Language of document : ECLI:EU:T:2019:649

URTEIL DES GERICHTS (Vierte erweiterte Kammer)

20. September 2019(*)

„Nichtigkeitsklage – Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Venezuela – Klage eines Drittstaats – Keine unmittelbare Betroffenheit – Unzulässigkeit“

In der Rechtssache T‑65/18,

Bolivarische Republik Venezuela, Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte F. Di Gianni und L. Giuliano,

Klägerin,

gegen

Rat der Europäischen Union, ursprünglich vertreten durch P. Mahnič und L. Ozola, danach durch P. Mahnič und A. Antoniadis als Bevollmächtigte,

Beklagter,

betreffend eine Klage gemäß Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung erstens der Verordnung (EU) 2017/2063 des Rates vom 13. November 2017 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Venezuela (ABl. 2017, L 295, S. 21), zweitens der Durchführungsverordnung (EU) 2018/1653 des Rates vom 6. November 2018 zur Durchführung der Verordnung 2017/2063 (ABl. 2018, L 276, S. 1) und drittens des Beschlusses (GASP) 2018/1656 des Rates vom 6. November 2018 zur Änderung des Beschlusses (GASP) 2017/2074 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Venezuela (ABl. 2018, L 276, S. 10), soweit ihre Bestimmungen die Bolivarische Republik Venezuela betreffen,

erlässt

DAS GERICHT (Vierte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen, der Richter J. Schwarcz, C. Iliopoulos, L. Calvo-Sotelo Ibáñez-Martín (Berichterstatter) und der Richterin I. Reine,

Kanzler: F. Oller, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Februar 2019

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 13. November 2017 erließ der Rat der Europäischen Union den Beschluss (GASP) 2017/2074 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Venezuela (ABl. 2017, L 295, S. 60). Dieser Beschluss enthält erstens ein Verbot, nach Venezuela Waffen, militärische oder andere Ausrüstung, die für Zwecke der internen Repression verwendet werden kann, sowie der Überwachung dienende Ausrüstung, Technologie oder Software auszuführen. Er sieht zweitens ein Verbot vor, finanzielle, technische oder sonstige Leistungen im Zusammenhang mit dieser Ausrüstung bzw. Technologie an Venezuela zu liefern. Drittens enthält er Bestimmungen über das Einfrieren der Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen von Personen, Organisationen und Einrichtungen. Nach seinem ersten Erwägungsgrund wird mit dem Beschluss 2017/2074 auf die anhaltende Beeinträchtigung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte in Venezuela reagiert.

2        Gemäß Art. 13 Abs. 2 des Beschlusses 2017/2074 wird dieser fortlaufend überprüft und gegebenenfalls verlängert oder geändert, wenn der Rat der Auffassung ist, dass seine Ziele nicht erreicht wurden. Abs. 1 dieses Artikels sah in seiner ursprünglichen Fassung vor, dass der Beschluss 2017/2074 bis zum 14. November 2018 gilt. Am 6. November 2018 wurde seine Gültigkeit durch den Beschluss (GASP) 2018/1656 des Rates zur Änderung des Beschlusses 2017/2074 (ABl. 2018, L 276, S. 10) bis zum 14. November 2019 verlängert und sein Anhang I Nr. 7 hinsichtlich einer der vom Einfrieren finanzieller Vermögenswerte betroffenen Personen geändert.

3        Am 13. November 2017 erließ der Rat ferner auf der Grundlage von Art. 215 Abs. 2 AEUV und des Beschlusses 2017/2074 die Verordnung (EU) 2017/2063 über restriktive Maßnahmen angesichts der Situation in Venezuela (ABl. 2017, L 295, S. 21).

4        Gemäß Art. 2 der Verordnung 2017/2063 ist es untersagt, natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Venezuela oder zur Verwendung in Venezuela technische Hilfe, Vermittlungsdienste, Finanzmittel oder Finanzhilfen oder andere Dienste im Zusammenhang mit den Gütern und Technologien zu leisten, die in der vom Rat am 17. März 2014 angenommenen Gemeinsamen Militärgüterliste der Europäischen Union (ABl. 2014, C 107, S. 1) aufgeführt sind.

5        Gemäß Art. 3 und Anhang I der Verordnung 2017/2063 ist es ebenfalls untersagt, Ausrüstungen, die zur internen Repression verwendet werden können, wie Waffen, Munition, zur Bekämpfung von Ausschreitungen und Unruhe bestimmte oder dem Transport von Strafgefangenen oder von Explosivstoffen dienende Fahrzeuge zu liefern oder auszuführen und technische Hilfe, Vermittlungsdienste, Finanzmittel oder Finanzhilfen oder andere Dienste im Zusammenhang mit diesen Ausrüstungen an natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Venezuela oder zur Verwendung in Venezuela zu liefern.

6        Nach Art. 4 der Verordnung 2017/2063 können die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten abweichend von den Art. 2 und 3 dieser Verordnung unter Bedingungen, die ihnen angemessen erscheinen, bestimmte Tätigkeiten genehmigen.

7        Sofern nicht von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bereits zuvor eine Genehmigung erteilt wurde, verbieten die Art. 6 und 7 und Anhang II der Verordnung 2017/2063 den Verkauf, die Lieferung und die Ausfuhr von Ausrüstung, Technologie oder Software für die Paketinspektion, für das Abhören, Überwachen und Stören von Netzen und für die Sprechererkennung sowie die Bereitstellung von technischer Hilfe, Vermittlungsdiensten, Finanzhilfe oder anderen Diensten im Zusammenhang mit dieser Ausrüstung, Technologie und Software an natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Venezuela oder zur Verwendung in Venezuela.

8        Nach Art. 20 der Verordnung 2017/2063 gelten die vorgenannten Verbote:

„a)      im Gebiet der Union, einschließlich ihres Luftraums;

b)      an Bord der Luftfahrzeuge und Schiffe, die der Hoheitsgewalt der Mitgliedstaaten unterstehen;

c)      für Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, innerhalb und außerhalb des Gebiets der Union;

d)      für nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründete oder eingetragene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen innerhalb und außerhalb des Gebiets der Union;

e)      für alle juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Bezug auf alle Geschäfte, die ganz oder teilweise in der Union getätigt werden.“

9        Die Art. 8 bis 11 und die Anhänge IV und V der Verordnung 2017/2063 sehen darüber hinaus, unbeschadet von Ausnahmen, das Einfrieren der finanziellen Vermögenswerte bestimmter natürlicher oder juristischer Personen, Organisationen oder Einrichtungen sowie das Verbot vor, ihnen diese Vermögenswerte zur Verfügung zu stellen.

10      Art. 17 Abs. 4 der Verordnung 2017/2063 stellt schließlich klar, dass „[d]ie Liste in den Anhängen IV und V … in regelmäßigen Abständen, mindestens aber alle 12 Monate überprüft [wird]“. Am 6. November 2018 wurde Nr. 7 ihres Anhangs IV hinsichtlich einer der Personen, für die das Einfrieren von finanziellen Vermögenswerten gilt, durch die Durchführungsverordnung (EU) 2018/1653 des Rates zur Durchführung der Verordnung 2017/2063 (ABl. 2018, L 276, S. 1) geändert.

 Verfahren und Anträge der Parteien

11      Mit Klageschrift, die am 6. Februar 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Bolivarische Republik Venezuela die vorliegende Klage gegen die Verordnung 2017/2063 erhoben, soweit ihre Bestimmungen sie betreffen.

12      Mit gesondertem Schriftsatz, der am 3. Mai 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Rat gemäß Art. 130 der Verfahrensordnung des Gerichts eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben. Die Bolivarische Republik Venezuela hat am 27. Juni 2018 dazu Stellung genommen.

13      Auf Vorschlag der Vierten Kammer hat das Gericht am 17. Oktober 2018 gemäß Art. 28 der Verfahrensordnung beschlossen, die Rechtssache an einen erweiterten Spruchkörper zu verweisen.

14      Auf Vorschlag des Berichterstatters hat das Gericht (Vierte erweiterte Kammer) gemäß Art. 130 Abs. 6 der Verfahrensordnung beschlossen, die mündliche Verhandlung unter Beschränkung auf die Prüfung der Zulässigkeit der Klage zu eröffnen. Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 der Verfahrensordnung hat das Gericht (Vierte erweiterte Kammer) die Parteien ferner aufgefordert, schriftlich eine Frage zu beantworten. Die Parteien sind dieser Aufforderung mit Schreiben vom 14. Dezember 2018 gefolgt.

15      Mit gesondertem Schriftsatz, der bei der Kanzlei des Gerichts am 17. Januar 2019 eingegangen ist, hat die Bolivarische Republik Venezuela gemäß Art. 86 der Verfahrensordnung ihre Klage angepasst, so dass sie sich auch auf den Beschluss 2018/1656 und die Durchführungsverordnung 2018/1653 bezieht, soweit deren Bestimmungen sie betreffen. Der Rat hat am 5. Februar 2019 auf den Anpassungsschriftsatz geantwortet.

16      Die Bolivarische Republik Venezuela beantragt,

–        erstens die Verordnung 2017/2063, zweitens die Durchführungsverordnung 2018/1653 und drittens den Beschluss 2018/1656 für nichtig zu erklären, soweit ihre Bestimmungen sie betreffen;

–        dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

17      In seiner Unzulässigkeitseinrede beantragt der Rat,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Bolivarischen Republik Venezuela die Kosten aufzuerlegen.

18      In ihrer Stellungnahme zur Einrede der Unzulässigkeit beantragt die Bolivarische Republik Venezuela, die Unzulässigkeitseinrede zurückzuweisen.

19      Die Parteien haben in der Sitzung vom 8. Februar 2019 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts zur Zulässigkeit beantwortet.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Klage, soweit sie die Verordnung 2017/2063 betrifft

 Vorbemerkungen

20      In der Klageschrift hat die Bolivarische Republik Venezuela die Nichtigerklärung der Verordnung 2017/2063 beantragt, soweit ihre Bestimmungen sie betreffen.

21      In seinem Antrag, über die Zulässigkeit der Klage ohne Entscheidung über die Begründetheit zu entscheiden, hat der Rat die Auffassung vertreten, dass die Bolivarische Republik Venezuela mit dieser Formulierung auf die Art. 2, 3, 6 und 7 der Verordnung 2017/2063 Bezug genommen habe. Die Bolivarische Republik Venezuela ist dieser Auslegung ihrer Klageschrift weder in ihren Schriftsätzen noch in der mündlichen Verhandlung entgegengetreten.

22      Folglich ist davon auszugehen, dass die Klage, soweit sie sich gegen die Verordnung 2017/2063 richtet, nur deren Art. 2, 3, 6 und 7 (im Folgenden: angefochtene Bestimmungen) betrifft.

 Zur Zulässigkeit

23      Der Rat macht drei Unzulässigkeitsgründe geltend, nämlich erstens, dass die Bolivarische Republik Venezuela nicht klagebefugt, zweitens, dass sie nicht unmittelbar von den angefochtenen Bestimmungen betroffen und drittens, dass sie keine „natürliche oder juristische Person“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV sei.

24      Das Gericht ist der Auffassung, dass bei der Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage mit der Prüfung des vom Rat geltend gemachten zweiten Unzulässigkeitsgrundes, wonach die Bolivarische Republik Venezuela durch die angefochtenen Bestimmungen nicht unmittelbar betroffen sei, zu beginnen ist.

25      Der Rat macht geltend, dass die Bolivarische Republik Venezuela nicht im Sinne des Art. 263 Abs. 4 AEUV von den angefochtenen Bestimmungen unmittelbar betroffen sei.

26      Insoweit trägt der Rat vor, dass die Bolivarische Republik Venezuela nicht geltend machen könne, sie sei deshalb von den angefochtenen Bestimmungen unmittelbar betroffen, weil diese darauf abzielten, sie zu veranlassen, ihre Politik zu beenden. Denn die Frage, ob ein Rechtsakt die Rechtsstellung des Klägers unmittelbar berührte, hänge vom Inhalt des Rechtsakts und nicht von seiner Zielsetzung ab.

27      Außerdem habe ein Rechtsakt, durch den eine Tätigkeit untersagt werde, unmittelbare Auswirkungen nur auf die Situation derjenigen, die eine solche Tätigkeit ausübten. Die Folgen, die dieses Verbot für andere Personen habe, könnten nicht unmittelbar aus dem in Rede stehenden Rechtsakt abgeleitet werden. Die angefochtenen Bestimmungen legten der Bolivarischen Republik Venezuela keinerlei Verbot auf. Nach Art. 20 der Verordnung 2017/2063 beschränkten sie sich darauf, natürliche oder juristische Personen, die der Hoheitsgewalt der Europäischen Union unterlägen, daran zu hindern, unmittelbar oder mittelbar Ausrüstung und Technologie an Venezuela zu verkaufen oder dorthin auszuführen und diesem Land bestimmte damit zusammenhängende Dienste zu erbringen.

28      Die Bolivarische Republik Venezuela entgegnet, dass Art. 20 der Verordnung 2017/2063 sie zwar von vornherein vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausnehme, dies aber nicht bedeute, dass die Verordnung ihr gegenüber keine rechtlichen Wirkungen entfalte. Die Art. 75 und 215 AEUV ermächtigten die Union ja gerade, wirtschaftliche Sanktionen vorzusehen, die ihre Wirkung in Drittländer entfalten sollten. Die angefochtenen Bestimmungen untersagten es im vorliegenden Fall, ihr Militärausrüstung, Technologie, Software sowie damit zusammenhängende Dienste bereitzustellen, um zu verhindern, dass sie diese zu angeblichen Zwecken interner Repression verwende, und um sie dazu zu veranlassen, ihre angebliche repressive Politik zu ändern. Um dieses Ziel zu erreichen, schränkten die angefochtenen Bestimmungen die Ausübung bestimmter Rechte ein, die der Bolivarischen Republik Venezuela nach internationalem Recht zustünden, wie das Recht, mit europäischen Anbietern von Diensten und Ausrüstung zu verhandeln und Verträge zu schließen.

29      Es ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung die in Art. 263 Abs. 4 AEUV genannte Voraussetzung, dass eine natürliche oder juristische Person von der klagegegenständlichen Entscheidung unmittelbar betroffen sein muss, erfordert, dass zwei Kriterien kumulativ erfüllt sind, nämlich zum einen, dass sich die beanstandete Maßnahme unmittelbar auf die Rechtsstellung des Klägers auswirkt, und zum anderen, dass sie den Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, ihre Umsetzung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung weiterer Durchführungsvorschriften ergibt (Beschluss vom 8. Oktober 2015, Agrotikos Synetairismos Profitis Ilias/Rat, T‑731/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:821‚ Rn. 26, und Urteil vom 13. September 2018, Almaz-Antey/Rat, T‑515/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:545‚ Rn. 62).

30      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass für die Feststellung, ob ein Rechtsakt Rechtswirkungen erzeugt, insbesondere auf seinen Gegenstand, seinen Inhalt, seine Tragweite, seinen Sachgehalt sowie auf den tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang, in dem er erlassen wurde, abzustellen ist (vgl. Beschluss vom 8. März 2012, Octapharma Pharmazeutika/EMA, T‑573/10, EU:T:2012:114, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31      Im vorliegenden Fall beinhalten die angefochtenen Bestimmungen erstens ein Verbot, natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Venezuela Waffen, militärische oder andere Ausrüstung, die für Zwecke der internen Repression verwendet werden kann, sowie der Überwachung dienende Ausrüstung, Technologie oder Software zu verkaufen oder zu liefern. Zweitens ist es gemäß den angefochtenen Bestimmungen verboten, diesen natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Venezuela Dienste finanzieller, technischer oder anderer Art, die in Zusammenhang mit dieser Ausrüstung oder Technologie stehen, zu erbringen.

32      Art. 20 der Verordnung 2017/2063 begrenzt die Anwendung dieser Verbote auf das Gebiet der Europäischen Union, auf natürliche Personen aus einem Mitgliedstaat und auf juristische Personen, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats errichtet wurden, sowie auf alle juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Bezug auf alle Geschäfte, die ganz oder teilweise in der Union getätigt werden.

33      Dagegen sehen die angefochtenen Bestimmungen keine an die Bolivarische Republik Venezuela gerichteten Verbote vor. Sie können allenfalls mittelbare Auswirkungen auf Venezuela haben, soweit die den natürlichen Personen aus einem Mitgliedstaat und den nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats errichteten juristischen Personen auferlegten Verbote zur Folge haben könnten, dass die Quellen, aus denen sich die Bolivarische Republik Venezuela mit den in Rede stehenden Waren und Diensten versorgen kann, begrenzt werden.

34      Zwar hat das Gericht im Urteil vom 13. September 2018, Almaz-Antey/Rat (T‑515/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:545), das Argument zurückgewiesen, wonach die Rechtsstellung einer außerhalb der Union ansässigen Einrichtung nicht unmittelbar von Maßnahmen betroffen sei, mit denen es Wirtschaftsbeteiligten der Union untersagt werden soll, bestimmte Arten von Geschäften mit ihr zu tätigen. Das Gericht hat entschieden, dass das an Wirtschaftsbeteiligte der Union gerichtete Verbot, derartige Geschäfte zu tätigen, darauf hinausläuft, dass es der Klägerin untersagt ist, die in Rede stehenden Geschäfte mit ihnen zu tätigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. September 2018, Almaz-Antey/Rat, T‑515/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:545, Rn. 65).

35      Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der angefochtene Rechtsakt in der Rechtssache, die dem Urteil vom 13. September 2018, Almez-Antey/Rat (T‑515/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:545), zugrunde lag, ausdrücklich an die Klägerin gerichtet war. Sie war nämlich im Anhang des angefochtenen Beschlusses namentlich als Unternehmen aufgeführt, an das die streitgegenständlichen Waren und Dienste weder verkauft noch geliefert werden durften.

36      Dagegen wird hier die Bolivarische Republik Venezuela in den angefochtenen Bestimmungen als Staat nicht in einer mit der Klägerin in der Rechtssache, in der das genannte Urteil erging, vergleichbaren Art und Weise ausdrücklich und spezifisch aufgeführt.

37      Darüber hinaus macht der Rat in diesem Zusammenhang zu Recht geltend, dass die Bolivarische Republik Venezuela nicht einem Wirtschaftsbeteiligten wie der Klägerin in der Rechtssache T‑515/15 gleichgesetzt werden könne. Denn die Verhaltensweisen der Bolivarischen Republik Venezuela können nicht auf rein gewerbliche Zwecke reduziert werden, wie sie selbst einräumt. So muss ein Staat seine Hoheitsbefugnisse insbesondere im Rahmen hoheitlicher Tätigkeiten wie Verteidigungs-, Polizei- und Überwachungsaufgaben ausüben. Darüber hinaus verfügt die Bolivarische Republik Venezuela im Gegensatz zu einem Wirtschaftsbeteiligten, dessen Handlungsfähigkeit auf seinen Tätigkeitsbereich beschränkt ist, als Staat über ein Betätigungsfeld, das sich durch extreme Vielfalt auszeichnet und sich nicht auf eine bestimmte Tätigkeit reduzieren lässt. Durch dieses äußerst breite Handlungsspektrum unterscheidet sich die Klägerin somit von einem Wirtschaftsteilnehmer, der üblicherweise eine bestimmte wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, die von einer restriktiven Maßnahme erfasst wird.

38      Überdies ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass sich Verbote, wie sie durch die angefochtenen Bestimmungen auferlegt werden, nicht unmittelbar auf die Stellung von Wirtschaftsteilnehmern auswirken können, die nicht auf den betreffenden Märkten tätig sind (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 6. September 2011, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, T‑18/10, EU:T:2011:419‚ Rn. 79). So hat das Gericht im Urteil vom 13. September 2018, Almaz-Antey/Rat (T‑515/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:545, Rn. 66), ausdrücklich festgestellt, dass die Klägerin ein Unternehmen ist, das in dem von den maßgeblichen Bestimmungen des angefochtenen Rechtsakts erfassten Verteidigungsbereich tätig ist.

39      Im vorliegenden Fall legt die Bolivarische Republik Venezuela von Eurostat erhobene Daten vor, nach denen der Gesamtwert der mit Venezuela getätigten gewerblichen Geschäfte betreffend die von den angefochtenen Bestimmungen erfassten Güter im Jahr 2016 bei 76 Mio. Euro, im Jahr 2017 bei 59 Mio. Euro und im Jahr 2018 bei null lag.

40      Auch wenn sich anhand dieser Daten die Wirksamkeit der angefochtenen Bestimmungen nachweisen lässt, können sie doch nicht belegen, dass die Bolivarische Republik Venezuela beim Erwerb der in Rede stehenden Waren und Dienste als eine Einrichtung, die mit einem auf den fraglichen Märkten agierenden Wirtschaftsbeteiligten vergleichbar ist, und nicht im Rahmen ihrer hoheitlichen Tätigkeiten gehandelt hat.

41      Schließlich ist angesichts des Fehlens eines schriftlichen Dokuments, wie z. B. eines Vertrags, dessen Existenz die Bolivarische Republik Venezuela vor dem Gericht nachgewiesen hätte, die Möglichkeit, eine Rechtsbeziehung mit Wirtschaftsteilnehmern in der Union anzuknüpfen, als rein spekulativ anzusehen und kann sich nur aus künftigen und hypothetischen Verhandlungen ergeben. Somit kann nicht davon ausgegangen werden, dass die mit den angefochtenen Bestimmungen erlassenen Verbote als solche die Rechtsstellung der Bolivarischen Republik Venezuela berühren.

42      Die Bolivarische Republik Venezuela weist zwar darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung der Umstand, dass ein Rechtsakt der Union eine juristische Person des öffentlichen Rechts daran hindere, die ihr zustehenden Befugnisse nach ihren Vorstellungen auszuüben, ihre Rechtstellung unmittelbar berühre, so dass dieser Rechtsakt sie unmittelbar betreffe.

43      Die Rechtsprechung, auf die die Bolivarische Republik Venezuela Bezug nimmt, betrifft jedoch Rechtssachen, in denen es um die Gewährung öffentlicher Zuwendungen durch Einrichtungen unterhalb der staatlichen Ebene (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. März 1988, Exécutif régional wallon und Glaverbel/Kommission, 62/87 und 72/87, EU:C:1988:132‚ Rn. 6 und 8, vom 30. April 1998, Vlaamse Gewest/Kommission, T‑214/95, EU:T:1998:77‚ Rn. 29, und vom 26. November 2015, Comunidad Autónoma del País Vasco und Itelazpi/Kommission, T‑462/13, EU:T:2015:902‚ Rn. 34), um die Landwirtschaft und von einem künftigen Mitgliedstaat vor seinem Beitritt zu erhebende Abgaben auf landwirtschaftliche Produkte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Juni 2009, Polen/Kommission, T‑257/04, EU:T:2009:182‚ Rn. 56 bis 58) sowie um Rechtsvorschriften über den Kraftfahrzeugverkehr (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Dezember 2018, Ville de Paris, Ville de Bruxelles und Ayuntamiento de Madrid/Kommission, T‑339/16, T‑352/16 und T‑391/16, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2018:927, Rn. 50) ging. In all diesen Rechtssachen beschränkten die betreffenden Rechtsakte unmittelbar die in Rede stehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts in der Ausübung ihrer materiellen Befugnisse. Dagegen verbieten es die angefochtenen Bestimmungen im vorliegenden Fall der Bolivarischen Republik Venezuela nicht unmittelbar, die fraglichen Ausrüstungen zu kaufen und einzuführen sowie die in Rede stehenden Dienste zu erlangen. Sie wirken sich auch nicht auf ihre Fähigkeit zur Ausübung ihrer hoheitlichen Rechte über die ihrer Hoheitsgewalt unterliegenden Gebiete und Güter aus. Nichts in der Verordnung 2017/2063 lässt den Schluss zu, dass es die Absicht des Rates war, ihre rechtlichen Befugnisse zu beschränken. In Anbetracht des Rechts eines jeden Staates – oder eines Zusammenschlusses von Staaten –, souverän darüber zu entscheiden, auf welche Weise er wirtschaftliche Beziehungen zu Drittstaaten unterhalten will, beschränken die in Rede stehenden Maßnahmen die Handlungsmöglichkeiten der Bolivarischen Republik Venezuela allenfalls mittelbar.

44      Nach alledem ist festzustellen, dass die Rechtsstellung der Bolivarischen Republik Venezuela von den angefochtenen Bestimmungen nicht unmittelbar berührt ist.

45      Die Bolivarische Republik Venezuela macht außerdem geltend, die angefochtenen Bestimmungen führten zu einer Verringerung der von ihr mit Unionsunternehmen unterhaltenen wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen. Ein solcher wirtschaftlicher Effekt müsse bei der Beurteilung ihrer Klagebefugnis berücksichtigt werden.

46      Zwar hat das Gericht in dem von der Bolivarischen Republik Venezuela angeführten Urteil vom 3. Mai 2018, Distillerie Bonollo u. a./Rat (T‑431/12, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2018:251, Rn. 51 bis 53), entschieden, dass, wenn die unmittelbare Betroffenheit auf die rechtlichen Wirkungen beschränkt würde, die Klage eines Unionsherstellers gegen eine Verordnung, mit der ein Antidumpingzoll eingeführt wird, systematisch für unzulässig erklärt werden müsste, ganz so wie die Klage eines Mitbewerbers des Begünstigten einer von der Kommission nach dem förmlichen Prüfverfahren für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärten Beihilfe und die Klage eines Mitbewerbers gegen eine Entscheidung, mit der ein Zusammenschluss für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wird. Im Übrigen hat das Gericht in seinen gerade im Bereich der restriktiven Maßnahmen ergangenen Urteilen vom 13. September 2018, NK Rosneft u. a./Rat (T‑715/14, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2018:544, Rn. 80 und 81), und vom 13. September 2018, Gazprom Neft/Rat (T‑735/14 und T‑799/14, EU:T:2018:548, Rn. 88, 89 und 97), entschieden, dass zum Nachweis der unmittelbaren Betroffenheit von Personen, die in den betreffenden Rechtsakten namentlich bezeichnet sind und die anhand von dem Gericht vorgelegten Schriftstücken nachgewiesen haben, dass sie auf dem von den Ausfuhrrestriktionen betroffenen Markt tätig sind, nicht nur zu berücksichtigen ist, wie sich die Restriktionen auf die Rechtsstellung dieser Personen auswirken, sondern auch, welche Auswirkungen tatsächlicher Art sie auf diese Personen haben.

47      Aus den Rn. 37 bis 40 oben geht jedoch hervor, dass die Bolivarische Republik Venezuela nicht nachgewiesen hat, dass sie einem Wirtschaftsteilnehmer gleichzusetzen ist, der im Bereich der von den angefochtenen Bestimmungen erfassten Waren und Dienstleistungen tätig ist.

48      Folglich lässt sich daraus, dass die angefochtenen Bestimmungen es den in der Union ansässigen Wirtschaftsteilnehmern untersagen, wirtschaftliche und finanzielle Beziehungen zu einer natürlichen oder juristischen Person, Organisation oder Einrichtung in Venezuela zu haben, nicht schließen, dass diese Bestimmungen die Bolivarische Republik Venezuela im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV unmittelbar betreffen.

49      Schließlich führt die Bolivarische Republik Venezuela aus, dass ihr, wenn ihr die Klagebefugnis abgesprochen werde, jeglicher Rechtsschutz vorenthalten werde, da sie mangels nationaler Durchführungsmaßnahmen kein Verfahren vor den Gerichten der Mitgliedstaaten anstrengen könne.

50      Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die in Art. 263 Abs. 4 AEUV vorgesehenen Zulässigkeitsvoraussetzungen zwar im Licht des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz auszulegen sind, dass dieses Recht jedoch nicht dazu führen kann, dass diese im AEU-Vertrag ausdrücklich vorgesehenen Voraussetzungen entfallen (vgl. Beschluss vom 28. September 2016, PAN Europe u. a./Kommission, T‑600/15, EU:T:2016:601, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

51      Die Klage ist somit, soweit sie sich gegen die angefochtenen Bestimmungen richtet, als unzulässig abzuweisen.

 Zur Klage, soweit sie nach Anpassung der Klageanträge auf die Nichtigerklärung des Beschlusses 2018/1656 und der Durchführungsverordnung 2018/1653 gerichtet ist

52      Die Bolivarische Republik Venezuela macht geltend, dass mit Art. 1 Nr. 1 des Beschlusses 2018/1656 Art. 13 Abs. 1 des Beschlusses 2017/2074 geändert und damit seine Geltungsdauer bis zum 14. November 2019 verlängert werde. Diese Verlängerung sei gemäß dem zweiten Erwägungsgrund des Beschlusses 2018/1656 „[a]ufgrund einer Überprüfung“ des Beschlusses 2017/2074 beschlossen worden. Ferner sei die Durchführungsverordnung 2018/1653 nach einer Überprüfung der Situation in Venezuela gemäß Art. 17 Abs. 4 der Verordnung 2017/2063 erlassen worden. Demgemäß folge aus dem Beschluss 2018/1656 und der Durchführungsverordnung 2018/1653, dass die Bolivarische Republik Venezuela für ein weiteres Jahr den restriktiven Maßnahmen gemäß dem Beschluss 2017/2074 und der Verordnung 2017/2063 unterliege. Werde ein ursprünglich angefochtener Rechtsakt im Lauf des Verfahrens durch einen späteren Rechtsakt verlängert, müsse dieser nachfolgende Rechtsakt als ein neuer Gesichtspunkt angesehen werden, der es dem Kläger ermögliche, die Klage anzupassen.

53      Da die angefochtenen Bestimmungen die Bolivarische Republik Venezuela jedoch nicht unmittelbar betreffen, gilt dies auch für die Durchführungsverordnung 2018/1653. Denn mit dieser Verordnung wird Anhang IV der Verordnung 2017/2063 in der erstmals durch die Durchführungsverordnung (EU) 2018/88 des Rates vom 22. Januar 2018 zur Durchführung dieser Verordnung (ABl. 2018, L 16 I, S. 6) geänderten Fassung geändert. Die Bolivarische Republik Venezuela wendet sich aber nicht gegen den Inhalt dieses Anhangs IV.

54      Außerdem folgt aus Art. 86 der Verfahrensordnung, dass der Kläger im Rahmen eines Anpassungsschriftsatzes die Nichtigerklärung eines Rechtsakts, der einen anderen Rechtsakt ersetzt oder ändert, nur dann beantragen kann, wenn die Nichtigerklärung des ursprünglichen Rechtsakts in der Klageschrift beantragt wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Januar 2017, Almaz-Antey Air und Space Defence/Rat, T‑255/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:25, Rn. 37 bis 39 und die dort angeführte Rechtsprechung). Wie vom Rat festgestellt, ändert der Beschluss 2018/1656 den Beschluss 2017/2074, dessen Nichtigerklärung die Bolivarische Republik Venezuela in ihrer Klageschrift aber nicht beantragt hat.

55      Dementsprechend ist die Klage auch insoweit, als sie auf die Nichtigerklärung des Beschlusses 2018/1656 und der Durchführungsverordnung 2018/1653 gerichtet ist, als unzulässig abzuweisen.

56      Nach alledem ist die Klage insgesamt als unzulässig abzuweisen, ohne dass über die beiden anderen vom Rat geltend gemachten Unzulässigkeitsgründe zu entscheiden ist.

 Kosten

57      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei antragsgemäß zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

58      Da die Bolivarische Republik Venezuela unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des Rates ihre eigenen und die dem Rat entstandenen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Vierte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Bolivarische Republik Venezuela trägt ihre eigenen und die dem Rat der Europäischen Union entstandenen Kosten.

Kanninen

Schwarcz

Iliopoulos

Calvo-Sotelo Ibáñez-Martín

 

Reine

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 20. September 2019.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.