Language of document : ECLI:EU:T:2011:675

URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)

16. November 2011(*)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Gemeinschaftsbildmarke BUFFALO MILKE Automotive Polishing Products – Ältere nationale Bildmarke BÚFALO – Vorlage von Beweismitteln erstmals vor der Beschwerdekammer – Durch Art. 74 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 (jetzt Art. 76 Abs. 2 der Verordnung [EG] Nr. 207/2009) verliehenes Ermessen – Ernsthafte Benutzung der älteren Marke – Art. 43 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 42 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 207/2009)“

In der Rechtssache T‑308/06

Buffalo Milke Automotive Polishing Products, Inc. mit Sitz in Pleasanton, Kalifornien (Vereinigte Staaten von Amerika), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte F. de Visscher und E. Cornu sowie Rechtsanwältin D. Moreau,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch D. Botis als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM und Streithelferin vor dem Gericht:

Werner & Mertz GmbH mit Sitz in Mainz (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte M. Thewes und V. Wiot, dann Rechtsanwälte Thewes und P. Reuter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des HABM vom 8. September 2006 (Sache R 1094/2005-2) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der Werner & Mertz GmbH und der Buffalo Milke Automotive Polishing Products, Inc.

erlässt

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten N. J. Forwood sowie der Richter J. Schwarcz und A. Popescu (Berichterstatter),

Kanzler: S. Spyropoulos,

aufgrund der am 13. November 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 10. April 2007 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des HABM,

aufgrund der am 1.. März 2007 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

aufgrund der am 4. Juli 2007 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Erwiderung der Klägerin,

auf die mündliche Verhandlung vom 13. September 2011, in der keiner der Verfahrensbeteiligten vertreten war,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 20. Februar 2001 meldete die Klägerin, die Buffalo Milke Automotive Polishing Products, Inc., nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das folgende Bildzeichen:

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3        Die Marke wurde für folgende Waren der Klassen 3, 18 und 25 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 3 : „Wachse, Poliercremes, Reinigungsmittel, Ledercremes, Lederschutzmittel, Waschmittel“;

–        Klasse 18: „Handtaschen“;

–        Klasse 25 : „Bekleidungsstücke einschließlich T-Shirts, Windeln“.

4        Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 27/2002 vom 8. April 2002 veröffentlicht.

5        Am 25. Juni 2002 erhob die Streithelferin, die Werner & Mertz GmbH, gemäß Art. 42 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009) gegen die Anmeldung Widerspruch.

6        Der Widerspruch wurde auf die nachstehend wiedergegebene deutsche Bildmarke gestützt:

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7        Diese Marke wurde am 15. Juli 1994 unter der Nr. 2079354 für folgende Waren in Klasse 3 des Nizzaer Abkommens eingetragen: „Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen, Mittel zum Imprägnieren, Reinigen und Pflegen von Gegenständen aus Leder, Kunststoffen und Textilien, insbesondere von Schuhen; Wichse, Fußbodenreinigungs- und -pflegemittel; Mittel zur Reinigung und Pflege von Teppichen, Polstermöbeln und Textilien; Fleckenentfernungsmittel, Sanitärreinigungsmittel“.

8        Der Widerspruch bezog sich auf die mit der Anmeldung beanspruchten Waren in Klasse 3, die nach einer Beschränkung des Warenverzeichnisses im Verfahren vor dem HABM wie folgt bezeichnet werden: „Wachse, Poliercremes, Reinigungsmittel, Ledercremes, Lederschutzmittel, Waschmittel, alle für die Kraftfahrzeugpflege“.

9        Der Widerspruch wurde mit dem Vorliegen eines Eintragungshindernisses gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009) begründet.

10      Am 15. Juli 2005 wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch insgesamt mit der Begründung zurück, dass die von der Streithelferin auf Antrag der Klägerin gemäß Art. 43 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 42 der Verordnung Nr. 207/2009) vorgelegten Beweismittel nicht für den Nachweis ausreichten, dass die ältere nationale Marke in Deutschland innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veröffentlichung der Gemeinschaftsmarkenanmeldung ernsthaft benutzt worden sei. Die vorgelegten Unterlagen seien alle intern von der Streithelferin ausgearbeitet worden, sie erlaubten nicht den Schluss auf einen echten und tatsächlichen Vertrieb der Waren auf dem relevanten Markt, und sie ergäben daher keinen Anhaltspunkt für den Umfang der Benutzung der älteren Marke.

11      Am 9. September 2005 legte die Streithelferin bei der Beschwerdekammer gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung Beschwerde ein.

12      Am 14. November 2005 legte die Streithelferin als Anlage zu ihrem Schriftsatz mit der Darlegung der Beschwerdegründe ergänzende Beweismittel zu den bereits in erster Instanz vorgelegten Nachweisen vor. Zu diesen neuen Beweismitteln gehörten neun Rechnungen, die mit Daten vom 20. April 2001 bis zum 18. März 2002 versehen waren.

13      Mit Entscheidung vom 8. September 2006 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) hob die Zweite Beschwerdekammer des HABM die Entscheidung der Widerspruchsabteilung auf und verwies die Sache an diese zurück.

14      Erstens nahm die Beschwerdekammer in Bezug auf die Zulässigkeit der Beweismittel, die die Streithelferin erstmals im Verfahren vor der Beschwerdekammer vorgelegt hatte und die dem Nachweis dienen sollten, dass sie die ältere Marke in Deutschland in der Zeit vom 8. April 1997 bis zum 7. April 2002 benutzt habe, an, dass die neuen Rechnungen ergänzende Beweismittel darstellen sollten, mit denen die rechtzeitig der Widerspruchsabteilung vorgelegten Beweisunterlagen bestätigt oder erhärtet werden sollten, und dass sie zulässig seien.

15      Die Beschwerdekammer stützte ihre Erwägungen auf Art. 74 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009), der dem HABM ein Ermessen hinsichtlich der Frage einräume, ob bei einer Prüfung sämtlicher erheblicher Umstände der Falles verspätet vorgetragene Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen seien oder nicht.

16      Zweitens führte die Beschwerdekammer zu der Frage, ob die ergänzenden Beweismittel für den Nachweis der Benutzung der älteren Marke im Sinne von Art. 43 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 42 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009) geeignet seien, aus, dass die vorgelegten Unterlagen die Benutzung der älteren Marke für die Waren „Poliercremes“ und „Ledercremes“ rechtlich ausreichend bewiesen. Diese Beweismittel erhärteten und bestätigten die in der vorgelegten eidesstattlichen Erklärung und den eingereichten Preislisten enthaltenen Informationen und entsprächen offensichtlich den Angaben zum Umsatz.

 Anträge der Verfahrensbeteiligten

17      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

18      Das HABM und die Streithelferin beantragen,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Entscheidungsgründe

19      Die Klägerin macht als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 43 der Verordnung Nr. 40/94 und gegen Regel 22 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 303, S. 1) geltend. Dieser Klagegrund besteht aus zwei Teilen.

 Zur Berücksichtigung der erstmals vor der Beschwerdekammer vorgelegten Rechnungen

20      Die Klägerin macht geltend, dass die Beschwerdekammer die verspäteten, erstmals vor ihr vorgelegten Unterlagen unter Verstoß gegen Art. 43 der Verordnung Nr. 40/94 und Regel 22 der Verordnung Nr. 2868/95 für zulässig erklärt habe. Sie meint, die Beschwerdekammer hätte das späte Stadium, in dem diese Vorlage stattgefunden habe, und die Begleitumstände der Vorlage dieser Beweismittel berücksichtigen müssen, um diese zurückzuweisen.

21      Zwischen den Verfahrensbeteiligten ist unstreitig, dass die Unterlagen, die die Streithelferin am 14. November 2005 zusammen mit dem Schriftsatz ihrer Beschwerdebegründung zur Stützung der bereits in erster Instanz eingereichten Unterlagen vorgelegt hat, nicht rechtzeitig vorgelegt worden sind, was in der Sache auch die Beschwerdekammer in den Randnrn. 19 und 20 der angefochtenen Entscheidung feststellte. Zwischen den Verfahrensbeteiligten besteht dagegen Streit über die Frage, ob das HABM diese Unterlagen berücksichtigen durfte.

22      Hierzu ist festzustellen, dass, wie aus dem Wortlaut von Art. 74 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 hervorgeht, die Beteiligten als allgemeine Regel und vorbehaltlich einer gegenteiligen Vorschrift Tatsachen und Beweise auch dann noch vorbringen können, wenn die für dieses Vorbringen nach den Bestimmungen der Verordnung Nr. 40/94 geltenden Fristen abgelaufen sind, und dass es dem HABM keineswegs untersagt ist, solche verspätet vorgebrachten Tatsachen und Beweise zu berücksichtigen (Urteil des Gerichtshofs vom 13. März 2007, HABM/Kaul, C‑29/05 P, Slg. 2007, I‑2213, Randnr. 42).

23      Andererseits ergibt sich aus diesem Wortlaut ebenso eindeutig, dass ein solches verspätetes Vorbringen von Tatsachen und Beweisen dem Beteiligten, von dem es stammt, keinen unbedingten Anspruch darauf verleihen kann, dass diese Tatsachen oder Beweise vom HABM berücksichtigt werden (Urteil HABM/Kaul, Randnr. 43).

24      Eine solche Berücksichtigung durch das HABM kann, wenn es im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens zu entscheiden hat, insbesondere dann gerechtfertigt sein, wenn es zu der Auffassung gelangt, dass zum einen die verspätet vorgebrachten Gesichtspunkte auf den ersten Blick von wirklicher Relevanz für das Ergebnis des bei ihm eingelegten Widerspruchs sein können und dass zum anderen das Verfahrensstadium, in dem das verspätete Vorbringen erfolgt, und die Umstände, die es begleiten, einer solchen Berücksichtigung nicht entgegenstehen (Urteil HABM/Kaul, Randnr. 44).

25      In diesem Zusammenhang ist von vornherein das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, wonach das Urteil HABM/Kaul auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, da die Beweise in dieser Rechtssache nicht die ernsthafte Benutzung der älteren Marke betroffen hätten. Insoweit genügt die Feststellung, dass der Gerichtshof im Urteil HABM/Kaul seine Auslegung von Art. 74 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 dargelegt hat, die sich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht darauf beschränkt, die verspätete Vorlegung von Beweisen für die Begründetheit des Antrags zu behandeln, sondern es dem HABM erlaubt, jede Art verspätet vorgetragener Tatsachen oder Beweise zu berücksichtigen. Im Übrigen hat der Gerichtshof kürzlich bestätigt, dass seine Auslegung von Art. 74 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 auch für die verspätete Vorlage von Nachweisen für die ernsthafte Benutzung einer älteren Marke gilt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 19. Mai 2011, Union Investment Privatfonds/HABM, C‑308/10 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 40 bis 45).

26      Was die Art und Weise der Ausübung dieses Ermessens durch das HABM anbelangt, ist erstens darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer zu Recht ausdrücklich feststellte, dass sie über das notwendige Ermessen im Sinne von Art. 74 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 verfügte, indem sie in Randnr. 22 der angefochtenen Entscheidung ausführte, es liege „im Ermessen des [HABM], unter Prüfung sämtlicher erheblicher Umstände der Falles darüber zu entscheiden, ob verspätet vorgetragene Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen sind oder nicht“.

27      Zweitens erscheint die von der Beschwerdekammer gegebene Begründung geeignet, ihre Entscheidung zu rechtfertigen, dass die erstmals vor ihr vorgetragenen Beweise in Anbetracht der Umstände zu berücksichtigen seien. Sie führte nämlich in Randnr. 25 der angefochtenen Entscheidung aus, die Widerspruchsabteilung habe in ihrer Entscheidung befunden, dass es die Streithelferin unterlassen habe, unabhängige Beweismittel für ihre tatsächlichen Verkäufe vorzulegen, die geeignet wären, die von ihr intern ausgearbeiteten Unterlagen über den Umfang der Benutzung der älteren Marke zu bestätigen oder zu erhärten. Infolgedessen hat die Beschwerdekammer angenommen, dass sie über ein Ermessen verfüge und dass es berechtigt sei, die zusammen mit der schriftlichen Beschwerdebegründung vorgelegten Beweise zuzulassen, mit denen die rechtzeitig vor der Widerspruchsabteilung vorgelegten Beweisunterlagen bestätigt oder erhärtet werden sollten.

28      Drittens wurde in der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich die Frage der Erheblichkeit der neun Rechnungen für den Ausgang des Verfahrens berücksichtigt und wurden diese zugelassen, weil es sich um ergänzende Beweismittel handele, die Aufschluss über Fragen im Zusammenhang mit dem Umfang der Benutzung der älteren Marke böten, d. h. über Fragen, für die Beweismittel bereits in erster Instanz vorgelegt worden seien. Im Übrigen ist in Übereinstimmung mit dem HABM darauf hinzuweisen, dass sich die Beschwerdekammer, wie die Randnrn. 26 bis 31 der angefochtenen Entscheidung belegen, nicht damit begnügte, die Erheblichkeit der Unterlagen auf den ersten Blick zu prüfen, wie es der Gerichtshof verlangt, sondern vielmehr eine vollständige Prüfung dieser Unterlagen vornahm, aus der sich ergab, dass die neuen Beweismittel den Ausgang des Verfahrens tatsächlich änderten.

29      Viertens ist zu den anderen Umständen, die der Berücksichtigung der verspätet vorgelegten Rechnungen entgegenstehen könnten, darauf hinzuweisen, dass aus den Akten nicht hervorgeht, dass die Streithelferin die Absicht gehabt hätte, das Verfahren in missbräuchlicher Weise in die Länge zu ziehen, oder dass sie bei der Vorlage der Beweise in der ersten Instanz nachlässig gehandelt hätte.

30      Das Vorbringen der Klägerin, wonach die Phase des Verfahrens, in der die verspätete Vorlage der Beweise stattgefunden habe, deren Berücksichtigung entgegenstehe, kann ebenfalls keinen Erfolg haben. Im vorliegenden Fall hatte die Streithelferin nach der Entscheidung der Widerspruchsabteilung die Möglichkeit, ergänzende Beweismittel zur Stützung ihrer Beschwerde vorzulegen, und es lag im Ermessen der Beschwerdekammer, diese zuzulassen. Die Beschwerdekammer hat sie berücksichtigt, und was nach Ansicht der Klägerin eine Verzögerung des Verfahrens bedeutet, stellt in Wirklichkeit nur den normalen Ablauf des Verfahrens dar, in dem die Beschwerdekammer Veranlassung haben kann, die Entscheidung der Widerspruchsabteilung aufzuheben.

31      Was schließlich die Prüfung der Frage angeht, ob gegebenenfalls eine Vorschrift der Zulassung neuer Beweismittel in dieser Phase des Verfahrens entgegenstand, ist in Erinnerung zu rufen, dass für die Beteiligten des Verfahrens vor dem HABM nicht in bedingungsloser Weise die Möglichkeit gegeben ist, Tatsachen und Beweise nach Ablauf der dafür gesetzten Fristen vorzulegen, sondern dass diese Möglichkeit, wie der Randnr. 42 des Urteils HABM/Kaul zu entnehmen ist, davon abhängt, dass keine gegenteilige Vorschrift besteht. Nur wenn diese Voraussetzung vorliegt, hat das HABM ein Ermessen in Bezug auf die Berücksichtigung verspätet vorgelegter Tatsachen und Beweismittel, das ihm der Gerichtshof im Wege der Auslegung von Art. 74 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 zuerkannt hat (vgl. Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2007, K & L Ruppert Stiftung/HABM – Lopes de Almeida Cunha u. a. [CORPO livre], T‑86/05, Slg. 2007, II‑4923, Randnr. 47).

32      Mit der Verwendung des Ausdrucks „vorbehaltlich einer gegenteiligen Vorschrift“ in Bezug auf Vorschriften, die das dem HABM durch Art.74 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 verliehene Ermessen beschränken könnten, hat der Gerichtshof im Urteil HABM/Kaul jedoch nicht ausdrücklich angegeben, welche Bestimmungen der Verordnung Nr. 40/94 gemeint waren. Er hat auch nicht klargestellt, ob dieser Ausdruck auch die Verordnung Nr. 2868/95 und insbesondere Regel 22 Abs. 2 dieser Verordnung erfasst.

33      Indessen ist zu beachten, dass die Verordnung Nr. 2868/95, da sie von der Kommission nach Art. 140 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 145 der Verordnung Nr. 207/2009) erlassen wurde, im Einklang mit der letztgenannten Verordnung auszulegen ist (Urteil des Gerichts vom 25. März 2009, Anheuser-Busch/HABM – Budějovický Budvar [BUDWEISER], T‑191/07, Slg. 2009, II‑691, Randnr. 73).

34      Daher liefe im vorliegenden Fall das Vorbringen der Klägerin, dass die Beschwerdekammer gemäß Regel 22 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2868/95 verpflichtet gewesen wäre, die von der Streithelferin verspätet vorgelegten Unterlagen zurückzuweisen, ohne Art. 74 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 anzuwenden, darauf hinaus, eine Bestimmung der Durchführungsverordnung in einem Sinne auszulegen, der dem eindeutigen Wortlaut der Grundverordnung zuwiderliefe (vgl. Urteil BUDWEISER, Randnr. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Zudem steht die Wahrung der Möglichkeit, ergänzende Beweismittel zuzulassen, im Einklang mit dem Geist des Urteils HABM/Kaul. In der diesem Urteil zugrunde liegenden Rechtssache hat der Gerichtshof die Zulassung verspäteter Beweismittel auf der Grundlage der Grundsätze der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäßen Rechtspflege gerechtfertigt, nach denen die Prüfung der Begründetheit eines Widerspruchs so vollständig wie möglich sein muss, damit die Eintragung von Marken vermieden werden kann, die später für nichtig erklärt werden. Daher können diese Grundsätze vor dem Grundsatz der Effizienz des Verfahrens, der der Notwendigkeit der Einhaltung von Fristen zugrunde liegt, Vorrang haben, wenn die Umstände des konkreten Falles dies rechtfertigen.

36      Somit kann Regel 22 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2868/95 nicht als „gegenteilige Vorschrift“ im Sinne des Urteils HABM/Kaul betrachtet werden.

37      Zwar hat das Gericht bereits entschieden, dass Art. 43 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 42 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 207/2009), wie er durch Regel 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 in ihrer vor der Änderung durch die Verordnung (EG) Nr. 1041/2005 der Kommission vom 29. Juni 2005 (ABl. L 172, S. 4) geltenden Fassung – nach dieser Änderung jetzt Regel 22 Abs. 2 dieser Verordnung – durchgeführt wurde, bestimmt, dass eine Vorlage von Beweisen für die Benutzung der älteren Marke, die nach Ablauf der dafür gesetzten Frist erfolgt, grundsätzlich zur Zurückweisung des Widerspruchs führt, ohne dass das HABM insoweit über ein Ermessen verfügt (Urteil CORPO livre, Randnrn. 48 und 49).

38      Das Gericht hat jedoch auch entschieden, dass Regel 22 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung Nr. 2868/95 nicht dahin ausgelegt werden kann, dass sie der Berücksichtigung zusätzlicher Beweise im Hinblick auf neu zutage getretene Gesichtspunkte entgegenstünde, und zwar auch dann nicht, wenn die Beweise nach Ablauf dieser Frist vorgelegt werden (Urteil CORPO livre, Randnr. 50).

39      Selbst wenn daher die Zulassung verspätet vorgelegter Benutzungsnachweise von einem „neu zutage getretenen Gesichtspunkt“ abhängig wäre, lägen im vorliegenden Fall stichhaltige Gründe vor, die für die Zulassung dieser Beweise sprächen.

40      Im vorliegenden Fall besteht nämlich der „neu zutage getretene Gesichtspunkt“ im Sinne des Urteils CORPO livre in der Entscheidung der Widerspruchsabteilung. In den Fällen, in denen der Widerspruchsführer fristgerecht erste einschlägige Beweise vorlegt, die er guten Glaubens für ausreichend zur Stützung seines Vorbringens hält, und erst durch die Entscheidung der Widerspruchsabteilung erfährt, dass diese Beweise als nicht ausreichend erachtet werden, gibt es keinen stichhaltigen Grund, der ihn daran hinderte, den Inhalt der ursprünglichen Beweise zu bekräftigen oder klarzustellen, indem er ergänzende Beweise vorlegt, wenn er bei der Beschwerdekammer eine erneute vollständige Prüfung der Angelegenheit beantragt.

41      Das Argument, wonach die Widerspruchsführer, denen die Beweislast obliegt und die ihr genügen müssen, allgemein die Möglichkeit hätten, zu Beginn des Verfahrens vollständige Beweise zusammen mit ihren Ausführungen vorzulegen, ist nicht überzeugend. Begrifflich liegt auch in allen Fällen, in denen Beweise verspätet vorgelegt werden, eine Nichtbeachtung der ursprünglich gesetzten Frist vor. Würde der bloße Umstand, dass die Frist nicht eingehalten wurde, ausreichen, um die Möglichkeit der Vorlage ergänzender Beweise auszuschließen, wäre Art. 74 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 niemals anwendbar, und ihm würde daher seine gesamte Bedeutung genommen.

42      In Anbetracht aller dieser Erwägungen können die von der Klägerin vorgebrachten Argumente die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf die Berücksichtigung der erstmals vor der Beschwerdekammer vorgelegten Nachweise für die ernsthafte Benutzung der älteren Marke nicht in Frage stellen. Der erste Teil des Klagegrundes ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum Nachweis der ernsthaften Benutzung der älteren Marke

43      Die Klägerin macht geltend, die Beschwerdekammer habe zu Unrecht angenommen, dass die von der Streithelferin vorgelegten Unterlagen insgesamt den Nachweis einer ernsthaften Benutzung der älteren Marke erlaubten. Die erstmals im Verfahren vor der Beschwerdekammer vorgelegten neun Rechnungen erlaubten, selbst bei ihrer Prüfung im Zusammenhang mit den anderen Beweismitteln, nicht den Nachweis einer ernsthaften Benutzung der älteren Marke in Deutschland im maßgeblichen Zeitraum.

44      Wie sich aus dem neunten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 40/94 ergibt, ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass der Schutz einer älteren Marke nur insoweit berechtigt ist, als sie tatsächlich benutzt worden ist. Im Einklang mit diesem Erwägungsgrund kann der Anmelder einer Gemeinschaftsmarke nach Art. 43 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 40/94 den Nachweis verlangen, dass die ältere Marke innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veröffentlichung der Anmeldung, gegen die sich der Widerspruch richtet, in ihrem Schutzgebiet ernsthaft benutzt worden ist.

45      Nach Regel 22 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 muss sich der Benutzungsnachweis auf den Ort, die Zeit, den Umfang und die Art der Benutzung der älteren Marke beziehen (vgl. Urteil des Gerichts vom 10. September 2008, Boston Scientific/HABM – Terumo [CAPIO], T‑325/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46      Bei der Auslegung des Begriffs der ernsthaften Benutzung ist zu berücksichtigen, dass der Normzweck des Erfordernisses, dass die ältere Marke ernsthaft benutzt worden sein muss, um einer Gemeinschaftsmarkenanmeldung entgegengehalten werden zu können, darin besteht, Markenkonflikte zu begrenzen, soweit kein berechtigter wirtschaftlicher Grund vorliegt, der einer tatsächlichen Funktion der Marke auf dem Markt entspringt (Urteil des Gerichts vom 12. März 2003, Goulbourn/HABM – Redcats [Silk Cocoon], T‑174/01, Slg. 2003, II‑789, Randnr. 38). Dagegen zielt diese Bestimmung weder auf eine Bewertung des kommerziellen Erfolgs noch auf eine Überprüfung der Geschäftsstrategie eines Unternehmens oder darauf ab, den Markenschutz nur umfangreichen Verwertungen von Marken vorzubehalten (Urteile des Gerichts vom 8. Juli 2004, Sunrider/HABM – Espadafor Caba [VITAFRUIT], T‑203/02, Slg. 2004, II‑2811, Randnr. 38, und vom 8. November 2007, Charlott/HABM – Charlo [Charlott France Entre Luxe et Tradition], T‑169/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 33).

47      Eine Marke wird ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion, die Ursprungsidentität der von ihrer Eintragung erfassten Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, benutzt wird, um für diese Waren und Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, wobei symbolische Verwendungen, die allein der Wahrung der durch die Marke verliehenen Rechte dienen, ausgeschlossen sind (vgl. Urteil des Gerichts vom 13. Mai 2009, Schuhpark Fascies/HABM – Leder & Schuh [jello SCHUHPARK], T-183/08, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung). Mit der Bedingung einer ernsthaften Benutzung der Marke wird demgemäß verlangt, dass die Marke so, wie sie in dem fraglichen Gebiet geschützt ist, öffentlich und nach außen benutzt wird (Urteile Silk Cocoon, Randnr. 39, VITAFRUIT, Randnr. 39, Charlott France Entre Luxe et Tradition, Randnr. 34).

48      Die Ernsthaftigkeit der Benutzung der Marke ist anhand sämtlicher Tatsachen und Umstände zu prüfen, die die tatsächliche geschäftliche Verwertung der Marke belegen können; dazu gehören insbesondere Verwendungen, die im betreffenden Wirtschaftszweig als gerechtfertigt angesehen werden, um Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu halten oder hinzuzugewinnen, die Art dieser Waren oder Dienstleistungen, die Merkmale des Marktes sowie der Umfang und die Häufigkeit der Benutzung der Marke (Urteil BUDWEISER, Randnr. 101).

49      Bezüglich des Umfangs der Benutzung der älteren Marke sind insbesondere das Handelsvolumen aller Benutzungshandlungen sowie die Länge des Zeitraums, in dem Benutzungshandlungen erfolgt sind, und die Häufigkeit dieser Handlungen zu berücksichtigen (Urteil BUDWEISER, Randnr. 102).

50      Die Frage, ob eine Benutzung mengenmäßig hinreichend ist, um Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu behalten oder hinzuzugewinnen, hängt somit von mehreren Faktoren und einer Einzelfallbeurteilung ab. Die Merkmale dieser Waren oder Dienstleistungen, die Häufigkeit und die Regelmäßigkeit der Benutzung der Marke, die Frage, ob die Marke benutzt wird, um alle identischen Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers oder nur manche von diesen zu vermarkten, oder auch die Beweise für die Benutzung der Marke, die der Inhaber vorlegen kann, gehören zu den Kriterien, die dabei in Betracht zu ziehen sind (Urteil des Gerichtshofs vom 11. Mai 2006, Sunrider/HABM, C‑416/04 P, Slg. 2006, I‑4237, Randnr. 71).

51      Bei der Prüfung der Ernsthaftigkeit der Benutzung einer älteren Marke ist eine umfassende Beurteilung unter Berücksichtigung aller relevanten Faktoren des Einzelfalls vorzunehmen (Urteil BUDWEISER, Randnr. 104). Diese Beurteilung impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den zu berücksichtigenden Faktoren. So kann ein geringes Volumen von unter der Marke vertriebenen Waren durch eine große Häufigkeit oder eine gewisse zeitliche Konstanz der Benutzungshandlungen dieser Marke ausgeglichen werden und umgekehrt. Außerdem können der erzielte Umsatz und die Zahl der unter der älteren Marke verkauften Waren nicht absolut beurteilt werden, sondern müssen im Zusammenhang mit anderen relevanten Faktoren wie dem Umfang der Geschäftstätigkeit, den Produktions- oder Vertriebskapazitäten oder dem Grad der Diversifizierung des Unternehmens, das die Marke verwertet, sowie den charakteristischen Merkmalen der Waren oder Dienstleistungen auf dem betreffenden Markt gesehen werden. Daher braucht die Benutzung der älteren Marke nicht immer umfangreich zu sein, um als ernsthaft eingestuft zu werden (Urteil des Gerichtshofs vom 11. März 2003, Ansul, C‑40/01, Slg. 2003, I‑2439, Randnr. 39, und Beschluss des Gerichtshofs vom 27. Januar 2004, La Mer Technology, C‑259/02, Slg. 2004, I‑1159, Randnr. 21).

52      Darüber hinaus hat das Gericht klargestellt, dass sich die ernsthafte Benutzung einer Marke nicht mit Wahrscheinlichkeitsannahmen oder Vermutungen nachweisen lässt, sondern auf konkreten und objektiven Umständen beruhen muss, die eine tatsächliche und ausreichende Benutzung der Marke auf dem betreffenden Markt belegen (Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2002, Kabushiki Kaisha Fernandes/HABM – Harrison [HIWATT], T‑39/01, Slg. 2002, II‑5233, Randnr. 47).

53      Im Licht der vorstehenden Erwägungen ist zu prüfen, ob die Beschwerdekammer zu Recht festgestellt hat, dass die Streithelferin den Nachweis der ernsthaften Benutzung der älteren Marke erbracht habe.

54      Da die Anmeldung der fraglichen Marke am 8. April 2002 veröffentlicht wurde, erstreckt sich der in Art. 43 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 40/94 vorgesehene Zeitraum von fünf Jahren somit auf die Zeit vom 8. April 1997 bis 7. April 2002. Weiter hat die Streithelferin vor der Widerspruchsabteilung folgende Beweismittel zum Nachweis der ernsthaften Benutzung der älteren Marke in Deutschland vorgelegt:

–        eine eidesstattliche Erklärung des Vorsitzenden der Geschäftsführung der Streithelferin vom 3. Dezember 2003;

–        zwei Prospekte mit Einzelheiten der unter dem Bildzeichen der Streithelferin vertriebenen Artikel nebst Übersetzung der einschlägigen Teile, wobei keine dieser Unterlagen mit einem Datum versehen ist;

–        zwei Kopien von Verpackungen der Ware, die eine englische Übersetzung enthalten, wobei keine dieser Unterlagen mit einem Datum versehen ist;

–        zwei Preislisten mit teilweiser Übersetzung und dem Vermerk „gültig ab“ nebst den Daten des 1. April 2001 und des 1. Januar 2000;

–        drei Berichte über Monatsumsätze aus den Jahren 1997, 1998 und 1999;

–        zwei Berichte über Monatsumsätze aus dem Jahr 2003.

55      Bei den Beweismitteln, die die Streithelferin erstmals vor der Beschwerdekammer zur Stützung der bereits in der Vorinstanz beigebrachten Nachweise vorlegte, handelt es sich um neun Rechnungen, die aus der Zeit vom 20. April 2001 bis zum 18. März 2002 datieren.

56      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin zwischen dem Vorbringen zu den vor der Widerspruchsabteilung vorgelegten Unterlagen und dem Vorbringen zum Beweiswert der erstmals vor der Beschwerdekammer vorgelegten Rechnungen unterscheidet.

57      Zu den in erster Instanz vorgelegten Unterlagen führt die Klägerin aus, sie seien offensichtlich unzureichend für den Nachweis der ernsthaften Benutzung der älteren Marke, und zwar die eidesstattliche Erklärung deshalb, weil sie von der Streithelferin stamme, und die übrigen Unterlagen deshalb, weil keine von ihnen alle in Regel 22 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 verlangten Angaben enthalte, nämlich Angaben zu Ort, Zeit, Umfang und Art der Benutzung.

58      In Bezug auf die eidesstattliche Erklärung entspricht es der ständigen Rechtsprechung, dass für die Beurteilung des Beweiswerts von „schriftlichen Erklärungen, die unter Eid oder an Eides statt abgegeben werden oder nach den Rechtsvorschriften des Staates, in dem sie abgegeben werden, eine ähnliche Wirkung haben,“ im Sinne des Art. 76 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 78 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009) die Wahrscheinlichkeit und der Wahrheitsgehalt der darin enthaltenen Information zu prüfen sind, wobei insbesondere die Herkunft des Dokuments, die Umstände seiner Ausarbeitung und sein Adressat zu berücksichtigen sind, und die Frage zu stellen ist, ob es seinem Inhalt nach vernünftig und glaubhaft erscheint (vgl. im diesem Sinn Urteile des Gerichts vom 16. Dezember 2008, Deichmann-Schuhe/HABM – Design for Woman [DEITECH], T-86/07, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 47, und jello SCHUHPARK, Randnr. 38).

59      Daher muss zwar die eidesstattliche Erklärung unter Berücksichtigung der Beziehungen zwischen ihrem Urheber und der Streithelferin durch den Inhalt anderer von der Streithelferin vorgelegter Beweismittel bekräftigt werden, um Beweiswert zu erlangen, doch kann der Umstand allein, dass eine solche Erklärung von dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Streithelferin stammt, dieser Erklärung nicht jeden Wert nehmen. Im Übrigen werden, wie im Folgenden auszuführen sein wird, die Angaben in der Erklärung tatsächlich durch andere dem HABM vorgelegte Beweismittel bestätigt. Daher ist dieses Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen.

60      Zu dem Vorbringen der Klägerin, dass keines der anderen Beweismittel sämtliche nach Regel 22 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 erforderlichen Angaben enthalte, ist in Übereinstimmung mit dem HABM festzustellen, dass die von der Klägerin bei der Prüfung der Beweismittel angewandte Methode, die darin besteht, die eingereichten Unterlagen in verschiedene Teile aufzuspalten und dabei zu versuchen, so viele wie möglich wegen fehlender Erheblichkeit auszuscheiden, zum einen mit dem Grundsatz, wonach die Beweise umfassend zu beurteilen sind, und zum anderen mit dem vom Gerichtshof im Urteil Ansul eingenommenen Standpunkt unvereinbar ist, wonach bei der Prüfung der Frage, ob die Benutzung der Marke ernsthaft ist, sämtliche Umstände zu berücksichtigen sind, die belegen können, dass die Marke tatsächlich geschäftlich verwertet wird (vgl. Urteil Ansul, Randnr. 38).

61      Im übrigen erwähnt zwar Regel 22 der Verordnung Nr. 2868/95 Angaben über Ort, Zeit, Umfang und Art der Benutzung und gibt Beispiele für zulässige Beweismittel, wie Verpackungen, Etikette, Preislisten, Kataloge, Rechnungen, Fotografien, Zeitungsanzeigen und schriftliche Erklärungen, doch bestimmt diese Regel keineswegs, dass jedes Beweismittel notwendigerweise Angaben über jeden der vier Aspekte, auf die sich der Nachweis der ernsthaften Benutzung beziehen muss, nämlich Art, Zeit, Art und Umfang der Benutzung, enthalten müsste.

62      Somit kann dem Argument der Klägerin, dass einige Beweismittel deshalb nicht berücksichtigt werden könnten, weil sie nicht gleichzeitig den Nachweis für alle vier erforderlichen Aspekte erbrächten, nicht gefolgt werden, und zwar umso weniger, als im vorliegenden Fall die vorgelegten Prospekte, Preislisten und Erklärungen den Ort, die Zeit und die Art der Benutzung in entweder unmittelbarer oder aus ihnen erschließbarer Weise eindeutig bezeugen.

63      In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die Waren in den Prospekten und den beiden Kopien von Verpackungen in deutscher Sprache präsentiert werden. Zwar sind auf einer der Verpackungen die Gebrauchsanleitung und die Beschreibung der Ware ebenfalls in französischer und in englischer Sprache aufgedruckt, doch ist dies, wie die Streithelferin ausführt, damit zu erklären, dass die betreffenden Waren aus anderen europäischen Ländern reimportiert wurden. Jedenfalls lassen diese Angaben keinen Zweifel daran zu, dass der anvisierte Markt tatsächlich Deutschland ist. Die Preislisten, die je nach Jahr in DM oder Euro erstellt wurden, beweisen dies ebenfalls und bestätigen damit die eidesstattliche Erklärung des leitenden Geschäftsführers der Streithelferin zum Ort der Benutzung. Die Bildmarke in ihrer eingetragenen Form erscheint auf sämtlichen Prospekten, den Verpackungen und den Preislisten. Die Umsatzberichte deuten darauf hin, dass die Verkäufe tatsächlich getätigt wurden. Außerdem bestätigen die Rechnungen diesen Umstand. Obwohl der Begriff „Bufalo“ in einigen Fällen abgekürzt wird, kann sich die Abkürzung nur auf den Begriff „Bufalo“ beziehen. So ist beispielsweise auf einer Rechnung vom 20. Dezember 2001 „BUF. SHOE POLISH SCHWARZ 75ML“ erwähnt. Der Verweis auf dieses Erzeugnis findet sich auf einer anderen Rechnung vom selben Tag wieder und entspricht auf dieser dem Erzeugnis „BUFALO shoe polish black 75ML“. Die Art der Benutzung ist damit hinreichend belegt.

64      Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist die Benutzung nicht nur für Schuhpflegemittel nachgewiesen. Die Prospekte belegen, dass die Streithelferin neben Wachsen insbesondere Seifen mit der ausdrücklichen Angabe, dass sie sich für „alle Glattleder“ eigneten, Lederfette sowie solche Waren vermarktete, auf denen nur Lederwaren oder Bekleidungsstücke dargestellt sind und damit angedeutet wird, dass die BUFALO-Erzeugnisse für sie bestimmt seien. Das Vorbringen der Klägerin zu diesem Punkt ist daher unzutreffend und zurückzuweisen.

65      Zurückzuweisen ist auch das Vorbringen der Klägerin, wonach die Unterlagen, die nicht mit einem Datum versehen sind oder die ein Datum tragen, das nicht in den relevanten Zeitraum fällt, ebenfalls unerheblich seien. Selbst wenn man davon ausgeht, dass diese Unterlagen nicht allein den Schluss auf eine ernsthafte Benutzung erlaubten, sind Unterlagen dieser Art, da sich die Vermarktungsdauer eines Erzeugnisses im Allgemeinen über einen bestimmten Zeitraum erstreckt und da die Kontinuität der Benutzung zu den Angaben gehört, anhand deren zu ermitteln ist, ob die Benutzung tatsächlich dazu bestimmt war, einen Marktanteil hinzuzugewinnen oder zu halten, keineswegs unerheblich und im vorliegenden Fall gemeinsam mit den anderen Umständen zu berücksichtigen und zu bewerten, denn sie können den nachträglichen Nachweis einer tatsächlichen und ernsthaften geschäftlichen Verwertung der Marke erbringen.

66      Hinsichtlich der erstmals vor der Beschwerdekammer vorgelegten Rechnungen bestreitet die Klägerin ihren Beweiswert mit der Begründung, dass sie erstens unter Berücksichtigung der Art der Waren (Niedrigpreiswaren), des Umfangs des relevanten geografischen Marktes (Deutschland) und der angesprochenen Verkehrskreise (der allgemeinen Verbraucherschaft) nur eine gelegentliche Benutzung belegten und nur einen geringfügigen Anteil am in der eidesstattlichen Erklärung angegebenen Umsatz ausmachten, dass sie zweitens von einem anderen Aussteller stammten, für den nicht nachgewiesen sei, dass es sich um einen autorisierten Lizenznehmer des Inhabers handele, dass sie sich drittens nicht auf den gesamten Zeitraum von fünf Jahren, sondern nur auf 13 Monate bezögen und dass sie viertens allenfalls eine Benutzung für Schuhe belegen könnten, nicht jedoch für Poliercremes und Ledercremes im Allgemeinen.

67      Im vorliegenden Fall ging die Beschwerdekammer hinsichtlich der zusätzlichen Rechnungen und ihres Einflusses auf die Beurteilung des Benutzungsumfangs zu Recht davon aus, dass diese zusammen mit den anderen Beweismitteln „den Nachweis einer Benutzung erbringen, die objektiv geeignet ist, für die Poliercremes und die Ledercremes einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern; [zudem ist] das Handelsvolumen dieser Waren gemessen an der Dauer und der Häufigkeit der Benutzung nicht so gering, dass daraus zu folgern wäre, dass es sich um eine rein symbolische, geringfügige oder fiktive Benutzung handelte, die allein der Erhaltung des Rechts an der Marke diente“.

68      Die Beschwerdekammer gelangte zu diesem Ergebnis nach einer genauen Beurteilung der Unterlagen und auf der Grundlage der folgenden konkreten Ausführungen:

„Die neun Rechnungen sind mit Daten von April 2001 bis März 2002 versehen. Der Vorsitzende der Geschäftsführung der Streithelferin hat in seiner Erklärung angegeben, dass die Widerspruchsführerin mit den Pflegemitteln und -materialien für Schuhe in der Zeit von 2000 bis 2003 einen Umsatz von 6 653 237 Euro erzielt habe. Die neun Rechnungen betreffen Verkäufe in Höhe von ungefähr 1 600 Euro und belegen, dass die BUFALO-Artikel in geringen Mengen (12, 24, 36, 48, 60, 72 oder 144 Stück) an verschiedene Abnehmer geliefert wurden. Dies dürfte den in der Erklärung aufgeführten niedrigen Umsatzzahlen entsprechen, die für in großem Umfang verwendete Waren wie Wachse auf dem größten europäischen Markt, Deutschland, der ungefähr 80 Millionen potenzieller Verbraucher zählt, kaum eine Million Euro pro Jahr übersteigen. Zudem stimmen die in den Rechnungen angesetzten Preise weitgehend mit denjenigen überein, die in den in Aktenstück (d) der Widerspruchsabteilung vorgelegten Preislisten angegeben sind.“

69      Dieses Ergebnis steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach auch eine nur geringfügige Benutzung der Marke oder eine solche nur durch einen einzigen Importeur im betreffenden Mitgliedstaat für die Annahme der Ernsthaftigkeit ausreichen kann, wenn dies tatsächlich geschäftlich gerechtfertigt erscheint (Urteil Ansul, Randnr. 39, und Beschluss La Mer-Technology, Randnr. 21).

70      Somit ist das Vorbringen der Klägerin, dass die auf den Rechnungen angegebenen Verkäufe unter Berücksichtigung der Art der Waren und des Umfangs des geografischen Marktes nur eine gelegentliche Benutzung belegten, zurückzuweisen.

71      Außerdem darf die Beurteilung des Umfangs der Benutzung nicht ausschließlich auf dem Betrag der ausdrücklich auf den Rechnungen erwähnten Verkäufe beruhen. Die Rechnungen liefern auch indirekt Hinweise auf die Benutzung der älteren Marke. Beispielsweise gestattet der Umstand, dass die vorgelegten Rechnungen keine laufenden Nummern tragen und im Wesentlichen mit Daten verschiedener Monate versehen sind, die Annahme, dass die Streithelferin nur Belege für Verkaufsbeispiele eingereicht hat. Diese Beispiele erlauben jedoch mit einem angemessenen Grad von Gewißheit die Annahme, dass die gesamten Verkäufe der betreffenden Waren in Wirklichkeit deutlich umfangreicher als die ausdrücklich erwähnten sind. Desgleichen zeigt der Umstand, dass diese Rechnungen an verschiedene Händler gerichtet sind, dass die Benutzung einen ausreichenden Umfang besitzt, um einer tatsächlichen und ernsthaften geschäftlichen Anstrengung zu entsprechen, und dass es sich nicht um einen bloßen Versuch der Vortäuschung der ernsthaften Benutzung unter Verwendung stets derselben Vertriebskreise handelt.

72      Infolgedessen hat die Beschwerdekammer zu Recht angenommen, dass die in den Rechnungen aufgeführten Beträge nicht so gering seien, dass sie bedeuteten, dass diese Verkäufe allein zu dem Zweck vorgenommen worden wären, die Marke im Register zu halten, und nicht, um sie ernsthaft zu benutzen, und dass dies für die Schlussfolgerung genüge, dass die Streithelferin im vorliegenden Fall den ihr obliegenden Nachweis dieser ernsthaften Benutzung erbracht habe.

73      Zu dem Vorbringen, dass die Rechnungen von einem anderen Aussteller als der Streithelferin stammten, für den nicht nachgewiesen sei, dass es sich um einen autorisierten Lizenznehmer des Markeninhabers handele, ist zu bemerken, dass das Unternehmen, das die Rechnungen ausgestellt hat, in einem Prospekt, aber auch auf der ab 1. April 2001 geltenden Preisliste und in einem Umsatzbericht für die Jahre 2000 bis 2003 aufgeführt ist. In der Preisliste ist der Name dieses Unternehmens, gefolgt von der Angabe  „Vertriebsgesellschaft mbH“, aufgeführt. Die gleiche Angabe erscheint im Briefkopf der neun Rechnungen. Ferner beweist die elektronische Adresse des Unternehmens am unteren Rand der Rechnungen, dass diese zur Website der Streithelferin, nämlich BNS@WERNER-MERTZ.COM, gehört. Diese Umstände bestätigen die Behauptung der Streithelferin, dass das betreffende Unternehmen ihr Vertriebsunternehmen oder zumindest ein mit ihr eng verbundenes Unternehmen sei.

74      Ebenso ist das Vorbringen zurückzuweisen, dass sich die Rechnungen nicht auf den gesamten Zeitraum von fünf Jahren, sondern nur auf 13 Monate bezögen, denn es ist nicht erforderlich, dass die Benutzung die gesamten fünf Jahre lang andauert, sondern nur während eines Zeitraums, der für die Feststellung ausreicht, dass diese Benutzung ernsthaft ist. Überdies ergeben sich hierzu weitere Angaben aus der eidesstattlichen Erklärung, und infolgedessen kann nicht behauptet werden, dass die Benutzung im vorliegenden Fall auf einen Zeitraum von 13 Monaten beschränkt gewesen wäre.

75      Desgleichen zurückzuweisen ist schließlich das Argument, dass die Nachweise eine Benutzung allenfalls für Schuhe und nicht für Poliercremes und Ledercremes belegten, denn damit wird eine Unterscheidung eingeführt, die keinem tatsächlichen Segment des Marktes entspricht, in das sich die Waren, auf die der Widerspruch gestützt wird, unter einem geschäftlichen Blickwinkel unterteilen ließen.

76      Somit waren die erstmals vor der Beschwerdekammer vorgelegten Rechnungen ausreichend, um zusammen mit den anderen Beweismitteln den Nachweis zu führen, dass die ältere deutsche Marke, auf die der Widerspruch gestützt wurde, für die von der Beschwerdekammer angegebenen Waren ernsthaft benutzt wurde. Infolgedessen ist auch der zweite Teil des Klagegrundes zurückzuweisen und damit die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

77      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des HABM und der Streithelferin deren Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Buffalo Milke Automotive Polishing Products, Inc. trägt die Kosten.

Forwood

Schwarcz

Popescu

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 16. November 2011.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.