Language of document : ECLI:EU:C:2010:718

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

Juliane Kokott

vom 25. November 2010(1)

Rechtssache C‑434/09

Shirley McCarthy

gegen

Secretary of State for the Home Department

(Vorabentscheidungsersuchen des Supreme Court [Vereinigtes Königreich])

„Unionsbürgerschaft – Recht der Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten – Doppelte Staatsangehörigkeit –Art. 21 AEUV – Richtlinie 2004/38/EG – Berechtigter – Rechtmäßiger Aufenthalt – Familienzusammenführung – Inländerdiskriminierung“





I –    Einleitung

1.        Kann eine Person, die Staatsangehörige zweier EU-Mitgliedstaaten ist, aber immer nur in einem dieser beiden Staaten gelebt hat, sich gegenüber diesem Staat auf das Unionsrecht berufen, um dort ein Aufenthaltsrecht für sich und insbesondere für ihren Ehegatten zu erlangen? Dies ist im Kern die Frage, zu deren Klärung der Gerichtshof im vorliegenden Fall aufgerufen ist.

2.        Frau McCarthy ist britische und irische Staatsangehörige, hat aber immer nur in England gelebt(2). Sie selbst darf sich naturgemäß in England aufhalten. Für ihren Ehemann, einen jamaikanischen Staatsangehörigen, gilt dies jedoch nicht: Er hat nach den innerstaatlichen Zuwanderungsbestimmungen des Vereinigten Königreichs kein Aufenthaltsrecht in England. Um die Familienzusammenführung mit ihrem Ehemann zu ermöglichen, versucht Frau McCarthy nun, gestützt auf ihre irische Staatsangehörigkeit, als Unionsbürgerin für sich ein Aufenthaltsrecht in England zu erwirken; mittelbar käme dies auch ihrem Ehemann zugute, der dann kraft Unionsrechts ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht beanspruchen könnte.

3.        In diesem Zusammenhang wird der Gerichtshof zu klären haben, wie der Begriff des „Berechtigten“ in der Aufenthaltsrichtlinie 2004/38/EG(3) zu verstehen ist. Außerdem wird der Gerichtshof dazu befragt, welche Anforderungen an den „rechtmäßigen Aufenthalt“ zu stellen sind, der die Grundvoraussetzung für den Erwerb eines Rechts auf Daueraufenthalt im Sinne jener Richtlinie ist.

II – Rechtlicher Rahmen

4.        Neben Art. 21 AEUV wird der unionsrechtliche Rahmen dieses Falles durch die Richtlinie 2004/38 bestimmt. Deren persönlicher Anwendungsbereich ist in Kapitel I („Allgemeine Bestimmungen“), genauer gesagt in Art. 3 der Richtlinie, unter der Überschrift „Berechtigte“ wie folgt definiert:

„(1)      Diese Richtlinie gilt für jeden Unionsbürger, der sich in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, begibt oder sich dort aufhält, sowie für seine Familienangehörigen im Sinne von Artikel 2 Nummer 2, die ihn begleiten oder ihm nachziehen.

…“

5.        In Kapitel IV der Richtlinie 2004/38 stellt Art. 16 allgemeine Regeln über den Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt auf:

„(1)      Jeder Unionsbürger, der sich rechtmäßig fünf Jahre lang ununterbrochen im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat, hat das Recht, sich dort auf Dauer aufzuhalten. …

…“

6.        Ergänzend zu Art. 16 ist auf den 17. Erwägungsgrund in der Präambel der Richtlinie 2004/38 hinzuweisen:

„Wenn Unionsbürger, die beschlossen haben, sich dauerhaft in dem Aufnahmemitgliedstaat niederzulassen, das Recht auf Daueraufenthalt erhielten, würde dies ihr Gefühl der Unionsbürgerschaft verstärken und entscheidend zum sozialen Zusammenhalt – einem grundlegenden Ziel der Union – beitragen. Es gilt daher, für alle Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die sich gemäß den in dieser Richtlinie festgelegten Bedingungen fünf Jahre lang ununterbrochen in dem Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten haben und gegen die keine Ausweisungsmaßnahme angeordnet wurde, ein Recht auf Daueraufenthalt vorzusehen.“

7.        Aus den Schlussbestimmungen in Kapitel VII der Richtlinie 2004/38 ist schließlich ihr Art. 37 hervorzuheben, der unter der Überschrift „Günstigere innerstaatliche Rechtsvorschriften“ folgende Regelung trifft:

„Diese Richtlinie lässt Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, die für die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallenden Personen günstiger sind, unberührt.“

III – Sachverhalt und Ausgangsverfahren

8.        Frau Shirley McCarthy ist kraft ihrer Geburt im Vereinigten Königreich britische Staatsbürgerin. Sie hat stets in England gelebt, wo ihr Aufenthalt nach innerstaatlichem Recht während seiner gesamten Dauer rechtmäßig war.

9.        In England bezieht Frau McCarthy staatliche Sozialleistungen. Sie macht nicht geltend, Arbeitnehmerin, Selbständige oder eine wirtschaftlich unabhängige Person im Sinne des Unionsrechts zu sein oder gewesen zu sein.

10.      Am 15. November 2002 heiratete Frau McCarthy den jamaikanischen Staatsangehörigen George McCarthy. Herr McCarthy ist nach den innerstaatlichen Zuwanderungsvorschriften im Vereinigten Königreich nicht aufenthaltsberechtigt, auch nicht als Ehegatte einer dort auf Dauer ansässigen Person(4).

11.      Frau McCarthy besitzt neben ihrer britischen Staatsangehörigkeit auch die irische Staatsangehörigkeit. Nach ihrer Eheschließung beantragte sie – zum ersten Mal überhaupt – einen irischen Reisepass. Ihrem Antrag wurde stattgegeben, da ihre Mutter in Irland geboren ist.

12.      Am 23. Juli 2004 ersuchte Frau McCarthy als Unionsbürgerin beim Secretary of State for the Home Department(5) um Aufenthaltsurkunden nach Unionsrecht. Einen entsprechenden Antrag stellte auch Herr McCarthy als Ehegatte dieser Unionsbürgerin. Beide Anträge wurden mit Bescheid vom 6. Dezember 2004 abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es sich bei Frau McCarthy nicht um eine Person handle, die die gesetzlichen Voraussetzungen erfülle; zu diesem Personenkreis gehören im Wesentlichen nur Arbeitnehmer, Selbstständige und wirtschaftlich unabhängige Personen. Dementsprechend könne auch Herr McCarthy nicht als Ehegatte einer Person angesehen werden, die die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt.

13.      Gegen den ablehnenden Bescheid vom 6. Dezember 2004 legte Frau McCarthy am 13. Dezember 2004 Widerspruch ein. Am 7. September 2006 wurde ihr Rechtsbehelf an das Asylum and Immigration Tribunal(6) verwiesen.

14.      Herr McCarthy legte zwar keinen Rechtsbehelf gegen den ihn betreffenden ablehnenden Bescheid vom 6. Dezember 2004 ein, beantragte jedoch am 16. Oktober 2006 erneut einen Aufenthaltstitel als Ehegatte von Frau McCarthy. Auch dieser zweite Antrag wurde mit Bescheid vom 20. April 2007 zurückgewiesen, wogegen Herr McCarthy am 4. Mai 2007 einen Rechtsbehelf beim Asylum and Immigration Tribunal einlegte.

15.      Das Asylum and Immigration Tribunal vertagte die Verhandlung über den von Herrn McCarthy eingelegten Rechtsbehelf bis zu einer endgültigen Entscheidung über den von Frau McCarthy eingelegten Rechtsbehelf.

16.      Am 17. Oktober 2006 wies ein Einzelrichter am Asylum and Immigration Tribunal den von Frau McCarthy eingelegten Rechtsbehelf zurück. Der High Court of Justice (England and Wales) verpflichtete jedoch das Tribunal am 13. Februar 2007, den Rechtsbehelf von Frau McCarthy erneut zu prüfen. Daraufhin unterzog das Tribunal diesen Rechtsbehelf am 16. August 2007 einer erneuten Prüfung, hielt aber seine Zurückweisungsentscheidung aufrecht. Auch die Berufung von Frau McCarthy zum Court of Appeal of England and Wales (Civil Division)(7) war erfolglos; sie wurde am 11. Juni 2008 zurückgewiesen.

17.      Auf ein weiteres Rechtsmittel von Frau McCarthy hin ist der Ausgangsrechtsstreit nunmehr vor dem Supreme Court of the United Kingdom (ehemals: House of Lords), dem vorlegenden Gericht, anhängig(8).

IV – Vorabentscheidungsersuchen und Verfahren vor dem Gerichtshof

18.      Mit Schreiben vom 2. November 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 5. November 2009, hat das vorlegende Gericht dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung gestellt(9):

1)      Ist eine Person mit irischer und britischer Doppelstaatsangehörigkeit, die sich ihr Leben lang im Vereinigten Königreich aufgehalten hat, ein „Berechtigter“ im Sinne von Art. 3 der Richtlinie 2004/38/EG?

2)      Hat sich eine solche Person im Sinne von Art. 16 der Richtlinie 2004/38 „rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten“, wenn sie die Erfordernisse von Art. 7 dieser Richtlinie nicht erfüllen konnte?

19.      Im Verfahren vor dem Gerichtshof haben sich Frau McCarthy, Dänemark, Irland, Estland, die Niederlande und das Vereinigte Königreich sowie die Europäische Kommission schriftlich geäußert. An der mündlichen Verhandlung vom 28. Oktober 2010 haben sich Frau McCarthy, Dänemark und Irland sowie die Kommission beteiligt.

V –    Würdigung

20.      Auf den ersten Blick mag es seltsam anmuten, dass eine Unionsbürgerin sich gegenüber den Behörden ihres Heimatmitgliedstaats auf das Unionsrecht beruft, um dort für sich ein Aufenthaltsrecht zu erstreiten. Denn es besteht kein Zweifel daran, dass diese Unionsbürgerin schon kraft ihrer Nationalität in dem Staat, dem sie angehört, ein Aufenthaltsrecht besitzt, das nicht beschränkt werden darf(10).

21.      Bei näherer Betrachtung steht im vorliegenden Fall aber auch weniger das persönliche Aufenthaltsrecht von Frau McCarthy in England auf dem Spiel, als vielmehr das gegebenenfalls über ihre Person vermittelte Aufenthaltsrecht ihres Ehemanns, der Angehöriger eines Drittstaats ist. Es geht also letztlich um Familienzusammenführung, die auf dem Umweg über das Unionsrecht erreicht werden soll, weil das innerstaatliche Recht des Vereinigten Königreichs sie nicht gestattet(11). Darauf wurde auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof mehrfach hingewiesen.

22.      Fraglich ist allerdings, ob das Unionsrecht auf den vorliegenden Fall sachlich Anwendung finden kann, hat doch Frau McCarthy niemals von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht, wie es sich aus Art. 21 Abs. 1 AEUV, Art. 45 AEUV, Art. 49 AEUV und Art. 56 AEUV(12) ergibt und in den Art. 15 Abs. 2 und 45 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union(13) bekräftigt wurde. Als Anknüpfungspunkt an das Unionsrecht kommt hier allein die Eigenschaft von Frau McCarthy als „Doppelstaatlerin“ in Betracht, die neben der britischen auch die irische Staatsangehörigkeit besitzt.

23.      Während Frau McCarthy meint, dass ihre doppelte Staatsangehörigkeit als unionsrechtlicher Anknüpfungspunkt ausreicht, sind alle am Verfahren beteiligten Regierungen und auch die Kommission der entgegengesetzten Auffassung.

A –    Der Begriff des „Berechtigten“ im Sinne der Richtlinie 2004/38 (erste Vorlagefrage)

24.      Mit seiner ersten Frage begehrt das vorlegende Gericht Auskunft über die Auslegung des Begriffs des „Berechtigten“ im Sinne von Art. 3 der Richtlinie 2004/38. Im Kern ist zu erörtern, ob eine Person, die Staatsangehörige zweier EU-Mitgliedstaaten ist, aber immer nur in einem dieser beiden Staaten gelebt hat, sich gegenüber diesem Staat auf die Richtlinie 2004/38 berufen kann, um in dessen Hoheitsgebiet ein Aufenthaltsrecht für sich und mittelbar auch für ihren Ehegatten zu erlangen.

25.      Nach dem Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 ist diese Frage zu verneinen. Danach ist Berechtigter im Sinne der Richtlinie jeder Unionsbürger, der sich in einen anderen als den Mitgliedstaat seiner Staatsangehörigkeit begibt oder dort aufhält. Im Umkehrschluss lässt sich aus Art. 3 Abs. 1 folgern, dass die Richtlinie 2004/38 nicht im Verhältnis eines Unionsbürgers zu dem Mitgliedstaat gilt, dessen Staatsangehöriger er ist und in dem er sich seit jeher aufhält.

26.      Diese Auslegung bestätigt sich, wenn man den Blick auf den Regelungszusammenhang lenkt, in dem Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 steht, und wenn man die Zielsetzung dieser Richtlinie berücksichtigt.

27.      Ziel der Richtlinie 2004/38 ist es, den Unionsbürgern die Freizügigkeit im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu erleichtern. Dementsprechend nennt die Richtlinie Freizügigkeit und Aufenthalt häufig in einem Atemzug(14); sie bezweckt, „das Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht aller Unionsbürger zu vereinfachen und zu verstärken“(15).

28.      Was den Regelungszusammenhang von Art. 3 Abs. 1 anbelangt, so ist anzumerken, dass zahlreiche Vorschriften der Richtlinie 2004/38 von der „Einreise“(16) eines Unionsbürgers, von seinem Aufenthalt „im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats“(17) oder vom „Aufnahmemitgliedstaat“(18) sprechen. Dabei ist Aufnahmemitgliedstaat im Sinne der Richtlinie „der Mitgliedstaat, in den sich der Unionsbürger begibt, um dort sein Recht auf Freizügigkeit oder Aufenthalt auszuüben“(19). Wie all diese Vorschriften zeigen, regelt die Richtlinie 2004/38 die Rechtsstellung eines Unionsbürgers in einem Mitgliedstaat, in dem er sich in Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit aufhält – gegebenenfalls schon seit seiner Geburt(20) – und dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt.

29.      Sicherlich schließt dies nicht aus, dass die Richtlinie 2004/38 auch einmal gegenüber dem Heimatland eines Unionsbürgers zur Anwendung kommt, wenn ein Bezug zum Unionsrecht besteht. So entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass ein Unionsbürger, der von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat und in seinen Heimatmitgliedstaat zurückkehren will, sich diesem Staat gegenüber auf das Unionsrecht berufen darf(21). Gleiches gilt übrigens auch, wenn ein Unionsbürger seinen Heimatmitgliedstaat verlassen will, um sich in Ausübung der Freizügigkeitsrechte des Unionsrechts in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben(22).

30.      Eine Unionsbürgerin wie Frau McCarthy, die sich immer in einem Mitgliedstaat ihrer Staatsangehörigkeit aufgehalten und auch nie von ihrem unionsrechtlich garantierten Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht hat, fällt jedoch weder nach dem Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 noch nach der Zielsetzung und dem Regelungszusammenhang jener Vorschrift in den Geltungsbereich der Richtlinie 2004/38. Gleiches gilt für die Familienangehörigen von Frau McCarthy(23), da deren Einreise- und Aufenthaltsrechte – sowie allgemeiner die Möglichkeit der Familienzusammenführung – nicht auf einem originären Freizügigkeitsrecht beruhen, sondern vom Freizügigkeitsrecht der Unionsbürgerin abgeleitet sind und dessen Verwirklichung dienen(24).

31.      Aus dem primärrechtlich verankerten Freizügigkeitsrecht der Unionsbürger (Art. 21 Abs. 1 AEUV und Art. 45 Abs. 1 der Charta der Grundrechte) folgt meines Erachtens nichts anderes. Zwar trifft es zu, dass sekundärrechtliche Regelungen im Einklang mit dem Primärrecht – beispielsweise mit den Grundfreiheiten der Verträge – auszulegen und anzuwenden sind(25). Die Richtlinie 2004/38 steht aber aus meiner Sicht im Einklang mit den primärrechtlichen Vorgaben. Insbesondere bin ich nicht der Auffassung, dass Unionsbürger auch dann ein Aufenthaltsrecht aus Art. 21 Abs. 1 AEUV gegenüber dem Mitgliedstaat ihrer Staatsangehörigkeit herleiten können, wenn es – wie im Fall von Frau McCarthy – an jedem grenzüberschreitenden Element fehlt(26).

32.      Zu prüfen bleibt, ob an dem bislang gefundenen Ergebnis der Umstand etwas ändern kann, dass Frau McCarthy die Staatsangehörigkeit zweier EU-Mitgliedstaaten besitzt – die britische und die irische.

33.      Dazu ist zunächst anzumerken, dass einer Unionsbürgerin in der Lage von Frau McCarthy die Berufung auf ihre zweite Staatsangehörigkeit – hier die irische – nicht von vornherein allein unter Verweis auf die etwa fehlende Effektivität dieser Staatsangehörigkeit verwehrt werden darf. Zwar deutet im vorliegenden Fall alles darauf hin, dass die britische Staatsangehörigkeit von Frau McCarthy die weitaus effektivere ist, hat doch Frau McCarthy immer in England gelebt und ihren irischen Reisepass überhaupt erst im Vorfeld ihres Ersuchens um einen unionsrechtlichen Aufenthaltstitel beantragt. Wie jedoch der Gerichtshof betont hat, ist es innerhalb der Europäischen Union „nicht Sache eines Mitgliedstaats, die Wirkungen der Verleihung der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats dadurch zu beschränken, dass er eine zusätzliche Voraussetzung für die Anerkennung dieser Staatsangehörigkeit im Hinblick auf die Ausübung der im Vertrag vorgesehenen Grundfreiheiten verlangt“(27). Nach der Rechtsprechung kann deshalb das Bestehen einer doppelten Staatsangehörigkeit für die Beurteilung der Rechtsstellung von Unionsbürgern gegenüber ihren Herkunftsmitgliedstaaten grundsätzlich durchaus von Belang sein(28).

34.      So kann die doppelte Staatsangehörigkeit eines Unionsbürgers bei der Bestimmung seines Namens Abweichungen von den Regeln des innerstaatlichen Namensrechts eines seiner Herkunftsmitgliedstaaten notwendig machen(29). Denn der Name ist wesentlicher Bestandteil der Identität einer Person. Deshalb muss sich jeder Unionsbürger darauf verlassen können, dass sein in einem Mitgliedstaat rechtmäßig geführter Name in allen anderen Mitgliedstaaten anerkannt wird(30). Entstünden Zweifel an der Identität des Unionsbürgers, weil sein Name je nach Mitgliedstaat unterschiedlich lautet oder geschrieben wird, so könnte der Betroffene schwere Nachteile privater oder beruflicher Art erleiden(31).

35.      Was für Bereiche wie das Namensrecht gelten mag, lässt sich aber nicht zwangsläufig auch auf das hier interessierende Aufenthaltsrecht und die damit zusammenhängende Möglichkeit der Familienzusammenführung übertragen. Vielmehr kommt es darauf an, ob sich die Lage eines Unionsbürgers auch in diesem Zusammenhang angesichts seiner doppelten Staatsangehörigkeit in rechtlich relevanter Weise von der Lage anderer Unionsbürger unterscheidet, die lediglich über die Staatsangehörigkeit des Aufnahmemitgliedstaats verfügen.

36.      Die Merkmale von Sachverhalten und ihre Vergleichbarkeit sind u. a. im Lichte des Ziels und des Zwecks der Regelung, die die fragliche Unterscheidung einführt, zu bestimmen und zu beurteilen. Außerdem sind die Grundsätze und Ziele des Regelungsbereichs zu berücksichtigen, dem die in Rede stehende Regelung unterfällt(32).

37.      Das im vorliegenden Fall streitige Recht der Unionsbürger auf Aufenthalt für sich und ihre Familienangehörigen dient der Erleichterung der Freizügigkeit der Unionsbürger im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten(33). Diesbezüglich ergeben sich aus der doppelten Staatsangehörigkeit einer Unionsbürgerin in der Lage von Frau McCarthy keine Besonderheiten. Aufenthaltsrechtlich befindet sie sich in der gleichen Situation wie alle anderen britischen Staatsangehörigen, die immer in England gelebt und ihr Herkunftsland nie verlassen haben: Sie macht von ihrem Recht auf Freizügigkeit keinen Gebrauch(34).

38.      Eine Unionsbürgerin wie Frau McCarthy wird weder in ihrer Freizügigkeit beeinträchtigt(35), noch wird sie gegenüber anderen britischen Staatsangehörigen, die sich in einer vergleichbaren Lage befinden, diskriminiert. Der Umstand allein, dass sie neben ihrer britischen auch die irische Staatsangehörigkeit besitzt, gebietet nicht, auf sie und ihre Familienangehörigen die unionsrechtlichen Bestimmungen über das Einreise- und Aufenthaltsrecht anzuwenden.

39.      Zugegebenermaßen kann es auf diese Weise dazu kommen, dass ein Unionsbürger, der von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, für seine aus Drittstaaten stammenden Familienangehörigen kraft Unionsrechts großzügigere Regelungen über das Einreise- und Aufenthaltsrecht in Anspruch nehmen darf als ein Staatsangehöriger des Aufnahmemitgliedstaats, der sich immer in dessen Hoheitsgebiet aufgehalten hat(36). Gemeinhin wird dieses Problem mit dem Begriff der Inländerdiskriminierung umschrieben oder als umgekehrte Diskriminierung bezeichnet.

40.      Nach ständiger Rechtsprechung bietet jedoch das Unionsrecht keine Handhabe für dieses Problem. Denn der Umstand, dass Unionsbürger hinsichtlich der Einreise und des Aufenthalts ihrer Familienangehörigen aus Drittstaaten möglicherweise unterschiedlich behandelt werden, je nach dem, ob diese Unionsbürger zuvor von ihrer Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, fällt nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts(37).

41.      Im Schrifttum wird zwar bisweilen erwogen, aus der Unionsbürgerschaft ein Verbot der Inländerdiskriminierung herzuleiten(38). Auch Generalanwältin Sharpston hat jüngst in diesem Sinne Stellung bezogen(39). Wie jedoch der Gerichtshof mehrfach festgestellt hat, bezweckt die Unionsbürgerschaft nicht, den sachlichen Anwendungsbereich des Unionsrechts auf interne Sachverhalte auszudehnen, die keinerlei Bezug zum Unionsrecht aufweisen(40).

42.      Sicherlich ist es nicht auszuschließen, dass der Gerichtshof zu gegebener Zeit seine Rechtsprechung überdenkt und sich veranlasst sieht, künftig der Unionsbürgerschaft ein Verbot der Inländerdiskriminierung zu entnehmen. Immerhin ist der Unionsbürgerstatus dazu bestimmt, „der grundlegende Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten zu sein, der denjenigen unter ihnen, die sich in der gleichen Situation befinden, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und unbeschadet der insoweit ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen Anspruch auf die gleiche rechtliche Behandlung gibt“(41).

43.      Der vorliegende Fall scheint mir jedoch nicht den geeigneten Rahmen zu bieten, um die Problematik der Inländerdiskriminierung einer vertieften Prüfung zu unterziehen. Eine „statische“ Unionsbürgerin wie Frau McCarthy wird hier nämlich gar nicht gegenüber „mobilen“ Unionsbürgern diskriminiert(42). Denn selbst wenn man davon absähe, dass Frau McCarthy von ihrem Recht auf Freizügigkeit keinen Gebrauch gemacht hat, und es ihr im Prinzip gestatten würde, sich auf die Vorschriften der Richtlinie 2004/38 zu berufen, würde sie gleichwohl die übrigen für Unionsbürger geltenden Voraussetzungen für den Erwerb von längerfristigen Aufenthaltsrechten nicht erfüllen.

44.      Frau McCarthy ist weder erwerbstätig, noch verfügt sie über hinreichende Existenzmittel für sich und ihre Familie; sie ist nicht „wirtschaftlich unabhängig“, sondern bezieht staatliche Sozialhilfeleistungen im Vereinigten Königreich(43). Damit genügt sie nicht den materiellen Anforderungen, die das Unionsrecht an Unionsbürger stellt, die sich für mehr als drei Monate im Aufnahmemitgliedstaat aufhalten wollen(44). Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass Frau McCarthy in der Vergangenheit während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren im Vereinigten Königreich erwerbstätig gewesen wäre oder über hinreichende Existenzmittel für sich und ihre Familie verfügt hätte, was für den Erwerb eines Rechts auf Daueraufenthalt die Grundvoraussetzung wäre(45). Folglich könnte Frau McCarthy selbst als „mobile“ Unionsbürgerin kein Aufenthaltsrecht aus dem Unionsrecht herleiten.

45.      Insgesamt bleibe ich vor diesem Hintergrund bei meiner Auffassung, dass die erste Frage des vorlegenden Gerichts zu verneinen ist. Sie sollte dahin gehend beantwortet werden, dass eine Unionsbürgerin, die Staatsangehörige zweier EU-Mitgliedstaaten ist, aber immer nur in einem dieser beiden Staaten gelebt hat, in diesem Staat kein Aufenthaltsrecht aufgrund der Richtlinie 2004/38 beanspruchen kann.

46.      Sollte der Gerichtshof gleichwohl im vorliegenden Fall erwägen, den Unionsbürgerstatus fortzuentwickeln(46), so hielte ich es für angebracht, das mündliche Verfahren wieder zu eröffnen. Denn bislang waren die Verfahrensbeteiligten im vorliegenden Fall nur ganz am Rande – gegen Ende der mündlichen Verhandlung – veranlasst, ihre Argumente zu dieser Problematik darzulegen. Sie müssten meines Erachtens noch Gelegenheit erhalten, sich intensiver damit auseinanderzusetzen. Auch wäre es dann sehr wahrscheinlich, dass sich noch weitere Mitgliedstaaten veranlasst sähen, mündliche Stellungnahmen vor dem Gerichtshof abzugeben.

B –    Der Begriff des „rechtmäßigen Aufenthalts“ im Sinne von Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 (zweite Vorlagefrage)

47.      Mit seiner zweiten Frage begehrt das vorlegende Gericht Auskunft über den Begriff des „rechtmäßigen Aufenthalts“ im Sinne von Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38(47). Im Wesentlichen gilt es zu klären, ob unter dieses Konzept auch der Aufenthalt einer Unionsbürgerin zu fassen ist, die immer nur im Aufnahmemitgliedstaat gelebt hat, wobei sich dort ihr Aufenthaltsrecht während der gesamten Dauer ihres Aufenthalts allein aus dem Umstand ergab, dass sie die Staatsangehörigkeit eben dieses Staates besitzt.

48.      Diese Frage ist der ersten Frage logisch untergeordnet. Wird schon die erste Frage, wie von mir vorgeschlagen, verneint(48), so fällt die Unionsbürgerin gar nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie 2004/38, und die zweite Frage muss nicht beantwortet werden. Dementsprechend erörtere ich im Folgenden die zweite Frage lediglich hilfsweise.

49.      Der Begriff des rechtmäßigen Aufenthalts, den Art. 16 Abs. 1 zur Voraussetzung für den Erwerb eines Rechts auf Daueraufenthalt macht, wird in der Richtlinie 2004/38 nicht näher definiert.

50.      Auch im kürzlich ergangenen Urteil Lassal hat der Gerichtshof dieses Problem meines Erachtens nicht endgültig gelöst, sondern lediglich klargestellt, dass Aufenthaltszeiten, „die im Einklang mit [früher] geltenden Rechtsvorschriften der Union zurückgelegt wurden, zu berücksichtigen“ sind(49). Dies schließt keineswegs aus, dass auch andere Aufenthaltszeiten, die allein nach nationalem Ausländerrecht zurückgelegt wurden, Berücksichtigung finden.

51.      Zwar deutet die Präambel der Richtlinie 2004/38 darauf hin, dass mit rechtmäßigem Aufenthalt in erster Linie ein Aufenthalt „gemäß den in dieser Richtlinie festgelegten Bedingungen“ gemeint ist, also ein Aufenthalt, zu dem der Betroffene kraft Unionsrechts berechtigt war(50). Doch sind die Bestimmungen der Richtlinie 2004/38 in Anbetracht ihres Zusammenhangs und ihrer Ziele nicht eng auszulegen(51).

52.      Mit dem Recht auf Daueraufenthalt gemäß Art. 16 der Richtlinie 2004/38 hat der Unionsgesetzgeber bezweckt, „zum sozialen Zusammenhalt – einem grundlegenden Ziel der Union – beizutragen“(52) und „ein wirksames Instrument für die Integration in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats“ zu schaffen(53). Diesem Ziel entspricht es, den Kreis der zum Daueraufenthalt Berechtigten auch auf solche Unionsbürger auszudehnen, deren Aufenthaltsberechtigung im Aufnahmemitgliedstaat sich allein aus dessen innerstaatlichem Ausländerrecht ergibt(54); denn zur Beurteilung des Grades der Integration eines Unionsbürgers im Aufnahmemitgliedstaat ist es zweitrangig, woher sein Aufenthaltsrecht rührt.

53.      Dass es Fälle geben kann, in denen ein Aufenthaltsrecht lediglich aus dem nationalen Ausländerrecht des Aufnahmemitgliedstaats folgt, zeigt Art. 37 der Richtlinie 2004/38, wonach günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten ausdrücklich unberührt bleiben. Auch aus der Rechtsprechung sind durchaus Fälle bekannt, in denen der Aufenthalt von Unionsbürgern im jeweiligen Aufnahmemitgliedstaat sich nicht auf das Unionsrecht, sondern allein auf das innerstaatliche Ausländerrecht stützen konnte(55). Einen solchen Aufenthalt hat der Gerichtshof keineswegs für unbeachtlich erklärt, sondern im Gegenteil unionsrechtliche Schlussfolgerungen daran geknüpft(56).

54.      Allerdings kann mit rechtmäßigem Aufenthalt im Sinne von Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 lediglich ein Aufenthalt gemeint sein, der auf ausländerrechtlichen Bestimmungen beruht, nicht hingegen ein Aufenthalt, dessen Rechtmäßigkeit aus dem bloßen Umstand folgt, dass der Betroffene Staatsangehöriger des Aufnahmemitgliedstaats ist. Denn die Richtlinie 2004/38 dient, wie bereits ausgeführt(57), der Verwirklichung und der Erleichterung des Freizügigkeitsrechts der Unionsbürger. Sie soll nicht etwa die Integration von Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats, die niemals von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, in die Gesellschaft dieses Staates fördern.

55.      Zwischen einem Aufenthaltsrecht, das ausländerrechtlichen Ursprungs ist, und einem Aufenthaltsrecht, das aus der Staatsangehörigkeit des Betroffenen im Aufnahmemitgliedstaat folgt, bestehen grundlegende qualitative Unterschiede. Während nämlich die Mitgliedstaaten das Aufenthaltsrecht ihrer eigenen Staatsangehörigen nach völkerrechtlichen Grundsätzen in keiner Weise beschränken dürfen(58), sind sie berechtigt, den Aufenthalt von Ausländern auf ihrem Hoheitsgebiet nur unter bestimmten Bedingungen zu gestatten. Dies gilt auch für den Aufenthalt von Unionsbürgern aus anderen Mitgliedstaaten, wobei freilich die vom Unionsrecht gezogenen Grenzen zu beachten sind(59).

56.      Erlaubte man einer Unionsbürgerin in der Lage von Frau McCarthy, die nie von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, sich auf die Richtlinie 2004/38 zu berufen, so liefe dies letztlich auf ein „Rosinenpicken“(60) hinaus: Die Unionsbürgerin könnte dann die Vorteile der Richtlinie 2004/38 hinsichtlich der Familienzusammenführung mit ihrem Ehegatten genießen, ohne den Zielen der Richtlinie – Verwirklichung und Erleichterung der Freizügigkeit – gerecht zu werden und ohne irgendeiner der Bedingungen der Richtlinie unterworfen zu sein – beispielsweise dem Erfordernis der wirtschaftlichen Unabhängigkeit gemäß Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie. Wie mehrere am Verfahren beteiligte Regierungen zu Recht hervorgehoben haben, entspricht dies nicht dem Geist und der Zielsetzung der unionsrechtlichen Bestimmungen über Freizügigkeit und Aufenthaltsrecht.

57.      Die zweite Frage des vorlegenden Gerichts müsste somit wie folgt beantwortet werden:

Die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts, die nach Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 Voraussetzung für den Erwerb eines Rechts auf Daueraufenthalt ist, kann sich aus dem Unionsrecht oder aus dem innerstaatlichen Ausländerrecht des Aufnahmemitgliedstaats ergeben.

Ist jedoch ein Unionsbürger Staatsangehöriger des Aufnahmemitgliedstaats und hat er sich dort immer nur aufgrund seiner Staatsangehörigkeit aufgehalten, ohne von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, so handelt es sich nicht um einen „rechtmäßigen Aufenthalt“ im Sinne von Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38.

C –    Abschließende Bemerkungen

58.      Nach der von mir vorgeschlagenen Lösung kann eine Unionsbürgerin in der Lage von Frau McCarthy sich nicht auf das Unionsrecht stützen, um für sich und ihre Familienangehörigen ein Aufenthaltsrecht in dem Mitgliedstaat zu erlangen, in dem sie immer gelebt hat und dessen Staatsangehörige sie ist.

59.      Wie aber der Gerichtshof schon in der Rechtssache Metock(61) angedeutet hat, sind alle Mitgliedstaaten Vertragsparteien der EMRK(62). Auch wenn die EMRK kein Recht eines Ausländers als solches gewährleistet, in ein bestimmtes Land einzureisen oder sich dort aufzuhalten, kann es einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Familienlebens gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK darstellen, wenn einer Person die Einreise in ein oder der Aufenthalt in einem Land verweigert wird, in dem ihre nahen Verwandten wohnen(63).

60.      Unter diesen Umständen ist es nicht gänzlich auszuschließen, dass das Vereinigte Königreich kraft seiner eigenen Mitgliedschaft in der EMRK verpflichtet sein könnte, Herrn McCarthy als Ehegatten einer in England lebenden britischen Staatsbürgerin ein Aufenthaltsrecht zu gewähren. Dies ist aber keine Frage des Unionsrechts, sondern allein eine Frage der Bindung des Vereinigten Königreichs an die EMRK, für deren Beurteilung ausschließlich die innerstaatlichen Gerichte und gegebenenfalls der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zuständig sind.

VI – Ergebnis

61.      Vor dem Hintergrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, das Vorabentscheidungsersuchen wie folgt zu beantworten:

Eine Unionsbürgerin, die Staatsangehörige zweier EU-Mitgliedstaaten ist, aber immer nur in einem dieser beiden Staaten gelebt hat, kann in diesem Staat kein Aufenthaltsrecht aufgrund der Richtlinie 2004/38/EG beanspruchen.


1 – Originalsprache: Deutsch.


2 – Mit den Ausdrücken „britische Staatsangehörigkeit“ und Aufenthalt „in England“ orientiere ich mich hier und im Folgenden an den gleichlautenden Formulierungen des Vorlagebeschlusses.


3 – Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. L 158, S. 77, berichtigt in ABl. 2004, L 229, S. 35, sowie in ABl. 2007, L 204, S. 28).


4 – Nach den Angaben des Prozessvertreters von Frau McCarthy in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof soll dies daran liegen, dass Herr McCarthy ursprünglich als „visitor“ (Besucher) in das Vereinigte Königreich eingereist ist.


5 – Innenminister des Vereinigten Königreichs.


6 – Asyl- und Zuwanderungsgericht.


7 – Berufungsgericht für England und Wales (Zivilabteilung).


8 – Zugelassen wurde das Rechtsmittel im Ausgangsrechtsstreit am 13. November 2008 noch vom House of Lords. Aufgrund des Verfassungsreformgesetzes 2005 (Constitutional Reform Act 2005) sind allerdings die Befugnisse des House of Lords als Rechtsprechungsinstanz im Oktober 2009 auf den neu geschaffenen Supreme Court of the United Kingdom (Oberster Gerichtshof des Vereinigten Königreichs) übergegangen.


9 – Diese Fragen wurden noch vom House of Lords beschlossen. Übermittelt wurden sie jedoch bereits von der Registrar of the Supreme Court of the United Kingdom (Kanzlerin des Obersten Gerichtshofs des Vereinigten Königreichs). Dass das Vorabentscheidungsersuchen mit „Draft Reference“ (Entwurf einer Vorlage) überschrieben ist, tut übrigens seiner Zulässigkeit keinen Abbruch. Wie sich nämlich aus dem Begleitschreiben vom 2. November 2009 ergibt, wurde das Vorabentscheidungsersuchen offiziell vom Supreme Court beim Gerichtshof eingereicht.


10 – Wie der Gerichtshof im Urteil vom 4. Dezember 1974, Van Duyn (41/74, Slg. 1974, 1337, Randnr. 22), festgestellt hat, besagt ein völkerrechtlicher Grundsatz, „dass ein Staat seinen eigenen Staatsangehörigen die Einreise in sein Hoheitsgebiet oder den Aufenthalt in diesem nicht versagen darf“; vgl. außerdem die Urteile vom 7. Juli 1992, Singh (C‑370/90, Slg. 1992, I‑4265, Randnr. 22), und vom 11. Dezember 2007, Eind (C‑291/05, Slg. 2007, I‑10719, Randnr. 31), sowie Art. 3 des Protokolls Nr. 4 zur Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, das am 16. September 1963 in Straßburg zur Unterzeichnung aufgelegt wurde und am 2. Mai 1968 in Kraft trat (ETS Nr. 46).


11 – Deswegen wurde auch die Entscheidung über den Rechtsbehelf von Herrn McCarthy betreffend sein Aufenthaltsrecht vertagt (vgl. oben, Nr. 15 dieser Schlussanträge).


12 – Ehemals Art. 18 Abs. 1 EG, Art. 39 EG, Art. 43 EG und Art. 49 EG.


13 – Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union wurde zunächst am 7. Dezember 2000 in Nizza (ABl. 2000, C 364, S. 1) und sodann ein weiteres Mal am 12. Dezember 2007 in Straßburg (ABl. 2007, C 303, S. 1) feierlich proklamiert.


14 – Art. 1 Buchst. a, Art. 3 Abs. 2 und Art. 5 Abs. 4 sowie Erwägungsgründe 3 und 22 der Präambel der Richtlinie 2004/38.


15 – 3. Erwägungsgrund der Präambel der Richtlinie 2004/38; ähnlich der Titel der Richtlinie 2004/38 sowie der 5. Erwägungsgrund ihrer Präambel, wo vom Recht der Unionsbürger die Rede ist, „sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten“. Vgl. auch Urteil vom 25. Juli 2008, Metock u. a. (C‑127/08, Slg. 2008, I‑6241, Randnr. 59), Urteile vom 23. Februar 2010, Ibrahim (C‑310/08, Slg. 2010, I-0000, Randnr. 49) und Teixeira (C‑480/08, Slg. 2010, I-0000, Randnr. 60), sowie Urteil vom 7. Oktober 2010, Lassal (C‑162/09, Slg. 2010, I-0000, Randnr. 30).


16 – Vgl. etwa Art. 3 Abs. 2, Art. 5, Art. 8 Abs. 2, Art. 15 Abs. 2, Art. 27 Abs. 3, Art. 29 Abs. 2 und 3, Art. 31 Abs. 4 sowie Erwägungsgründe 6 und 22 der Präambel der Richtlinie 2004/38.


17 – Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38; ähnlich der 11. Erwägungsgrund dieser Richtlinie, wo vom „elementaren und persönlichen Recht auf Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat“ die Rede ist.


18 – Art. 2, Art. 3 Abs. 2, Art. 5 Abs. 3, Art. 7, 8, 14 bis 18, 22, 24, 28, 29, 31 und 33 sowie 5., 6., 9., 10., 15., 16., 17., 18., 19., 21., 23. und 24. Erwägungsgrund der Präambel der Richtlinie 2004/38.


19 – Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2004/38.


20 – Vgl. Art. 3 Abs. 1 und den 24. Erwägungsgrund der Präambel der Richtlinie 2004/38; im selben Sinne Urteile vom 19. Oktober 2004, Zhu und Chen (C‑200/02, Slg. 2004, I‑9925, Randnr. 19), und Teixeira (zitiert in Fn. 15, Randnr. 45).


21 – Urteile Singh (zitiert in Fn. 10, Randnrn. 19 bis 23) und Eind (zitiert in Fn. 10, Randnrn. 32 bis 36); ähnlich Urteil vom 11. Juli 2002, Carpenter (C‑60/00, Slg. 2002, I‑6279, insbesondere Randnr. 46).


22 – Urteil vom 10. Juli 2008, Jipa (C‑33/07, Slg. 2008, I‑5157, insbesondere Randnrn. 17 und 18).


23 – In diesem Sinne bereits Urteil vom 27. Oktober 1982, Morson und Jhanjan (35/82 und 36/82, Slg. 1982, 3723, Randnrn. 11 bis 18).


24 – In diesem Sinne Urteil Eind (zitiert in Fn. 10, Randnr. 23).


25 – Vgl. etwa Urteile vom 26. Juni 2007, Ordre des barreaux francophones und germanophone u. a. (C‑305/05, Slg. 2007, I‑5305, Randnr. 28), und vom 19. November 2009, Sturgeon u. a. (C‑402/07 und C‑432/07, Slg. 2009, I‑10923, Randnr. 48).


26 – Eine gegenteilige Ansicht vertritt Generalanwältin Sharpston in ihren Schlussanträgen vom 30. September 2010 in der Rechtssache Ruiz Zambrano (C‑34/09, Slg. 2010, I-0000, insbesondere Nrn. 91 bis 97 und Nr. 122, erster Satz).


27 – Urteile vom 7. Juli 1992, Micheletti u. a. (C‑369/90, Slg. 1992, I‑4239, Randnr. 10), vom 2. Oktober 2003, Garcia Avello (C‑148/02, Slg. 2003, I‑11613, Randnr. 28), und Zhu und Chen (zitiert in Fn. 20, Randnr. 39).


28 – Urteil Garcia Avello (zitiert in Fn. 27, insbesondere Randnrn. 32 bis 37). Das Urteil Micheletti u. a. (zitiert in Fn. 27) verdeutlicht ebenfalls die Relevanz der doppelten Staatsangehörigkeit im Unionsrecht, allerdings gegenüber einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der betroffene Unionsbürger nicht besitzt.


29 – Urteil Garcia Avello (zitiert in Fn. 27, insbesondere Randnrn. 36, 37 und 45).


30 – In diesem Sinne Urteil vom 14. Oktober 2008, Grunkin und Paul (C‑353/06, Slg. 2008, I‑7639, insbesondere Randnrn. 23 und 31).


31 – Urteile Garcia Avello (zitiert in Fn. 27, Randnr. 36) und Grunkin-Paul (zitiert in Fn. 30, Randnrn. 23 bis 28 und 32); ähnlich bereits zuvor Urteil vom 30. März 1993, Konstantinidis (C‑168/91, Slg. 1993, I‑1191, Randnr. 16).


32 – Urteil vom 16. Dezember 2008, Arcelor Atlantique et Lorraine u. a. (C‑127/07, Slg. 2008, I‑9895, Randnr. 26).


33 – Urteil Metock u. a. (zitiert in Fn. 15, Randnr. 82); vgl. auch oben (Nr. 27 dieser Schlussanträge).


34 – Darin unterscheidet sich der vorliegende Fall von der Rechtssache Zhu und Chen (Urteil zitiert in Fn. 20), in der die betroffene Unionsbürgerin Catherine Zhu nicht die Staatsangehörigkeit des Aufnahmemitgliedstaats besaß, sondern nur die eines anderen Mitgliedstaats, so dass sie im Aufnahmemitgliedstaat seit ihrer Geburt in Ausübung ihres Freizügigkeitsrechts nach Art. 21 Abs. 1 AEUV (ehemals Art. 18 Abs. 1 EG) lebte. Ebenso unterscheidet sich der vorliegende Fall von der Rechtssache Eind (Urteil zitiert in Fn. 10), in dem der betroffene Unionsbürger zwar die Staatsangehörigkeit des Aufnahmemitgliedstaats (Niederlande) besaß, aber dorthin nach Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit zurückkehrte.


35 – Wie Irland zu Recht betont, wird Frau McCarthy durch nichts daran gehindert, sich in Ausübung ihres Rechts auf Freizügigkeit in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen, beispielsweise in Irland, wohin sie auch ihr Ehemann als Familienangehöriger begleiten kann.


36 – Vgl. dazu Urteil Metock u. a. (zitiert in Fn. 15, Randnrn. 76 bis 78).


37 – Urteil Metock u. a. (zitiert in Fn. 15, Randnrn. 77 und 78); im selben Sinne die ständige Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten der Verträge, vgl. etwa Urteil vom 1. April 2008, Gouvernement de la Communauté française und Gouvernement wallon (C‑212/06, Slg. 2008, I‑1683, Randnr. 33).


38 – Borchardt, K.-D., „Der sozialrechtliche Gehalt der Unionsbürgerschaft“, Neue Juristische Wochenschrift 2000, S. 2057 (2059); Edward, D., „Unionsbürgerschaft – Mythos, Hoffnung oder Realität?“, in: „Grundrechte in Europa“ – Münsterische Juristische Vorträge, Münster 2002, S. 35 (41); Edward, D., „European Citizenship – Myth, Hope or Reality?“, in: „Problèmes d’interprétation“– à la mémoire de Constantinos N. Kakouris, Gedenkschrift, Athen/Brüssel 2004, S. 123 (131-133); Spaventa, E., „Seeing the Wood despite the Trees? On the Scope of Union Citizenship and its Constitutional Effects“, Common Market Law Review 45 (2008), S. 13 (insbesondere 30-39).


39 – Schlussanträge in der Rechtssache Ruiz Zambrano (zitiert in Fn. 26, insbesondere Nrn. 139 bis 150).


40 – Urteile vom 5. Juni 1997, Uecker und Jacquet (C‑64/96 und C‑65/96, Slg. 1997, I‑3171, Randnr. 23), Garcia Avello (zitiert in Fn. 27, Randnr. 26), vom 12. Juli 2005, Schempp (C‑403/03, Slg. 2005, I‑6421, Randnr. 20), Gouvernement de la Communauté française und Gouvernement wallon (zitiert in Fn. 37, Randnr. 39), und vom 22. Mai 2008, Nerkowska (C‑499/06, Slg. 2008, I‑3993, Randnr. 25).


41 – Urteile vom 20. September 2001, Grzelczyk (C‑184/99, Slg. 2001, I‑6193, Randnr. 31), und vom 16. Dezember 2008, Huber (C‑524/06, Slg. 2008, I‑9705, Randnr. 69); ähnlich Urteil vom 12. September 2006, Eman und Sevinger (C‑300/04, Slg. 2006, I‑8055, insbesondere Randnrn. 57, 58 und 61). Zum Unionsbürgerstatus als „grundlegendem Status“ vgl. ferner die Urteile vom 17. September 2002, Baumbast und R (C‑413/99, Slg. 2002, I‑7091, Randnr. 82), Garcia Avello (zitiert in Fn. 27, Randnr. 22) und vom 2. März 2010, Rottmann (C‑135/08, Slg. 2010, I-0000, Randnr. 43).


42 – In diesem Sinne auch die Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Ruiz Zambrano (zitiert in Fn. 26, Nr. 146), wonach die Situationen von „statischen“ und „mobilen“ Unionsbürgern vergleichbar sein müssen.


43 – Vgl. oben (Nr. 9 dieser Schlussanträge).


44 – Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38.


45 – Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38; vgl. dazu im Einzelnen meine Ausführungen zur zweiten Vorlagefrage (Nrn. 47 bis 57 dieser Schlussanträge).


46 – In diesem Sinne die Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Ruiz Zambrano (zitiert in Fn. 26).


47 – Diverse Fragen zur Auslegung von Art. 16 der Richtlinie 2004/38 und insbesondere zum Begriff des „rechtmäßigen Aufenthalts“ werfen auch die anhängigen Rechtssachen Dias (C‑325/09), Ziolkowski (C‑424/10) und Szeja (C‑425/10) auf. Sie betreffen jedoch, soweit ersichtlich, nicht den Fall eines Unionsbürgers, der die Staatsangehörigkeit des Aufnahmemitgliedstaats besitzt.


48 – Vgl. oben (insbesondere Nrn. 25 und 45 dieser Schlussanträge).


49 – Urteil Lassal (zitiert in Fn. 15, Randnr. 40).


50 – 17. Erwägungsgrund der Präambel der Richtlinie 2004/38.


51 – Urteile Metock (zitiert in Fn. 15, Randnrn. 84 und 93) und Lassal (zitiert in Fn. 15, Randnr. 31).


52 – 17. Erwägungsgrund der Präambel der Richtlinie 2004/38.


53 – 18. Erwägungsgrund der Präambel der Richtlinie 2004/38; vgl. ferner das Urteil Lassal (zitiert in Fn. 15, Randnr. 32; zum Integrationsgedanken vgl. auch Randnr. 37).


54 – Vgl. in diesem Sinne bereits meine Schlussanträge vom 20. Oktober 2009 in der Rechtssache Teixeira (zitiert in Fn. 15, Nr. 119); einer anderen Auffassung neigt scheinbar Generalanwältin Trstenjak zu (Schlussanträge vom 11. Mai 2010 in der Rechtssache Lassal, zitiert in Fn. 15, Nr. 88, letzter Satz).


55 – Urteil vom 7. September 2004, Trojani (C‑456/02, Slg. 2004, I‑7573, insbesondere Randnrn. 36 und 37); ähnlich das Urteil vom 12. Mai 1998, Martínez Sala (C‑85/96, Slg. 1998, I‑2691, insbesondere Randnrn. 14 und 15 sowie Randnrn. 60 und 61), allerdings scheint es sich in letzterem Fall eher um eine faktische Duldung des Aufenthalts der Unionsbürgerin zu handeln.


56 – Urteile Martínez Sala (Randnrn. 64 und 65) und Trojani (Randnr. 39), zitiert in Fn. 55.


57 – Vgl. meine Ausführungen zur ersten Vorlagefrage (insbesondere Nrn. 27 und 28 dieser Schlussanträge).


58 – Vgl. oben (Nr. 20 und Fn. 10 dieser Schlussanträge).


59 – Vgl. insbesondere die Art. 7, 8 und 27 bis 33 der Richtlinie 2004/38.


60 – In dieselbe Richtung gehen die von Irland in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof verwendeten Ausdrücke „à la carte approach“ und „the best of both worlds“.


61 – Urteil zitiert in Fn. 15, Randnr. 79.


62 – Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, unterzeichnet in Rom am 4. November 1950 (ETS Nr. 5).


63 – Vgl. etwa die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 18. Februar 1991, Moustaquim/Belgien (Serie A, Nr. 193, S. 18, § 36), vom 2. August 2001, Boultif/Schweiz (Recueil des arrêts et décisions 2001-IX, § 39), und vom 22. April 2004, Radovanovic/Österreich (Beschwerde-Nr. 42703/98, § 30). Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat seinerseits für die Europäische Union anerkannt, dass das Recht, mit seinen nahen Verwandten zu leben, für die Mitgliedstaaten Verpflichtungen mit sich bringt; dabei kann es sich um negative Verpflichtungen handeln, wenn ein Mitgliedstaat eine Person nicht ausweisen darf, oder um positive, wenn er verpflichtet ist, eine Person in sein Hoheitsgebiet einreisen und sich dort aufhalten zu lassen (Urteil vom 27. Juni 2006, Parlament/Rat, „Familienzusammenführung“, C‑540/03, Slg. 2006, I-5769, Randnr. 52).