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Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale civile di Padova (Italien), eingereicht am 28. August 2023 – AR/Ministero dell’Istruzione e del Merito

(Rechtssache C-543/23, Gnattai1 )

Verfahrenssprache: Italienisch

Vorlegendes Gericht

Tribunale civile di Padova

Parteien des Ausgangsverfahrens

Kläger: AR

Beklagter: Ministero dell’Istruzione e del Merito

Vorlagefragen

1.    Sind Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18. März 1999 im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG1 des Rates vom 28. Juni 1999 und der allgemeine [unionsrechtliche] Grundsatz der Nichtdiskriminierung in Bezug auf Beschäftigungsbedingungen im Licht von Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der in Art. 485 des Decreto legislativo (Gesetzesvertretendes Dekret) Nr. 297/94 entgegenstehen, die nach dem ihr von der Suprema Corte di Cassazione (Kassationsgerichtshof, Italien) (vgl. die Urteile der Kammer für Arbeitsrecht Nr. 32386/2019, Nr. 33134/2019 und Nr. 33137/2019) beigemessenen Sinngehalt vorsieht, dass die befristet Beschäftigten an den gleichgestellten Schulen (scuole paritarie) im Sinne des Gesetzes Nr. 62/2000 gegenüber den Dauerbeschäftigten des Ministero dell’Istruzione e del Merito (Ministerium für Bildung und Leistung, Italien) in Bezug auf die Wiederherstellung der beruflichen Laufbahn nur deshalb benachteiligt werden, weil sie kein öffentliches Auswahlverfahren bestanden oder an einer rechtlich anerkannten gleichgestellten Schule unterrichtet haben, obwohl sich befristet beschäftigte Lehrer an den gleichgestellten Schulen in einer vergleichbaren Situation wie dauerbeschäftigte Lehrer an den staatlichen Schulen im Hinblick auf die Art der Arbeit und die Ausbildungs- und Beschäftigungsbedingungen befinden, sie die gleichen Aufgaben wahrnehmen und über die gleichen fachlichen, pädagogischen, methodisch-didaktischen, organisatorisch-relationalen und forschungsbezogenen Fähigkeiten verfügen, die durch Unterrichtserfahrung erworben wurden, die durch dieselbe innerstaatliche Regelung als identisch für die Zwecke der unbefristeten Einstellung im Rahmen der ständigen Reservelisten, die derzeit ausgeschöpft sind, anerkannt wird (vgl. Art. 2 Abs. 2 des Decreto-legge [Gesetzesdekret] Nr. 255/2001)?

2.    Sind im Anwendungsbereich der Richtlinie 1999/70 die allgemeinen [unionsrechtlichen] Grundsätze der Gleichheit, Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung in Bezug auf Beschäftigungsbedingungen, die auch in den Art. 20 und 21 der Charta, in Art. 14 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (nach Maßgabe von Art. 52 der Charta), in der am 18. Oktober 1961 unterzeichneten Europäischen Sozialcharta, in Art. 157 AEUV und in den Richtlinien 2000/43/EG1 und 2000/78/EG2 verankert sind, dahin auszulegen, dass sie einer Regelung wie der in Art. 485 des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 297/94 entgegenstehen, die vorsieht, dass zu Zwecken der Besoldung bei der Wiederherstellung der beruflichen Laufbahn nur die Lehrtätigkeiten zu berücksichtigen sind, die im Dienst dieses Ministeriums oder an Ersatzschulen (scuole parificate), staatlich anerkannten weiterführenden Schulen (scuole pareggiate), subventionierten (scuole sussidiate) oder Hilfsschulen (scuole sussidiarie), Volksschulen (scuole popolari) und Mädcheninternaten (educandati femminili) geleistet wurden, so dass befristet beschäftigte Lehrer an den gleichgestellten Schulen bei der Wiederherstellung der beruflichen Laufbahn (nach ihrer unbefristeten Einstellung durch das Ministerium für Bildung und Leistung) benachteiligt und diskriminiert werden, weil sie nicht die zusätzlichen dienstaltersabhängigen Bezüge erhalten, die befristet beschäftigten Lehrern an den staatlichen und kommunalen Schulen, den Ersatzschulen, den staatlich anerkannten weiterführenden Schulen, den subventionierten oder Hilfsschulen, den Volksschulen und den Mädcheninternaten gezahlt werden, die sich, was die Art der Arbeit, die Tätigkeiten, die Dienste und beruflichen Verpflichtungen und die Ausbildungs- und Beschäftigungsbedingungen betrifft, in einer vergleichbaren Situation befinden wie Lehrer an den gleichgestellten Schulen im Sinne des Gesetzes Nr. 62/2000, die die gleichen Aufgaben wahrnehmen und durch den Erwerb von Unterrichtserfahrung über die gleichen fachlichen, pädagogischen, methodisch-didaktischen, organisatorisch-relationalen und forschungsbezogenen Fähigkeiten verfügen wie Lehrer an den gleichgestellten Schulen?

3.    Sind der Begriff „vergleichbarer Dauerbeschäftigter“ in Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18. März 1999 im Anhang der Richtlinie 1999/70 und die allgemeinen [unionsrechtlichen] Grundsätze der Gleichheit, Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung in Bezug auf Beschäftigungsbedingungen, die in den Art. 20 und 21 der Charta verankert sind, dahin auszulegen, dass im Rahmen der Anerkennung von Dienstaltersstufen die Dienste, die als Zeitbediensteter an den gleichgestellten Schulen geleistet wurden, den geleisteten Diensten an den staatlichen Schulen, den Ersatzschulen, den staatlich anerkannten weiterführenden Schulen, den Volksschulen, den subventionierten oder Hilfsschulen und den Mädcheninternaten gleichzustellen sind, da diese Lehrer die gleichen Aufgaben wahrnehmen, die gleichen beruflichen Verpflichtungen haben und über die gleichen fachlichen, pädagogischen, methodisch-didaktischen, organisatorisch-relationalen und forschungsbezogenen Fähigkeiten verfügen?

4.    Ist das nationale Gericht für den Fall, dass die Unvereinbarkeit von Art. 485 des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 297/94 mit dem [Unionsrecht] festgestellt wird, nach der Charta verpflichtet, die unvereinbare innerstaatliche Rechtsquelle unangewendet zu lassen?

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1     Die vorliegende Rechtssache ist mit einem fiktiven Namen bezeichnet, der nicht dem echten Namen eines Verfahrensbeteiligten entspricht.

1     Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. 1999, L 175, S. 43).

1     Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. 2000, L 180, S. 22).

1     Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16).