommission vorgelegten Vorschlägen ihre Meinung zu äußern, und zweitens dem Rat zu ermöglichen, Entscheidungen auf der Grundlage eines auf alle Betroffenen ausgedehnten Dialogs zu treffen.

168.
    Daher hat die Anhörung ihren Zweck erfüllt, wenn der Ausschuß in Kenntnis aller für das Verständnis der der Prüfung unterliegenden Situation erforderlichen Gesichtspunkte Gelegenheit hatte, seine Meinung zu allen aufgeworfenen Fragen zu äußern, und der Rat diese Auffassung so zur Kenntnis genommen hat, daß er sie bei der endgültigen Entscheidung berücksichtigen konnte. Nach den Akten hatte der Ausschuß Gelegenheit, sich auf der Grundlage der Mitteilung 95/C zu äußern, in der alle notwendigen Informationen enthalten waren. Die Verschärfung der Bedingungen für die Genehmigung der Beihilfe gegenüber dem Vorschlag der Kommission im Anschluß an die von einigen Mitgliedern des Ausschusses geäußerten Vorbehalte zeigt nicht nur, daß der Rat über die Auffassung des Ausschusses umfassend unterrichtet war, sondern auch, daß er sie beim Erlaß der angefochtenen Entscheidung berücksichtigt hat. Die Anhebung des Beihilfebetrags stellt das erforderliche Gegenstück zu den Ertragsverlusten durch die Verschärfung der zur Gewährleistung der Durchführbarkeit des Umstrukturierungsplans auferlegten Bedingungen dar.

169.
    Demnach hat das Unterbleiben einer erneuten Anhörung des Ausschusses zum endgültigen Wortlaut der angefochtenen Entscheidung die praktische Wirkung der Anhörung im Sinne des Artikels 95 des Vertrages nicht in Frage gestellt.

170.
    Daher ist die Rüge eines Verstoßes gegen die Verpflichtung zur Anhörung des Ausschusses unbegründet.

171.
    Daraus folgt, daß der Klagegrund einer Verletzung wesentlicher Formvorschriften zurückzuweisen ist.

172.
    Aus den gesamten vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß die Klage in vollem Umfang abzuweisen ist.

Kosten

173.
    Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe die Einrede der Unzulässigkeit ohne angemessenen Grund und böswillig im Sinne von Artikel 87 § 3 der Verfahrensordnung erhoben. Dementsprechend beantragt sie, unabhängig vom Ausgang der Klage insgesamt, der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

174.
    Nach Auffassung des Gerichts war das von der Kommission vorgebrachte Verteidigungsmittel zum Zeitpunkt der Klageerhebung erheblich. Denn die Frage, ob die Frist für die Erhebung einer Nichtigkeitsklage gegenüber einer Partei zu einem vor der Veröffentlichung liegenden Zeitpunkt zu laufen beginnen kann, war in der Gemeinschaftsrechtsprechung noch nicht behandelt worden. Indem die Kommission die Frage der Unzulässigkeit der Klage aufgeworfen hat, hat sie der Klägerin außerdem nicht den Vorwurf gemacht, die angefochtene Entscheidung vor ihrer Veröffentlichung nicht beachtet zu haben, wozu sie durch ihre Weigerung, sieihr mitzuteilen, beigetragen hätte. Sie hat dieses Verteidigungsmittel darauf gestützt, daß die Klägerin bereits vor der Veröffentlichung ausreichende Kenntnis von dem Rechtsakt gehabt habe. Daher steht die fehlende Mitteilung der angefochtenen Entscheidung zwar nicht im Einklang mit dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, hat aber für das Vorbringen der Kommission keine Rolle gespielt. Folglich hat die Kommission mit der Geltendmachung dieses Verteidigungsmittels der Klägerin nicht ohne angemessenen Grund oder böswillig Kosten verursacht.

175.
    Dem Antrag der Klägerin gemäß Artikel 87 § 3 Absatz 2 der Verfahrensordnung kann daher nicht stattgegeben werden.

176.
    Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Aus dem Vorstehenden folgt, daß die Klägerin mit ihrem auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung gerichteten Vorbringen unterlegen ist. Da die Beklagte und Ispat, die sie als Streithelferin unterstützt hat, einen entsprechenden Antrag gestellt haben, sind der Klägerin deren Kosten aufzuerlegen.

177.
    Nach Artikel 87 § 4 Absatz 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Folglich hat der Streithelfer Irland seine eigenen Kosten zu tragen.

178.
    Nach Artikel 87 § 4 Absatz 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht entscheiden, daß ein anderer Streithelfer als ein Mitgliedstaat oder ein Organ seine eigenen Kosten trägt. Im vorliegenden Fall ist zu entscheiden, daß Hoogovens, die die Klägerin als Streithelferin unterstützt hat, ihre eigenen Kosten trägt.

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Vierte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.    Die Klage wird abgewiesen.

2.    Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten, die Kosten der Beklagten und die Kosten der Streithelferin Irish Ispat Ltd.

3.    Die Streithelfer Irland und Hoogovens Staal BV tragen ihre eigenen Kosten.

Moura Ramos
García-Valdecasas
Tiili

            Lindh                    Mengozzi

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. Juli 1999.

Der Kanzler

Der Präsident

H. Jung

R. M. Moura Ramos


1: Verfahrenssprache: Englisch.