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Vorabentscheidungsersuchen des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs (Deutschland) eingereicht am 9. Mai 2023 - Halmer Rechtsanwaltsgesellschaft UG gegen Rechtsanwaltskammer München

(Rechtssache C-295/23, Halmer Rechtsanwaltsgesellschaft)

Verfahrenssprache: Deutsch

Vorlegendes Gericht

Bayerischer Anwaltsgerichtshof

Parteien des Ausgangsverfahrens

Klägerin: Halmer Rechtsanwaltsgesellschaft UG

Beklagte: Rechtsanwaltskammer München

Beigeladene: SIVE Beratung und Beteiligung GmbH, Rechtsanwalt Dr. Daniel Halmer

Vorlagefragen

Stellt es eine unzulässige Beschränkung des Rechts auf Freiheit des Kapitalverkehrs gem. Art. 63 Abs. 1 AEUV dar, wenn nach den Gesetzen eines Mitgliedstaats einer Rechtsanwaltsgesellschaft zwingend die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu entziehen ist, wenn

ein Geschäftsanteil der Rechtsanwaltsgesellschaft auf eine Person übertragen wird, die nicht die besonderen beruflichen Anforderungen erfüllt, die nach dem Recht des Mitgliedstaates an den Erwerb eines Geschäftsanteils geknüpft sind? Demnach kann ein Geschäftsanteil an einer Rechtsanwaltsgesellschaft nur durch einen Rechtsanwalt oder ein sonstiges Mitglied einer Rechtsanwaltskammer, einen Patentanwalt, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer, einen Angehörigen eines Rechtsanwaltsberufs aus einem anderen Staat, dem im Inland die Ausübung der Rechtsberatung erlaubt ist, bzw. einen Patentanwalt, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer eines anderen Staates, dem im Inland die Ausübung dieser Tätigkeit gestattet ist, oder einen Arzt oder Apotheker erworben werden.

ein Gesellschafter zwar die besonderen Anforderungen gemäß 1.1. erfüllt, aber in der Rechtsanwaltsgesellschaft nicht beruflich tätig ist?

aufgrund der Übertragung eines oder mehrerer Geschäftsanteile bzw. der Stimmrechte die Mehrheit hieran Rechtsanwälten nicht mehr zusteht?

Stellt es eine unzulässige Beschränkung des Rechts auf Freiheit des Kapitalverkehrs gem. Art. 63 Abs. 1 AEUV dar, dass einem Gesellschafter, der zur Ausübung eines Berufs im Sinne von 1.1. nicht berechtigt ist, kein Stimmrecht zusteht, obwohl die Satzung der Gesellschaft zum Schutz der Unabhängigkeit der anwaltlichen Berufsträger und der anwaltlichen Tätigkeit der Gesellschaft Klauseln enthält, durch die sichergestellt ist, dass die Gesellschaft ausschließlich durch Rechtsanwälte als Geschäftsführer oder Prokuristen vertreten wird, den Gesellschaftern und der Gesellschafterversammlung untersagt wird, durch Weisungen oder mittelbar durch die Androhung von Nachteilen auf die Geschäftsführung einzuwirken, Gesellschafterbeschlüssen, die hiergegen verstoßen, die Wirksamkeit versagt wird und die anwaltliche Verpflichtung zur Verschwiegenheit auf die Gesellschafter und von diesen beauftragte Personen erstreckt wird?

Erfüllen die in Fragen 1 und 2 genannten Beschränkungen die Bedingungen gemäß Art. 15 Abs. 3 Buchst. a bis c der Richtlinie 2006/123/EG1 (im Folgenden: Dienstleistungsrichtlinie) für zulässige Eingriffe in die Dienstleistungsfreiheit?

Für den Fall, dass nach Auffassung des Gerichtshofs das Recht der Klägerin auf Freiheit des Kapitalverkehrs (Fragen 1 und 2) nicht betroffen sein sollte und ein Verstoß gegen die Dienstleistungsrichtlinie (Frage 3) nicht vorliegt:

Wird durch die in Fragen 1 und 2 genannten Beschränkungen das Recht der Beigeladenen SIVE auf Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 AEUV verletzt?

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1     Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. 2006, L 376, S. 36).