Language of document : ECLI:EU:T:2019:619

Rechtssache T228/17

Zhejiang Jndia Pipeline Industry Co. Ltd

gegen

Europäische Kommission

 Urteil des Gerichts (Vierte Kammer) vom 19. September 2019

„Dumping – Einfuhren bestimmter Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke aus nicht rostendem Stahl zum Stumpfschweißen, auch als Fertigwaren, mit Ursprung in China und Taiwan – Verhängung endgültiger Antidumpingzölle – Normalwert – Berichtigungen – Offensichtlicher Beurteilungsfehler – Begründungspflicht“

1.      Recht der Europäischen Union – Grundsätze – Verteidigungsrechte

(Art. 6 Abs. 1 EUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 41 Abs. 2)

(vgl. Rn. 36, 37)

2.      Gerichtliches Verfahren – Vorlegung von Beweisen – Frist – Verspätete Beweisangebote – Voraussetzungen

(Art. 263 AEUV; Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 85 Abs. 1)

(vgl. Rn. 45)

3.      Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Schädigung – Ermessen der Organe – Gerichtliche Nachprüfung – Grenzen

(Verordnung Nr. 1225/2009 des Rates, Art. 2 Abs. 7 Buchst. b und c)

(vgl. Rn. 65, 66)

4.      Internationale Übereinkünfte – Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation – GATT 1994 – Unmöglichkeit, sich auf die WTO-Übereinkommen zu berufen, um die Rechtmäßigkeit eines Unionsrechtsakts in Frage zu stellen – Ausnahmen – Unionsrechtsakt, mit dem ihre Umsetzung sichergestellt werden soll oder der ausdrücklich und speziell auf sie verweist – Anwendung im Antidumpingbereich

(Übereinkommen zur Durchführung des Artikels VI des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens, „Antidumping-Übereinkommen 1994“, Art. 2; Protokoll über den Beitritt Chinas zur WTO, Teil I Nr. 15; Verordnung Nr. 1225/2009 des Rates, dritter Erwägungsgrund, Art. 2 Abs. 7 Buchst. a)

(vgl. Rn. 98-103)

5.      Internationale Übereinkünfte – Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation – GATT 1994 – Unmittelbare Wirkung – Fehlen

(Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen 1994; Protokoll über den Beitritt Chinas zur WTO, Teil I Nr. 15; Verordnung Nr. 1225/2009 des Rates, Art. 2 Abs. 7 Buchst. a)

(vgl. Rn. 104)

6.      Recht der Europäischen Union – Auslegung – Methoden – Auslegung in Ansehung der von der Union geschlossenen völkerrechtlichen Verträge – Auslegung der Verordnung Nr. 1225/2009 nach dem GATTAntidumping-Übereinkommen 1994

(Übereinkommen zur Durchführung des Artikels VI des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens, „Antidumping-Übereinkommen 1994“, Art. 2; Protokoll über den Beitritt Chinas zur WTO, Teil I Nr. 15; Verordnung Nr. 1225/2009 des Rates, Art. 2 Abs. 7 Buchst. a)

(vgl. Rn. 110-114)

7.      Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Dumpingspanne – Bestimmung des Normalwerts – Einfuhren aus Ländern ohne Marktwirtschaft – Wahl eines Vergleichslands – Ermessen der Organe – Gerichtliche Nachprüfung – Umfang

(Verordnung Nr. 1225/2009 des Rates, Art. 2 Abs. 7 Buchst. a)

(vgl. Rn. 112, 126, 127, 134)

8.      Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang – Verordnungen zur Einführung von Antidumpingzöllen

(Art. 296 AEUV; Verordnung Nr. 1225/2009 des Rates, Art. 2 Abs. 7 Buchst. a)

(vgl. Rn. 140)

9.      Gerichtliches Verfahren – Klageschrift – Formerfordernisse – Kurze Darstellung der Klagegründe – Fehlen – Unzulässigkeit

(Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 76 Buchst. d)

(vgl. Rn. 152, 166, 167)

Zusammenfassung

Mit seinem Urteil vom 19. September 2019, Zhejiang Jndia Pipeline Industry/Kommission (T‑228/17), hat das Gericht die von der Zhejiang Jndia Pipeline Industry Co. Ltd gegen die Verordnung der Europäischen Kommission vom 26. Januar 2017 zur Einführung von Antidumpingzöllen auf die Einfuhren bestimmter Rohrformstücke, Rohrverbindungsstücke und Rohrverbindungsstücke aus nicht rostendem Stahl mit Ursprung in China und in Taiwan(1) (im Folgenden: Verordnung zur Einführung von Antidumpingzöllen) erhobene Klage abgewiesen.

Die Rechtssache geht auf ein Antidumpingverfahren zurück, das die Kommission in den Jahren 2015 und 2016 durchgeführt hatte und das letztlich zur Verhängung eines Antidumpingzolls von 48,9 % auf die Einfuhren bestimmter Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke aus nicht rostendem Stahl aus diesen Ländern durch die angefochtene Verordnung führte. Durch das Antidumpingverfahren hatte sich nämlich gezeigt, dass die betreffenden Rohrzubehörteile zu einem weit unter ihrem Normalwert liegenden Wert in die Europäische Union eingeführt wurden. Zur Festlegung dieses Werts hat die Kommission zunächst festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine Marktwirtschaftsbehandlung der ausführenden Hersteller aus der Volksrepublik China nicht vorliegen und danach Taiwan gemäß dem in Art. 2 Abs. 7 Buchst. a und b der Antidumpinggrundverordnung Nr. 1225/2009(2) (im Folgenden: Antidumpinggrundverordnung) vorgesehenen Verfahren als Vergleichsland herangezogen.

Das chinesische Unternehmen Zhejiang Jndia Pipeline Industry Co. Ltd, das Rohrzubehörteile herstellt und in die Union ausführt, hat bei Gericht die Nichtigerklärung der es betreffenden Antidumpingmaßnahmen beantragt. Zur Stützung seiner Klage machte es geltend, dass die Anwendung der Antidumpinggrundverordnung durch die Kommission zur Festlegung des Normalwerts der betreffenden Rohrzubehörteile gegen die Bestimmungen des Protokolls über den Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation (WTO)(3) verstoße. Die Klägerin berief sich u. a. auf einen offensichtlichen Beurteilungsfehler bei der Festlegung des Normalwerts.

Das Gericht hat erstens darauf hingewiesen, dass die im Rahmen der WTO geschlossenen Übereinkommen wegen ihrer Natur und ihrer Systematik nicht zu den Normen gehören, an denen die Rechtmäßigkeit der Handlungen der Unionsorgane gemessen werden kann. Die vom Gerichtshof anerkannten Ausnahmen zu dieser Regel – wenn die in Frage stehende Unionshandlung ausdrücklich auf spezielle Bestimmungen dieser Übereinkommen verweist oder wenn die Union eine bestimmte Verpflichtung umsetzen wollte, die sie im Rahmen dieser Übereinkommen übernommen hat – waren im vorliegenden Fall ebenfalls nicht anwendbar. Im Einzelnen hat das Gericht hierzu darauf verwiesen, dass kein einziger Artikel der Antidumpinggrundverordnung auf eine näher bezeichnete Bestimmung der Antidumping-Übereinkommen verweist und dass die von der Kommission zur Festlegung des Normalwerts der betreffenden Rohrzubehörteile angewendeten Bestimmungen der Verordnung(4) nicht als Maßnahmen angesehen werden können, durch die gewährleistet werden soll, dass eine bestimmte im Rahmen der WTO eingegangene Verpflichtung umgesetzt wird. Das Gericht hat somit festgestellt, dass es die Rechtmäßigkeit der Verordnung zur Einführung von Antidumpingzöllen nicht im Hinblick auf das Protokoll über den WTO-Beitritt Chinas prüfen kann.

Zweitens hat das Gericht bestätigt, dass die Kommission auch nicht verpflichtet war, die Antidumpinggrundverordnung im Einklang mit WTO-Recht auszulegen. Auch wenn die Vorschriften der Union nach Möglichkeit im Licht des Völkerrechts auszulegen sind, insbesondere wenn sie einen von der Union geschlossenen völkerrechtlichen Vertrag durchführen sollen, kann die Antidumpinggrundverordnung nämlich nicht als eine Vorschrift angesehen werden, die darauf gerichtet ist, besondere Verpflichtungen im Rahmen der WTO-Übereinkommen umzusetzen.

Zur Rüge eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers der Kommission, soweit sie es abgelehnt hatte, zur Berichtigung der Produktionskosten bestimmter in Taiwan hergestellter Warentypen die von chinesischen Herstellern für Rohre verwendeten Preislisten zu berücksichtigen, hat das Gericht darauf verwiesen, dass die Unionsorgane bei der Bestimmung des Normalwerts für Länder ohne Marktwirtschaft über ein weites Ermessen verfügen. Außerdem liegt die Beweislast für einen offensichtlichen Fehler bei der Klägerin, die ihre Behauptung durch stichhaltige Beweise zu untermauern hat. Das Gericht hat somit festgestellt, dass die Kommission zu Recht die auf Länder ohne Marktwirtschaft anwendbare Methode zurückgegriffen hat. Die Kommission ist im Rahmen dieser Methode nicht verpflichtet, Daten aus Ländern ohne Marktwirtschaft zu berücksichtigen, sondern muss den Normalwert auf der Grundlage des Preises oder des rechnerisch ermittelten Wertes in einem Drittland mit Marktwirtschaft oder des Preises, zu dem die Ware aus einem solchen Drittland in andere Länder sowie in die Union verkauft wird, ermitteln; falls dies nicht möglich ist, erfolgt die Ermittlung auf jeder anderen angemessenen Grundlage, einschließlich des für die gleichartige Ware in der Union tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preises.


1      Durchführungsverordnung (EU) 2017/141 der Kommission vom 26. Januar 2017 zur Einführung endgültiger Antidumpingzölle auf die Einfuhren bestimmter Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke aus nicht rostendem Stahl zum Stumpfschweißen, auch als Fertigwaren, mit Ursprung in der Volksrepublik China und in Taiwan (ABl. 2017, L 22, S. 14).


2      Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 des Rates vom 30. November 2009 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. 2009, L 343, S. 51, Berichtigung ABl. 2010, L 7, S. 22).


3      Teil I Nr. 15 Buchst. d des Protokolls über den Beitritt der Volksrepublik China zur WTO.


4      Art. 2 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1225/2009.