Language of document : ECLI:EU:T:2019:650

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

20. September 2019(*)

„Öffentlicher Dienst – Beamte – Disziplinarverfahren – Mobbing – Disziplinarstrafe – Zurückstufung um eine Besoldungsgruppe und Zurücksetzung der Beförderungspunkte auf null – Ablehnung des Beistandsantrags der Klägerin – Modalitäten der Verwaltungsuntersuchung – Erfordernis der Unparteilichkeit – Anspruch auf rechtliches Gehör – Verfahrensfehler – Folgen des Verfahrensfehlers“

In der Rechtssache T‑47/18,

UZ, Beamtin des Europäischen Parlaments, Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt J.‑N. Louis,

Klägerin,

gegen

Europäisches Parlament, ursprünglich vertreten durch V. Montebello-Demogeot und Í. Ní Riagáin Düro, dann durch V. Montebello-Demogeot und I. Lázaro Betancor als Bevollmächtigte,

Beklagter,

wegen einer Klage gemäß Art. 270 AEUV zum einen auf Aufhebung der Entscheidung des Parlaments vom 27. Februar 2017, mit der gegen die Klägerin die Disziplinarstrafe der Zurückstufung von der Besoldungsgruppe AD 13, Dienstaltersstufe 3, in die Besoldungsgruppe AD 12, Dienstaltersstufe 3, unter Zurücksetzung der in der Besoldungsgruppe AD 13 erworbenen Verdienstpunkte auf null verhängt wurde, und zum anderen auf Aufhebung der Entscheidung, mit der ihr Antrag auf Beistand abgelehnt wurde,

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten D. Gratsias sowie der Richterin I. Labucka und des Richters I. Ulloa Rubio (Berichterstatter),

Kanzler: M. Marescaux, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und der mündlichen Verhandlung vom 9. April 2019

folgendes

Urteil

 Sachverhalt

1        Die Klägerin, UZ, hatte seit dem 1. Januar 2009 den Dienstposten einer Referatsleiterin im Europäischen Parlament inne. Sie war zuletzt in die Besoldungsgruppe AD 13, Dienstaltersstufe 3, eingestuft.

2        Am 24. Januar 2014 richteten 14 der 15 Mitglieder ihres Referats (im Folgenden: Beschwerdeführer) gemäß Art. 24 des Statuts der Beamten der Europäischen Union (im Folgenden: Statut) einen Antrag auf Beistand an den Generalsekretär des Parlaments, in dem sie sich auf Mobbing durch die Klägerin beriefen.

3        Mit Schreiben vom 17. Februar 2014 teilte der Generaldirektor der Generaldirektion Personal (im Folgenden: GD PERS) den Beschwerdeführern mit, dass vorläufige Maßnahmen erlassen worden seien. Insbesondere werde die Personalführung des betreffenden Referats auf eine andere Person übertragen und eine Verwaltungsuntersuchung eingeleitet.

4        Mit Schreiben vom 19. März 2014 teilte der Generalsekretär des Parlaments der Klägerin mit, dass eine Verwaltungsuntersuchung eingeleitet worden sei.

5        Die Klägerin wurde am 20. November 2014 vom Generaldirektor der GD PERS angehört.

6        Zwei Untersuchungsbeauftragte, von denen einer den anderen wegen Eintritts in den Ruhestand ersetzte, erstellten am 3. März und 17. November 2015 zwei Berichte. Die Klägerin wurde im Anschluss an diese Berichte am 17. Juni und am 2. Dezember 2015 vom Generaldirektor der GD PERS angehört.

7        Mit Schreiben vom 6. Januar 2016 wurde die Klägerin vom Generalsekretär des Parlaments darüber informiert, dass der Disziplinarrat wegen Verletzung der Dienstpflicht befasst werde.

8        Der Disziplinarrat hörte die Klägerin am 17. Februar, 9. März, 8. April und 26. Mai 2016 an.

9        Die Klägerin richtete am 25. Februar 2016 ein Schreiben an den Generaldirektor der GD PERS, der mit Schreiben vom 1. März 2016 antwortete.

10      Am 25. Juli 2016 gab der Disziplinarrat einstimmig seine Stellungnahme mit folgenden Schlussfolgerungen ab:

„28.      Nach alledem schlägt der Disziplinarrat der Anstellungsbehörde vor, für das gesamte Fehlverhalten von UZ eine Gesamtstrafe zu bilden, die in einer Zurückstufung um eine Besoldungsgruppe in derselben Funktionsgruppe besteht.

29.      Im Hinblick auf das schwerwiegende Fehlverhalten von [UZ] bei der Personalführung und in Anbetracht der Fürsorgepflicht des Organs gegenüber [UZ] und gegenüber anderen Personen, die von ihrem Verhalten betroffen sein könnten, ist der Disziplinarrat der Auffassung, dass die [Anstellungsbehörde] im Rahmen der Möglichkeiten des Statuts ernsthaft erwägen sollte, ihr im Generalsekretariat einen Dienstposten anderer Art zuzuweisen, jedenfalls, wie von ihr selbst beantragt, in einer anderen [Generaldirektion] als ….“.

11      Mit Schreiben vom 7. September 2016 übermittelte der Disziplinarrat der Klägerin seine Stellungnahme.

12      Mit Beschluss vom 20. September 2016 ermächtigte der Generalsekretär des Parlaments den Generaldirektor der GD PERS, ihn in der in Art. 22 des Anhangs IX des Statuts vorgesehenen Anhörung der Klägerin zu vertreten, und beauftragte ihn, ihm eventuelle Erklärungen der Klägerin zu der am 7. September 2016 übermittelten Stellungnahme des Disziplinarrats zuzuleiten.

13      Mit E‑Mail vom 4. Oktober 2016 forderte der Generaldirektor der GD PERS die Klägerin auf, am 20. Oktober 2016 gemäß Art. 22 Abs. 1 des Statuts zu einer Anhörung zu erscheinen, um Bemerkungen zur Stellungnahme des Disziplinarrats abgeben zu können.

14      Die Klägerin bestätigte am 6. Oktober 2016 den Erhalt dieser Aufforderung und übermittelte mit Schreiben vom 11. November 2016 Bemerkungen an den Generaldirektor der GD PERS.

15      Am 14. November 2016 wurde die Klägerin vom Generaldirektor der GD PERS angehört. In dieser Anhörung legte die Klägerin einen Vermerk vor und beantragte den Beistand des Parlaments wegen Drohungen, die von Mitgliedern ihres Referats ihr gegenüber geäußert worden sein sollen.

16      Mit Schreiben vom 30. November 2016 schlug der Generaldirektor der GD PERS einen vorübergehenden Wechsel der Klägerin in ein anderes Referat vor.

17      Mit E‑Mail vom 9. Januar 2017 stimmte die Klägerin diesem Wechsel zu.

18      Mit Entscheidung vom 27. Februar 2017 verhängte der Generalsekretär des Parlaments gegen die Klägerin die Disziplinarstrafe der Zurückstufung in derselben Funktionsgruppe von der Besoldungsgruppe AD 13, Dienstaltersstufe 3, in die Besoldungsgruppe AD 12, Dienstaltersstufe 3, unter Zurücksetzung der in der früheren Besoldungsgruppe AD 13 erworbenen Verdienstpunkte auf null (im Folgenden: Entscheidung über die Zurückstufung und die Zurücksetzung der Verdienstpunkte auf null).

19      Mit Schreiben vom 2. März 2017 informierte der Generalsekretär des Parlaments die Klägerin über die Entscheidung über die Zurückstufung und die Zurücksetzung der Verdienstpunkte auf null und schlug ihr eine Versetzung auf den Dienstposten eines Verwaltungsrats in einem anderen Referat vor.

20      Mit Schreiben vom 3. April 2017 übermittelte die Klägerin dem Generalsekretär des Parlaments Bemerkungen zu dem Vorschlag ihrer Versetzung in ein anderes Referat.

21      Mit Schreiben vom 9. Mai 2017 bestätigte der Generalsekretär des Parlaments den Empfang der Bemerkungen der Klägerin und teilte ihr die Entscheidung mit, sie in ein anderes Referat auf den Dienstposten eines „Verwaltungsdirektors“ zu versetzen.

22      Mit Schreiben vom 6. Juni 2017 reichte die Klägerin bei der Anstellungsbehörde des Parlaments Beschwerde gegen die Entscheidung über die Zurückstufung und die Zurücksetzung der Verdienstpunkte auf null ein.

23      Mit Schreiben vom 14. Juni 2017 reichte die Klägerin beim Generalsekretär des Parlaments Beschwerde gegen die implizite Ablehnung ihres Beistandsantrags ein.

24      Mit Schreiben vom 20. Juli 2017 lehnte der Generaldirektor der GD PERS den Beistandsantrag der Klägerin ab.

25      Mit Schreiben vom 6. Oktober 2017 wies der Präsident des Parlaments die von der Klägerin in den Schreiben vom 6. und 14. Juni 2017 eingereichten Beschwerden zurück.

26      Mit Schreiben vom 17. November 2017 fragte die Klägerin den Generalsekretär des Parlaments, ob die Verwaltung eine freie Stelle ermittelt habe, die ihrer Ausbildung, ihrer Berufserfahrung, ihren Fähigkeiten und ihren Wünschen entspreche.

27      Mit Schreiben vom 18. Januar 2018 antwortete der Generalsekretär des Parlaments, dass die Versetzung der Klägerin auf den Dienstposten eines „Verwaltungsdirektors“ in einem anderen Referat als dauerhaft anzusehen sei.

 Verfahren und Anträge der Parteien

28      Mit Schriftsatz, der am 29. Januar 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht worden ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Mit Schreiben, das am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht und durch ein Schreiben vom 5. Februar 2018 ergänzt worden ist, hat sie auf der Grundlage von Art. 66 der Verfahrensordnung des Gerichts einen Antrag auf Anonymität gestellt, dem das Gericht mit Beschluss vom 4. April 2018 stattgegeben hat. Am 23. April 2018 hat das Parlament seine Klagebeantwortung eingereicht.

29      Am 6. August 2018 hat die Klägerin ihre Erwiderung eingereicht, am 4. Oktober 2018 das Parlament seine Gegenerwiderung.

30      Mit einem mit Gründen versehenen Schriftsatz, der am 18. Oktober 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht worden ist, hat die Klägerin gemäß Art. 106 der Verfahrensordnung beantragt, in einer mündlichen Verhandlung gehört zu werden.

31      Auf Vorschlag des Berichterstatters hat das Gericht (Fünfte Kammer) beschlossen, das mündliche Verfahren einzuleiten, und hat im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 91 der Verfahrensordnung die Parteien zur Beantwortung bestimmter Fragen und das Parlament zur Vorlage mehrerer Unterlagen aufgefordert.

32      Am 18. März 2019 haben die Klägerin und das Parlament die Fragen beantwortet, und das Parlament hat die angeforderten Unterlagen vorgelegt.

33      Die Parteien haben in der Sitzung vom 9. April 2019 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

34      Im Rahmen einer neuen, in der mündlichen Verhandlung beschlossenen prozessleitenden Maßnahme hat das Gericht das Parlament aufgefordert, weitere Fragen schriftlich zu beantworten und weitere Unterlagen vorzulegen. Das Parlament hat am 16. April 2019 die Fragen beantwortet und die Unterlagen vorgelegt, und die Klägerin hat am 6. Mai 2019 Stellung genommen.

35      Die Klägerin beantragt,

–        die Entscheidung über die Zurückstufung und die Zurücksetzung der Verdienstpunkte auf null aufzuheben;

–        die Entscheidung über die Ablehnung ihres Beistandsantrags aufzuheben;

–        dem Parlament die Kosten aufzuerlegen.

36      Das Parlament beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Entscheidung über die Zurückstufung und die Zurücksetzung der Verdienstpunkte auf null

37      Die Klägerin stützt ihre Klage gegen die Entscheidung über die Zurückstufung und die Zurücksetzung der Verdienstpunkte auf null im Wesentlichen auf zwei Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund rügt sie die Fehlerhaftigkeit der Verwaltungsuntersuchung, mit dem zweiten Klagegrund die Fehlerhaftigkeit der Arbeiten des Disziplinarrats und die fehlende Anhörung durch die zuständige Behörde am Ende dieser Arbeiten.

 Zur Fehlerhaftigkeit der Verwaltungsuntersuchung

38      Das Recht der Europäischen Union verlangt, dass die Verwaltungsverfahren unter Beachtung der Garantien des Grundsatzes der guten Verwaltung gemäß Art. 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union durchgeführt werden. Zu diesen Garantien gehört die Verpflichtung des zuständigen Organs, alle relevanten Aspekte des konkreten Falles sorgfältig und unparteiisch zu prüfen. Das Recht einer jeden Person auf unparteiische Behandlung ihrer Angelegenheiten umfasst zum einen die subjektive Unparteilichkeit, wonach kein mit der Sache befasster Bediensteter des zuständigen Organs Voreingenommenheit oder persönliche Vorurteile an den Tag legen darf, und zum anderen die objektive Unparteilichkeit, wonach das betreffende Organ hinreichende Garantien bieten muss, um jeden Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit auszuschließen (vgl. Urteil vom 11. Juli 2013, Ziegler/Kommission, C‑439/11 P, EU:C:2013:513, Rn. 155 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39      Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen ist das Vorbringen der Klägerin zu prüfen, das sich im Wesentlichen darauf stützt, dass sie erstens von der zuständigen Behörde nicht angehört worden sei, dass zweitens mehrere Untersuchungsbeauftragte am Verwaltungsverfahren beteiligt gewesen seien, dass drittens die Untersuchungsbeauftragten nicht unparteilich gewesen seien, dass viertens das Verhalten der Beschwerdeführer nicht berücksichtigt worden sei und dass fünftens Zeugenaussagen, die sie entlasteten, nicht berücksichtigt worden seien.

40      Was das erste Argument betrifft, wonach die Klägerin von der zuständigen Anstellungsbehörde nicht angehört worden sei, hat sie in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie dieses Argument nicht aufrechthalte, was im Protokoll der mündlichen Verhandlung vermerkt worden ist.

41      Was das zweite Argument betrifft, wonach an der Verwaltungsuntersuchung mehrere Untersuchungsbeauftragte beteiligt gewesen seien, ergibt sich aus den Erläuterungen des Parlaments, dass diese Verwaltungsuntersuchung zwei Teile umfasste. Zwei Untersuchungsbeauftragte waren im Rahmen des „disziplinarrechtlichen“ Teils zuständig, der mehrere Dienstpflichtverletzungen der Klägerin mit Ausnahme des Mobbings betraf, und ein dritter Untersuchungsbeauftragter war im Rahmen des Teils „Mobbing“ zuständig.

42      Die Anhörung, die während der Verwaltungsuntersuchung auf Ersuchen der Anstellungsbehörde durchgeführt wird, soll es dieser ermöglichen, zu prüfen, ob gemäß Art. 12 des Anhangs IX des Statuts der Disziplinarrat zu befassen ist, und in diesem Fall den Bericht zu erstellen, in dem das beanstandete Verhalten und gegebenenfalls die Umstände, unter denen es stattfand, angegeben sind (vgl. entsprechend Urteil vom 19. März 1998, Tzoanos/Kommission, T‑74/96, EU:T:1998:58, Rn. 340).

43      Insoweit verfügt die mit einer Verwaltungsuntersuchung betraute Behörde, wie sich aus der Rechtsprechung ergibt, über einen großen Ermessensspielraum bei der Durchführung der Untersuchung (Urteile vom 11. Juli 2013, Tzirani/Kommission, F‑46/11, EU:F:2013:115, Rn. 124, und vom 18. September 2014, CV/CESE, F‑54/13, EU:F:2014:216, Rn. 43, vgl. auch in diesem Sinne Urteil vom 16. Mai 2012, Skareby/Kommission, F‑42/10, EU:F:2012:64, Rn. 38).

44      Da die Klägerin nicht darlegt, wie die Beteiligung mehrerer Untersuchungsbeauftragter an der Verwaltungsuntersuchung ihre Rechte beeinträchtigt haben soll, ist dieses zweite Argument zurückzuweisen.

45      Zum dritten Argument, fehlende Unparteilichkeit der Untersuchungsbeauftragten, trägt die Klägerin u. a. vor, dass zum einen einer der beiden für den „disziplinarrechtlichen“ Teil zuständigen Untersuchungsbeauftragten, noch bevor irgendein Verfahren gegen sie eingeleitet worden sei, als Beistand eines der Beschwerdeführer tätig gewesen sei. Infolgedessen habe dieser Untersuchungsbeauftragte nicht mehr die notwendige Unabhängigkeit und Unparteilichkeit besessen, um an der Verwaltungsuntersuchung teilzunehmen. Dies habe zu einer Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerin geführt. Zum anderen habe der für den Teil „Mobbing“ zuständige Untersuchungsbeauftragte eine unrichtige Angabe gemacht, indem er einem der Beschwerdeführer bei dessen Anhörung erklärt habe, dass er gerade erst über den betreffenden Fall informiert worden sei, obwohl er bereits seit dem Beistandsantrag der Beschwerdeführer konsultiert worden sei. Er hätte niemals die Rolle des Untersuchungsbeauftragten für die Mobbingvorwürfe annehmen dürfen, da seine Ansichten zwangsläufig von den Zeugenaussagen in der Untersuchung nach Art. 24 des Beamtenstatuts beeinflusst gewesen seien.

46      Das Parlament trägt in Bezug auf den einen der beiden für den „disziplinarrechtlichen“ Teil zuständigen Untersuchungsbeauftragten vor, dass der Generalsekretär die Klägerin bereits darüber informiert habe, dass der Gegenstand des fraglichen Treffens hauptsächlich darin bestanden habe, die Modalitäten eines Antrags auf Elternurlaub zu erörtern, und dass das Mitglied der GD PERS, das dieser Beschwerdeführer getroffen habe, zum Zeitpunkt des Gesprächs noch nicht gewusst habe, dass es als Untersuchungsbeauftragter ernannt werden würde. Außerdem seien keine Angaben zu diesem Fall gemacht worden. Was den für den Teil „Mobbing“ zuständigen Untersuchungsbeauftragten betrifft, hat das Parlament in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass dieser Untersuchungsbeauftragte der Vorsitzende des Beratenden Ausschusses „Mobbing und Mobbing-Prävention am Arbeitsplatz“ sei und dass er in dieser Eigenschaft Kenntnis von dem vorliegenden Fall erlangt habe, ohne dass insoweit auf einen Interessenkonflikt zu schließen sei.

47      Was die fehlende Unparteilichkeit eines der Untersuchungsbeauftragten des „disziplinarrechtlichen“ Teils betrifft, geht aus der Antwort der Klägerin auf die prozessleitende Maßnahme hervor, dass einer der Beschwerdeführer bei seiner Anhörung am 26. Mai 2016 angegeben hat, dass er diesen Untersuchungsbeauftragten bereits vor Beginn der Verwaltungsuntersuchung gegen die Klägerin getroffen habe. Nach der Aussage dieses Beschwerdeführers war er nach Luxemburg (Luxemburg) gereist, um sich über eine eventuelle Untersuchung des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) gegen ihn zu erkundigen, da ihm Kollegen erklärt hätten, dass der Ehemann der Klägerin ihn auf ihre Initiative bei dieser Institution wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit einem Elternurlaub „aus Rache“ angezeigt habe, „weil der betreffende Kollege ihre Arbeit sabotiert [habe]“.

48      Das Parlament bestreitet nicht, dass es vor der Einleitung der Verwaltungsuntersuchung dieses Treffen zwischen einem der Beschwerdeführer und einem zukünftigen Untersuchungsbeauftragten gegeben hat, trägt aber vor, dass erstens dieser bei dem Treffen keine Angaben zu dem betreffenden Fall gemacht habe und dass zweitens das Mitglied der GD PERS nicht habe wissen können, dass es zum Untersuchungsbeauftragten ernannt werde.

49      Was das erste Argument des Parlaments betrifft, gibt es laut seiner Antwort im Rahmen der prozessleitenden Maßnahme keinerlei Unterlagen zum Inhalt des Gesprächs zwischen dem einen Beschwerdeführer und dem Mitglied der GD PERS.

50      Was das zweite Argument des Parlaments betrifft, erfordert die objektive Unparteilichkeit, wie bereits ausgeführt, jedenfalls, dass das Organ hinreichende Garantien bietet, um jeden Zweifel auszuschließen (siehe oben, Rn. 38).

51      Im vorliegenden Fall geht aus der Zeugenaussage eines der Beschwerdeführer (siehe oben, Rn. 47) hervor, dass ein Mitglied der GD PERS ihn vor der Einleitung der Untersuchung getroffen hatte und dass er dem später zum Untersuchungsbeauftragten ernannten Mitglied bei diesem Treffen berichtet hatte, dass er von der Klägerin, genauer über ihren Mann, „aus Rache“ wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten bei OLAF angezeigt worden sei.

52      Eine solche Aussage kann einen berechtigten Zweifel der Klägerin an der Unparteilichkeit des Untersuchungsbeauftragten aufkommen lassen, der von der besonderen Bösartigkeit ihres angeblichen Verhaltens, wie es ihm berichtet worden war, hätte beeinflusst werden können.

53      Darüber hinaus hat die Klägerin diese fehlende Unparteilichkeit in ihrem dem Parlament bei ihrer Anhörung vom 14. November 2016 vorgelegten Vermerk (siehe oben, Rn. 15) beanstandet.

54      In diesem Zusammenhang gibt es keinen Hinweis darauf, dass es für das Parlament schwierig gewesen wäre, unter seinen Beamten eine Person auszuwählen, die keine Vorkenntnisse über den Sachverhalt hatte und somit keine berechtigten Zweifel bei der Klägerin hätte aufkommen lassen.

55      Somit ist festzustellen, dass das Parlament keinen Untersuchungsbeauftragten hätte benennen dürfen, der sich vor Beginn der Untersuchung mit einem der Beschwerdeführer getroffen hatte.

56      Diese Feststellung kann nicht durch den Hinweis des Parlaments in der mündlichen Verhandlung in Frage gestellt werden, dass OLAF diesbezüglich keine Untersuchung eingeleitet habe.

57      Hinsichtlich der behaupteten fehlenden Unparteilichkeit des Untersuchungsbeauftragten für den Teil „Mobbing“ ergibt sich aus den Erläuterungen des Parlaments in der mündlichen Verhandlung, dass dieser vor seiner Ernennung zum Untersuchungsbeauftragten für den Bereich „Mobbing“ im Rahmen der Verwaltungsuntersuchung gemäß Art. 86 Abs. 2 des Statuts Vorsitzender des Beratenden Ausschusses für Mobbing und Mobbing-Prävention am Arbeitsplatz war, der auf den Beistandsantrag der Beschwerdeführer gemäß Art. 24 des Statuts hin zu dem Ergebnis kam, dass die Leitung des Referats der Klägerin einer anderen Person übertragen werden sollte.

58      Zum Ergebnis des Beratenden Ausschusses für Mobbing und Mobbing-Prävention am Arbeitsplatz ist daher festzustellen, dass der Untersuchungsbeauftragte, als er als solcher für den Teil „Mobbing“ ernannt wurde, bereits eine negative Meinung über die Klägerin haben konnte. Dieser Umstand kann die objektive Unparteilichkeit der Untersuchungsbeauftragten in Frage stellen.

59      Daher ist der Schluss zu ziehen, dass das Parlament im Rahmen der Verwaltungsuntersuchung sowohl wegen der Ernennung eines Mitglieds der GD PERS, das bereits einen der Beschwerdeführer getroffen hatte, als auch wegen der Ernennung des Vorsitzenden des Beratenden Ausschusses für Mobbing und Mobbing-Prävention am Arbeitsplatz, der die Entscheidung getroffen hatte, die Klägerin zu entfernen, keine hinreichenden Garantien geboten hat, um im Sinne der oben in Rn. 38 angeführten Rechtsprechung jeden Zweifel auszuschließen.

60      Nach ständiger Rechtsprechung kann jedoch ein Verfahrensfehler nur dann die Aufhebung einer Maßnahme rechtfertigen, wenn das Verfahren ohne diesen Fehler zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (vgl. Urteil vom 14. Februar 2017, Kerstens/Kommission, T‑270/16 P, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:74, Rn. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung).

61      Im Rahmen dieser Prüfung sind sämtliche Umstände des Falles und insbesondere die Art der Rügen und der Umfang der Verfahrensfehler zu berücksichtigen, die hinsichtlich der Garantien, die der Beamte in Anspruch nehmen konnte, begangen wurden (vgl. Urteil vom 15. April 2015, Pipiliagkas/Kommission, F‑96/13, EU:F:2015:29, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

62      Das Disziplinarverfahren nach Anhang IX des Statuts sieht zwei verschiedene Abschnitte vor. Im ersten Abschnitt wird eine unparteiische Verwaltungsuntersuchung durchgeführt (siehe oben, Rn. 38), die durch eine Entscheidung der Anstellungsbehörde eingeleitet wird, an die sich die Erstellung eines Untersuchungsberichts anschließt, und die, nachdem der Betreffende zu dem ihm zur Last gelegten Sachverhalt gehört wurde, mit aus diesem Bericht gezogenen Schlussfolgerungen beendet wird. Der zweite Abschnitt ist das eigentliche Disziplinarverfahren, das von der Anstellungsbehörde auf der Grundlage des Untersuchungsberichts eingeleitet wird. In diesem Abschnitt wird entweder ein Disziplinarverfahren ohne Befassung des Disziplinarrats eingeleitet, oder dieser wird auf der Grundlage eines Berichts befasst, den die Anstellungsbehörde entsprechend den Schlussfolgerungen der Untersuchung und der diesbezüglichen Stellungnahme der betreffenden Person erstellt hat.

63      Daraus folgt, dass die Verwaltungsuntersuchung die Ausübung des Ermessens der Anstellungsbehörde hinsichtlich des weiteren Vorgehens bestimmt und dass dieses Vorgehen letztlich zur Verhängung einer Disziplinarstrafe führen kann. Die Anstellungsbehörde beurteilt nämlich auf der Grundlage dieser Untersuchung und der Anhörung des betreffenden Bediensteten erstens, ob ein Disziplinarverfahren einzuleiten ist, zweitens, ob dabei gegebenenfalls der Disziplinarrat zu befassen ist und drittens, wenn das Verfahren vor dem Disziplinarrat eingeleitet wird, mit welchem Sachverhalt dieser befasst wird.

64      Da es sich bei der Befugnis der Anstellungsbehörde um keine gebundene handelt, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Verwaltungsuntersuchung, wäre sie sorgfältig und unparteilich durchgeführt worden, zu einer anderen anfänglichen Bewertung des Sachverhalts und somit zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (Urteil vom 14. Februar 2017, Kerstens/Kommission, T‑270/16 P, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:74, Rn. 82).

65      Nach alledem ist dem Antrag der Klägerin auf Aufhebung der Entscheidung über die Zurückstufung und die Zurücksetzung der Verdienstpunkte auf null stattzugeben, ohne dass das weitere Vorbringen der Klägerin geprüft zu werden braucht.

66      Aus Gründen der geordneten Rechtspflege hält es das Gericht jedoch für sinnvoll, den zweiten Klagegrund zu prüfen, mit dem die Fehlerhaftigkeit der Arbeiten des Disziplinarrats und die fehlende Anhörung der Klägerin durch die zuständige Behörde am Ende der Arbeiten des Disziplinarrats geltend gemacht werden.

 Zur Fehlerhaftigkeit der Arbeiten des Disziplinarrats und zur fehlenden Anhörung durch die zuständige Behörde am Ende dieser Arbeiten

67      Zur Stützung des zweiten Klagegrundes macht die Klägerin zum einen geltend, dass die Arbeiten des Disziplinarrats nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden seien, und zum anderen, dass sie am Ende dieser Arbeiten nicht von der zuständigen Behörde angehört worden sei.

68      Was erstens die behauptete Fehlerhaftigkeit der Arbeiten des Disziplinarrats anbelangt, macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass zum einen das Parlament in einer der sechs Sitzungen des Disziplinarrats durch zwei Mitglieder vertreten gewesen sei und dass sie und ihr Anwalt am Ende dieser Sitzung aufgefordert worden seien, den Raum am Ende ihrer Anhörung zu verlassen, während die beiden Vertreter des Parlaments mit den Mitgliedern des Disziplinarrats zur Beratung geblieben seien. Daraus ergebe sich ein Verstoß gegen Art. 16 Abs. 2 des Anhangs IX des Statuts. Was zum anderen die übrigen Sitzungen betreffe, seien nicht alle Mitglieder des Disziplinarrats anwesend gewesen, obwohl sie alle an der Beratung und der Annahme der Stellungnahme des Disziplinarrats beteiligt gewesen seien. Dies sei eine Verletzung der Verteidigungsrechte, da das Parlament nicht geltend machen könne, dass, wenn alle Mitglieder des Disziplinarrats an allen Sitzungen teilgenommen hätten, die Stellungnahme des Disziplinarrats dieselbe gewesen wäre.

69      Das Parlament trägt vor, die Anwesenheit von zwei seiner Vertreter bei einer der Sitzungen des Disziplinarrats erkläre sich dadurch, dass die Verwaltungsuntersuchung, wie im ersten Klagegrund erwähnt (siehe oben, Rn. 41), aus zwei Teilen bestanden habe, nämlich einem „disziplinarrechtlichen“ Teil und einem „Mobbing“-Teil. Die Beteiligung verschiedener Untersuchungsbeauftragter an diesen beiden Teilen rechtfertige die Anwesenheit dieser beiden Beamten vor dem Disziplinarrat. Was die Tatsache betrifft, dass nicht alle Mitglieder des Disziplinarrats an allen Sitzungen teilnahmen, erklärt das Parlament, dass, da sich der Disziplinarrat aus ordentlichen und stellvertretenden Mitgliedern zusammensetze, jeder am Ende des Befassungs- und Untersuchungsverfahrens wirksam habe beraten und die Stellungnahme des Disziplinarrats annehmen können.

70      Hinsichtlich des Umstands, dass das Parlament in einer der sechs Sitzungen des Disziplinarrats durch zwei Mitglieder vertreten war, ist zu betonen, dass die für eine Verwaltungsuntersuchung zuständige Behörde zwar über einen großen Ermessensspielraum bei der Durchführung der Untersuchung verfügt (vgl. oben, Rn. 42), das Verfahren vor dem Disziplinarrat jedoch in Anhang IX des Statuts streng geregelt ist.

71      So bestimmt Art. 16 Abs. 2 des Anhangs IX des Statuts ausdrücklich, dass das betreffende Organ vor dem Disziplinarrat durch einen von der Anstellungsbehörde dazu beauftragten Beamten vertreten ist und den Rechten des betreffenden Beamten entsprechende Rechte hat.

72      Im vorliegenden Fall durfte das Parlament daher nicht bei einer seiner sechs Sitzungen durch zwei Beamte vertreten sein. Die Klägerin, deren Interessen ein einziger Vertreter verteidigte, befand sich so nämlich in einer grundsätzlich nachteiligen Situation. Darüber hinaus hätten die Vertreter des Parlaments nicht im Sitzungsraum bleiben dürfen, um mit den Mitgliedern des Disziplinarrats zu beraten, während die Klägerin und ihr Anwalt aufgefordert wurden, diesen Raum zu verlassen. Das fragliche Verfahren ist somit auch in diesem Punkt mit einem Verfahrensfehler behaftet.

73      Was den Umstand betrifft, dass nicht alle Mitglieder des Disziplinarrats an allen Sitzungen teilgenommen haben, sondern dass gelegentlich Mitglieder durch Stellvertreter ersetzt wurden, genügt es, darauf hinzuweisen, dass Art. 5 des Anhangs IX des Statuts die Benennung von stellvertretenden Mitgliedern vorsieht.

74      In diesem Zusammenhang ist zu unterstreichen, dass aus den Akten hervorgeht, dass den letzten Beratungen des Disziplinarrats die Aufzeichnungen und Abschriften der Aussagen aller gehörten Zeugen, nämlich der vier von den Beschwerdeführern benannten Zeugen und der vier von der Klägerin benannten Zeugen, zugrunde lagen.

75      Das Vorbringen der Klägerin, dass nicht alle Mitglieder des Disziplinarrats an allen Sitzungen teilgenommen hätten, ist daher zurückzuweisen.

76      Was zweitens die fehlende Anhörung durch die zuständige Behörde im Anschluss an die Stellungnahme des Disziplinarrats betrifft, trägt die Klägerin insbesondere vor, dass nur der Generalsekretär des Parlaments berechtigt sei, einen Beamten anzuhören, bevor er beschließe, gegen ihn eine Disziplinarstrafe zu verhängen. Eine solche Anhörung habe jedoch nicht stattgefunden.

77      Das Parlament trägt vor, dass nach dem Beschluss des Präsidiums des Parlaments vom 13. Januar 2014 der Generalsekretär die zuständige Anstellungsbehörde im Sinne von Art. 22 des Anhangs IX sei, um den Beamten im Anschluss an die Stellungnahme des Disziplinarrats anzuhören, bevor er eine Disziplinarmaßnahme wie eine Zurückstufung in der Besoldungsgruppe erlasse. Das Parlament erklärt, dass im vorliegenden Fall der Generaldirektor der GD PERS auf der Grundlage einer Beauftragung durch den Generalsekretär die Klägerin in Begleitung ihres Anwalts angehört habe. Darüber hinaus habe die Klägerin zwei Monate Zeit gehabt, um das Protokoll dieser Anhörung zu ergänzen und so schriftlich Bemerkungen abzugeben. Ferner wäre dieselbe Strafe auch dann verhängt worden, wenn das Gespräch in Anwesenheit des Generalsekretärs und nicht des Generaldirektors der GD PERS stattgefunden hätte, da dem Generalsekretär die gesamte Akte vorgelegen habe, d. h. die Ergebnisse des Gesprächs mit der Klägerin und ihrem Anwalt und die Hinzufügung ihrer Bemerkungen.

78      In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof stets die Bedeutung des Rechts auf Anhörung und seinen sehr weiten Geltungsumfang in der Unionsrechtsordnung bekräftigt hat, indem er dargelegt hat, dass dieses Recht in allen Verfahren gelten muss, die zu einer beschwerenden Maßnahme führen können, (vgl. Urteil vom 22. November 2012, M., C‑277/11, EU:C:2012:744, Rn. 85 und die dort angeführte Rechtsprechung).

79      Das Recht auf Anhörung garantiert jeder Person die Möglichkeit, im Verwaltungsverfahren, bevor ihr gegenüber eine für ihre Interessen nachteilige Entscheidung erlassen wird, sachdienlich und wirksam ihren Standpunkt vorzutragen (vgl. Urteil vom 22. November 2012, M., C‑277/11, EU:C:2012:744, Rn. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung).

80      Zur Gewährleistung eines wirksamen Schutzes der betroffenen Person soll der Anspruch auf rechtliches Gehör dieser insbesondere ermöglichen, einen Fehler zu berichtigen oder individuelle Umstände vorzutragen, die für oder gegen den Erlass oder für oder gegen einen bestimmten Inhalt der Entscheidung sprechen (Urteil vom 11. Dezember 2014, Boudjlida, C‑249/13, EU:C:2014:2431, Rn. 37).

81      Das Recht auf Anhörung setzt auch voraus, dass die Verwaltung mit aller gebotenen Sorgfalt die entsprechenden Erklärungen der betroffenen Person zur Kenntnis nimmt, indem sie sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls untersucht (vgl. Urteil vom 22. November 2012, M., C‑277/11, EU:C:2012:744, Rn. 88 und die dort angeführte Rechtsprechung).

82      Der Anspruch auf rechtliches Gehör soll es der nationalen Behörde damit ermöglichen, das Verfahren so durchzuführen, dass sie in Kenntnis aller Umstände entscheiden und ihre Entscheidung angemessen begründen kann, damit der Betroffene gegebenenfalls von seinem Recht, einen Rechtsbehelf einzulegen, wirksam Gebrauch machen kann (vgl. entsprechend Urteil vom 11. Dezember 2014, Boudjlida, C‑249/13, EU:C:2014:2431, Rn. 59).

83      Schließlich ist die Frage, ob eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vorliegt, u. a. anhand der Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet zu prüfen (siehe Urteil vom 9. Februar 2017, M., C‑560/14, EU:C:2017:101, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

84      Art. 22 Abs. 1 des Anhangs IX des Statuts sieht in diesem Zusammenhang vor, dass die Anstellungsbehörde ihre Entscheidung unter Angabe der Gründe nach Anhörung des betreffenden Beamten innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Stellungnahme des Disziplinarrats trifft.

85      Wie das Parlament selbst vorträgt, sieht der Beschluss seines Präsidiums vom 13. Januar 2014 vor, dass der Generalsekretär die zuständige Anstellungsbehörde im Sinne von Art. 22 des Anhangs IX des Statuts ist, um den Beamten nach der Stellungnahme des Disziplinarrats vor der Verhängung einer Disziplinarstrafe wie einer Zurückstufung in der Besoldungsgruppe anzuhören („Tabelle VI – Disziplin“ dieses Beschlusses).

86      Der Gerichtshof hat jedoch bereits festgestellt, dass die damals in Kraft gewesene, Art. 22 des Anhangs IX des Statuts entsprechende Bestimmung wegen der Schwere der Strafen, zu denen das in Anhang IX des Statuts geregelte Verfahren führen kann, und unter Berücksichtigung des Wortlauts eine zwingende Vorschrift und dahin auszulegen ist, dass die Anstellungsbehörde selbst den Beamten zu hören hat. Nur unter Beachtung dieses Grundsatzes und unter Bedingungen, die die Rechte der Betroffenen wahren, könnte die Anstellungsbehörde allenfalls aus dienstlichen Gründen die Anhörung des Beamten einem oder mehreren ihrer Mitglieder übertragen (Urteil vom 11. Juli 1968, Van Eick/Kommission, 35/67, EU:C:1968:39, S. 512 und 513).

87      Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass die Anstellungsbehörde die Aufgabe, die betroffene Person anzuhören, in einem Fall wie dem vorliegenden nur einem oder mehreren ihrer eigenen Mitglieder übertragen kann, und zwar nur aus dienstlichen Gründen. Dies ist im vorliegenden Fall jedoch offensichtlich nicht möglich, da die Anstellungsbehörde nicht aus mehreren Mitgliedern besteht.

88      Jedenfalls ist zu betonen, dass sich das Parlament nie auf dienstliche Gründe berufen hat, um zu rechtfertigen, dass die Klägerin nicht vom Generalsekretär, sondern vom Generaldirektor der GD PERS angehört wurde.

89      Somit ist die Entscheidung über die Zurückstufung und die Zurücksetzung der Verdienstpunkte auf null unter Verstoß gegen die in Art. 22 Abs. 1 des Anhangs IX des Statuts genannten Bedingung getroffen worden.

90      Das Vorbringen des Parlaments kann diese Feststellung nicht in Frage stellen.

91      Das Parlament trägt erstens vor, dass in der jüngeren Unionsrechtsprechung der Anspruch auf rechtliches Gehör als beachtet betrachtet worden sei, wenn der Betroffene die Möglichkeit erhalten habe, seinen Standpunkt vor einer ihn beschwerenden Entscheidung mündlich oder schriftlich mitzuteilen.

92      Keines der vom Parlament in seinen Antworten vom 16. April 2019 genannten Urteile betraf jedoch ein Disziplinarverfahren nach Anhang IX des Statuts, das zu Strafen führen kann, auf deren Schwere der Gerichtshof hingewiesen hat. Dieses Vorbringen ist daher zurückzuweisen.

93      Selbst wenn man es für die Beachtung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör als ausreichend betrachten würde, dass diese schriftlich Bemerkungen abgab, ergibt sich jedenfalls aus dem Urteil vom 11. Juli 1968, Van Eick/Kommission (35/67, EU:C:1968:39), dass diese Bemerkungen unmittelbar der Anstellungsbehörde hätten vorgelegt werden müssen, damit sie sich ein eigenes Urteil über das Vorbringen der Klägerin bilden konnte, bevor sie in Kenntnis der Sachlage ihre Entscheidung traf. Insoweit genügt es nicht, dass dem Generalsekretär des Parlaments, bevor er seine Entscheidung traf, das Protokoll der Anhörung der Klägerin oder ihre Bemerkungen zur Stellungnahme des Disziplinarrats zur Verfügung standen.

94      Zweitens trägt das Parlament vor, dass der Wortlaut der damals geltenden Bestimmung, nämlich Art. 7 Abs. 3 des Anhangs IX des Statuts, eine engere Auslegung gebiete, da es darin heiße, dass „[die] Anstellungsbehörde … den Beamten vorher zu hören [hat]“. Dieses Vorbringen ist jedoch ebenfalls zurückzuweisen, da der Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 des Anhangs IX des Statuts keine Möglichkeit einer weniger strengen Auslegung zulässt, da es darin heißt, dass „die Anstellungsbehörde nach Anhörung des Beamten eine Verfügung [erlässt]“.

95      Drittens trägt das Parlament vor, dass das Statut in der zum Zeitpunkt des Urteils vom 11. Juli 1968, Van Eick/Kommission (35/67, EU:C:1968:39), geltenden Fassung keine Bestimmung wie Art. 4 des Anhangs IX des Statuts enthalten habe, die es dem betreffenden Beamten ausdrücklich erlaube, schriftliche Bemerkungen darzulegen.

96      Gemäß Art. 4 des Anhangs IX des Statuts kann der betreffende Beamte jedoch aufgefordert werden, seine Bemerkungen schriftlich darzulegen, wenn er „aus objektiven Gründen“ nicht gehört werden kann. Im vorliegenden Fall hat das Parlament keine solchen objektiven Gründe geltend gemacht. Dieses Vorbringen ist daher zurückzuweisen.

97      In seinen Antworten vom 16. April 2019 beruft sich das Parlament auf Urteile, in denen der Unionsrichter die Einreichung schriftlicher Bemerkungen zugelassen habe. Jedoch betraf keine der Rechtssachen, in denen diese Urteile ergangen sind, ein Disziplinarverfahren nach Anhang IX des Statuts.

98      Das Parlament macht viertens geltend, dass die vorliegende Rechtssache einen wesentlich weniger schwerwiegenden Fall betreffe als die Rechtssache, in der das Urteil vom 11. Juli 1968, Van Eick/Kommission (35/67, EU:C:1968:39), ergangen sei und die die Entfernung eines Beamten aus dem Dienst betroffen habe, da es hier nur um die Zurückstufung um eine Besoldungsgruppe unter Beibehaltung der Dienstaltersstufe 3 gehe. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin sei es immer noch möglich, dass sie in eine Leitungsposition befördert werde.

99      Hierzu ist festzustellen, dass die Rechtssache, in der das Urteil vom 11. Juli 1968, Van Eick/Kommission (35/67, EU:C:1968:39), ergangen ist, nicht auf den Fall einer Entfernung aus dem Dienst als Strafe beschränkt ist, sondern sich wegen der schwerwiegenden Folgen, die ein Disziplinarverfahren für die betreffende Person haben könnte, ganz allgemein auf jedes Disziplinarverfahren bezieht. Es kann aber nicht bestritten werden, dass die Zurückstufung von einer leitenden Position der Besoldungsgruppe AD 13 auf den Dienstposten eines Verwaltungsrats der Besoldungsgruppe AD 12 eine schwerwiegende Strafe ist, da sie zum Verlust einer leitenden Position führt. Weiter ist anzunehmen, dass die Chancen, nach dem Verlust einer solchen Position in der Folge eines Disziplinarverfahrens erneut eine leitende Position zu finden, äußerst gering sind. Auch dieses Vorbringen ist daher zurückzuweisen.

100    Fünftens schließlich ist das Parlament der Auffassung, dass die Umstände der Rechtssache, in der das Urteil vom 11. Juli 1968, 35/67, Van Eick/Kommission (EU:C:1968:39), ergangen sei, anders gewesen seien, da in diesem Fall vor der Entfernung aus dem Dienst keine Anhörung stattgefunden habe, während im vorliegenden Fall die Klägerin auf der Grundlage einer Übertragung der Befugnis vom Generalsekretär des Parlaments auf den Generaldirektor der GD PERS gehört worden sei, ihre schriftlichen Bemerkungen habe übermitteln können und von ihrem Anwalt begleitet und vertreten worden sei.

101    Insoweit ist festzustellen, dass die Argumentation, der der Gerichtshof in seinem Urteil vom 11. Juli 1968, 35/67, Van Eick/Kommission (EU:C:1968:39), gefolgt ist, sich darauf stützte, dass der Auftrag der Anstellungsbehörde an den Generaldirektor der Verwaltung, den Betroffenen anzuhören, gegen die in diesem Fall einschlägigen Vorschriften des Statuts verstieß. Dem genannten Urteil ist nicht zu entnehmen, dass der Gerichtshof den vom Parlament geltend gemachten Umstand berücksichtigt hat. Dieses letztgenannte Argument ist deshalb zurückzuweisen.

102    Somit ist auch dem Klagegrund der Klägerin, mit dem sie die fehlende Anhörung durch die zuständige Behörde am Ende der Arbeiten des Disziplinarrats rügt, stattzugeben.

 Zur Entscheidung, den Beistandsantrag abzulehnen

103    Die Klägerin trägt vor, dass sie in ihrer Anhörung am 14. November 2016 durch den Generaldirektor der GD PERS wegen konkreter und schwerwiegender Drohungen der Beschwerdeführer gegen sie einen formellen Antrag auf Beistand des Parlaments gestellt habe. Es sei unstreitig, dass der Generaldirektor der GD PERS zweimal in Kontakt mit dem Anwalt der Klägerin getreten sei, weil bestimmte Beschwerdeführer gegen sie Drohungen ausgesprochen hätten. Ebenso unbestritten sei, dass der Generaldirektor der GD PERS den Anwalt der Klägerin gebeten habe, bei ihr dafür einzutreten, dass sie auf ihre Teilnahme an zwei öffentlichen Veranstaltungen verzichte, bei denen ihr Name im Programm der Referenten gestanden habe. In seinem Schreiben vom 30. November 2016, in dem er vorgeschlagen habe, die Klägerin in ihrem Interesse und zur Gewährleistung ihres Schutzes vorübergehend zu versetzen, habe der Generaldirektor der GD PERS anerkannt, dass die Schwere der Bedrohungen den Erlass von Schutzmaßnahmen zu ihren Gunsten erfordere. Schließlich sei die Anstellungsbehörde gemäß Art. 41 der Charta der Grundrechte verpflichtet gewesen, die Klägerin anzuhören, bevor sie ihren Antrag auf Beistand abgelehnt habe.

104    Das Parlament macht geltend, dass die Anstellungsbehörde nach der Rechtsprechung nicht verpflichtet sei, einem Beamten Beistand zu leisten, gegen den aufgrund genauer und relevanter Informationen der Verdacht bestehe, dass er einen schweren Verstoß gegen seine Dienstpflichten begangen habe, für den er disziplinarrechtlich verfolgt werden könne. Darüber hinaus habe die für den Beistand gemäß Art. 24 des Statuts zuständige Anstellungsbehörde im vorliegenden Fall konkrete Maßnahmen beschlossen, um die Klägerin in verschiedenen Situationen zu schützen, indem sie ihr empfohlen habe, jeglichen Kontakt mit ihren Kollegen zu vermeiden, und indem sie sie vorübergehend in ein anderes Referat umgesetzt habe.

105    In ihrer Erwiderung fügt die Klägerin hinzu, dass sie diese vorübergehende Umsetzung nur wegen der ernsthaften Drohungen einiger Beschwerdeführer gegen sie akzeptiert habe. Die Einleitung eines Disziplinarverfahrens könne als solche nicht rechtfertigen, dass die Antragsteller nicht als vorwerfbarer Handlungen ihr gegenüber schuldig betrachtet würden.

106    Es ist daran zu erinnern, dass die Anstellungsbehörde, wenn sie nach Art. 90 Abs. 1 des Statuts einen Antrag auf Beistand im Sinne von Art. 24 des Statuts erhält, aufgrund der Beistandspflicht und wenn ein Vorfall vorliegt, der mit der Ordnung und Ausgeglichenheit des Dienstes unvereinbar ist, mit der gesamten Energie, die notwendig ist, eingreifen und mit der nach den Umständen des Falles erforderlichen Schnelligkeit und Fürsorge reagieren muss, um den Sachverhalt festzustellen und in Kenntnis der Sachlage angemessene Schlussfolgerungen zu ziehen. Dazu genügt es, dass der Beamte oder Bedienstete, der sein Beschäftigungsorgan um Beistand ersucht, einen Anfangsbeweis dafür erbringt, dass die Angriffe, denen er ausgesetzt zu sein behauptet, wirklich stattgefunden haben. Liegen solche Anhaltspunkte vor, hat das befasste Organ die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, insbesondere eine Verwaltungsuntersuchung durchzuführen, um die dem Antrag auf Beistand zugrunde liegenden Tatsachen in Zusammenarbeit mit der Person, die den Antrag auf Beistand gestellt hat, festzustellen (Urteile vom 26. Januar 1989, Koutchoumoff/Kommission, 224/87, EU:C:1989:38, Rn. 15 und 16, vom 12. Juli 2011, Kommission/Q, T‑80/09 P, EU:T:2011:347, Rn. 84, und vom 24. April 2017, HF/Parlament, T‑570/16, EU:T:2017:283, Rn. 46).

107    Die Verwaltung kann jedoch nicht verpflichtet sein, einem Beamten Beistand zu leisten, gegen den aufgrund genauer und relevanter Informationen der Verdacht besteht, dass er einen schweren Verstoß gegen seine Dienstpflichten begangen hat, für den er disziplinarrechtlich verfolgt werden kann, selbst wenn ein solcher Verstoß durch rechtswidrige Handlungen Dritter begünstigt worden sein sollte (Urteil vom 23. November 2010, Wenig/Kommission, F‑75/09, EU:F:2010:150, Rn. 49).

108    Entsprechend teilte der Generaldirektor der GD PERS der Klägerin im vorliegenden Fall mit Schreiben vom 20. Juli 2017 mit, dass die Verwaltung nicht verpflichtet sei, einem Beamten Beistand zu leisten, gegen den der Verdacht bestehe, er habe einen schweren Verstoß gegen seine Dienstpflichten begangen.

109    Insoweit genügt es, festzustellen, dass gegen die Klägerin zu dem Zeitpunkt, zu dem sie den Beistandsantrag stellte, bereits eine Verwaltungsuntersuchung wegen eines Sachverhalts eingeleitet worden war, der im Fall des Nachweises disziplinarrechtlich verfolgt werden konnte. Jedenfalls geht aus den Akten hervor, dass bei dieser Untersuchung genaue und relevante Informationen gewonnen wurden, die dem Parlament erlaubten, die Klägerin eines schweren Verstoßes gegen ihre Dienstpflichten zu verdächtigen und davon auszugehen, dass sie disziplinarrechtlich verfolgt werden konnte.

110    Daher war das Parlament berechtigt, den Beistandsantrag der Klägerin ohne vorherige Anhörung abzulehnen.

111    Der Antrag auf Aufhebung der Entscheidung, den Beistandsantrag abzulehnen, ist somit zurückzuweisen.

 Kosten

112    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Art. 134 Abs. 3 der Verfahrensordnung trägt jede Partei ihre eigenen Kosten, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt.

113    Im vorliegenden Fall tragen die Klägerin und das Parlament ihre eigenen Kosten, da dem Antrag auf Aufhebung der Entscheidung über die Zurückstufung und die Zurücksetzung der Verdienstpunkte auf null stattgegeben wurde und der Antrag auf Aufhebung der Entscheidung, den Beistandsantrag der Klägerin abzulehnen, zurückgewiesen wurde.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung des Europäischen Parlaments vom 27. Februar 2017, mit der gegen UZ die Disziplinarstrafe der Zurückstufung von der Besoldungsgruppe AD 13, Dienstaltersstufe 3, in die Besoldungsgruppe AD 12, Dienstaltersstufe 3, unter Zurücksetzung der in der Besoldungsgruppe AD 13 erworbenen Verdienstpunkte auf null verhängt wurde, wird aufgehoben.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      UZ und das Parlament tragen ihre eigenen Kosten.

Gratsias

Labucka

Ulloa Rubio

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 20. September 2019.

Unterschriften


*Verfahrenssprache: Französisch.