Language of document : ECLI:EU:T:2011:211

URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)

12. Mai 2011(*)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke REDTUBE – Ältere nicht eingetragene nationale Marke Redtube – Nicht fristgemäße Zahlung der Widerspruchsgebühr – Entscheidung, mit der der Widerspruch für nicht erhoben erklärt wird – Art. 8 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2869/95 – Vertrauensschutz – Regel 17 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 – Ex-Parte-Verfahren – Art. 8 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 216/96 – Regel 18 der Verordnung Nr. 2868/95 – Rechtsnatur einer Mitteilung des HABM, dass ein Widerspruch für zulässig befunden worden sei – Regel der Parallelität der Formen und des actus contrarius – Art. 80 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑488/09

Jager & Polacek GmbH mit Sitz in Wien (Österreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt A. Renck, Rechtsanwältin V. von Bomhard und Rechtsanwalt T. Dolde,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch G. Schneider als Bevollmächtigten,

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 29. September 2009 (Sache R 442/2009‑4) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der Jager & Polacek GmbH und der RT Mediasolutions s.r.o.

erlässt

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. Dittrich (Berichterstatter), der Richterin I. Wiszniewska-Białecka und des Richters M. Prek,

Kanzler: C. Heeren, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 4. Dezember 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 22. März 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund der schriftlichen Frage des Gerichts an die Klägerin vom 15. Oktober 2010,

aufgrund der am 5. November 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Stellungnahme,

nach Änderung der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts,

auf die mündliche Verhandlung vom 25. November 2010

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 12. Juli 2007 meldete die Rechtsvorgängerin der RT Mediasolutions s.r.o. beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen REDTUBE. Die Marke wurde für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 38 und 41 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet.

3        Die Gemeinschaftsmarkenanmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 068/2007 vom 24. Dezember 2007 veröffentlicht.

4        Am 25. März 2008 erhob die Klägerin, die Jager & Polacek GmbH, gemäß Art. 42 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009) gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für die Gesamtheit der beanspruchten Waren und Dienstleistungen Widerspruch.

5        Der Widerspruch war gestützt auf die ältere nicht eingetragene Marke Redtube und die Verwendung der Internetadresse www.redtube.com. Als Widerspruchsgrund wurde Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009) angeführt.

6        In dem Widerspruchsformular gab die Klägerin an, die Widerspruchsgebühr werde am 26. März 2008 auf das Konto des HABM überwiesen.

7        Mit Schreiben vom 10. April 2008 teilte die Hauptabteilung Marken des HABM der Klägerin mit, dass die Widerspruchsgebühr beim HABM erst am 1. April 2008, also nach dem Ablauf der Widerspruchsfrist, eingegangen sei und es daher den Widerspruch als nicht erhoben ansehe. Das HABM wies überdies darauf hin, dass die Frist als gewahrt angesehen würde, falls der Überweisungsauftrag vor dem Ablauf der Widerspruchsfrist erteilt worden sei. Es teilte weiter mit, dass die Klägerin, falls sie die Zahlung innerhalb der letzten 10 Tage der Widerspruchsfrist vorgenommen habe, bis spätestens 11. Mai 2008 einen Zuschlag in Höhe von 10 % der Widerspruchsgebühr entrichten müsse.

8        Mit Schreiben vom 8. Mai 2008 erbrachte die Klägerin den Nachweis, dass sie ihrer Bank am 26. März 2008 den Auftrag zur Überweisung der Widerspruchsgebühr erteilt habe. Sie erbrachte ebenfalls den Nachweis der Entrichtung des Zuschlags in Höhe von 10 % am 6. Mai 2008. Weiterhin legte sie dar, sie habe von der Markenanmeldung erst am Nachmittag des 25. März 2008 Kenntnis erlangt, also am letzten Tag der Widerspruchsfrist. Sie habe damals RT Mediasolutions aufgefordert, ihre Anmeldung zurückzunehmen, was diese nicht getan habe. Zum Zeitpunkt der Einlegung des Widerspruchs (um 17.07 Uhr per Fax) seien die Banken in Österreich seit über zwei Stunden geschlossen gewesen, und in der Buchhaltung der Klägerin sei niemand mehr anwesend gewesen. Es sei ihr folglich unmöglich gewesen, einer Bank noch am gleichen Tag den Auftrag zur Überweisung der Widerspruchsgebühr zu erteilen. In dem Schreiben machte die Klägerin geltend, es verstoße gegen Art. 6 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, dass auf den Eingang der Widerspruchsgebühr oder auf die Erteilung des Überweisungsauftrags für dieselbe innerhalb der Widerspruchsfrist abgestellt werde. Sie machte weiter geltend, dass nach der deutschen Fassung des Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 2869/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 über die an das HABM zu entrichtenden Gebühren (ABl. L 303, S. 33) die Zahlungsfrist im vorliegenden Fall aufgrund der Entrichtung des Zuschlags als gewahrt gelte.

9        Mit Schreiben vom 20. Mai 2008 sandte die Hauptabteilung Marken des HABM eine Mitteilung an die Klägerin und an RT Mediasolutions. In diesen Schreiben teilte das HABM mit, dass der Widerspruch insoweit für zulässig befunden worden sei, als er auf die ältere nicht eingetragene Marke Redtube gestützt sei, und informierte die Klägerin und RT Mediasolutions über die Frist für den Beginn des kontradiktorischen Teils des Widerspruchsverfahrens gemäß Regel 18 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94 (ABl. L 303, S. 1). Insbesondere wies das HABM darauf hin, dass die Vermittlungsphase (cooling off) am 21. Juli 2008 ablaufe und der kontradiktorische Teil des Widerspruchsverfahrens am 22. Juli 2008 beginne. Außerdem bestimmte es für die Klägerin eine Frist für weiteres Vorbringen zur Stützung des Widerspruchs und für RT Mediasolutions eine Frist zur Stellungnahme zu diesem Vorbringen.

10      Mit Schreiben vom 10. September 2008 machte RT Mediasolutions geltend, die Widerspruchsgebühr sei nicht fristgerecht gezahlt worden. Sie forderte das HABM auf, die Mitteilung vom 20. Mai 2008 aufzuheben und festzustellen, dass der Widerspruch als nicht erhoben gelte.

11      Am 2. Oktober 2008 schickte die Hauptabteilung Marken des HABM der Klägerin einen mit „Korrektur“ überschriebenen Brief. In diesem teilte das HABM der Klägerin mit, dass die Mitteilung des HABM vom 20. Mai 2008 irrtümlich versandt worden und als gegenstandslos zu betrachten sei. Das HABM informierte die Klägerin weiterhin, dass die Entrichtung der Widerspruchsgebühr nicht als innerhalb der Widerspruchsfrist erfolgt anzusehen sei und der Widerspruch als nicht erhoben gelte. Im Übrigen machte das HABM die Klägerin auf die Möglichkeit aufmerksam, eine förmliche schriftliche Entscheidung zu beantragen. Ein solcher Antrag wurde von der Klägerin am 28. November 2008 gestellt.

12      Am 22. Januar 2009 erließ die Widerspruchsabteilung eine Entscheidung, der zufolge der Widerspruch als nicht erhoben gilt. Die Widerspruchsabteilung vertrat die Ansicht, dass die beiden in Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2869/95 vorgesehenen Bedingungen, nämlich die Erteilung der Zahlungsanordnung innerhalb der Widerspruchsfrist und die Entrichtung des Zuschlags, kumulativ vorliegen müssten. Diese Entscheidung wurde gemäß Regel 100 Buchst. d in Verbindung mit Regel 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 von einem einzelnen Mitglied der Widerspruchsabteilung getroffen.

13      Am 20. März 2009 legte die Klägerin eine Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung ein. In ihrem Begründungsschriftsatz vom 22. Mai 2009 machte sie geltend, dass das HABM am 20. Mai 2008 eine Entscheidung erlassen habe, mit der der Widerspruch für zulässig erklärt worden sei, und dass diese Entscheidung nicht wirksam gemäß dem in Art. 80 der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehenen Verfahren widerrufen worden sei. Sie vertrat überdies die Auffassung, dass die beiden in Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2869/95 vorgesehenen Bedingungen nicht kumulativ, sondern alternativ vorliegen müssten.

14      Mit Schreiben vom 2. Juni 2009 setzte das HABM RT Mediasolutions eine Frist von zwei Monaten zur Einreichung ihrer Stellungnahme zur Beschwerdebegründung.

15      RT Mediasolutions übermittelte ihre Stellungnahme am 2. Juni 2009. Diese wurde anschließend zur bloßen Kenntnisnahme an die Klägerin weitergeleitet.

16      Mit Entscheidung vom 29. September 2009 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Vierte Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück.

17      Die Beschwerdekammer stellte fest, dass die Widerspruchsfrist am 25. März 2008 abgelaufen sei, da der 24. März 2008 ein Feiertag gewesen sei. Die Widerspruchsgebühr sei entgegen Art. 41 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung Nr. 207/2009 nach dem Ablauf der Widerspruchsfrist entrichtet worden. Des Weiteren stehe fest, dass die Klägerin ihrer Bank erst nach dem Ablauf der Widerspruchsfrist den Zahlungsauftrag erteilt habe, nämlich am 26. März 2008. Folglich gelte der Widerspruch gemäß Art. 41 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung Nr. 207/2009 als nicht erhoben.

18      Die Beschwerdekammer war der Auffassung, dass die Widerspruchsabteilung Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2869/95 fehlerfrei ausgelegt habe.

19      Nach Ansicht der Beschwerdekammer handelte es sich bei der Mitteilung des HABM vom 20. Mai 2008 nicht um eine Entscheidung, die gemäß Art. 80 der Verordnung Nr. 207/2009 hätte widerrufen werden können, sondern lediglich um eine verfahrensleitende Maßnahme.

20      Überdies stellte die Beschwerdekammer fest, dass RT Mediasolutions, da der Widerspruch als nicht erhoben gelte, gemäß Art. 59 Satz 2 der Verordnung Nr. 207/2009 nicht Beteiligte des Beschwerdeverfahrens sei, und zwar unabhängig davon, ob sie im Widerspruchsverfahren oder im Beschwerdeverfahren angehört worden sei oder nicht.

 Anträge der Parteien

21      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

22      Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

23      Die Klägerin stützt ihre Klage auf drei Gründe. Mit ihrem ersten Klagegrund rügt sie eine Verletzung von Art. 8 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 216/96 der Kommission vom 5. Februar 1996 über die Verfahrensordnung vor den Beschwerdekammern des HABM (ABl. L 28, S. 11) und von Art. 63 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009.

24      Mit dem zweiten Klagegrund macht sie eine Verletzung von Art. 80 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 207/2009 und mit dem dritten Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 83 der Verordnung Nr. 207/2009, insbesondere gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, in Verbindung mit Art. 41 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009, Regel 17 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 und Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2869/95 geltend.

25      Es ist zunächst der dritte Klagegrund zu prüfen.

 Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 83 in Verbindung mit Art. 41 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009, Regel 17 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 und Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2869/95

 Vorbringen der Parteien

26      Nach Ansicht der Klägerin verletzt die Argumentation der Beschwerdekammer, wonach der Widerspruch als nicht erhoben gelte, den Grundsatz des Vertrauensschutzes (Art. 83 der Verordnung Nr. 207/2009) in Verbindung mit Art. 41 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009, Regel 17 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 und Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2869/95.

27      Die Klägerin meint, gemäß der deutschen Fassung des Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2869/95 müssten die beiden unter den Buchst. a und b dieser Bestimmung vorgesehenen Voraussetzungen nur alternativ und nicht kumulativ vorliegen.

28      Da die Entrichtung des in Art. 8 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 2869/95 vorgesehenen Zuschlags innerhalb der vom HABM gesetzten Frist erfolgt sei, gelte die Frist für die Zahlung der Widerspruchsgebühr gemäß Art. 8 Abs. 3 Buchst. b und Abs. 4 der Verordnung Nr. 2869/95 als eingehalten.

29      Der Wortlaut der deutschen Fassung des Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2869/95 sei aufgrund des Wortes „oder“ zwischen den Buchst. a und b dieser Bestimmung eindeutig, und sie habe keinen Grund gehabt, an der Richtigkeit des Wortlauts der deutschen Fassung zu zweifeln.

30      Wenn begründete Erwartungen durch Zusicherungen der Verwaltung der Europäischen Union geschützt seien, müsse dies erst recht gelten, wenn diese Erwartungen durch den eindeutigen Wortlaut der Regelung hervorgerufen würden.

31      Das HABM tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

32      Zunächst ist festzustellen, dass der Widerspruch gemäß Art. 41 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 erst als erhoben gilt, wenn die Widerspruchsgebühr entrichtet worden ist. Wird die Widerspruchsgebühr nicht innerhalb der Widerspruchsfrist entrichtet, so gilt der Widerspruch gemäß Regel 17 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 als nicht erhoben.

33      Gemäß Art. 41 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 kann der Widerspruch innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Veröffentlichung der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke erhoben werden. Im vorliegenden Fall wurde die Anmeldung am 24. Dezember 2007 veröffentlicht und lief die Widerspruchsfrist, da der 24. März 2008 ein Feiertag war, gemäß Regel 70 Abs. 4 und Regel 72 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 am 25. März 2008 ab. Die Widerspruchsgebühr ging beim HABM erst am 1. April 2008 ein, also nach Ablauf der Widerspruchsfrist.

34      Gemäß Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2869/95 ist der maßgebende Zahlungstag der Tag, an dem die Gebühr beim HABM eingeht. Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2869/95 sieht eine Ausnahme vor, wonach die Frist für die Zahlung unter bestimmten Umständen auch dann als gewahrt gilt, wenn die Zahlung erst nach Ablauf der Frist beim HABM eingegangen ist. Die Klägerin beruft sich auf diese Ausnahme.

35      Im vorliegenden Fall erteilte die Klägerin ihrer Bank den Überweisungsauftrag für die Widerspruchsgebühr am 26. März 2008, also einen Tag nach dem Ablauf der Widerspruchsfrist. Sie bezahlte den Zuschlag gemäß Art. 8 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 2869/95 innerhalb der vom HABM gewährten Frist.

36      Die Klägerin meint, die Zahlungsfrist gelte gemäß der deutschen Fassung des Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2869/95 wegen der fristgerechten Zahlung des Zuschlags als eingehalten. Sie stützt dieses Vorbringen auf den Umstand, dass in der derzeit geltenden Fassung dieser Vorschrift das Wort „oder“ die Bestimmungen unter den Buchst. a und b dieses Absatzes verbinde, so dass die darin genannten Voraussetzungen alternativ und nicht kumulativ vorliegen müssten. Somit sei der verspätete Eingang der Widerspruchsgebühr beim HABM als durch die fristgerechte Zahlung des Zuschlags geheilt anzusehen.

37      Diese Argumentation kann nicht durchgreifen.

38      Zunächst ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbaren Fassung des Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2869/95, dass die unter den Buchst. a und b genannten Voraussetzungen kumulativ und nicht alternativ vorliegen müssen. Aus dem deutschen Wortlaut von Art. 8 Abs. 3 dieser Verordnung in der vor der Änderung der Vorschrift durch Art. 1 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1687/2005 der Kommission vom 14. Oktober 2005 zur Änderung der Verordnung Nr. 2869/95 zwecks Anpassung bestimmter Gebühren (ABl. L 271, S. 14) geltenden Fassung geht nämlich hervor, dass am Ende von Art. 8 Abs. 3 Buchst. a Ziff. i und ii dieser Fassung der Verordnung Nr. 2869/95 das Wort „oder“ und am Ende von Art. 8 Abs. 3 Buchst. a Ziff. iii das Wort „und“ stand. Somit waren die Voraussetzungen in Bezug auf die Zahlung der Gebühr und des Zuschlags, wie das Wort „und“ zwischen den Bestimmungen der Buchst. a und b zeigt, als kumulative Voraussetzungen formuliert. Mit dem Erlass von Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 1687/2005, mit dem die Bestimmungen des Art. 8 Abs. 3 Buchst. a Ziff. i und iii der Verordnung Nr. 2869/95 aufgehoben wurden, beabsichtigte der Gesetzgeber nur, bestimmte ursprünglich in diesen Bestimmungen vorgesehene Zahlungsmöglichkeiten zu streichen, und nicht, das Verhältnis zwischen den Bestimmungen des Art. 8 Abs. 3 Buchst. a und b dieser Verordnung zu ändern, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung im Übrigen eingeräumt hat.

39      Zudem ergibt eine aufmerksame Lektüre des Art. 8 der Verordnung Nr. 2869/95 auch in der konsolidierten deutschen Fassung, dass die in Abs. 3 Buchst. a und b genannten Voraussetzungen kumulativ und nicht alternativ vorliegen müssen.

40      Erstens hätte die Annahme, dass die in Art. 8 Abs. 3 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 2869/95 genannten Voraussetzungen alternativ vorliegen müssten, zur Folge, dass die Widerspruchsgebühr zu jedem beliebigen Zeitpunkt gezahlt werden könnte, sofern innerhalb der vom HABM gesetzten Frist ein Zuschlag gezahlt würde. Nach einer solchen Auslegung genügte es nämlich, die Voraussetzung gemäß Art. 8 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 2869/95, d. h. die Zahlung des Zuschlags, innerhalb einer vom HABM gemäß Art. 8 Abs. 4 der Verordnung bestimmten Frist zu erfüllen, damit die Zahlungsfrist als gewahrt gilt. Dagegen wäre es nicht erforderlich, die Voraussetzung gemäß Art. 8 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 2869/95 zu beachten, also innerhalb der Zahlungsfrist den Auftrag zur Überweisung der Widerspruchsgebühr erteilt zu haben.

41      Einer solchen Auslegung kann, wie die Beschwerdekammer in Randnr. 28 der angefochtenen Entscheidung dargelegt hat, nicht gefolgt werden. Da der Widerspruch innerhalb einer Frist von drei Monaten ab der Veröffentlichung der Markenanmeldung erhoben werden muss und nicht als erhoben gilt, solange die Widerspruchsgebühr nicht gezahlt ist, muss es notwendigerweise für die Zahlung der Widerspruchsgebühr eine Frist geben. Stellte man die Frist für die Zahlung in das freie Ermessen des Widersprechenden, verlöre die Widerspruchsfrist ihren Sinn.

42      Die Klägerin macht hierzu geltend, Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2869/95 erlaube es dem HABM, eine Frist für die Behebung der verspäteten Zahlung der Widerspruchsgebühr festzusetzen.

43      Art. 8 Abs. 4 Satz 1 der Verordnung Nr. 2869/95 sieht zwar vor, dass das HABM eine Frist für die Zahlung des in Art. 8 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung genannten Zuschlags festsetzen kann, nicht aber für die Zahlung der Widerspruchsgebühr.

44      Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass der Widerspruch bis zur Zahlung der Widerspruchsgebühr als nicht erhoben gilt. Es wäre unlogisch, wenn das HABM verpflichtet wäre, eine Frist für die Zahlung der Widerspruchsgebühr im Fall eines Widerspruchs festzusetzen, der mangels Zahlung der Widerspruchsgebühr als nicht erhoben gilt. Es ist Sache des Widersprechenden, das für die Einreichung des Widerspruchs Erforderliche zu tun und insbesondere die Widerspruchsgebühr zu zahlen. Im Übrigen besteht keine Beistandspflicht der Widerspruchsabteilung gegenüber dem Widersprechenden (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 30. Juni 2004, GE Betz/HABM – Atofina Chemicals [BIOMATE], T‑107/02, Slg. 2004, II‑1845, Randnr. 87).

45      Zweitens geht aus Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2869/95 hervor, dass die in dieser Vorschrift unter den Buchst. a und b genannten Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen. Gemäß Art. 8 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 2869/95 entfällt nämlich der Zuschlag, „wenn eine der unter Buchstabe a) genannten Voraussetzungen spätestens zehn Tage vor Ablauf der Zahlungsfrist erfüllt wird“.

46      Wenn die unter den Buchst. a und b dieses Absatzes genannten Voraussetzungen tatsächlich nur alternativ vorliegen müssten, ergäbe es keinen Sinn, dass die Pflicht zur Zahlung des Zuschlags nur im Fall eines spätestens zehn Tage vor Ablauf der Zahlungsfrist erteilten Überweisungsauftrags wegfällt. Bei alternativen Voraussetzungen zöge nämlich die Erfüllung der unter Buchst. a genannten Voraussetzungen automatisch nach sich, dass die Frist für die Zahlung der Gebühr als gewahrt gälte, so dass kein Zuschlag gezahlt werden müsste, und zwar selbst dann nicht, wenn der Überweisungsauftrag am letzten Tag vor Ablauf der Frist erteilt worden wäre.

47      Drittens geht, wie das HABM ausgeführt hat, aus Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2869/95 hervor, dass die in Art. 8 Abs. 3 Buchst. a und b genannten Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen. Gemäß Abs. 4 Satz 2 gilt nämlich die Zahlungsfrist als versäumt, wenn „der Nachweis unzureichend [ist]“ (d. h. der Nachweis, an welchem Tag die in Abs. 3 Buchst. a genannte Voraussetzung erfüllt wurde) „oder [wenn] der Zuschlag nicht fristgerecht entrichtet [wird]“. Die Nichterfüllung einer dieser Voraussetzungen reicht also dafür aus, dass die Zahlungsfrist als nicht gewahrt gilt, was zeigt, dass diese Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen.

48      Nach alledem müssen die in Art. 8 Abs. 3 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 2869/95 genannten Voraussetzungen kumulativ vorliegen.

49      Wie die Beschwerdekammer in Randnr. 29 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, ist es Sinn und Zweck des Art. 8 der Verordnung Nr. 2869/95, einerseits den rechtzeitigen Eingang der Zahlung zu verlangen und andererseits dem Zahlenden die Möglichkeit zu geben, sich durch die Zahlung eines Zuschlags von dem Risiko der Bearbeitungsdauer der Bank zu entlasten.

50      Hieraus folgt, dass im vorliegenden Fall die Widerspruchsfrist nicht als gemäß Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2869/95 gewahrt gilt, weil die Klägerin ihrer Bank den Auftrag zur Überweisung der Widerspruchsgebühr erst nach Ablauf der Widerspruchsfrist erteilt hat.

51      Diese Schlussfolgerung wird nicht durch das Vorbringen der Klägerin in Frage gestellt, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes vorliege, weil sie auf die derzeit gültige deutsche Fassung des Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2869/95 habe vertrauen dürfen, da Deutsch Verfahrenssprache und sie ein österreichisches Unternehmen sei. Da der Wortlaut der deutschen Fassung eindeutig sei, habe sie keinen Grund gehabt, seine Richtigkeit zu bezweifeln und anhand der Entstehungsgeschichte der Vorschrift oder anderer Sprachfassungen zu überprüfen.

52      Insoweit ist festzustellen, dass sich jeder Wirtschaftsteilnehmer, bei dem ein Gemeinschaftsorgan begründete Erwartungen geweckt hat, auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen kann (Urteil des Gerichtshofs vom 15. April 1997, Irish Farmers Association u. a., C‑22/94, Slg. 1997, I‑1809, Randnr. 25).

53      Im vorliegenden Fall genügt der Hinweis, dass die konsolidierte Fassung der Verordnung Nr. 2869/95, die in EUR-LEX zugänglich ist, kein amtliches Dokument ist, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat. So wird ganz am Anfang dieser konsolidierten Fassung eindeutig angegeben, dass „[d]ieses Dokument ... lediglich eine Dokumentationsquelle [ist], für deren Richtigkeit die Organe der Gemeinschaften keine Gewähr übernehmen“. Damit konnte die konsolidierte Fassung der Verordnung Nr. 2869/95 bei der Klägerin kein berechtigtes Vertrauen erzeugen.

54      Ebenso ist die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Argumentation zurückzuweisen, dass die konsolidierte Fassung der Verordnung Nr. 2869/95 bei ihr in Verbindung mit dem Verhalten des HABM, das ihr am 20. Mai 2008 ein den Widerspruch für zulässig erklärendes Schreiben zugesandt habe (siehe oben, Randnr. 9), ein berechtigtes Vertrauen hervorgerufen habe.

55      Zwar kann sich jeder, bei dem die Unionsverwaltung insbesondere durch bestimmte Zusicherungen begründete Erwartungen geweckt hat, auf den Vertrauensschutz berufen (vgl. Urteil BIOMATE, oben in Randnr. 44 angeführt, Randnr. 80 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56      Allerdings setzt der Vertrauensschutz, selbst wenn man unterstellt, dass die Mitteilung des HABM vom 20. Mai 2008, wonach der Widerspruch für zulässig befunden worden sei, als bestimmte Zusicherung anzusehen ist, voraus, dass die Zusicherung der Verwaltung mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Ein Organ kann sich nämlich nicht wirksam verpflichten, das Unionsrecht nicht anzuwenden (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 16. November 1983, Thyssen/Kommission, 188/82, Slg. 1983, 3721, Randnr. 11, und vom 6. Februar 1986, Vlachou/Rechnungshof, 162/84, Slg. 1986, 481, Randnr. 6). Im vorliegenden Fall konnte sich das HABM somit nicht wirksam verpflichten, einen als nicht erhoben geltenden Widerspruch als erhoben zu behandeln.

57      Außerdem geht aus dem Schreiben des HABM an die Klägerin vom 10. April 2008 (siehe oben, Randnr. 7) eindeutig hervor, dass die Klägerin kumulativ sowohl vor Ablauf der Widerspruchsfrist den Überweisungsauftrag erteilt haben musste als auch den Zuschlag zu zahlen hatte, damit die Zahlungsfrist als gewahrt gelten konnte.

58      Nach alledem hat die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung Art. 41 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009, Regel 17 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 und Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2869/95 richtig angewandt und nicht gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen.

59      Der dritte Klagegrund ist folglich zurückzuweisen.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 216/96 und Art. 63 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009

 Vorbringen der Parteien

60      Die Klägerin macht geltend, die Beschwerdekammer habe gegen Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 216/96 verstoßen, indem sie ihr den Schriftsatz von RT Mediasolutions vom 2. Juni 2009 nur zur Kenntnisnahme übermittelt habe, ohne ihr die Möglichkeit einer Erwiderung zu geben (siehe oben, Randnr. 15). Damit habe sie ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

61      Nur die Genehmigung der Einreichung weiterer Stellungnahmen stehe gemäß Art. 63 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 im Ermessen der Beschwerdekammer, nicht aber die in Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 216/96 vorgesehene Einreichung der Erwiderung und der Duplik.

62      Das HABM tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

63      Gemäß Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 216/96 können bei mehrseitigen Verfahren vor den Beschwerdekammern die Beschwerdebegründungen und Stellungnahmen zu den Beschwerdebegründungen ergänzt werden durch eine Erwiderung des Beschwerdeführers und durch eine Duplik des Beschwerdegegners.

64      Wie aus ihrem Wortlaut hervorgeht, ist diese Vorschrift nur in Inter-Partes-Verfahren anwendbar, so dass zu prüfen ist, ob es sich im vorliegenden Fall bei dem Verfahren vor der Beschwerdekammer um ein solches Verfahren handelte.

65      Der vorliegende Klagegrund betrifft im Wesentlichen allein den Verstoß gegen Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 216/96, also gegen eine Verfahrensvorschrift, die auf Verfahren vor den Beschwerdekammern anwendbar ist, und nicht den Verstoß gegen eine Verfahrensvorschrift, die auf Verfahren vor den Widerspruchsabteilungen anwendbar ist.

66      Trotzdem ist, um die Art des Verfahrens vor der Beschwerdekammer bestimmen zu können, zunächst die Art des Verfahrens zu bestimmen, das zu der vor der Beschwerdekammer angefochtenen Entscheidung der Widerspruchsabteilung vom 22. Januar 2009 geführt hat.

67      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Regel 17 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 der Widerspruch als nicht erhoben gilt, wenn die Widerspruchsgebühr nicht innerhalb der Widerspruchsfrist entrichtet wird. Gemäß Abs. 5 dieser Regel wird die Feststellung gemäß Abs. 1, dass die Widerspruchsschrift nicht als eingereicht gilt, nur dem Anmelder mitgeteilt. Die Verordnung Nr. 2868/95 sieht somit vor, dass diese Entscheidung in einem Ex-Parte-Verfahren getroffen wird.

68      Nur für den Fall, dass der Widerspruch als zulässig gilt, sieht Regel 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 vor, dass das HABM den Beteiligten mitteilt, dass das Widerspruchsverfahren zwei Monate nach Empfang dieser Mitteilung beginnt.

69      Im vorliegenden Fall informierte das HABM die Beteiligten mit Schreiben vom 20. Mai 2008 über die Frist für den Beginn des kontradiktorischen Teils des Widerspruchsverfahrens gemäß Regel 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 (siehe oben, Randnr. 9). Am 2. Oktober 2008 schickte das HABM der Klägerin jedoch einen mit „Korrektur“ überschriebenen Brief, in dem es ihr mitteilte, dass die Mitteilung vom 20. Mai 2008 irrtümlich versandt worden und als gegenstandslos zu betrachten sei (siehe oben, Randnr.11).

70      Die Entscheidung der Widerspruchsabteilung vom 22. Januar 2009, mit der festgestellt wurde, dass der Widerspruch als nicht erhoben gilt, wurde von einem einzelnen Mitglied der Widerspruchsabteilung unterzeichnet. Hierzu hat die Widerspruchsabteilung auf den S. 4 und 5 dieser Entscheidung ausgeführt, dass gemäß Art. 127 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 132 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009) in Verbindung mit Regel 100 Buchst. d der Verordnung Nr. 2868/95 die Entscheidung, einen Widerspruch vor Ablauf der in Regel 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 genannten Frist als unzulässig zurückzuweisen, von einem einzelnen Mitglied der Widerspruchsabteilung getroffen werden könne. Sie hat festgestellt, dass die Frage, ob der Widerspruch als erhoben gelte, der Frage, ob der Widerspruch unzulässig sei, vorausgehe und dass, wenn die Entscheidung über die Zulässigkeit des Widerspruchs von einem einzelnen Mitglied der Widerspruchsabteilung getroffen werden könne, dies erst recht für die Feststellung nach Regel 17 Abs. 5 der Verordnung Nr. 2868/95 zutreffe, dass der Widerspruch als nicht erhoben gelte.

71      Hieraus folgt, dass die Entscheidung der Widerspruchsabteilung unter Anwendung von Vorschriften getroffen wurde, die in Ex-Parte-Verfahren anwendbar sind. Dies wird dadurch bestätigt, dass die Entscheidung der Widerspruchsabteilung vom 22. Januar 2009 keine Kostenentscheidung enthält. Aus Art. 85 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 ergibt sich nämlich, dass in einem Widerspruchsverfahren eine Entscheidung über die Kosten des obsiegenden Beteiligten getroffen werden muss.

72      Ferner ist festzustellen, dass die Widerspruchsabteilung ihre Entscheidung zu Recht unter Anwendung der Vorschriften für Ex-Parte-Verfahren erlassen hat.

73      So gilt bei nicht fristgerechter Zahlung der Widerspruchsgebühr der Widerspruch als nicht erhoben. Damit gibt es aber keinen Widerspruch, der Gegenstand eines Inter-Partes-Verfahrens sein könnte. Der Umstand, dass das HABM zunächst RT Mediasolutions in das Verfahren einbezogen hat, indem es die Schreiben vom 20. Mai 2008 verschickte, kann nicht die „Schaffung“ eines Widerspruchs bewirken, der als nicht erhoben gilt. Ein Streit zwischen dem HABM und einer Widersprechenden über die Frage, ob der Widerspruch gemäß Art. 41 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 als erhoben gilt, ist somit immer ein Ex-Parte-Verfahren. Mögliche Fehler, die das HABM in der Behandlung des Verfahrens begangen hat, können die Art dieses Verfahrens nicht ändern, denn wenn ein Widerspruch als nicht erhoben gilt, besteht für die Einbeziehung des anderen Beteiligten keine objektive Grundlage.

74      Was sodann das Verfahren vor der Beschwerdekammer betrifft, ist Folgendes festzustellen.

75      Da die Entscheidung der Widerspruchsabteilung mit der Feststellung, dass der Widerspruch als nicht erhoben gilt, zu Recht gemäß den für Ex-Parte-Verfahren geltenden Vorschriften erlassen worden war, führte die Beschwerde gegen diese Entscheidung zu einem Ex-Parte-Verfahren vor der Beschwerdekammer.

76      Zwar trifft es zu, dass die Geschäftsstelle der Beschwerdekammern mit Schreiben vom 2. Juni 2009 die Klägerin und RT Mediasolutions darüber informierte, dass Letztere über eine Frist von zwei Monaten verfüge, um eine Stellungnahme zu der Beschwerdebegründung einzureichen.

77      Die Tatsache, dass die Geschäftsstelle der Beschwerdekammern somit RT Mediasolutions in das Verfahren einbezogen hat, konnte jedoch die Art des Verfahrens aus den vorstehend in Randnr. 73 dargelegten Gründen nicht ändern.

78      Die Beschwerdekammer hat zu Recht in Randnr. 16 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass, solange der Widerspruch als nicht erhoben gelte, kein Inter-Partes-Verfahren vorliege und RT Mediasolutions nicht am Verfahren beteiligt sei.

79      Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 216/96 war somit nicht anwendbar, so dass der auf einen Verstoß gegen diese Bestimmung gestützte Klagegrund zurückzuweisen ist.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 80 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 207/2009

 Vorbringen der Parteien

80      Die Klägerin macht geltend, dass die Mitteilung des HABM vom 20. Mai 2008, mit der ihr Widerspruch für zulässig erklärt worden sei, eine Entscheidung darstelle.

81      Dazu führt die Klägerin aus, dass nach dem Rechtsgrundsatz des actus contrarius oder der Parallelität der Formen, da die Zurückweisung eines Widerspruchs als unzulässig oder nicht erhoben gemäß Regel 17 Abs. 5 der Verordnung Nr. 2868/95 eine Entscheidung darstelle, auch die gegenteilige Feststellung, nämlich die der Zulässigkeit eines Widerspruchs, eine Entscheidung darstelle.

82      Diese Entscheidung hätte nur gemäß den in Art. 80 der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit Regel 53a der Verordnung Nr. 2868/95 vorgesehenen Voraussetzungen widerrufen werden können.

83      Das HABM habe die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für den Widerruf einer Entscheidung nach Regel 53a der Verordnung Nr. 2868/95 nicht erfüllt.

84      Überdies sei die am 22. Januar 2009 erfolgte Rücknahme der Entscheidung über die Zulässigkeit nicht innerhalb der in Art. 80 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 für den Widerruf einer Entscheidung vorgesehenen Frist von sechs Monaten erfolgt.

85      Das HABM tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

86      Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, bei der Mitteilung des HABM vom 20. Mai 2008, in der der Widerspruch für zulässig befunden worden sei, handele es sich um eine Entscheidung, und diese hätte nur gemäß dem in Art. 80 der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit Regel 53a der Verordnung Nr. 2868/95 vorgesehenen Verfahren widerrufen werden können.

87      Die Beschwerdekammer vertrat in Randnr. 19 der angefochtenen Entscheidung die Auffassung, dass es sich um eine bloße verfahrensleitende Maßnahme und nicht um eine abschließende Regelung im Sinne von Art. 58 der Verordnung Nr. 207/2009 gehandelt habe.

88      Somit ist zu prüfen, welche Rechtsnatur die Mitteilung des HABM vom 20. Mai 2008 hatte.

89      Die Klägerin räumt ein, dass der positive Ausgang der Zulässigkeitsprüfung eines Widerspruchs keine Entscheidung darstelle, die das Verfahren abschließe. Sie macht jedoch geltend, dies ändere nichts daran, dass es sich um eine Entscheidung handele, auch wenn diese gemäß Art. 58 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 nur zusammen mit der Endentscheidung anfechtbar sei.

90      Es ist darauf hinzuweisen, dass nur eine Maßnahme, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugt, als Entscheidung qualifiziert werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 27. März 1980, Sucrimex und Westzucker/Kommission, 133/79, Slg. 1980, 1299, Randnr. 15, und vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, Slg. 1981, 2639, Randnr. 9).

91      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Schreiben des HABM vom 20. Mai 2008 an die Klägerin kein Anhalt dafür, dass es sich um eine Entscheidung über die Zulässigkeit des Widerspruchs handelte. Nach der Überschrift des Schreibens handelt es sich um eine an den Widersprechenden gerichtete Mitteilung über den Tag des Beginns des kontradiktorischen Teils des Widerspruchsverfahrens und eine Aufforderung zur Vervollständigung des Widerspruchs durch die Vorlage von Tatsachen, Beweismitteln und Bemerkungen (Regel 18 Abs. 1 und Regel 19 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 2868/95).

92      In diesem Schreiben teilte das HABM der Klägerin mit, dass ihr Widerspruch für zulässig befunden worden sei, soweit er auf der älteren nicht eingetragenen Marke Redtube basiere. Nichts spricht jedoch dafür, dass es sich hierbei um etwas anderes handelte als um eine bloße Mitteilung über das Ergebnis der vom HABM durchgeführten Vorprüfung, die keine Rechtswirkungen erzeugte.

93      Es ist das Argument der Klägerin zurückzuweisen, es ergebe sich aus dem in der Mitteilung vom 20. Mai 2008 enthaltenen Satz, wonach der Widerspruch „für zulässig befunden“ worden sei, dass die Mitteilung über die Zulässigkeit auf einer Entscheidung beruhe, die ihr am 20. Mai 2008 übermittelt worden sei. Aus diesem Satz ergibt sich nämlich nur, dass das HABM die Zulässigkeit des Widerspruchs geprüft hatte und dass das Ergebnis dieser Prüfung positiv war. Jedoch geht aus der Form der Mitteilung vom 20. Mai 2008 nicht hervor, dass es sich um eine endgültige Beurteilung dieser Frage durch das HABM handelte und dass die Mitteilung verbindliche Rechtswirkungen erzeugen sollte.

94      Allerdings ist für die Feststellung, ob eine Entscheidung vorliegt, auf das Wesen einer Maßnahme abzustellen und nicht auf ihre Form (vgl. in diesem Sinne Urteil IBM/Kommission, oben in Randnr. 90 angeführt, Randnr. 9), so dass die Prüfung nicht allein auf die Form des Schreibens vom 20. Mai 2008 beschränkt werden kann.

95      Zum Wesen des an die Klägerin gerichteten Schreibens vom 20. Mai 2008 ist darauf hinzuweisen, dass der Zweck dieses Schreibens darin bestand, die Klägerin über den Tag des Beginns des kontradiktorischen Teils des Widerspruchsverfahrens zu informieren und sie dazu aufzufordern, den Widerspruch durch die Vorlage von Tatsachen, Beweismitteln und Bemerkungen zu vervollständigen, wie aus der Überschrift des Schreibens hervorgeht, und dass das HABM hier auf die Regeln 18 Abs. 1 und 19 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 2868/95 verweist (siehe oben, Randnr. 91). Die Tatsache, dass das HABM der Klägerin in diesem Schreiben mitteilte, dass es den Widerspruch für zulässig befunden habe, erklärt sich aus dem Umstand, dass es gemäß Regel 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 die Beteiligten nur dann über den Beginn des kontradiktorischen Verfahrens informiert, wenn es den Widerspruch für zulässig hält. Mit der Mitteilung, dass das HABM den Widerspruch für zulässig befunden habe, wurde also nur der Grund dafür erläutert, dass es die Beteiligten über den Beginn des kontradiktorischen Teils des Widerspruchsverfahrens unterrichtete. Diese Erläuterung bedeutet nicht, dass in Bezug auf die Zulässigkeit des Widerspruchs eine verbindliche Rechtswirkungen erzeugende Handlung vorgenommen worden wäre, die eine endgültige Beurteilung dargestellt hätte.

96      In der mündlichen Verhandlung hat sich die Klägerin außerdem auf die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer vom 14. Oktober 2009 in der Sache R 172/2008‑G gestützt, insbesondere auf deren Randnrn. 29 ff.

97      Hierzu ist festzustellen, dass diese Entscheidung die Weiterbehandlung nach Art. 82 der Verordnung Nr. 207/2009 betrifft.

98      Gemäß Art. 82 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 kann einem an einem Verfahren vor dem HABM Beteiligten, der eine gegenüber dem HABM einzuhaltende Frist versäumt hat, unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag Weiterbehandlung gewährt werden. Dieser Absatz sieht eine Frist für die Antragstellung vor und bestimmt ferner, dass der Antrag erst als gestellt gilt, wenn die Weiterbehandlungsgebühr gezahlt worden ist. Nach Art. 82 Abs. 3 bis 5 der Verordnung Nr. 207/2009 entscheidet die Stelle über den Antrag, die über die versäumte Handlung zu entscheiden hat, indem sie ihm entweder stattgibt oder ihn zurückweist.

99      Die Große Beschwerdekammer hat in Randnr. 31 ihrer oben in Randnr. 96 angeführten Entscheidung festgestellt, dass eine stattgebende Entscheidung des HABM über einen Antrag auf Weiterbehandlung als Entscheidung anzusehen sei.

100    Hierzu genügt der Hinweis, dass unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung der Großen Beschwerdekammer die in dieser Entscheidung erwähnte und in Randnr. 99 des vorliegenden Urteils wiedergegebene Feststellung nicht bedeutet, dass eine Mitteilung des HABM, dass der Widerspruch für zulässig befunden worden sei, ebenfalls eine Entscheidung darstellt. Die fraglichen Situationen sind nämlich keineswegs vergleichbar. Die Weiterbehandlung wird auf einen hierauf gerichteten förmlichen Antrag hin gewährt. Außerdem sieht Art. 82 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 eine Frist und die Zahlung einer Gebühr vor, um einen solchen Antrag zu stellen. Dagegen gibt es weder einen förmlichen und gegenüber dem Widerspruch besonderen Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit des Widerspruchs noch eine Frist oder eine Gebühr, die zu zahlen wäre, um einen solchen Antrag zu stellen.

101    Die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer, auf die sich die Klägerin beruft, ist somit hier nicht relevant, da sie eine Situation betrifft, die mit der des vorliegenden Falles nicht vergleichbar ist.

102    Nach alledem stellt die Mitteilung vom 20. Mai 2008 keine Entscheidung dar, sondern eine bloße verfahrensleitende Maßnahme.

103    Dieses Ergebnis wird durch die übrigen Argumente der Klägerin nicht in Frage gestellt.

104    Soweit sich die Klägerin zunächst auf die Theorie des actus contrarius und der Parallelität der Formen bezieht, ist Folgendes festzustellen.

105    Nach der Rechtsprechung gibt es einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dem gemäß das Organ, das befugt ist, einen bestimmten Rechtsakt zu erlassen, grundsätzlich auch befugt ist, diesen durch Erlass eines actus contrarius aufzuheben oder zu ändern, sofern nicht eine ausdrückliche Vorschrift diese Befugnis einem anderen Organ zuweist (Urteil des Gerichts vom 20. November 2002, Lagardère und Canal+/Kommission, T‑251/00, Slg. 2002, II‑4825, Randnr. 130).

106    Gemäß der Regel der Parallelität der Formen und des actus contrarius muss die Berichtigung einer Entscheidung in derselben Weise ergehen wie die ursprüngliche Entscheidung (Urteil des Gerichts vom 14. Dezember 2006, Gagliardi/HABM – Norma Lebensmittelfilialbetrieb [MANŪ MANU MANU], T‑392/04, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 53).

107    Die beiden von der Klägerin geltend gemachten Grundsätze betreffen also die Aufhebung oder die Änderung (Berichtigung) eines Rechtsakts. Diesen Grundsätzen zufolge ist die Stelle, die eine Entscheidung erlassen hat, für deren Aufhebung oder Änderung zuständig und muss diese Aufhebung oder diese Änderung in derselben Weise und damit unter Wahrung derselben Form ergehen.

108    Wie die Klägerin in Randnr. 40 der Klageschrift darlegt, kann ein Rechtsakt gemäß der Regel des actus contrarius nur durch einen gleichartigen Rechtsakt zurückgenommen werden. Allerdings sind die Folgerungen, die die Klägerin im vorliegenden Fall aus diesen Grundsätzen zieht, unzutreffend.

109    Diese Grundsätze sind nämlich für die Frage, ob die Mitteilung des HABM vom 20. Mai 2008 eine Entscheidung darstellt, irrelevant.

110    Die Klägerin weist hierzu darauf hin, dass gemäß Regel 17 Abs. 5 der Verordnung Nr. 2868/95 die Zurückweisung des Widerspruchs als nicht erhoben oder als unzulässig eine Entscheidung darstelle. Sie ist der Auffassung, dass auch das Gegenteil, also die Feststellung der Zulässigkeit des Widerspruchs in der Mitteilung vom 20. Mai 2008, eine Entscheidung darstellen müsse.

111    Diese Argumentation beruht jedoch auf einer unzutreffenden Auslegung der Regeln des actus contrarius und der Parallelität der Formen. Diese bedeuten nämlich keineswegs, dass dann, wenn die Zurückweisung eines Widerspruchs als unzulässig oder die Feststellung, ein Widerspruch gelte als nicht erhoben, eine Entscheidung darstellt, auch das Gegenteil, d. h. der Klägerin zufolge die Feststellung der Zulässigkeit eines Widerspruchs, eine Entscheidung darstellen muss. Diese Regeln implizieren nur, dass dann, wenn eine Entscheidung über die Zulässigkeit eines Widerspruchs getroffen worden ist, die Aufhebung oder Änderung dieser Entscheidung von derselben Stelle und unter Wahrung derselben Form erlassen werden muss. Diese Regeln sind jedoch nicht relevant für die Entscheidung der Frage, ob eine bestimmte Handlung, im vorliegenden Fall die Mitteilung vom 20. Mai 2008, eine Entscheidung darstellt. Die Regel des actus contrarius betrifft allein das Verhältnis zwischen einem ursprünglichen Rechtsakt und einem diesen aufhebenden oder ändernden Rechtsakt, und nicht allgemein das Verhältnis zwischen einem Rechtsakt (Zurückweisung eines Widerspruchs als unzulässig) und einer Maßnahme, mit der eine gegenüber diesem Rechtsakt gegenteilige Feststellung (der Zulässigkeit eines Widerspruchs) getroffen wird.

112    Die Regeln des actus contrarius und der Parallelität der Formen können somit die Tatsache, dass die Mitteilung vom 20. Mai 2008 keine Entscheidung darstellt, nicht in Frage stellen. Im vorliegenden Fall wurde bis zur Entscheidung der Widerspruchsabteilung vom 22. Januar 2009, mit der festgestellt wurde, dass der Widerspruch als nicht erhoben gilt, keine Entscheidung über die Zulässigkeit des Widerspruchs getroffen.

113    Ebenso ist das Argument der Klägerin zurückzuweisen, wonach es keinen Grund gebe, warum ein negatives Ergebnis der Zulässigkeitsprüfung eine Entscheidung darstellen solle, nicht aber der entsprechende positive Befund.

114    Hierzu ist festzustellen, dass in Regel 17 Abs. 5 der Verordnung Nr. 2868/95 ausdrücklich von einer „Feststellung“, dass die Widerspruchsschrift als nicht eingereicht gilt, die Rede ist und dass in Regel 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 von einer „Mitteilung“ gesprochen wird, wenn der Widerspruch als zulässig gilt.

115    Weiter ist hervorzuheben, dass eine Entscheidung, mit der der Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen oder festgestellt wird, dass er als nicht erhoben gilt, demjenigen gegenüber, der der Markenanmeldung widersprechen wollte, verbindliche Rechtswirkungen erzeugt, was bei einer Mitteilung betreffend den Beginn der kontradiktorischen Phase, mit der der Empfänger über die Zulässigkeit dieses Widerspruchs informiert wird, nicht der Fall ist.

116    Die Klägerin beruft sich ferner auf den Umstand, dass sie vom HABM mit Schreiben vom 10. April 2008 aufgefordert wurde, zu der angekündigten Zurückweisung des Widerspruchs als nicht erhoben Stellung zu nehmen. Die Tatsache, dass sie zu Zulässigkeitsfragen habe Stellung nehmen können, zeige klar, dass die Rechtsnatur des Ergebnisses der Zulässigkeitsprüfung nicht davon abhängig sein könne, ob dieses Ergebnis negativ oder positiv ausfalle.

117    Insoweit ist hervorzuheben, dass die Klägerin mit Schreiben vom 10. April 2008 nicht zu der Absicht des HABM gehört wurde, den Widerspruch als zulässig anzusehen, sondern zu der Absicht des HABM, den Widerspruch als nicht erhoben zu betrachten. Da eine Entscheidung, mit der festgestellt wird, dass ein Widerspruch als nicht erhoben gilt, eine Beschwer für den Widersprechenden darstellt, ist es selbstverständlich, dass der Widersprechende hierzu gehört werden muss und dass die Widerspruchsabteilung die von ihm eingereichte Stellungnahme berücksichtigen kann. Dies bedeutet nicht, dass, überzeugen die Argumente des Widersprechenden das HABM und erlässt es keine Entscheidung, der zufolge der Widerspruch als nicht erhoben gilt, der Verzicht auf den Erlass dieser Entscheidung selbst eine Entscheidung darstellte.

118    Die Klägerin macht sodann geltend, dass die Tatsache, dass es sich bei dem Befund der Zulässigkeit eines Widerspruchs um eine Entscheidung handele, sich auch darin zeige, dass die Zulässigkeit des Widerspruchs im weiteren Verlauf des Verfahrens nicht noch einmal geprüft werde. In der Widerspruchsentscheidung werde die Zulässigkeit des Widerspruchs nicht noch einmal gesondert festgestellt, sondern lediglich über die materielle Begründetheit des Widerspruchs entschieden.

119    In Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts, worauf sie diese Behauptung gründe, führte die Klägerin aus, dass die Entscheidungen der Widerspruchsabteilungen bis etwa Ende April 2005 Ausführungen zur Zulässigkeit des Widerspruchs enthalten hätten, dass sich diese Praxis jedoch Ende April oder Anfang Mai 2005 geändert habe. Seit diesem Zeitpunkt enthielten die Entscheidungen der Widerspruchsabteilungen keine Ausführungen mehr zur Zulässigkeit, sondern lediglich zur Begründetheit des Widerspruchs, da die Zulässigkeitsprüfung bereits vor Festsetzung der Cooling-off-Frist erfolgt sei. Am 17. September 2007 habe das HABM seine Praxis erneut geändert, und zwar dahin, dass Widersprüche dann als zulässig gälten, wenn zumindest hinsichtlich eines der älteren Rechte alle Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt seien. Hieraus ergebe sich, dass das HABM im weiteren Verlauf des Widerspruchsverfahrens nur die Zulässigkeit des Widerspruchs hinsichtlich möglicher zusätzlicher älterer Rechte überprüfe, nicht aber hinsichtlich des älteren Rechts, in Bezug auf welches der Widerspruch bereits für zulässig befunden worden sei.

120    Es ist jedoch festzustellen, dass die Tatsache allein, dass die Widerspruchsabteilung in ihrer Entscheidung über den Widerspruch im Allgemeinen nicht mehr ausdrücklich zur Zulässigkeit des Widerspruchs Stellung nimmt, nicht bedeutet, dass sie diese beim Erlass ihrer Entscheidung nicht prüft. Das Fehlen einer ausdrücklichen Stellungnahme der Widerspruchsabteilung kann sich daraus erklären, dass für sie, wenn der Widerspruch zulässig ist und seine Zulässigkeit nicht gerügt wird, keine Notwendigkeit besteht, sich in ihrer Entscheidung zur Zulässigkeit des Widerspruchs zu äußern.

121    Im Übrigen bedeutet das Fehlen einer Stellungnahme zur Zulässigkeit eines Widerspruchs in der Entscheidung einer Widerspruchsabteilung erst recht nicht, dass diese nicht das Recht hätte, die Zulässigkeit des Widerspruchs in einem späteren Stadium als dem der Zulässigkeitsprüfung gemäß Regel 17 der Verordnung Nr. 2868/95 zu prüfen. Hierzu ist festzustellen, dass die Klägerin nicht geltend macht, dass die Änderung der Praxis des HABM durch eine Änderung der anwendbaren Rechtsvorschriften veranlasst worden sei.

122    Außerdem ist festzustellen, dass die Regeln 18 bis 20 der Verordnung Nr. 2868/95 zwar nicht ausdrücklich vorsehen, dass die Zulässigkeit des Widerspruchs in einem späteren Stadium des Verfahrens erneut geprüft wird. Dies bedeutet aber nicht, dass die Widerspruchsabteilung die Zulässigkeit des Widerspruchs nicht spätestens im Stadium des Erlasses der Entscheidung über den Widerspruch prüft. Da der Anmelder seine Stellungnahme zur Zulässigkeit eines Widerspruchs erst nach der Zulässigkeitsprüfung in einem Ex-Parte-Verfahren abgeben kann (Regel 17 der Verordnung Nr. 2868/95), kann nicht angenommen werden, dass die Widerspruchsabteilung nach der Mitteilung darüber, dass der Widerspruch für zulässig befunden worden sei, die Zulässigkeit des Widerspruchs nicht mehr prüfen dürfte. Andernfalls wäre die Widerspruchsabteilung nicht in der Lage, eine etwaige Stellungnahme des Anmelders zu berücksichtigen.

123    Die Klägerin macht ferner die Tatsache geltend, dass die Widerspruchsabteilung auf S. 4 der Entscheidung vom 22. Januar 2009 ausgeführt habe, die Anmelderin habe die Überprüfung und Aufhebung der „Zwischenentscheidung“ (d. h. der Mitteilung vom 20. Mai 2008) beantragt.

124    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich dieser Satz in dem Teil der Entscheidung der Widerspruchsabteilung findet, in dem der Sachverhalt und der Verfahrensablauf dargestellt werden, und dass die Widerspruchsabteilung darin die von der Anmelderin in ihrem Schriftsatz vom 10. September 2008 vorgebrachte Argumentation zusammenfasst. Die Tatsache, dass die Anmelderin die Mitteilung vom 20. Mai 2008 (unzutreffend) als Zwischenentscheidung bezeichnete und dass die Widerspruchsabteilung diesen Begriff im Rahmen der Zusammenfassung ihres Vorbringens in diesem Schriftsatz wieder aufgriff, hat keine Auswirkungen auf die richtige rechtliche Einordnung der Mitteilung vom 20. Mai 2008.

125    Die Klägerin behauptet weiter, dass an die Feststellung der Zulässigkeit eines Widerspruchs konkrete Rechtsfolgen geknüpft seien, die bei einer Partei ein berechtigtes Vertrauen entstehen lassen könnten.

126    So rufe die Feststellung der Zulässigkeit eines Widerspruchs bei einer Partei ein berechtigtes Vertrauen im Hinblick auf die Erforderlichkeit der Vorbereitung von Eingaben zur Begründetheit des Widerspruchs hervor. Ferner sende das HABM, wenn es den Widerspruch für zulässig befinde, den Parteien eine Mitteilung, dass das Widerspruchsverfahren zwei Monate nach Erhalt der Mitteilung beginnen werde, was rechtliche Folgen, insbesondere in Bezug auf Gebühren, habe, da in allen Widerspruchsverfahren, die das Stadium der in Regel 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 vorgesehenen Frist überschritten hätten, eine Kostenentscheidung ergehen müsse. Außerdem würden den Beteiligten Fristen für die Widerspruchsbegründung bzw. ‑erwiderung gesetzt.

127    Hierzu ist festzustellen, dass keine der von der Klägerin angeführten Folgen als verbindliche Rechtswirkung qualifiziert werden kann.

128    Dass das HABM die Beteiligten in der Mitteilung vom 20. Mai 2008 über die Frist für den Beginn des streitigen Teils des Widerspruchsverfahrens informierte und ferner gemäß Regel 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 Fristen für die Ergänzung der vorgebrachten Tatsachen und Beweise setzte, kann nicht als verbindliche Rechtswirkung qualifiziert werden, weil die Festsetzung von Fristen die Rechtsstellung der Klägerin nicht ändert, sondern nur ihre Lage in dem Verfahren betrifft.

129    Der Umstand, dass es der Klägerin erforderlich erscheinen konnte, Eingaben zur Begründetheit des Widerspruchs vorzubereiten, betrifft ebenfalls nur ihre Lage im Verfahren und nicht ihre Rechtsstellung. Diese Wirkungen gehen nicht über die einer Verfahrenshandlung zukommenden Wirkungen hinaus (vgl. in diesem Sinne Urteil IBM/Kommission, oben in Randnr. 90 angeführt, Randnr. 17).

130    Auch die Tatsache, dass die Widerspruchsabteilung nach dem Beginn des Inter-Partes-Verfahrens über die Kosten entscheiden muss, kann die Rechtsstellung eines Beteiligten nicht ändern. Hierzu ist festzustellen, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem das HABM die Mitteilung gemäß Regel 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 versendet, noch die Möglichkeit besteht, dass das Widerspruchsverfahren gemäß Regel 18 Abs. 2 und 3 dieser Verordnung eingestellt wird. In diesem Fall wird gemäß Regel 18 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2868/95 keine Kostenentscheidung getroffen. Im Übrigen ist selbst dann, wenn das Widerspruchsverfahren nicht gemäß Regel 18 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 2868/95 eingestellt wird, der Ausgang des Widerspruchsverfahrens bei der Mitteilung gemäß Regel 18 Abs. 1 der Verordnung noch nicht bekannt. So ist es noch nicht möglich, zu diesem Zeitpunkt vorauszusehen, welcher Beteiligte der unterliegende Beteiligte sein wird, der die Kosten des anderen Beteiligten zu tragen haben wird. Die bloße Möglichkeit, dass einem Beteiligten in einer vom HABM etwaig in der Zukunft erlassenen Entscheidung aufgegeben werden könnte, die Kosten des anderen Beteiligten zu tragen, kann nicht als Änderung der Rechtsstellung dieses Beteiligten angesehen werden.

131    Die Klägerin macht darüber hinaus geltend, das HABM müsse bei internationalen Registrierungen mit Erstreckung auf die Union der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) mitteilen, ob ein Widerspruch für zulässig befunden worden sei; dies führe zur Eintragung der vorläufigen Schutzverweigerung im Internationalen Markenregister und habe damit konkrete Rechtsfolgen.

132    Hierzu genügt die Feststellung, dass die vorliegende Rechtssache keine internationale Registrierung mit Erstreckung auf die Union betrifft, sondern eine Gemeinschaftsmarkenanmeldung. Es ist daher nicht erforderlich, über die Rechtsnatur einer solchen Mitteilung des HABM an die WIPO im Rahmen von Anträgen auf internationale Registrierung mit Erstreckung auf die Union zu entscheiden.

133    Die Klägerin macht zudem geltend, dass sich indirekt aus der Korrekturmitteilung vom 2. Oktober 2008 (siehe oben, Randnr. 11) und der Entscheidung der Widerspruchsabteilung ergebe, dass die Hauptabteilung Marken des HABM von der Anwendbarkeit des Art. 80 der Verordnung Nr. 207/2009 ausgegangen sei. Aus beidem gehe nämlich hervor, dass die Hauptabteilung Marken die Entscheidung über die Zulässigkeit des Widerspruchs aufgrund des Antrags der Anmelderin angeordnet habe. Dieser Antrag sei mit Schriftsatz vom 10. September 2008 gestellt worden, also zu einer Zeit, als die Anmelderin gemäß den vom HABM festgesetzten Fristen im Widerspruchsverfahren gar nicht berechtigt gewesen sei, einen Schriftsatz einzureichen. Aus dem Vorstehenden ergebe sich, dass allein Art. 80 der Verordnung Nr. 207/2009 die Rechtsgrundlage für den Antrag der Anmelderin bilden könne.

134    Hierzu ist festzustellen, dass RT Mediasolutions zwar nicht Beteiligte des Verfahrens gewesen ist und damit nicht berechtigt war, einen Schriftsatz im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens einzureichen. Das HABM war jedoch berechtigt, die Zulässigkeit des Widerspruchs erneut zu prüfen, nachdem es von RT Mediasolutions darauf aufmerksam gemacht worden war, dass der Widerspruch als nicht erhoben zu betrachten sei.

135    Im vorliegenden Fall ist das vom HABM befolgte Verfahren als ein Verfahren von Amts wegen anzusehen, da RT Mediasolutions keine Beteiligte des Verfahrens war und somit nicht wirksam Anträge stellen konnte. Aus den Regeln des actus contrarius und der Parallelität der Formen ergibt sich, dass eine verfahrensleitende Maßnahme durch eine andere verfahrensleitende Maßnahme derselben Stelle geändert oder aufgehoben werden kann. Somit durfte das HABM von Amts wegen die „Korrektur“ vom 2. Oktober 2008 senden, in der sie der Klägerin mitteilte, dass die Mitteilung des HABM vom 20. Mai 2008 irrtümlich versandt worden und als gegenstandslos zu betrachten sei (siehe oben, Randnr. 11). Dies bedeutet keineswegs, dass das HABM Art. 80 der Verordnung Nr. 207/2009 für anwendbar gehalten hätte.

136    Selbst wenn man annähme, dass die Hauptabteilung Marken des HABM Art. 80 der Verordnung Nr. 207/2009 für anwendbar gehalten hat, könnte dies außerdem weder für die Beschwerdekammer noch für das Gericht bindend sein.

137    Nach alledem ist keines der von der Klägerin vorgebrachten Argumente geeignet, die Qualifizierung der Mitteilung des HABM vom 20. Mai 2008 als bloße verfahrensleitende Maßnahme in Frage zu stellen.

138    Hieraus folgt, dass Art. 80 der Verordnung Nr. 207/2009 mangels einer Entscheidung nicht anwendbar war.

139    Schließlich macht die Klägerin den Grundsatz des Vertrauensschutzes geltend. Die Entscheidung über die Zulässigkeit des Widerspruchs habe ihr berechtigtes Vertrauen in den Fortgang des Verfahrens begründet. Entscheidungen des HABM riefen ein schutzwürdiges Vertrauen in die Richtigkeit dieser Entscheidungen hervor. Dieser Vertrauenstatbestand könne nur widerrufen werden, wenn die Voraussetzungen des Art. 80 der Verordnung Nr. 207/2009 erfüllt seien.

140    Es ist festzustellen, dass der Ausgangspunkt der Argumentation der Klägerin ihre Behauptung ist, bei der Mitteilung vom 20. Mai 2008 handele es sich um eine Entscheidung. Da dieses Argument bereits geprüft und zurückgewiesen worden ist, muss auch das Vorbringen der Klägerin in Bezug auf den Schutz des berechtigten Vertrauens in die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung zurückgewiesen werden.

141    Daher ist auch der zweite Klagegrund zurückzuweisen und die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

142    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

143    Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des HABM die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Jager & Polacek GmbH trägt die Kosten.

Dittrich

Wiszniewska-Białecka

Prek

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. Mai 2011.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


Vorgeschichte des Rechtsstreits

Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 83 in Verbindung mit Art. 41 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009, Regel 17 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 und Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2869/95

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 216/96 und Art. 63 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 80 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 207/2009

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Kosten


* Verfahrenssprache: Deutsch.