Language of document : ECLI:EU:T:2016:449

URTEIL DES GERICHTS (Neunte Kammer)

8. September 2016(*)

„Wettbewerb – Kartelle – Markt für Antidepressiva mit dem pharmazeutischen Wirkstoff Citalopram – Begriff der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung – Potenzieller Wettbewerb – Generika – Schranken für den Marktzugang infolge bestehender Patente – Vereinbarungen zwischen dem Patentinhaber und Generikaherstellern – Art. 101 Abs. 1 und 3 AEUV – Rechts- und Beurteilungsfehler – Begründungspflicht – Verteidigungsrechte – Rechtssicherheit – Geldbußen“

In der Rechtssache T‑472/13

H. Lundbeck A/S mit Sitz in Valby (Dänemark),

Lundbeck Ltd mit Sitz in Milton Keynes (Vereinigtes Königreich),

Prozessbevollmächtigte: R. Subiotto, QC, und Rechtsanwalt T. Kuhn,

Klägerinnen,

unterstützt durch

European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA) mit Sitz in Genf (Schweiz), Prozessbevollmächtigte: F. Carlin, Barrister, und M. Healy, Solicitor,

Streithelferin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten zunächst durch J. Bourke, F. Castilla Contreras, B. Mongin, T. Vecchi und C. Vollrath, dann durch F. Castilla Contreras, B. Mongin, T. Vecchi, C. Vollrath und T. Christoforou als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen teilweiser Nichtigerklärung des Beschlusses C(2013) 3803 final der Kommission vom 19. Juni 2013 in einem Verfahren nach Art. 101 [AEUV] und Art. 53 des EWR-Abkommens (Sache AT/39226 – Lundbeck) und Herabsetzung der mit diesem Beschluss gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße

erlässt

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten G. Berardis (Berichterstatter) sowie der Richter O. Czúcz und A. Popescu,

Kanzler: L. Grzegorczyk, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. November 2015

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

I –  Gesellschaften, auf die sich die vorliegende Rechtssache bezieht

1        Die H. Lundbeck A/S (im Folgenden: Lundbeck) ist eine Gesellschaft dänischen Rechts, die eine Gruppe von Gesellschaften kontrolliert, darunter die im Vereinigten Königreich ansässige Lundbeck Ltd, die auf die Forschung, die Entwicklung, die Herstellung, das Marketing, den Verkauf und den Vertrieb von Arzneimitteln zur Behandlung von Erkrankungen des zentralen Nervensystems, darunter Depressionen, spezialisiert ist.

2        Lundbeck ist ein Originalpräparatehersteller, also ein Unternehmen, das seine Tätigkeit auf die Erforschung und den Vertrieb neuer Arzneimittel konzentriert.

3        Die Merck KgaA ist eine im Arzneimittelsektor spezialisierte Gesellschaft deutschen Rechts, die zum Zeitpunkt des Abschlusses der betreffenden Vereinbarungen mittelbar – über die Gruppe Merck Generics Holding GmbH – 100 % ihrer Tochtergesellschaft Generics UK Ltd (im Folgenden: GUK) hielt, die für die Entwicklung und den Vertrieb generischer Arzneimittel im Vereinigten Königreich verantwortlich ist.

4        Merck und GUK wurden von der Europäischen Kommission zur für den Sachverhalt maßgeblichen Zeit als ein einziges Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts betrachtet (im Folgenden: Merck [GUK]).

5        Die Arrow Group A/S, im August 2003 umbenannt in Arrow Group ApS (im Folgenden ohne Unterscheidung: Arrow Group), ist eine Gesellschaft dänischen Rechts an der Spitze einer Gruppe von Gesellschaften, die in mehreren Mitgliedstaaten präsent und seit 2001 in der Entwicklung und im Verkauf von Generika tätig ist.

6        Die Arrow Generics Ltd, eine Gesellschaft des Rechts des Vereinigten Königreichs, wurde als Tochtergesellschaft zunächst zu 100 % und später – ab Februar 2002 – zu 76 % von Arrow Group gehalten.

7        Die Resolution Chemicals Ltd ist eine Gesellschaft des Rechts des Vereinigten Königreichs, die auf die Herstellung aktiver pharmazeutischer Wirkstoffe (im Folgenden: API) für Generika spezialisiert ist. Bis September 2009 wurde sie von Arrow Group kontrolliert.

8        Arrow Group, Arrow Generics und Resolution Chemicals wurden von der Kommission zur für den Sachverhalt maßgeblichen Zeit als ein einziges Unternehmen (im Folgenden: Arrow) betrachtet.

9        Die Alpharma Inc. war eine Gesellschaft amerikanischen Rechts, die weltweit im Arzneimittelsektor tätig war, insbesondere mit Generika. Bis Dezember 2008 wurde sie von der Gesellschaft norwegischen Rechts A. L. Industrier AS kontrolliert. Anschließend wurde sie von einem britischen Pharmaunternehmen aufgekauft, das seinerseits von einem US-amerikanischen Pharmaunternehmen aufgekauft wurde. Im Rahmen dieser Umstrukturierungen wurde die Alpharma Inc. Zunächst – im April 2010 – zur Alpharma LLC und später – am 15. April 2013 – zur Zoetis Products LLC.

10      Die Alpharma ApS war eine Gesellschaft dänischen Rechts, die mittelbar zu 100 % von der Alpharma Inc. kontrolliert wurde. Sie verfügte über mehrere Tochtergesellschaften im Europäischen Wirtschaftsraum (im Folgenden: EWR). Nach mehreren Umstrukturierungen wurde die Alpharma ApS am 31. März 2008 zur Axellia Pharmaceuticals ApS, die 2010 in Xellia Pharmaceuticals ApS (im Folgenden: Xellia) umbenannt wurde.

11      Die Alpharma Inc., die A. L. Industrier AS und die Alpharma ApS wurden von der Kommission zur für den Sachverhalt maßgeblichen Zeit als ein einziges Unternehmen (im Folgenden: Alpharma) betrachtet.

12      Die Ranbaxy Laboratories Ltd ist eine Gesellschaft indischen Rechts, die auf die Entwicklung und Herstellung von API und Generika spezialisiert ist.

13      Die Ranbaxy (UK) Ltd ist eine Gesellschaft englischen Rechts und Tochtergesellschaft von Ranbaxy Laboratories, die mit dem Verkauf von deren Erzeugnissen im Vereinigten Königreich betraut ist.

14      Ranbaxy Laboratories und Ranbaxy (UK) wurden von der Kommission zur für den Sachverhalt maßgeblichen Zeit als ein einziges Unternehmen (im Folgenden: Ranbaxy) betrachtet.

II –  Betroffenes Erzeugnis und sich darauf beziehende Patente

15      Das Erzeugnis, um das es in der vorliegenden Rechtssache geht, ist ein Antidepressivum, das den API „Citalopram“ enthält.

16      Im Jahr 1977 meldete Lundbeck in Dänemark ein Patent für den API Citalopram sowie für die beiden zu seiner Herstellung verwendeten Verfahren der Alkylierung und der Zyanierung an. Patente für diesen API und die beiden genannten Verfahren (im Folgenden: ursprüngliche Patente) wurden zwischen 1977 und 1985 in Dänemark und in mehreren westeuropäischen Ländern erteilt.

17      Für den EWR lief der Schutz aus den ursprünglichen Patenten und gegebenenfalls aus ergänzenden Schutzzertifikaten (im Folgenden: ESZ) nach der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 des Rates vom 18. Juni 1992 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel (ABl. L 182, S. 1) zwischen 1994 (für Deutschland) und 2003 (für Österreich) ab. Für das Vereinigte Königreich liefen die ursprünglichen Patente im Januar 2002 ab.

18      Im Lauf der Zeit entwickelte Lundbeck andere, wirksamere Verfahren zur Herstellung von Citalopram, für die sie in mehreren Ländern des EWR sowie bei der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) und beim Europäischen Patentamt (EPA) Patente anmeldete und oftmals auch erhielt (im Folgenden: neue Patente von Lundbeck).

19      Im Einzelnen reichte Lundbeck erstens in den Jahren 1998 und 1999 beim EPA zwei Patentanmeldungen für die Herstellung von Citalopram mittels Verfahren unter Verwendung von Jod bzw. Amid ein. Das EPA erteilte Lundbeck am 19. September 2001 ein Patent für das Verfahren unter Verwendung von Amid (im Folgenden: Patent für Amid) und am 26. März 2003 ein Patent für das Verfahren unter Verwendung von Jod (im Folgenden: Patent für Jod).

20      Zweitens meldete Lundbeck am 13. März 2000 bei den dänischen Behörden ein Patent für ein Verfahren zur Herstellung von Citalopram an, das eine Methode zur Reinigung der verwendeten Salze mittels Kristallisation vorsah. Vergleichbare Anmeldungen wurden in anderen Ländern des EWR sowie bei der WIPO und beim EPA eingereicht. Lundbeck erhielt im Lauf der ersten Hälfte des Jahres 2002 in mehreren Mitgliedstaaten Patente für das Verfahren mittels Kristallisation, u. a. am 30. Januar 2002 im Vereinigten Königreich (im Folgenden: Patent für Kristallisation). Das EPA erteilte am 4. September 2002 ein Patent für Kristallisation. Darüber hinaus hatte Lundbeck bereits am 6. November 2000 in den Niederlanden ein Gebrauchsmuster für dieses Verfahren erhalten (im Folgenden: Gebrauchsmuster von Lundbeck), also ein sechs Jahre gültiges Patent, das ohne wirkliche Vorabprüfung gewährt wird.

21      Drittens reichte Lundbeck am 12. März 2001 bei den Behörden des Vereinigten Königreichs eine Patentanmeldung für ein Verfahren zur Herstellung von Citalopram ein, das eine Methode zur Reinigung der verwendeten Salze mittels Filmdestillation vorsah. Die Behörden des Vereinigten Königreichs gewährten Lundbeck am 3. Oktober 2001 ein Patent für diese Methode der Filmdestillation (im Folgenden: Patent für Filmdestillation). Dieses Patent wurde jedoch am 23. Juni 2004 wegen fehlender Neuheit im Verhältnis zu einem anderen Patent von Lundbeck widerrufen. Am 29. Juni 2002 erhielt Lundbeck in Dänemark ein ähnliches Patent.

22      Schließlich plante Lundbeck für Ende 2002 oder Anfang 2003 die Markteinführung eines neuen Antidepressivums, des auf dem API „Escitalopram“ (oder „S-Citalopram“) basierenden Cipralex. Dieses neue Arzneimittel war für die gleichen Patienten gedacht, die mit dem patentierten, auf dem API Citalopram basierenden Arzneimittel Cipramil von Lundbeck behandelt werden konnten. Der API Escitalopram war durch Patente geschützt, die bis mindestens 2012 gültig waren.

III –  Streitige Vereinbarungen

23      Im Lauf des Jahres 2002 schloss Lundbeck mit vier in der Herstellung oder im Verkauf von Generika tätigen Unternehmen, nämlich Merck (GUK), Alpharma, Arrow und Ranbaxy (im Folgenden: Generikahersteller), sechs Vereinbarungen über Citalopram (im Folgenden: streitige Vereinbarungen).

A –  Vereinbarungen mit Merck (GUK)

24      Mit Merck (GUK) schloss Lundbeck zwei Vereinbarungen.

25      Die erste Vereinbarung wurde am 24. Januar 2002 zunächst für eine Laufzeit von einem Jahr wirksam und erfasste ausschließlich das Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs (im Folgenden: GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich). Sie wurde von der britischen Tochtergesellschaft von Lundbeck, d. h. der Gesellschaft des Rechts des Vereinigten Königreichs Lundbeck Ltd, unterzeichnet. Diese Vereinbarung wurde anschließend für einen Zeitraum von sechs Monaten verlängert, der am 31. Juli 2003 ablief. Nach einem kurzen Markteintritt von Merck (GUK) zwischen dem 1. und 4. August unterzeichneten die Parteien am 6. August 2003 sodann eine zweite Verlängerung der Vereinbarung für einen Zeitraum von höchstens sechs Monaten, der aber verkürzt werden konnte, falls Lundbeck gegen andere Generikahersteller, die versuchen würden, in den Markt einzutreten, nicht gerichtlich vorgehen würde oder wenn der Rechtsstreit zwischen Lundbeck und der Lagap Pharmaceuticals Ltd, einem weiteren Generikahersteller (im Folgenden: Lagap-Rechtsstreit), beendet wäre.

26      In dieser Vereinbarung hatten die Parteien u. a. Folgendes vorgesehen:

–        Sie stellten fest, es bestehe die Gefahr, dass bestimmte Handlungen, die GUK auf dem Gebiet der Vermarktung, des Vertriebs und des Verkaufs der „Erzeugnisse“ beabsichtige, eine Verletzung der geistigen Eigentumsrechte von Lundbeck darstellen und zu Forderungen von dieser führen könnten (Art. 2.1 der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich), wobei die genannten „Erzeugnisse“ in Art. 1.1 der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich als „von GUK in Form eines Ausgangsstoffs, als Schüttgüter oder in Form nach Maßgabe der von GUK zum Zeitpunkt der Unterzeichnung vorgelegten und als Anlage 2 beigefügten Produktspezifikation hergestellte Tabletten im Sinne des Anhangs entwickelte Erzeugnisse aus Citalopram“ definiert waren;

–        Lundbeck GUK sollte nach Maßgabe der zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung am 31. Januar 2002 einen Betrag von 2 Mio. Pfund Sterling (GBP) für die Lieferung der „Erzeugnisse“ in den in der Vereinbarung vorgesehenen Mengen zahlen (Art. 2.2 der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich);

–        GUK verpflichtete sich gegen Zahlung eines zusätzlichen Betrags von 1 Mio. GBP darüber hinaus, die im Anhang aufgeführten „Erzeugnisse“ am 2. April 2002 zu liefern (Art. 2.3 der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich);

–        durch die nach Maßgabe der Art. 2.2 und 2.3 der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich geleisteten Zahlungen und die Lieferung der „Erzeugnisse“ durch GUK sollten sämtliche Ansprüche, die Lundbeck wegen Verletzung ihrer Rechte des geistigen Eigentums im Zusammenhang mit den von GUK bis dahin gelieferten „Erzeugnissen“ gegen diese haben könnte, vollständig und endgültig abgegolten sein (Art. 2.4 der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich);

–        Lundbeck verpflichtete sich, ihre „Enderzeugnisse“ an GUK zu verkaufen, während sich GUK verpflichtete, diese „Enderzeugnisse“ im Hinblick auf ihren Wiederverkauf durch GUK und die mit ihr verbundenen Unternehmen im Vereinigten Königreich während der Laufzeit und nach Maßgabe der Vereinbarung ausschließlich bei Lundbeck zu kaufen (Art. 3.2 der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich), wobei diese „Enderzeugnisse“ in Art. 1.1 der Vereinbarung definiert sind als „Citalopram enthaltende Erzeugnisse in Form von Enderzeugnissen, die [Lundbeck] im Einklang mit der vorliegenden Vereinbarung an GUK zu liefern hat“;

–        Lundbeck verpflichtete sich zur Zahlung eines garantierten Nettogewinns in Höhe von 5 Mio. GBP an GUK, sofern GUK die während der Laufzeit der Vereinbarung vereinbarte Menge an „Enderzeugnissen“ bei ihr bestelle (oder eines nach Maßgabe der getätigten Bestellungen anteilig zu berechnenden geringeren Betrags) (Art. 6.2 der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich).

27      Die erste Verlängerung der Vereinbarung sah u. a. die Zahlung eines Betrags von monatlich 400 000 GBP für die Durchführung von Art. 6.2 der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich durch GUK vor und änderte die Definition des Begriffs „Nettogewinn“.

28      Die zweite Verlängerung der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich sah u. a. die Zahlung eines Betrags von monatlich 750 000 GBP für die Durchführung von Art. 6.2 dieser Vereinbarung durch GUK vor.

29      Die GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich lief nach der gütlichen Beilegung des Lagap-Rechtsstreits am 1. November 2003 ab. Während der gesamten Laufzeit der Vereinbarung überwies Lundbeck an GUK insgesamt den Gegenwert von 19,4 Mio. Euro.

30      Zwischen Lundbeck und GUK wurde am 22. Oktober 2002 eine zweite Vereinbarung geschlossen, die den EWR mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs abdeckte (im Folgenden: GUK-Vereinbarung für den EWR). Diese Vereinbarung sah die Zahlung eines Betrags von 12 Mio. Euro vor, für die sich GUK im Gegenzug verpflichtete, im gesamten EWR-Gebiet (mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs) keine Citalopram enthaltenden Arzneimittel zu verkaufen oder zu liefern und alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, damit die Natco Pharma Ltd (im Folgenden: Natco), die Herstellerin des von Merck (GUK) für die Vermarktung ihrer Version eines generischen Citalopram verwendeten API Citalopram (im Folgenden: API von Natco oder Citalopram von Natco), die Lieferung von Citalopram oder Citalopram enthaltender Erzeugnisse im EWR während der Laufzeit der Vereinbarung einstellt (Art. 1.1 und 1.2 der GUK-Vereinbarung für den EWR). Lundbeck verpflichtete sich, unter der Voraussetzung nicht gerichtlich gegen GUK vorzugehen, dass diese ihren Verpflichtungen aus Art. 1.1 der GUK-Vereinbarung für den EWR nachkommt (Art. 1.3 der GUK-Vereinbarung für den EWR).

31      Die GUK-Vereinbarung für den EWR lief am 22. Oktober 2003 ab. Nach Maßgabe dieser Vereinbarung überwies Lundbeck an GUK insgesamt den Gegenwert von 12 Mio. Euro.

B –  Vereinbarungen mit Arrow

32      Lundbeck unterzeichnete zwei Vereinbarungen mit Arrow.

33      Die erste dieser Vereinbarungen, die das Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs betraf, wurde am 24. Januar 2002 zwischen Lundbeck einerseits sowie Arrow Generics und Resolution Chemicals (im Folgenden zusammen: Arrow UK) andererseits geschlossen (im Folgenden: Arrow-UK-Vereinbarung).

34      Die Arrow-UK-Vereinbarung hatte ursprünglich eine Laufzeit bis zum 31. Dezember 2002 oder bis zum Tag einer rechtskräftig gewordenen gerichtlichen Entscheidung über die Klage, die Lundbeck vor den Gerichten des Vereinigten Königreichs wegen Verletzung ihrer Patente durch Arrow UK gegen diese zu erheben beabsichtigte (im Folgenden: Verletzungsklage gegen Arrow), je nachdem, was früher eintrat (Art. 4.1 der Arrow-UK-Vereinbarung). Diese Vereinbarung wurde durch die Unterzeichnung von Nachträgen anschließend zweimal verlängert. Die erste Verlängerung umfasste den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 1. März 2003 (Art. 3.1 des ersten Nachtrags zur Arrow-UK-Vereinbarung), während die zweite vorsah, dass die genannte Vereinbarung entweder am 31. Januar 2004 oder sieben Tage nach Erlass der gerichtlichen Entscheidung zur Beendigung des Lagap-Rechtsstreits ablaufen sollte (Art. 4.1 des zweiten Nachtrags zur Arrow-UK-Vereinbarung). Da dieser Rechtsstreit am 13. Oktober 2003 gütlich beigelegt wurde, endete die Arrow-UK-Vereinbarung am darauffolgenden 20. Oktober. Folglich erstreckte sich die Gesamtlaufzeit dieser Vereinbarung vom 24. Januar 2002 bis zum 20. Oktober 2003 (im Folgenden: Laufzeit der Arrow-UK-Vereinbarung).

35      Zum Inhalt der Arrow-UK-Vereinbarung ist Folgendes festzustellen:

–        Der erste Erwägungsgrund der Präambel dieser Vereinbarung (im Folgenden: Arrow-UK-Präambel) nimmt u. a. auf die Tatsache Bezug, dass Lundbeck Inhaberin der Patente für Kristallisation und Filmdestillation ist;

–        im vierten Erwägungsgrund der Arrow-UK-Präambel heißt es, dass „Arrow [UK] … bei einer Drittpartei eine Lizenz für die Einfuhr von Citalopram in das Vereinigte Königreich erhalten [hat], das nicht von Lundbeck oder mit deren Zustimmung hergestellt worden ist (‚besagtes Citalopram‘; um jeden Zweifel auszuschließen, umfasst diese Definition lediglich Citalopram, das zum Marketing und Verkauf im Vereinigten Königreich bestimmt ist, unter Ausschluss von Citalopram, das zum Marketing und Verkauf in anderen Ländern bestimmt ist)“;

–        im sechsten Erwägungsgrund der Arrow-UK-Präambel wird darauf hingewiesen, dass Lundbeck das „besagte Citalopram“ Labortests unterzogen habe, aufgrund deren triftige Gründe für die Annahme vorlägen, dass es u. a. die oben im ersten Gedankenstrich erwähnten Patente verletze;

–        im siebten Erwägungsgrund der Arrow-UK-Präambel wird dargelegt, dass Arrow UK weder einräume, diese Patente verletzt zu haben, noch, dass sie gültig seien, aber anerkenne, dass Lundbeck von beidem überzeugt sei, was Arrow UK nicht durch unwiderlegbare Beweise entkräften könne;

–        im achten Erwägungsgrund der Arrow-UK-Präambel wird darauf hingewiesen, dass Lundbeck mit der Beantragung einer einstweiligen Verfügung gedroht habe und beabsichtige, Verletzungsklage gegen Arrow zu erheben;

–        Art. 1.1 dieser Vereinbarung sieht vor, dass sich „Arrow [UK] … in eigenem Namen sowie im Namen aller assoziierten und verbundenen Unternehmen [verpflichtet], während der [Laufzeit der Arrow-UK-Vereinbarung] und im Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs weder 1) das besagte Citalopram noch 2) irgendein anderes Citalopram, das nach Auffassung von Lundbeck deren Rechte [des geistigen Eigentums] verletzt, herzustellen, zu veräußern, zum Kauf anzubieten, zu verwenden oder – nach dem zweiten Liefertermin – einzuführen oder im Hinblick auf seine Veräußerung oder zu anderen Zwecken aufzubewahren, und, um Lundbeck die Feststellung einer Verletzung zu ermöglichen, dieser während der [Laufzeit der Arrow-UK-Vereinbarung] eine ausreichende Anzahl von Proben zu Prüfungszwecken zu liefern, und zwar spätestens einen Monat vor jeder drohenden Herstellung, jeder drohenden Einfuhr, jedem drohenden Verkauf oder jedem drohenden Angebot zum Kauf bis zu einer endgültigen, rechtskräftigen Entscheidung über [die Verletzungsklage gegen Arrow] …“;

–        in Art. 1.2 dieser Vereinbarung stimmt Arrow UK der Aufnahme der von ihr eingegangenen und in Art. 1.1 der Arrow-UK-Vereinbarung aufgeführten Verpflichtungen in eine Verfügung zu, die Lundbeck möglicherweise beim zuständigen britischen Gericht beantragen werde;

–        in Art. 2.1 dieser Vereinbarung heißt es, dass Lundbeck die Verletzungsklage gegen Arrow so bald wie möglich, jedenfalls nicht später als 31. März 2002, erheben werde;

–        in Art. 2.2 dieser Vereinbarung heißt es, dass Lundbeck unter Berücksichtigung der in Art. 1.1 der Arrow-UK-Vereinbarung aufgeführten Verpflichtungen sowie der Tatsache, dass Arrow UK keine „cross-undertaking in damages“ (Betrag, den Lundbeck nach englischem Recht bei Gericht hätte hinterlegen müssen, wenn sie im Rahmen der Verletzungsklage gegen Arrow den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt hätte), beantragen werde, 5 Mio. GBP in vier Raten an Arrow UK zahlen werde, wobei dieser Betrag später gemäß Art. 2.1 des ersten Nachtrags zur Arrow-UK-Vereinbarung um 450 000 GBP sowie in Anwendung der Art. 2.1 und 3 des zweiten Nachtrags zu dieser Vereinbarung um 1,35 Mio. GBP erhöht worden ist;

–        Art. 2.3 dieser Vereinbarung sieht vor, dass, falls in einer Endentscheidung im Rahmen der Verletzungsklage gegen Arrow festgestellt werde, dass Arrow UK die Rechte des geistigen Eigentums von Lundbeck nicht verletzt habe, der in Art. 2.2 dieser Vereinbarung vorgesehene Betrag die vollständige Entschädigung darstelle, die Arrow UK von Lundbeck für die Verluste erhalten könne, die ihr aufgrund der sich aus Art. 1.1 der Arrow-UK-Vereinbarung ergebenden Verpflichtungen möglicherweise entstanden seien;

–        Art. 3.4 der Vereinbarung sieht vor, dass Arrow UK Lundbeck ihren Lagerbestand an dem besagten Citalopram in zwei Tranchen liefert, wobei die erste, die sich auf etwa 3,975 Mio. Tabletten in Schachteln bezieht, spätestens am 6. Februar 2002 und die zweite, die sich auf etwa 1,1 Mio. Tabletten in loser Schüttung bezieht, spätestens am 15. Februar 2002 erfolgen sollte.

36      Lundbeck erwirkte die in Art. 1.2 der Arrow-UK-Vereinbarung genannte Verfügung (im Folgenden: Arrow‑Konsensverfügung) am 6. Februar 2002.

37      Die zweite Vereinbarung, die das Hoheitsgebiet Dänemarks betrifft, wurde am 3. Juni 2002 zwischen Lundbeck und Arrow Group geschlossen (im Folgenden: dänische Arrow-Vereinbarung).

38      Die dänische Arrow-Vereinbarung wurde auf eine Laufzeit vom Tag ihrer Unterzeichnung am 3. Juni 2002 bis zum 1. April 2003 oder bis zum Tag einer rechtskräftig gewordenen gerichtlichen Entscheidung über die Verletzungsklage gegen Arrow angelegt, je nachdem, was früher eintrat. Da eine solche Entscheidung nicht erging, war die genannte Vereinbarung vom 3. Juni 2002 bis zum 1. April 2003 in Kraft (im Folgenden: Laufzeit der dänischen Arrow-Vereinbarung).

39      Zum Inhalt der dänischen Arrow-Vereinbarung ist Folgendes festzustellen:

–        Die Erwägungsgründe 1, 3 und 5 bis 9 ihrer Präambel entsprechen im Wesentlichen den Erwägungsgründen 1, 4 und 6 bis 8 der Arrow-UK-Präambel, wobei sich der neunte Erwägungsgrund der dänischen Arrow-Präambel auf die Arrow‑Konsensverfügung bezieht;

–        Art. 1.1 dieser Vereinbarung sieht vor, dass sich „Arrow [Group] … damit einverstanden [erklärt], während der Laufzeit [der dänischen Arrow-Vereinbarung] jede Einfuhr, Herstellung, Produktion, Veräußerung oder sonstige Vermarktung Citalopram enthaltender Erzeugnisse im [dänischen] Hoheitsgebiet, die nach Auffassung von Lundbeck deren Rechte des geistigen Eigentums verletzen, abzubrechen, einzustellen oder davon Abstand zu nehmen“;

–        in Art. 2.1 dieser Vereinbarung heißt es, dass Lundbeck als Entschädigung für die von Arrow Group eingegangenen Verpflichtungen dieser einen Betrag von 500 000 US-Dollar (USD) zahle;

–        Art. 2.2 dieser Vereinbarung sieht vor, dass, falls in einer Endentscheidung im Rahmen der Verletzungsklage gegen Arrow festgestellt werden sollte, dass Arrow Group die Rechte des geistigen Eigentums von Lundbeck nicht verletzt habe, der in Art. 2.1 dieser Vereinbarung vorgesehene Betrag die vollständige Entschädigung darstelle, die Arrow Group von Lundbeck für die Verluste erhalten könne, die ihr aufgrund der sich aus Art. 1.1 der dänischen Arrow-Vereinbarung ergebenden Verpflichtungen möglicherweise entstanden seien;

–        in Art. 3.1 dieser Vereinbarung wird zudem festgelegt, dass Lundbeck von Arrow Group den aus etwa 1 Mio. Tabletten bestehenden Lagerbestand an Citalopram zu einem Preis von 147 000 USD erwirbt.

C –  Vereinbarung mit Alpharma

40      Am 22. Februar 2002 unterzeichnete Lundbeck eine Vereinbarung mit Alpharma (im Folgenden: Alpharma-Vereinbarung) für den Zeitraum ab diesem Tag bis zum 30. Juni 2003 (im Folgenden: Laufzeit der Alpharma-Vereinbarung).

41      Vor Abschluss dieser Vereinbarung – im Januar 2002 – hatte Alpharma bei der Alfred E. Tiefenbacher GmbH & Co. (im Folgenden: Tiefenbacher) einen Vorrat generischer Citalopram-Tabletten erworben, die aus dem von der indischen Gesellschaft Cipla nach deren Verfahren hergestellten API Citalopram (im Folgenden: Citalopram von Cipla oder API von Cipla) entwickelt worden waren, und weitere bestellt.

42      Zur Präambel der Alpharma-Vereinbarung ist u. a. Folgendes festzustellen:

–        Im ersten Erwägungsgrund wird darauf hingewiesen, dass „Lundbeck … Inhaberin von Rechten des geistigen Eigentums [ist], zu denen insbesondere Patente für die Herstellung … des API ‚Citalopram‘ [im gesamten Text der Vereinbarung mit dem Großbuchstaben ‚C‘ geschrieben] gehören, einschließlich der Patente, die in Anhang A dieser Vereinbarung (im Folgenden: Anhang A) wiedergegeben sind“;

–        im zweiten Erwägungsgrund heißt es, dass Lundbeck in sämtlichen Mitgliedstaaten sowie in Norwegen und in der Schweiz – zusammen als das „Gebiet“ definiert – „Citalopram“ enthaltende Arzneimittel herstelle und verkaufe;

–        im dritten und im vierten Erwägungsgrund ist davon die Rede, dass Alpharma in dem „Gebiet“ „Citalopram“ enthaltende Arzneimittel hergestellt oder verkauft habe, und zwar ohne Zustimmung von Lundbeck;

–        im fünften und im sechsten Erwägungsgrund wird erwähnt, dass Lundbeck die Erzeugnisse von Alpharma Labortests unterzogen habe, die triftige Gründe für die Annahme geliefert hätten, dass die für die Herstellung dieser Erzeugnisse verwendeten Produktionsmethoden ihre Rechte des geistigen Eigentums verletzten;

–        im siebten Erwägungsgrund wird darauf hingewiesen, dass Lundbeck am 31. Januar 2002 bei einem britischen Gericht eine Klage (im Folgenden: Verletzungsklage gegen Alpharma) erhoben habe, um eine einstweilige Verfügung „gegen die Verkäufe Citalopram enthaltender Erzeugnisse durch Alpharma wegen Verletzung der Rechte des geistigen Eigentums von Lundbeck“ zu erwirken;

–        Alpharma räumt, wie es im achten Erwägungsgrund heißt, ein, dass die Feststellungen von Lundbeck zutreffen, und verpflichtet sich, „solche Erzeugnisse“ nicht auf den Markt zu bringen;

–        im neunten und im zehnten Erwägungsgrund heißt es, dass Lundbeck

–        „sich damit einverstanden [erklärt], Alpharma eine Entschädigung zu zahlen, um einen Patentrechtsstreit zu vermeiden“, dessen Ausgang sich nicht mit absoluter Sicherheit voraussagen lasse und der teuer und zeitraubend wäre;

–        „sich zur Beilegung des Rechtsstreits damit einverstanden [erklärt], den gesamten Lagerbestand an Citalopram enthaltenden Erzeugnissen von Alpharma zu erwerben und dieser für die genannten Erzeugnisse eine Entschädigung zu zahlen“.

43      Zum Text der Alpharma-Vereinbarung ist u. a. Folgendes festzustellen:

–        In Art. 1.1 heißt es, dass Alpharma und die mit ihr verbundenen Unternehmen „während des [relevanten Zeitraums] jede Einfuhr, … Herstellung … oder Veräußerung Citalopram enthaltender Arzneimittel im Hoheitsgebiet … abbrechen, einstellen und davon Abstand nehmen“ und Lundbeck die Verletzungsklage gegen Alpharma zurücknehme;

–        demselben Artikel zufolge gilt diese nicht für Escitalopram;

–        Art. 1.2 sieht vor, dass sich „Alpharma … bei Verletzung der in [Art. 1.1] festgelegten Verpflichtung oder auf Antrag von Lundbeck freiwillig einer einstweiligen Verfügung irgendeines zuständigen Gerichts in einem beliebigen Land des Gebiets unterwerfen wird“ und Lundbeck eine solche Anordnung erwirken kann, ohne eine Sicherheitsleistung zu hinterlegen;

–        in Art. 1.3 heißt es, dass Lundbeck Alpharma als Ausgleich für die in dieser Vereinbarung vorgesehenen Verpflichtungen und zur Vermeidung der Kosten und der Dauer eines Rechtsstreits einen Betrag von 12 Mio. USD, davon 11 Mio. für die „Citalopram“ enthaltenden Erzeugnisse von Alpharma, in drei Tranchen von jeweils 4 Mio. zahlen werde, und zwar am 31. März 2002, am 31. Dezember 2002 bzw. am 30. Juni 2003;

–        Art. 2.2 zufolge liefert Alpharma Lundbeck spätestens am 31. März 2002 den gesamten Lagerbestand an „Citalopram“ enthaltenden Erzeugnissen, über den sie zu diesem Zeitpunkt verfügen wird, nämlich die 9,4 Mio. Tabletten, die sich bei Abschluss der Alpharma-Vereinbarung bereits in ihrem Besitz befanden, und die 16 Mio. Tabletten, die sie bestellt hatte.

44      Anhang A enthält eine Liste mit 28 Anträgen auf Eintragung von Rechten des geistigen Eigentums, die Lundbeck vor Unterzeichnung der Vereinbarung eingereicht hatte und von denen neun zum besagten Zeitpunkt bereits stattgegeben worden war. Diese Rechte des geistigen Eigentums betrafen die von den Patenten für Kristallisation und Filmdestillation erfassten Verfahren zur Herstellung des API Citalopram.

45      Am 2. Mai 2002 erließ ein britisches Gericht eine Konsensverfügung, mit der das Verletzungsklageverfahren gegen Alpharma wegen des Abschlusses einer Vereinbarung zwischen Lundbeck und – u. a. – Alpharma ausgesetzt wurde und nach der diese und die mit ihr verbundenen Unternehmen „bis zum 30. Juni 2003 in den [Mitgliedstaaten], Norwegen und der Schweiz (‚relevante Gebiete‘) jede Einfuhr, … Herstellung … oder Veräußerung von Arzneimitteln, die Citalopram enthalten, das unter Verwendung der Verfahren hergestellt worden ist, die in [den von den britischen Behörden gewährten Patenten für Kristallisation und Filmdestillation] oder in jedem anderen gleichwertigen, in den relevanten Gebieten erteilten oder beantragten Patent beansprucht werden, … abbrechen, einstellen und davon Abstand nehmen“ (im Folgenden: Alpharma-Konsensverfügung).

D –  Vereinbarung mit Ranbaxy

46      Am 16. Juni 2002 unterzeichnete Lundbeck eine Vereinbarung mit Ranbaxy Laboratories (im Folgenden: Ranbaxy-Vereinbarung) mit einer Laufzeit von 360 Tagen. Gemäß einem am 19. Februar 2003 unterzeichneten Nachtrag (im Folgenden: Ranbaxy-Nachtrag) wurde diese Vereinbarung bis zum 31. Dezember 2003 verlängert. Ihre Gesamtlaufzeit umfasst daher den Zeitraum zwischen dem 16. Juni 2002 und dem 31. Dezember 2003 (im Folgenden: Laufzeit der Ranbaxy-Vereinbarung).

47      In der Präambel der Ranbaxy-Vereinbarung (im Folgenden: Ranbaxy-Präambel) heißt es,

–        Ranbaxy Laboratories habe in Indien zwei Verfahrenspatente für Citalopram beantragt und Citalopram enthaltende Arzneimittel in der Absicht hergestellt, sie – u. a. im EWR – auf den Markt zu bringen (zweiter und dritter Erwägungsgrund der Ranbaxy-Präambel sowie Anhang A der Ranbaxy-Vereinbarung);

–        Lundbeck habe dieses Citalopram Labortests unterzogen und daraus den Schluss gezogen, dass die verwendeten Verfahren das Patent für Amid und das Patent für Jod verletzten, wobei Letzteres noch nicht erteilt worden war (siehe oben, Rn. 19), während Ranbaxy Laboratories das Vorliegen solcher Verletzungen bestreite (Erwägungsgründe 5 bis 8 der Ranbaxy-Präambel);

–        Lundbeck und Ranbaxy Laboratories seien zu einer Vereinbarung gelangt, um einen Patentrechtsstreit zu vermeiden, der teuer und zeitraubend wäre und dessen Ausgang sich nicht mit absoluter Sicherheit voraussagen lasse (neunter Erwägungsgrund der Präambel).

48      In der Ranbaxy-Vereinbarung ist u. a. Folgendes vorgesehen:

–        „Vorbehaltlich der in [der vorliegenden Vereinbarung] vorgesehenen Voraussetzungen und Zahlungen seitens Lundbeck beansprucht Ranbaxy Laboratories während der Laufzeit dieser Vereinbarung keinerlei Recht an der [in deren Präambel genannten] Patentanmeldung oder an irgendeiner von Ranbaxy Laboratories verwendeten Herstellungsmethode und bricht die Herstellung bzw. den Verkauf auf den genannten Methoden basierender Arzneimittel [u. a. im EWR] ab, stellt diese Herstellung bzw. diesen Verkauf ein und nimmt Abstand davon …“ (Art. 1.1 der Ranbaxy-Vereinbarung und Art. 1.0 des Ranbaxy-Nachtrags);

–        „Für den Fall einer Verletzung der in Art. 1.1 vorgesehenen Verpflichtungen oder auf Antrag von Lundbeck“ willigen Ranbaxy Laboratories und Ranbaxy (UK) ein, sich den einstweiligen Anordnungen der zuständigen nationalen Gerichte zu unterwerfen, ohne dass Lundbeck eine Sicherheitsleistung hinterlegen oder eine Verpflichtung eingehen muss, die sich nicht aus der vorliegenden Vereinbarung ergibt (Art. 1.2 der Ranbaxy-Vereinbarung);

–        unter Berücksichtigung der zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung zahlt Lundbeck an Ranbaxy Laboratories in drei über den relevanten Zeitraum gestaffelten Tranchen einen Betrag von 9,5 Mio. USD (Art. 1.3 der Ranbaxy-Vereinbarung und Art. 2.0 des Ranbaxy-Nachtrags);

–        Lundbeck verkauft Ranbaxy Laboratories oder Ranbaxy (UK) Citalopram-Tabletten mit einem Nachlass von 40 % auf den Preis ab Fabrik zum Weiterverkauf auf dem britischen Markt (Art. 1.3 und Anhang B der Ranbaxy-Vereinbarung);

–        Lundbeck und Ranbaxy Laboratories verpflichten sich, gegen die jeweils andere keine Klagen auf der Grundlage irgendeines der weiter oben in der Vereinbarung selbst aufgeführten Patente zu erheben (Art. 1.4 der Ranbaxy-Vereinbarung).

IV –  Vorgehen der Kommission im Arzneimittelsektor und Verwaltungsverfahren

49      Im Oktober 2003 wurde die Kommission vom Konkurrence- og Forbrugerstyrelsen (dänische Wettbewerbs- und Verbraucherbehörde, im Folgenden: KFST) über die fraglichen Vereinbarungen unterrichtet.

50      Da die meisten dieser Vereinbarungen den gesamten EWR oder jedenfalls andere Mitgliedstaaten als das Königreich Dänemark betrafen, wurde vereinbart, dass die Kommission ihre Vereinbarkeit mit dem Wettbewerbsrecht prüfen solle, während der KFST dieser Frage nicht weiter nachgehen würde.

51      Zwischen 2003 und 2006 nahm die Kommission bei Lundbeck und anderen im Arzneimittelsektor tätigen Gesellschaften Nachprüfungen im Sinne von Art. 20 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101 AEUV] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) vor. Darüber hinaus versandte sie an Lundbeck und eine weitere Gesellschaft Auskunftsverlangen im Sinne von Art. 18 Abs. 2 dieser Verordnung.

52      Am 15. Januar 2008 erließ die Kommission den Beschluss über die Einleitung einer Untersuchung des Arzneimittelsektors nach Artikel 17 der Verordnung Nr. 1/2003 (Sache COMP/D2/39.514). Nach dem einzigen Artikel dieses Beschlusses war Gegenstand der Sektoruntersuchung die Markteinführung innovativer und generischer Humanarzneimittel.

53      Am 8. Juli 2009 nahm die Kommission eine Mitteilung an, die eine Zusammenfassung ihres Berichts über die Untersuchung des Arzneimittelsektors zum Gegenstand hatte. Diese Mitteilung enthielt in einem technischen Anhang die vollständige Fassung des genannten Untersuchungsberichts in Form eines Arbeitsdokuments der Kommission, das nur in englischer Sprache zur Verfügung steht.

54      Am 7. Januar 2010 leitete die Kommission das förmliche Prüfverfahren gegen Lundbeck ein.

55      Im Lauf des Jahres 2010 und in der ersten Hälfte des Jahres 2011 versandte die Kommission Auskunftsverlangen an Lundbeck und die anderen an den streitigen Vereinbarungen beteiligten Gesellschaften.

56      Am 24. Juli 2012 leitete die Kommission ein Verfahren gegen die an den streitigen Vereinbarungen beteiligten Gesellschaften ein und übersandte ihnen und Lundbeck eine Mitteilung der Beschwerdepunkte.

57      Sämtliche Adressaten dieser Mitteilung, die einen entsprechenden Antrag gestellt hatten, wurden in den am 14. und 15. März 2013 durchgeführten Anhörungen gehört.

58      Am 12. April 2013 übersandte die Kommission den Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte eine Tatbestandsdarstellung.

59      Der Anhörungsbeauftragte legte am 17. Juni 2013 seinen Abschlussbericht vor.

60      Am 19. Juni 2013 erließ die Kommission den Beschluss C(2013) 3803 final in einem Verfahren nach Art. 101 [AEUV] und Art. 53 des EWR-Abkommens (Sache AT/39226 – Lundbeck) (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

V –  Angefochtener Beschluss

61      Im angefochtenen Beschluss stufte die Kommission die streitigen Vereinbarungen als „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV und Art. 53 Abs. 1 des EWR-Abkommens ein (Art. 1 Abs. 1 des angefochtenen Beschlusses).

62      Die beiden zwischen Merck (GUK) und Lundbeck geschlossenen Vereinbarungen wurden als eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung angesehen, die sich vom 24. Januar 2002 bis zum 1. November 2003 erstreckte.

63      Wie aus der Zusammenfassung in den Erwägungsgründen 824 und 874 des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, stützte sich die Kommission in diesem Zusammenhang u. a. auf folgende Gesichtspunkte:

–        Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarungen seien Lundbeck und Merck (GUK) zumindest potenzielle Wettbewerber im Vereinigten Königreich und im EWR gewesen und vor der zweiten Verlängerung der UK-Vereinbarung tatsächliche Wettbewerber im Vereinigten Königreich;

–        Lundbeck habe aufgrund dieser Vereinbarungen einen erheblichen Vermögenstransfer zugunsten von Merck (GUK) vorgenommen;

–        dieser Vermögenstransfer habe mit der Tatsache, dass Merck (GUK) in den genannten Vereinbarungen enthaltene Markteintrittsschranken akzeptiert habe, und insbesondere mit ihrer Verpflichtung zusammengehangen, während der relevanten Laufzeit dieser Vereinbarungen weder das Citalopram von Natco noch irgendein anderes generisches Citalopram im Vereinigten Königreich und im EWR zu verkaufen;

–        dieser Vermögenstransfer habe in etwa dem Gewinn entsprochen, mit dem Merck (GUK) bei einem erfolgreichen Markteintritt gerechnet habe;

–        mit einer Berufung auf ihre Verfahrenspatente hätte Lundbeck solche Beschränkungen nicht erwirken können, da die Merck (GUK) nach diesen Vereinbarungen obliegenden Verpflichtungen über die Rechte hinausgingen, die Inhabern von Verfahrenspatenten zustünden;

–        diese Vereinbarungen hätten keinerlei Verpflichtung für Lundbeck vorgesehen, für den Fall von der Erhebung einer Verletzungsklage gegen Merck (GUK) abzusehen, dass diese nach Ablauf der genannten Vereinbarungen mit generischem Citalopram in den Markt eingetreten wäre.

64      Die beiden zwischen Arrow und Lundbeck geschlossenen Vereinbarungen wurden als eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung angesehen, die sich vom 24. Januar 2002 bis zum 20. Oktober 2003 erstreckte.

65      Wie aus den Zusammenfassungen in den Erwägungsgründen 962 und 1013 des angefochtenen Beschlusses, die sich auf die Arrow-UK-Vereinbarung bzw. die dänische Arrow-Vereinbarung beziehen, hervorgeht, stützte sich die Kommission u. a. auf folgende Gesichtspunkte:

–        Zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarungen seien Lundbeck und Arrow zumindest potenzielle Wettbewerber im Vereinigten Königreich und in Dänemark gewesen;

–        Lundbeck habe aufgrund dieser Vereinbarungen einen erheblichen Vermögenstransfer zugunsten von Arrow vorgenommen;

–        dieser Vermögenstransfer habe mit der Tatsache, dass Arrow in den genannten Vereinbarungen enthaltene Schranken für ihren Eintritt in den Markt für Citalopram im Vereinigten Königreich und in Dänemark akzeptiert habe, und insbesondere mit der Verpflichtung von Arrow zusammengehangen, während der jeweiligen Laufzeit dieser Vereinbarungen kein generisches Citalopram zu verkaufen, hinsichtlich dessen Lundbeck die Auffassung vertreten habe, dass es ihre Patente verletze;

–        dieser Vermögenstransfer habe im Wesentlichen dem Gewinn entsprochen, den Arrow hätte erzielen können, wenn sie erfolgreich in den Markt eingetreten wäre;

–        bei Anwendung ihrer neuen Patente hätte Lundbeck solche Beschränkungen nicht erwirken können, da die Arrow nach diesen Vereinbarungen obliegenden Verpflichtungen über die Rechte hinausgingen, die dem Inhaber von Verfahrenspatenten zustünden;

–        diese Vereinbarungen hätten keinerlei Verpflichtung für Lundbeck vorgesehen, für den Fall von der Erhebung einer Verletzungsklage gegen Arrow abzusehen, dass diese nach Ablauf einer der genannten Vereinbarungen mit generischem Citalopram im Vereinigten Königreich oder in Dänemark in den Markt eingetreten wäre.

66      Was die Alpharma-Vereinbarung betrifft, stützte sich die Kommission, wie aus der Zusammenfassung im 1087. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, u. a. auf folgende Gesichtspunkte:

–        Zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung seien Lundbeck und Alpharma zumindest potenzielle Wettbewerber in mehreren Ländern des EWR gewesen;

–        Lundbeck habe aufgrund dieser Vereinbarung einen erheblichen Vermögenstransfer zugunsten von Alpharma vorgenommen;

–        dieser Vermögenstransfer habe mit der Tatsache, dass Alpharma in der genannten Vereinbarung enthaltene Schranken für ihren Markteintritt akzeptiert habe, und insbesondere mit der Verpflichtung von Alpharma zusammengehangen, während der relevanten Laufzeit kein generisches Citalopram im EWR zu verkaufen;

–        dieser Vermögenstransfer habe im Wesentlichen dem Gewinn entsprochen, den Alpharma hätte erzielen können, wenn sie erfolgreich in den Markt eingetreten wäre;

–        bei Anwendung der Patente für Kristallisation und Filmdestillation hätte Lundbeck solche Beschränkungen nicht erwirken können, da die Alpharma nach dieser Vereinbarung obliegenden Verpflichtungen über die Rechte hinausgingen, die dem Inhaber von Verfahrenspatenten zustünden;

–        die Vereinbarung habe keinerlei Verpflichtung für Lundbeck vorgesehen, für den Fall von der Erhebung einer Verletzungsklage gegen Alpharma abzusehen, dass diese nach Ablauf der genannten Vereinbarung mit generischem Citalopram in den Markt eingetreten wäre.

67      Was die Ranbaxy-Vereinbarung angeht, stützte sich die Kommission, wie aus der Zusammenfassung im 1174. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, u. a. auf folgende Gesichtspunkte:

–        Zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung seien Lundbeck und Ranbaxy zumindest potenzielle Wettbewerber innerhalb des EWR gewesen;

–        Lundbeck habe aufgrund dieser Vereinbarung einen erheblichen Vermögenstransfer zugunsten von Ranbaxy vorgenommen;

–        dieser Vermögenstransfer habe mit der Tatsache, dass Ranbaxy in der genannten Vereinbarung enthaltene Schranken für ihren Markteintritt akzeptiert habe, und insbesondere mit der Verpflichtung von Ranbaxy zusammengehangen, ihr Citalopram während der relevanten Laufzeit weder herzustellen noch im EWR zu verkaufen, unabhängig davon, ob dies durch ihre eigenen Tochtergesellschaften oder über Dritte erfolge;

–        dieser Vermögenstransfer habe den Gewinn, den Ranbaxy durch den Verkauf von bis dahin hergestelltem generischem Citalopram hätte erzielen können, erheblich überstiegen;

–        mit einer Berufung auf ihre Verfahrenspatente hätte Lundbeck solche Beschränkungen nicht erwirken können, da die Ranbaxy nach dieser Vereinbarung obliegenden Verpflichtungen über die Rechte hinausgingen, die dem Inhaber von Verfahrenspatenten zustünden;

–        die Vereinbarung habe keinerlei Verpflichtung für Lundbeck vorgesehen, für den Fall von der Erhebung einer Verletzungsklage gegen Ranbaxy abzusehen, dass diese nach Ablauf der streitigen Vereinbarung mit ihrem generischen Citalopram in den Markt eingetreten wäre.

68      Die Kommission verhängte zudem Geldbußen gegen sämtliche Parteien der streitigen Vereinbarungen. Zu diesem Zweck griff sie auf die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2, im Folgenden: Leitlinien von 2006) zurück. In Bezug auf Lundbeck folgte die Kommission der in den Leitlinien von 2006 beschriebenen allgemeinen Methode, die auf dem Umsatz beruht, den jeder einzelne Kartellteilnehmer mit dem betreffenden Erzeugnis erzielt (Erwägungsgründe 1316 bis 1358 des angefochtenen Beschlusses). Was die übrigen Parteien der streitigen Vereinbarungen, d. h. die Generikahersteller, angeht, griff sie hingegen auf die in Ziff. 37 dieser Leitlinien vorgesehene Möglichkeit zurück, angesichts der besonderen Umstände des Falles in Bezug auf diese Parteien von der genannten Methode abzuweichen (1359. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

69      So vertrat die Kommission in Bezug auf die Parteien der streitigen Vereinbarungen mit Ausnahme von Lundbeck die Auffassung, dass bei der Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße und zur Sicherstellung einer hinreichend abschreckenden Wirkung dieser Geldbuße die Höhe der Beträge, die Lundbeck ihnen nach Maßgabe der genannten Vereinbarungen überwiesen habe, zu berücksichtigen sei, ohne zwischen den Zuwiderhandlungen nach ihrer Art oder räumlichen Tragweite oder nach Maßgabe der Marktanteile der betreffenden Unternehmen zu unterscheiden; auf diese Faktoren werde im angefochtenen Beschluss nur aus Gründen der Vollständigkeit eingegangen (1361. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

70      Auf Lundbeck wandte die Kommission hingegen die in den Leitlinien von 2006 beschriebene allgemeine Methode an und stützte sich dabei auf den Umsatz auf dem betreffenden Markt. Da die Verkäufe von Citalopram durch Lundbeck während der Laufzeit der streitigen Vereinbarungen erheblich gesunken waren und diese kein vollständiges Geschäftsjahr abdeckten, errechnete die Kommission einen Jahresdurchschnittswert der Verkäufe. Zu diesem Zweck errechnete sie zunächst den monatlichen Durchschnittswert der Verkäufe von Citalopram durch Lundbeck während der Laufzeit jeder einzelnen streitigen Vereinbarung und multiplizierte diesen Wert anschließend mit zwölf (1326. Erwägungsgrund und Fn. 2215 des angefochtenen Beschlusses).

71      Die Kommission erlegte Lundbeck darüber hinaus vier getrennte Geldbußen auf, da sie die sechs streitigen Vereinbarungen so ansah, als hätten sie vier verschiedene Zuwiderhandlungen zur Folge gehabt, was sie damit begründete, dass die beiden Vereinbarungen zwischen Lundbeck und Merck (GUK) – ebenso wie die beiden Vereinbarungen zwischen Lundbeck und Arrow – zu einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung geführt hätten. Um nicht zu einer unverhältnismäßigen Geldbuße zu gelangen, wandte die Kommission in Anbetracht der Umstände des Falles gleichwohl einen Faktor zur Berichtigung nach unten an, der auf einer Methode beruhte, bei der die räumlichen und zeitlichen Überschneidungen zwischen den verschiedenen Zuwiderhandlungen zum Ausdruck kamen (1329. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Diese Methode führte für jede Zuwiderhandlung, bei der Überschneidungen festgestellt wurden, zu einer Ermäßigung um 15 % (Fn. 2218 des angefochtenen Beschlusses).

72      Aufgrund der Schwere der festgestellten Zuwiderhandlungen, die von der Kommission deshalb als „schwer“ eingestuft wurden, weil sie einen Marktausschluss mit sich gebracht hätten, des hohen Marktanteils von Lundbeck bei den von diesen Zuwiderhandlungen erfassten Erzeugnissen, der sehr großen räumlichen Tragweite der streitigen Vereinbarungen und der Tatsache, dass sämtliche Vereinbarungen umgesetzt worden seien, vertrat die Kommission die Auffassung, der zur Anwendung zu bringende Anteil am Umsatz sei für die Zuwiderhandlungen, deren räumliche Tragweite den gesamten EWR umfasst habe, auf 11 % und für die übrigen Zuwiderhandlungen auf 10 % festzusetzen (Erwägungsgründe 1331 und 1332 des angefochtenen Beschlusses).

73      Auf diesen Betrag wandte die Kommission einen Multiplikationskoeffizienten an, um der Dauer der Zuwiderhandlungen Rechnung zu tragen (Erwägungsgründe 1334 bis 1337 des angefochtenen Beschlusses), und nach Ziff. 25 der Leitlinien von 2006 einen Zusatzbetrag von 10 % für die erste begangene Zuwiderhandlung, nämlich die mit Arrow geschlossenen Vereinbarungen, um sicherzustellen, dass die gegen die Klägerinnen verhängten Geldbußen eine hinreichend abschreckende Wirkung entfalteten (1340. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

74      Unter Berücksichtigung der Gesamtdauer der Untersuchung gewährte die Kommission gleichwohl eine Ermäßigung von 10 % des Betrags der gegen sämtliche Adressaten des angefochtenen Beschlusses verhängten Geldbußen (Erwägungsgründe 1349 und 1380 des angefochtenen Beschlusses).

75      Aufgrund dieser Erwägungen und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich von der Lundbeck Ltd unterzeichnet worden war, verhängte die Kommission gegen Lundbeck eine Geldbuße von insgesamt 93 766 000 Euro, davon 5 306 000 Euro gesamtschuldnerisch mit der Lundbeck Ltd, die sich wie folgt zusammensetzt (Erwägungsgründe 1238 und 1358 sowie Art. 2 des angefochtenen Beschlusses):

–        19 893 000 Euro für die Vereinbarungen mit Merck (GUK), davon 5 306 000 Euro gesamtschuldnerisch mit der Lundbeck Ltd;

–        12 951 000 Euro für die Vereinbarungen mit Arrow;

–        31 968 000 Euro für die Vereinbarung mit Alpharma;

–        28 954 000 Euro für die Vereinbarung mit Ranbaxy.

 Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten

76      Mit Klageschrift, die am 30. August 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen – Lundbeck und die Lundbeck Ltd – die vorliegende Klage erhoben.

77      Mit Beschluss des Präsidenten der Neunten Kammer der Gerichts vom 20. Mai 2014 ist die European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (im Folgenden: EFPIA oder Streithelferin) im vorliegenden Verfahren als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerinnen zugelassen worden.

78      Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991 sind die Hauptparteien aufgefordert worden, sich im Rahmen ihrer Stellungnahme zum Streithilfeschriftsatz der EFPIA schriftlich zu den möglichen Auswirkungen des Urteils vom 11. September 2014, CB/Kommission (C‑67/13 P, EU:C:2014:2204), auf die vorliegende Rechtssache zu äußern.

79      Die Hauptparteien haben ihre Stellungnahmen mit am 15. Januar 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Schriftsätzen fristgerecht eingereicht.

80      Das schriftliche Verfahren ist am selben Tag abgeschlossen worden.

81      Das Gericht (Neunte Kammer) hat auf Vorschlag des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und den Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 seiner Verfahrensordnung Fragen zur schriftlichen Beantwortung gestellt.

82      Diese haben die genannten Fragen mit am 30. Oktober 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Schriftsätzen fristgerecht beantwortet.

83      Die Parteien haben in der Sitzung vom 26. November 2015 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

84      Die Klägerinnen beantragen,

–        der Kommission im Wege der Beweiserhebung die Vorlage unbereinigter Fassungen ihres Schriftverkehrs mit dem KFST aufzugeben;

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        hilfsweise, die ihnen mit diesem Beschluss auferlegten Geldbußen aufzuheben;

–        höchst hilfsweise, diese Geldbußen erheblich herabzusetzen;

–        in jedem Fall die Kommission zu verurteilen, die ihnen entstandenen Kosten zu tragen;

–        jede andere vom Gericht für angemessen erachtete Maßnahme zu ergreifen.

85      Die Kommission beantragt,

–        die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        die Klägerinnen zur Tragung der Kosten mit Ausnahme der Kosten der Streithelferin zu verurteilen;

–        zu beschließen, dass die Streithelferin ihre eigenen Kosten trägt.

86      Die Streithelferin beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit er die Klägerinnen betrifft;

–        die Kommission zur Tragung der Kosten der Streithelferin zu verurteilen.

87      Zum Antrag der Klägerinnen, der Kommission im Wege der Beweiserhebung die Vorlage unbereinigter Fassungen ihres Schriftverkehrs mit dem KFST aufzugeben, ist festzustellen, dass die Klägerinnen nach der spontanen Übermittlung dieser Dokumente im Rahmen des vorliegenden Klageverfahrens in der Sitzung bestätigt haben, diesen Antrag nicht aufrechterhalten zu wollen.

 Rechtliche Würdigung

88      Die Klägerinnen stützen ihre Klage auf zehn Gründe. Diese sind in der Reihenfolge zu prüfen, in der sie angeführt worden sind.

I –  Erster Klagegrund: Rechts- und Beurteilungsfehler, soweit im angefochtenen Beschluss die Auffassung vertreten wird, die Generikahersteller und Lundbeck seien zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen zumindest potenzielle Wettbewerber gewesen

89      Die Klägerinnen machen geltend, im angefochtenen Beschluss werde bei der Feststellung, ob eine Vereinbarung den potenziellen Wettbewerb beschränke, was das Bestehen wirklicher und konkreter Möglichkeiten voraussetze, ohne die Vereinbarung in den Markt einzutreten, die einschlägige Rechtsprechung falsch ausgelegt; die Kommission habe insoweit wesentliche Tatsachen verkannt.

90      Vor der Prüfung des Vorbringens der Klägerinnen sind kurz die einschlägige Rechtsprechung und der von der Kommission im angefochtenen Beschluss gewählte Ansatz zum potenziellen Wettbewerb zwischen Lundbeck und den Generikaherstellern darzustellen.

A –  Prüfung des potenziellen Wettbewerbs im angefochtenen Beschluss

91      In den Erwägungsgründen 615 bis 620 des angefochtenen Beschlusses befasst sich die Kommission mit den besonderen Merkmalen des Arzneimittelsektors und unterscheidet zwei Phasen, in denen in diesem Sektor potenzieller Wettbewerb bestehen könne.

92      Die erste Phase könne mehrere Jahre vor Ablauf des Patents für einen API anlaufen, wenn Generikahersteller, die eine generische Version des betreffenden Arzneimittels in den Markt einführen wollten, mit der Entwicklung tragfähiger Herstellungsverfahren begännen, die zu einem Erzeugnis führten, das den gesetzlichen Anforderungen entspreche. Zur Vorbereitung seines tatsächlichen Markteintritts müsse der Generikahersteller in einer zweiten Phase sodann eine Genehmigung für das Inverkehrbringen (im Folgenden: Zulassung) im Sinne der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311, S. 67) einholen, sich bei einem oder mehreren Generikaherstellern Tabletten beschaffen oder sie selbst herstellen und Händler finden oder sein eigenes Vertriebsnetz aufbauen, d. h. eine Reihe vorbereitender Schritte unternehmen, ohne die es nie tatsächlichen Wettbewerb auf dem Markt gäbe.

93      Der baldige Ablauf des Patents für einen API setze somit einen dynamischen Wettbewerbsprozess in Gang, in dessen Verlauf die verschiedenen Unternehmen, die Generika herstellten, miteinander konkurrierten, um als Erste in den Markt einzutreten. Das Unternehmen, dem es als Erstem gelinge, in den Markt einzutreten, könne nämlich beträchtliche Gewinne erzielen, bevor sich der Wettbewerb intensiviere und die Preise drastisch fielen. Deshalb seien diese Unternehmen bereit, erhebliche Investitionen zu tätigen und große Risiken einzugehen, um als Erste in den Markt für das betreffende Erzeugnis einzutreten, sobald das Patent für den betreffenden API erlösche.

94      Im Rahmen dieser beiden Phasen des potenziellen Wettbewerbs seien Unternehmen, die Generika herstellten oder verkaufen wollten, oftmals mit Fragen des Patentrechts und des Rechts des geistigen Eigentums konfrontiert. Gleichwohl fänden sie im Allgemeinen ein Mittel, um jegliche Verletzung bestehender Patente, etwa von Verfahrenspatenten, zu vermeiden. Sie verfügten in diesem Zusammenhang nämlich über mehrere Optionen, wie die Möglichkeit, eine Feststellung der Nichtverletzung zu beantragen, oder „Hindernisse zu beseitigen“, indem sie den Originalpräparatehersteller über ihre Absicht unterrichteten, in den Markt einzutreten. Sie könnten ihre Erzeugnisse auch „mit Risiko“ in den Markt einführen, indem sie sich gegen etwaige Behauptungen, dass eine Patentverletzung vorliege, verteidigten oder Widerklage erhöben, um die Gültigkeit der zur Stützung einer Verletzungsklage geltend gemachten Patente in Frage zu stellen. Schließlich könnten sie auch mit ihrem API-Hersteller zusammenarbeiten, um das Herstellungsverfahren zu verändern oder das Risiko einer Patentverletzung zu verringern, oder aber zu einem anderen API-Hersteller wechseln, um ein solches Risiko zu vermeiden.

95      In den Erwägungsgründen 621 bis 623 des angefochtenen Beschlusses weist die Kommission darauf hin, dass im vorliegenden Fall die ursprünglichen Patente von Lundbeck in den meisten Ländern des EWR im Januar 2002 abgelaufen seien. Dies habe einen dynamischen Wettbewerbsprozess in Gang gesetzt, in dem mehrere Unternehmen, die Generika herstellten oder verkauften, Schritte unternommen hätten, um als Erste in den Markt einzutreten. Lundbeck habe diese Bedrohung bereits im Dezember 1999 erkannt, als sie in ihrem Strategieplan für das Jahr 2000 geschrieben habe, dass „Generika … bis 2002 wahrscheinlich einen bedeutenden Marktanteil beim Absatz von Cipramil erringen [würden]“. Auch im Dezember 2001 habe Lundbeck in ihrem Strategieplan für das Jahr 2002 geschrieben, sie rechne damit, dass insbesondere der Markt des Vereinigten Königreichs vom Wettbewerb durch Generika hart getroffen werde. Vor diesem Hintergrund gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass die Generikahersteller zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen einen Wettbewerbsdruck auf Lundbeck ausgeübt hätten.

96      Die Tatsache, dass Patente angefochten würden, sei, so die Kommission in den Erwägungsgründen 624 bis 633 des angefochtenen Beschlusses weiter, ein Ausdruck des potenziellen Wettbewerbs im Arzneimittelsektor. In diesem Zusammenhang seien Unternehmen, die Generika verkaufen wollten, im EWR nicht verpflichtet, nachzuweisen, dass ihre Erzeugnisse kein Patent verletzten, um eine Zulassung zu erhalten oder mit dem Vertrieb dieser Erzeugnisse zu beginnen. Es sei Sache des Originalpräparateherstellers, den Beweis dafür zu erbringen, dass diese Erzeugnisse – zumindest auf den ersten Blick – eines seiner Patente verletzten, damit ein Gericht dem betreffenden Unternehmen aufgeben könne, seine Erzeugnisse nicht mehr auf dem Markt zu verkaufen. Im vorliegenden Fall vertrat die Kommission jedoch die Auffassung, das Patent für Kristallisation, auf das sich Lundbeck im Wesentlichen gestützt habe, um Generika den Markteintritt im Vereinigten Königreich zu versperren, werde mit einer Wahrscheinlichkeit von bis zu 60 % von einem Gericht für ungültig erklärt werden und von den Generikaherstellern als wenig innovativ wahrgenommen, und stützte sich dabei u. a. auf die Bewertungen der Parteien der streitigen Vereinbarungen. Unter diesen Umständen sei die Tatsache, dass die Generikahersteller „mit Risiko“ in den Markt einträten und sich möglicherweise Verletzungsklagen seitens Lundbeck gegenübersähen, Ausdruck eines potenziellen Wettbewerbs. Daher gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass sich mit den Verfahrenspatenten von Lundbeck nicht sämtliche den Generikaherstellern offenstehenden Möglichkeiten zum Markteintritt blockieren ließen.

97      Im 635. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses stellt die Kommission fest, dass im vorliegenden Fall acht mögliche Zugangswege zum Markt bestünden, nämlich

–        erstens das Erzeugnis „mit Risiko“ in den Markt einzuführen und mögliche Verletzungsklagen seitens Lundbeck in Kauf zu nehmen;

–        zweitens Anstrengungen zu unternehmen, um vor dem Markteintritt – insbesondere im Vereinigten Königreich – mit dem Originalpräparatehersteller „die Hindernisse zu beseitigen“;

–        drittens vor dem Markteintritt bei einem nationalen Gericht eine Feststellung der Nichtverletzung zu beantragen;

–        viertens im Rahmen einer Widerklage im Anschluss an eine Verletzungsklage des Originalpräparateherstellers vor einem nationalen Gericht die Ungültigkeit eines Patents geltend zu machen;

–        fünftens vor den zuständigen nationalen Behörden oder dem EPA ein Patent mit dem Antrag anzufechten, dieses Patent zu widerrufen oder zu beschränken;

–        sechstens mit dem gegenwärtigen API-Hersteller oder seinem Lieferanten zusammenzuarbeiten, um das Verfahren des API-Herstellers so zu verändern, dass das Risiko einer Verletzung der Verfahrenspatente des Originalpräparateherstellers beseitigt oder verringert werde;

–        siebtens im Rahmen einer bestehenden Liefervereinbarung zu einem anderen API-Hersteller zu wechseln;

–        achtens außerhalb einer bestehenden Liefervereinbarung zu einem anderen API-Hersteller zu wechseln, sei es, weil diese Vereinbarung es gestatte, sei es, weil eine ausschließliche Liefervereinbarung möglicherweise für ungültig erklärt werden könnte, wenn in Bezug auf den API festgestellt werden sollte, dass er die Verfahrenspatente von Lundbeck verletze.

B –  Anwendbare Grundsätze und Rechtsprechung

1.     Begriff des potenziellen Wettbewerbs

98      Zunächst ist festzustellen, dass Art. 101 Abs. 1 AEUV wegen der in ihm genannten Voraussetzungen der Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten und der Auswirkungen auf den Wettbewerb nur für dem Wettbewerb geöffnete Wirtschaftszweige gilt (vgl. Urteil vom 29. Juni 2012, E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, T‑360/09, EU:T:2012:332, Rn. 84 und die dort angeführte Rechtsprechung).

99      Nach der Rechtsprechung stützt sich die Untersuchung der Wettbewerbsbedingungen auf einem bestimmten Markt nicht nur auf den gegenwärtigen Wettbewerb, den sich die auf dem relevanten Markt bereits tätigen Unternehmen liefern, sondern auch auf den potenziellen Wettbewerb, damit ermittelt werden kann, ob unter Berücksichtigung der Struktur des Marktes sowie des wirtschaftlichen und des rechtlichen Kontexts seiner Funktionsweise tatsächliche und konkrete Möglichkeiten bestehen, dass die betroffenen Unternehmen untereinander in Wettbewerb stehen oder dass ein neuer Wettbewerber auf dem relevanten Markt auftreten und den etablierten Unternehmen Konkurrenz machen kann (Urteile vom 15. September 1998, European Night Services u. a./Kommission, T‑374/94, T‑375/94, T‑384/94 und T‑388/94, EU:T:1998:198, Rn. 137, vom 14. April 2011, Visa Europe und Visa International Service/Kommission, T‑461/07, EU:T:2011:181, Rn. 68, sowie E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, oben in Rn. 98 angeführt, EU:T:2012:332, Rn. 85).

100    Um zu ermitteln, ob ein Unternehmen ein potenzieller Wettbewerber auf einem Markt ist, hat die Kommission zu prüfen, ob ohne den Abschluss der von ihr untersuchten Vereinbarung tatsächliche und konkrete Möglichkeiten bestanden hätten, dass das Unternehmen in den genannten Markt eintreten und den dort etablierten Unternehmen Konkurrenz machen konnte. Um dies darzutun, genügt keine bloße Annahme, sondern es müssen dafür tatsächliche Gegebenheiten oder eine Untersuchung der Strukturen des relevanten Marktes angeführt werden. So kann ein Unternehmen nicht als potenzieller Wettbewerber eingestuft werden, wenn sein Markteintritt nicht mit einer lebensfähigen wirtschaftlichen Strategie einhergeht (vgl. Urteil E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, oben in Rn. 98 angeführt, EU:T:2012:332, Rn. 86 und die dort angeführte Rechtsprechung).

101    Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass zwar die Markterschließungsabsicht eines Unternehmens für die Prüfung, ob es als potenzieller Wettbewerber auf dem betreffenden Markt angesehen werden kann, gegebenenfalls von Bedeutung ist, dass aber der wesentliche Gesichtspunkt, auf dem eine solche Einstufung beruhen muss, in der Markteintrittsfähigkeit des Unternehmens besteht (vgl. Urteil E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, oben in Rn. 98 angeführt, EU:T:2012:332, Rn. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung).

102    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass eine Beschränkung des potenziellen Wettbewerbs, der im bloßen Vorhandensein eines marktfremden Unternehmens bestehen kann, nicht von dem Nachweis abhängen kann, dass dieses Unternehmen eine baldige Markterschließung beabsichtigt. Das Unternehmen kann nämlich allein durch sein Vorhandensein auf die aktuell auf dem betreffenden Markt tätigen Unternehmen einen Wettbewerbsdruck auslösen, der in der Gefahr des Markteintritts eines neuen Wettbewerbers im Fall einer Steigerung der Marktanziehungskraft besteht (Urteil Visa Europe und Visa International Service/Kommission, oben in Rn. 99 angeführt, EU:T:2011:181, Rn. 169).

103    Zudem ist, wie die Rechtsprechung auch klargestellt hat, allein die Tatsache, dass ein auf einem Markt bereits tätiges Unternehmen versucht, Vereinbarungen mit Unternehmen abzuschließen, die auf diesem Markt nicht tätig sind, oder Mechanismen für den Austausch von Informationen mit solchen Unternehmen zu schaffen, ein ernsthafter Anhaltspunkt dafür, dass ein Eindringen in den betreffenden Markt nicht unmöglich ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Juli 2011, Hitachi u. a./Kommission, T‑112/07, EU:T:2011:342, Rn. 226, und vom 21. Mai 2014, Toshiba/Kommission, T‑519/09, EU:T:2014:263, Rn. 231).

104    Auch wenn aus dieser Rechtsprechung hervorgeht, dass sich die Kommission bei der Prüfung der Frage, ob andere Unternehmen potenzielle Wettbewerber des auf dem Markt tätigen Unternehmens sind, u. a. auf dessen Wahrnehmung stützen kann, genügt die rein theoretische Möglichkeit eines Markteintritts gleichwohl nicht, um das Bestehen eines potenziellen Wettbewerbs darzutun. Die Kommission muss daher durch tatsächliche Gegebenheiten oder eine Analyse der Strukturen des relevanten Marktes dartun, dass der Markteintritt so schnell hätte erfolgen können, dass die Gefahr eines potenziellen Markteintritts Druck auf das Verhalten der Marktteilnehmer ausgeübt hätte, oder dass der Markteintritt zu wirtschaftlich vertretbaren Kosten möglich gewesen wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, oben in Rn. 98 angeführt, EU:T:2012:332, Rn. 106 und 114).

2.     Beweislast

105    Nach der Rechtsprechung – ebenso wie nach Art. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 – hat die Partei oder Behörde, die den Vorwurf einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln erhebt, diesen Vorwurf zu beweisen. Daher muss die Kommission bei Streitigkeiten über das Vorliegen einer Zuwiderhandlung die von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen beweisen und die Beweismittel beibringen, durch die das Vorliegen der eine Zuwiderhandlung darstellenden Tatsachen rechtlich hinreichend bewiesen wird (vgl. Urteil vom 12. April 2013, CISAC/Kommission, T‑442/08, EU:T:2013:188, Rn. 91 und die dort angeführte Rechtsprechung).

106    Hat das Gericht insoweit Zweifel, so muss dies dem Unternehmen zugutekommen, an das sich die Entscheidung richtet, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird. Das Gericht kann daher nicht darauf schließen, dass die Kommission das Vorliegen der betreffenden Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, wenn es in dieser Hinsicht noch Zweifel hat; dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um eine Klage auf Nichtigerklärung einer Entscheidung zur Verhängung einer Geldbuße handelt (vgl. Urteil CISAC/Kommission, oben in Rn. 105 angeführt, EU:T:2013:188, Rn. 92 und die dort angeführte Rechtsprechung).

107    Insoweit ist nämlich die Unschuldsvermutung zu berücksichtigen, wie sie sich insbesondere aus Art. 48 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ergibt. Angesichts der Art der fraglichen Zuwiderhandlungen sowie der Art und der Schwere der Sanktionen, die ihretwegen verhängt werden können, gilt die Unschuldsvermutung auch in Verfahren wegen Verletzung der für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln, in denen Geldbußen oder Zwangsgelder verhängt werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil CISAC/Kommission, oben in Rn. 105 angeführt, EU:T:2013:188, Rn. 93 und die dort angeführte Rechtsprechung).

108    Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Feststellung, dass eine natürliche oder juristische Person an einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln beteiligt gewesen ist, für diese eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung ihres Rufes darstellt (vgl. Urteil CISAC/Kommission, oben in Rn. 105 angeführt, EU:T:2013:188, Rn. 95 und die dort angeführte Rechtsprechung).

109    Daher muss die Kommission aussagekräftige und übereinstimmende Beweise beibringen, um das Vorliegen der Zuwiderhandlung nachzuweisen und die feste Überzeugung zu begründen, dass die behaupteten Verstöße eine Einschränkung des Wettbewerbs im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV darstellen (vgl. Urteil CISAC/Kommission, oben in Rn. 105 angeführt, EU:T:2013:188, Rn. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung).

110    Jedoch muss nicht jeder von der Kommission erbrachte Beweis notwendigerweise für jeden Teil der Zuwiderhandlung diesen Kriterien entsprechen. Es genügt, wenn ein von der Kommission angeführtes Bündel von Indizien im Ganzen betrachtet dem genannten Erfordernis entspricht (vgl. Urteil CISAC/Kommission, oben in Rn. 105 angeführt, EU:T:2013:188, Rn. 97 und die dort angeführte Rechtsprechung).

111    Schließlich ist festzustellen, dass ein Unternehmen, für das die Kommission nachweist, dass es an einer wettbewerbswidrigen Maßnahme teilgenommen hat, eine andere Erklärung für sein Verhalten liefern muss, indem es nicht nur auf nicht zugänglich gemachte Schriftstücke, sondern auch auf alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel zurückgreift (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, EU:C:2004:6, Rn. 79 und 132).

112    Verfügt die Kommission über schriftliche Beweise für eine wettbewerbswidrige Maßnahme, können sich die betreffenden Unternehmen indes nicht darauf beschränken, Umstände geltend zu machen, die den von der Kommission festgestellten Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen lassen und damit eine andere Erklärung dieses Sachverhalts ermöglichen, als sie die Kommission gegeben hat. Bei Vorliegen schriftlicher Beweise können sich diese Unternehmen nämlich nicht damit begnügen, eine vermeintlich andere Erklärung für den von der Kommission festgestellten Sachverhalt zu geben, sondern müssen diese Tatsachen, die durch die von der Kommission vorgelegten Schriftstücke nachgewiesen sind, entkräften (vgl. in diesem Sinne Urteil CISAC/Kommission, oben in Rn. 105 angeführt, EU:T:2013:188, Rn. 99 und die dort angeführte Rechtsprechung).

3.     Umfang der Kontrolle durch das Gericht

113    Art. 263 AEUV bedingt, dass der Unionsrichter sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht eine Kontrolle der vom Kläger gegen die angefochtene Entscheidung vorgebrachten Argumente vornimmt und befugt ist, die Beweise zu würdigen und diese Entscheidung für nichtig zu erklären. Auch wenn der Kommission in Bereichen, in denen es komplexer wirtschaftlicher Beurteilungen bedarf, ein Wertungsspielraum zusteht, bedeutet dies daher nicht, dass der Unionsrichter eine Kontrolle der Auslegung von Wirtschaftsdaten durch die Kommission zu unterlassen hat. Der Unionsrichter muss nämlich nicht nur die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse untermauern können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Juli 2014, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, C‑295/12 P, EU:C:2014:2062, Rn. 53 und 54 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

114    Im Licht dieser Erwägungen ist das Vorbringen der Klägerinnen zum Fehlen eines potenziellen Wettbewerbs zwischen ihnen und den Generikaherstellern zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen zu prüfen.

C –  Erster Teil: Die Markteinführung von Arzneimitteln unter Verletzung der Rechte des geistigen Eigentums Dritter sei kein Ausdruck eines potenziellen Wettbewerbs im Sinne von Art. 101 AEUV

115    Die Klägerinnen tragen vor, der angefochtene Beschluss sei insoweit mit einem Rechtsfehler behaftet, als in ihm die Auffassung vertreten werde, die Markteinführung von Arzneimitteln unter Verletzung der Rechte des geistigen Eigentums Dritter sei Ausdruck eines potenziellen Wettbewerbs im Sinne von Art. 101 AEUV. Es sei mit dem Patentschutz und den sich daraus ergebenden Ausschließlichkeitsrechten unvereinbar, das Bestehen eines potenziellen Wettbewerbs auf die Hypothese einer Markteinführung von Generika mit dem Risiko einer Verletzungsklage auf der Grundlage der Patente dieser Dritten zu stützen. Art. 101 AEUV schütze lediglich den lauteren Wettbewerb, und einen solchen könne es nicht geben, wenn ein Ausschließlichkeitsrecht – wie ein Patent – dem Markteintritt rechtlich oder tatsächlich entgegenstehe.

116    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

117    Es ist darauf hinzuweisen, dass sich der spezifische Gegenstand des gewerblichen Eigentums namentlich dahin kennzeichnen lässt, dass der Inhaber zum Ausgleich für seine schöpferische Erfindertätigkeit das ausschließliche Recht erlangt, gewerbliche Erzeugnisse herzustellen und in den Verkehr zu bringen, mithin die Erfindung entweder selbst oder im Wege der Lizenzvergabe an Dritte zu verwerten, und dass er ferner das Recht erlangt, sich gegen jegliche Zuwiderhandlung zur Wehr zu setzen (Urteil vom 31. Oktober 1974, Centrafarm und de Peijper, 15/74, EU:C:1974:114, Rn. 9).

118    Die Rechtsprechung schließt jedoch keineswegs die Anwendung von Art. 101 Abs. 1 AEUV auf Vergleiche aus, die im Bereich des Patentrechts geschlossen werden können. Sie sieht im Gegenteil vor, dass die von der Gesetzgebung eines Mitgliedstaats anerkannten gewerblichen Schutzrechte zwar durch diesen Artikel in ihrem Bestand nicht berührt werden, ihre Ausübung aber unter die in ihm ausgesprochenen Verbote fallen kann. Dies ist der Fall, wenn sich herausstellt, dass die Ausübung eines solchen Rechts Gegenstand, Mittel oder Folge einer Kartellabsprache ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Centrafarm und de Peijper, oben in Rn. 117 angeführt, EU:C:1974:114, Rn. 39 und 40).

119    Auch ist es nach der Rechtsprechung zwar nicht Sache der Kommission, den Schutzbereich eines Patents zu bestimmen, doch kann sie sich in dieser Hinsicht nicht jeder Beurteilung enthalten, wenn dieser Schutzbereich für die Frage von Bedeutung ist, ob eine Verletzung der Art. 101 und 102 AEUV vorliegt (Urteil vom 25. Februar 1986, Windsurfing International/Kommission, 193/83, im Folgenden: Urteil Windsurfing, EU:C:1986:75, Rn. 26). Der Gerichtshof hat darüber hinaus klargestellt, dass sich der spezifische Gegenstand des Patents nicht in dem Sinne auslegen lässt, dass er auch gegen Angriffe auf das Patent Schutz gewährt, denn es liegt im öffentlichen Interesse, alle Hindernisse für die Wirtschaftstätigkeit auszuräumen, die sich aus einem zu Unrecht erteilten Patent ergeben (Urteil Windsurfing, EU:C:1986:75, Rn. 92).

120    Im vorliegenden Fall beruht das Argument der Klägerinnen jedoch auf der falschen Prämisse, dass die Generikahersteller ohne jeden Zweifel ihre Patente verletzten und diese Patente sicherlich den Ungültigkeitseinreden standgehalten hätten, die von diesen Herstellern im Rahmen etwaiger Verletzungsklagen möglicherweise erhoben worden wären.

121    Auch wenn es zutrifft, dass Patente als gültig gelten, solange sie nicht von einer dafür zuständigen Behörde oder einem dafür zuständigen Gericht ausdrücklich widerrufen oder für ungültig erklärt werden, kann eine solche Gültigkeitsvermutung einer Vermutung der Rechtswidrigkeit von Generika, die wirksam in den Verkehr gebracht worden sind, der Patentinhaber aber für rechtsverletzend hält, nämlich nicht gleichgesetzt werden.

122    Wie die Kommission zu Recht geltend macht, ohne dass die Klägerinnen dem entgegengetreten wären, hatten diese bei einem Markteintritt der Generika im vorliegenden Fall vor den nationalen Gerichten nachzuweisen, dass die besagten Generika eines ihrer Verfahrenspatente verletzten, da ein riskanter Markteintritt als solcher nicht rechtswidrig ist. Im Fall einer von Lundbeck gegen die Generikahersteller erhobenen Verletzungsklage hätten Letztere darüber hinaus die Gültigkeit des von Lundbeck geltend gemachten Patents im Rahmen einer Widerklage anfechten können. Solche Klagen sind auf dem Gebiet des Patentrechts häufig und führen in vielen Fällen dazu, dass das Verfahrenspatent, auf das sich der Patentinhaber beruft, für ungültig erklärt wird (vgl. Erwägungsgründe 75 und 76 des angefochtenen Beschlusses). Wie sich aus den in den Erwägungsgründen 157 und 745 des angefochtenen Beschlusses angeführten Beweismitteln ergibt, ging Lundbeck selbst mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % bis 60 % davon aus, dass dies beim Patent für Kristallisation der Fall sein würde.

123    Aus dem angefochtenen Beschluss geht ferner klar hervor, dass sich die Kommission zum Nachweis des Bestehens eines potenziellen Wettbewerbs im vorliegenden Fall auf die in den Urteilen European Night Services u. a./Kommission (oben in Rn. 99 angeführt, EU:T:1998:198) sowie Visa Europe und Visa International Service/Kommission (oben in Rn. 99 angeführt, EU:T.2011:181) entwickelte Rechtsprechung gestützt hat, wonach zu ermitteln ist, ob unter Berücksichtigung der Struktur des Marktes sowie des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts seiner Funktionsweise tatsächliche und konkrete Möglichkeiten bestehen, dass die betroffenen Unternehmen untereinander in Wettbewerb stehen oder dass ein neuer Wettbewerber auf dem relevanten Markt auftreten und den eingesessenen Unternehmen Konkurrenz machen kann (Erwägungsgründe 610 und 611 des angefochtenen Beschlusses).

124    Angesichts der oben in Rn. 122 aufgeführten Elemente ist insoweit festzustellen, dass die Kommission fehlerfrei der Ansicht war, die Verfahrenspatente von Lundbeck stellten nicht zwangsläufig unüberwindbare Hindernisse für Generikahersteller dar (vgl. in diesem Sinne Urteil Toshiba/Kommission, oben in Rn. 103 angeführt, EU:T:2014:263, Rn. 230), die willens und bereit seien, in den Markt für Citalopram einzutreten, und zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen bereits erhebliche Investitionen zu diesem Zweck getätigt hätten.

125    Die Klägerinnen hätten zwar in bestimmten Fällen möglicherweise vor den zuständigen Gerichten obsiegt und Anordnungen oder Schadensersatz gegen die Generikahersteller erstritten. Den im angefochtenen Beschluss enthaltenen Beweismitteln lässt sich jedoch entnehmen, dass die einzelnen Generikahersteller eine solche Möglichkeit seinerzeit nicht als eine hinreichend glaubhafte Bedrohung für sich wahrnahmen. So hatte Merck (GUK) nach der Veröffentlichung des Patents für Kristallisation von Lundbeck beispielsweise die Ansicht vertreten, dass das Citalopram von Natco „nicht streitig ist“, „keine der veröffentlichten Patentanmeldungen … ein Problem aufwirft“ und es nach Aussagen von Experten „patentrechtlich kein Problem“ gebe (Erwägungsgründe 237, 248 und 334 des angefochtenen Beschlusses).

126    Außerdem bestand darüber, dass die Klägerinnen bei einem Markteintritt der Generika tatsächlich gerichtliche Schritte einleiten würden, keinerlei Gewissheit. Im angefochtenen Beschluss wird zwar eingeräumt, dass sie eine allgemeine Strategie auf den Weg gebracht hatten, die darin bestand, mit Verletzungsklagen zu drohen oder auf der Grundlage ihrer Verfahrenspatente solche Klagen zu erheben. Gleichwohl hing jede Entscheidung über ein gerichtliches Vorgehen von der Frage ab, für wie wahrscheinlich es die Klägerinnen hielten, dass eine Klage erfolgreich sein und ein in den Verkehr gebrachtes Generikum als Verletzung eines ihrer Patente angesehen würde. Ihnen war jedoch sehr wohl bewusst, dass die „Generikahersteller … Citalopram unter Anwendung des in [ihrem] ursprünglichen Patent für den API … beschriebenen Verfahrens [hätten] herstellen oder in die Entwicklung eines vollkommen neuen Verfahrens [hätten] investieren können“ (150. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Darüber hinaus wusste Lundbeck, dass, sollten Widerklagen erhoben werden, das Patent für Kristallisation nicht „das solideste Patent“ war und von einigen ihrer Rivalen als „Sekundarschulchemie“ betrachtet wurde (149. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

127    Schließlich ist zu beachten, dass die ursprünglichen Patente von Lundbeck im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen bereits ausgelaufen waren und das Patent für Kristallisation zum Zeitpunkt des Abschlusses der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich und der Arrow-UK-Vereinbarung im Vereinigten Königreich noch nicht im Sinne von Art. 25 des UK Patents Act 1977 (Patentgesetz des Vereinigten Königreichs von 1977) endgültig gewährt worden war. Es wäre somit, wenn nicht unmöglich, so doch zumindest wenig wahrscheinlich gewesen, dass im Vereinigten Königreich zugunsten von Lundbeck einstweilige Maßnahmen gegen Merck (GUK) und Arrow angeordnet worden wären, falls diese Unternehmen vor dem Tag der Gewährung des besagten Patents in den britischen Markt eingetreten wären. Folglich ist es wenig wahrscheinlich, dass Lundbeck Anordnungen gegen sämtliche Generikahersteller hätte erwirken können, selbst wenn sie systematisch gerichtlich gegen diese vorgegangen wäre. Auch das Patent für Jod ist erst am 26. März 2003 erteilt worden.

128    Daher ist der von der Kommission im 635. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses getroffenen Feststellung zu folgen, dass es für die Generikahersteller zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen grundsätzlich mehrere konkrete und realistische Möglichkeiten gab, in den Markt einzutreten (oben, Rn. 97). Dazu gehört die „riskante“ Markteinführung des Generikums unter Inkaufnahme der Möglichkeit, sich im Rahmen etwaiger Rechtsstreitigkeiten mit Lundbeck auseinandersetzen zu müssen.

129    In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die ursprünglichen Patente von Lundbeck, die sich sowohl auf den API Citalopram als auch auf die Herstellungsverfahren der Alkylierung und der Zyanierung bezogen, ausgelaufen waren und andere Verfahren zur Herstellung von generischem Citalopram existierten, die nicht nachweislich andere Patente von Lundbeck verletzten, was die Klägerinnen in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte selbst eingeräumt haben, ist eine solche Möglichkeit durchaus Ausdruck eines potenziellen Wettbewerbs. Außerdem zeigen die von den Generikaherstellern vor Abschluss der streitigen Vereinbarungen im Hinblick auf den Eintritt in den Markt für Citalopram unternommenen Schritte und getätigten Investitionen, die von der Kommission im angefochtenen Beschluss für jeden einzelnen Generikahersteller dargelegt worden sind (vgl. Erwägungsgründe 738 bis 743 und 827 bis 832 für Merck [GUK], 877 bis 883 und 965 bis 969 für Arrow, 1016 bis 1018 für Alpharma und 1090 bis 1102 für Ranbaxy) und deren Bestehen von den Klägerinnen nicht bestritten worden ist, dass die Generikahersteller bereit waren, in den Markt einzutreten und die Risiken auf sich zu nehmen, die ein solcher Eintritt barg.

130    Schließlich ist auch das Argument der Klägerinnen zurückzuweisen, dass ein riskanter Markteintritt der Generikahersteller rechtswidrig gewesen wäre, so dass er nicht als rechtmäßige Ausübung eines tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerbs angesehen werden könne.

131    Die Rechtsprechung verlangt nämlich nur den Nachweis, dass die Generikahersteller über tatsächliche und konkrete Möglichkeiten sowie über die Fähigkeit verfügten, in den Markt einzutreten, was sicherlich der Fall ist, wenn sie im Hinblick auf den Markteintritt erhebliche Investitionen getätigt und bereits Zulassungen erhalten oder die notwendigen Schritte unternommen hatten, um innerhalb eines angemessenen Zeitraums eine solche Zulassung zu erhalten. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es einigen von ihnen sogar gelungen ist, vor oder nach Abschluss der streitigen Vereinbarungen auf eigenes Risiko in den Markt einzutreten. So hatte NM Pharma, der Vertriebshändler von Merck (GUK) in Schweden, vor Abschluss der Vereinbarung für den EWR beinahe fünf Monate lang „sehr ermutigende“ Verkäufe auf dem schwedischen Markt getätigt, ohne von Lundbeck belangt zu werden (837. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Auch Merck (GUK) hatte im August 2003 im Vereinigten Königreich Tabletten aus generischem Citalopram im Wert von 3,3 Mio. GBP verkaufen können, bevor sie eine zweite – lukrativere – Verlängerung der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich erhielt. Würde der Auffassung der Klägerinnen gefolgt, liefe dies darauf hinaus, anzuerkennen, dass sogar ein solcher tatsächlicher Markteintritt nur deshalb kein Ausdruck potenziellen Wettbewerbs ist, weil die Klägerinnen von der Rechtswidrigkeit dieses Markteintritts überzeugt waren und gegebenenfalls hätten versuchen können, sich ihm zu widersetzen, indem sie sich im Rahmen von Verletzungsklagen auf ihre Verfahrenspatente beriefen. Aus den oben in den Rn. 120 bis 122 dargelegten Gründen kann eine solche Argumentation jedoch nur zurückgewiesen werden.

132    Folglich vertreten die Klägerinnen zu Unrecht die Auffassung, die Kommission habe die Vermutung der Gültigkeit ihrer Patente und die damit verbundenen Eigentumsrechte missachtet, als sie den „riskanten“ Markteintritt der Generikahersteller im vorliegenden Fall als Ausdruck eines potenziellen Wettbewerbs zwischen Lundbeck und diesen Herstellern eingestuft habe.

133    Der erste Teil ist somit zurückzuweisen.

D –  Zweiter Teil: Die Kommission habe ihre Schlussfolgerung, dass die Generikahersteller tatsächliche oder potenzielle Wettbewerber von Lundbeck seien, auf subjektive Bewertungen gestützt

134    Nach Ansicht der Klägerinnen geht der angefochtene Beschluss insofern fehl, als er sich für die Feststellung, ob es sich bei diesen Parteien um potenzielle Wettbewerber handle, auf die subjektive Bewertung der Parteien der streitigen Vereinbarungen hinsichtlich der Gültigkeit eines Patents und der rechtsverletzenden Natur eines Erzeugnisses stütze.

135    Erstens werde im angefochtenen Beschluss nicht hinreichend nachgewiesen, dass die Generikahersteller aufgrund ihrer subjektiven Beurteilung der Ansicht seien, es bestehe eine echte Möglichkeit, dass ein Gericht die Patente von Lundbeck als nichtig oder nicht verletzt einstufe. Gemäß Art. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 obliege jedoch der Kommission der Nachweis, dass während der von den streitigen Vereinbarungen erfassten Zeiträume ein Markteintritt möglich gewesen wäre, der keine Patente verletze. Diese Beurteilung stütze sich zudem auf ungenügende Informationen, die nicht unverändert geblieben seien, so dass sie nicht zum Nachweis des Bestehens eines potenziellen Wettbewerbs zwischen den Parteien der streitigen Vereinbarungen verwendet werden könnten.

136    Zweitens sei der angefochtene Beschluss fehlerhaft und berücksichtige nicht die objektiven Elemente, die bestätigten, dass die Generikahersteller Schwierigkeiten gehabt hätten, in den Markt einzutreten, etwa die von Lundbeck gelieferten wissenschaftlichen Daten, die das Vorliegen einer Patentrechtsverletzung bewiesen, die Bestätigung der Gültigkeit des Patents für Kristallisation in allen relevanten Aspekten durch die Beschwerdekammer des EPA und das niederländische Patentamt und die Tatsache, dass Lundbeck in mehr als 50 % der Verfahren, die sie im Lauf der Jahre 2002 und 2003 angestrengt habe, einstweilige Verfügungen oder andere Formen einstweiliger Maßnahmen erwirkt habe. Im angefochtenen Beschluss werde somit weder hinreichend nachgewiesen, dass die Generikahersteller in der Lage gewesen seien, in den Markt einzutreten, noch die Frage behandelt, ob die Patente von Lundbeck gültig und zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen verletzt gewesen seien, was eine objektive Frage sei.

137    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

138    Vorab ist der Ansatz der Kommission zu bestätigen, der sich aus dem gesamten angefochtenen Beschluss ergibt und darin besteht, in erster Linie Beweismittel zu berücksichtigen, die zeitlich vor Abschluss der streitigen Vereinbarungen liegen oder aus dieser Zeit stammen (vgl. entsprechend Urteil vom 11. Juli 2014, Esso u. a./Kommission, T‑540/08, EU:T:2014:630, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung).

139    Zum einen kann die Kommission nämlich nicht die Vergangenheit rekonstruieren, indem sie sich die Ereignisse vorstellt, die eingetreten wären und aufgrund dieser Vereinbarungen gerade nicht eingetreten sind. Zum anderen haben die Parteien dieser Vereinbarungen nunmehr ein starkes Interesse an der Geltendmachung von Argumenten, mit denen dargetan werden soll, dass sie keinerlei realistische Perspektive hatten, in den Markt einzutreten, oder davon ausgingen, dass ihre Erzeugnisse eines der Patente von Lundbeck verletzten. Gleichwohl haben sie ausschließlich auf der Grundlage der ihnen seinerzeit zur Verfügung stehenden Informationen und ihrer damaligen Wahrnehmung des Marktes beschlossen, sich in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten und die streitigen Vereinbarungen abzuschließen.

140    Darüber hinaus steht ein solcher Ansatz im Einklang mit dem Urteil Windsurfing (oben in Rn. 119 angeführt, EU:C:1986:75, Rn. 26), in dem der Gerichtshof die Auffassung vertreten hat, dass es nicht Sache der Kommission ist, den Schutzbereich eines Patents zu bestimmen, sie sich aber in dieser Hinsicht nicht jeder Beurteilung enthalten kann, wenn dieser Schutzbereich für die Frage von Bedeutung ist, ob eine Verletzung der Art. 101 und 102 AEUV vorliegt.

141    Daher hat sich die Kommission fehlerfrei auf objektive Dokumente gestützt, die die Wahrnehmung der Parteien der streitigen Vereinbarungen in Bezug auf die Stärke der Verfahrenspatente von Lundbeck zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarungen widerspiegelten (vgl. u. a. 669. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), um die Wettbewerbssituation zwischen diesen Parteien zu bewerten, wobei auch zeitlich spätere Beweismittel berücksichtigt werden können, sofern sie es erlauben, besser nachzuweisen, welche Position die genannten Parteien seinerzeit einnahmen, deren Vorbringen hierzu zu bestätigen oder zu widerlegen und ein besseres Verständnis der Funktionsweise des betreffenden Marktes zu ermöglichen. Diese Beweismittel können bei der Prüfung des Bestehens eines potenziellen Wettbewerbs zwischen den Parteien der streitigen Vereinbarungen jedenfalls nicht entscheidend sein.

142    Des Weiteren tragen die Klägerinnen zu Unrecht vor, die Kommission habe sich „nahezu ausschließlich“ auf solche subjektiven Bewertungen gestützt, um im angefochtenen Beschluss das Bestehen eines potenziellen Wettbewerbs zwischen ihnen und den Generikaherstellern nachzuweisen. Die Kommission hat nämlich für jeden betroffenen Generikahersteller sorgfältig geprüft, ob er tatsächliche und konkrete Möglichkeiten hatte, in den Markt einzutreten, und sich dabei auf objektive Elemente – etwa die bereits getätigten Investitionen, die Schritte, die er unternommen hatte, um eine Zulassung zu erhalten, und die mit seinen API-Lieferanten geschlossenen Liefervereinbarungen – gestützt. Diese verschiedenen Elemente sind im Übrigen von den Klägerinnen in Bezug auf jeden einzelnen Generikahersteller ausdrücklich bestritten worden und werden unten im Rahmen der Teile 6 bis 9 untersucht.

143    Auch machen die Klägerinnen ohne Erfolg geltend, die Kommission habe die von ihnen beigebrachten Beweismittel, die das Vorliegen einer Verletzung ihrer Patente durch die Generikahersteller oder die Gültigkeit des Patents für Kristallisation belegten, das im Jahr 2009 u. a. vom EPA in allen seinen relevanten Aspekten bestätigt worden sei, nicht genügend berücksichtigt.

144    Auch wenn andere Erklärungen aus der Zeit des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen darauf hindeuten könnten, dass die Generikahersteller Zweifel hatten, ob ihre Erzeugnisse nicht rechtsverletzend seien, oder dass Lundbeck von der Gültigkeit ihrer Patente überzeugt war, genügen diese Erklärungen zum einen nicht, um die Schlussfolgerung in Frage zu stellen, dass die Generikahersteller als eine potenzielle Bedrohung für Lundbeck wahrgenommen wurden und allein durch ihr Vorhandensein einen Wettbewerbsdruck auf diese und die auf demselben Markt tätigen Unternehmen ausüben konnten (vgl. in diesem Sinne Urteil Visa Europe und Visa International Service/Kommission, oben in Rn. 99 angeführt, EU:T:2011:181, Rn. 169). Am deutlichsten spricht hierfür, dass Lundbeck Vereinbarungen mit den Generikaherstellern geschlossen hat, um deren Markteintritt zu verzögern (vgl. in diesem Sinne Urteil Toshiba/Kommission, oben in Rn. 103 angeführt, EU:T:2014:263, Rn. 231).

145    Zum anderen können die von den Klägerinnen angeführten Beweismittel, die aus der Zeit nach Abschluss der streitigen Vereinbarungen stammen, bei der Beurteilung der Frage, ob zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarungen ein potenzieller Wettbewerb bestand, nicht entscheidend sein. Selbst wenn unterstellt wird, dass das EPA das Patent für Kristallisation im Jahr 2009 in all seinen relevanten Aspekten bestätigt hat (vgl. 166. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), zweifelten nämlich sowohl die Generikahersteller als auch Lundbeck selbst zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen dennoch an der Gültigkeit dieses Patents; auch war nicht ausgeschlossen, dass ein nationales Gericht es möglicherweise für ungültig erklären würde, was vor dem EPA im Übrigen zunächst geschehen ist (Erwägungsgründe 151 und 166 des angefochtenen Beschlusses).

146    Wie die Kommission zu Recht geltend macht, hatte Lundbeck zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen außerdem keinerlei einstweilige Maßnahme erwirkt, sei es gegen Generikahersteller wie Merck (GUK), die das Citalopram von Natco verwendeten, sei es gegen Generikahersteller wie Arrow und Alpharma, die das Citalopram von Cipla oder das generische Citalopram verwendeten, das aus dem von der indischen Gesellschaft Matrix hergestellten API Citalopram entwickelt worden war (im Folgenden: Citalopram von Matrix oder API von Matrix), oder sei es gegen Generikahersteller, die das generische Citalopram verwendeten, das aus dem von Ranbaxy hergestellten API Citalopram entwickelt worden war (im Folgenden: Citalopram von Ranbaxy oder API von Ranbaxy); auch hatte kein Gericht des EWR eine Verletzung der Patente für Kristallisation, Amid oder Jod festgestellt.

147    Die Klägerinnen machen somit zu Unrecht geltend, die Kommission habe sich für die Schlussfolgerung, dass Lundbeck und die Generikahersteller zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen potenzielle Wettbewerber gewesen seien, im Wesentlichen auf subjektive Bewertungen gestützt.

148    Folglich ist auch der zweite Teil zurückzuweisen.

E –  Dritter Teil: Die Anfechtung eines gültigen Patents stelle keine tatsächliche und konkrete Möglichkeit dar, in den Markt einzutreten

149    Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe rechtsfehlerhaft die Auffassung vertreten, dass die Anfechtung eines gültigen Patents eine tatsächliche und konkrete Möglichkeit darstelle, in den Markt einzutreten. Sie stellen insbesondere in Abrede, dass der Antrag auf Feststellung der Nichtverletzung, die Geltendmachung der Nichtigkeit eines Patents oder der Einspruch gegen ein Patent vor den nationalen Patentbehörden oder vor dem EPA geeignete Wege sein können, um den Generikaherstellern ungeachtet der Verfahrenspatente von Lundbeck den Markteintritt zu ermöglichen.

150    Erstens verwechsle der angefochtene Beschluss einen Markteintritt mit den einen solchen Eintritt ermöglichenden Investitionen und dehne die Grenzen des potenziellen Wettbewerbs über Gebühr aus. Die Rechtsprechung verlange, dass tatsächliche und konkrete Möglichkeiten festgestellt würden, in den Markt einzutreten, und der Marktzutritt so schnell erfolge, dass von dieser Drohung Druck auf das Verhalten der Marktteilnehmer ausgehe. Die Feststellung tatsächlicher und konkreter Möglichkeiten zur Tätigung von Investitionen, die im Erfolgsfall einen Marktzutritt ermöglichten, genüge diesem Kriterium jedoch nicht.

151    Zweitens hindere die für Patente geltende Gültigkeitsvermutung daran, in der Möglichkeit, die Gültigkeit dieses Patents anzufechten, eine tatsächliche und konkrete Möglichkeit zu sehen, in den Markt einzutreten. Der von der Kommission in diesem Zusammenhang gewählte Ansatz laufe dem Urteil European Night Services u. a./Kommission (oben in Rn. 99 angeführt, EU:T:1998:198, Rn. 139) zuwider.

152    Drittens hätten die Anfechtungen von Patenten, selbst wenn unterstellt werde, dass sie für die Generikahersteller eine tatsächliche und konkrete Möglichkeit dargestellt hätten, in den Markt einzutreten, keinen hinreichend schnellen Marktzutritt ermöglicht. Wie die Kommission in ihrer Untersuchung des Arzneimittelsektors ausgeführt habe, nehme die Anfechtung eines Patents nämlich durchschnittlich fast drei Jahre in Anspruch, was den Generikaherstellern keinen hinreichend schnellen Marktzutritt ermöglicht hätte. Der angefochtene Beschluss bleibe insoweit vage, obwohl sich die streitigen Vereinbarungen keineswegs auf den Wettbewerb hätten auswirken können, wenn die Generikahersteller während der Laufzeit dieser Vereinbarungen nicht rechtmäßig in den Markt hätten eintreten können.

153    Viertens hätte, selbst wenn der Auffassung der Kommission gefolgt würde, im angefochtenen Beschluss zumindest dargetan werden müssen, dass die Generikahersteller ohne die streitigen Vereinbarungen den Rechtsweg beschritten und vermutlich vor den nationalen Gerichten obsiegt oder – im Fall einer Patentanfechtung – zumindest Chancen gehabt hätten zu obsiegen.

154    Schließlich tragen die Klägerinnen vor, die Auffassung der Kommission beruhe auf einer ungerechtfertigten Voreingenommenheit gegenüber Verfahrenspatenten im Verhältnis zu Wirkstoffpatenten.

155    Die Streithelferin macht darüber hinaus geltend, die Kommission gehe im angefochtenen Beschluss fehl mit der Annahme, dass Lundbeck und die Generikahersteller potenzielle Wettbewerber seien. Eine solche Schlussfolgerung trage der Vermutung der Gültigkeit der Patente von Lundbeck und der Tatsache, dass einstweilige Maßnahmen für die Generikahersteller ein unüberwindbares Hindernis dargestellt hätten, falls sie versucht hätten, in den Markt einzutreten, nicht hinreichend Rechnung. Im Übrigen spricht sie sich gegen die Auffassung aus, dass die Anfechtung der Gültigkeit von Patenten integraler Bestandteil des Wettbewerbsprozesses sei.

156    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

157    Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen ist festzustellen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss nicht die Auffassung vertreten hat, die bloße Möglichkeit, die Gültigkeit eines Patents vor Gericht oder den zuständigen Behörden anzufechten, genüge für den Nachweis des Bestehens eines potenziellen Wettbewerbs. Um den Nachweis zu erbringen, dass zwischen den Generikaherstellern und Lundbeck im vorliegenden Fall potenzieller Wettbewerb bestand, hat die Kommission nämlich mehrere Gesichtspunkte berücksichtigt, etwa die erheblichen Investitionen und Anstrengungen, die von den Generikaherstellern zur Vorbereitung ihres Markteintritts bereits getätigt bzw. unternommen worden waren, die Tatsache, dass sie bereits Zulassungen erhalten oder die notwendigen Schritte eingeleitet hatten, um innerhalb eines angemessene Zeitraums eine solche Zulassung zu erhalten, dass, wie die Klägerinnen eingeräumt hatten, eine Reihe von Verfahren zur Herstellung von Citalopram ohne Verletzung ihrer Patente zur Verfügung standen, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen kein Gericht die rechtsverletzende Natur der Generika festgestellt hatte und dass ein nicht zu unterschätzendes Risiko bestand, dass einige Verfahrenspatente von Lundbeck möglicherweise für ungültig erklärt würden. Außerdem war es einem Generikahersteller, nämlich Merck (GUK), sogar gelungen, vor und während der Laufzeit der streitigen Vereinbarungen in den Markt einzutreten. Schließlich belegt auch die Tatsache, dass die Klägerinnen beschlossen hatten, erhebliche Summen an die Generikahersteller zu zahlen, um sie während der Laufzeit der streitigen Vereinbarungen vom Markt fernzuhalten, dass diese Hersteller potenzielle Wettbewerber waren, da sie von ihnen als eine Bedrohung wahrgenommen wurden, die ihre Marktposition unter Wettbewerbsdruck brachte (oben, Rn. 103 und 144).

158    Keines der von den Klägerinnen vorgebrachten Argumente ist geeignet, dieses Ergebnis in Frage zu stellen.

159    Was erstens die Investitionen angeht, die von den Generikaherstellern getätigt worden waren, um ihren Markteintritt vorzubereiten, genügt die Feststellung, dass die Kommission nie die Auffassung vertreten hat, derartige Investitionen genügten als solche für den Nachweis des Bestehens eines potenziellen Wettbewerbs zwischen diesen Herstellern und den Klägerinnen. Die Kommission hat sich insoweit im Gegenteil für jeden einzelnen Generikahersteller auf eine ganze Reihe relevanter Gesichtspunkte gestützt (siehe oben, Rn. 157). Außerdem ist es für den Nachweis des Bestehens eines potenziellen Wettbewerbs, wie die Kommission zu Recht geltend macht, nicht erforderlich, dass die Generikahersteller mit Sicherheit in den Markt eingetreten wären und ein solcher Eintritt unweigerlich erfolgreich gewesen wäre, sondern lediglich, dass sie über tatsächliche und konkrete Möglichkeiten hierzu verfügten. Das Gegenteil zu behaupten liefe darauf hinaus, jegliche Unterscheidung zwischen tatsächlichem und potenziellem Wettbewerb zu leugnen.

160    Die Rechtsprechung stellt zwar klar, dass die rein theoretische Möglichkeit eines Markteintritts nicht genügt, um das Bestehen eines potenziellen Wettbewerbs darzutun, und dass die Kommission durch tatsächliche Gegebenheiten oder eine Analyse der Strukturen des relevanten Marktes nachweisen muss, dass der Markteintritt so schnell hätte erfolgen können, dass die Gefahr eines potenziellen Markteintritts eine Belastung für das Verhalten der Marktteilnehmer dargestellt hätte, oder dass er zu wirtschaftlich vertretbaren Kosten möglich gewesen wäre (oben, Rn. 104).

161    Es ist jedoch nicht zu erkennen, dass die Kommission diese Rechtsprechung im vorliegenden Fall missachtet hätte, da die von ihr im angefochtenen Beschluss durchgeführte Untersuchung des Arzneimittelsektors und die besondere Situation der einzelnen Generikahersteller zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen (oben, Rn. 129) hinreichend belegen, dass der Eintritt dieser Hersteller in den Markt für Citalopram keine bloße theoretische Möglichkeit war, sondern dass diese insoweit über tatsächliche und konkrete Möglichkeiten verfügten, wie auch aus der nachstehenden Prüfung der Teile 6 bis 9 hervorgeht. Es wäre im Übrigen überraschend, wenn sich ein erfahrenes Unternehmen wie Lundbeck im Gegenzug für die Verpflichtung der Generikahersteller, eine gewisse Zeit lang nicht in den Markt einzutreten, damit einverstanden erklärt hätte, mehrere Millionen Euro an diese Hersteller zu zahlen, wenn deren Markteintritt nur eine rein theoretische Möglichkeit gewesen wäre.

162    Zweitens steht das von den Klägerinnen angeführte Urteil European Night Services u. a./Kommission (oben in Rn. 99 angeführt, EU:T:1998:198, Rn. 139) dem von der Kommission im vorliegenden Fall verfolgten Ansatz nicht entgegen. Auch wenn das Gericht in diesem Urteil darauf abgestellt hat, dass vor Erlass der Richtlinie 91/440/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft (ABl. L 237, S. 25) in den meisten Mitgliedstaaten Ausschließlichkeitsrechte bestanden, die die Erbringung internationaler Reiseverkehrsleistungen und den Zugang zur Infrastruktur rechtlich oder tatsächlich verhinderten, ist diese Situation nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar, da die Verfahrenspatente von Lundbeck keineswegs mit den Ausschließlichkeitsrechten der Eisenbahnunternehmen vor Erlass dieser Richtlinie vergleichbar sind und die betreffenden Märkte substanzielle Unterschiede aufweisen. Wie die Kommission zu Recht bemerkt, hatte das Gericht in dem genannten Urteil außerdem gerügt, dass die Kommission keine detaillierte Marktanalyse durchgeführt hatte, um das Bestehen eines potenziellen Wettbewerbs nachzuweisen, und sich auf Annahmen gestützt hatte, die weder durch tatsächliche Gegebenheiten noch durch eine Untersuchung der Strukturen des relevanten Marktes gestützt waren. Im vorliegenden Fall können die Klägerinnen jedoch nicht mit Erfolg geltend machen, sämtliche oben in Rn. 157 zusammengefassten relevanten Umstände, die im angefochtenen Beschluss für jeden einzelnen Generikahersteller im Detail herausgearbeitet worden sind, stellten rein theoretische, nicht durch eine detaillierte Analyse der Merkmale des relevanten Marktes belegte Spekulationen dar.

163    Drittens ist zu beachten, dass die Rechtsprechung zum Nachweis des Bestehens eines potenziellen Wettbewerbs lediglich verlangt, dass der Markteintritt innerhalb eines angemessenen Zeitraums erfolgt, insoweit aber keine klare Grenze festgesetzt hat. Die Kommission braucht daher nicht nachzuweisen, dass der Markteintritt der Generikahersteller mit Sicherheit vor Ablauf der streitigen Vereinbarungen erfolgt wäre, um im vorliegenden Fall das Bestehen eines potenziellen Wettbewerbs feststellen zu können, zumal sich potenzieller Wettbewerb, wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, insbesondere im Arzneimittelsektor bereits vor Ablauf eines Patents entfalten kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Dezember 2012, AstraZeneca/Kommission, C‑457/10 P, EU:C:2012:770, Rn. 108).

164    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Befund des Gerichtshofs, dass sich potenzieller Wettbewerb vor Ablauf eines Patents entfalten kann, unabhängig davon ist, dass die ESZ, um die es ging, auf betrügerische oder unrechtmäßige Weise erlangt worden waren. In der Rechtssache, in der das Urteil AstraZeneca/Kommission (oben in Rn. 163 angeführt, EU:C:2012:770, Rn. 108) ergangen ist, ging es nämlich u. a. um den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch ein Unternehmen, das irreführende Angaben gemacht hatte, um von den zuständigen nationalen Behörden ESZ zu erhalten, die es ihm sogar nach dem bevorstehenden Ablauf der Patente für sein Arzneimittel ermöglichten, sich dem Markteintritt generischer Versionen dieses Arzneimittels zu widersetzen. In diesem Zusammenhang befand der Gerichtshof im Wesentlichen, dass der wettbewerbswidrige Charakter der genannten Angaben nicht durch die Tatsache in Frage gestellt wird, dass diese ESZ zwischen fünf und sechs Jahren vor ihrem Inkrafttreten beantragt worden und die Rechte der Klägerinnen bis dahin durch ordnungsgemäße Patente geschützt gewesen waren. Solche rechtswidrigen ESZ haben nach den Ausführungen des Gerichtshofs nicht nur eine erhebliche Ausschlusswirkung nach Ablauf der Grundpatente, sondern können auch die Marktstruktur verändern, indem sie den potenziellen Wettbewerb bereits vor Patentablauf beeinträchtigen. Daher bestätigt diese Rechtsprechung, dass potenzieller Wettbewerb bereits vor Ablauf der Patente für ein Arzneimittel besteht und die vor Patentablauf unternommenen Schritte für die Beurteilung der Frage relevant sind, ob dieser Wettbewerb beschränkt worden ist.

165    Viertens tragen die Klägerinnen zu Unrecht vor, die Kommission hätte nachweisen müssen, dass die Generikahersteller rechtliche Schritte eingeleitet und vor den zuständigen nationalen Gerichten obsiegt hätten. Aus den Erwägungsgründen 624 ff. des angefochtenen Beschlusses geht nämlich hervor, dass die Generikahersteller nicht zu dem Nachweis verpflichtet waren, dass ihre Generika kein Patent verletzten, um eine Zulassung erhalten und diese Erzeugnisse auf dem Markt vertreiben zu können, was von den Klägerinnen im Übrigen nicht in Frage gestellt wird. So hat Merck (GUK) über ihren schwedischen Vertriebshändler NM Pharma im Mai 2002 in den Markt eintreten können, ohne eine Feststellung der Nichtverletzung einholen zu müssen und ohne von Lundbeck verklagt worden zu sein. Es war Sache des Originalpräparateherstellers, d. h. im vorliegenden Fall von Lundbeck, darzutun, dass diese Erzeugnisse eines ihrer Patente verletzten, was für Verfahrenspatente nach eigener Einschätzung ausgesprochen schwierig festzustellen war (vgl. 629. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Außerdem ist, wie die Kommission geltend macht, nicht sicher, dass Lundbeck bei einem Markteintritt der Generikahersteller zwangsläufig rechtliche Schritte gegen diese eingeleitet hätte (siehe oben, Rn. 126). Noch weniger sicher ist, dass Lundbeck obsiegt hätte, falls sie sich für die Einleitung solcher rechtlichen Schritte entschieden hätte (siehe oben, Rn. 122, sowie Erwägungsgründe 75 und 76 des angefochtenen Beschlusses).

166    Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission die für die Verfahrenspatente von Lundbeck geltende Gültigkeitsvermutung nicht missachtet hat (oben, Rn. 121 bis 132). Die Klägerinnen können daher nicht geltend machen, dem angefochtenen Beschluss liege eine Voreingenommenheit gegenüber solchen Patenten zugrunde. Die Kommission hat das Bestehen dieser Patente nämlich berücksichtigt, aber insoweit beurteilungsfehlerfrei die Ansicht vertreten, mit den genannten Patenten lasse sich zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen den Generikaherstellern nicht jeglicher Markteintritt versperren.

167    Der dritte Teil ist daher zurückzuweisen.

F –  Vierter Teil: Das Fehlen einer Zulassung verhindere einen tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerb

168    Die Klägerinnen vertreten die Auffassung, die Kommission habe zu Unrecht auf das Bestehen eines potenziellen Wettbewerbs geschlossen, obwohl einige Generikahersteller nicht im Besitz einer Zulassung gewesen seien, und dies allein damit begründet, dass sich die Hersteller bemüht hätten, vor Abschluss der streitigen Vereinbarungen eine solche Zulassung zu erlangen (620. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Diese Schlussfolgerung stehe im Widerspruch zu bestimmten Passagen des angefochtenen Beschlusses (u. a. im 85. Erwägungsgrund) sowie zu den Ergebnissen der Untersuchung des Arzneimittelsektors und den einzelnen Bemerkungen der betroffenen Parteien zu dem für die Erteilung einer Zulassung erforderlichen Zeitraum, der wenigstens 14 Monate betrage und in einigen Ländern des EWR bis zu 25 Monate betragen könne. Es wäre, so die Klägerinnen, besser gewesen, wenn im angefochtenen Beschluss im Einzelfall bewertet worden wäre, ob jeder Generikahersteller über tatsächliche und konkrete Möglichkeiten verfügt habe, während der Laufzeit der streitigen Vereinbarungen eine Zulassung zu erhalten, und zwar in jedem betroffenen Land, da jedes Land einen eigenen räumlichen Markt darstelle und bestimmte Vereinbarungen einzelne Länder abdeckten. Jedenfalls ermöglichten Zulassungen keinen sofortigen Marktzutritt, da hierfür zusätzliche vorbereitende Schritte erforderlich seien.

169    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

170    Hierzu ist entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen zunächst festzustellen, dass die Kommission für jeden einzelnen Generikahersteller geprüft hat, ob dieser zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen über eine Zulassung verfügte oder in absehbarer Zukunft über eine Zulassung verfügen würde.

171    Außerdem ist zu beachten, dass der potenzielle Wettbewerb u. a. die Tätigkeiten der Generikahersteller, die dazu dienen, die erforderlichen Zulassungen zu erhalten, sowie die Vollziehung sämtlicher administrativer und geschäftlicher Schritte einschließt, die für die Vorbereitung des Markteintritts unerlässlich sind (siehe oben, Rn. 91 bis 94). Dieser potenzielle Wettbewerb wird durch Art. 101 AEUV geschützt. Wenn es möglich wäre, dass Unternehmen, die im Begriff sind, die für die Vorbereitung der Markteinführung eines Generikums unerlässlichen Schritte, darunter die Einholung einer Zulassung, zu unternehmen, und zu diesem Zweck beträchtliche Investitionen getätigt haben, ohne Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht dafür bezahlt werden, dass sie diesen Prozess anhalten oder auch nur verlangsamen, würde ein tatsächlicher Wettbewerb nämlich nie oder nur erheblich verzögert stattfinden, und dies auf Kosten der Verbraucher, d. h. im vorliegenden Fall der Patienten oder der nationalen Krankenkassen.

172    So hat die Kommission in Bezug auf Merck (GUK) festgestellt, dass diese am 9. Januar 2002 im Vereinigten Königreich eine Zulassung erhalten und ihr Vertriebshändler NM Pharma seit Mai 2002 in Schweden ebenfalls über eine Zulassung verfügt habe. Merck (GUK) und NM Pharma hätten die Anwendung des in Art. 18 der Richtlinie 2001/83 genannten Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung innerhalb von 90 Tagen vereinbart, um Zulassungen in den anderen Ländern des EWR zu erhalten (326. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

173    Bezüglich der Position von Arrow im Vereinigten Königreich wies die Kommission in den Erwägungsgründen 878 bis 881 des angefochtenen Beschlusses darauf hin, dass dieses Unternehmen eine Vereinbarung mit Tiefenbacher geschlossen habe, um die Zulassung nutzen zu können, die Tiefenbacher auf der Grundlage ihrer in den Niederlanden erteilten Zulassung im Vereinigten Königreich beantragt habe. Die Kommission hat darüber hinaus dargelegt, dass in der Phase unmittelbar vor Unterzeichnung der Arrow-UK-Vereinbarung erwartet worden sei, dass die britischen Behörden diese Zulassung sehr schnell erteilen würden und die anschließende Verzögerung auf die Anfechtung der niederländischen Zulassung durch die Klägerinnen zurückzuführen gewesen sei.

174    Was die Position von Arrow in Dänemark angeht, hebt die Kommission in den Erwägungsgründen 967 und 968 des angefochtenen Beschlusses hervor, dass dieses Unternehmen, wie es in der Präambel der dänischen Arrow-Vereinbarung hieß, im Begriff sei, von einem Dritten eine „Lizenz“ zu erhalten, und eine Kopie der Zulassung dieses Dritten als Anlage beigefügt sei. Wie die Kommission zu Recht bemerkt, bedeutet die Tatsache, dass Arrow diese Zulassung letztlich nicht erworben hat, nicht, dass sie zum Zeitpunkt des Abschlusses der genannten Vereinbarung nicht über eine tatsächliche und konkrete Möglichkeit verfügte, in den Markt einzutreten.

175    Was Alpharma betrifft, lässt sich u. a. den Erwägungsgründen 476, 485, 520 und 530 des angefochtenen Beschlusses entnehmen, dass dieses Unternehmen nach Maßgabe seiner Liefervereinbarung mit Tiefenbacher die dieser erteilten Zulassungen zumindest für die Niederlande und Deutschland nutzen und entweder selbst eine Zulassung für die anderen Mitgliedstaaten des EWR beantragen oder Tiefenbacher bitten konnte, das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung auf diese anderen Länder auszuweiten.

176    Im Oktober 2001 rechnete Alpharma außerdem mit der Erteilung von Zulassungen und damit, generisches Citalopram zu verschiedenen Zeitpunkten im Jahr 2002 in Österreich, Dänemark, Finnland, Deutschland, den Niederlanden, Norwegen und Schweden sowie im Vereinigten Königreich in den Markt einführen zu können. Auch waren zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Alpharma-Vereinbarung vier Zulassungen gewährt worden (in Dänemark, Finnland, den Niederlanden und Schweden), während die Zulassung für das Vereinigte Königreich als unmittelbar bevorstehend erwartet wurde (siehe unten, Rn. 281). Darüber hinaus hatte Alpharma während der Laufzeit dieser Vereinbarung für vier weitere Länder des EWR (Norwegen, Deutschland, Österreich und das Vereinigte Königreich) Zulassungen erhalten.

177    Bezüglich Ranbaxy stellte die Kommission im 1094. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses im Wesentlichen fest, dass dieses Unternehmen das Drug Master File (im Folgenden: DMF) für seinen Citalopram-API im Juni 2002 bei der zuständigen britischen Behörde eingereicht habe. Dieser Schritt habe, obwohl er für die Erteilung einer Zulassung nicht unerlässlich sei, das Verfahren vereinfacht, mit dem ein Generikahersteller, der bereits über eine Zulassung für Tabletten aus generischem Citalopram verfüge, das aus einem anderen API als dem von Ranbaxy hergestellt worden sei, eine Änderung seiner Zulassung beantragen könne, damit diese auch das Citalopram von Ranbaxy einschließe. Aufgrund der Einreichung eines DMF bei den zuständigen Behörden brauche der Hersteller eines API nämlich keine vertraulichen Informationen an Generikahersteller weiterzugeben, die seinen API erwürben und einen Antrag auf Erteilung einer Zulassung für die Arzneimittel stellen wollten, die sie aus diesem API herstellten.

178    Überdies hat sich die Kommission im 1095. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses auf die Tatsache gestützt, dass Ranbaxy Lundbeck auf einer Tagung im April 2002 darüber unterrichtet hatte, dass sie innerhalb von acht Monaten eine Zulassung erhalten könne und sich in Verhandlungen mit einem potenziellen Käufer ihres Citalopram befinde, der nach einer Änderung der bereits in seinem Besitz befindlichen Zulassung mit diesem Citalopram innerhalb von drei bis vier Monaten in den Markt eintreten könne. Die Auffassung der Klägerinnen, wonach es sich bei solchen Aussagen nur um einen „Bluff“ handle, ist weiter unten im Rahmen des neunten Teils des vorliegenden Klagegrundes im Einzelnen zu untersuchen.

179    Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass die betreffenden Generikahersteller zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen entweder bereits eine Zulassung erhalten hatten, im Begriff waren, die für die kurz- oder mittelfristige Erteilung einer solchen Zulassung erforderlichen Schritte zu unternehmen, oder dafür sorgen konnten, dass ihre Erzeugnisse von anderen Zulassungen erfasst werden. Auch wenn die Erteilung einer Zulassung in einigen Fällen letztlich länger als vorgesehen gedauert haben mag, verfügten die Generikahersteller zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen gleichwohl über tatsächliche und konkrete Möglichkeiten, diese Zulassungen in absehbarer Zeit zu erhalten und in mehreren Ländern des EWR in den Markt für Citalopram einzutreten, indem sie sich auf das in Art. 18 der Richtlinie 2001/83 vorgesehene Verfahren der gegenseitigen Anerkennung beriefen und damit einen Wettbewerbsdruck auf Lundbeck ausübten. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Generikahersteller mit ihren Vorbereitungen für einen Eintritt in den Markt für Citalopram im vorliegenden Fall zwischen einem und drei Jahren vor Ablauf der ursprünglichen Patente von Lundbeck begonnen hatten (vgl. Erwägungsgründe 219, 373, 476 und 549 des angefochtenen Beschlusses) und sich ein intensives Rennen lieferten, um die Ersten zu sein, die bei Ablauf dieser Patente in den Markt eintreten würden (vgl. 622. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

180    Somit hat die Kommission im 620. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses fehlerfrei festgestellt, dass das Fehlen einer Zulassung den bevorstehenden Markteintritt der Generika nicht hätte verhindern können, solange die Generikahersteller weiterhin die Schritte unternähmen, um die hierfür notwendigen Genehmigungen vor Abschluss der streitigen Vereinbarungen mit Lundbeck zu erhalten.

181    Im Übrigen ist zu beachten, dass sich die Kommission zum Nachweis des Bestehens eines potenziellen Wettbewerbs zwischen den Generikaherstellern und Lundbeck im angefochtenen Beschluss nicht ausschließlich auf den Umstand gestützt hat, dass diese Hersteller die Möglichkeit hatten, eine Zulassung zu erhalten – auch wenn es sich dabei um einen insoweit wichtigen Gesichtspunkt handelt –, sondern auf eine Reihe von Faktoren, wobei sie der spezifischen Situation jedes einzelnen Generikaherstellers zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen und den Besonderheiten des Arzneimittelsektors Rechnung getragen hat (siehe oben, Rn. 91 bis 96 und 157). Außerdem stellt allein die Tatsache, dass Lundbeck beschlossen hatte, Vereinbarungen mit den Generikaherstellern zu schließen, einen wichtigen Anhaltspunkt dafür dar, dass sie diese Hersteller zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen als eine potenzielle Bedrohung wahrnahm (vgl. in diesem Sinne Urteil Toshiba/Kommission, oben in Rn. 103 angeführt, EU:T:2014:263, Rn. 231).

182    Daher ist auch der vierte Teil zurückzuweisen.

G –  Fünfter Teil: Die Generikahersteller hätten während der Laufzeit der streitigen Vereinbarungen nicht auf andere Verfahren ausweichen oder zu anderen API-Herstellern wechseln können

183    Die Klägerinnen treten der im angefochtenen Beschluss gezogenen Schlussfolgerung entgegen, wonach es mehrere Marktzutrittsmöglichkeiten gegeben habe (635. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), darunter eine Zusammenarbeit des Generikaherstellers mit seinem API-Hersteller im Hinblick auf eine Änderung von dessen Verfahren oder den Wechsel zu einem anderen API-Hersteller. Hierbei handle es sich um theoretische Optionen, da zum einen in den Jahren 2002 und 2003 kein anderes kommerziell verlässliches Verfahren zur Herstellung von Citalopram existiert habe, das einen rechtmäßigen Markteintritt im EWR ermöglicht hätte, und die Generikahersteller zum anderen nicht über genügend Zeit verfügt hätten, um den API-Hersteller vor Ablauf der streitigen Vereinbarungen zu wechseln.

184    Erstens gebe es keine ernsthaften Anhaltspunkte, aufgrund deren sich die von Lundbeck gelieferten Beweismittel widerlegen ließen, wonach es in den Jahren 2002 und 2003 kein kommerziell verlässliches und nicht patentrechtswidriges Verfahren gegeben habe, das einen Markteintritt erlaubt hätte. Keiner der Gesichtspunkte, die im angefochtenen Beschluss zu Merck (GUK), Alpharma, Arrow und Ranbaxy angeführt worden seien, genüge zum Nachweis des Gegenteils.

185    Darüber hinaus stütze sich der angefochtene Beschluss zu Unrecht auf Erklärungen von Lundbeck, um darzutun, dass zur Zeit des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen andere nicht rechtsverletzende Verfahren existiert hätten (634. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Die Kommission habe zu Unrecht angenommen, dass alle von Lundbeck in einer ihrer Erklärungen aufgezählten Verfahren nicht rechtsverletzend und kommerziell effizient seien sowie den rechtlichen Anforderungen des EWR genügten, wo es doch keines dieser Verfahren ermöglicht habe, in den Jahren 2002 und 2003 mit zuverlässigen und nicht rechtsverletzenden Arzneimitteln in den Markt einzutreten. Im angefochtenen Beschluss, so die Klägerinnen, würden die zahlreichen Beweismittel, die zeigten, dass sich Citalopram mit den ursprünglichen Verfahren der Zyanierung und der Alkylierung nicht zuverlässig herstellen lasse, nicht gewürdigt.

186    Zweitens hätten, selbst wenn während der Laufzeit der streitigen Vereinbarungen aus einem nicht rechtsverletzenden und kommerziell verlässlichen Verfahren hergestelltes generisches Citalopram verfügbar gewesen wäre (was nicht der Fall sei), die Generikahersteller jedenfalls nicht während der von den streitigen Vereinbarungen erfassten Monate – oder zumindest nicht „rasch genug“ – auf dieses ausweichen können, um sicherzustellen, dass von der Drohung eines potenziellen Marktzutritts während der Laufzeit dieser Vereinbarungen ein tatsächlicher Wettbewerbsdruck ausgegangen wäre.

187    Ein solcher Wechsel hätte nämlich die Beantragung einer größeren Änderung (einer sogenannten Typ‑II-Änderung) im Sinne von Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 541/95 der Kommission vom 10. März 1995 über die Prüfung von Änderungen einer Zulassung, die von einer zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats erteilt wurde (ABl. L 55, S. 7, im Folgenden: Typ‑II-Änderung), bedingt; dieses Verfahren sei bei der Änderung einer bestehenden Zulassung aufgrund eines Wechsels des API-Herstellers zu befolgen. Eine Typ‑II-Änderung sei aber am schwersten zu erlangen, denn sie erfordere ein Verfahren, das dem Verfahren der Beantragung einer neuen Zulassung entspreche. Die Gesamtdauer dieses Verfahrens könne bis zu 19 Monate betragen. Darüber hinaus komme zu dem Zeitraum, der erforderlich sei, um eine solche Änderung zu erreichen, der Zeitraum, der für die Forschung und Entwicklung des neuen Verfahrens, die Aufnahme des Arzneimittels in den Erstattungskodex, die Erteilung der Genehmigung für diese Erstattung sowie die Herstellung und den Beginn des Verkaufs des Arzneimittels benötigt werde.

188    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

189    Als Erstes vertreten die Klägerinnen zu Unrecht die Auffassung, während der Laufzeit der streitigen Vereinbarungen habe es kein kommerziell verlässliches und nicht rechtsverletzendes Verfahren ermöglicht, in den Markt einzutreten.

190    In Beantwortung der Auskunftsersuchen der Kommission, die der im 150. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses genannten Mitteilung der Beschwerdepunkte vorausgingen, hatte Lundbeck nämlich zunächst selbst die Ansicht vertreten, die Generikahersteller hätten generisches Citalopram herstellen können, indem sie auf die in ihren ursprünglichen Patenten beschriebenen Verfahren (d. h. die Verfahren der Zyanierung und der Alkylierung) zurückgriffen oder eine andere Art von Verfahren erfänden, so dass ihre Patente nicht jeglichen Wettbewerb von Seiten der Generikahersteller verhindern könnten.

191    Außerdem hat Lundbeck selbst bestätigt, dass sich mit ihren neuen Verfahrenspatenten nicht alle Möglichkeiten eines Marktzutritts blockieren ließen, auch wenn das auf Kristallisation basierende Verfahren das wirksamste zu sein scheine. So stellt die Kommission im 163. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses beispielsweise fest, dass die Niche Generics Ltd in den Markt eingetreten sei, indem sie für das generische Citalopram von Sekhsaria, einem anderen indischen API-Hersteller, eine Feststellung der Nichtverletzung erhalten habe. Aus den im 634. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses erwähnten Beweismitteln geht ferner hervor, dass die Patentrechtsexperten von Lundbeck im März 2002 erklärten, es sei „möglich, einen API herzustellen, für den vermutlich keine Kristallisation der freien Base erforderlich“ sei, der also nicht auf dem Patent für Kristallisation von Lundbeck basierte. Auch der Vizepräsident von Lundbeck hat in einer Pressemitteilung vom 9. November 2002 erklärt, dass „es … naiv [wäre], zu glauben, dass es für Generikahersteller nicht möglich ist, Cipramil ohne Verletzung [ihres] Patents herzustellen“ (634. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

192    Die Klägerinnen machen gleichwohl geltend, sie hätten nie eingeräumt, dass andere Verfahren hätten genutzt werden können, um ohne Verletzung ihrer Patente einerseits oder mit zuverlässigen, in einem industriellen Maßstab hergestellten Arzneimitteln andererseits in den Markt für Citalopram einzutreten.

193    Erstens ist jedoch darauf hinzuweisen, dass sich zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen noch kein Gericht innerhalb des EWR zur rechtsverletzenden Natur der von den Generikaherstellern entwickelten Erzeugnisse geäußert hatte (siehe oben, Rn. 146). Die Klägerinnen können daher nicht mit Erfolg geltend machen, die von den Generikaherstellern entwickelten generischen Arzneimittel verletzten ihre Verfahrenspatente; zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen waren sie allenfalls potenziell rechtsverletzend.

194    Zweitens wird, wie die Kommission geltend macht, die Behauptung, dass es für generisches Citalopram keine nicht rechtsverletzende Version gebe, die in einem industriellen Maßstab entwickelt werden könne, durch die Tatsachen nicht gestützt. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich jeder API-Hersteller auf die ursprünglichen Verfahren der Zyanierung und der Alkylierung hätte stützen können, die mit dem erloschenen Patent von Lundbeck für den API Citalopram veröffentlicht worden waren (oben, Rn. 16). So hat ein Berater von Lundbeck, wie aus dem 158. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, im Rahmen des Lagap-Rechtsstreits, der das Citalopram von Matrix betraf, eingeräumt, dass es möglich sei, die in ihren ursprünglichen Patenten enthaltenen Verfahren wirtschaftlich zu entwickeln, ohne hierfür irgendeinen Zeitraum zu nennen, dass alles von der Art und Weise abhänge, in der die Zyanierung durchgeführt werde, und dass Matrix „die Zyanierung effizienter durchführt, als sie sich das bis dahin vorgestellt hatten“, was zeigt, dass es möglich war, generisches Citalopram unter Nutzung der ursprünglichen Patente von Lundbeck in einem industriellen Maßstab herzustellen.

195    Im angefochtenen Beschluss wird jedenfalls hinreichend nachgewiesen, dass jeder einzelne Generikahersteller über eine generische Version von Citalopram verfügte oder innerhalb eines ausreichend kurzen Zeitraums hätte verfügen können, die auf Verfahren basierte, von denen nicht nachgewiesen war, dass sie zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen irgendeines der Patente von Lundbeck verletzten.

196    So basierte das von Merck (GUK) verwendete Citalopram von Natco auf Verfahren, die von den erloschenen ursprünglichen Patenten von Lundbeck erfasst wurden, oder auf anderen Verfahren, deren Patente ebenfalls erloschen (Erwägungsgründe 228 und 281 des angefochtenen Beschlusses). Die Liefervereinbarung zwischen Merck (GUK) und Schweizerhall sah ausdrücklich vor, dass der API von Natco – soweit bekannt – nicht rechtsverletzend war (235. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Außerdem ist hervorzuheben, dass das Patent für Kristallisation zum Zeitpunkt des Abschlusses der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich am 24. Januar 2002 noch nicht erteilt worden war, weder im Vereinigten Königreich noch im gesamten EWR (siehe oben, Rn. 20). Die Frage, ob das Verfahren von Natco möglicherweise das Patent für Kristallisation verletzte, war zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung somit nur eine hypothetische Frage. Beim Abschluss der GUK-Vereinbarung für den EWR hatte das EPA das Patent für Kristallisation von Lundbeck zwar bereits erteilt; es war aber weder sicher, ob der API von Natco dieses Patent verletzte, noch, ob dessen Gültigkeit im Streitfall bestätigt worden wäre (siehe oben, Rn. 122).

197    Zudem hätte sich Merck (GUK), selbst wenn sie von Lundbeck mit Verletzungsklagen überzogen worden wäre und sich ihre Erzeugnisse als rechtsverletzend herausgestellt hätten, vermutlich trotz allem innerhalb eines angemessenen Zeitraums Citalopram aus anderen Quellen beschaffen können, deren rechtsverletzende Natur nicht nachgewiesen war. Auch wenn Merck (GUK) mit Schweizerhall eine Liefervereinbarung über einen Zeitraum von acht Jahren geschlossen hatte, stützte sich diese Vereinbarung nämlich auf die Annahme, dass das Erzeugnis von Natco nicht rechtsverletzend war (235. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), so dass Merck (GUK) sie im Fall einer Rechtsverletzung zweifellos hätte kündigen können, gleichviel ob auf Grundlage der ausdrücklichen Bestimmungen der genannten Vereinbarung oder nach deutschem Recht, das für die besagte Vereinbarung galt. Insbesondere aus den Erwägungsgründen 248 und 351 des angefochtenen Beschlusses geht hervor, dass es auf dem Markt andere Quellen für generisches Citalopram gab, von denen Merck (GUK) – u. a. über die Merck dura GmbH, die deutsche Tochtergesellschaft von Merck – Kenntnis hatte. Selbst wenn unterstellt wird, dass Merck (GUK) aufgrund der Schweizerhall-Vereinbarung verpflichtet war, sich ausschließlich bei Natco einzudecken, und das von dieser hergestellte generische Citalopram das Patent für Kristallisation verletzte, ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass Natco den API Citalopram unter Nutzung anderer rechtmäßiger Verfahren hätte herstellen können, wie die Kommission im 746. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu Recht festgestellt hat.

198    Was das von Tiefenbacher an Arrow und Alpharma gelieferte generische Citalopram angeht, ist festzustellen, dass dieses anfänglich zwar nach dem ursprünglichen Verfahren von Cipla (im Folgenden: Cipla‑I-Verfahren) hergestellt wurde, für das die Gefahr einer Patentrechtsverletzung bestand, Tiefenbacher aber ohne Weiteres auf das Citalopram von Matrix und damit auf ein Erzeugnis hätte ausweichen können, das zunächst nach dem ursprünglichen Verfahren von Matrix (im Folgenden: Matrix‑I-Verfahren) und später nach dem neuen von Matrix angewandten Verfahren (im Folgenden: Matrix‑II-Verfahren) hergestellt wurde. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen hatte jedoch noch kein Gericht innerhalb des EWR die rechtsverletzende Natur des Cipla‑I- und des Matrix‑I-Verfahrens festgestellt (oben, Rn. 146).

199    Was das Matrix‑II-Verfahren betrifft, das zur Herstellung von generischem Citalopram verwendet wurde, auf das – über Tiefenbacher – auch Arrow und Alpharma zugreifen konnten, ergibt sich aus den Erwägungsgründen 154, 155, 421 und 674 sowie Fn. 1828 des angefochtenen Beschlusses, dass dieses Verfahren bereits im Mai 2002 entwickelt worden war, um später das Risiko zu verringern, dass das Citalopram von Matrix das Patent für Kristallisation verletzten würde. Im Rahmen des Lagap-Rechtsstreits hat Lundbeck nach einer Inspektion in den Geschäftsräumen von Matrix in Indien anerkannt, dass das Matrix‑II-Verfahren ihre Patente nicht verletzte. Daher spielt es, worauf die Kommission zu Recht hinweist, keine Rolle, dass einige nationale Gerichte den Anträgen von Lundbeck auf Erlass einstweiliger Maßnahmen in Bezug auf dieses Verfahren vor dem genannten Eingeständnis stattgegeben haben. Keine Schlüsse lassen sich auch aus dem Umstand ziehen, dass Tiefenbacher, damit ihre Zulassung auch das Matrix‑II-Verfahren umfasste, lediglich einen Antrag auf eine geringfügige Änderung – des Typs I – im Sinne von Art. 3 der Verordnung 541/95 (im Folgenden: Typ-I-Änderung) zu stellen brauchte, wobei es sich um das Verfahren handelt, das u. a. für die Änderung einer bestehenden Zulassung aufgrund eines Wechsels des Verfahrens genutzt wird, das derselbe API-Hersteller nutzt. Dieser Umstand stellt nämlich nicht das Anerkenntnis von Lundbeck im Rahmen des Lagap-Rechtsstreits in Frage, dass das besagte Verfahren, das anschließend im Übrigen von mehreren Generikaherstellern verwendet worden ist, ohne dass Lundbeck hierauf reagiert hätte, ihre Patente nicht verletzte.

200    Entsprechendes lässt sich in Bezug auf das neue Verfahren sagen, das Cipla verwendet hat, um generisches Citalopram herzustellen (im Folgenden: Cipla‑II-Verfahren), und das über Tiefenbacher grundsätzlich auch zugänglich war. Die Kommission hat – u. a. im 898. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses – nämlich deutlich gemacht, dass dieses Verfahren, das während des von den streitigen Vereinbarungen erfassten Zeitraums entwickelt worden war, möglicherweise nicht rechtsverletzend und im September 2002 Gegenstand eines Antrags auf eine Typ-I-Änderung einer Zulassung gewesen sei. Daher hätten Arrow und Alpharma versuchen können, das mittels dieses Verfahrens hergestellte Citalopram zu verkaufen, so wie es Neolab getan hat, ohne dass sich Lundbeck dem mit Erfolg hätte widersetzen können, worauf die Kommission in Fn. 1671 des angefochtenen Beschlusses hingewiesen hat.

201    Was schließlich das von Ranbaxy verwendete Verfahren angeht, ist zu beachten, dass Lundbeck – sogar nach Prüfung der Reaktionsschemata dieses Unternehmens – eine Vereinbarung mit ihr abschließen wollte, die umgekehrte Zahlungen vorsah, anstatt sich mit einem Antrag auf Erlass von Anordnungen an nationale Gerichte zu wenden. Folglich hatte Lundbeck keine Gewissheit hinsichtlich der rechtsverletzenden Natur des nach dem genannten Verfahren hergestellten API, wie sich aus den Erwägungsgründen 564 und 1109 des angefochtenen Beschlusses ergibt. Außerdem stellte sich Ranbaxy sowohl gegenüber Lundbeck als auch gegenüber Generikaherstellern, die eventuell am Erwerb ihres API interessiert waren, auf den Standpunkt, dass dieser nicht rechtsverletzend sei, wie die Kommission u. a. im 1105. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgehoben hat.

202    Hinzu kommt, dass die Generikahersteller – unterstellt, die von ihnen vermarkteten Erzeugnisse verletzten irgendeines der Patente von Lundbeck, was zum Zeitpunkt des Abschlusses der im vorliegenden Fall streitigen Vereinbarungen nicht nachgewiesen war – vor den zuständigen Gerichten ebenso gut die Gültigkeit dieser Patente hätten anfechten können (siehe oben, Rn. 122).

203    Als Zweites ist das Argument der Klägerinnen zurückzuweisen, die Kommission hätte nachweisen müssen, dass die Umstellung auf ein anderes Verfahren oder der Wechsel zu einem anderen API-Hersteller während der Laufzeit der streitigen Vereinbarungen stattgefunden habe. Um das Bestehen eines potenziellen Wettbewerbs zwischen den Generikaherstellern und Lundbeck zu beweisen, brauchte die Kommission nämlich lediglich darzutun, dass die erstgenannten Hersteller über tatsächliche und konkrete Möglichkeiten verfügten, innerhalb eines Zeitraums in den Markt einzutreten, der kurz genug war, um zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen einen tatsächlichen Wettbewerbsdruck auf Lundbeck auszuüben. Die Kommission brauchte nicht darzutun, dass sich die Generikahersteller während der Laufzeit der streitigen Vereinbarungen ohne jeden Zweifel ein kommerziell verlässliches und nicht rechtsverletzendes Verfahren hätten beschaffen können, sondern lediglich, dass sie zum Zeitpunkt des Abschlusses der besagten Vereinbarungen insoweit über tatsächliche und konkrete Möglichkeiten verfügten und diese Möglichkeiten nicht rein theoretisch waren.

204    Die Klägerinnen stellen nicht in Abrede, dass die Generikahersteller die Möglichkeit hatten, eine bestehende Zulassung zu ändern oder bei einem erhöhten Verletzungsrisiko zu einem anderen API-Hersteller zu wechseln, sondern machen geltend, dies hätte möglicherweise mehrere Monate oder sogar länger gedauert, als die streitigen Vereinbarungen liefen. Sie können von der Kommission jedoch nicht verlangen, dass sie dartut, was sich ohne die streitigen Vereinbarungen in einem Kontext ereignet hätte, in dem den Generikaherstellern zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarungen zahlreiche Optionen offenstanden, um in den Markt einzutreten. Die Möglichkeit, eine bestehende Zulassung zu ändern oder sich den API bei einem anderen Lieferanten zu beschaffen, war keine rein theoretische Möglichkeit, wie die Beweismittel belegen, die insoweit im angefochtenen Beschluss für jeden einzelnen Generikahersteller enthalten sind (siehe unten, Teile 6 bis 9). Die Klägerinnen haben beispielsweise selbst eingeräumt, dass Tiefenbacher, die als Vermittlerin für Arrow und Alpharma handelte, in den Niederlanden in nur zweieinhalb Monaten eine Typ-I-Änderung ihrer Zulassung für das Citalopram von Matrix hätte erhalten können (418. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

205    Jedenfalls war eine solche Möglichkeit für die meisten Generikahersteller vermutlich nicht einmal erforderlich, um in den Markt eintreten zu können, geschweige denn, um einen Wettbewerbsdruck auf Lundbeck auszuüben, da sie im Begriff waren, die notwendigen Schritte zu unternehmen, und in einigen Fällen sogar bereits eine Zulassung erhalten hatten, um mit dem generischen Citalopram ihres Lieferanten (oder im Fall von Ranbaxy ihrem eigenen generischen Citalopram) in den Markt einzutreten, und dieses zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen noch von keinem Gericht für rechtsverletzend erklärt worden war. Außerdem stellt, wie oben in Rn. 181 bereits festgestellt worden ist, allein die Tatsache, dass Lundbeck die streitigen Vereinbarungen mit den Generikaherstellern geschlossen hat, einen wichtigen Anhaltspunkt dafür dar, dass sie diese als eine potenzielle Bedrohung wahrnahm, die einen Wettbewerbsdruck auf ihre Marktposition ausübte.

206    Daher ist auch der fünfte Teil zurückzuweisen.

H –  Sechster Teil: Zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen habe es zwischen Lundbeck und Merck (GUK) keinen potenziellen Wettbewerb gegeben

207    Die Klägerinnen machen geltend, im angefochtenen Beschluss sei zu Unrecht der Schluss gezogen worden, dass Merck (GUK) zur Zeit der behaupteten Zuwiderhandlung ein potenzieller Wettbewerber von Lundbeck im Vereinigten Königreich – und entsprechend im EWR – gewesen sei.

208    Auch wenn es möglicherweise relevant sei, dass Merck (GUK) die Absicht gehabt habe, in den Markt einzutreten, bleibe die Feststellung, ob sie dazu auch in der Lage gewesen sei, das wesentliche Kriterium. Im angefochtenen Beschluss werde jedoch darüber hinweggetäuscht, dass Merck (GUK) lediglich Zugang zum Citalopram von Natco gehabt habe, das das Patent für Kristallisation von Lundbeck verletze, was bedeute, dass sie nicht in der Lage gewesen sei, rechtmäßig in den Markt einzutreten.

209    Außerdem sei im 754. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses auf der Grundlage von Schriftstücken aus der betreffenden Zeit zu Unrecht der Schluss gezogen worden, dass sich Merck (GUK) ihrer Stellung im Patentbereich sehr sicher gewesen sei. Die Kommission habe selektiv aus diesen Schriftstücken zitiert und sie aus ihrem Zusammenhang gerissen.

210    Im Übrigen sei Merck (GUK) kein potenzieller Wettbewerber von Lundbeck gewesen, da sie während der Laufzeit der streitigen Vereinbarungen nicht auf andere API habe ausweichen können, die nach nicht rechtsverletzenden Verfahren hergestellt worden seien. Im Jahr 2003 habe es nämlich kein anderes generisches Erzeugnis gegeben, das kommerziell verlässlich und nicht rechtsverletzend gewesen sei. Selbst wenn unterstellt werde, dass Merck (GUK) zu anderen Herstellern nicht rechtsverletzender API hätte wechseln können, hätte ein Erwerb von Citalopram durch Merck (GUK) bei Dritten jedenfalls gegen Art. 1.3 der Vereinbarung zwischen ihr und Schweizerhall verstoßen, wonach Merck (GUK) 100 % ihres Jahresbedarfs am API Citalopram bei Schweizerhall habe decken müssen (235. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

211    Schließlich werde im angefochtenen Beschluss die darin gezogene Schlussfolgerung, dass Merck (GUK) zur Zeit der behaupteten Zuwiderhandlung ein potenzieller Wettbewerber von Lundbeck im EWR (Vereinigtes Königreich nicht eingeschlossen) gewesen sei, nicht begründet. Da die Kommission den Betrag der gegen Lundbeck verhängten Geldbuße im angefochtenen Beschluss auf der Grundlage des Wertes der Verkäufe von Citalopram im gesamten EWR berechnet habe, genüge dieser Gesichtspunkt allein, um den angefochtenen Beschluss für ungültig zu erklären.

212    In Bezug auf die Verkäufe von Citalopram in Schweden über NM Pharma (Erwägungsgründe 836 bis 838 des angefochtenen Beschlusses), die die Kommission zu der Schlussfolgerung veranlasst haben, dass Merck (GUK) auch auf anderen Märkten innerhalb des EWR ein ernstzunehmender potenzieller Wettbewerber sei (840. Erwägungsgrund), machen die Klägerinnen geltend, die Tatsache, dass sie sich entschieden hätten, selektiv in Schweden rechtliche Schritte einzuleiten, ohne dass dies NM Pharma betreffe, beweise nicht, dass Merck (GUK) in der Lage gewesen sei oder tatsächliche und konkrete Möglichkeiten gehabt habe, in andere Märkte innerhalb des EWR einzutreten. Im angefochtenen Beschluss werde nicht hinreichend dargetan, dass Merck (GUK) ein tatsächlicher oder potenzieller Wettbewerber von Lundbeck in sämtlichen Ländern des EWR gewesen sei, da sie vor Abschluss der GUK-Vereinbarung für den EWR lediglich in Schweden über eine Zulassung verfügt habe. In Deutschland, Italien, den Niederlanden und Spanien habe Merck (GUK) eine Zulassung erst nach Ablauf der GUK-Vereinbarung für den EWR erhalten und anderswo während der Laufzeit dieser Vereinbarung.

213    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

214    Vor der Prüfung des Vorbringens der Klägerinnen ist kurz die von der Kommission im angefochtenen Beschluss vorgenommene Prüfung des potenziellen Wettbewerbs zwischen Merck (GUK) und Lundbeck darzustellen. Die Kommission unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen der Situation im Vereinigten Königreich und der Situation im EWR zum Zeitpunkt des Abschlusses der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich einerseits und der GUK-Vereinbarung für den EWR andererseits.

1.     Situation im Vereinigten Königreich

215    Was zunächst die Wettbewerbssituation im Vereinigten Königreich angeht, vertritt die Kommission die Auffassung, Lundbeck sei in der Zeit vor dem 24. Januar 2002, dem Tag der Unterzeichnung der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich, das einzige Unternehmen gewesen, das im Vereinigten Königreich Citalopram verkauft habe. Am 5. Januar 2002 seien die ursprünglichen Patente von Lundbeck im Vereinigten Königreich erloschen. Von diesem Tag an habe der britische Markt für Citalopram somit grundsätzlich für generische Erzeugnisse offengestanden, sofern diese die gesetzlichen Verpflichtungen auf dem Gebiet der Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit, wie sie durch eine Zulassung bestätigt würden, erfüllten. Daher seien die Unternehmen, die im Vereinigten Königreich Citalopram enthaltende Generika hergestellt oder zu verkaufen beabsichtigt und realistische Aussichten gehabt hätten, generisches Citalopram geliefert zu bekommen und in naher Zukunft eine Zulassung zu erhalten, als potenzielle Wettbewerber von Lundbeck anzusehen gewesen. Der Markteintritt der Generika hätte, insbesondere bei gleichzeitigem Eintritt mehrerer Generikahersteller, mehr als wahrscheinlich einen intensiven Preiswettbewerbsprozess in Gang gesetzt, wodurch der Preis für Citalopram schnell und drastisch gesunken wäre (738. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

216    Merck (GUK) sei, nachdem sie Lundbeck über ihre Absicht unterrichtet habe, in den Markt für Citalopram einzutreten, der erste Generikahersteller gewesen, der eine Zulassung für den britischen Markt erhalten habe, und zwar am 9. Januar 2002. Während dieses Zeitraums habe Merck (GUK) einen Lagerbestand von 8 Mio. Tabletten auf der Grundlage des API von Natco hergestelltem Citalopram angelegt, die für den Verkauf im Vereinigten Königreich bereitgestanden hätten (741. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

217    Im Anschluss an die GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich, die am 24. Januar 2002 mit Lundbeck unterzeichnet worden sei, habe Merck (GUK) bis zum Ende der Laufzeit der Vereinbarung, das ursprünglich für Juli 2003 vorgesehen gewesen sei, davon Abstand genommen, generisches Citalopram in den Markt einzuführen. Gleichwohl habe Merck (GUK) ihr generisches Citalopram zwischen dem 1. und 4. August 2003 – vor der zweiten Verlängerung der Vereinbarung am 6. August 2003 – tatsächlich zu einem Preis von 3,3 Mio. GBP im Vereinigten Königreich verkauft (742. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

218    Die Kommission gelangt im 743. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu dem Schluss, dass Merck (GUK), wie diese Tatsachen hinreichend belegten, tatsächliche und konkrete Möglichkeiten gehabt habe, zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich in den britischen Markt für Citalopram einzutreten. Der Umstand, dass Merck (GUK) im August 2003 tatsächlich kurz in den Markt eingetreten sei, belege zudem hinreichend, dass Merck (GUK) und Lundbeck zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der streitigen Vereinbarungen im Januar 2002 potenzielle Wettbewerber gewesen seien. Darüber hinaus werde allein durch die Tatsache, dass Lundbeck einem erheblichen Vermögenstransfer an Merck (GUK) nach Maßgabe dieser Vereinbarungen zugestimmt habe, hinreichend dargetan, dass Lundbeck Merck (GUK) als einen potenziellen Wettbewerber wahrgenommen habe, dessen Markteintritt plausibel gewesen sei und der zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der streitigen Vereinbarungen eine Bedrohung für ihre Marktposition dargestellt habe.

219    Die Klägerinnen stellen gleichwohl in Abrede, dass diese Gesichtspunkte für den Nachweis eines potenziellen Wettbewerbs zwischen ihnen und Merck (GUK) genügen, und vertreten die Ansicht, die Kommission hätte vor allem dartun müssen, dass Merck (GUK) in der Lage gewesen sei, in den Markt einzutreten, anstatt ihre dahin gehenden Absichten zu berücksichtigen. Sie stellen darüber hinaus verschiedene von der Kommission im angefochtenen Beschluss verwendete Aussagen in Frage, die außerhalb ihres Kontexts zitiert worden seien und mit denen sich nicht der Nachweis führen lasse, dass der API von Natco keinerlei Patent von Lundbeck, insbesondere das Patent für Kristallisation, verletze.

220    Insoweit genügt jedoch die Feststellung, dass sich die Kommission zum Nachweis des Bestehens eines potenziellen Wettbewerbs zwischen Merck (GUK) und Lundbeck nicht ausschließlich auf deren subjektive Beurteilungen gestützt hat, sondern auf objektive Gesichtspunkte wie die Tatsache, dass Merck (GUK) zum Zeitpunkt des Abschlusses der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich eine Liefervereinbarung mit Schweizerhall geschlossen hatte, die darauf abzielte, sich das Citalopram von Natco zu verschaffen, die Tatsache, dass sie bereits einen großen Lagerbestand an generischem Citalopram aufgebaut hatte, und die Tatsache, dass sie am 9. Januar 2002 im Vereinigten Königreich eine Zulassung erhalten hatte.

221    Als Erstes machen die Klägerinnen gleichwohl geltend, Merck (GUK) hätte ihre generischen Erzeugnisse nicht in den Markt einführen können, ohne ihre Patente zu verletzen. Hierbei handelt es sich jedoch erneut um ihre subjektive Beurteilung, da zum Zeitpunkt des Abschlusses der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich noch kein Gericht innerhalb des EWR festgestellt hatte, dass der API von Natco, den Merck (GUK) verwendete, um ihr generisches Citalopram herzustellen, irgendein Patent von Lundbeck verletzte. Außerdem war das Patent für Kristallisation von Lundbeck zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung im Vereinigten Königreich noch nicht einmal erteilt worden. Schließlich sei erneut darauf hingewiesen, dass Merck (GUK) nicht zu beweisen hatte, dass ihre Erzeugnisse nicht rechtsverletzend waren, um sie im Vereinigten Königreich vermarkten zu können (siehe oben, Rn. 122). Sie lief allenfalls Gefahr, mit Anträgen auf Erlass einer Anordnung oder mit Verletzungsklagen seitens Lundbeck konfrontiert zu werden, allerdings ohne sicher zu sein, dass diese obsiegen würde, da das Vorliegen einer Verletzung nach eigener Einschätzung von Lundbeck bei Verfahrenspatenten besonders schwierig zu beweisen ist (629. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Außerdem hätte sie im Streitfall mittels Widerklage die Frage der Gültigkeit der Patente von Lundbeck aufwerfen können (siehe oben, Rn. 122).

222    Entgegen der Ansicht der Klägerinnen brauchte die Kommission nicht den gesicherten Nachweis zu erbringen, dass Merck (GUK) während der Laufzeit der Vereinbarungen mittels eines API in den Markt eingetreten wäre, der kein Patent von Lundbeck verletzte. Sie musste lediglich dartun, dass Merck (GUK) zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen über tatsächliche und konkrete Möglichkeiten verfügte, in den Markt einzutreten, und diese Aussichten keine rein theoretischen Möglichkeiten darstellten, sondern davon zeugten, dass sie tatsächlich in der Lage war, innerhalb eines Zeitraums in den Markt einzutreten, der kurz genug war, um einen Wettbewerbsdruck auf Lundbeck auszuüben.

223    In Anbetracht der in den Erwägungsgründen 738 ff. des angefochtenen Beschlusses angeführten Gesichtspunkte, die oben in den Rn. 215 bis 218 zusammengefasst worden sind, können die Klägerinnen nicht mit Erfolg geltend machen, die Kommission sei dieser Aufgabe nicht nachgekommen. Der Umstand, dass Merck (GUK) im August 2003 mit ihren Generika kurz in den Markt eintreten konnte, als sie der Ansicht war, dass die Bedingungen ihrer Vereinbarung mit Lundbeck nicht mehr gut genug seien (755. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), zeugt nämlich auf eindrückliche Weise davon, dass Merck (GUK) zum Zeitpunkt des Abschlusses der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich zumindest ein potenzieller Wettbewerber von Lundbeck war. Der Auffassung der Klägerinnen zu folgen würde bedeuten, dass Merck (GUK) sogar zu diesem Zeitpunkt nicht als potenzieller Wettbewerber von Lundbeck angesehen werden könnte, weil nicht nachgewiesen war, dass ihre Erzeugnisse kein Patent von Lundbeck verletzten, obwohl sie im Vereinigten Königreich Tabletten im Wert von 3,3 Mio. GBP verkauft hatte. Eine solche Position ist offensichtlich unhaltbar. Schließlich zeugt auch der Umstand, dass Lundbeck es vorgezogen hat, eine Vereinbarung mit Merck (GUK) abzuschließen, um deren Markteintritt zu verzögern, davon, dass sie diese zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung als eine Bedrohung ansah, die einen Wettbewerbsdruck auf dem Markt für Citalopram ausüben konnte (siehe oben, Rn. 103).

224    Was als Zweites das Argument der Klägerinnen betrifft, Merck (GUK) habe während der Laufzeit der streitigen Vereinbarungen nicht die Möglichkeit gehabt, zu einem anderen API-Hersteller zu wechseln, ist festzustellen, dass dieses Argument in Anbetracht des Vorstehenden ins Leere geht, da die Kommission nicht den gesicherten Nachweis zu erbringen brauchte, dass Merck (GUK) mittels eines nicht rechtsverletzenden API in den Markt eingetreten wäre, um davon ausgehen zu können, dass sie zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarungen ein potenzieller Wettbewerber von Lundbeck war. Wie die Kommission zu Recht festgestellt hat, beruhte die Liefervereinbarung, die Merck (GUK) mit Schweizerhall geschlossen hatte, jedenfalls auf der Annahme, dass der API von Natco nach Erlöschen der ursprünglichen Patente von Lundbeck keines von deren Patenten verletzte. Für den Fall, dass die auf dem API von Natco basierenden Erzeugnisse von Merck (GUK) als rechtsverletzend eingestuft worden wären, wäre es Merck (GUK) daher sehr wahrscheinlich möglich gewesen, diese Vereinbarung entweder zu kündigen und zu versuchen, sich bei einem anderen Lieferanten als Schweizerhall mit generischem Citalopram einzudecken, oder mit Schweizerhall zusammenzuarbeiten, um sich von dieser generisches Citalopram liefern zu lassen, das nach nicht rechtsverletzenden Verfahren gewonnen worden war (oben, Rn. 197).

225    Folglich ist die Kommission im angefochtenen Beschluss fehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass Merck (GUK) zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich tatsächliche und konkrete Möglichkeiten gehabt habe, in den britischen Markt für Citalopram einzutreten, und sie zu diesem Zeitpunkt daher zumindest ein potenzieller Wettbewerber von Lundbeck gewesen sei.

2.     Situation im EWR

226    Was sodann die Wettbewerbssituation im EWR angeht, legt die Kommission in den Erwägungsgründen 827 ff. des angefochtenen Beschlusses dar, weshalb sie der Ansicht war, dass Merck (GUK) in den meisten EWR-Staaten als ein potenzieller Wettbewerber von Lundbeck anzusehen sei. Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Vereinbarungen habe Merck (GUK) mit Schweizerhall eine Alleinvertriebsvereinbarung über den API von Natco geschlossen. In dieser Vereinbarung seien Schweizerhall zum bevorzugten Vertriebshändler von Natco für eine Reihe von EWR-Staaten (nämlich Belgien, Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien, die Niederlande, Finnland, Schweden und Norwegen) und Merck (GUK) in dem Sinne zu ihrem „Vorzugskunden“ gemacht worden, dass ihr Bedarf an Citalopram bevorzugt behandelt werden sollte (235. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

227    Im Mai 2002 habe NM Pharma – der Vertriebshändler von Merck (GUK) für Schweden – eine Zulassung erhalten und sei in den schwedischen Markt eingetreten. NM Pharma habe auch über ein umfangreiches Vertriebsnetz in Norwegen verfügt und ihre schwedische Zulassung nutzen wollen, um mittels des in der Richtlinie 2001/83 vorgesehenen Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung Zulassungen in Belgien, Dänemark, Spanien, den Niederlanden, Finnland und Norwegen zu erhalten. Merck (GUK) habe ihrerseits vergleichbare Zulassungen für Deutschland, Irland, Griechenland, Frankreich, Italien, Österreich und Portugal angestrebt, indem sie von der Zulassung Gebrauch gemacht habe, die sie im Vereinigten Königreich erhalten habe (Erwägungsgründe 829 und 830 des angefochtenen Beschlusses). Außerdem werde unter Buchst. D der Präambel der GUK-Vereinbarung für den EWR anerkannt, dass Merck (GUK) im EWR-Gebiet die Rolle eines potenziellen Wettbewerbers eingenommen habe (831. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

228    Vor diesem Hintergrund konnte die Kommission die Schlussfolgerung ziehen, dass Merck (GUK) und Lundbeck zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der GUK-Vereinbarung für den EWR im Oktober 2002 zumindest potenzielle Wettbewerber gewesen seien. In Schweden sei Merck (GUK) über ihren Vertriebshändler NM Pharma während einiger Monate vor Unterzeichnung der Vereinbarung sogar ein tatsächlicher Wettbewerber von Lundbeck gewesen. Darüber hinaus sei allein die Tatsache, dass Lundbeck einem erheblichen Vermögenstransfer an Merck (GUK) nach Maßgabe dieser Vereinbarung zugestimmt habe, ausreichender Beweis dafür, dass Lundbeck Merck (GUK) als einen potenziellen Wettbewerber wahrgenommen habe, dessen Markteintritt plausibel gewesen sei und der zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der GUK-Vereinbarung für den EWR eine Bedrohung für ihre Position auf dem Markt für Citalopram dargestellt habe (832. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

229    Die Klägerinnen machen demgegenüber geltend, die Produktmärkte für die Lieferung von Arzneimitteln wie Citalopram hätten einen nationalen Umfang, so dass die Kommission hätte bewerten müssen, ob Merck (GUK) und Lundbeck potenzielle Wettbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat des EWR gewesen seien, anstatt lediglich eine Beurteilung für den EWR insgesamt vorzunehmen.

230    Es ist jedoch festzustellen, dass die von der Kommission in den Erwägungsgründen 827 bis 840 des angefochtenen Beschlusses vorgenommene Prüfung (siehe oben, Rn. 226 bis 228) hinreichend überzeugend belegt, dass Merck (GUK) und Lundbeck zum Zeitpunkt des Abschlusses der GUK-Vereinbarung für den EWR im gesamten EWR-Gebiet als potenzielle Wettbewerber angesehen werden konnten. Die Tatsache, dass Merck (GUK) weder zum Zeitpunkt des Abschlusses der GUK-Vereinbarung für den EWR noch während der Laufzeit dieser Vereinbarung in allen EWR-Staaten eine Zulassung erhalten hatte, bedeutet nicht, dass sie nicht über tatsächliche und konkrete Möglichkeiten verfügte, zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung in die Märkte der verschiedenen EWR-Staaten einzutreten.

231    Wie die Kommission in den Erwägungsgründen 827 ff. des angefochtenen Beschlusses dartut, hatte Merck (GUK) nämlich die Absicht, von dem in der Richtlinie 2001/83 vorgesehenen Verfahren der gegenseitigen Anerkennung Gebrauch zu machen, um auf der Grundlage der Zulassung, die sie bereits im Vereinigten Königreich erhalten hatte, und der Zulassung ihres Vertriebshändlers NM Pharma in Schweden Zulassungen in anderen Mitgliedstaaten zu erhalten (siehe oben, Rn. 227).

232    Darüber hinaus ist die Tatsache, dass die GUK-Vereinbarung für den EWR das gesamte EWR-Gebiet (mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs) erfasst, ausreichender Beweis dafür, dass Lundbeck Merck (GUK) in diesem gesamten Gebiet als eine potenzielle Bedrohung wahrnahm und Letztere über tatsächliche und konkrete Möglichkeiten verfügte, in den Markt für Citalopram einzutreten, wenn schon nicht in allen EWR-Staaten, so doch zumindest in einer großen Mehrzahl von ihnen (vgl. Erwägungsgründe 827 ff. des angefochtenen Beschlusses). Wie die Kommission in Fn. 1540 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, brauchte sie nicht nachzuweisen, dass Merck (GUK) ohne die GUK-Vereinbarung für den EWR mit Sicherheit während der Laufzeit dieser Vereinbarung in jeden einzelnen Mitgliedstaat des EWR eingetreten wäre. Es lässt sich nachträglich nämlich nicht rekonstruieren, wann der Markteintritt in jedem einzelnen Mitgliedstaat des EWR erfolgt wäre, während die GUK-Vereinbarung für den EWR gerade bezweckte und bewirkte, die dahin gehenden Bemühungen von Merck (GUK) zu unterbrechen.

233    Außerdem verkennt ein solches Argument erneut den Unterschied zwischen tatsächlichem und potenziellem Wettbewerb, wobei für Letzteren nicht der Nachweis eines sicheren Markteintritts verlangt wird, sondern lediglich das Bestehen tatsächlicher und konkreter Möglichkeiten dazu. Aus den Erwägungsgründen 328 und 347 des angefochtenen Beschlusses geht u. a. hervor, dass Merck (GUK) zum Zeitpunkt des Abschlusses der GUK-Vereinbarung für den EWR die Absicht hatte und in der Lage war, Citalopram innerhalb eines Zeitraums im EWR zu vermarkten, der kurz genug war, um einen Wettbewerbsdruck auf Lundbeck ausüben zu können.

234    Aus dem angefochtenen Beschluss geht jedenfalls hervor, dass die Kommission den Unterschieden zwischen den EWR-Staaten Rechnung getragen hat, als sich diese bei der Prüfung der Frage als relevant erwiesen, ob in diesem Gebiet potenzieller Wettbewerb bestand. So weist die Kommission – u. a. im 827. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses – darauf hin, dass das Patent für den API von Lundbeck in Österreich – im Gegensatz zu den anderen Mitgliedstaaten – erst im April 2003 erlösche. Darüber hinaus prüft sie in den Erwägungsgründen 326, 347 und 827 bis 830 des angefochtenen Beschlusses die Situation in Bezug auf die Zulassungen in verschiedenen EWR-Staaten.

235    Zu dem Argument der Klägerinnen, sie wären unweigerlich gerichtlich gegen NM Pharma vorgegangen, genügt die Feststellung, dass dieses Vorbringen durch die Tatsachen widerlegt wird, da NM Pharma für beinahe fünf Monate tatsächlich in den schwedischen Markt eingetreten ist und dort „sehr ermutigende“ Umsätze erzielt hat (325. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), ohne dass Lundbeck rechtlich dagegen vorgegangen wäre.

236    Daher ist der sechste Teil zurückzuweisen.

I –  Siebter Teil: Zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen habe es zwischen Lundbeck und Arrow keinen potenziellen Wettbewerb gegeben

237    Die Klägerinnen tragen vor, bei Abschluss der Arrow-UK- Vereinbarung und der dänischen Arrow-Vereinbarung habe sich Arrow nicht in einer Situation des potenziellen Wettbewerbs mit ihnen befunden.

238    Was das Vereinigte Königreich angehe, habe Arrow nämlich erstens erst im Juli 2002 über eine Zulassung verfügt, die sich zudem auf die API von Cipla und Matrix bezogen habe, die mittels der ursprünglichen Herstellungsverfahren dieser beiden Unternehmen gewonnen worden seien und, so die Klägerinnen, das Patent für Kristallisation verletzten. Nichts beweise, dass Arrow vernünftige Aussichten gehabt habe, dieses Patent für ungültig erklären zu lassen. Im Übrigen habe sie nicht mit der Zusammenarbeit von Cipla rechnen können, um den Nachweis der Nichtverletzung zu führen.

239    Zweitens habe Arrow ebenso wenig über tatsächliche und konkrete Möglichkeiten verfügt, auf die nach den jedenfalls auch rechtsverletzenden Cipla‑II- und Matrix‑II-Verfahren hergestellten API oder das Citalopram von Ranbaxy auszuweichen, das nicht nur die Patente für Amid und Jod verletzt habe, sondern auch von keiner Zulassung erfasst gewesen sei.

240    Drittens berufen sich die Klägerinnen auf das Urteil des High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (erstinstanzliches Gericht [England und Wales], Abteilung Chancery [zuständig u. a. für Streitigkeiten auf dem Gebiet des geistigen Eigentums]) vom 23. Oktober 2001, Smithkline Beecham Plc v. Generics (UK) Ltd ([2002] 25[1] I.P.D. 25005, im Folgenden: Paroxetine-Urteil), aus dem sich ergebe, dass ein Generikahersteller nicht in den Markt eintreten könne, bevor er bewiesen habe, dass sein Erzeugnis kein Patent verletze, wozu Arrow nicht in der Lage gewesen sei.

241    Viertens bedeute die Tatsache, dass die Klägerinnen dem Abschluss von Vereinbarungen mit Arrow zugestimmt hätten, die Zahlungen zu ihren Lasten vorsähen, nicht, dass sie diese als potenziellen Wettbewerber wahrgenommen hätten, sondern, dass sie eine Verletzung ihrer Patente befürchtet hätten.

242    Was Dänemark betrifft, nehmen die Klägerinnen Bezug auf die meisten der zum Vereinigten Königreich vorgebrachten Argumente und fügen hinzu, dass Arrow erst 2005 in den dänischen Markt eingetreten sei; außerdem seien während der Laufzeit der dänischen Arrow-Vereinbarung richterliche Anordnungen gegen mehrere Generikahersteller ergangen, als sie versucht hätten, in diesem Mitgliedstaat generisches Citalopram zu verkaufen.

243    Die Kommission tritt diesem Vorbringen insgesamt entgegen.

1.     Situation im Vereinigten Königreich

244    Als Erstes ist das Vorbringen der Klägerinnen zu prüfen, bei Abschluss der Arrow-UK-Vereinbarung habe kein potenzieller Wettbewerb zwischen ihnen und Arrow bestanden.

245    Zum Vorbringen der Klägerinnen, Arrow habe mit dem Citalopram von Cipla oder Matrix nicht in den Markt eintreten können, ist Folgendes festzustellen.

246    Erstens stellt die Kommission in den Erwägungsgründen 375 und 878 des angefochtenen Beschlusses fest, dass Arrow am 22. Mai 2001 eine Vereinbarung mit Tiefenbacher geschlossen habe, um zum einen die Zulassungen, die diese in mehreren Ländern des EWR für generisches Citalopram beantragt hatte, und zum anderen Tabletten des genannten Arzneimittels zu erwerben, die aus dem API von Cipla oder Matrix hergestellt worden waren.

247    Zweitens weist die Kommission in den Erwägungsgründen 379 und 878 des angefochtenen Beschlusses darauf hin, dass Arrow am 10. September 2001 bei Tiefenbacher Tabletten aus generischem Citalopram im Wert von 2,8 Mio. Deutschen Mark (DEM) bestellt habe, die sie zum Teil im November 2001 und zum Teil während der zweiten Januarwoche 2002 erhalten habe. Diese Tabletten waren aus dem API von Cipla entwickelt und nach dem Cipla‑I-Verfahren hergestellt worden.

248    Drittens ergibt sich aus dem 382. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass am 14. Dezember 2001 ein Treffen zwischen Arrow und Tiefenbacher stattgefunden hat. Nach den Aufzeichnungen über dieses Treffen, die die Klägerinnen dem Gericht vorgelegt haben, vertrat Tiefenbacher die Auffassung, das nach dem Cipla‑I-Verfahren hergestellte Citalopram verletze möglicherweise das Patent für Kristallisation, falls dieses im Vereinigten Königreich erteilt werde, obwohl Cipla vortrug, ihr Verfahren entspreche einem der in den ursprünglichen Patenten genannten Verfahren. In den erwähnten Aufzeichnungen ist darüber hinaus davon die Rede, dass Arrow eine Verteidigungsstrategie gegenüber Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung habe vorbereiten wollen, die Lundbeck vor den zuständigen Gerichten stellen würde, um sich ihrem Eintritt in den britischen Markt zu widersetzen. Außerdem ist in der E‑Mail, mit der diese Aufzeichnungen übermittelt worden sind, davon die Rede, dass ein Mitarbeiter von Arrow das Cipla‑I- und das Matrix‑I-Verfahren untersucht habe und zu dem Schluss gekommen sei, dass diese das Patent für Kristallisation offenbar nicht verletzten.

249    Viertens hat Arrow ausweislich des 383. Erwägungsgrundes des angefochtenen Beschlusses am 21. Dezember 2001 von Tiefenbacher den Antrag auf Erteilung einer Zulassung erworben, den diese zuvor bei den zuständigen Behörden im Vereinigten Königreich eingereicht hatte. Dieser Antrag, der nach dem in Art. 18 der Richtlinie 2001/83 genannten Verfahren der gegenseitigen Anerkennung auf der Zulassung beruhte, die Tiefenbacher zuvor in den Niederlanden erhalten hatte, war im Juli 2002 – nach dem Scheitern der Klage, die Lundbeck in den Niederlanden gegen die letztgenannte Zulassung eingereicht hatte – erfolgreich. Insoweit ist zu beachten, dass potenzieller Wettbewerb, wie die Kommission im 882. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgehoben hat, bereits vor Gewährung einer Zulassung beginnt (oben, Rn. 92 bis 94) und diese jedenfalls während der Laufzeit der Arrow-UK-Vereinbarung erteilt worden ist.

250    Fünftens unterstreicht die Kommission im 387. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses die Tatsache, dass sich Cipla in einer Arrow am 15. Januar 2002 übermittelten E‑Mail bereit erklärt hatte, diese im Rahmen eines etwaigen Rechtsstreits mit Lundbeck zu unterstützen, dass sie die erforderlichen Informationen über ihr Verfahren aber unmittelbar an die zuständigen Behörden und nicht zunächst an Arrow oder Tiefenbacher liefern wollte. Daher spielt es keine Rolle, dass Cipla ausweislich einer E‑Mail vom 11. Januar 2002, die im 385. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses erwähnt wird, keine weiteren Informationen über ihr Verfahren erteilen wollte.

251    Sechstens ergibt sich aus dem 389. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass Arrow in einer E‑Mail vom 22. Januar 2002 die Klägerinnen in Beantwortung einer Warnung, die diese ihr am Vortag übermittelt hatten, darüber unterrichtet hat, dass sie deren neue Patente ihrer Ansicht nach nicht verletze.

252    Siebtens erklärte eine Tochtergesellschaft von Arrow – Resolution Chemicals – in einer in den Erwägungsgründen 390, 880 und 887 des angefochtenen Beschlusses angeführten und an einen anderen Hersteller des API Citalopram gerichteten E‑Mail vom 23. Januar 2002, dass sie „[ihr Erzeugnis] in der [folgenden] Woche im Vereinigten Königreich auf den Markt bringen“ werde. In dieser E‑Mail bekundete Resolution Chemicals darüber hinaus Interesse am API dieses Lieferanten als zweiter Quelle für API.

253    Achtens hat Arrow im siebten Erwägungsgrund der Arrow-UK-Präambel eine Verletzung der neuen Patente von Lundbeck nicht eingeräumt, sondern lediglich darauf hingewiesen, dass sie diese Anschuldigung nicht durch eindeutige Beweise widerlegen könne.

254    Neuntens geht u. a. aus den Erwägungsgründen 157, 627, 669 und 745 sowie Fn. 322 des angefochtenen Beschlusses hervor, dass auch andere Generikahersteller und Lundbeck selbst Zweifel an der Gültigkeit des Patents für Kristallisation hegten. Insbesondere Letztere vertrat die Ansicht, die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Patent für ungültig erklärt werde, liege bei 50 % bis 60 %. Die diese Einschätzung betreffenden Beweise stammen zwar aus der Zeit nach Abschluss der streitigen Vereinbarungen. Die Klägerinnen haben jedoch nichts vorgetragen, womit sich erklären ließe, inwiefern sie diese Frage vorher anders beurteilt hätten. Darüber hinaus sind auch die oben in Rn. 122 dargelegten Erwägungen zur Ungültigerklärung der Verfahrenspatente zu berücksichtigen. Wäre das Patent für Kristallisation für ungültig erklärt worden, wäre dessen etwaige Verletzung durch Arrow nämlich folgenlos geblieben.

255    Diese Beweismittel genügen für die Annahme, dass Arrow bei Abschluss der Arrow-UK-Vereinbarung aufgrund ihrer tatsächlichen und konkreten Möglichkeiten, mit dem nach dem Cipla‑I-Verfahren hergestellten Citalopram von Cipla in den Markt einzutreten, in einem potenziellen Wettbewerbsverhältnis zu Lundbeck stand.

256    Was die Möglichkeit angeht, dass Arrow den API-Hersteller wechselt und auf den nach dem Matrix‑I-Verfahren hergestellten API von Matrix ausweicht, den Tiefenbacher ihr hätte liefern können, ist zu beachten, dass Arrow ausweislich der mit den Aufzeichnungen über das Treffen vom 14. Dezember 2001 übermittelten E‑Mail (siehe oben, Rn. 248) die Ansicht vertrat, das von Matrix für die Herstellung dieses API verwendete Verfahren verletze vermutlich nicht das Patent für Kristallisation. In diesen Aufzeichnungen ist darüber hinaus von der Möglichkeit die Rede, dass Arrow auf den API von Matrix ausweicht, wobei gleichzeitig davon ausgegangen wurde, dass ein solcher Wechsel in dem Stadium, in dem sie sich seinerzeit befand, nicht möglich war. Insoweit ist zu bemerken, wie auch die Kommission in den Erwägungsgründen 885, 886, 889 und 895 sowie Fn. 1636 des angefochtenen Beschlusses zu Recht feststellt, dass die Vereinbarung zwischen Arrow und Tiefenbacher einen solchen Wechsel erlaubte, so dass die Tatsache, dass diese Option für Arrow möglicherweise eine weniger vorteilhafte Lösung war als die Option, mit Lundbeck eine Vereinbarung zu schließen, der Feststellung nicht entgegensteht, dass sie über eine tatsächliche und konkrete Möglichkeit verfügte, mit aus diesem API hergestelltem Citalopram in den Markt einzutreten.

257    Was das Vorbringen der Klägerinnen zum Matrix‑II- und Cipla‑II-Verfahren betrifft, ist auf die vorstehenden Rn. 198 bis 200 zu verweisen.

258    Bezüglich des Arguments der Klägerinnen, das aus dem oben in Rn. 240 erwähnten Paroxetine-Urteil hergeleitet wird, ist darauf hinzuweisen, dass eine Frage der Auslegung des nationalen Rechts eines Mitgliedstaats eine Tatsachenfrage ist (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteile vom 21. Dezember 2011, A2A/Kommission, C‑318/09 P, EU:C:2011:856, Rn. 125 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 16. Juli 2014, Zweckverband Tierkörperbeseitigung/Kommission, T‑309/12, EU:T:2014:676, Rn. 222 und die dort angeführte Rechtsprechung), die das Gericht grundsätzlich in vollem Umfang nachzuprüfen hat (oben, Rn. 113).

259    In dem oben in Rn. 240 erwähnten Paroxetine-Urteil hat das betreffende Gericht die für den Erlass einstweiliger Anordnungen im englischen Recht geltenden Grundsätze angewandt und die Ansicht vertreten, die Interessenabwägung spreche in Anbetracht der besonderen Umstände der Rechtssache – insbesondere der Tatsache, dass der fragliche Generikahersteller nicht „die Hindernisse beseitigt“ hatte, indem er den Originalpräparatehersteller über seine feste Absicht unterrichtete, sein Generikum in den Markt einzuführen, obwohl er sich vier Jahre lang auf diesen Eintritt vorbereitet hatte und wusste, dass der letztgenannte Hersteller Patente hielt, die es ihm ermöglichten, eine Verletzungsklage gegen ihn zu erheben – für den Originalpräparatehersteller.

260    Ohne dass es einer Entscheidung über die Frage bedarf, wie das oben in Rn. 240 erwähnte Paroxetine-Urteil auszulegen ist und welche Tragweite es genau hat, ist gleichwohl festzustellen, dass zwischen dem vorliegenden Fall und dem Fall, der zu jenem Urteil geführt hat, mehrere Unterschiede bestehen.

261    Zum einen ergibt sich nämlich aus dem 374. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass die Klägerinnen und Arrow bereits am 15. Dezember 2000 Kontakt miteinander aufgenommen hatten, um über generisches Citalopram zu sprechen. Außerdem hatte Arrow, wie die Kommission im 389. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses feststellt, den Klägerinnen im Januar 2002 bestätigt, dass sie ihren Eintritt in den britischen Markt vorbereite.

262    Zum anderen bestand das Patent, das der fragliche Generikahersteller in der Rechtssache, in der das oben in Rn. 240 erwähnte Paroxetine-Urteil ergangen ist, möglicherweise verletzt hatte, bereits während des gesamten Zeitraums, in dem sich dieser Hersteller auf den Markteintritt vorbereitet hatte, während die Anmeldung des Patents für Kristallisation im Vereinigten Königreich von Lundbeck erst am 12. März 2001 eingereicht und am 4. Juli 2001 veröffentlicht worden ist, wobei das Patent selbst erst am 30. Januar 2002 – also nach Abschluss der Arrow-UK-Vereinbarung – im Sinne von Art. 25 des UK Patents Act erteilt worden ist.

263    Darüber hinaus haben die Klägerinnen – abgesehen von Verweisen auf die Unvollkommenheit des europäischen Patentschutzsystems und die sich daraus ergebende asymmetrische Risikoverteilung – in keiner Weise erläutert, weshalb das von ihnen gebildete Unternehmen, bei dem es sich um ein erfahrenes und von Fachanwälten beratenes Unternehmen handelt, es vorzog, eine kostspielige Vereinbarung wie die Arrow-UK-Vereinbarung zu schließen, die es ihm lediglich ermöglichte, einen Aufschub des Eintritts von Arrow in den britischen Markt zu erwirken. Träfe ihre Auslegung des oben in Rn. 240 erwähnten Paroxetine-Urteils – ebenso wie ihre Überzeugung, den Markteintritt der Generika mit Hilfe ihrer Patente blockieren zu können – zu, wären nämlich im Vereinigten Königreich mit Sicherheit einstweilige Maßnahmen gegen Arrow ergangen, wenn sie versucht hätte, mit ihren generischen Arzneimitteln in diesen Markt einzutreten, was es den Klägerinnen ermöglicht hätte, diesen Markteintritt in Erwartung einer positiven Entscheidung in der Sache zu blockieren.

264    Soweit die Klägerinnen im Kern eine asymmetrische Risikoverteilung zwischen sich und Arrow geltend machen, ist festzustellen, dass dieses Argument als solches nicht geeignet ist, die Schlussfolgerung in Frage zu stellen, dass sie Arrow zum Zeitpunkt des Abschlusses der Arrow-UK-Vereinbarung als eine Bedrohung auf dem Markt für Citalopram wahrnahmen.

265    Was das Vorbringen der Klägerinnen betrifft, sie hätten Arrow nicht als einen potenziellen Wettbewerber, sondern als ein Unternehmen wahrgenommen, das möglicherweise ihre Patente verletze, ist zu beachten, dass allein die Tatsache, dass sie eine Vereinbarung mit Arrow abgeschlossen haben, ein sehr starkes Indiz dafür darstellt, dass sie diese als einen potenziellen Wettbewerber wahrnahmen (siehe oben, Rn. 181). Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Überzeugung von Lundbeck, dass ihre Patente verletzt worden seien, von Arrow nicht geteilt wurde (vgl. siebten Erwägungsgrund der Arrow-UK-Präambel und oben, Rn. 35) und zum Zeitpunkt des Abschlusses der Arrow-UK-Vereinbarung noch von keinem Gericht bestätigt worden war.

266    Folglich ist der Schluss zu ziehen, dass die Kommission Arrow im angefochtenen Beschluss ohne Beurteilungsfehler als einen potenziellen Wettbewerber von Lundbeck im Vereinigten Königreich angesehen hat.

2.     Situation in Dänemark

267    Was als Zweites den potenziellen Wettbewerb in Dänemark angeht, ist erstens das Argument der Klägerinnen zurückzuweisen, das die Tatsache betrifft, dass Arrow nicht bereits bei Ablauf der dänischen Arrow-Vereinbarung im April 2003 in den Markt eingetreten ist, sondern erst 2005. Insoweit ist zunächst festzustellen, dass es sich hierbei um einen Ex-post-Beweis handelt, der sich auf den tatsächlichen und nicht auf den potenziellen Wettbewerb bezieht. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Situation, die nach Ablauf dieser Vereinbarung bestand, nicht mit der Situation davor vergleichbar war, da sich die Bedingungen auf diesem Markt in der Zwischenzeit geändert hatten.

268    Zweitens ist bezüglich der Tatsache, dass die Klägerinnen in Dänemark mehrere Anordnungen erwirkt haben, darauf hinzuweisen, dass diese Anordnungen nach Abschluss der dänischen Arrow-Vereinbarung ergangen sind, so dass die Kommission nicht verpflichtet war, sich bei der Beurteilung der Frage, ob die Möglichkeiten eines Markteintritts von Arrow zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung tatsächlich und konkret waren, auf die genannten Anordnungen zu stützen. Unterstellt, diese Anordnungen könnten berücksichtigt werden, müsste das Gleiche für die Rechtsmittelentscheidungen gelten, mit denen mehrere im ersten Rechtszug erwirkte Anordnungen aufgehoben worden sind, wie die Kommission im 185. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses bemerkt hat.

269    Drittens hätte Arrow, auch wenn sie bei Abschluss der dänischen Arrow-Vereinbarung wusste, dass das Cipla‑I-Verfahren vermutlich rechtsverletzend war, gleichwohl einerseits versuchen können, die Ungültigkeit des Patents für Kristallisation zu erwirken und sich andererseits zunächst das nach dem Matrix‑I-Verfahren hergestellte Citalopram von Matrix und später das nach dem Cipla‑II- oder Matrix‑II-Verfahren hergestellte Citalopram oder aber das Citalopram von Ranbaxy zu verschaffen (siehe oben, Rn. 198 bis 201 und 256). In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass sich Arrow weiter um eine Zulassung innerhalb eines angemessenen Zeitraums bemühte, um das von Tiefenbacher gelieferte und aus den API von Cipla oder Matrix hergestellte generische Citalopram auf dem dänischen Markt verkaufen zu können, sogar nachdem Lundbeck das Patent für Kristallisation in Dänemark erhalten hatte (vgl. Erwägungsgründe 450, 454, 967 und 968 des angefochtenen Beschlusses sowie dritten Erwägungsgrund der Präambel der dänischen Arrow-Vereinbarung).

270    Folglich hat die Kommission zu Recht die Auffassung vertreten, Arrow sei auch in Dänemark ein potenzieller Wettbewerber von Lundbeck gewesen.

271    Demnach ist der siebte Teil zurückzuweisen.

J –  Achter Teil: Zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen habe es zwischen Lundbeck und Alpharma keinen potenziellen Wettbewerb gegeben

272    Die Klägerinnen tragen vor, Alpharma habe sich bei Abschluss der Alpharma-Vereinbarung nicht in einer Situation potenziellen Wettbewerbs mit ihnen befunden.

273    Erstens habe Alpharma nämlich keinen Zugang zu Citalopram gehabt, das ihre Patente nicht verletze, da sie verpflichtet gewesen sei, ihre Erzeugnisse bei Tiefenbacher zu erwerben. Diese habe Alpharma jedoch generisches Citalopram geliefert, das nach dem – eindeutig rechtsverletzenden – Cipla‑I-Verfahren gewonnen worden sei, und habe ihr nur andere rechtsverletzende Erzeugnisse liefern können, die nach dem Matrix‑I- oder später dem Cipla‑II- und dem Matrix‑II-Verfahren gewonnen worden seien. Außerdem bedeuteten die Zweifel von Alpharma an der Gültigkeit des Patents für Kristallisation – insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich diese Zweifel auf subjektive Beurteilungen stützten – nicht, dass sie ein potenzieller Wettbewerber gewesen sei.

274    Zweitens weisen die Klägerinnen darauf hin, dass Alpharma nur für acht Länder des EWR über eine Zulassung verfügt habe, darunter die Zulassung für das Vereinigte Königreich, die erst im Juli 2002 erteilt worden sei.

275    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

276    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Alpharma-Gruppe, wie die Kommission im 1035. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, ausweislich einer E‑Mail des für das relevante Dossier verantwortlichen Generaldirektors von Alpharma vom 19. Februar 2002, anstatt die Alpharma-Vereinbarung zu schließen, mit nach dem Cipla‑I-Verfahren hergestellten Citalopram-Tabletten, die sie bereits erhalten oder bestellt hatte, in den Markt hätte eintreten und sich auf die Ungültigkeit des Patents für Kristallisation hätte berufen können, das dieses Verfahren nach den der Alpharma-Gruppe und Lundbeck zum damaligen Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Informationen verletzte.

277    Als Erstes ergibt sich die Tatsache, dass Alpharma es keineswegs ausgeschlossen hatte, mit den bereits erhaltenen oder bestellten Tabletten in den Markt einzutreten, auch aus der internen E‑Mail desselben Generaldirektors vom 14. Februar 2002, die im 516. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses angeführt wird. Der Autor dieser E‑Mail erläuterte darin nämlich einem seiner Kollegen, dass Alpharma zu jenem Zeitpunkt eine Doppelstrategie verfolge, wovon der Ausdruck „we are riding two horses“ (wir setzen auf zwei Pferde) zeuge, nämlich einerseits die Markteinführung von Citalopram in mehreren Ländern des EWR vorzubereiten und andererseits mit Lundbeck zu verhandeln, und dass in der folgenden Woche vermutlich eine Entscheidung getroffen werden müsse. In diesem Zusammenhang führte er aus, dass er, um die bestmögliche Entscheidung treffen zu können, eine Beschreibung der Rechtslage in den genannten Ländern und der Risiken für Alpharma benötige.

278    Aus den E‑Mails vom 14. und 19. Februar 2002 ergibt sich somit, dass Alpharma, obwohl sie die mit dem Markteintritt möglicherweise verbundenen Risiken kannte, ihre Pläne nicht aufgegeben hätte, wenn sie mit Lundbeck keine hinreichend vorteilhafte Vereinbarung hätte schließen können. Da es um interne E‑Mails geht, ist es nicht glaubhaft, dass die darin zum Ausdruck gebrachten Positionen dazu gedient haben sollen, Lundbeck zu „bluffen“. Im Übrigen handelte es sich bei dieser um ein erfahrenes Unternehmen, das die Schritte von Alpharma seit Langem verfolgte, wie insbesondere die in den Erwägungsgründen 477 und 496 des angefochtenen Beschlusses erwähnten Schreiben belegen. Diese Schreiben bezogen sich u. a. auf das Gebrauchsmuster von Lundbeck und das Patent für Kristallisation, so dass sich nicht die Auffassung vertreten lässt, in den genannten E‑Mails würden Positionen wiedergegeben, die ohne Kenntnis der Risiken für diese Rechte des geistigen Eigentums zum Ausdruck gebracht worden seien.

279    Darüber hinaus ist auf die oben in den Rn. 122 und 254 angestellten Erwägungen zur etwaigen Ungültigkeit des Patents für Kristallisation zu verweisen.

280    Die in den vorerwähnten E‑Mails enthaltenen Aussagen sind im Licht der Schritte zu sehen, die Alpharma bis dahin unternommen hatte, um ihren Markteintritt vorzubereiten.

281    In diesem Zusammenhang ergibt sich u. a. aus den Erwägungsgründen 476, 486, 490, 516 und 1017 des angefochtenen Beschlusses, dass Alpharma zum Zeitpunkt des Abschlusses der gleichnamigen Vereinbarung

–        bereits mit Tiefenbacher einen auf den 25. Juni 2001 datierten Vertrag über die Lieferung von generischem Citalopram geschlossen hatte, das aus dem API von Cipla oder Matrix hergestellt worden war;

–        aufgrund dieses Vertrags und eines früheren Vertrags zwischen denselben Parteien vom 31. Juli 2000 auf der Grundlage der Zulassung, die Tiefenbacher am 31. August 2001 von den niederländischen Behörden erhalten hatte und nach dem in der Richtlinie 2001/83 vorgesehenen Verfahren der gegenseitigen Anerkennung eine Zulassung in diesem Mitgliedstaat und weitere Zulassungen in anderen Ländern des EWR erhalten konnte;

–        bereits einen Vorrat von 9,4 Mio. Citalopram-Tabletten angelegt und weitere 16 Mio. bestellt hatte;

–        bereits Zulassungen in den Niederlanden, Finnland, Dänemark und Schweden sowie am 9. Januar 2002 Zusicherungen erhalten hatte, dass sie in sehr naher Zukunft eine Zulassung im Vereinigten Königreich erhalten würde;

–        im Vereinigten Königreich bereits eine Preisliste für ihr Citalopram veröffentlicht hatte.

282    Als Zweites ist der von der Kommission im 1035. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses getroffenen Feststellung zu folgen, dass Alpharma ausweislich der E‑Mail vom 19. Februar 2002, anstatt die Alpharma-Vereinbarung abzuschließen, ihren Markteintritt auch bis zum Frühjahr oder Sommer desselben Jahres hätte aufschieben und auf das Citalopram von Matrix, das im Hinblick auf das Patent für Kristallisation als unproblematisch angesehen wurde, hätte ausweichen können.

283    Ein Wechsel auf das Citalopram von Matrix war zwar ausweislich der E‑Mail vom 19. Februar 2002 mit ernsthaften Nachteilen verbunden. Erstens ist jedoch zu beachten, dass der Vertrag zwischen Tiefenbacher und Alpharma es dieser ermöglichte, sowohl das Citalopram von Cipla als auch das von Matrix zu beziehen (vgl. 480. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

284    Zweitens ist, auch wenn es in der E‑Mail vom 19. Februar 2002 heißt, dass ein Wechsel auf den API von Matrix zu einem Aufschub des Markteintritts geführt hätte, was die erwarteten Vorteile verringert hätte, dieser Nachteil gegen den Vorteil einer Verringerung des Risikos einer Verletzung des Patents für Kristallisation abzuwägen. Jedenfalls ergibt sich aus der genannten E‑Mail keineswegs, dass ein Wechsel zum API von Matrix trotz des erwähnten Aufschubs und seiner Folgen keine wirtschaftlich tragfähige Option darstellte. Es handelte sich lediglich um einen Faktor, der den Abschluss einer günstigen Vereinbarung mit Lundbeck finanziell vorzugswürdig erscheinen ließ. Für die Beurteilung, ob tatsächliche und konkrete Möglichkeiten bestanden, dass Alpharma in den Markt eintritt, ist diese Frage jedoch unerheblich.

285    Drittens ist der Umstand, dass Matrix zu einem Zeitpunkt nach Abschluss der Alpharma-Vereinbarung ihr Verfahren zur Herstellung des API Citalopram änderte, wie aus Fn. 155 des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, kein Beweis dafür, dass das zuvor verfügbare Verfahren das Patent für Kristallisation verletzte, sondern zeugt lediglich von den Anstrengungen von Matrix, sich künftig vor jeglichem Risiko einer Patentverletzung zu schützen. Darüber hinaus ist diese Änderung während der Laufzeit der genannten Vereinbarung erfolgt, so dass Alpharma den neuen nach dem Matrix‑II-Verfahren hergestellten API von Matrix hätte verwenden können, wenn sie nicht dafür bezahlt worden wäre, dem Markt fernzubleiben. Jedenfalls war die Alpharma-Gruppe am 19. Februar 2002 der Ansicht, dass der API von Matrix, der auf dem Matrix‑I-Verfahren basierte, das diese seinerzeit verwendete, ihr einen Markteintritt ohne Verletzung des Patents für Kristallisation ermöglichen könne.

286    Folglich verfügte Alpharma bei Abschluss der gleichnamigen Vereinbarung über tatsächliche und konkrete Möglichkeiten, mit generischem Citalopram in den Markt einzutreten, das nach dem Cipla‑I- oder dem Matrix‑I-Verfahren hergestellt worden war. Darüber hinaus wurde, wie oben in den Rn. 198 und 200 untersucht worden ist, während der Laufzeit dieser Vereinbarung auch das nach dem Matrix‑II- und dem Cipla‑II-Verfahren hergestellte generische Citalopram verfügbar.

287    Die Feststellung, dass Alpharma ein potenzieller Wettbewerber der Klägerinnen sei, wird durch deren Bezugnahme auf eine Erklärung, die Alpharma am 28. Februar 2002 gegenüber der Presse abgegeben hat, nicht in Frage gestellt. Mit dieser Erklärung kündigte Alpharma im Wesentlichen an, dass sie die Verkäufe von Citalopram wenigstens bis zum Ende der Sommerferien aufschiebe und das diese Verkäufe betreffende Vorhaben möglicherweise vollständig aufgebe, weil ihr Lagerbestand im Hinblick auf die Patente der Klägerinnen problematisch sei. Zudem müsse sie sich auf die Suche nach einem anderen API-Hersteller begeben und die erforderlichen Genehmigungen einholen.

288    Insoweit ist zu beachten, dass diese Erklärung, wie die Kommission im 1055. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses feststellt, die Änderung der Pläne von Alpharma als Folge einer einseitig von dieser getroffenen Entscheidung erscheinen lässt. Sie enthält nämlich nicht den geringsten Bezug auf die Alpharma-Vereinbarung, was deren geheimem Charakter entspricht, der in Art. 3.1 dieser Vereinbarung festgeschrieben ist. Außerdem ist die Tatsache zu berücksichtigen, dass die genannte Erklärung den potenziellen Kunden von Alpharma Erläuterungen an die Hand geben sollte.

289    Daher widerlegt die besagte Erklärung nicht die u. a. auf den E‑Mails vom 14. und 19. Februar 2002 sowie auf den von Alpharma bis zu diesem Zeitpunkt unternommenen Schritten beruhende Auffassung der Kommission, wonach Alpharma ohne Abschluss der Alpharma-Vereinbarung über eine tatsächliche und konkrete Möglichkeit verfügt habe, in den Markt einzutreten.

290    Was das Argument der Klägerinnen betrifft, das sich auf die Tatsache bezieht, dass Alpharma nicht in allen Ländern des EWR über eine Zulassung verfügte, genügt der Hinweis, dass sie bereits mit mehreren Zulassungen rechnen konnte sowie tatsächliche und konkrete Möglichkeiten hatte, nach dem in Art. 18 der Richtlinie 2001/83 vorgesehenen Verfahren der gegenseitigen Anerkennung weitere Zulassungen zu erhalten. Außerdem sind solche Möglichkeiten aus den oben in den Rn. 163 und 171 dargelegten Erwägungen dem potenziellen Wettbewerb zuzurechnen.

291    In Anbetracht des Vorstehenden ist der achte Teil zurückzuweisen.

K –  Neunter Teil: Zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen habe es zwischen Lundbeck und Ranbaxy keinen potenziellen Wettbewerb gegeben

292    Die Klägerinnen tragen vor, Ranbaxy habe sich bei Abschluss der gleichnamigen Vereinbarung nicht in einer Situation des potenziellen Wettbewerbs mit ihnen befunden.

293    Erstens habe Ranbaxy sie auf einem Treffen am 17. April 2002 zwar darüber unterrichtet, dass sie über ein Verfahren verfüge, das kein Patent verletze, dass sie beabsichtige, innerhalb von acht Monaten eine Zulassung einzuholen, und dass sie im Begriff sei, eine Vereinbarung mit einem anderen Generikahersteller zu schließen, der ihren API kaufen und mit aus diesem API hergestelltem generischem Citalopram innerhalb von höchstens vier Monaten in den Markt eintreten könne; hierbei habe es sich jedoch lediglich um einen „Bluff“ gehandelt, um sie davon zu überzeugen, eine für Ranbaxy vorteilhafte Vereinbarung zu schließen. Auch die Tatsache, dass diese gegenüber anderen Generikaherstellern – potenziellen Käufern ihres API – Erklärungen abgegeben habe, die in die gleiche Richtung gingen, sei nicht entscheidend. Insbesondere ihre Erklärung gegenüber Alpharma stamme aus der Zeit vor der Prüfung der Reaktionsschemata von Ranbaxy durch Lundbeck, aufgrund deren sich habe feststellen lassen, dass das Verfahren von Ranbaxy ihre Patente für Amid und Jod verletze.

294    Zweitens habe Ranbaxy keine tatsächliche und konkrete Möglichkeit gehabt, während der Laufzeit der Ranbaxy-Vereinbarung eine Zulassung zu erhalten. Im Lauf des Verwaltungsverfahrens habe sie sämtliche Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem in Art. 18 der Richtlinie 2001/83 vorgesehenen Verfahren der gegenseitigen Anerkennung eingeräumt.

295    Drittens habe Ranbaxy im Oktober 2002 erklärt, nach Juni 2002 kein Citalopram verkauft zu haben, und zwar nicht nur in Europa, sondern weltweit, was beweise, dass sie dazu nicht in der Lage gewesen sei, unabhängig von der Ranbaxy-Vereinbarung, die lediglich den EWR betreffe.

296    Viertens habe Ranbaxy nach Ablauf der sie betreffenden Vereinbarung bei ihnen um eine Lizenz für das Patent für Jod nachgesucht, anstatt einfach ihr eigenes Verfahren anzuwenden, was bestätige, dass dieses das genannte Patent verletze.

297    Fünftens sei im angefochtenen Beschluss kein Beweis für die Tatsache zu finden, dass die Klägerinnen oder Ranbaxy Zweifel an der Gültigkeit der Patente für Amid und Jod hegten, da die darin erwähnten Erklärungen lediglich das Patent für Kristallisation beträfen.

298    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

299    Als Erstes ist bezüglich des Vorbringens der Klägerinnen, Ranbaxy habe „geblufft“, festzustellen, dass sich, wie die Kommission u. a. in den Erwägungsgründen 1095 und 1096 des angefochtenen Beschlusses deutlich gemacht hat, aus dem Protokoll des Treffens zwischen ihnen und Ranbaxy vom 17. April 2002 ergibt, dass Letztere bei dieser Gelegenheit Folgendes geltend machte:

–        Sie wende ein Verfahren an, das die Patente von Lundbeck nicht verletze;

–        Lundbeck habe Kenntnis von diesem Verfahren;

–        sie beabsichtige, Anträge auf Erteilung einer Zulassung für das Vereinigte Königreich und Deutschland, wo sie ihre eigenen Tochtergesellschaften habe, zu stellen, und rechne damit, ihre Zulassungen innerhalb von acht Monaten zu erhalten;

–        sie nähere sich dem Abschluss einer Vereinbarung mit einem anderen Generikahersteller, den sie nicht näher bezeichnete, von dem Lundbeck aber glaubte, dass es sich um Tiefenbacher oder eine Gesellschaft der Merck-Gruppe handle, und über den sie sicherstellen wolle, dass ihr API innerhalb von drei bis vier Monaten auf dem nordeuropäischen Markt sei;

–        ihre Produktionskapazität weltweit betrage 4,5 Tonnen API pro Jahr;

–        sie sei bereit, mit Lundbeck eine Vereinbarung zu schließen.

300    Weiter ist festzustellen, dass Lundbeck ausweislich dieses Protokolls wusste, dass eine solche Vereinbarung – insbesondere aus wettbewerbsrechtlicher Sicht – kostspielig und schwierig sein konnte (vgl. Erwägungsgründe 188 und 1095 des angefochtenen Beschlusses).

301    Dennoch beschloss Lundbeck, die Ranbaxy-Vereinbarung zu schließen, was beweist, dass sie die Bedrohung, die dieses Unternehmen darstellte, ernst nahm.

302    In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Wahrnehmung, die Lundbeck von Ranbaxy hatte, einer der Gesichtspunkte ist, die nach der Rechtsprechung (siehe oben, Rn. 101 und 104) berücksichtigt werden können, obwohl er als solcher nicht genügt, um das Bestehen eines potenziellen Wettbewerbs darzutun.

303    Was den Umstand angeht, dass die Wahrnehmung der Klägerinnen durch einen erfolgreichen „Bluff“ von Ranbaxy beeinflusst worden sein mag, ist zunächst festzuhalten, dass sie ein erfahrenes Unternehmen waren, das die Schritte der Generikahersteller in Bezug auf Citalopram seit Langem verfolgte (vgl. u. a. Erwägungsgründe 172 bis 183 des angefochtenen Beschlusses).

304    Zumal Ranbaxy hatten die Klägerinnen besonders aufmerksam beobachtet, da sie mit dem erklärten Ziel, die Möglichkeiten auszuloten, das Citalopram von Ranbaxy zu nutzen, zwischen Januar und Juli 2001 häufig Kontakt mit ihr hatten, obwohl die Klägerinnen damit in Wirklichkeit eine Hinhaltestrategie verfolgten (vgl. Erwägungsgründe 549 bis 552 des angefochtenen Beschlusses). Außerdem erfuhren die Klägerinnen im Mai 2002, dass Ranbaxy in Indien zwei Patentanmeldungen eingereicht hatte, und gelangten, nachdem sie die Reaktionsmuster von Ranbaxy analysiert hatten, zu der Auffassung, dass diese Anmeldungen mit den Patenten für Amid und Jod in Konflikt geraten könnten (vgl. Erwägungsgründe 560 bis 564 des angefochtenen Beschlusses).

305    Sogar nach Unterzeichnung der Ranbaxy-Vereinbarung klagten die Klägerinnen nie, sie seien Opfer einer List geworden, sondern freuten sich, wie aus dem 206. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, im Dezember 2002 darüber, dass es ihnen gelungen war, einen Aufschub der Markteinführung des generischen Citalopram, die für das erste Quartal 2002 erwartet worden war, zu erwirken, was günstige Bedingungen für die Entwicklung des Absatzes mit ihrem neuen Arzneimittel Cipralex schuf (siehe oben, Rn. 22). Sie wollten diese Vereinbarung durch die Unterzeichnung eines Nachtrags am 19. Februar 2003 sogar bis zum 31. Dezember 2003 verlängern. Ohne jeden dahin gehenden Beweis ist es nicht glaubhaft, dass es Ranbaxy gelungen sein soll, Lundbeck über einen derart langen Zeitraum zwei Mal zu täuschen.

306    Darüber hinaus äußerte sich Ranbaxy, wie u. a. aus dem 1105. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, vor und nach Abschluss der gleichnamigen Vereinbarung gegenüber Dritten dahin gehend, dass ihre Verfahren die neuen Patente von Lundbeck nicht verletzten. In den Erwägungsgründen 554, 557 und 1093 des angefochtenen Beschlusses stellt die Kommission insbesondere fest, dass Ranbaxy Kontakte mit Arrow – zunächst im Januar, dann im April 2002 – gehabt habe, die in ein konkretes Angebot an Letztere über den Verkauf von 500 bis 1 000 kg API gemündet seien. Es ist jedoch nicht glaubhaft, dass Ranbaxy ihren potenziellen Kunden vorsätzlich falsche Informationen erteilt haben soll, um sie vom Kauf ihres API zu überzeugen. Mit einem solchen Verhalten hätte sie sich nämlich Schadensersatzklagen von Seiten dieser Kunden ausgesetzt. Überdies hatte einer dieser Kunden von Ranbaxy die gesamte Dokumentation erhalten, die erforderlich war, um zu belegen, dass ihre Verfahren nicht rechtsverletzend waren.

307    Für die Tatsache, dass Ranbaxy die Klägerinnen nicht „bluffte “, lassen sich weitere von der Kommission im angefochtenen Beschluss vorgebrachte Beweismittel anführen.

308    So ist erstens darauf hinzuweisen, dass Ranbaxy, wie die Kommission im 1091. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses feststellt, bereits im Januar 2001 mit der Entwicklung eines Verfahrens zur Herstellung von Citalopram begonnen hatte. Aus dem in den Erwägungsgründen 552 und 1091 des angefochtenen Beschlusses angeführten Schriftstück ergibt sich, dass Ranbaxy, als Lundbeck sie im Juli 2001 davon in Kenntnis setzte, die von ihr angebotenen 400 kg API nicht kaufen zu wollen, darüber besonders enttäuscht war, weil sie während des gesamten vorhergehenden Zeitraums, in dessen Verlauf Lundbeck sie hatte glauben lassen, an ihrem API interessiert zu sein, bewusst auf andere sich bietende Möglichkeiten verzichtet hatte.

309    Zweitens geht die Kommission in den Erwägungsgründen 566 und 1092 des angefochtenen Beschlusses zunächst davon aus, dass Ranbaxy einem potenziellen italienischen Kunden im Dezember 2001 technische Daten über ihren API übermittelt hatte, gefolgt von einer Sendung von 16 kg API im ersten Halbjahr 2002. Sodann hatte ein potenzieller französischer Kunde im Januar 2002 ebenfalls technische Daten erhalten. Anschließend hatte Ranbaxy einem potenziellen schwedischen Kunden 2002 eine kleine Menge API übersandt.

310    Drittens ist zu beachten, dass Ranbaxy, wie die Kommission im 584. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses deutlich macht, im Juli 2002 einem italienischen Kunden, mit dem sie einige Monate zuvor in Kontakt gestanden hatte, eine kleine Menge ihres API verkaufte. Wenn Ranbaxy schon in der Lage war, kurz nach Abschluss der gleichnamigen Vereinbarung eine kleine Menge API zu verkaufen, ist festzustellen, dass sie davor zumindest über tatsächliche und konkrete Möglichkeiten verfügte, dies zu tun.

311    Schließlich ist zu bemerken, dass Ranbaxy sogar noch nach Prüfung ihrer Reaktionsschemata durch die Klägerinnen beschloss, ihr DMF bei den zuständigen britischen Behörden zu hinterlegen, und anschließend eine Zulassung beantragte. Derartige Schritte wären nicht unternommen worden, wenn nach der genannten Prüfung der Schluss gezogen worden wäre, dass das von Ranbaxy zur Herstellung ihres API angewandte Verfahren die Patente für Amid und Jod verletze.

312    Als Zweites ist zu dem Argument der Klägerinnen, das sich auf den für die Einholung einer Zulassung erforderlichen Zeitraum bezieht, auf die oben in den Rn. 171, 177 und 178 dargelegten Erwägungen sowie die Informationen über die von Ranbaxy auf dem Treffen vom 17. April 2002 angekündigten Zeiträume zu verweisen (siehe oben, Rn. 299 dritter und vierter Gedankenstrich).

313    Da die Schritte, die ein Generikahersteller wie Ranbaxy – auch in Bezug auf den für die Einholung von Zulassungen erforderlichen Prozess – unternimmt, um seinen Markteintritt mit generischem Citalopram vorzubereiten, zum einen für die Beurteilung der Frage relevant sind, ob es potenziellen Wettbewerb gibt, und diese Schritte von Lundbeck zum anderen ernst genommen wurden, spielt es nämlich keine Rolle, ob die Verfahren, die für die Erteilung dieser Zulassungen erforderlich waren, innerhalb der von Ranbaxy angestrebten Zeiträume oder später abgeschlossen werden konnten.

314    Es ist klarzustellen, dass der Abschluss des Verfahrens zur Einholung einer Zulassung zwar unerlässlich ist, damit es tatsächlichen Wettbewerb geben kann, der Weg dorthin aber unter den potenziellen Wettbewerb fällt, wenn er von einem Unternehmen eingeschlagen wird, das seit Langem im Begriff ist, seinen Markteintritt ernsthaft vorzubereiten, obwohl er in Wirklichkeit einen längeren Zeitraum als von den Beteiligten angestrebt erfordern mag.

315    Selbst wenn unterstellt wird, dass Ranbaxy die Dauer des für die Einholung einer Zulassung erforderlichen Zeitraums unterschätzte, ist insoweit erstens zu beachten, dass Lundbeck gleichwohl einen so starken Wettbewerbsdruck verspürte, dass sie es als in ihrem Interesse liegend betrachtete, Ranbaxy zu bezahlen, um deren Marktzugang während der Laufzeit der Ranbaxy-Vereinbarung zu beschränken, wenn nicht sogar auszuschließen.

316    Zweitens machte diese Zahlung das Bedürfnis für Ranbaxy, das Verfahren zur Erteilung einer Zulassung so stark wie möglich zu beschleunigen, zwangsläufig weniger dringlich, da sie sich mit dem Abschluss der Ranbaxy-Vereinbarung im Gegenzug für diese Beschränkung oder diesen Ausschluss für ihre Verhältnisse erhebliche Gewinne gesichert hatte. Die Tatsache, dass sie ihren Antrag auf Erteilung einer Zulassung aufgrund eines „Neuzuschnitts“ des Ressorts im August 2002 eingereicht hat, obwohl alle Ergebnisse der relevanten Tests, wie die Kommission in Fn. 1887 des angefochtenen Beschlusses feststellt, im Juni aus Indien übermittelt worden waren, bestätigt, dass sie es nach Abschluss der Vereinbarung mit Lundbeck mit der Einholung einer Zulassung nicht mehr besonders eilig hatte.

317    Jedenfalls ist zunächst festzustellen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 alle zweckdienlichen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass das Verfahren zur Erteilung einer Zulassung innerhalb von 210 Tagen nach dem Zeitpunkt der gültigen Antragstellung abgeschlossen wird. Hätte Ranbaxy einen alle erforderlichen Angaben enthaltenden Antrag gestellt, hätten die zuständigen Behörden ihn daher innerhalb einer Frist bearbeiten müssen, die sogar kürzer ist als die Frist von acht Monaten, von der im Protokoll des Treffens vom 17. April 2002 die Rede ist.

318    Die in Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 vorgesehene Frist von 210 Tagen wird zwar ausgesetzt, wenn die zuständige Behörde die Auffassung vertritt, dass ein Antrag nicht gültig ist, und das betreffende Unternehmen auffordert, ihr zusätzliche Informationen vorzulegen.

319    Bei Erstellung des Protokolls des Treffens vom 17. April 2002 hat Lundbeck jedoch keine Anmerkung dahin gehend eingefügt, dass die von Ranbaxy angestrebte Frist von acht Monaten nicht realistisch sei, sondern lediglich bemerkt, dass eine Vereinbarung zwischen 10 Mio. und 20 Mio. USD kosten könne, wenn nicht sogar mehr (1095. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

320    Folglich verfügte Ranbaxy über eine tatsächliche und konkrete Möglichkeit, während der Laufzeit der gleichnamigen Vereinbarung eine Zulassung zu erhalten, was unter den Umständen des vorliegenden Falles genügte, um einen Wettbewerbsdruck auf Lundbeck auszuüben.

321    Sodann ist darauf hinzuweisen, dass Ranbaxy ausweislich des Protokolls vom 17. April 2002 die Möglichkeit hatte, eine bestehende Zulassung zu erwerben oder ihren API an einen Generikahersteller zu verkaufen, der bereits über eine Zulassung verfügte, wobei jedoch für beide Optionen eine Typ-II-Änderung dieser Zulassungen erforderlich war.

322    Ranbaxy hatte, worauf oben in den Rn. 306 und 309 hingewiesen worden ist, vor Abschluss der Vereinbarung mit Lundbeck mehrere Schritte unternommen, um ihren API zu verkaufen, und nicht, um Enderzeugnisse zu verkaufen, die aus diesem API hergestellt worden waren. Die Tatsache, dass der Verkauf von Enderzeugnissen möglicherweise rentabler gewesen wäre, steht der Feststellung nicht entgegen, dass der Verkauf ihres API für Ranbaxy eine tatsächliche und konkrete Möglichkeit darstellte, mit Lundbeck in Wettbewerb zu treten, wie im Protokoll des Treffens vom 17. April 2002 erwähnt worden war.

323    Wie die Kommission in Fn. 1885 des angefochtenen Beschlusses deutlich macht, ist die im Protokoll vom 17. April 2002 erwähnte Dauer von drei oder vier Monaten schließlich mit den Statistiken der zuständigen britischen Behörde über die Dauer der Typ-II-Änderungen betreffenden Verfahren vereinbar, die die Kommission dem Gericht vorgelegt hat und aus denen sich ergibt, dass die Mehrzahl dieser Verfahren zwischen März 2001 und Februar 2002 innerhalb eines Zeitraums von 90 Tagen abgeschlossen wurden.

324    In diesem Zusammenhang trifft es zwar zu, dass der genannte Zeitraum, wie sich aus den einleitenden Erläuterungen zu diesen Statistiken ergibt, ab Stellung eines vollständigen Antrags berechnet worden ist, ohne Verfahrensaussetzungen zu berücksichtigen, die auf Ersuchen um zusätzliche Informationen zurückzuführen sind. Wie von der Kommission in Beantwortung einer Frage des Gerichts hervorgehoben worden ist, hat die zuständige britische Behörde jedoch bestätigt, dass während des von den fraglichen Statistiken erfassten Zeitraums 50 % der gestellten Anträge auf Typ-II-Änderungen innerhalb einer Frist von höchstens 90 Tagen bearbeitet worden seien. In 40 % der Fälle war nämlich kein Ersuchen um zusätzliche Informationen ergangen, und in 10 % der Fälle hatte die Übersendung eines solchen Ersuchens das Verfahren nicht über den erwähnten Zeitraum hinaus verlängert.

325    Diese Statistiken bestätigen somit, dass eine tatsächliche und konkrete Möglichkeit bestand, eine bestehende Zulassung dahin gehend zu ändern, dass sie das nach den Verfahren von Ranbaxy hergestellte Citalopram innerhalb eines Zeitraums in der im Protokoll des Treffens vom 17. April 2002 angegebenen Größenordnung erfasste, da der Änderungsantrag von einem der oben in Rn. 324 genannten Fälle erfasst sein konnte.

326    Außerdem ist zu bemerken, dass sich diese Erläuterungen der zuständigen britischen Behörde, auch wenn sie aus der Zeit nach Unterzeichnung der Ranbaxy-Vereinbarung und sogar nach Erlass des angefochtenen Beschlusses stammen, da sie für die Zwecke des Verfahrens vor dem Gericht verfasst worden sind, auf die Situation zur Zeit der Verhandlungen beziehen, die im Hinblick auf den Abschluss der Ranbaxy-Vereinbarung geführt worden waren, und Klarstellungen in Bezug auf die Art und Weise bringen, in der die Angaben im angefochtenen Beschluss auszulegen sind. Daher können diese Erläuterungen unter den oben in den Rn. 138 bis 141 genannten Voraussetzungen berücksichtigt werden.

327    Als Drittes ist bezüglich der Tatsache, dass Ranbaxy erklärt hat, nach Juni 2002 – während der Laufzeit der gleichnamigen Vereinbarung – kein Citalopram verkauft zu haben, weder in Europa noch weltweit (vgl. 577. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei nicht um einen Umstand handelt, der für die Beurteilung der Frage relevant wäre, ob es zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung innerhalb des EWR potenziellen Wettbewerb gegeben hat. Die Tatsache, dass Ranbaxy auch außerhalb des EWR keine Verkäufe getätigt hat, beweist nämlich allenfalls, dass dieses Unternehmen außerhalb des EWR kein tatsächlicher Wettbewerber von Lundbeck war, wirkt sich aber in keiner Weise auf das Bestehen eines potenziellen Wettbewerbsverhältnisses – gleichviel, ob innerhalb oder außerhalb des EWR – aus. Außerdem ist festzustellen, dass die Kommission keineswegs verpflichtet war, den potenziellen Wettbewerb außerhalb des EWR zu untersuchen.

328    Als Viertes ist hinsichtlich des Arguments der Klägerinnen, das sich auf die Tatsache bezieht, dass Ranbaxy im Januar 2004 bei ihnen um eine Lizenz für das Patent für Jod nachsuchte, das am 23. März 2003 erteilt worden war, festzuhalten, dass dieser Umstand nicht bedeutet, dass sie nicht über tatsächliche und konkrete Möglichkeiten verfügte, vor 2004 mit ihren Erzeugnissen in den Markt einzutreten. Ein Lizenzantrag kann nämlich durch mehrere verschiedene Gründe motiviert sein, etwa den Grund, eine Verletzungsklage zu vermeiden. Ranbaxy konnte davon ausgehen, dass sich die Klägerinnen damit einverstanden erklären würden, ihr eine Lizenz zu einem niedrigeren Preis zu gewähren, was es ihr ermöglicht hätte, sich zu geringen Kosten vor jeglicher Gefahr einer potenziellen Verletzung des Patents für Jod zu schützen. Daher ist die von den Klägerinnen geltend gemachte Lizenzvereinbarung nicht entscheidend für die Frage, ob sie bei Abschluss der Ranbaxy-Vereinbarung potenzielle Wettbewerber von Ranbaxy waren.

329    Als Fünftes ist mit den Klägerinnen festzustellen, dass der angefochtene Beschluss offenbar keinerlei Bezugnahme auf das Bestehen von Zweifeln an der Gültigkeit der Patente für Amid und Jod enthält. Abgesehen von der Tatsache, dass das Patent für Jod bei Abschluss der Ranbaxy-Vereinbarung noch nicht erteilt worden war, so dass es einer Verletzungsklage nicht zugrunde gelegt werden konnte, ist jedoch zu bemerken, dass sich die im angefochtenen Beschluss vorgenommene Beurteilung des potenziellen Wettbewerbs zwischen Lundbeck und Ranbaxy eher auf die Beweise, aus denen hervorgeht, dass sich Ranbaxy auf ihren Markteintritt vorbereitete, weil sie der Auffassung war, dass ihr Verfahren nicht rechtsverletzend sei, als auf die Möglichkeit stützt, eine Nichtigerklärung der Patente von Lundbeck zu erwirken, die möglicherweise verletzt worden waren.

330    In Anbetracht des Vorstehenden ist der neunte Teil und damit der erste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

II –  Zweiter, dritter, vierter, fünfter und sechster Klagegrund, mit denen im Wesentlichen ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV geltend gemacht wird

331    Vor der Prüfung des Vorbringens der Klägerinnen zu Inhalt, Zweck und Kontext der streitigen Vereinbarungen sind kurz der von der Kommission im angefochtenen Beschluss verfolgte Ansatz bei der Einstufung der streitigen Vereinbarungen als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen und die einschlägige Rechtsprechung darzulegen.

A –  Prüfung des Vorliegens einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung im angefochtenen Beschluss

332    Die Kommission vertritt im angefochtenen Beschluss die Auffassung, die streitigen Vereinbarungen stellten eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV dar, und stützt sich in diesem Zusammenhang auf eine Reihe von Faktoren, die sich auf Inhalt, Kontext und Zweck der genannten Vereinbarungen beziehen (oben, Rn. 61 bis 67).

333    So sieht sie einen wichtigen Aspekt des wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhangs, in dem die streitigen Vereinbarungen geschlossen worden seien, darin, dass die ursprünglichen Patente von Lundbeck vor Abschluss der streitigen Vereinbarungen erloschen seien, diese zum Zeitpunkt des Abschlusses der genannten Vereinbarungen – oder kurze Zeit danach – aber mehrere Verfahrenspatente erhalten habe, darunter das Patent für Kristallisation. Gleichwohl verleihe ein Patent nicht das Recht, die Geschäftsautonomie der Parteien stärker einzuschränken, als es aufgrund der damit eingeräumten Rechte möglich sei (638. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

334    Daher sei aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zwar nicht notwendigerweise jeder Patentvergleich problematisch, wohl aber ein solcher, der einen vorübergehenden Marktausschluss einer der Parteien vorsehe, die zumindest ein potenzieller Wettbewerber der anderen Partei sei, und mit einem Vermögenstransfer des Patentinhabers an den Generikahersteller, der dieses Patent möglicherweise verletze, einhergehe („reverse payment“, im Folgenden: umgekehrte Zahlung) (Erwägungsgründe 639 und 640 des angefochtenen Beschlusses).

335    Auch wenn die in den streitigen Vereinbarungen vorgesehenen Beschränkungen in den Schutzbereich der Patente von Lundbeck fielen, diese Vereinbarungen also lediglich verhinderten, dass generisches Citalopram, das die Parteien der Vereinbarungen als eine potenzielle Verletzung der genannten Patente betrachteten, auf den Markt gebracht würde, und nicht generisches Citalopram jedweder Art, stellten die besagten Vereinbarungen trotz allem bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen dar, da sie insbesondere jegliche Anfechtung der Gültigkeit der Patente von Lundbeck vor den nationalen Gerichten verhindert oder sinnlos gemacht hätten, obwohl diese Art von Anfechtung Bestandteil des normalen Wettbewerbs auf dem Gebiet des Patentrechts sei (Erwägungsgründe 603 bis 605, 625, 641 und 674 des angefochtenen Beschlusses).

336    Mit anderen Worten hätten die streitigen Vereinbarungen die Ungewissheit hinsichtlich des Ausgangs solcher Klageverfahren in die Gewissheit verwandelt, dass die Generika nicht auf den Markt gebracht würden, was ebenfalls eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstellen könne, wenn sich solche Beschränkungen nicht aus einer Prüfung der Stärke des fraglichen Ausschließlichkeitsrechts durch die Parteien ergäben, sondern eher aus der Höhe der umgekehrten Zahlung, die diese Beurteilung in einem solchen Fall in den Schatten stelle und ein Anreiz für den Generikahersteller sei, nicht weiter zu versuchen, in den Markt einzutreten (641. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

337    Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen ist das Vorbringen der Klägerinnen zu prüfen, mit dem in Frage gestellt werden soll, dass im vorliegenden Fall eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung vorliegt.

B –  Anwendbare Grundsätze und Rechtsprechung

338    Art. 101 Abs. 1 AEUV sieht vor: „Mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche … eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken, insbesondere

a)      die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen;

b)      die Einschränkung oder Kontrolle der Erzeugung, des Absatzes, der technischen Entwicklung oder der Investitionen;

c)      die Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen;

d)      die Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden;

e)      die an den Abschluss von Verträgen geknüpfte Bedingung, dass die Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen.“

339    Hierzu geht aus der Rechtsprechung hervor, dass bestimmte Arten der Koordination zwischen Unternehmen den Wettbewerb hinreichend beeinträchtigen, um davon ausgehen zu können, dass die Prüfung ihrer Wirkungen nicht notwendig ist (Urteil CB/Kommission, oben in Rn. 78 angeführt, EU:C:2014:2204, Rn. 49; vgl. in diesem Sinne auch Urteile vom 30. Juni 1966, LTM, 56/65, EU:C:1966:38, 303 und 304, sowie vom 14. März 2013, Allianz Hungária Biztosító u. a., C‑32/11, EU:C:2013:160, Rn. 34).

340    Dieser Rechtsprechung liegt zugrunde, dass bestimmte Formen der Kollusion zwischen Unternehmen schon ihrer Natur nach als schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs angesehen werden können (Urteil CB/Kommission, oben in Rn. 78 angeführt, EU:C:2014:2204, Rn. 50; vgl. in diesem Sinne auch Urteil Allianz Hungária Biztosító u. a., oben in Rn. 339 angeführt, EU:C:2013:160, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

341    So steht fest, dass bestimmte kollusive Verhaltensweisen, wie z. B. diejenigen, die zur horizontalen Festsetzung der Preise durch Kartelle oder zum Ausschluss bestimmter Wettbewerber vom Markt führen, als derart geeignet angesehen werden können, negative Auswirkungen insbesondere auf den Preis, die Menge oder die Qualität der Waren und Dienstleistungen zu haben, dass für die Anwendung von Art. 101 Abs. 1 AEUV der Nachweis, dass sie konkrete Auswirkungen auf den Markt haben, als überflüssig erachtet werden kann. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass solche Verhaltensweisen Minderungen der Produktion und Preiserhöhungen nach sich ziehen, die zu einer schlechten Verteilung der Ressourcen zulasten insbesondere der Verbraucher führen (vgl. Urteil CB/Kommission, oben in Rn. 78 angeführt, EU:C:2014:2204, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 20. November 2008, Beef Industry Development Society und Barry Brothers, C‑209/07, im Folgenden: BIDS-Urteil, EU:C:2008:643, Rn. 33 und 34).

342    Lässt jedoch die Prüfung einer Art von Koordinierung zwischen Unternehmen keine hinreichende Beeinträchtigung des Wettbewerbs erkennen, so sind ihre Auswirkungen zu untersuchen, und es müssen, damit sie vom Verbot erfasst wird, Merkmale vorliegen, aus denen sich insgesamt ergibt, dass der Wettbewerb tatsächlich spürbar verhindert, eingeschränkt oder verfälscht worden ist (Urteile Allianz Hungária Biztosító u. a., oben in Rn. 339 angeführt, EU:C:2013:160, Rn. 34, sowie CB/Kommission, oben in Rn. 78 angeführt, EU:C:2014:2204, Rn. 52).

343    Bei der Feststellung der Wettbewerbswidrigkeit einer Vereinbarung oder bei der Prüfung der Frage, ob diese eine hinreichende Beeinträchtigung des Wettbewerbs erkennen lässt, um als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV aufgefasst zu werden, ist auf den Inhalt ihrer Bestimmungen und die mit ihr verfolgten Ziele sowie auf den wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext, in dem sie steht, abzustellen. Im Rahmen der Beurteilung dieses Kontexts sind auch die Natur der betroffenen Waren und Dienstleistungen, die auf dem betreffenden Markt oder den betreffenden Märkten bestehenden tatsächlichen Bedingungen und die Struktur dieses Marktes oder dieser Märkte zu berücksichtigen (Urteile Allianz Hungária Biztosító u. a., oben in Rn. 339 angeführt, EU:C:2013:160, Rn. 36, sowie CB/Kommission, oben in Rn. 78 angeführt, EU:C:2014:2204, Rn. 53).

344    Ferner ist es den Wettbewerbsbehörden und den Gerichten der Mitgliedstaaten und der Union nicht verwehrt, die Absicht der Beteiligten zu berücksichtigen, auch wenn sie kein notwendiges Element ist, um festzustellen, ob eine Vereinbarung zwischen Unternehmen wettbewerbsbeschränkenden Charakter hat (Urteile Allianz Hungária Biztosító u. a., oben in Rn. 339 angeführt, EU:C:2013:160, Rn. 37, sowie CB/Kommission, oben in Rn. 78 angeführt, EU:C:2014:2204, Rn. 54).

C –  Zweiter Klagegrund: Rechts- und Tatsachenfehler sowie Begründungsmangel bei der Beurteilung der Rolle der in den streitigen Vereinbarungen vereinbarten Vermögenstransfers

345    Nach Auffassung der Klägerinnen geht der Beschluss fehl, soweit in ihm die Auffassung vertreten wird, die Tatsache, dass die streitigen Vereinbarungen Zahlungen seitens Lundbeck vorsähen, bedeute, dass diese Vereinbarungen einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgten, weil die genannten Zahlungen davon zeugten, dass die in jeder einzelnen dieser Vereinbarungen enthaltenen Beschränkungen nicht den Beurteilungen der Parteien hinsichtlich der Stärke der einschlägigen Patente und deren Verletzung entsprächen (erster Teil). Außerdem sei der Beschluss fehlerhaft, da in ihm der Schluss gezogen werde, dass die in den streitigen Vereinbarungen enthaltenen Beschränkungen die Anreize für die Generikahersteller, sich weiter eigenständig um einen Markteintritt zu bemühen, verringerten oder beseitigten, auch wenn diese Beschränkungen nicht über die Beschränkungen hinausgingen, die sich aus dem Bestehen der Patente von Lundbeck ergäben. Im Beschluss werde weder nachgewiesen, dass die von Lundbeck getätigten Zahlungen diese Wirkung gehabt hätten, noch, dass die betreffenden Beschränkungen nicht mit der Beurteilung der Parteien übereinstimmten (zweiter Teil). Diese von der Kommission im angefochtenen Beschluss vertretene Auffassung sei inkohärent und unrealistisch und wende ein nicht praktikables rechtliches Kriterium an (dritter Teil).

1.     Erster Teil

346    Die Klägerinnen meinen, der Beschluss gehe sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht fehl, soweit in ihm der Schluss gezogen werde, dass die streitigen Vereinbarungen nicht die Beurteilung der Parteien hinsichtlich der Stärke der Patente widerspiegelten.

347    Im angefochtenen Beschluss werde festgestellt, dass eine Vergleichsvereinbarung die Vermutung der Rechtmäßigkeit genieße, wenn sie „auf der Grundlage einer widersprüchlichen Beurteilung der einzelnen Parteien hinsichtlich der Patentsituation geschlossen worden“ sei (604. Erwägungsgrund), dass die im Rahmen eines Vergleichs vorgesehenen Beschränkungen aber „gegen Art. 101 [AEUV] verstoßen [können], wenn diese Beschränkungen nicht zu rechtfertigen sind und sich nicht aus der Beurteilung der Stärke des eigentlichen Ausschließlichkeitsrechts durch die Parteien ergeben“ (641. Erwägungsgrund). Die im angefochtenen Beschluss getroffene Feststellung, dass die streitigen Vereinbarungen nicht die Beurteilung der Stärke der Patente durch die Parteien widerspiegelten, werde jedoch zum einen nicht durch einen schriftlichen Beweis belegt, der vom Misstrauen der Parteien in Bezug auf die Stärke der fraglichen Patente zeugte, und beruhe zum anderen auf der willkürlichen Annahme, dass die Vermögenstransfers bedeuteten, dass die in diesen Vereinbarungen enthaltenen Beschränkungen nicht mit der Vorstellung übereinstimmten, die sich die Parteien von der Stärke der genannten Patente gemacht hätten.

348    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

349    Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss die Tatsache, dass die in den streitigen Vereinbarungen enthaltenen Beschränkungen mittels umgekehrter Zahlungen in nicht unerheblicher Höhe erlangt worden seien, als einen entscheidenden Gesichtspunkt für die rechtliche Beurteilung dieser Vereinbarungen betrachtet (660. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

350    Wie im angefochtenen Beschluss gleichwohl eingeräumt wird, ist die Vereinbarung einer umgekehrten Zahlung im Rahmen eines Patentvergleichs nicht immer problematisch, insbesondere dann nicht, wenn diese Zahlung mit der Stärke des Patents, so wie sie von den einzelnen Parteien wahrgenommen wird, zusammenhängt, wenn sie erforderlich ist, um eine in den Augen beider Parteien akzeptable und rechtmäßige Lösung zu finden, und wenn sie nicht mit Beschränkungen einhergeht, die darauf abzielen, den Markteintritt der Generika zu verzögern (Erwägungsgründe 638 und 639 des angefochtenen Beschlusses). So wird das Beispiel von Neolab angeführt, mit der Lundbeck ebenfalls einen Vergleich geschlossen hatte, der, obwohl er eine umgekehrte Zahlung beinhaltete, deshalb nicht als problematisch angesehen wurde, weil die besagte Zahlung zugunsten von Neolab als Gegenleistung für eine von dieser übernommene Verpflichtung erfolgt war, vor den zuständigen Gerichten nicht auf Schadensersatz zu klagen, und Lundbeck während eines bestimmten Zeitraums auf die Geltendmachung patentrechtlicher Ansprüche verzichtet hatte (Erwägungsgründe 164 und 639 des angefochtenen Beschlusses). In jenem Fall hatte die umgekehrte Zahlung allerdings auch tatsächlich die Beilegung eines Rechtsstreits zwischen den Parteien bezweckt, ohne jedoch den Markteintritt der Generika zu verzögern.

351    Zwar hatte es im Fall von Neolab, wie die Klägerinnen geltend machen, bereits einen ersten Vergleich zwischen den Parteien gegeben, der in Erwartung des Ausgangs des Lagap-Rechtsstreits eine Verzögerung des Markteintritts von Neolab vorsah; dieser Vergleich ging selbst aber nicht mit einem Vermögenstransfer einher und hing von der Voraussetzung ab, dass Lundbeck im Fall eines ungünstigen Urteils im Rahmen dieses Rechtsstreits Schadensersatz an Neolab zahlen würde. Nachdem sich Lundbeck schließlich dazu entschlossen hatte, ihren Rechtsstreit mit Lagap gütlich beizulegen, bestand bei Neolab weiterhin ein Interesse an der Geltendmachung von Schadensersatz durch Erwirkung der Ungültigkeit des Patents von Lundbeck. In diesem Kontext zog es Lundbeck vor, auch ihren Rechtsstreit mit Neolab gütlich beizulegen, indem sie sich damit einverstanden erklärte, dieser Schadensersatz für das Jahr zu zahlen, in dem sie sich vom Markt zurückgezogen hatte, und sich verpflichtete, bei einem Markteintritt von Neolab keine patentrechtlichen Ansprüche geltend zu machen (164. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Die letztgenannte Verpflichtung ist somit von entscheidender Bedeutung, da die von Lundbeck getätigte umgekehrte Zahlung im Gegensatz zu den vorliegenden streitigen Vereinbarungen nicht die Gegenleistung für einen Marktausschluss darstellte, sondern vielmehr mit einer Anerkennung der Nichtverletzung und einer Verpflichtung einherging, den Markteintritt von Neolab mit ihren Generika nicht zu behindern.

352    Wird eine umgekehrte Zahlung hingegen mit einem Marktausschluss von Wettbewerbern oder einer Verringerung der Anreizelemente für einen solchen Zutritt kombiniert, ist mit der Kommission davon auszugehen, dass sich diese Beschränkung nicht ausschließlich aus der Beurteilung der Parteien hinsichtlich der Stärke der Patente ergibt, sondern über eine solche Zahlung erlangt wurde (604. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), die damit einem Freikauf von Wettbewerb gleichkommt.

353    Die Höhe einer umgekehrten Zahlung kann nämlich einen Hinweis auf die Stärke oder Schwäche eines Patents, so wie sie von den Parteien der Vereinbarungen zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarungen wahrgenommen wird, sowie auf die Tatsache darstellen, dass der Originalpräparatehersteller von seinen Erfolgschancen im Fall eines Rechtsstreits nicht vollkommen überzeugt ist. In diesem Sinne hat auch der Supreme Court of the United States (Oberster Gerichtshof der Vereinigten Staaten) die Auffassung vertreten, die Vereinbarung einer umgekehrten Zahlung in nicht unerheblicher Höhe in einem Patentvergleich könne einen praktikablen Ersatz für die Schwäche eines Patents darstellen, ohne dass ein Gericht selbst eine eingehende Prüfung der Gültigkeit dieses Patents vornehmen müsste (Urteil des Supreme Court of the United States vom 17. Juni 2013, Federal Trade Commission v. Actavis, 570 U.S. [2013], im Folgenden: Actavis-Urteil). Die Klägerinnen scheinen in ihren Schriftsätzen unter Bezugnahme auf den 640. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses im Übrigen einzuräumen, dass der Originalpräparatehersteller umso eher geneigt sein dürfte, erhebliche Summen an die Generikahersteller zu zahlen, um das Risiko ihres Markteintritts zu vermeiden, je höher er die Chancen, dass ein Patent widerrufen oder als nicht verletzt eingestuft wird, und den Schaden infolge dieses Markteintritts einschätzt.

354    Insoweit ist hervorzuheben, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss nicht feststellt, dass alle Patentvergleiche, die umgekehrte Zahlungen enthalten, gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstießen, sondern lediglich, dass die Unverhältnismäßigkeit solcher Zahlungen in Verbindung mit mehreren anderen Faktoren wie der Tatsache, dass die Höhe dieser Zahlungen zumindest den Gewinnerwartungen der Generikahersteller im Fall eines Markteintritts zu entsprechen schienen, dem Fehlen von Klauseln, die es den Generikaherstellern ermöglichten, ihre Erzeugnisse nach Ablauf der Vereinbarungen auf den Markt zu bringen, ohne Verletzungsklagen seitens Lundbeck befürchten zu müssen, oder der Tatsache, dass in diesen Vereinbarungen Beschränkungen enthalten seien, die über den Schutzumfang der Patente von Lundbeck hinausgingen, den Schluss zuließen, dass die streitigen Vereinbarungen im vorliegenden Fall auf eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung im Sinne der genannten Bestimmung abzielten (vgl. Erwägungsgründe 661 und 662 des angefochtenen Beschlusses).

355    Daher ist festzustellen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss fehlerfrei die Auffassung vertreten hat, schon die Verständigung auf umgekehrte Zahlungen und die Unverhältnismäßigkeit dieser Zahlungen seien relevante Gesichtspunkte für den Nachweis, dass die streitigen Vereinbarungen bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne von Art. 101 AEUV darstellten, da der Originalpräparatehersteller den Generikaherstellern mit den erwähnten Zahlungen einen Anreiz dafür geboten habe, sich nicht weiter eigenständig um einen Markteintritt zu bemühen.

356    Keines der Argumente der Klägerinnen kann dieses Ergebnis in Frage stellen.

357    Die Klägerinnen machen als Erstes geltend, im angefochtenen Beschluss werde nicht nachgewiesen, dass die streitigen Vereinbarungen nicht die Beurteilung der Stärke der Patente durch die Parteien widerspiegelten. Der angefochtene Beschluss verweise auf ein wörtliches Verständnis spezifischer Klauseln der streitigen Vereinbarungen sowie auf einzelne Aussagen von Lundbeck und der Generikahersteller zur etwaigen Nichtigkeit oder Nichtverletzung des Patents für Kristallisation. Daraus werde der Schluss gezogen, dass die Parteien nicht zu einer Einigung auf der Grundlage der Stärke der Patente gelangt seien. Mit diesen Klauseln und Aussagen, bei denen es sich um die einzigen schriftlichen Indizien im Beschluss handle, lasse sich jedoch nicht dartun, dass die Parteien an der Stärke der Patente von Lundbeck gezweifelt hätten.

358    Die Klägerinnen bestreiten indes nicht, dass die in den streitigen Vereinbarungen vorgesehenen Zahlungen eine „Gegenleistung“ für die von den Generikaherstellern eingegangenen Verpflichtungen darstellten, auf die Markteinführung von Citalopram zu verzichten, das die Patente von Lundbeck verletzte, und mit diesen Verpflichtungen „in Zusammenhang“ standen. Sie leugnen auch nicht, dass die Zahlungen möglicherweise einen zusätzlichen Anreiz für die Generikahersteller darstellten, eine Einigung zu erzielen. Gleichwohl beweise, so die Klägerinnen, eine einfache Gegenleistung oder ein einfacher Zusammenhang nicht, dass die Zahlungen die Beurteilung des Wertes der Patente durch die Parteien der streitigen Vereinbarungen „in den Schatten gestellt“ hätten, so dass „das Ergebnis des Marktausschlusses nicht durch die Stärke des Patents, sondern durch die Höhe des Vermögenstransfers erzielt wurde“ (Erwägungsgründe 604 und 641 des angefochtenen Beschlusses).

359    Es genügt die Feststellung, dass dieses Argument ins Leere geht, da es auf einer falschen Auslegung des angefochtenen Beschlusses beruht.

360    Die Kommission vertritt im angefochtenen Beschluss nämlich nicht die Auffassung, lediglich Vergleiche, die „ausschließlich“ auf der Beurteilung der Stärke der Patente durch die Parteien beruhten, fielen aus dem Anwendungsbereich von Art. 101 Abs. 1 AEUV. Sie ist unter Berücksichtigung einer Reihe von Faktoren (siehe oben, Rn. 354) vielmehr der Ansicht, solche Vergleiche fielen in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift, wenn sie umgekehrte Zahlungen in nicht unerheblicher Höhe enthielten, die jeden Anreiz für die Generikahersteller, für eine gewisse Zeit in den Markt einzutreten, verringerten oder beseitigten, ohne jedoch den zugrunde liegenden Patentrechtsstreit zu entscheiden (604. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). In der Tat tritt in einem solchen Fall der Vermögenstransfer an die Stelle der eigenständigen Beurteilung der Parteien hinsichtlich der Stärke der Patente des Originalpräparateherstellers und der Einschätzung ihrer Chancen, in einem etwaigen Rechtsstreit auf der Grundlage dieser Patente oder über deren Gültigkeit zu obsiegen (siehe oben, Rn. 353).

361    Im vorliegenden Fall ist jedoch erstens mit der Kommission darauf hinzuweisen, dass die Parteien der streitigen Vereinbarungen in der Frage uneins waren, ob die Patente von Lundbeck stark genug waren, um einen Markteintritt von generischem Citalopram auszuschließen, so dass diese Patente für die Verpflichtung der Generikahersteller, nicht in den Markt einzutreten, nicht entscheidend gewesen sein können. Die Zahlungen dienten daher als Auslöser, um zu einer Einigung zu gelangen („dealclincher“), und waren entscheidend, um die Generikahersteller davon zu überzeugen, ihre Bemühungen um einen Markteintritt einzustellen.

362    Zweitens bestreiten die Klägerinnen nicht, dass die Beträge, die sie an die Generikahersteller gezahlt haben, möglicherweise auf der Grundlage des Gewinns oder des Umsatzes berechnet worden sind, den Letztere während der Laufzeit der streitigen Vereinbarungen zu erzielen hofften, falls sie in den Markt eingetreten wären, was insoweit einen wichtigen Anhaltspunkt darstellt. In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen geltend gemacht, eine solche Berechnung habe ausschließlich von den Generikaherstellern und nicht von ihnen selbst vorgenommen werden können, was nichts an dieser Feststellung ändert.

363    Drittens belegen die Beweismittel, die sich auf den Zeitraum vor Abschluss der streitigen Vereinbarungen beziehen, dass die Generikahersteller erhebliche Anstrengungen unternommen hatten, um ihren Markteintritt vorzubereiten, und nicht beabsichtigten, diese Anstrengungen aufgrund der Patente von Lundbeck einzustellen. Zwar bestand eine Unsicherheit hinsichtlich der Frage, ob ihre Erzeugnisse von einem zuständigen Gericht möglicherweise für rechtsverletzend erklärt würden. Im angefochtenen Beschluss wird jedoch dargetan, dass die Generikahersteller echte Chancen hatten, im Fall eines Rechtsstreits zu obsiegen (siehe oben, Rn. 122, sowie Erwägungsgründe 75 und 76 des angefochtenen Beschlusses). Mit dem Abschluss der streitigen Vereinbarungen tauschten die Klägerinnen diese Unsicherheit mittels umgekehrter Zahlungen in nicht unerheblicher Höhe daher gegen die Gewissheit ein, dass die Generikahersteller nicht in den Markt eintreten würden (604. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), wodurch sie während der Laufzeit dieser Vereinbarungen jeglichen – sogar potenziellen – Wettbewerb auf dem Markt ausschalteten.

364    Als Zweites vertreten die Klägerinnen die Ansicht, der angefochtene Beschluss lasse nicht erkennen, inwiefern ein Vermögenstransfer ein Anhaltspunkt dafür sei, dass die Beschränkungen nicht mit der Beurteilung der Stärke der betreffenden Patente durch die Parteien übereinstimmten. Im angefochtenen Beschluss sei aus dem Umstand, dass sie Zahlungen an die Generikahersteller geleistet hätten, die Vermutung hergeleitet worden, dass Zweifel an der Gültigkeit oder Verletzung der relevanten Patente bestanden hätten. Es sei falsch, zu behaupten, dass „der Originalpräparatehersteller zur Vermeidung dieses Risikos einen umso höheren Betrag an den Generikahersteller zu zahlen bereit ist, je mehr er von der voraussichtlichen Nichtigkeit oder Nichtverletzung seines Patents überzeugt ist“ (640. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Folglich verstoße der angefochtene Beschluss gegen die anwendbaren Beweisregeln, die die Kommission dazu verpflichteten, alle anderen Erklärungen für die Vermögenstransfers als eine wettbewerbswidrige Absprache zu widerlegen.

365    Die Klägerinnen machen geltend, eine wirtschaftliche Vermutung wie diejenige, auf die sich die Kommission im angefochtenen Beschluss berufe, sei nur zulässig, wenn sie auf belastbaren empirischen und theoretischen Grundlagen beruhe; die Kommission könne eine nicht hinreichend klare Vermutung nur ins Feld führen, wenn sie bewiesen habe, dass es sich dabei um die einzig plausible Erklärung handle. Diese Regel müsse entsprechend für eine Schlussfolgerung gelten, wonach eine umgekehrte Zahlung in einem Vergleich bedeute, dass die Parteien an der Stärke des relevanten Patents zweifelten.

366    Insoweit ist festzustellen, dass sich die Kommission im angefochtenen Beschluss im Einklang mit der oben in den Rn. 105 bis 112 erwähnten Rechtsprechung vorliegend auf eine Reihe von Beweismitteln stützt, mit denen dargetan werden soll, dass es in erster Linie der Umfang der umgekehrten Zahlungen zugunsten der Generikahersteller war, der diese veranlasste, die Verhaltensbeschränkungen zu akzeptieren, und nicht das Bestehen der Verfahrenspatente von Lundbeck oder aber der Wunsch, die Kosten im Zusammenhang mit einem etwaigen Rechtsstreit zu vermeiden (vgl. u. a. Erwägungsgründe 255 und 748 des angefochtenen Beschlusses sowie oben, Rn. 354 und 363). In Bezug auf Merck (GUK) wird im angefochtenen Beschluss beispielsweise dargetan, dass diese Beträge den Gewinnen entsprachen, mit deren Erzielung sie bei einem Markteintritt rechnete, ohne ihre Bemühungen fortsetzen und die mit einem solchen Markteintritt verbundenen Risiken eingehen zu müssen (Erwägungsgründe 350, 809 und 862 des angefochtenen Beschlusses). Ähnliche Erwägungen finden sich in den Erwägungsgründen 398, 460, 1071 und 1157 des angefochtenen Beschlusses in Bezug auf Arrow, Alpharma und Ranbaxy.

367    Außerdem führen die Klägerinnen in ihren Schriftsätzen selbst den 640. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses an (oben, Rn. 353), in dem die Kommission feststellt, dass der Umfang einer umgekehrten Zahlung oftmals mit dem vom Originalpräparatehersteller wahrgenommenen Risiko, dass ein Urteil ergeht, in dem die Ungültigkeit seines Patents oder die nicht rechtsverletzende Natur der generischen Erzeugnisse festgestellt wird, sowie mit dem Schaden zusammenhänge, der sich für ihn aus einem Markteintritt dieser Erzeugnisse ergäbe. Die Klägerinnen bestreiten auch weder, dass die umgekehrten Zahlungen eine Gegenleistung für die von den Generikaherstellern eingegangenen Verpflichtungen darstellten, von einem Markteintritt mit generischem Citalopram abzusehen, von dem sie annahmen, dass es ihre Patente verletze, noch, dass diese Zahlungen möglicherweise einen zusätzlichen Anreiz für die Generikahersteller bildeten, die streitigen Vereinbarungen abzuschließen.

368    Im Übrigen zeigen die Beweise aus der Zeit der streitigen Vereinbarungen, dass die Klägerinnen die Absicht hatten, „einen großen Haufen [USD]“ einzusetzen, um die Generika vom Markt auszuschließen (131. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), obwohl sie an der Gültigkeit ihrer Patente und ihren Chancen zweifelten, im Fall eines Rechtsstreits vor einem Gericht zu obsiegen (149. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses und oben, Rn. 126).

369    Jedenfalls brauchte die Kommission nicht unwiderlegbar nachzuweisen, dass die Klägerinnen an der Gültigkeit ihrer Patente zweifelten, um im vorliegenden Fall das Vorliegen einer bezweckten Zuwiderhandlung nachzuweisen, da die im angefochtenen Beschluss enthaltenen Beweismittel zeigen, dass die Generikahersteller ihrerseits zuversichtlich hinsichtlich ihrer Chancen waren, in absehbarer Zeit in den Markt eintreten zu können, sei es, indem sie sich gegen die von den Klägerinnen erhobenen Patentverletzungsvorwürfe zur Wehr setzten, sei es, indem sie im Streitfall die Gültigkeit der Patente der Klägerinnen anfochten (siehe oben, erster Klagegrund). Entscheidend ist somit, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen eine Unsicherheit hinsichtlich der Möglichkeit bestand, dass die Generikahersteller in den Markt eintreten würden, ohne sich richterlichen Anordnungen oder Verletzungsklagen gegenüberzusehen, oder mit Erfolg die Gültigkeit der Patente der Klägerinnen anfechten würden, und dass die besagten Vereinbarungen diese Unsicherheit mittels umgekehrter Zahlungen in nicht unerheblicher Höhe durch die Gewissheit ersetzt haben, dass die Generikahersteller während der Laufzeit der streitigen Vereinbarungen nicht in den Markt eintreten würden (oben, Rn. 336 und 363).

370    Als Drittes meinen die Klägerinnen, im angefochtenen Beschluss seien die alternativen Erklärungen für die Vermögenstransfers nicht widerlegt worden, und erinnern daran, dass sie in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte geltend gemacht hätten, die fraglichen Zahlungen zeugten von dem Druck, dem sie seitens der Generikahersteller aufgrund der Asymmetrie zwischen den von ihnen und den von den diesen Herstellern getragenen Risiken ausgesetzt gewesen seien. Den Klägerinnen habe nämlich aufgrund der von den Generikaherstellern begangenen Verletzung ein beträchtlicher und irreparabler Schaden gedroht, während sich diese einem geringen oder gar keinem Risiko ausgesetzt hätten. Diese Asymmetrie erkläre, weshalb sich die Klägerinnen damit einverstanden erklärt hätten, dass in den streitigen Vereinbarungen umgekehrte Zahlungen zu ihren Lasten vorgesehen worden seien. Diese „Erpressungs“-Problematik komme in jeder der in der Mitteilung der Beschwerdepunkte aufgeführten Vereinbarungen zum Ausdruck.

371    Im angefochtenen Beschluss, u. a. in dessen 644. Erwägungsgrund, werde das Bestehen der besagten Risikoasymmetrie eingeräumt, wenn es dort heiße, dass der Gewinn eines Generikaherstellers bei Eintritt in den Markt geringer oder sogar sehr viel geringer als die voraussichtlichen Verluste des Originalpräparateherstellers für den Fall eines Markteintritts generischer Arzneimittel sei. Auch der Schadensersatz, zu dem die Generikahersteller verurteilt werden könnten, liege deutlich unter dem möglichen zu erwartenden Schadensersatz und stelle nur einen Bruchteil des Schadens dar, der dem Originalpräparatehersteller durch den rechtswidrigen Eintritt der Generikahersteller entstehe. In einigen Fällen brauchten die Generikahersteller nämlich keinen der durch ihren rechtswidrigen Eintritt verursachten irreparablen Schäden zu ersetzen. Im Übrigen sinke das staatlich festgelegte Preis- oder Erstattungsniveau automatisch, sobald generische Versionen auf den Markt kämen, unabhängig von der Frage, ob diese gültige Patente verletzten oder nicht. Durch die zahlreichen Patentstreitigkeiten entstünden zudem außerordentlich hohe Kosten.

372    Diese Risikoasymmetrie sei von den Generikaherstellern ausgenutzt worden, als sie glaubhaft gemacht hätten, dass sie sich anschickten, ihre rechtsverletzenden Erzeugnisse zu verkaufen, und habe ihnen die nötige Macht verliehen, um Lundbeck Zahlungen abzutrotzen. Sowohl in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur als auch im angefochtenen Beschluss, u. a. in dessen 640. Erwägungsgrund, werde darüber hinaus eingeräumt, dass der Betrag, den der Originalpräparatehersteller an die Generikahersteller zu zahlen bereit sei, um ein solches Risiko zu vermeiden, umso höher sei, je höher er den durch einen Markteintritt dieser Hersteller verursachten Schaden einschätze.

373    Daher habe die Kommission im angefochtenen Beschluss einen Fehler begangen, als sie davon ausgegangen sei, dass allein die Beurteilung der Stärke eines Patents durch einen Generikahersteller der ausschlaggebende Grund für dessen Bereitschaft sei, ein Arzneimittel in den Markt einzuführen, obwohl eine solche Beurteilung nur eines unter mehreren Kriterien darstelle, die für die Entscheidung über die Markteinführung relevant seien, und sich möglicherweise als irrelevant erweise, wenn die Generikahersteller erwarteten, aus einer Patentverletzung Nutzen ziehen zu können.

374    Mangels eines Zusammenhangs zwischen den Zahlungen und der subjektiven Wahrnehmung der Parteien der streitigen Vereinbarungen hinsichtlich ihrer jeweiligen patentrechtlichen Ansprüche könne der angefochtene Beschluss daher nicht die Erwägung stützen, dass die Zahlung die Generikahersteller veranlasst habe, Beschränkungen zu akzeptieren, die sie allein auf der Grundlage ihrer Beurteilung der Stärke der Patente nicht hingenommen hätten; damit entfalle der erste Kausalzusammenhang, der der im angefochtenen Beschluss vertretenen Theorie zugrunde liege, und die Schlussfolgerung, dass die streitigen Vereinbarungen gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstießen, entbehre einer Grundlage.

375    Die Streithelferin ist darüber hinaus der Ansicht, die Kommission hätte nachweisen müssen, dass es keine andere legitime Erklärung für den Vermögenstransfer gebe, und dabei erstens das Risiko eines irreparablen Schadens für den Patentinhaber im Fall eines rechtswidrigen Markteintritts der Generika, zweitens die Wahrscheinlichkeit, im Wege einer Schadensersatzklage eine angemessene Entschädigung erlangen oder einstweilige Maßnahmen erwirken zu können, und drittens die Kosten im Zusammenhang mit der Tatsache berücksichtigen müssen, dass unterschiedliche Gerichte mit zahlreichen Klagen befasst worden wären, was die Gefahr unterschiedlicher Entscheidungen der verschiedenen Gerichte mit sich gebracht hätte. Die Kommission hätte daher dartun müssen, weshalb die Existenz eines Vermögenstransfers einen rechtmäßigen Vergleich zu einer wettbewerbswidrigen horizontalen Vereinbarung mache.

376    Es ist festzustellen, dass die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen die von diesen angeführten alternativen Erklärungen für die Vereinbarung umgekehrter Zahlungen in den streitigen Vereinbarungen, insbesondere diejenigen, die sich auf die „Blufftheorie“ und die Risikoasymmetrie beziehen, im angefochtenen Beschluss widerlegt hat.

377    So hat die Kommission im angefochtenen Beschluss eingeräumt, dass es für den Originalpräparatehersteller angesichts der Beträge, die er im Fall eines Markteintritts der Generikahersteller verlieren könnte, aus betriebswirtschaftlicher Sicht interessant sein könne, diese zu bezahlen, um einen solchen Eintritt zu verhindern. Außerdem überstiegen die genannten Beträge vermutlich die Gewinne, die die Generikahersteller im Fall eines solchen Eintritts – unterstellt, ihre Erzeugnisse wären nicht als rechtsverletzend angesehen worden oder ihnen wäre es gelungen, die betreffenden Patente für ungültig erklären zu lassen – erzielt hätten. Nach Ansicht der Kommission wären in einem solchen Fall jedoch die Verbraucher die Verlierer, da sie nicht von niedrigeren Preisen infolge des Marktzutritts der Generika profitieren könnten (640. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

378    Die Klägerinnen machen insoweit geltend, in bestimmten Fällen seien die mit einem Markteintritt verbundenen Risiken für die Generikahersteller, die es – u. a. über künstliche Konstruktionen wie eine Gewinnverlagerung zwischen getrennten rechtlichen Einheiten – vermeiden könnten, dass gegen sie richterliche Anordnungen ergingen, mit denen ihnen dieser Markteintritt untersagt werde, oder dass sie bei einem rechtswidrigen Eintritt zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt würden, sehr gering oder gar nicht vorhanden. Außerdem werde im angefochtenen Beschluss eingeräumt, dass der Schadensersatz, zu dem sie verurteilt werden könnten, oftmals weit unter dem Schaden liege, der dem Originalpräparatehersteller bei einem rechtswidrigen Markteintritt infolge der negativen Preisspirale entstehe, die ein solcher Eintritt in Gang setze (Erwägungsgründe 93 und 645 des angefochtenen Beschlusses).

379    Zwar lasse sich mit der Asymmetrie der Risiken, die die Generikahersteller und der Originalpräparatehersteller eingingen, teilweise erklären, weshalb sich Letzterer veranlasst sehen könne, umgekehrte Zahlungen in nicht unerheblicher Höhe zu leisten, um jegliches – selbst das kleinste – Risiko eines Markteintritts der Generika zu vermeiden. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn das patentierte Arzneimittel – wie hier Cipramil – das Spitzenprodukt des Originalpräparateherstellers darstelle, mit dem er den wesentlichen Teil seines Umsatzes erziele (Erwägungsgründe 26 und 120 des angefochtenen Beschlusses).

380    Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Tatsache, dass sich ein wettbewerbswidriges Verhalten für ein Unternehmen möglicherweise als rentabelste oder risikoärmste Lösung erweist, die Anwendung von Art. 101 AEUV in keiner Weise ausschließt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. Juli 2004, Corus UK/Kommission, T‑48/00, EU:T:2004:219, Rn. 73, und Dalmine/Kommission, T‑50/00, EU:T:2004:220, Rn. 211), insbesondere wenn es – wie hier – darum geht, tatsächliche oder potenzielle Wettbewerber dafür zu bezahlen, dass sie dem Markt fernbleiben, und mit ihnen die Gewinne zu teilen, die sich daraus ergeben, dass zum Nachteil der Verbraucher keine generischen Arzneimittel auf diesen Markt gelangen.

381    Nach Auffassung der Klägerinnen hat die Risikoasymmetrie den Generikaherstellern eine Erpressung (oder einen „Bluff“) ermöglicht, was ihnen erhebliche Geldbeträge eingebracht habe, indem sie glauben gemacht hätten, dass sie sich anschickten, mit nicht rechtsverletzenden Erzeugnissen in den Markt einzutreten.

382    Hierdurch wird jedoch lediglich die Auffassung der Kommission bestätigt, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen eine erhebliche Unsicherheit hinsichtlich des Ausgangs etwaiger Patentstreitigkeiten bestanden habe und diese Unsicherheit beseitigt und durch die Gewissheit ersetzt worden sei, dass die Generikahersteller während der Laufzeit dieser Vereinbarungen nicht in den Markt eintreten würden.

383    Die Tatsache, dass eine umgekehrte Zahlung möglicherweise das einzige Mittel darstellt, um zu einer Vereinbarung zu gelangen und so die zwischen den Parteien dieser Vereinbarung bestehende „Kluft zu überwinden“, bedeutet im Übrigen noch nicht, dass eine solche Zahlung ein legitimes Mittel zur Erreichung einer solchen Vereinbarung darstellt oder diese Vereinbarung vom Anwendungsbereich des Wettbewerbsrechts ausgenommen ist, zumal wenn der Umfang der besagten Zahlung offenbar mit den Gewinnerwartungen der Generikahersteller im Fall eines Markteintritts zusammenhängt oder wenn sich mit der Vereinbarung der zugrunde liegende Patentstreit zwischen den Parteien nicht beilegen lässt und diese Vereinbarung Beschränkungen enthält, die über den Schutzbereich der Patente des Originalpräparateherstellers hinausgehen (siehe oben, Rn. 354 sowie Erwägungsgründe 661 und 662 des angefochtenen Beschlusses).

384    Wenn im Übrigen die Klägerinnen von der Gültigkeit ihrer Patente und der Tatsache, dass die Erzeugnisse, die die Generikahersteller zu vermarkten beabsichtigten, diese Patente verletzten, dermaßen überzeugt waren, hätten sie bei den zuständigen nationalen Gerichten Anordnungen erwirken können, um einen solchen Markteintritt zu verhindern, oder – im Fall eines rechtswidrigen Eintritts der Generikahersteller – von diesen Schadensersatz zu erlangen. Darüber hinaus hätten sie – wie im Fall von Neolab (oben, Rn. 350) – einen Vergleich schließen können, dessen eigentliches Ziel die Beilegung des zugrunde liegenden Patentstreits gewesen wäre, ohne dass etwaige im Rahmen eines solchen Vergleichs erlangte Beschränkungen der Geschäftsautonomie der Generikahersteller durch eine umgekehrte Zahlung motiviert gewesen wären.

385    Auch wenn dem Originalpräparatehersteller, wie die Kommission anerkennt, im Fall eines rechtswidrigen Markteintritts der Generikahersteller aufgrund der unumkehrbaren Preisrückgänge, die ein solcher Eintritt bewirkt hätte, möglicherweise ein irreparabler Schaden entstanden wäre, ist eine Senkung der regulierten Preise nach Erlöschen eines Patents für den API ein den Klägerinnen bekanntes Merkmal der Arzneimittelmärkte und stellt somit ein normales Geschäftsrisiko dar, das den Abschluss wettbewerbswidriger Vereinbarungen nicht rechtfertigen kann. Außerdem veranschaulichen solche sich aus einem Eingreifen der Regulierungsbehörden ergebende Preisrückgänge in einem Kontext, in dem das Patent für den API bereits erloschen ist, das von den Mitgliedstaaten geschaffene Gleichgewicht zwischen dem Schutz des Patents des Originalpräparateherstellers einerseits und den Kosteneinsparungen für die staatlichen Haushalte und die Verbraucher, die durch den Markteintritt der Generika und den freien Wettbewerb erzielt werden, andererseits.

386    Der Auffassung der Klägerinnen zur Risikoasymmetrie zu folgen liefe daher letztlich auf die Annahme hinaus, dass sich die Klägerinnen durch den Abschluss von Vereinbarungen mit Generikaherstellern wie den streitigen Vereinbarungen gegen einen unumkehrbaren Preisrückgang schützen dürften, der nach ihren eigenen Angaben selbst dann nicht hätte vermieden werden können, wenn sie im Rahmen von Verletzungsklagen vor den nationalen Gerichten obsiegt hätten. Durch den Abschluss solcher Vereinbarungen könnten sie daher zum Nachteil der Verbraucher und der staatlichen Gesundheitshaushalte höhere Preise für ihre Erzeugnisse beibehalten, während ein solches Ergebnis nicht hätte erzielt werden können, wenn die nationalen Gerichte die Gültigkeit ihrer Patente bestätigt hätten und die Erzeugnisse der Generikahersteller als rechtsverletzend eingestuft worden wären. Ein solches Ergebnis stünde in klarem Widerspruch zu den Zielen der wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen des Vertrags, mit denen u. a. die Verbraucher vor ungerechtfertigten Preiserhöhungen geschützt werden sollen, die sich aus einer Absprache zwischen Wettbewerbern ergeben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. März 2015, Dole Food und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission, C‑286/13 P, EU:C:2015:184, Rn. 115 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 9. Juli 2015, InnoLux/Kommission, C‑231/14 P, EU:C:2015:451, Rn. 61). Es gibt keinen Grund, eine solche Absprache im vorliegenden Fall unter dem Vorwand als zulässig anzusehen, dass Verfahrenspatente in Rede standen, während die Verteidigung dieser Patente vor den nationalen Gerichten – sogar in dem für die Klägerinnen günstigsten Szenario – nicht zu den gleichen negativen Ergebnissen für den Wettbewerb und insbesondere für die Verbraucher hätte führen können.

387    Es kann nicht hingenommen werden, dass Unternehmen die Wirkungen von Rechtsvorschriften, die sie für allzu ungünstig halten, unter dem Vorwand, dass durch sie ein Ungleichgewicht zu ihren Lasten geschaffen worden sei, zu neutralisieren versuchen, indem sie Kartelle abschließen, die diese Nachteile korrigieren sollen (vgl. Urteil vom 27. Juli 2005, Brasserie nationale u. a./Kommission, T‑49/02 bis T‑51/02, EU:T:2005:298, Rn. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung).

388    Soweit die Klägerinnen, unterstützt durch die Streithelferin, schließlich vorbringen, die streitigen Vereinbarungen hätten es ermöglicht, erhebliche Kosten im Zusammenhang mit Streitigkeiten in verschiedenen Mitgliedstaaten sowie die Gefahr abweichender Entscheidungen zu vermeiden, die sich aus solchen Streitigkeiten vor zahlreichen Gerichten ergäben, ist erstens festzustellen, dass die Mehrzahl der streitigen Vereinbarungen weder eine präzise Bezugnahme auf Prozesskosten, die vermieden worden sein sollen, noch auch nur eine Schätzung dieser Kosten enthalten. Außerdem haben die Klägerinnen in keiner Weise erläutert, wie die Beträge der umgekehrten Zahlungen berechnet worden waren, außer, dass sie sich aus ihren Verhandlungen mit den Generikaherstellern ergeben hätten, während der angefochtene Beschluss zahlreiche Beweismittel enthält, die belegen, dass diese Beträge mehr oder weniger den Gewinnerwartungen der Generikahersteller im Fall eines Markteintritts oder dem Schadensersatz entsprachen, den sie hätten erlangen können, wenn sie im Streitfall gegen Lundbeck obsiegt hätten (vgl. u. a. Erwägungsgründe 398, 460, 809, 862, 1071 und 1157 des angefochtenen Beschlusses).

389    Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen ist es jedenfalls wenig wahrscheinlich, dass die mit etwaigen Rechtsstreitigkeiten in den verschiedenen Ländern des EWR verbundenen Kosten über den Zahlungen in Höhe von mehreren Millionen Euro gelegen hätten, die die Generikahersteller im vorliegenden Fall nach Maßgabe der streitigen Vereinbarungen erhalten haben. Es kommt nämlich selten vor, dass Pharmaunternehmen in allen Mitgliedstaaten gleichzeitig Rechtsstreitigkeiten einleiten. In der Regel entscheiden sie sich, wie der Fall von Lagap im Vereinigten Königreich zeigt (63. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), eher dafür, sich auf einige Teststreitigkeiten zu konzentrieren, als zahlreiche Rechtsstreitigkeiten vor verschiedenen Gerichten einzuleiten, wenn sich die gleichen Fragen stellen. Im Fall von Lagap haben die Klägerinnen es jedoch letztlich vorgezogen, sich zu vergleichen, um eine Niederlage zu vermeiden, die in anderen Rechtsordnungen gegen sie hätte verwendet werden können (160. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

390    Im angefochtenen Beschluss wird im Übrigen eingeräumt, dass es andere wettbewerbsrechtlich zulässige Arten der gütlichen Beilegung eines Rechtsstreits gibt, die nicht – wie im vorliegenden Fall – darin bestehen, den Markteintritt potenzieller Wettbewerber durch umgekehrte Zahlungen zu verzögern (oben, Rn. 354). Nach der Rechtsprechung lässt sich der spezifische Gegenstand des Patents nicht in dem Sinne auslegen, dass er auch gegen Angriffe auf das Patent Schutz gewährt, denn es liegt im öffentlichen Interesse, alle Hindernisse für die Wirtschaftstätigkeit auszuräumen, die sich aus einem zu Unrecht erteilten Patent ergeben könnten (vgl. in diesem Sinne Urteil Windsurfing, oben in Rn. 119 angeführt, EU:C:1986:75, Rn. 92). Die Klägerinnen hatten zwar das Recht, Vergleiche mit den Generikaherstellern zu schließen, um etwaige Prozesskosten zu vermeiden; sie durften auf diesem Wege aber nicht ihre eigene Beurteilung der Gültigkeit ihrer Patente und der Frage, ob die Erzeugnisse der Generikahersteller rechtsverletzend waren oder nicht, an die Stelle der Beurteilung eines unabhängigen Gerichts setzen und die Generikahersteller gleichzeitig dafür bezahlen, dass sie sich dieser Beurteilung anschließen und für eine gewisse Zeit dem Markt fernbleiben.

391    Im angefochtenen Beschluss ist daher zu Recht der Schluss gezogen worden, dass die umgekehrten Zahlungen den Generikaherstellern einen Anreiz boten, die in den streitigen Vereinbarungen vorgesehenen Beschränkungen ihrer Geschäftsautonomie zu akzeptieren, wobei die von den Klägerinnen zur Rechtfertigung dieser Zahlungen angeführten alternativen Erklärungen dieses Ergebnis nicht in Frage stellen können.

392    Der erste Teil ist somit zurückzuweisen.

2.     Zweiter Teil

393    Die Klägerinnen vertreten die Ansicht, im angefochtenen Beschluss werde zu Unrecht festgestellt, dass die sich aus den streitigen Vereinbarungen ergebenden vertraglichen Beschränkungen die anderen Anreize für einen Markteintritt beseitigt hätten.

394    Sie bringen erstens vor, dass die in den Schutzbereich der Patente fallenden Beschränkungen die Anreize, sich weiterhin eigenständig um einen Markteintritt zu bemühen, weder abschwächten noch beseitigten. Generikahersteller, die sich damit einverstanden erklärten, im Gegenzug für einen Vermögenstransfer von einem Markteintritt mit rechtsverletzenden Arzneimitteln abzusehen, wollten möglicherweise nach wie vor ein Urteil erwirken, mit dem festgestellt werde, dass ihre Arzneimittel nicht rechtsverletzend seien oder dass das angeblich verletzte Patent nichtig sei. Außerdem lasse nichts die Schlussfolgerung zu, dass eine Zahlung als Vergütung für einen Verzicht auf die Markteinführung rechtsverletzender Arzneimittel den Anreiz eines Generikaherstellers verringere, sich mit nicht rechtsverletzenden Arzneimitteln weiterhin um einen Markteintritt zu bemühen. Die Tatsache, dass sich ein Generikahersteller trotz des Fehlens einer Nichtangriffsabrede mit dem Vermögenstransfer des Originalpräparateherstellers begnüge und nicht versuche, das relevante Patent anzufechten, deute lediglich darauf hin, dass der erstgenannte Hersteller an seinen Chancen zweifle, eine Nichtigerklärung des Patents erwirken zu können.

395    Daher könne von einer gesetzlichen Vermutung, dass ein Marktausschluss gegen Bezahlung eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstelle, weil dadurch der Anreiz für die Generikahersteller, sich weiterhin eigenständig um einen Markteintritt zu bemühen, verringert oder beseitigt werde, nur die Rede sein, wenn die vertraglichen Beschränkungen nicht in den Schutzbereich des relevanten Patents fielen.

396    Zweitens werde im angefochtenen Beschluss die darin getroffene Schlussfolgerung, dass Vermögenstransfers die Anreize für die Generikahersteller, den Rechtsweg zu beschreiten, unbestreitbar verringerten, nicht hinreichend begründet. Im angefochtenen Beschluss werde anerkannt, dass die Perspektive, einige Zeit nach Erhebung einer Klage gegen den Originalpräparatehersteller einen Vergleich schließen zu können, der eine umgekehrte Zahlung vorsehe, für die Generikahersteller möglicherweise einen Anreiz darstelle, eine solche Klage zu erheben (711. Erwägungsgrund). Diese Einlassung stehe in Widerspruch zu den Ausführungen im angefochtenen Beschluss, denen zufolge die umgekehrten Zahlungen die Generikahersteller vermutlich nur davon abhielten, den Rechtsweg zu beschreiten (966. Erwägungsgrund). Dieser inhärente Widerspruch lasse erkennen, dass der angefochtene Beschluss nicht auf einer soliden wirtschaftlichen Grundlage beruhe, und untergrabe die darin getroffene Schlussfolgerung, dass umgekehrte Zahlungen „in nicht unerheblicher Höhe“ zwangsläufig zulasten der Verbraucher gingen (646. Erwägungsgrund).

397    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

398    Was das Argument der Klägerinnen angeht, die streitigen Vereinbarungen enthielten keine Klausel, die die Generikahersteller daran gehindert hätten, die Gültigkeit ihrer Patente anzufechten, so dass diese Vereinbarungen den genannten Herstellern nicht jeglichen Anreiz für einen Markteintritt genommen hätten, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass dieses Argument ins Leere geht, da im angefochtenen Beschluss lediglich festgestellt wird, dass die in den streitigen Vereinbarungen vorgesehenen umgekehrten Zahlungen die Generikahersteller dazu ermutigt oder bewogen hätten, Beschränkungen ihrer Geschäftsautonomie zu akzeptieren, die sie ohne diese Zahlungen nicht akzeptiert hätten, und nicht, dass sie insoweit jeden Anreiz beseitigt hätten (Erwägungsgründe 604 und 659 bis 661 des angefochtenen Beschlusses).

399    Auch wenn die streitigen Vereinbarungen keine Nichtangriffsabrede enthielten, hatten die Generikahersteller nach Abschluss dieser Vereinbarungen jedenfalls keinerlei Interesse daran, die Gültigkeit der Patente von Lundbeck anzufechten, da die umgekehrten Zahlungen in etwa den Gewinnen, mit denen sie im Fall eines Markteintritts rechneten, oder dem Schadensersatz entsprachen, den sie hätten erlangen können, wenn sie im Streitfall gegen Lundbeck obsiegt hätten (siehe oben, Rn. 388). Selbst wenn unterstellt wird, dass diese Zahlungen unter den Gewinnerwartungen lagen, handelte es sich trotz allem um einen sicheren und unmittelbaren Vorteil, ohne dass sie die Risiken hätten eingehen müssen, die ein Markteintritt mit sich gebracht hätte. Diese Auslegung wird im Übrigen durch den Sachverhalt, so wie er sich im vorliegenden Fall tatsächlich abgespielt hat, bestätigt, da kein Generikahersteller die Gültigkeit der Patente von Lundbeck angefochten hat oder während der Laufzeit der streitigen Vereinbarungen in den Markt eingetreten ist. Die Tatsache, dass Merck (GUK) nach Ablauf der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich einige Tage lang tatsächlich in den britischen Markt für Citalopram eingetreten ist, ist darauf zurückzuführen, dass sie der Ansicht war, die von Lundbeck vorgeschlagenen Bedingungen für die Verlängerung dieser Vereinbarung seien nicht gut genug, und im Gegenzug für eine zweite Verlängerung der besagten Vereinbarung eine lukrativere Entschädigung anstrebte (299. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

400    Soweit die Klägerinnen sodann geltend machen, die Generikahersteller hätten mit nicht rechtsverletzenden Generika in den Markt eintreten können, ist auf die nachstehende Prüfung des sechsten Klagegrundes zu verweisen, der sich auf die Prüfung des Inhalts und der Tragweite der streitigen Vereinbarungen bezieht.

401    Jedenfalls wird im angefochtenen Beschluss, auch wenn die in den streitigen Vereinbarungen enthaltenen Beschränkungen möglicherweise in dem Sinne in den Schutzbereich der Patente von Lundbeck fielen, dass sie auch im Rahmen gerichtlicher Klagen hätten erstritten werden können, zu Recht festgestellt, dass es sich zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen hierbei lediglich um eine Möglichkeit handelte. Die Tatsache, dass diese Unsicherheit hinsichtlich der Frage, ob die Erzeugnisse der Generikahersteller rechtsverletzend waren oder nicht, und hinsichtlich der Gültigkeit der Patente der Klägerinnen durch die Gewissheit ersetzt worden ist, dass die Generikahersteller während der Laufzeit der streitigen Vereinbarungen nicht in den Markt eintreten würden, stellt im vorliegenden Fall als solche jedoch eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung dar, da dieses Ergebnis mittels einer umgekehrten Zahlung erzielt worden ist (siehe oben, Rn. 336 und 363).

402    Die Klägerinnen machen schließlich erfolglos geltend, der angefochtene Beschluss sei insoweit unzureichend begründet. Die zahlreichen Passagen des angefochtenen Beschlusses, die den umgekehrten Zahlungen gewidmet und von den Klägerinnen selbst angeführt worden sind, zeigen nämlich, dass diese die Auffassung der Kommission hierzu verstanden haben, auch wenn sie sie nicht teilen. Im Übrigen weist der angefochtene Beschluss nicht deshalb einen Widerspruch auf, weil in ihm einerseits eingeräumt wird, dass die Perspektive, vom Originalpräparatehersteller umgekehrte Zahlungen erhalten zu können, die Generikahersteller möglicherweise dazu ermutigt habe, rechtliche Schritte einzuleiten, während die nach Maßgabe der streitigen Vereinbarungen erhaltenen umgekehrten Zahlungen die Generikahersteller andererseits davon abgehalten haben sollen, im vorliegenden Fall solche Schritte einzuleiten. Wie die Kommission – u. a. in den Erwägungsgründen 639 und 660 des angefochtenen Beschlusses – im Wesentlichen ausgeführt hat, sind Vergleiche, die Zahlungen – sogar umgekehrte – enthalten, aus wettbewerbsrechtlicher Sicht nämlich nicht immer problematisch, insbesondere dann nicht, wenn sie nicht mit einer Beschränkung des Markteintritts der Generika einhergehen und gerade darauf abzielen, den Generikaherstellern einen Ausgleich für den ihnen entgangenen Gewinn zu bieten, sobald der Originalpräparatehersteller erst einmal eingeräumt hat, dass ihre generischen Erzeugnisse keinerlei Patent verletzen.

403    Demnach ist der Schluss zu ziehen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss beurteilungsfehlerfrei festgestellt hat, dass die in den streitigen Vereinbarungen enthaltenen Beschränkungen, die im Gegenzug für umgekehrte Zahlungen in nicht unerheblicher Höhe erlangt worden waren, die Anreize für die Generikahersteller verringert hätten, in den Markt einzutreten.

404    Folglich ist auch der zweite Teil zurückzuweisen.

3.     Dritter Teil

405    Die Klägerinnen vertreten die Ansicht, die im angefochtenen Beschluss angewandte Regel, dass durch einen Vermögenstransfer veranlasste Patentvergleiche eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckten, sei nicht praktikabel.

406    Sie machen erstens geltend, diese Regel weise einen inneren Widerspruch auf und habe eine abschreckende Wirkung auf den Abschluss von Vereinbarungen, die einen zügigen Markteintritt vorsähen und für die Verbraucher vorteilhaft seien, da sie zu unterschiedlichen Ergebnissen führe, je nachdem, ob der Vermögenstransfer die Form einer Bargeldzahlung oder eines zügigen Markteintritts annehme.

407    Zweitens könne eine Vereinbarung nicht „ausschließlich“ auf die Beurteilung der Stärke des Patents durch die Parteien gestützt werden; die von der Kommission angewandte Regel laufe in der Praxis auf ein Verbot umgekehrter Zahlungen hinaus. Kein Vergleich könne „ausschließlich“ auf der Beurteilung der Stärke des Patents durch die Parteien beruhen, und zwar aus dem einfachen Grund, dass die „Stärke“ eines Patents kein präziser Begriff sei. Würde verlangt, dass Vergleiche „ausschließlich“ auf die Beurteilung der Stärke des Patents durch die Parteien gestützt würden, liefe dies darauf hinaus, den Parteien die Einleitung rechtlicher Schritte vorzuschreiben. Der Beschluss belasse den Parteien keinerlei Spielraum, um eine umgekehrte Zahlung dafür zu benutzen, einen Generikahersteller von der Verletzung der Patente eines Originalpräparateherstellers abzuschrecken.

408    Drittens sei das auf die Höhe des gezahlten Betrags gestützte rechtliche Kriterium nicht praktikabel, da der angefochtene Beschluss keine eindeutige Schwelle festlege, anhand deren sich feststellen lasse, ob eine Zahlung vertretbar oder wettbewerbswidrig sei.

409    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

410    Erstens ist das Argument der Klägerinnen, der angefochtene Beschluss habe eine abschreckende Wirkung auf den Abschluss von Vergleichen, die einen zügigen Markteintritt der Generika vorsähen, offensichtlich unbegründet, da die Kommission gerade die Auffassung vertreten hat, die streitigen Vereinbarungen seien aus wettbewerbsrechtlicher Sicht problematisch, weil sie die Verzögerung und nicht die Erleichterung des Markteintritts der Generika bezweckten. Darüber hinaus hat die Kommission auch dem Umstand Rechnung getragen, dass die streitigen Vereinbarungen Lundbeck nicht dazu verpflichteten, auf die Erhebung von Verletzungsklagen gegen die Generikahersteller zu verzichten, falls diese nach Ablauf der genannten Vereinbarungen mit generischem Citalopram in den Markt eingetreten wären (662. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

411    Außerdem wird im Beschluss eingeräumt, dass Vergleiche in bestimmten Fällen selbst dann unproblematisch sind, wenn sie umgekehrte Zahlungen enthalten, sofern sie darüber hinaus einen sofortigen Markteintritt der Generika vorsehen (vgl. das Beispiel von Neolab, oben in Rn. 350 angeführt). Die Tatsache, dass die Kommission Vereinbarungen, die mit einer umgekehrten Zahlung einhergehen, anders behandelt hat als Vereinbarungen, die keine solche Zahlung vorsehen, lässt sich angesichts der Anreizwirkung, die eine solche Zahlung auf die Generikahersteller im Hinblick darauf ausübt, Beschränkungen zu akzeptieren, die sie sonst nicht akzeptiert hätten, durchaus rechtfertigen (siehe oben, Rn. 349 ff.). Im Übrigen ist eine Vereinbarung, die einen zügigeren Markteintritt ermöglicht, aus wettbewerbsrechtlicher Sicht offensichtlich unproblematisch, so dass eine solche Gegenleistung für andere in einem Vergleich enthaltene Verpflichtungen nicht mit einer umgekehrten Zahlung verglichen werden kann, die darauf abzielt, einen solchen Eintritt zu verzögern.

412    Zweitens wird im angefochtenen Beschluss nicht festgestellt, dass eine Vereinbarung ausschließlich auf die Beurteilung der Stärke eines Patents durch die Parteien dieser Vereinbarung gestützt werden müsse, um aus dem Anwendungsbereich von Art. 101 Abs. 1 AEUV zu fallen (oben, Rn. 360). Die Klägerinnen machen somit zu Unrecht geltend, der angefochtene Beschluss bewirke eine Verringerung jeglichen Anreizes für den Abschluss von Patentvergleichen, was zu einer Lawine von Rechtsstreitigkeiten im gesamten EWR führe. Die Kommission verurteilt nämlich nur Vereinbarungen in Form von Vergleichen, deren eigentlicher Zweck – wie im vorliegenden Fall – nicht in der Beilegung des zugrunde liegenden Patentstreits zwischen den Parteien dieser Vereinbarung besteht und die umgekehrte Zahlungen als Gegenleistung für die Verpflichtung der Generikahersteller vorsehen, sich vom Markt fernzuhalten. Außerdem hat die Kommission zwar die Auffassung vertreten, solche Vereinbarungen seien wettbewerbswidrig; für den Originalpräparatehersteller besteht jedoch keinerlei Verpflichtung, in allen Rechtsordnungen des EWR Verfahren anzustrengen, um seine Patente zu schützen, da es beispielsweise immer noch möglich ist, Vergleiche zu schließen, die keinerlei umgekehrte Zahlung enthalten, oder Vergleiche, die, obwohl sie solche Zahlungen vorsehen, mit keinerlei Beschränkung für den Markteintritt der Generika einhergehen (vgl. das Beispiel von Neolab, oben in Rn. 350 angeführt).

413    Das Argument der Klägerinnen, der angefochtene Beschluss belasse ihnen keinerlei Spielraum, um umgekehrte Zahlungen dafür zu benutzen, die Generikahersteller von einer Verletzung ihrer Patente abzuschrecken, beruht schließlich erneut auf der falschen Prämisse, dass die Erzeugnisse der Generikahersteller ihre Patente verletzten, obwohl dies zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen nicht festgestellt worden war.

414    Drittens erläutert die Kommission im angefochtenen Beschluss, dass die umgekehrten Zahlungen im vorliegenden Fall besonders problematisch seien, da die in den streitigen Vereinbarungen vorgesehenen Beträge mehr oder weniger den Gewinnerwartungen der Generikahersteller im Fall eines Markteintritts oder dem Schadensersatz entsprächen, den sie hätten erlangen können, wenn sie im Streitfall gegen Lundbeck obsiegt hätten (oben, Rn. 388). In einem solchen Fall ist nämlich jeglicher Anreiz für die Generikahersteller, in den Markt einzutreten, erheblich verringert, wenn nicht sogar beseitigt. Daher ist es von Belang, dass die Beträge der in jeder einzelnen der streitigen Vereinbarungen vorgesehenen umgekehrten Zahlungen für die Generikahersteller hoch genug waren, um die Beschränkungen ihrer Geschäftsautonomie akzeptieren zu können und die Anreize für den Markteintritt mit ihren Generika zu verringern (vgl. u. a. 644. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

415    Zwar stützt sich die Kommission für den Nachweis, dass im vorliegenden Fall eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung vorlag, auf eine Reihe von Faktoren (siehe oben, Rn. 354 sowie Erwägungsgründe 661 und 662 des angefochtenen Beschlusses). Die Klägerinnen können der Kommission jedoch nicht vorwerfen, dass sie im angefochtenen Beschluss nicht hinreichend klargestellt hätte, welche Bedeutung sie der Tatsache beimaß, dass die umgekehrten Zahlungen den Gewinnerwartungen der Generikahersteller entsprachen. Jedenfalls ist mit der Kommission hervorzuheben, dass diese in ihren Entscheidungen nicht verpflichtet ist, allgemeingültige Rechtsnormen festzulegen, sondern lediglich in jedem Einzelfall zu bestimmen hat, ob die von ihr untersuchten Vereinbarungen mit den wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen des Vertrags vereinbar sind, und die genannten Entscheidungen insoweit hinreichend klar und überzeugend begründen muss. In Anbetracht der vorstehenden Gesichtspunkte ist festzustellen, dass die Kommission diese Anforderungen im vorliegenden Fall erfüllt hat.

416    Folglich ist der dritte Teil und damit der zweite Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

D –  Dritter Klagegrund: Rechtsfehler bei der Anwendung der Grundsätze, die sich auf den wettbewerbsbeschränkenden Zweck beziehen

417    Die Klägerinnen vertreten die Ansicht, der angefochtene Beschluss sei mit einem Rechtsfehler behaftet, da darin der Schluss gezogen werde, dass die streitigen Vereinbarungen nach den feststehenden Grundsätzen für die Auslegung von Art. 101 Abs. 1 AEUV einen wettbewerbswidrigen Zweck hätten. Insbesondere gehe der angefochtene Beschluss erstens dadurch fehl, dass er diese Vereinbarungen den Vereinbarungen gleichstelle, die in der Rechtssache, in der das BIDS-Urteil (oben in Rn. 341 angeführt, EU:C:2008:643) ergangen sei, sowie in anderen klassischen Rechtssachen über Marktaufteilungen, die sich nicht auf den Schutz von Patenten bezögen, in Rede gestanden hätten, zweitens dadurch, dass in ihm die Auffassung vertreten werde, ein Vermögenstransfer allein könne aus einem Patentvergleich eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung machen, drittens dadurch, dass nicht eingeräumt werde, dass das mit den streitigen Vereinbarungen verfolgte Ziel, nämlich die Beachtung der Patente von Lundbeck sicherzustellen, der Feststellung einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung entgegenstehe, und viertens dadurch, dass nicht erkannt werde, dass die Situation, so wie sie sich ohne die streitigen Vereinbarungen dargestellt hätte (im Folgenden: kontrafaktisches Szenario), vorliegend eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung ausschließe.

1.     Erster Teil

418    Die Klägerinnen meinen, die Kommission habe im angefochtenen Beschluss fehlerhaft die streitigen Vereinbarungen solchen über eine Aufteilung der Märkte, wie sie im BIDS-Urteil (oben in Rn. 341 angeführt, EU:C:2008:643) in Rede gestanden hätten, gleichgestellt.

419    In diesem Zusammenhang machen die Klägerinnen erstens geltend, mit den im BIDS-Urteil (oben in Rn. 341 angeführt, EU:C:2008:643) in Rede stehenden Vereinbarungen habe – anders als im vorliegenden Fall – kein Patent geschützt werden sollen, das seinem Inhaber das Recht verleihe, den Markteintritt rechtsverletzender Erzeugnisse und den damit zusammenhängenden irreparablen Schaden zu verhindern.

420    Zweitens wären die Unternehmen, die sich aufgrund der Vereinbarungen in der Rechtssache, in der das BIDS-Urteil (oben in Rn. 341 angeführt, EU:C:2008:643) ergangen sei, vom relevanten Markt zurückgezogen hätten, anders als im vorliegenden Fall zweifellos mit den auf diesem Markt verbleibenden Unternehmen in Wettbewerb getreten, wenn die genannten Vereinbarungen nicht geschlossen worden wären.

421    Drittens habe für die im BIDS-Urteil (oben in Rn. 341 angeführt, EU:C:2008:643) in Rede stehenden Vereinbarungen anders als im vorliegenden Fall die Vermutung gegolten, dass sie auch ohne Zahlung den Wettbewerb beschränkten. Die Tatsache, dass es in jener Rechtssache Ausgleichszahlungen gegeben habe, sei für die Feststellung, dass diese Vereinbarungen eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckten, nicht ausschlaggebend gewesen.

422    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

423    Erstens ist darauf hinzuweisen, dass die Analogie, die die Kommission in den Erwägungsgründen 657 und 658 des angefochtenen Beschlusses zwischen den Vereinbarungen, um die es in der Rechtssache ging, in der das BIDS-Urteil (oben in Rn. 341 angeführt, EU:C:2008:643) ergangen ist, und den streitigen Vereinbarungen gezogen hat, frei von Rechtsfehlern ist.

424    Wie sich u. a. aus Rn. 8 des genannten Urteils ergibt, hatten die auf dem irischen Markt für die Verarbeitung von Rindfleisch tätigen Unternehmen in jener Rechtssache nämlich einen Mechanismus geschaffen, in dessen Rahmen sich bestimmte Unternehmen verpflichtet hatten, diesem Markt im Gegenzug für Zahlungen seitens der auf dem genannten Markt verbleibenden Unternehmen zwei Jahre lang fernzubleiben. Eine ähnliche Dynamik ergab sich im vorliegenden Fall durch den Abschluss der streitigen Vereinbarungen, aufgrund deren Lundbeck, bei der es sich um das wichtigste, wenn nicht sogar einzige Unternehmen handelte, das auf dem Markt in den von diesen Vereinbarungen betroffenen Ländern tätig war, die Generikahersteller, die potenzielle Wettbewerber waren, dafür bezahlte, dass sie dem Markt für einen bestimmten Zeitraum fernbleiben.

425    Daraus folgt, dass es sowohl in der Rechtssache, in der das BIDS-Urteil (oben in Rn. 341 angeführt, EU:C:2008:643) ergangen ist, als auch in der vorliegenden Rechtssache um Vereinbarungen ging, die eine Beschränkung der Möglichkeit in Wettbewerb stehender Wirtschaftsteilnehmer beinhalteten, autonom zu bestimmen, welche Politik sie auf dem Markt zu betreiben gedachten, wodurch verhindert wurde, dass der Wettbewerbsprozess seinen normalen Gang gehen konnte (vgl. in diesem Sinne BIDS-Urteil, oben in Rn. 341 angeführt, EU:C:2008:643, Rn. 33 bis 35).

426    Was das Argument der Klägerinnen angeht, die im vorliegenden Fall streitigen Vereinbarungen seien – anders als in der Rechtssache, in der das BIDS-Urteil (oben in Rn. 341 angeführt, EU:C:2008:643) ergangen ist – in einem Kontext geschlossen worden, in dem sie Patente besessen hätten, mit denen sie den Markteintritt rechtsverletzender Erzeugnisse hätten verhindern können, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das Bestehen der neuen Verfahrenspatente von Lundbeck der Einstufung der Generikahersteller als deren potenzielle Wettbewerber nicht entgegenstand, wie sich aus der Prüfung des ersten Klagegrundes ergibt. Art. 101 AEUV schützt den potenziellen und den tatsächlichen Wettbewerb gleichermaßen (siehe oben, Rn. 99).

427    Außerdem ist eine Vereinbarung nach der Rechtsprechung nicht allein deshalb dem Wettbewerbsrecht entzogen, weil sie sich auf ein Patent bezieht oder darauf abzielt, einen Patentstreit einvernehmlich beizulegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. September 1988, Bayer und Maschinenfabrik Hennecke, 65/86, EU:C:1988:448, Rn. 15). Darüber hinaus kann bei einer Vereinbarung auch dann ein wettbewerbsbeschränkender Zweck angenommen werden, wenn sie nicht ausschließlich auf eine Beschränkung des Wettbewerbs abzielt, sondern auch andere, zulässige Zwecke verfolgt (vgl. BIDS-Urteil, oben in Rn. 341 angeführt, EU:C:2008:643, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

428    Zweitens waren die in Rede stehenden Unternehmen in der Rechtssache, in der das BIDS-Urteil (oben in Rn. 341 angeführt, EU:C:2008:643) ergangen ist, zwar tatsächliche Wettbewerber, da es darum ging, Unternehmen zum Austritt aus dem betreffenden Markt zu veranlassen, die dort bereits tätig waren, während Lundbeck und die Generikahersteller im vorliegenden Fall nur potenzielle Wettbewerber waren; der Gerichtshof hat von der Kommission in jenem Urteil gleichwohl nicht verlangt, darzutun, dass die Unternehmen ohne die Vereinbarungen auf dem Markt verblieben wären. Bei einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung ist eine Analyse der Auswirkungen der Vereinbarungen nämlich überflüssig (siehe oben, Rn. 341). Der Gerichtshof hat in jener Rechtssache somit lediglich festgestellt, dass die in Rede stehenden Vereinbarungen darauf abzielten, eine gemeinsame Politik durchzuführen, die bezweckte, den Marktaustritt einiger Unternehmen zu fördern und in der Folge die Überkapazitäten zu verringern, die ihre Rentabilität beeinträchtigten und sie daran hinderten, Skalenerträge zu realisieren. Er hat daher festgestellt, dass diese Art der Vereinbarungen offenkundig nicht mit dem Grundgedanken der Wettbewerbsvorschriften des Vertrags zusammenpasst, wonach jeder Wirtschaftsteilnehmer autonom zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Markt zu betreiben gedenkt, und darauf hingewiesen, dass Art. 101 Abs. 1 AEUV jede Art der Koordination verbietet, die eine praktische Zusammenarbeit zwischen Unternehmen an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lässt (BIDS-Urteil, oben in Rn. 341 angeführt, EU:C:2008:643, Rn. 33 und 34).

429    Im vorliegenden Fall haben es die Parteien der streitigen Vereinbarungen vorgezogen, an die Stelle der mit dem normalen Wettbewerbsverlauf verbundenen Risiken und des Zustands der Unsicherheit hinsichtlich der Gültigkeit der Verfahrenspatente von Lundbeck und der Frage, ob die Erzeugnisse, die die Generikahersteller zu vermarkten beabsichtigten, diese Patente verletzten oder nicht, die Gewissheit zu setzen, dass die Generikahersteller während der Laufzeit der genannten Vereinbarungen nicht in den Markt eintreten würden, indem sie umgekehrte Zahlungen in nicht unerheblicher Höhe vereinbarten, die in etwa den Gewinnen entsprachen, die die Generikahersteller erzielt hätten, wenn sie in den Markt eingetreten wären. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Generikahersteller während der Laufzeit der streitigen Vereinbarungen mit Sicherheit in den Markt eingetreten wären, da die besagten Vereinbarungen diese Möglichkeit gerade ausgeschaltet und durch die Gewissheit ersetzt haben, dass sie mit ihren Erzeugnissen während des erwähnten Zeitraums dort nicht eintreten würden. Auf diese Weise konnten sich die Parteien der streitigen Vereinbarungen einen Teil des Gewinns teilen, den Lundbeck zum Nachteil der Verbraucher, die weiter höhere Preise zahlten, als sie im Fall eines Markteintritts der Generika gezahlt hätten, weiterhin erzielte (vgl. Erwägungsgründe 644 bis 646 des angefochtenen Beschlusses).

430    Drittens ist auch das Argument der Klägerinnen zurückzuweisen, die Vereinbarungen, die in der Rechtssache in Rede standen, in der das BIDS-Urteil (oben in Rn. 341 angeführt, EU:C:2008:643) ergangen ist, wären im Gegensatz zu den streitigen Vereinbarungen selbst dann wettbewerbswidrig gewesen, wenn aufgrund dieser Vereinbarungen keine Zahlungen getätigt worden wären. Mit der Kommission ist nämlich festzustellen, dass die Zahlungen in diesen beiden Rechtssachen eine entscheidende Rolle gespielt haben, da sie die Unternehmen dazu bewogen haben, sich vom Markt zurückzuziehen. So wären die austretenden Unternehmen in der Rechtssache, in der das BIDS-Urteil (oben in Rn. 341 angeführt, EU:C:2008:643) ergangen ist, vermutlich kaum damit einverstanden gewesen, sich ohne die von den verbleibenden Unternehmen geleisteten Zahlungen vom Markt zurückzuziehen. Auch im vorliegenden Fall geht aus den Akten hervor, dass sich die Generikahersteller ohne umgekehrte Zahlungen nicht von sich aus damit einverstanden erklärt hätten, dem Markt fernzubleiben, nachdem sie bereits erhebliche Anstrengungen unternommen und beträchtliche Investitionen getätigt hatten.

431    Die Kommission räumt zwar ein, dass der Abschluss eines Patentvergleichs in bestimmten Fällen nicht wettbewerbswidrig ist, insbesondere dann nicht, wenn dieser Vergleich auf der Beurteilung der Stärke der Patente durch jede einzelne Partei der Vereinbarung beruht oder wenn er eine umgekehrte Zahlung vorsieht, ohne den Markteintritt der Generika zu verzögern (Erwägungsgründe 638 und 639 des angefochtenen Beschlusses). Im vorliegenden Fall vertritt die Kommission jedoch zu Recht die Auffassung, die umgekehrten Zahlungen hätten eine entscheidende Rolle gespielt, da sie es Lundbeck ermöglicht hätten, von Seiten der Generikahersteller Verpflichtungen zu erwirken, die sie ohne diese Zahlungen nicht hätte erwirken können, wodurch der Markteintritt der genannten Hersteller verzögert worden sei.

432    In Beantwortung einer Frage des Gerichts nach den Auswirkungen des Urteils CB/Kommission (oben in Rn. 78 angeführt, EU:C:2014:2204) haben die Klägerinnen geltend gemacht, dieses Urteil bestätige ihren Standpunkt, dass die Kommission die streitigen Vereinbarungen fälschlicherweise als bezweckte Beschränkung eingestuft habe. Erstens habe der Gerichtshof nämlich darauf hingewiesen, dass der Begriff der bezweckten Beschränkung eng auszulegen sei. Zweitens könne das Vorliegen einer bezweckten Beschränkung nur festgestellt werden, wenn die Vereinbarung als solche einen hinreichenden Schädlichkeitsgrad aufweise. Aus dem angefochtenen Beschluss ergebe sich jedoch, dass die Frage, ob ein Vergleich als mit dem Wettbewerbsrecht in Einklang stehend angesehen werden könne oder nicht, unter Berücksichtigung des tatsächlichen, wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts für jede einzelne Vereinbarung umfassend geprüft werden müsse. Auch gehe aus einem internen Vermerk des KFST hervor, dass die Kommission nicht die Auffassung vertreten habe, der Umfang der Zahlungen stelle im Fall von Lundbeck ein eindeutiges Beispiel für ein Unternehmen dar, das seine Wettbewerber bezahle, damit sie dem Markt fernblieben. Die Kommission versuche mit ihrem Ansatz daher in Wirklichkeit, sich der Analyse des Sachverhalts und der Beweislast zu entziehen, die ihr hinsichtlich der Feststellung einer auf den Auswirkungen einer Vereinbarung beruhenden Wettbewerbsbeschränkung obliege. Drittens könne der Kontext, in dem die streitigen Vereinbarungen geschlossen worden seien, nämlich u. a. das Bestehen gültiger Verfahrenspatente, die begrenzte Laufzeit der Vereinbarungen, der spezifische Rechtsrahmen im EWR und das Fehlen nicht rechtsverletzender, innerhalb relativ kurzer Zeit verfügbarer Erzeugnisse, nicht außer Acht gelassen werden. Viertens sei die erworbene Erfahrung für die Feststellung wichtig, ob ein Verhalten eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecke. Unter diesem Begriff sei die Erfahrung zu verstehen, so wie sie traditionell in der von den Wettbewerbsbehörden bestätigten und gegebenenfalls durch die Rechtsprechung untermauerten wirtschaftlichen Analyse aufgefasst werde. Im vorliegenden Fall bestehe jedoch keinerlei Erfahrung dieser Art.

433    Die Kommission hat ihrerseits erläutert, die ständige Rechtsprechung auf diesem Gebiet, auf die der Gerichtshof in seinem Urteil CB/Kommission (oben in Rn. 78 angeführt, EU:C:2014:2204) hingewiesen habe, angewandt zu haben.

434    Es ist festzustellen, dass der Gerichtshof mit dem Urteil CB/Kommission (oben in Rn. 78 angeführt, EU:C:2014:2204) die den Begriff der bezweckten Beschränkung betreffenden Grundprinzipien, die sich aus der früheren Rechtsprechung ergeben, nicht in Frage gestellt hat. In seinem Urteil hat der Gerichtshof zwar die vom Gericht im Urteil vom 29. November 2012, CB/Kommission (T‑491/07, EU:T:2012:633), vorgenommene Analyse verworfen, dass der Begriff der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung nicht eng auszulegen sei. Da andernfalls, so der Gerichtshof, die Kommission von der Verpflichtung entbunden würde, die konkreten Auswirkungen von Vereinbarungen auf den Markt zu beweisen, bei denen keineswegs feststeht, dass sie schon ihrer Natur nach schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs sind, kann der Begriff der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung nur auf bestimmte Arten von Koordinierung zwischen Unternehmen angewandt werden, die den Wettbewerb hinreichend beeinträchtigen, damit davon ausgegangen werden kann, dass die Prüfung ihrer Auswirkungen nicht notwendig ist (Urteil CB/Kommission, oben in Rn. 78 angeführt, EU:C:2014:2204, Rn. 58).

435    Aus der Gesamtsystematik des angefochtenen Beschlusses, insbesondere seinen Erwägungsgründen 802 und 1338, geht hervor, dass die streitigen Vereinbarungen Marktausschlussvereinbarungen ähnelten, die zu den schwerwiegendsten Wettbewerbsbeschränkungen gehören. Der Marktausschluss von Wettbewerbern stellt nämlich eine extreme Form der Marktaufteilung und der Produktionsbeschränkung dar. Die Klägerinnen können der Kommission nicht vorwerfen, dass sie die Existenz ihrer Verfahrenspatente oder des im EWR geltenden spezifischen Rechtsrahmens vorliegend nicht als relevante Kontextelemente berücksichtigt habe. Aus den Erwägungsgründen 666 bis 671 des angefochtenen Beschlusses geht nämlich hervor, dass die Kommission die Verfahrenspatente der Klägerinnen berücksichtigt hat, aber der Ansicht war, mit ihnen lasse sich, selbst wenn sie als gültig angesehen werden sollten, nicht jeglicher Wettbewerb mit dem API Citalopram ausschließen. Auch hat die Kommission dem Umstand Rechnung getragen, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen eine Unsicherheit hinsichtlich der Frage der Gültigkeit der Patente der Klägerinnen, insbesondere des Patents für Kristallisation, bestand und sich noch kein Gericht innerhalb des EWR zu dieser Frage geäußert hatte.

436    Folglich ist davon auszugehen, dass die Kommission die oben in den Rn. 338 bis 344 angeführte Rechtsprechung, wonach festzustellen ist, ob eine Vereinbarung schon ihrer Natur nach so angesehen werden kann, dass sie den Wettbewerb hinreichend schwerwiegend beschränkt, um im vorliegenden Fall als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft werden zu können, zutreffend angewandt hat (vgl. u. a. 651. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

437    Daher war die Kommission, um das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV feststellen zu können, nicht verpflichtet, darüber hinaus die konkreten Auswirkungen der streitigen Vereinbarungen auf den Wettbewerb und insbesondere die Frage zu untersuchen, ob die Generikahersteller ohne diese Vereinbarungen in den Markt eingetreten wären, ohne eines der Patente von Lundbeck zu verletzen, da sie insoweit über tatsächliche und konkrete Möglichkeiten verfügten und zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen potenzielle Wettbewerber von Lundbeck waren (siehe oben, erster Klagegrund).

438    Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen ist es außerdem nicht erforderlich, dass Vereinbarungen gleicher Art von der Kommission bereits geahndet worden sind, um sie als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung ansehen zu können. Die vom Gerichtshof in Rn. 51 des Urteils CB/Kommission (oben in Rn. 78 angeführt, EU:C:2014:2204) erwähnte Rolle der Erfahrung bezieht sich nicht auf die spezifische Kategorie einer Vereinbarung in einem bestimmten Sektor, sondern verweist darauf, dass feststeht, dass bestimmte Formen der Kollusion in der Regel und erfahrungsgemäß derart geeignet sind, negative Auswirkungen auf den Wettbewerb zu haben, dass in dem betreffenden Einzelfall nicht nachgewiesen zu werden braucht, dass sie solche Auswirkungen haben. Der Umstand, dass die Kommission Vereinbarungen eines bestimmten Typs bisher nicht als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen angesehen hat, ist als solcher somit kein Hinderungsgrund, dies künftig aufgrund einer eingehenden Einzelprüfung der streitigen Maßnahmen im Hinblick auf ihren Inhalt, Zweck und Kontext zu tun (vgl. in diesem Sinne Urteil CB/Kommission, oben in Rn. 78 angeführt, EU:C:2014:2204, Rn. 51; Schlussanträge von Generalanwalt Wahl in der Rechtssache CB/Kommission, C‑67/13 P, EU:C:2014:1958, Nr. 142, und von Generalanwalt Wathelet in der Rechtssache Toshiba Corporation/Kommission, C‑373/14 P, EU:C:2015:427, Nr. 74).

439    Somit machen die Klägerinnen zu Unrecht geltend, die Kommission habe nicht hinreichend nachgewiesen, dass die streitigen Vereinbarungen ihrem Inhalt und ihren Zielen nach sowie in ihrem wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang gesehen als hinreichend schädlich für den Wettbewerb hätten angesehen werden können (siehe oben, Rn. 343).

440    Der erste Teil ist daher zurückzuweisen.

2.     Zweiter Teil

441    Die Klägerinnen vertreten die Auffassung, die Kommission sei im angefochtenen Beschluss rechtsfehlerhaft zu dem Schluss gelangt, dass ein Vermögenstransfer als solcher genüge, um aus einem Patentvergleich eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung zu machen.

442    Im angefochtenen Beschluss werde festgestellt, dass die „von Patentinhabern zur Verteidigung ihrer Rechte eingesetzten Mittel … von Belang“ seien (641. Erwägungsgrund), was bedeute, dass die „Mittel“ für sich allein einer Vereinbarung einen wettbewerbswidrigen Zweck verleihen könnten. In der bisherigen Rechtsprechung gebe es jedoch keinen Hinweis darauf, dass ein äußerer Anreiz, sei es in Form wirtschaftlicher Vorteile oder eines physischen oder psychologischen Drucks, für sich allein zur Wettbewerbswidrigkeit einer ansonsten zulässigen Vereinbarung führen könne. Zudem könne ein äußerer Anreiz zwar keine Rechtfertigung für eine im Übrigen wettbewerbswidrige Vereinbarung sein, er könne eine sonst zulässige Vereinbarung aber auch nicht wettbewerbswidrig machen. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätige schließlich, dass der wettbewerbswidrige Zweck einer Vereinbarung unabhängig von jeglicher Erwägung zu den finanziellen Anreizen für die Parteien festzustellen sei. Der angefochtene Beschluss gehe somit insofern fehl, als darin der Zahlung eine entscheidende Bedeutung beigemessen worden sei, obwohl diese wettbewerbsrechtlich neutral sei.

443    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

444    Soweit die Klägerinnen mit dem vorliegenden Teil die von der Kommission im angefochtenen Beschluss vorgenommene Beurteilung der umgekehrten Zahlungen in Frage stellen wollen, ist auf die dieser Frage gewidmeten Ausführungen im Rahmen des zweiten Klagegrundes zu verweisen (siehe oben, Rn. 345 bis 416).

445    Dem ist hinzuzufügen, dass die von den Klägerinnen angeführte Rechtsprechung, wonach die Frage, ob der Abschluss einer Vereinbarung im wirtschaftlichen Interesse der Parteien dieser Vereinbarung lag, für das Vorliegen der Zuwiderhandlung unerheblich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Januar 2007, Sumitomo Metal Industries und Nippon Steel/Kommission, C‑403/04 P und C‑405/04 P, EU:C:2007:52, Rn. 44 und 45 sowie die dort angeführte Rechtsprechung), lediglich bedeutet, dass die Parteien einer Vereinbarung nicht geltend machen können, diese Vereinbarung stelle die rentabelste Lösung dar, um nicht unter das in Art. 101 AEUV aufgestellte Verbot zu fallen (siehe oben, Rn. 380). Sie hindert die Kommission jedoch nicht daran, den Inhalt einer Vereinbarung sowie deren Zweck und den Kontext zu berücksichtigen, in dem sie geschlossen worden ist – wie im vorliegenden Fall das Vorhandensein umgekehrter Zahlungen in nicht unerheblicher Höhe –, um nachzuweisen, dass eine bezweckte Beschränkung vorliegt.

446    Folglich ist auch der zweite Teil zurückzuweisen.

3.     Dritter Teil

447    Die Klägerinnen tragen vor, der angefochtene Beschluss sei mit einem Rechtsfehler behaftet, erstens, weil in ihm nicht eingeräumt werde, dass die streitigen Vereinbarungen zur Verwirklichung eines legitimen Ziels, nämlich des Schutzes und der Durchsetzung eines Patents, erforderlich seien, und zweitens, weil die Rechtsprechung zu „anderen legitimen Zielen“ auf den vorliegenden Fall falsch angewandt worden sei.

448    Die Klägerinnen führen eine ständige Rechtsprechung der Unionsgerichte an, wonach eine Beschränkung der Handlungsfreiheit der Parteien den Wettbewerb nicht automatisch einschränke, insbesondere dann nicht, wenn diese Beschränkung zur Verfolgung eines wettbewerbsrechtlich neutralen oder den Wettbewerb fördernden Hauptziels erforderlich sei. Der Schutz der vom Inhaber eines Rechts des geistigen Eigentums getätigten Investitionen könne ein solches legitimes Ziel darstellen.

449    Im vorliegenden Fall hätten die streitigen Vereinbarungen das legitime Ziel des Schutzes und der Durchsetzung der Verfahrenspatente von Lundbeck und damit des Schutzes der Investitionen von Lundbeck verfolgt, indem sie den irreparablen Schaden verhindert hätten, der durch die Markteinführung generischer Arzneimittel verursacht worden wäre. Außerdem hätten sie den Generikaherstellern die notwendige Zeit gegeben, um festzustellen, ob die Patente von Lundbeck verletzt worden seien, ohne dass sie dafür Kosten oder andere Belastungen hätten tragen müssen oder ohne den mit einem Rechtsstreit verbundenen Zeitaufwand in Kauf nehmen zu müssen. Darüber hinaus seien die Tragweite und die Laufzeit der streitigen Vereinbarungen verhältnismäßig, da diese das ausschließliche Ziel verfolgten, die Generikahersteller an der Vermarktung von Citalopram zu hindern, das die Patente von Lundbeck verletze, und ihre Laufzeit letztlich mit dem Ausgang des Lagap-Rechtsstreits im Vereinigten Königreich zusammengehangen habe, in dessen Rahmen die zugrunde liegenden Streitfragen hätten erörtert werden können und sich hätte feststellen lassen, ob Lundbeck nach wie vor gewillt gewesen sei, ihre Verfahrenspatente durchzusetzen.

450    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

451    Nach der Rechtsprechung fällt dann, wenn eine bestimmte Maßnahme oder Tätigkeit wegen ihrer Neutralität oder ihrer positiven Wirkung auf den Wettbewerb nicht von dem grundsätzlichen Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV erfasst wird, auch eine Beschränkung der geschäftlichen Selbständigkeit eines oder mehrerer an dieser Maßnahme oder Tätigkeit Beteiligten nicht unter dieses grundsätzliche Verbot, wenn sie für die Durchführung dieser Maßnahme oder Tätigkeit objektiv notwendig ist und zu den Zielen der einen oder der anderen in einem angemessenen Verhältnis steht (vgl. Urteil vom 11. September 2014, MasterCard u. a./Kommission, C‑382/12 P, EU:C:2014:2201, Rn. 89 und die dort angeführte Rechtsprechung).

452    Wenn nämlich eine solche Beschränkung nicht von der Hauptmaßnahme oder Haupttätigkeit unterschieden werden kann, ohne deren Bestehen oder Ziele zu gefährden, muss die Vereinbarkeit dieser Beschränkung zusammen mit der Vereinbarkeit der Hauptmaßnahme oder Haupttätigkeit, zu der sie eine Nebenabrede bildet, mit Art. 101 AEUV untersucht werden, und dies auch dann, wenn die Beschränkung als solche auf den ersten Blick unter das grundsätzliche Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV zu fallen scheint (Urteil MasterCard u. a./Kommission, oben in Rn. 451 angeführt, EU:C:2014:2201, Rn. 90).

453    Bei der Prüfung, ob eine wettbewerbswidrige Beschränkung nicht vom Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV erfasst wird, weil sie eine Nebenabrede zu einer Hauptmaßnahme bildet, die keinen wettbewerbswidrigen Charakter hat, muss ermittelt werden, ob die Durchführung dieser Maßnahme ohne die fragliche Beschränkung unmöglich wäre. Der Umstand, dass die Maßnahme ohne die Beschränkung nur schwerer durchführbar oder weniger rentabel wäre, verleiht dieser Beschränkung nicht den für ihre Qualifizierung als Nebenabrede erforderlichen Charakter einer „objektiv notwendigen“ Beschränkung. Diese Auslegung würde nämlich darauf hinauslaufen, diesen Begriff auf Beschränkungen auszudehnen, die für die Durchführung der Hauptmaßnahme nicht strikt unerlässlich sind. Dieses Ergebnis würde die praktische Wirksamkeit des in Art. 101 Abs. 1 AEUV ausgesprochenen Verbots beeinträchtigen (Urteil MasterCard u. a./Kommission, oben in Rn. 451 angeführt, EU:C:2014:2201, Rn. 91).

454    Die Voraussetzung der notwendigen Einschränkung erfordert somit eine doppelte Prüfung. Zum einen ist zu untersuchen, ob die Einschränkung für die Durchführung der Hauptmaßnahme objektiv notwendig ist, und zum anderen, ob sie im rechten Verhältnis zu ihr steht (vgl. Urteil E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, oben in Rn. 98 angeführt, EU:T:2012:332, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

455    Da es eine „rule of reason“ im Wettbewerbsrecht der Union nicht gibt, kann das Kriterium der objektiven Notwendigkeit im Rahmen der Einstufung bestimmter Vereinbarungen als Nebenabreden nicht dahin ausgelegt werden, dass es eine Abwägung der wettbewerbsfördernden und wettbewerbswidrigen Auswirkungen einer Vereinbarung voraussetzte (vgl. in diesem Sinne Urteil E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, oben in Rn. 98 angeführt, EU:T:2012:332, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

456    Im vorliegenden Fall tragen die Klägerinnen vor, die Beschränkungen der geschäftlichen Selbständigkeit der Generikahersteller seien der Verwirklichung eines Hauptziels, nämlich des Schutzes ihrer Rechte des geistigen Eigentums, untergeordnet.

457    Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden.

458    Erstens haben die Klägerinnen nämlich nicht dargetan, dass die in den streitigen Vereinbarungen vereinbarten Beschränkungen objektiv notwendig waren, um ihre Rechte des geistigen Eigentums im Sinne der vorerwähnten Rechtsprechung zu schützen. Zum einen hätten sie diese Rechte schützen können, indem sie im Fall einer Verletzung ihrer Patente Klage vor den zuständigen nationalen Gerichten erhoben hätten. Zum anderen gab es, wie die Kommission in den Erwägungsgründen 638 ff. des angefochtenen Beschlusses ausführt, zahlreiche Arten der gütlichen Beilegung eines Patentstreits, ohne Beschränkungen für den Markteintritt der Generika mittels umgekehrter Zahlungen zu vereinbaren, die in etwa den Gewinnerwartungen der Generikahersteller im Fall eines Markteintritts entsprachen (siehe oben, Rn. 334 und 411). Die Klägerinnen haben daher nicht nachgewiesen, dass diese Beschränkungen für die Verwirklichung des behaupteten Ziels, nämlich die Wahrung ihrer Rechte des geistigen Eigentums sicherzustellen, objektiv notwendig waren.

459    Zweitens ist eine Vereinbarung nach der Rechtsprechung nicht allein deshalb dem Wettbewerbsrecht entzogen, weil sie sich auf ein Patent bezieht oder darauf abzielt, einen Patentstreit einvernehmlich beizulegen, und ein wettbewerbsbeschränkender Zweck kann auch dann angenommen werden, wenn sie nicht ausschließlich auf eine Beschränkung des Wettbewerbs abzielt, sondern auch andere, zulässige Zwecke verfolgt (siehe oben, Rn. 427 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Tatsache, dass es sich aus geschäftlicher Sicht möglicherweise um die rentabelste oder risikoärmste Lösung gehandelt hat, schließt die Anwendung von Art. 101 AEUV in keiner Weise aus (siehe oben, Rn. 380).

460    Drittens gilt jedenfalls, dass die in den streitigen Vereinbarungen vereinbarten Beschränkungen, selbst wenn sie als für das von den Klägerinnen angeführte Hauptziel, die Beachtung ihrer Rechte des geistigen Eigentums sicherzustellen, objektiv notwendig angesehen werden könnten, im Hinblick auf die Erreichung dieses Ziels gleichwohl unverhältnismäßig sind. Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen wurde mit den streitigen Vereinbarungen nämlich kein Patentstreit beigelegt, da in ihnen lediglich vereinbart wurde, dass die Generikahersteller gegen Bezahlung für einen bestimmten Zeitraum vom Markt für Citalopram fernbleiben würden, wobei nicht einmal vorgesehen war, dass sie nach Ablauf dieses Zeitraums in diesen Markt eintreten könnten, ohne sich mit Verletzungsklagen seitens Lundbeck auseinandersetzen zu müssen. Außerdem ging der Umfang der in den genannten Vereinbarungen enthaltenen Beschränkungen oftmals über den Schutzbereich der Patente von Lundbeck hinaus (siehe unten, sechster Klagegrund). Schließlich machen die Klägerinnen zu Unrecht geltend, die Lagap-Rechtssache im Vereinigten Königreich habe als Schlüsselrechtssache für eine Beilegung der Streitigkeiten mit den Generikaherstellern gedient, denn die GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich, die Arrow-UK-Vereinbarung, die dänische Arrow-Vereinbarung, die Alpharma-Vereinbarung und die Ranbaxy-Vereinbarung, wie die Kommission in den Erwägungsgründen 683 ff. des angefochtenen Beschlusses geltend macht, waren allesamt geschlossen worden, bevor Lundbeck am 14. Oktober 2002 im Vereinigten Königreich eine Verletzungsklage gegen Lagap erhob. Für die einzige später geschlossene Vereinbarung, nämlich die GUK-Vereinbarung für den EWR, war der Rechtsstreit mit Lagap nicht wirklich relevant, da sich der im Lagap-Verfahren in Rede stehende API, der auf dem Matrix‑II-Verfahren beruhte, vom API von Natco unterschied, aus dem das generische Citalopram hergestellt wurde, das Merck (GUK) zu vermarkten beabsichtigte (687. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

461    Die Klägerinnen tragen somit zu Unrecht vor, die in den streitigen Vereinbarungen vereinbarten Beschränkungen seien objektiv notwendig und verhältnismäßig, um ihre Rechte des geistigen Eigentums zu schützen.

462    Als Zweites vertreten die Klägerinnen die Auffassung, die Kommission habe die Rechtsprechung zu anderen legitimen Zielen im angefochtenen Beschluss auf den vorliegenden Fall falsch angewandt. Darin erkläre sie nämlich, dass die Tatsache, dass eine Vereinbarung auch andere, vollkommen legitime Ziele verfolgen könne, der Möglichkeit, das Vorliegen einer bezweckten Beschränkung festzustellen, nicht entgegenstehe. Die von der Kommission zur Stützung dieses Vorbringens angeführten Urteile beträfen gleichwohl Sachverhalte, in denen das legitime Ziel auch hätte verwirklicht werden können, ohne den Wettbewerb einzuschränken, während die streitigen Vereinbarungen im vorliegenden Fall notwendig seien, um die Beachtung der Patente von Lundbeck sicherzustellen.

463    Die Streithelferin unterstützt das Vorbringen der Klägerinnen und vertritt ebenfalls die Auffassung, die Kommission habe von dem rechtlichen Kriterium, das sich auf die Anwendung von Art. 101 Abs. 1 AEUV beziehe, falschen Gebrauch gemacht. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs beruhe auf einem Kriterium der „objektiven Notwendigkeit“, um festzustellen, ob Art. 101 AEUV Anwendung finde oder nicht. Folglich hätte die Kommission untersuchen müssen, ob eine einvernehmliche Regelung gutgläubig geschlossen worden sei, um einen tatsächlichen Patentstreit beizulegen, und ob die vereinbarten Beschränkungen notwendig gewesen seien und in einem angemessenen Verhältnis zu diesem legitimen Ziel gestanden hätten.

464    Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen und der Streithelferin ist hierzu festzustellen, dass die Kommission rechtsfehlerfrei im vorliegenden Fall die Rechtsprechung zu anderen legitimen Zielen angewandt (siehe oben, Rn. 427 und die dort angeführte Rechtsprechung) und das Vorbringen der Klägerinnen dazu im 653. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zurückgewiesen hat, da auch dieses Vorbringen auf der falschen Prämisse beruht, dass das von den Klägerinnen behauptete legitime Ziel, ihre Rechte des geistigen Eigentums zu schützen, nicht hätte verwirklicht werden können, ohne den Wettbewerb einzuschränken (siehe oben, Rn. 458 bis 461).

465    Damit ist der dritte Teil zurückzuweisen.

4.     Vierter Teil

466    Die Klägerinnen vertreten die Ansicht, der angefochtene Beschluss sei mit einem Rechtsfehler behaftet, da in ihm nicht anerkannt worden sei, dass das kontrafaktische Szenario im vorliegenden Fall die Möglichkeit ausschließe, eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung festzustellen.

467    Im angefochtenen Beschluss werde außer Acht gelassen, dass die Generikahersteller auch ohne die streitigen Vereinbarungen kein nicht rechtsverletzendes Citalopram verkauft hätten. Aus einer ständigen Rechtsprechung ergebe sich, dass die Frage, ob eine Vereinbarung eine Einschränkung des Wettbewerbs bezwecke oder bewirke, anhand des allgemeinen Kriteriums zu prüfen sei, wie der Wettbewerb auf dem betrachteten Markt ohne die fragliche Vereinbarung verlaufen wäre. Der geringste Zweifel hinsichtlich der Tatsache, dass es auch ohne eine Vereinbarung Wettbewerb gegeben hätte, genüge somit, um eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV auszuschließen. Außerdem sei die Beseitigung einer Unsicherheit jeder einvernehmlichen Regelung inhärent; im angefochtenen Beschluss werde anerkannt, dass einvernehmliche Regelungen, mit denen ein Markteintritt verzögert werde, in bestimmten Fällen möglicherweise nicht gegen Art. 101 AEUV verstießen.

468    Die realistischen Perspektiven, während des von den streitigen Vereinbarungen erfassten Zeitraums in einen oder mehrere Märkte des EWR einzutreten, von denen im angefochtenen Beschluss die Rede sei, entbehrten einer Grundlage und seien jedenfalls lediglich Perspektiven, was zumindest bedeute, dass nicht sicher sei, ob die Generikahersteller ohne diese Vereinbarungen nicht rechtsverletzendes Citalopram verkauft hätten. Die Generikahersteller verfügten nämlich über keine Zulassung und hätten sich – selbst wenn unterstellt werde, dass sie ihre rechtsverletzenden Generika in den Markt hätten einführen können –von den Klägerinnen beantragten Anordnungen ausgesetzt gesehen. Außerdem hätten diese Hersteller dafür optieren können, dem Markt fernzubleiben oder ihn zu verlassen, um einem Rechtsstreit mit Lundbeck aus dem Weg zu gehen. Im Übrigen hätten mehrere Generikahersteller die Vorbereitungen für ihren Markteintritt aktiv vorangetrieben, u. a. dadurch, dass sie weiter nach nicht rechtsverletzendem Citalopram geforscht hätten, und auch die streitigen Vereinbarungen hätten sie nicht daran gehindert, die Gültigkeit der Patente von Lundbeck anzufechten.

469    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

470    Soweit die Klägerinnen mit ihrem Vorbringen erstens offenbar die Schlussfolgerung in Frage stellen wollen, dass die Generikahersteller zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen potenzielle Wettbewerber von Lundbeck gewesen seien, und dieses Vorbringen bereits oben im Rahmen des ersten Klagegrundes zurückgewiesen worden ist, ist auf diese Ausführungen zu verweisen.

471    Ferner ist erneut darauf hinzuweisen, dass mit Art. 101 AEUV neben dem potenziellen Wettbewerb auch der tatsächliche Wettbewerb, den sich Unternehmen auf dem Markt liefern, geschützt werden soll (siehe oben, Rn. 99). Somit machen die Klägerinnen wiederum ohne Erfolg geltend, es sei nicht sicher gewesen, ob die Unternehmen während der Laufzeit der streitigen Vereinbarungen auch tatsächlich in den Markt eingetreten wären, da mit einer solchen Argumentation der Unterschied zwischen tatsächlichem und potenziellem Wettbewerb verkannt wird.

472    Soweit die Klägerinnen zweitens geltend machen, die Kommission hätte im vorliegenden Fall das kontrafaktische Szenario prüfen müssen, ist, wie bereits dargelegt, zu beachten, dass die Kommission bei bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen lediglich nachzuweisen brauchte, dass die streitigen Vereinbarungen unter Berücksichtigung des Inhalts ihrer Bestimmungen, der mit ihnen verfolgten Ziele sowie des wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhangs, in dem sie standen, hinreichend wettbewerbsschädlich waren, ohne jedoch verpflichtet zu sein, die Auswirkungen dieser Vereinbarungen zu prüfen (siehe oben, Rn. 341).

473    Die Prüfung eines hypothetischen kontrafaktischen Szenarios – abgesehen davon, dass sie schwer durchzuführen wäre, da sie die Kommission verpflichten würde, die Ereignisse zu rekonstruieren, die ohne die streitigen Vereinbarungen eingetreten wären, obwohl diese gerade bezweckten, den Markteintritt der Generikahersteller zu verzögern (siehe oben, Rn. 138 und 139) – käme eher einer Prüfung der Auswirkungen der streitigen Vereinbarungen auf den Markt als einer objektiven Prüfung ihres hinreichend wettbewerbsschädlichen Charakters gleich. Eine solche Prüfung der Auswirkungen ist im Rahmen einer auf dem Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung basierenden Analyse jedoch nicht erforderlich (siehe oben, Rn. 341).

474    Selbst wenn unterstellt wird, dass bestimmte Generikahersteller während der Laufzeit der streitigen Vereinbarungen wegen von Lundbeck erhobener Verletzungsklagen oder aufgrund der Unmöglichkeit, innerhalb relativ kurzer Zeit eine Zulassung zu erhalten, nicht in den Markt eingetreten wären, kommt es daher darauf an, dass diese Unternehmen zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen mit Lundbeck über tatsächliche und konkrete Möglichkeiten verfügten, in den Markt einzutreten, so dass sie einen Wettbewerbsdruck auf sie ausübten. Dieser Wettbewerbsdruck ist für die Laufzeit der streitigen Vereinbarungen jedoch beseitigt worden, was als solches eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV darstellt.

475    Auch wenn einvernehmliche Regelungen oftmals eine Verringerung der mit der Weiterführung eines Rechtsstreits verbundenen Unsicherheiten bezwecken, sind solche Regelungen nicht der Anwendung des Wettbewerbsrechts entzogen (siehe oben, Rn. 427). Außerdem sind sie, wie die Kommission im angefochtenen Beschluss feststellt, besonders problematisch, wenn sie darauf abzielen, potenzielle Wettbewerber dafür zu bezahlen, dass sie dem Markt für einen gewissen Zeitraum fernbleiben, ohne dass jedoch – wie im vorliegenden Fall – irgendein zugrunde liegender Patentstreit beigelegt wird.

476    Daher hat die Kommission zu Recht die Auffassung vertreten, die streitigen Vereinbarungen kämen Marktausschlussvereinbarungen zwischen Wettbewerbern gleich und seien geeignet, negative Auswirkungen auf den Wettbewerb zu haben, ohne dass es für die Zwecke von Art. 101 Abs. 1 AEUV erforderlich war, darzutun, dass sie solche Auswirkungen hatten.

477    Folglich ist auch der vierte Teil und damit der dritte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

E –  Vierter Klagegrund: Rechtsfehler und Begründungsmangel bei der Zurückweisung des Kriteriums des Schutzbereichs des Patents als wichtigstem Maßstab für die Prüfung von Patentvergleichen anhand von Art. 101 Abs. 1 AEUV

478    Die Klägerinnen vertreten die Auffassung, die Kommission habe sich zu Unrecht geweigert, anzuerkennen, dass Vereinbarungen, die Beschränkungen enthielten, die den Beschränkungen der Ausübung der Rechte entsprächen, die ein Patent seinem Inhaber verleihe, nicht unter Art. 101 Abs. 1 AEUV fielen, und suggeriere fälschlicherweise, dass Vereinbarungen, die über den Schutzbereich dieses Patents hinausgehende Beschränkungen vorsähen, wahrscheinlich unter diese Bestimmung fielen. Erstens sei der angefochtene Beschluss mit einem Rechtsfehler behaftet, da in ihm das Kriterium des Schutzbereichs des Patents als relevanter Maßstab für die Prüfung von Patentvergleichen anhand von Art. 101 Abs. 1 AEUV ausgeschlossen worden sei, und zweitens sei die Begründung, mit der die Kommission dieses Kriterium im angefochtenen Beschluss zurückgewiesen habe, unklar und unlogisch und stehe im Widerspruch zur Hauptbegründung, die dem Rest des angefochtenen Beschlusses zugrunde liege.

1.     Erster Teil

479    Als Erstes machen die Klägerinnen geltend, die vertraglichen Beschränkungen, die in den zeitlichen, räumlichen und sachlichen Anwendungsbereich der Rechte des Patentinhabers fielen, verstießen nicht gegen das Wettbewerbsrecht, da diese Beschränkungen den Beschränkungen entsprächen, die sich aus dem zugrunde liegenden Patent ergäben, unabhängig von der Frage, ob die einvernehmliche Regelung einen Vermögenstransfer des Originalpräparateherstellers an die Generikahersteller umfasse oder nicht.

480    Eine solche Voraussetzung stehe im Einklang mit dem Grundsatz, dass Patente bis zur ausdrücklichen Feststellung ihrer Nichtigkeit als gültig gälten. Im Urteil Windsurfing (oben in Rn. 119 angeführt, EU:C:1986:75) habe der Gerichtshof eingeräumt, dass jede Klausel, die von einem Patent erfasste Erzeugnisse betreffe, durch den Schutz eines Rechts des geistigen Eigentums gerechtfertigt sei. Der Schutzumfang des Patents sei für die Prüfung eines Verstoßes gegen Art. 101 AEUV somit relevant.

481    Als Zweites sind die Klägerinnen der Ansicht, eine einvernehmliche Regelung müsse mit einem Bona-fide-Rechtsstreit zwischen den Parteien der Vereinbarung über die Gültigkeit oder Verletzung eines Patents in Verbindung stehen. Solche Vereinbarungen seien per se recht- und zweckmäßig und hätten nur dann eine kartellrechtliche Kontrolle zu befürchten, wenn der zugrunde liegende Rechtsstreit fiktiv sei.

482    Bei einvernehmlichen Regelungen, die Patente und generische Arzneimittel beträfen, sei ein Rechtsstreit als authentisch zu qualifizieren, wenn zum einen nicht feststehe, dass der Patentinhaber wisse oder fest davon überzeugt sei, dass das Patent nichtig sei, und dieser Patentinhaber zum anderen über ausreichende Beweise dafür verfüge, dass die generischen Arzneimittel sein Patent verletzten. Hege der Patentinhaber bloße Zweifel an der Gültigkeit seines Patents, reichten diese Zweifel, die Ausdruck der mit dem Ausgang jedes Rechtsstreits verbundenen Unsicherheit seien, nicht aus, um die Authentizität dieses Rechtsstreits zu beeinträchtigen und eine einvernehmliche Regelung rechtswidrig zu machen. Daher könnten Erklärungen wie die im angefochtenen Beschluss mehrfach angeführte, die mehr als anderthalb Jahre nach Abschluss der streitigen Vereinbarungen abgegeben worden sei und darauf hindeute, dass ein Arbeitnehmer von Lundbeck das Risiko, dass das Patent für Kristallisation von den britischen Gerichten für nichtig erklärt werde, auf 60 % geschätzt habe, auf keinen Fall für den Nachweis herangezogen werden, dass Lundbeck von der Nichtigkeit des Patents für Kristallisation oder davon ausgegangen sei, dass sie keine Chance habe, vor einem Gericht seine Durchsetzung zu erwirken.

483    Als Drittes vertreten die Klägerinnen daher die Auffassung, das Kriterium des Schutzbereichs des Patents sei der einzige geeignete Maßstab. Zunächst ermögliche ein solches Kriterium einen angemessenen Ausgleich zwischen Wettbewerbsrecht und Patentrecht. Sodann trage es den Befürchtungen der Kommission hinsichtlich Patentvergleichen Rechnung, da ein Generikahersteller, der einen solchen Vergleich abschließe, auf eine Weise in den Markt eintreten könne, die den sachlichen, zeitlichen oder räumlichen Umfang des betreffenden Patents nicht verletze. Schließlich sei dieses Kriterium nicht mit den Mängeln behaftet, an denen das im angefochtenen Beschluss herangezogene Kriterium leide.

484    Als Viertes verstoße keine der streitigen Vereinbarungen gegen Art. 101 AEUV, denn alle erfüllten zum einen die Voraussetzung der Aufrechterhaltung des Schutzbereichs des Patents, da die vertraglichen Beschränkungen auf die rechtsverletzenden Arzneimittel beschränkt seien und nicht über den räumlichen und zeitlichen Schutzumfang der Verfahrenspatente von Lundbeck hinausgingen, und zum anderen die Voraussetzung eines authentischen Rechtsstreits, da kein Beweismittel darauf hindeute, dass Lundbeck von der Nichtigkeit ihrer Patente ausgegangen sei, und sie überdies über wissenschaftliche Daten verfügt habe, die belegten, dass die Generikahersteller ihre Verfahrenspatente verletzt hätten.

485    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

486    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Art. 101 Abs. 1 AEUV nach der Rechtsprechung nicht zwischen Vereinbarungen, die zur Beendigung eines Rechtsstreits geschlossen werden, und Vereinbarungen unterscheidet, mit denen andere Zwecke verfolgt werden (Urteil Bayer und Maschinenfabrik Hennecke, oben in Rn. 427 angeführt, EU:C:1988:448, Rn. 15). Die von der Gesetzgebung eines Mitgliedstaats anerkannten gewerblichen Schutzrechte werden zwar durch Art. 101 AEUV in ihrem Bestand nicht berührt, doch kann ihre Ausübung unter die in diesem Artikel ausgesprochenen Verbote fallen. Dies ist der Fall, wenn sich herausstellt, dass die Ausübung eines solchen Rechts Gegenstand, Mittel oder Folge einer Kartellabsprache ist (Urteil Centrafarm und de Peijper, oben in Rn. 117 angeführt, EU:C:1974:114, Rn. 39 und 40).

487    Daher lässt sich der spezifische Gegenstand des gewerblichen Eigentums zwar namentlich dahin kennzeichnen, dass der Inhaber zum Ausgleich für seine schöpferische Erfindertätigkeit das ausschließliche Recht erlangt, gewerbliche Erzeugnisse herzustellen und in den Verkehr zu bringen, mithin die Erfindung entweder selbst oder im Wege der Lizenzvergabe an Dritte zu verwerten, und dass er ferner das Recht erlangt, sich gegen jegliche Zuwiderhandlung zur Wehr zu setzen (Urteil Centrafarm und de Peijper, oben in Rn. 117 angeführt, EU:C:1974:114, Rn. 9); dieser Gegenstand lässt sich jedoch nicht in dem Sinne auslegen, dass er auch gegen Angriffe auf das Patent Schutz gewährt, denn es liegt im öffentlichen Interesse, alle Hindernisse für die Wirtschaftstätigkeit auszuräumen, die sich aus einem zu Unrecht erteilten Patent ergeben könnten (Urteil Windsurfing, oben in Rn. 119 angeführt, EU:C:1986:75, Rn. 92).

488    Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen gelten die in Rn. 92 des Urteils Windsurfing (oben in Rn. 119 angeführt, EU:C:1986:75) angestellten Erwägungen nicht nur für Klauseln, die offensichtlich nicht in den Schutzbereich des Patents fallen. Nach Rn. 46 jenes Urteils ergäbe sich nämlich selbst dann, wenn das deutsche Patent den gesamten Stehsegler und damit auch das Brett umfasste, was bedeutet hätte, dass die fragliche Klausel in den Schutzbereich des Patents fiel, daraus nicht, dass eine solche Klausel mit Art. 101 AEUV vereinbar wäre.

489    Außerdem ist es, auch wenn sich die Kommission nicht jeder Beurteilung enthalten kann, wenn der Schutzbereich eines Patents für die Frage von Bedeutung ist, ob eine Verletzung der Art. 101 und 102 AEUV vorliegt, nach der Rechtsprechung nicht ihre Sache, diesen Schutzbereich zu bestimmen (Urteil Windsurfing, oben in Rn. 119 angeführt, EU:C:1986:75, Rn. 26).

490    Angesichts dieser Rechtsprechung und der Art. 101 AEUV innewohnenden Ziele, die u. a. verlangen, dass jeder Wirtschaftsteilnehmer autonom bestimmt, welche Politik er auf dem Markt zu betreiben gedenkt (vgl. in diesem Sinne BIDS-Urteil, oben in Rn. 341 angeführt, EU:C:2008:643, Rn. 33 und 34), um die Verbraucher vor ungerechtfertigten Preiserhöhungen zu schützen, die sich aus einer Absprache zwischen Wettbewerbern ergeben (siehe oben, Rn. 386), hat die Kommission die Anwendung des Kriteriums des Schutzbereichs des Patents bei der Prüfung der streitigen Vereinbarungen anhand von Art. 101 Abs. 1 AEUV im vorliegenden Fall zu Recht zurückgewiesen.

491    Wie die Kommission im 698. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses geltend macht, ist dieses Kriterium aus wettbewerbsrechtlicher Sicht nämlich in mehrfacher Hinsicht problematisch. Erstens begründet es die Vermutung, dass ein generisches Arzneimittel das Patent des Originalpräparateherstellers verletzt, und ermöglicht auf dieser Grundlage den Ausschluss des Generikums, obwohl keineswegs feststeht, ob es rechtsverletzend ist oder nicht. Zweitens stützt es sich auf die Vermutung, dass jedes im Rahmen eines Vergleichs geltend gemachte Patent im Fall der Anfechtung seiner Gültigkeit als gültig angesehen wird, während es hierfür weder rechtlich noch in der Praxis eine Grundlage gibt (oben, Rn. 122). Das Kriterium des Schutzbereichs des Patents beruht somit auf der subjektiven Beurteilung des Schutzbereichs ihrer Patente und von deren Gültigkeit durch die Klägerinnen, obwohl ein nationales Gericht oder eine zuständige Behörde möglicherweise einen anderen Standpunkt eingenommen hätte.

492    Der Supreme Court of the United States ist im Übrigen dem gleichen Ansatz gefolgt und hat das von einigen Untergerichten herangezogene Kriterium des Schutzbereichs des Patents in seinem oben in Rn. 353 erwähnten Actavis-Urteil, in dem er die Auffassung vertreten hat, die Tatsache, dass eine Vereinbarung in den Schutzbereich eines Patents falle, schütze diese Vereinbarung nicht gegen kartellrechtliche Klagen, zurückgewiesen, womit eine intensive Debatte über diese Frage beendet worden ist.

493    Ob eine Beschränkung in den Schutzbereich eines Patents fällt oder nicht, ist nämlich eine Schlussfolgerung, die sich aus einer Prüfung des Umfangs und der Gültigkeit dieses Patents ergibt, und nicht, wie die Klägerinnen nahelegen, der Ausgangspunkt einer solchen Prüfung (siehe oben, Rn. 353, in Bezug auf das Actavis-Urteil).

494    Wenn die Klägerinnen geltend zu machen versuchen, die Erzeugnisse, die die Generikahersteller zu vermarkten beabsichtigten, verletzten ihre Patente oder fielen in deren sachlichen, zeitlichen und räumlichen Schutzbereich, handelt es sich dabei somit in Wirklichkeit lediglich um Spekulationen, die auf ihren eigenen subjektiven Beurteilungen beruhen, da sie nicht bestreiten, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen weder ein nationales Gericht noch eine zuständige Behörde festgestellt hatte, dass diese Erzeugnisse eines ihrer Verfahrenspatente verletzten (oben, Rn. 145). Außerdem war das Patent für Kristallisation, wie die Kommission hervorhebt, zu dem Zeitpunkt, zu dem die Mehrzahl der streitigen Vereinbarungen geschlossen wurde, noch nicht einmal erteilt worden (oben, Rn. 127), so dass der Schutzbereich der Patente der Klägerinnen ungewiss war, ebenso wie der Umfang der in diesen Vereinbarungen enthaltenen Beschränkungen.

495    Die Tatsache, dass bestimmte in den streitigen Vereinbarungen enthaltene Beschränkungen von der Kommission als möglicherweise in den Schutzbereich der Patente von Lundbeck fallend angesehen wurden, bedeutet im Übrigen lediglich, dass die Klägerinnen mittels gerichtlicher Entscheidungen zur Durchsetzung ihrer Patente vergleichbare Beschränkungen hätten erwirken können, wenn sie denn vor den zuständigen nationalen Gerichten obsiegt hätten. In diesem Sinne gingen die streitigen Vereinbarungen, auch wenn sie darüber hinaus Beschränkungen enthielten, die möglicherweise in den Schutzbereich der Patente der Klägerinnen fielen, über den spezifischen Gegenstand ihrer Rechte des geistigen Eigentums hinaus, die zwar das Recht einschlossen, sich gegen Zuwiderhandlungen zur Wehr zu setzen, nicht aber das Recht, Vereinbarungen abzuschließen, mit denen tatsächliche oder potenzielle Wettbewerber auf dem Markt dafür bezahlt wurden, dass sie nicht in den Markt eintreten (siehe oben, Rn. 487, und 698. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

496    Die Klägerinnen machen gleichwohl geltend, im vorliegenden Fall habe es tatsächliche Patentstreitigkeiten zwischen den Parteien der streitigen Vereinbarungen gegeben, so dass dafür ohne Verstoß gegen Art. 101 AEUV eine einvernehmliche Regelung habe geschlossen werden können.

497    Es ist jedoch zweifelhaft, ob sich die zugrunde liegenden Patentstreitigkeiten zwischen den Klägerinnen und den Generikaherstellern mit den streitigen Vereinbarungen auch tatsächlich hätten beenden lassen, da diese Vereinbarungen bei ihrem Ablauf keinen sofortigen Markteintritt der Generika – verbunden mit einem Verzicht der Klägerinnen auf ihre Patentansprüche – vorsahen (siehe oben, Rn. 354, und 662. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

498    Selbst wenn unterstellt wird, dass die streitigen Vereinbarungen die gütliche Beilegung eines Rechtsstreits zwischen den Parteien ermöglicht hätten, genügt zudem der Hinweis, dass Art. 101 Abs. 1 AEUV nicht zwischen Vereinbarungen, die zur Beendigung eines Rechtsstreits geschlossen werden, und Vereinbarungen unterscheidet, mit denen andere Zwecke verfolgt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Bayer und Maschinenfabrik Hennecke, oben in Rn. 427 angeführt, EU:C:1988:448, Rn. 15). Da der wettbewerbswidrige Zweck von Vereinbarungen, mit denen potenzielle Wettbewerber gegen Bezahlung vom Markt ausgeschlossen werden, hinreichend nachgewiesen worden ist, müssten – unterstellt, die Vereinbarungen haben dem Wettbewerb und den Verbrauchern möglicherweise auch genützt – solche Wirkungen von den Klägerinnen dargetan und anhand von Art. 101 Abs. 3 AEUV geprüft (siehe die nachstehende Prüfung des siebten Klagegrundes) und nicht von der Kommission im Rahmen von Abs. 1 dieses Artikels beurteilt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Brasserie nationale u. a./Kommission, oben in Rn. 387 angeführt, EU:T:2005:298, Rn. 85).

499    Daher machen die Klägerinnen zu Unrecht geltend, für das von der Kommission herangezogene rechtliche Kriterium gebe es in der Rechtsprechung keine Grundlage oder die Ausübung von Rechten des geistigen Eigentums könne nur unter außergewöhnlichen Umständen unter das in Art. 101 Abs. 1 AEUV vorgesehene Verbot fallen. Die Kommission hat keinen Rechtsfehler begangen, als sie das Kriterium des Schutzbereichs des Patents als relevantes Kriterium für die Prüfung der streitigen Vereinbarungen anhand von Art. 101 Abs. 1 AEUV zurückgewiesen hat. Wie die Kommission geltend macht, war das im vorliegenden Fall relevante Kriterium der Begriff der bezweckten Beschränkung, so wie er in der Rechtsprechung der Unionsgerichte entwickelt worden ist (oben, Rn. 338 bis 344).

500    Folglich durfte sich die Kommission im vorliegenden Fall auf eine Reihe von Faktoren als Kontextelemente – wie die Existenz einer umgekehrten Zahlung, den Umfang dieser Zahlung und die Tatsache, dass sie offenbar den Gewinnerwartungen der Generikahersteller im Fall eines Markteintritts entsprach, sowie das Fehlen einer Klausel, die einen erleichterten Markteintritt der Generika bei Ablauf der streitigen Vereinbarungen ermöglichte, und das Vorhandensein von Beschränkungen, die über den Schutzbereich der Patente der Klägerinnen hinausgingen – stützen, um festzustellen, dass diese Vereinbarungen bezweckten, den Wettbewerb im Sinne von Art. 101 AEUV zu beschränken (vgl. Erwägungsgründe 661 und 662 des angefochtenen Beschlusses).

501    Demnach ist der erste Teil zurückzuweisen.

2.     Zweiter Teil

502    Die Klägerinnen machen als Erstes geltend, die Zurückweisung des Kriteriums des Schutzbereichs des Patents sei allein im 698. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses begründet worden, dessen Argumentation überdies unlogisch sei, da das genannte Kriterium die Generikahersteller nicht veranlasse, ihre gesamten Bemühungen um einen Markteintritt aufzugeben, sondern lediglich die Bemühungen um den Verkauf rechtsverletzender Erzeugnisse.

503    Außerdem beinhalte das Recht, sich gegen Zuwiderhandlungen zur Wehr zu setzen, auch, dass sich der Patentinhaber gegen Zuwiderhandlungen zur Wehr setzen könne, indem er einen Rechtsstreit gütlich beilege. Ein solches Recht ergebe sich entgegen der Deutung im angefochtenen Beschluss auch aus dem spezifischen Gegenstand eines Patents. Das im angefochtenen Beschluss zitierte Urteil Windsurfing (oben in Rn. 119 angeführt, EU:C:1986:75) könne lediglich als Argument dafür angeführt werden, dass Lundbeck nicht berechtigt sei, einen Konflikt zwischen den Erzeugnissen zweier Dritthersteller zu entscheiden, worum es im vorliegenden Fall nicht gehe. Darüber hinaus widerspreche das im angefochtenen Beschluss vorgebrachte Argument, wonach einvernehmliche Regelungen nur zulässig seien, wenn sie auf der subjektiven Beurteilung der Parteien hinsichtlich der Stärke eines Patents beruhten, der Auffassung, dass Patentinhaber nicht in der Lage sein sollten, selbst zu beurteilen, ob die generischen Arzneimittel ihr Patent verletzten. Im angefochtenen Beschluss werde auch nicht erläutert, weshalb das Kriterium des Schutzbereichs des Patents, das es im Recht der Vereinigten Staaten von Amerika gebe, nicht auf das Unionsrecht übertragbar sei.

504    Die Klägerinnen sind als Zweites der Ansicht, die Zurückweisung des Kriteriums des Schutzbereichs des Patents durch die Kommission stehe nicht im Einklang mit der Hauptbegründung im angefochtenen Beschluss, die die Kommission ihrer Prüfung der streitigen Vereinbarungen zugrunde gelegt habe. Die Kommission habe ihre Schlussfolgerung, dass diese Vereinbarungen eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckten, nämlich auf die Behauptung gestützt, dass sie Beschränkungen enthielten, die über den Schutzbereich der Patente von Lundbeck hinausgingen, weil sie darauf abzielten, den Markteintritt von generischem Citalopram unabhängig von der Frage zu verhindern, ob dieses rechtsverletzend sei oder nicht. An anderer Stelle habe die Kommission jedoch erklärt, dass die umgekehrten Zahlungen als solche darauf hindeuteten, dass die streitigen Vereinbarungen bezweckten, die Generikahersteller dazu zu zwingen, dem Markt für generisches Citalopram während der gesamten Laufzeit dieser Vereinbarungen fernzubleiben, gleichviel, ob die Arzneimittel, die die genannten Hersteller hätten verkaufen können, rechtsverletzend seien oder nicht.

505    Dies zeige, dass das Kriterium des Schutzbereichs des Patents in der Würdigung der Kommission eine entscheidende Rolle gespielt habe, was ihrer Behauptung widerspreche, dass die Frage, ob die streitigen Vereinbarungen weiterhin in den Schutzbereich der Patente von Lundbeck fielen, die rechtliche Würdigung dieser Beschränkungen durch die Kommission nicht grundlegend verändert habe.

506    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

507    Erstens ist darauf hinzuweisen, dass die nach Art. 296 AEUV erforderliche Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen muss, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (vgl. Urteil vom 29. September 2011, Elf Aquitaine/Kommission, C‑521/09 P, EU:C:2011:620, Rn. 147 und die dort angeführte Rechtsprechung).

508    Im Zusammenhang mit Einzelentscheidungen ergibt sich aus ständiger Rechtsprechung, dass die Pflicht zur Begründung einer solchen Entscheidung neben der Ermöglichung einer gerichtlichen Überprüfung den Zweck hat, den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, dass er erkennen kann, ob die Entscheidung eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der ihre Anfechtung ermöglicht. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass es sich bei der in Art. 296 AEUV vorgesehenen Begründungspflicht um ein wesentliches Formerfordernis handelt, das von der Frage der Stichhaltigkeit der Begründung zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört (Urteil Elf Aquitaine/Kommission, oben in Rn. 507 angeführt, EU:C:2011:620, Rn. 146 und 148 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

509    Was im vorliegenden Fall die Begründung der Zurückweisung des Kriteriums des Umfangs des Patents im angefochtenen Beschluss angeht, ist festzustellen, dass die Kommission im 698. Erwägungsgrund dieses Beschlusses ausdrücklich auf das Vorbringen der Klägerinnen hierzu eingeht. Die Kommission erläutert darin u. a., weshalb mit diesem Kriterium nicht den Bedenken begegnet werden könne, die aus wettbewerbsrechtlicher Sicht in Bezug auf die streitigen Vereinbarungen bestünden (siehe oben, Rn. 491). Außerdem geht aus der Gesamtsystematik des angefochtenen Beschlusses hervor, dass die Kommission den Begriff der bezweckten Beschränkung gemäß Art. 101 Abs. 1 AEUV auf die streitigen Vereinbarungen angewandt und dabei dem wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext, in dem diese geschlossen worden waren, sowie einer Reihe damit zusammenhängender Faktoren Rechnung getragen hat (siehe oben, Rn. 354), womit sie das Kriterium des Umfangs des Patents als relevantes rechtliches Kriterium für die Prüfung der genannten Vereinbarungen anhand von Art. 101 Abs. 1 AEUV notwendigerweise ausgeschlossen hat.

510    Die Klägerinnen können der Kommission somit nicht vorwerfen, dass sie im angefochtenen Beschluss die Zurückweisung des Kriteriums des Schutzbereichs des Patents ebenso wie die Frage, ob Patentinhaber berechtigt sind, sich gegen Zuwiderhandlungen zur Wehr zu setzen, indem sie ihre Rechtsstreitigkeiten gütlich beilegen – eine Frage, die zur Prüfung des angefochtenen Beschlusses in der Sache gehört, die oben im Rahmen der Würdigung des zweiten und des dritten Klagegrundes vorgenommen worden ist –, nicht ausreichend begründet habe.

511    Außerdem machen die Klägerinnen vergeblich geltend, die Kommission hätte ihren angefochtenen Beschluss unter Bezugnahme auf die im Recht der Vereinigten Staaten von Amerika anwendbaren rechtlichen Kriterien begründen müssen. Es ist nämlich bereits entschieden worden, dass eine vom Recht eines Drittstaats gewählte rechtliche Lösung nicht für das Unionsrecht gilt und ein Verstoß gegen das Recht des Drittstaats als solcher kein Fehler ist, der die Rechtswidrigkeit einer aufgrund des Unionsrechts ergangenen Entscheidung nach sich ziehen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. September 2003, Atlantic Container Line u. a./Kommission, T‑191/98 und T‑212/98 bis T‑214/98, EU:T:2003:245, Rn. 1406 und 1407 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

512    Jedenfalls genügt die Feststellung, dass in dem Urteil, das die Mehrheitsmeinung des Supreme Court of the United States – und nicht die abweichende Meinung von Richter Roberts – in der Rechtssache, in der das oben in Rn. 353 erwähnte Actavis-Urteil ergangen ist, enthält, eindeutig festgestellt worden ist, dass die Tatsache, dass eine Vereinbarung in den Schutzbereich eines Patents fällt, diese Vereinbarung nicht gegen eine kartellrechtliche Klage schützt, weshalb das Kriterium des Schutzbereichs des Patents als relevanter Maßstab für die Prüfung der Wettbewerbswidrigkeit von Patentvergleichen, die umgekehrte Zahlungen, das sogenannte „pay for delay“, enthalten, wie im vorliegenden Fall die streitigen Vereinbarungen, zurückgewiesen worden ist.

513    Allerdings unterscheidet sich das rechtliche Umfeld in den Vereinigten Staaten, wie die Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht haben, von dem in den verschiedenen Mitgliedstaaten der Union. Somit hat die Kommission das Vorbringen der Klägerinnen zur Anwendung des Kriteriums des Schutzbereichs des Patents, das vor dem Actavis-Urteil (oben, Rn. 353) von einigen Untergerichten in den Vereinigten Staaten herangezogen worden war, bei der Prüfung der streitigen Vereinbarungen anhand von Art. 101 AEUV zu Recht nicht näher untersucht.

514    Zweitens machen die Klägerinnen zu Unrecht geltend, der angefochtene Beschluss sei insofern widersprüchlich, als in ihm einerseits anerkannt werde, dass die streitigen Vereinbarungen unabhängig davon wettbewerbswidrig seien, ob sie Beschränkungen enthielten, die über den Schutzbereich ihrer Patente hinausgingen, und andererseits, dass diese Vereinbarungen Beschränkungen enthielten, die über den Schutzbereich ihrer Patente hinausgingen, da sie darauf abzielten, den Verkauf jeder Art von generischem Citalopram durch die Generikahersteller zu verhindern.

515    Die Kommission erläutert nämlich – u. a. in den Erwägungsgründen 661 und 662 des angefochtenen Beschlusses –, dass die Tatsache, dass Lundbeck unter Berufung auf ihre Verfahrenspatente nicht die gleichen Beschränkungen für den Markteintritt der Generika hätte erwirken können, neben anderen einen wichtigen Anhaltspunkt dafür darstelle, dass die streitigen Vereinbarungen gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstießen. Mit anderen Worten ist die Frage, ob die in den streitigen Vereinbarungen enthaltenen Beschränkungen aus dem Schutzbereich der Patente der Klägerinnen fielen, für die Feststellung, ob eine bezweckte Beschränkung im Sinne dieser Bestimmung vorlag, als ein relevanter, aber nicht entscheidender Faktor betrachtet worden, was auch eindeutig aus dem 641. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht (oben, Rn. 335, 336 und 354). Somit ist der angefochtene Beschluss insoweit nicht widersprüchlich.

516    Daher ist der vierte Klagegrund zurückzuweisen.

F –  Fünfter Klagegrund: offensichtlich fehlerhafte Sachverhaltswürdigung, Verletzung der Sorgfaltspflicht und Begründungsmangel, soweit das Vorgehen von Lundbeck als globale Strategie gegen den Markteintritt der Generika und als relevant für die Prüfung der streitigen Vereinbarungen anhand von Art. 101 Abs. 1 AEUV eingestuft worden ist

517    Die Klägerinnen vertreten die Auffassung, der angefochtene Beschluss sei unzureichend begründet und enthalte offensichtliche Fehler in der Sachverhaltswürdigung; zudem habe die Kommission die ihr obliegende Sorgfaltspflicht verletzt, da sie sich auf einige ausgewählte Erklärungen versteift und wesentliche Tatsachen außer Acht gelassen lasse, als sie zu dem Schluss gelangt sei, dass die Klägerinnen eine „globale Strategie“ des Widerstands gegen generische Versionen von Citalopram verfolgten, und sich bei der Prüfung der streitigen Vereinbarungen anhand von Art. 101 Abs. 1 AEUV auf diese vermeintliche Strategie gestützt habe.

518    Die Klägerinnen machen als Erstes geltend, ihre globale Strategie habe aus einseitigen Handlungen bestanden, die keinerlei Zusammenhang mit den streitigen Vereinbarungen aufwiesen und jedenfalls nicht unzulässig seien. Die Kommission habe eine Reihe schwerer Fehler begangen, als sie im angefochtenen Beschluss davon ausgegangen sei, dass sie mehrere Aktionslinien verfolgt hätten, die sich in eine vermeintliche globale Strategie gegen den Eintritt der Generika in den Markt für Citalopram eingefügt hätten, nämlich erstens die Schaffung eines günstigen Zeitfensters für die Markteinführung von Escitalopram, zweitens die Anmeldung von Verfahrenspatenten für die Herstellung von Citalopram, drittens das Eingreifen in die Zulassungsverfahren für generische Versionen von Citalopram, viertens die Beseitigung der Bedrohung für den Wettbewerb, die von den zukünftigen Herstellern des API Citalopram ausgegangen sei, und fünftens die Schaffung eines Anreizes für die Generikahersteller, ihre Bemühungen um einen Eintritt in den Markt für Citalopram einzustellen.

519    Als Zweites rügen die Klägerinnen, im angefochtenen Beschluss sei nicht erläutert worden, inwiefern ihr Vorgehen für die Feststellung relevant sei, dass ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV vorliege. Die Absicht der Parteien könne eine sonst zulässige Vereinbarung nicht wettbewerbswidrig machen. Die subjektive Absicht dieser Parteien hänge von der Hauptfrage ab, ob eine Wettbewerbsbeschränkung im Licht des Kontexts der genannten Vereinbarungen unter deren objektive Ziele falle. Im angefochtenen Beschluss sei das Augenmerk zu Unrecht auf das einseitige Verhalten von Lundbeck gerichtet und nicht erläutert worden, inwiefern die Generikahersteller die vermeintliche Absicht von Lundbeck geteilt hätten oder ob sie von dieser Absicht Kenntnis gehabt hätten. Folglich könne sich die Kommission nicht auf dieses Verhalten berufen, um nachzuweisen, dass zwischen Lundbeck und den Generikaherstellern eine Willensübereinstimmung dahin gehend bestanden habe, den von der generischen Version von Citalopram ausgehenden Wettbewerb einzudämmen.

520    Als Drittes sind die Klägerinnen der Ansicht, die Kommission habe ihre Sorgfaltspflicht verletzt, in deren Rahmen sorgfältig und unvoreingenommen alle relevanten Umstände des konkreten Falles geprüft werden müssten, da sie es versäumt habe, alle anderen Tatsachen zu berücksichtigen, die darauf hingedeutet hätten, dass das Vorgehen der Klägerinnen auf die Erreichung legitimer Ziele – etwa die Berufung auf ein gültiges Patent, um sich gegen einen rechtsverletzenden Markteintritt zur Wehr zu setzen, die Markteinführung eines innovativen Erzeugnisses zugunsten der Verbraucher, die Unterrichtung der Gesundheitsbehörden über potenzielle Sicherheitsrisiken oder die Erlangung zusätzlicher Produktionskapazitäten – abgezielt habe.

521    Als Viertes meinen die Klägerinnen, einige ihrer Handlungen, wie die Neuausrichtung ihrer Handelsbemühungen auf ein neues, wirksameres Erzeugnis – Cipralex –, die Einreichung mehrerer Patentanmeldungen für Verfahren zur Herstellung von Citalopram, ihr Eingreifen in die Verfahren zur Erteilung von Zulassungen oder ihre Geschäfte mit den API-Herstellern, seien im angefochtenen Beschluss zu Unrecht als rechtswidrig eingestuft worden. Außerdem sei im angefochtenen Beschluss zu Unrecht unterstellt worden, dass sie im Verlauf des Lagap-Rechtsstreits anerkannt hätten, dass die auf dem von Matrix verwendeten Verfahren basierenden generischen Erzeugnisse nicht rechtsverletzend seien, während die Zulassung, die auf dem eine zusätzliche Waschstufe enthaltenden Matrix‑II-Verfahren beruhe, im Vereinigten Königreich erst am 4. Juni 2003 erteilt worden sei. Lundbeck habe im Übrigen nie anerkannt, dass Matrix auf ein in industriellem Maßstab verwendetes Verfahren zurückgegriffen habe, das gleichzeitig wirtschaftlich lebensfähig und nicht rechtsverletzend sei.

522    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

523    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission sehr wohl die Absicht der Klägerinnen zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen berücksichtigen durfte, da die Rechtsprechung anerkennt, dass die Absichten der Parteien ein relevanter Faktor für den Nachweis sein können, dass eine bezweckte Beschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV vorliegt (oben, Rn. 344).

524    Soweit die Klägerinnen geltend machen, ihre Strategie sei nicht rechtswidrig gewesen, da sie u. a. darin bestanden habe, ein neues patentiertes Erzeugnis – Escitalopram – zu entwickeln, Verfahrenspatente für Citalopram registrieren zu lassen oder diese Verfahrenspatente durch ein Eingreifen in die Verfahren zur Erteilung einer Zulassung an die Generikahersteller zu verteidigen, ist sodann festzustellen, dass im angefochtenen Beschluss nicht festgestellt wird, dass derartige Handlungen als solche rechtswidrig wären. Die Kommission hat diese Gesichtspunkte lediglich als relevante tatsächliche Umstände berücksichtigt, die es ermöglichten, die streitigen Vereinbarungen in ihren weiteren Kontext zu stellen, und belegten, dass die Klägerinnen den Markteintritt der Generika verzögern wollten, um mit allen möglichen – legalen und illegalen – Mitteln ein günstiges Zeitfenster für die Markteinführung von Escitalopram zu schaffen (Erwägungsgründe 123 ff. des angefochtenen Beschlusses). Dieses Vorbringen geht somit größtenteils ins Leere.

525    Da sich indes das Vorbringen der Klägerinnen auch dahin auslegen lässt, dass mit ihm die von der Kommission im angefochtenen Beschluss getroffenen Tatsachenfeststellungen angefochten werden sollen, indem eine Verfälschung der entsprechenden Beweismittel geltend gemacht wird, ist auf Folgendes hinzuweisen.

526    Was erstens das Vorbringen der Klägerinnen angeht, für ihre Verfahrenspatente habe eine Gültigkeitsvermutung bestanden und zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen habe keine Feststellung eines Gerichts vorgelegen, dass die Generikahersteller keine Zuwiderhandlung begangen hätten, ist darauf zu verweisen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss keineswegs festgestellt hat, dass die Verfahrenspatente der Klägerinnen nicht gültig gewesen seien oder diese keine Chance gehabt hätten, sich im Fall eines riskanten Markteintritts der Generika gegen diesen Markteintritt zur Wehr zu setzen, sondern lediglich, dass insoweit eine Unsicherheit bestanden habe, die durch die streitigen Vereinbarungen erheblich verringert oder beseitigt worden sei (oben, Rn. 336, 363 und 429).

527    Außerdem sind die internen Schätzungen von Lundbeck hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit einer Ungültigerklärung des Patents für Kristallisation von der Kommission im angefochtenen Beschluss in erster Linie zum Nachweis dessen verwendet worden, dass Lundbeck und die Generikahersteller zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen potenzielle Wettbewerber waren (siehe oben, Rn. 96, und 627. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). In welchem Kontext oder von wem diese Erklärung auch immer abgegeben worden ist, geht aus ihr doch sehr wohl hervor, wie auch die Kommission im angefochtenen Beschluss feststellt, dass eine Unsicherheit hinsichtlich der Frage bestand, ob sich mit den Patenten von Lundbeck jeglicher Markteintritt der Generikahersteller hätte versperren lassen und ob diese zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen insoweit über tatsächliche und konkrete Möglichkeiten verfügten. Die Klägerinnen räumen im Übrigen ein, dass die Nichtigkeitsverfahren auf nationaler Ebene durch erhebliche Unwägbarkeiten gekennzeichnet waren.

528    Zweitens sind die Klägerinnen zu Unrecht der Ansicht, der angefochtene Beschluss stütze sich für den Nachweis eines Zusammenhangs zwischen den streitigen Vereinbarungen und der Markteinführung von Escitalopram nicht auf ein konkretes Dokument. Der angefochtene Beschluss stützt sich insoweit nämlich u. a. auf einen Auszug aus dem Strategieplan von Lundbeck für das Jahr 1993 (135. Erwägungsgrund), ein für eine Tagung des Verwaltungsrats von Lundbeck vom 24. April 1998 erstelltes Dokument (136. Erwägungsgrund), ein Dokument von Lundbeck vom 24. September 1999 (138. Erwägungsgrund), den strategischen Geschäftsplan und den Haushalt von Lundbeck für die Jahre 1999 (137. Erwägungsgrund), 2001 (139. Erwägungsgrund) und 2002 (140. Erwägungsgrund) sowie auf handschriftliche Notizen, die Anfang 2003 auf einer Strategiesitzung von Lundbeck gemacht worden sind (141. Erwägungsgrund). Das letztgenannte Dokument belegt beispielsweise, dass Lundbeck die Absicht hatte, die Generika zu bekämpfen, um ein günstiges Zeitfenster für einen Wechsel zu Escitalopram zu schaffen. Außerdem hatte Lundbeck in ihrem strategischen Tätigkeitsplan und ihrem Haushalt für 2003 den Schluss gezogen, dass der ursprünglich für die ersten vier Monate 2002 vorgesehene Markteintritt der Generika sehr erfolgreich auf Oktober 2002 hinausgeschoben worden sei und sich das Fehlen von Generika offensichtlich positiv auf die Entwicklung des Absatzes von Cipralex (Escitalopram) im Jahr 2003 ausgewirkt habe (206. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

529    Drittens machen die Klägerinnen auch vergeblich geltend, bestimmte Aspekte des Lagap-Rechtsstreits im Vereinigten Königreich seien im angefochtenen Beschluss verfälscht wiedergegeben worden. Aus den von der Kommission beigebrachten Beweismitteln, die von den Klägerinnen im Übrigen nicht in Frage gestellt werden, geht nämlich hervor, dass die Klägerinnen im Rahmen jenes Rechtsstreits zwar in der Tat vorgebracht haben, das von Matrix hergestellte Citalopram verletze das Patent für Kristallisation; hierbei handelte es sich jedoch erneut um ihre subjektive Beurteilung, da dieses Vorbringen von dem in jener Rechtssache angerufenen Richter nie bestätigt worden ist. Die Klägerinnen hatten es nämlich vorgezogen, mit Lagap einen Vergleich zu schließen, um eine Niederlage zu vermeiden, die nach ihren eigenen Worten „erniedrigend“ gewesen und „in anderen Rechtsordnungen gegen sie verwendet worden wäre“ (160. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Die Klägerinnen haben nicht nachgewiesen, inwiefern die im angefochtenen Beschluss dafür herangezogenen Beweismittel verfälscht wiedergegeben worden sein sollen.

530    Die Klägerinnen bringen gleichwohl vor, die Zulassung für die zusätzliche Waschphase (d. h. das Matrix‑II-Verfahren) im Vereinigten Königreich sei erst am 3. Dezember 2003 erteilt worden, so dass das vor diesem Datum im Vereinigten Königreich vermarktete generische Citalopram auf das Matrix‑I-Verfahren gestützt gewesen sei, von dem sie angenommen hätten, dass es ihre Patente verletze, da es auf verfälschten Daten basiere. Dies ist jedoch nie nachgewiesen worden; im Gegenteil hat der mit dem Rechtsstreit gegen Lagap befasste britische Richter, wie aus dem 155. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, in einer vorläufigen Entscheidung vom 14. Februar 2003 gerade festgestellt, dass „Lundbeck nunmehr gezwungen war, anzuerkennen, dass ihre feste und unerschütterliche Überzeugung, wonach es Lagap und ihren Lieferanten unmöglich sei, ein nicht rechtsverletzendes Verfahren anzuwenden, unbegründet war“, so dass die Klägerinnen insoweit keine Verfälschung von Beweismitteln geltend machen können.

531    Was viertens die Behauptung der Klägerinnen betrifft, ihre Geschäfte mit den API-Herstellern hätten ausschließlich bezweckt, eine Lösung für die Kapazitätsprobleme zu finden, mit denen sie konfrontiert gewesen seien, ist festzustellen, dass eine solche Erklärung in Anbetracht der von der Kommission in den Erwägungsgründen 172 ff. des angefochtenen Beschlusses angeführten Beweismittel wenig wahrscheinlich ist. Insbesondere ist schwer zu erkennen, inwiefern es für Lundbeck unerlässlich oder sogar sinnvoll gewesen sein soll, das italienische Unternehmen VIS Farmaceutici SpA (im Folgenden: VIS) zu übernehmen und dessen DMF aus dem bei den niederländischen Behörden anhängigen Antrag von Tiefenbacher zurückzuziehen (176. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), um diese Kapazitätsprobleme zu lösen.

532    Schließlich behaupten die Klägerinnen zu Unrecht, im angefochtenen Beschluss werde festgestellt, dass ihre Verletzungsklagen gescheitert seien. Vielmehr wird dort anerkannt, dass es den Klägerinnen zunächst gelang, in bestimmten Rechtsordnungen richterliche Anordnungen oder in bestimmten Staaten Beschlagnahmen zu erwirken, dass diese infolge des Wechsels zahlreicher Generikahersteller zum Matrix‑II-Verfahren aber entweder widerrufen oder zurückgewiesen wurden oder aber zu einvernehmlichen Regelungen führten. Im angefochtenen Beschluss wird lediglich der Schluss gezogen, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen kein Gericht innerhalb des EWR festgestellt habe, dass das Patent für Kristallisation gültig und verletzt worden sei (185. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), was die Klägerinnen im Übrigen nicht bestreiten (oben, Rn. 145).

533    Nach alledem ist der fünfte Klagegrund als ins Leere gehend oder jedenfalls als unbegründet zurückzuweisen.

G –  Sechster Klagegrund: offensichtlich fehlerhafte Sachverhaltswürdigung, soweit im angefochtenen Beschluss festgestellt wird, dass die streitigen Vereinbarungen Beschränkungen enthielten, die über die Beschränkungen für die Ausübung der durch die Patente von Lundbeck verliehenen Rechte hinausgingen

534    Die Klägerinnen machen geltend, der angefochtene Beschluss sei insoweit mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet, als darin nicht sämtliche Umstände der streitigen Vereinbarungen geprüft worden seien und zu Unrecht der Schluss gezogen worden sei, dass diese Vereinbarungen Beschränkungen enthielten, die über die Beschränkungen für die Ausübung der durch ihre Patente verliehenen Rechte hinausgingen. Jede der streitigen Vereinbarungen sei im Rahmen des Schutzbereichs ihrer Patente geblieben und habe lediglich den Verkauf von rechtsverletzendem Citalopram verhindert.

535    Die Klägerinnen vertreten als Erstes die Auffassung, im angefochtenen Beschluss sei zu Unrecht der Schluss gezogen worden, dass die streitigen Vereinbarungen die Generikahersteller am Verkauf von Citalopram, auch nicht rechtsverletzendem Citalopram, gehindert hätten, und somit über die Rechte hinausgegangen seien, die sie aus ihren Patenten herleiteten.

536    Hätten sie die Absicht gehabt, die Generikahersteller am Verkauf jeglicher Art von Citalopram zu hindern, so die Klägerinnen, hätten sie Vereinbarungen mit allen potenziellen neuen Anbietern schließen müssen, obwohl es zum damaligen Zeitpunkt mehr als 300 Generikahersteller gegeben habe, die Antidepressiva im EWR verkauft hätten. Lundbeck habe keinen plausiblen Grund dafür gehabt, lediglich vier Generikahersteller am Verkauf nicht rechtsverletzender Arzneimittel zu hindern.

537    Die Klägerinnen machen als Zweites geltend, im angefochtenen Beschluss seien bei keiner der streitigen Vereinbarungen sämtliche für sie relevanten Umstände berücksichtigt und auch nicht die genaue Absicht der Parteien, die sich sowohl aus den Klauseln eines Vertrags als auch aus dem Verhalten der betreffenden Unternehmen ergeben könne, geprüft worden, als der Schluss gezogen worden sei, dass die genannten Vereinbarungen über den Schutzbereich ihrer Patente hinausgingen.

538    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

539    Vorab ist mit der Kommission festzustellen, dass, auch wenn die streitigen Vereinbarungen nicht über den Schutzbereich der Patente der Klägerinnen hinausgegangen wären, diese Vereinbarungen gleichwohl bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV dargestellt hätten, da sie Absprachen enthielten, mit denen der Markteintritt der Generikahersteller gegen umgekehrte Zahlungen in nicht unerheblicher Höhe verzögert werden sollte (siehe oben, zweiter, dritter und vierter Klagegrund) und die Unsicherheit hinsichtlich eines solchen Eintritts in die Gewissheit umgewandelt wurde, dass er während der Laufzeit der streitigen Vereinbarungen nicht erfolgen würde (oben, Rn. 363).

540    Der vorliegende Klagegrund geht somit ins Leere.

541    Gleichwohl ist das Vorbringen der Klägerinnen hierzu hilfsweise zu prüfen, da diese die von ihnen selbst festgelegten Voraussetzungen nach Ansicht der Kommission deshalb nicht erfüllten, weil sich die in den streitigen Vereinbarungen enthaltenen vertraglichen Beschränkungen nicht auf potenziell rechtsverletzende Erzeugnisse beschränkten und über den Schutzbereich der betreffenden Patente hinausgingen.

1.     GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich

542    Nach Auffassung der Klägerinnen geht der angefochtene Beschluss fehl, wenn in ihm davon ausgegangen werde, dass erstens die Merck (GUK) obliegende Verpflichtung, kein ausschließlich auf dem API von Natco basierendes Citalopram in den Markt einzuführen, unabhängig von der Frage gelte, ob der API von Natco rechtsverletzend sei oder nicht, und dass zweitens die in dieser Vereinbarung enthaltene Alleinbezugsverpflichtung Merck (GUK) daran hindere, irgendeine andere generische Version von Citalopram zu verkaufen.

543    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

544    Als Erstes sind die Klägerinnen der Ansicht, im angefochtenen Beschluss sei zu Unrecht der Schluss gezogen worden, dass die GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich einem Absatz des Citalopram von Natco unabhängig von der Frage entgegenstehe, ob dieses rechtsverletzend sei. Die GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich betreffe nur ein einziges Erzeugnis, nämlich das Citalopram von Natco, das Lundbeck getestet und als ihre Patente verletzend betrachtet habe.

545    Der angefochtene Beschluss stütze sich zu Unrecht auf Erklärungen in zwei internen E‑Mails von Merck (GUK), aus denen abgeleitet werde, dass die Patente von Lundbeck, im vorliegenden Fall das Patent für Kristallisation, weder gültig noch verletzt worden seien und keine der veröffentlichten Patentanmeldungen ein Problem aufwerfe. Darüber hinaus blieben im angefochtenen Beschluss andere Dokumente von Merck (GUK) aus der betreffenden Zeit, die deren starke Befürchtungen belegten, dass der API von Natco die Patente von Lundbeck verletze, sowie die Tatsache unberücksichtigt, dass Merck (GUK) während des Verwaltungsverfahrens anerkannt habe, sich nicht sicher zu sein, dass das Verfahren von Natco die Verfahrenspatente von Lundbeck nicht verletze.

546    Außerdem könne die GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich keinesfalls das nach den verschiedenen nicht rechtsverletzenden Verfahren hergestellte Citalopram umfassen, da Natco und Merck (GUK) während der kurzen Laufzeit dieser Vereinbarung nicht auf ein neues Arzneimittel hätten ausweichen können.

547    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Merck (GUK), wie Buchst. C der Präambel der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich ausdrücklich besagt, nicht die rechtsverletzende Natur ihres Erzeugnisses anerkannt, wohl aber eingeräumt hat, dass das Risiko eines Patentstreits bestehe, was zu Verzögerungen und Unannehmlichkeiten führen könne.

548    Weiter ist der von der Kommission im 768. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses getroffenen Feststellung zu folgen, dass in der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich nicht einmal festgestellt worden ist, welches Patent der Klägerinnen verletzt worden sein soll.

549    Die Klägerinnen versuchen somit zu Unrecht erneut geltend zu machen, die generischen Erzeugnisse von Merck (GUK) seien rechtsverletzend, da diese Behauptung nur auf ihrer eigenen subjektiven Wahrnehmung beruht (oben, Rn. 221). Die Tatsache, dass Merck (GUK) möglicherweise an der rechtsverletzenden Natur ihrer Erzeugnisse zweifelte, bestätigt lediglich den Zustand der Unsicherheit, in dem sich die Klägerinnen und die Generikahersteller zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen befanden, lässt aber keinesfalls die Feststellung zu, dass der API von Natco rechtsverletzend war. Außerdem belegen die objektiven Beweismittel, auf die sich die Kommission im angefochtenen Beschluss stützt, vielmehr, dass Merck (GUK) hinsichtlich ihrer Chancen, im Fall eines Rechtsstreits mit Lundbeck zu obsiegen, zuversichtlich war (oben, Rn. 125).

550    Da das weitere Vorbringen der Klägerinnen bereits im Rahmen der Prüfung des ersten Klagegrundes, der sich auf den potenziellen Wettbewerb bezieht, zurückgewiesen worden ist, ist insbesondere hinsichtlich der Situation von Merck (GUK) auf die Prüfung dieses Klagegrundes und die vorstehenden Rn. 207 bis 236 zu verweisen.

551    Folglich ist das Argument der Klägerinnen, die Kommission habe zu Unrecht den Schluss gezogen, dass die GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich den Absatz mit dem Citalopram von Natco unabhängig von der Frage eingeschränkt habe, ob dieses rechtsverletzend sei, zurückzuweisen.

552    Zweitens vertreten die Klägerinnen die Auffassung, im angefochtenen Beschluss werde zu Unrecht der Schluss gezogen, dass die in Art. 3.2 der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich enthaltene Ausschließlichkeitsklausel Merck (GUK) daran hindere, mit einer anderen generischen Version von Citalopram, sei es in Form eines Enderzeugnisses oder in Form eines API, in den Markt einzutreten. In Art. 3.2 sei Merck (GUK) lediglich die Verpflichtung auferlegt worden, Blisterverpackungen mit 28 Tabletten aus 20 mg Cipramil ausschließlich bei Lundbeck zu kaufen; dieser Artikel habe GUK nicht in ihrer Freiheit eingeschränkt, Citalopram enthaltende Fertigarzneimittel, die nicht von Lundbeck stammten, oder Citalopram in irgendeiner anderen Form, beispielsweise den API Citalopram, bei jedem beliebigen Dritten zu kaufen.

553    Entgegen den Ausführungen der Kommission im angefochtenen Beschluss ergebe eine solche Auslegung Sinn, da Merck (GUK) das Cipramil von Lundbeck ohne eine solche Klausel bei Dritten, etwa Großhändlern, hätte kaufen können, was das Ziel von Lundbeck, den Gesamtabsatz mit diesem Arzneimittel im Vereinigten Königreich zu erhöhen, vereitelt hätte.

554    Außerdem werde im angefochtenen Beschluss anerkannt, dass „Merck (GUK) bei einer auf den Wortlaut abstellenden Auslegung der in diesen Bestimmungen verwendeten Ausdrücke in Art. 3.2 möglicherweise nicht tatsächlich daran gehindert worden wäre, den API Citalopram bei Dritten zu kaufen“ (781. Erwägungsgrund). Im angefochtenen Beschluss werde jedoch zu Unrecht der Schluss gezogen, dass Merck (GUK) daran gehindert worden sei, den API Citalopram bei Dritten zu kaufen, da sie keinen Anreiz gehabt habe, dies zu tun. Zum einen sei Merck (GUK) nämlich frei gewesen, nicht von Lundbeck stammendes Citalopram in Form eines Enderzeugnisses zu verkaufen, nicht aber das rechtsverletzende Citalopram von Natco, und zum anderen habe Lundbeck, auch wenn Merck (GUK) mit dem Erwerb des API Citalopram bei Dritten gegen Art. 1.3 ihrer Vereinbarung mit Schweizerhall verstoßen habe, in der sich Merck (GUK) verpflichtet habe, ihren gesamten Jahresbedarf am API Citalopram bei dieser zu decken (783. Erwägungsgrund), die erwähnte Bestimmung nicht gekannt und daher auch nicht wissen können, dass es für Merck (GUK) keinen Anreiz gegeben haben soll, den API bei Dritten zu kaufen. Jedenfalls ergebe sich das Fehlen eines Anreizes nicht aus der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich und könne folglich nicht zur Bestimmung von deren Anwendungsbereich herangezogen werden.

555    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen und weist auf Art. 3.2 der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich hin, wonach „GUK … sich damit einverstanden [erklärt, die zum Wiederverkauf durch GUK und die mit ihr verbundenen Unternehmen bestimmten Enderzeugnisse ausschließlich bei [Lundbeck] zu erwerben“. Die übliche Bedeutung dieser Bestimmung sei, dass Merck (GUK) die Enderzeugnisse lediglich bei Lundbeck erwerben könne, unter Ausschluss anderer Lieferanten. Diese Auslegung werde durch Buchst. D der Präambel bestätigt, der vorsehe, dass „die Parteien darüber hinaus vereinbart haben, dass GUK ihren Bedarf an Enderzeugnissen durch einen Erwerb bei [Lundbeck] deckt“. Die Klägerinnen hätten während des Verwaltungsverfahrens sogar anerkannt, dass sich Merck (GUK) „damit einverstanden erklärt [hat], ihren Bedarf an Citalopram zum Wiederverkauf im Vereinigten Königreich ausschließlich durch einen Erwerb bei Lundbeck zu decken“. Diese Verpflichtungen gingen jedoch eindeutig über den Schutzbereich der Patente von Lundbeck hinaus.

556    Die Kommission weist die von den Klägerinnen vorgeschlagene Auslegung, dass sich der Begriff „Enderzeugnisse“ ausschließlich auf das Cipramil von Lundbeck beziehe, zurück. Dieser Begriff werde in Art. 1.1 der Vereinbarung nämlich definiert als „Citalopram enthaltende Erzeugnisse in Form von Endverpackungen, die [Lundbeck] GUK nach Maßgabe der vorliegenden Vereinbarung bereitzustellen hat“. Die von den Klägerinnen befürwortete Auslegung mache den Begriff „ausschließlich“ redundant, da Merck (GUK) das Cipramil von Lundbeck offensichtlich nur bei Lundbeck habe kaufen können. Der Begriff „ausschließlich“ bedeute somit, dass Merck (GUK) ihren gesamten Bedarf an Citalopram in Form eines Enderzeugnisses durch einen Erwerb bei Lundbeck habe decken müssen. Außerdem sei diese Bestimmung im Licht der Absicht der Klägerinnen auszulegen, die eine unabhängige Marktpräsenz der Generikahersteller hätten verhindern wollen.

557    Was den Erwerb des API Citalopram bei Dritten angehe, sei im angefochtenen Beschluss anerkannt worden, dass es bei einer auf den Wortlaut abstellenden Auslegung von Art. 3.2 der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich zweifellos möglich gewesen wäre, den API bei Dritten zu kaufen. Im angefochtenen Beschluss sei jedoch der Schluss gezogen worden, dass Merck (GUK) in Anbetracht der Bedingungen in der Liefervereinbarung zwischen ihr und Schweizerhall von Mai 2011, die zu den Bedingungen der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich hinzugekommen seien, keinerlei Anreiz mehr gehabt habe, den API Citalopram bei Dritten zu kaufen. Selbst wenn Merck (GUK) einen nicht von Natco stammenden API gekauft hätte, um selbst ein Enderzeugnis herzustellen und zu verkaufen, wäre sie nämlich Gefahr gelaufen, die ihr aufgrund der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich obliegende Verpflichtung zu verletzen, „ihren Bedarf“ an Citalopram in Form von Enderzeugnissen ausschließlich bei Lundbeck zu „decken“.

558    In diesem Zusammenhang ist den Klägerinnen darin beizupflichten, dass der von der Kommission im angefochtenen Beschluss vorgenommenen Auslegung von Art. 3.2 der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich, wonach sich Merck (GUK) dazu verpflichtet habe, ausschließlich das von Lundbeck stammende Citalopram in Form von Enderzeugnissen zu kaufen, um diese im Vereinigten Königreich zu vermarkten, unter Ausschluss jedes anderen Citalopram, nicht gefolgt werden kann.

559    Aus der Definition des Begriffs „Enderzeugnisse“ in Art. 1.1 der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich (oben, Rn. 26) geht nämlich klar hervor, dass damit die von Lundbeck stammenden Enderzeugnisse, d. h. Cipramil, gemeint sind. Mit der erwähnten Klausel hat sich Merck (GUK) somit lediglich dazu verpflichtet, die Cipramil-Tabletten bei Lundbeck zu erwerben, um sie nach Maßgabe einer Vertriebsvereinbarung im Vereinigten Königreich weiterzuverkaufen. Der in dieser Bestimmung verwendete Begriff „ausschließlich“ bedeutet entgegen dem Vorbringen der Kommission nicht, dass sich Merck (GUK) dazu verpflichtet hätte, ausschließlich Citalopram in Form von Enderzeugnissen, die von Lundbeck stammen, zu kaufen und zu verkaufen, unter Ausschluss jedes anderen Citalopram, sondern vielmehr, dass sie sich dazu verpflichtet hatte, das zum Wiederverkauf im Vereinigten Königreich bestimmte Cipramil ausschließlich bei Lundbeck zu erwerben, unter Ausschluss anderer Lieferanten. Entgegen dem Vorbringen der Kommission im 779. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ist eine solche Auslegung nicht unlogisch, da der Begriff „ausschließlich“ in Art. 3.2 im Einklang mit dem Ziel von Lundbeck, das Absatzvolumen von Cipramil zu steigern, daher auch zum Ziel haben konnte, zu verhindern, dass sich Merck (GUK) bei Großhändlern oder anderen Lieferanten als Lundbeck Cipramil beschaffen konnte.

560    Außerdem stützt sich die Kommission zur Untermauerung ihrer Auslegung zu Unrecht auf Buchst. D der Präambel der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich, dessen Wortlaut im Wesentlichen mit Art. 3.2 der Vereinbarung identisch ist, da dort ebenfalls auf „Finished Products“ (Enderzeugnisse) mit Großbuchstaben Bezug genommen wird, die in Art. 1.1 dieser Vereinbarung klar definiert werden.

561    Wie die Kommission im 781. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses im Übrigen selbst anerkannt hat, führt eine auf den Wortlaut abstellende Auslegung von Art. 3.2 der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich zu dem Ergebnis, dass diese Bestimmung Merck (GUK) nicht daran hinderte, sich bei Dritten mit Citalopram in Form eines API zu versorgen.

562    Art. 2.2 der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich sieht nämlich nur vor, dass sich Merck (GUK) dazu verpflichtet, ihre gesamten „Erzeugnisse“, die in Art. 1.1 der Vereinbarung als „in Form eines Ausgangsstoffs, als Schüttgüter oder in Form nach Maßgabe der von GUK zum Zeitpunkt der Unterzeichnung [der Vereinbarung] vorgelegten und als Anhang 2 beigefügten Produktspezifikation hergestellter Tabletten im Sinne des Anhangs entwickelte Erzeugnisse aus Citalopram“ definiert sind, an Lundbeck zu liefern. Dieser Anhang nimmt tatsächlich auf den API von Natco Bezug. Das bedeutet, dass Merck (GUK) nach der genannten Bestimmung lediglich verpflichtet war, ihren zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Vereinbarung bereits vorhandenen Lagerbestand an Citalopram zu liefern, und nicht irgendeine andere Art von generischem Citalopram, das von anderen Herstellern als Natco stammte und das sie sich später hätte beschaffen können. Die Kommission räumt – u. a. im 763. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses – im Übrigen ein, dass diese Verpflichtung lediglich den API von Natco betraf.

563    Im 783. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses vertritt die Kommission gleichwohl die Ansicht, dass, wenn sich Merck (GUK) bei Dritten mit Citalopram in Form eines API versorgt hätte, sie damit gegen Art. 1.3 ihrer Liefervereinbarung mit Schweizerhall verstoßen hätte, wonach Merck (GUK) 100 % ihres Jahresbedarfs an generischem Citalopram bei dieser decken sollte (oben, Rn. 210). Die Kommission befindet in Fn. 1435 des angefochtenen Beschlusses daher, dass, auch wenn Merck (GUK) nach Maßgabe der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich formal mit aus anderen Quellen als Natco stammendem generischem Citalopram in den Markt habe eintreten können, dies aufgrund der Schweizerhall-Vereinbarung nicht möglich gewesen sei. Diese beiden Vereinbarungen, so die Kommission, verstärkten sich gegenseitig, so dass sie im Zusammenhang zu sehen seien.

564    Mit den Klägerinnen ist jedoch festzustellen, dass, selbst wenn unterstellt wird, dass sie von der Merck (GUK) nach Maßgabe der Liefervereinbarung mit Schweizerhall obliegenden Verpflichtung wussten, sich ausschließlich bei Natco mit generischem Citalopram zu versorgen, sich diese Verpflichtung nicht aus den Bestimmungen der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich ergibt, sondern aus der Schweizerhall-Vereinbarung.

565    Die Kommission kann sich bei der Bestimmung des Inhalts der Klauseln der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich, insbesondere bei der Prüfung, ob diese Klauseln Beschränkungen enthielten, die über den Schutzbereich der Patente von Lundbeck hinausgingen oder nicht, aber nicht auf die Bestimmungen einer anderen Vereinbarung stützen, an der nicht dieselben Parteien beteiligt sind. Eine solche Auslegung würde es nämlich erlauben, jede beliebige Art von Vereinbarung mit Merck (GUK), die Beschränkungen für den – von den Parteien der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich gleichwohl als potenziell rechtsverletzend eingestuften – API von Natco enthält, aufgrund der sich aus der früher und von anderen Parteien geschlossenen Schweizerhall-Vereinbarung ergebenden Alleinbezugsverpflichtung als über den Schutzbereich der Patente von Lundbeck hinausgehend anzusehen.

566    Selbst wenn Lundbeck möglicherweise von der Existenz der Schweizerhall-Vereinbarung wusste, konnte sich die Kommission daher nicht auf diesen Umstand stützen, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass Art. 3.2 der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich als solcher darauf abzielte, Merck (GUK) an einem Markteintritt mit jeder beliebigen Art von Citalopram zu hindern, unabhängig davon, ob es von Natco stammte oder nicht und von den Parteien für potenziell rechtsverletzend gehalten wurde oder nicht.

567    Die streitigen Vereinbarungen sind zwar, wie die Kommission geltend macht, unter Berücksichtigung nicht nur ihres Wortlauts, sondern auch ihres Kontexts und der mit ihnen verfolgten Ziele auszulegen. Eine solche Auslegungsmethode kann jedoch nicht dazu führen, dass die Kommission den Wortlaut der Bestimmungen einer Vereinbarung außer Acht lässt, wenn dieser hinreichend klar ist.

568    In diesem Zusammenhang ist im Übrigen festzustellen, dass die Kommission im 635. Erwägungsgrund und in Fn. 1562 des angefochtenen Beschlusses sowie in Beantwortung einer Frage des Gerichts selbst vorgetragen hat, die Schweizerhall-Vereinbarung hätte im Fall einer Verletzung der Patente von Lundbeck gekündigt werden können (siehe oben, Rn. 224). Eine solche Auslegung der Schweizerhall-Vereinbarung ist jedoch schwerlich mit der von der Kommission im angefochtenen Beschluss vorgeschlagenen Auslegung der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich vereinbar, wonach die Beschränkungen deshalb über den Schutzbereich der Patente von Lundbeck hinausgingen, weil Merck (GUK) aufgrund der Schweizerhall-Vereinbarung verpflichtet gewesen sei, sich ausschließlich bei dieser mit generischem Citalopram zu versorgen. Die Tatsache, dass Merck (GUK) möglicherweise nicht die Absicht hatte, Citalopram zu kaufen, das nicht von Natco hergestellt worden war, bedeutet nämlich nicht, dass die GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich solche über den Schutzbereich der Patente von Lundbeck hinausgehende Beschränkungen enthielt.

569    Demnach ist festzustellen, dass die Kommission, der insoweit die Beweislast obliegt (oben, Rn. 105 bis 112), im angefochtenen Beschluss rechtlich nicht hinreichend nachgewiesen hat, dass die in der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich enthaltenen Beschränkungen über den Schutzbereich der Patente von Lundbeck hinausgingen, d. h., dass solche Beschränkungen von Lundbeck vor einem auf dem Gebiet des Patentrechts zuständigen Richter nicht hätten erwirkt werden können, falls die auf dem API von Natco basierenden generischen Erzeugnisse, die Merck (GUK) zu vermarkten beabsichtigte, für rechtsverletzend gehalten worden wären und die Patente etwaigen Widerklagen auf Feststellung ihrer Ungültigkeit standgehalten hätten.

570    Diese Feststellung kann im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses jedoch keine Folgen haben, da die von den Klägerinnen vorgebrachte Rüge aus den nachstehend dargelegten Gründen ins Leere geht.

571    Erstens ist festzustellen, dass die Klägerinnen weder bestreiten, dass sich Merck (GUK) gemäß Art. 1.1 der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich dazu verpflichtet hatte, mit ihren auf dem API von Natco basierenden generischen Erzeugnissen nicht in den Markt einzutreten, dass sich diese nach den Art. 2.2 und 2.3 dieser Vereinbarung dazu verpflichtet hatte, ihnen den gesamten von ihr angelegten Vorrat an Citalopram zu liefern (Erwägungsgründe 771 und 772 des angefochtenen Beschlusses), und dass sie im Gegenzug für diese Verpflichtung einen Betrag von 3 Mio. GBP an Merck (GUK) gezahlt haben (oben, Rn. 26). Ebenso wenig bestreiten die Klägerinnen, dass sich Merck (GUK) gemäß Art. 2.7 der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich dazu verpflichtet hatte, während der Laufzeit dieser Vereinbarung keine Kopien ihrer bereits im Vereinigten Königreich erhaltenen Zulassungen zu überlassen oder zu lizenzieren.

572    Wie die Kommission geltend macht, sind aber solche Verpflichtungen jedenfalls ihrem Zweck nach wettbewerbswidrig, unabhängig davon, ob sie über den Schutzbereich der Patente von Lundbeck hinausgehen oder nicht, da sie keineswegs einen Patentstreit zwischen den Parteien der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich beilegen, sondern im Gegenzug für umgekehrte Zahlungen in nicht unerheblicher Höhe erlangt worden sind und das Ziel verfolgten, Merck (GUK) – und jedes Unternehmen, das möglicherweise beabsichtigte, von deren Zulassung Gebrauch zu machen – daran zu hindern, während der gesamten Laufzeit der Vereinbarung mit ihren auf dem API von Natco basierenden generischen Erzeugnissen, auf die sie bis dahin ihre gesamte Marktzutrittsstrategie gestützt hatte, in den Markt einzutreten.

573    Wie die Kommission – u. a. in den Erwägungsgründen 641 und 820 des angefochtenen Beschlusses – hervorgehoben hat, ist in diesem Zusammenhang von Belang, dass die GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich die Unsicherheit hinsichtlich des Ausgangs etwaiger Verletzungsklagen in die Gewissheit umgewandelt hat, dass Merck (GUK) während der gesamten Laufzeit dieser Vereinbarung mit ihren generischen Erzeugnissen nicht in den Markt eintreten würde, obwohl sich die Beschränkungen der Geschäftsautonomie von Merck (GUK) nicht ausschließlich aus einer Prüfung der Patente von Lundbeck durch die Parteien der Vereinbarung, sondern vielmehr aus dem Umfang der umgekehrten Zahlung ergaben, die hier diese Beurteilung verdrängt und dem Generikahersteller einen Anreiz dafür geboten hat, sich nicht weiter um den Markteintritt zu bemühen.

574    Zweitens ist ergänzend zu bemerken, dass Merck (GUK), wie die Kommission – u. a. im 784. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses – zu Recht feststellt, aufgrund der Bestimmungen der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich – in ihrem Zusammenhang betrachtet – keinerlei Anreiz mehr hatte, sich Citalopram in Form eines API bei Dritten zu beschaffen oder nicht von Lundbeck stammendes Citalopram in Form von Enderzeugnissen zu verkaufen, auch wenn ihr dies nach Maßgabe dieser Vereinbarung grundsätzlich freistand.

575    Zunächst ist nämlich darauf hinzuweisen, dass sich Merck (GUK) in Art. 3.2 der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich dazu verpflichtet hatte, während der Laufzeit der Vereinbarung Cipramil von Lundbeck im Vereinigten Königreich zu verkaufen, und der Verkauf einer bestimmten Menge dieser Arzneimittel im Vereinigten Königreich während der Laufzeit der Vereinbarung gemäß deren Art. 6.2 Voraussetzung für die Zahlung eines als „Nettogewinn“ bezeichneten Betrags von 5 Mio. GBP war. Außerdem ist zu beachten, dass dieser Betrag in mehreren Tranchen zu zahlen war, was es Lundbeck ermöglichte, sich von der ordnungsgemäßen Durchführung der Vereinbarung zu überzeugen.

576    Daher hatte Merck (GUK), auch wenn sie sich theoretisch gesehen generisches Citalopram in Form eines API bei Dritten hätte beschaffen und andere Arten von Enderzeugnissen als die von Lundbeck hätte verkaufen können, an einem solchen Vorgehen keinerlei Interesse, da sie gemäß Art. 6.2 der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich ohne das geringste Risiko einen Betrag von 5 Mio. GBP als garantierten Gewinn für den Verkauf von Cipramil erzielen konnte, während jeder Versuch eines Markteintritts mit anderen generischen Erzeugnissen sie Verletzungs- und Schadensersatzklagen seitens Lundbeck hätte aussetzen können. Außerdem ist, wie die Kommission im 784. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses geltend macht, nur schwer erkennbar, welches Interesse Dritte daran gehabt haben sollen, über Merck (GUK) generisches Citalopram in Form eines API zu kaufen, um es in Form von Enderzeugnissen im Vereinigten Königreich weiterzuverkaufen, wenn sie es sich direkt beim API-Hersteller oder bei ihrem bevorzugten Lieferanten beschaffen konnten.

577    Folglich ist das Vorbringen der Klägerinnen, die Kommission sei zu Unrecht zu dem Schluss gelangt, dass die GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich den Absatz mit Citalopram eingeschränkt habe, das nicht aus dem API von Natco hergestellt worden sei, als ins Leere gehend zurückzuweisen.

2.     GUK-Vereinbarung für den EWR

578    In Bezug auf die GUK-Vereinbarung für den EWR vertreten die Klägerinnen die Auffassung, im angefochtenen Beschluss werde zu Unrecht der Schluss gezogen, dass der Anwendungsbereich dieser Vereinbarung nicht rechtsverletzendes Citalopram einschließe und Natco als API-Lieferanten habe ausschalten sollen.

579    Als Erstes meinen die Klägerinnen, im angefochtenen Beschluss werde zu Unrecht der Schluss gezogen, dass die GUK-Vereinbarung für den EWR auf jede beliebige Art von Citalopram anwendbar sei. Im angefochtenen Beschluss werde zu Unrecht eine wörtliche Auslegung von Art. 1.1 der GUK-Vereinbarung für den EWR vorgenommen, der vorsehe, dass GUK „den Verkauf und die Lieferung Citalopram enthaltender Arzneimittel einstellen [wird]“, obwohl sich die Auslegung von Vereinbarungen nach dänischem Recht, dem auf diese Vereinbarung anwendbaren Recht, auf die gemeinsame Absicht der Parteien stützen müsse. Wie durch die Buchst. D, F und G der Präambel der Vereinbarung bestätigt werde, sei die Absicht der Parteien jedoch dahin gegangen, dass diese Vereinbarung nur für das auf dem API von Natco basierende Citalopram gelten solle. Außerdem sei die besagte Vereinbarung im Zusammenhang und im Einklang mit der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich auszulegen, da diese beiden Vereinbarungen nach Ansicht der Kommission eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung darstellten.

580    Bei der von der Kommission vorgenommenen Auslegung von Art. 1.1 der GUK-Vereinbarung für den EWR sei ebenso wenig dem Umstand Rechnung getragen worden, dass Merck dura, eine deutsche Tochtergesellschaft von Merck, ab dem 15. April 2002 und während der gesamten Laufzeit der GUK-Vereinbarung für den EWR weiterhin Citalopram von Tiefenbacher in Deutschland verkauft und Lundbeck gegen Merck dura eine Verletzungsklage erhoben habe, anstatt die Einhaltung der besagten Vereinbarung durchzusetzen. Gemäß deren Art. 1.1, der ein Verbot für Merck (GUK) vorsehe, Citalopram enthaltende Erzeugnisse zu verkaufen und zu liefern, sei Merck dura jedoch ein mit Merck (GUK) „verbundenes Unternehmen“ im Sinne dieser Bestimmung , was bedeute, dass sich der Ausdruck „Citalopram enthaltende Erzeugnisse“ nur auf das Citalopram von Natco beziehen könne und nicht auf jede beliebige Art von Citalopram.

581    Schließlich beanstanden die Klägerinnen die im 845. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses gezogene Schlussfolgerung der Kommission, dass aus der bloßen Tatsache, dass Merck (GUK) einen Vertrag geschlossen habe, aufgrund dessen sie ihren Gesamtbedarf bis 2008 bei Natco decken müsse, nicht zwingend folge, dass ihre Verpflichtung, während der Laufzeit der GUK-Vereinbarung für den EWR kein Citalopram zu verkaufen, ebenfalls auf das Citalopram von Natco beschränkt sein müsse. Diese Schlussfolgerung widerspreche eindeutig den Ausführungen zur GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich im angefochtenen Beschluss, wonach die vertragliche Verpflichtung von Merck (GUK), ihren Gesamtbedarf bei Natco zu decken, belege, dass Merck (GUK) keinen Anreiz gehabt habe, den API von Dritten oder darauf basierende Enderzeugnisse zu verkaufen.

582    Als Zweites sind die Klägerinnen der Ansicht, im angefochtenen Beschluss sei zu Unrecht der Schluss gezogen worden, dass die mit Merck (GUK) geschlossene Vereinbarung für den EWR darauf abgezielt habe, Natco als API-Anbieter auszuschalten.

583    Sie bestreiten, dass Art. 1.1 der GUK-Vereinbarung für den EWR, wonach Merck (GUK) „alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen [wird], um sicherzustellen, dass Natco die Lieferung von Citalopram und Citalopram enthaltender Arzneimittel im Gebiet einstellt“, darauf angelegt gewesen sei, Natco als API-Anbieter auszuschalten. Diese Bestimmung sei lediglich ein Werkzeug gewesen, mit dem habe gewährleistet werden sollen, dass Merck (GUK) die besagte Vereinbarung nicht umgehen und auf dem API von Natco basierendes rechtsverletzendes Citalopram – beispielsweise über eine separate Gesellschaft – verkaufen könne. Sie sei auf die Tatsache zurückzuführen, dass Lundbeck zumindest bis Juni 2002 – zu Unrecht – angenommen habe, dass es sich bei Merck (GUK) um den Alleinvertriebshändler von Natco handle. Im Übrigen müsse, wenn die Kommission in Bezug auf die GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich anerkenne, dass die Beschränkungen für den API von Natco nicht außerhalb des Schutzbereichs der Patente von Lundbeck lägen, das Gleiche für die vertraglichen Beschränkungen in der GUK-Vereinbarung für den EWR gelten.

584    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

585    Der Wortlaut von Art. 1.1 Satz 1 der GUK-Vereinbarung für den EWR sieht in diesem Zusammenhang ohne nähere Erläuterung vor, dass sich Merck (GUK) dazu „verpflichtet, während der Laufzeit der Vereinbarung den Verkauf und die Lieferung Citalopram enthaltender Arzneimittel im Gebiet des EWR einzustellen (Verkauf und Lieferung an die NM Pharma AB ohne Einschränkung inbegriffen)“.

586    Die Buchst. D und E der Präambel dieser Vereinbarung nehmen zwar auf die Tatsache, dass es sich bei Merck (GUK) um den Vertriebshändler von Erzeugnissen handelte, die von Natco hergestelltes oder geliefertes Citalopram enthielten, sowie auf den Umstand Bezug, dass Merck (GUK) im Vereinigten Königreich Citalopram enthaltende Erzeugnisse ohne Lizenz von Lundbeck verkauft und geliefert hatte.

587    Dies kann jedoch nicht als Bestätigung für die von den Klägerinnen gewählte Auslegung angesehen werden, dass Art. 1.1 der GUK-Vereinbarung für den EWR ausschließlich das Citalopram von Natco betreffe.

588    Hätten die Parteien der GUK-Vereinbarung für den EWR lediglich das Citalopram von Natco erfassen wollen, hätten sie in Art. 1.1 der Vereinbarung – ebenso wie in deren Präambel – nämlich ausdrücklich auf dieses Citalopram Bezug genommen und nicht allgemein auf „Citalopram enthaltende Arzneimittel“, wie die Kommission zu Recht geltend macht. Auch hätten sie den Begriff „Citalopram“ auf eine Art und Weise definieren können, die klarstellt, dass dieser Begriff nur bestimmte, nach bestimmten Verfahren hergestellte Arten von Citalopram erfassen sollte, wie im Rahmen der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich geschehen (siehe oben, Rn. 562).

589    Außerdem ist die von den Klägerinnen vorgeschlagene Auslegung wenig plausibel, wenn sie dem Wortlaut von Art. 1.3 der GUK-Vereinbarung für den EWR gegenübergestellt wird, der vorsieht, dass Lundbeck sich dazu verpflichtet, gerichtlich nicht gegen Merck (GUK) vorzugehen, solange diese Art. 1.1 der Vereinbarung beachtet. Würde der Auslegung der Klägerinnen gefolgt, würde das nämlich bedeuten, dass sich Lundbeck dazu verpflichtet hätte, keine Verletzungsklage gegen Merck (GUK) zu erheben, solange diese davon absah, das Citalopram von Natco innerhalb des EWR zu verkaufen oder zu liefern, und sogar dann, wenn sie eine andere, von einem anderen Hersteller stammende Version von Citalopram verkaufen würde. Dies ist schwerlich mit dem Kontext zu vereinbaren, in dem die streitigen Vereinbarungen geschlossen worden sind und der u. a. davon zeugt, dass Lundbeck die feste Absicht hatte, jeglichen Markteintritt der Generika zu verhindern.

590    Die Klägerinnen machen gleichwohl geltend, Merck dura, eine deutsche Tochtergesellschaft von Merck (GUK), habe in den deutschen Markt für Citalopram eintreten können, obwohl sie ein verbundenes Unternehmen im Sinne von Art. 1.1 der GUK-Vereinbarung für den EWR sei, was bedeute, dass sich der in diesem Artikel verwendete Ausdruck „Citalopram enthaltende Erzeugnisse“ nur auf das Citalopram von Natco und nicht auf jede Art von Citalopram beziehen könne.

591    Mit der Kommission ist jedoch festzustellen, dass Art. 1.1 der Vereinbarung für den EWR, ebenso wie der Rest der Vereinbarung, aufgrund der relativen Wirkung dieses Vertrags ausschließlich für Merck (GUK) galt, so dass die Merck (GUK) obliegende Verpflichtung, ihren verbundenen Unternehmen kein generisches Citalopram zu verkaufen, nicht bedeutet, dass sich diese verbundenen Unternehmen, wie Merck dura, nicht aus einer anderen Quelle versorgen und selbst generisches Citalopram verkaufen konnten, wie es Merck dura im vorliegenden Fall tat, indem sie sich bei Tiefenbacher versorgte. Weder aus der Tatsache, dass Merck dura während der Laufzeit der Vereinbarung für den EWR in den deutschen Markt eingetreten ist, noch aus dem Umstand, dass die Klägerinnen Verletzungsklagen gegen sie erhoben haben, lässt sich daher ableiten, dass der in Art. 1.1 dieser Vereinbarung verwendete Ausdruck „Citalopram enthaltende Erzeugnisse“ nicht jede Art von Citalopram betraf, sondern lediglich das Citalopram von Natco.

592    Indem er Merck (GUK) dazu verpflichtete, ihren verbundenen Unternehmen oder einer Drittpartei (einschließlich NM Pharma, die mit dem Verkauf von Citalopram in Schweden begonnen hatte) während der gesamten Laufzeit der GUK-Vereinbarung für den EWR keine Citalopram enthaltenden Erzeugnisse zu verkaufen oder zu liefern, enthielt Art. 1.1 dieser Vereinbarung daher Beschränkungen, die über den Schutzbereich der Patente von Lundbeck hinausgingen, da die besagte Verpflichtung nicht auf Citalopram beschränkt war, das die Parteien der genannten Vereinbarung für potenziell rechtsverletzend hielten.

593    Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass Art. 1.1 der GUK-Vereinbarung für den EWR Merck (GUK) nicht nur dazu verpflichtete, während der gesamten Laufzeit dieser Vereinbarung keine Citalopram enthaltenden Erzeugnisse zu verkaufen oder zu liefern, sondern auch dazu, alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um sicherzustellen, dass Natco während der Laufzeit der Vereinbarung die Lieferung von Citalopram und Citalopram enthaltenden Erzeugnissen in das EWR-Gebiet einstellt.

594    Nichts deutet aber darauf hin, dass damit nur eine unbedeutende oder überhaupt keine Verpflichtung eingegangen wurde oder dass diese Verpflichtung auf der falschen Annahme der Klägerinnen beruhte, dass Merck (GUK) der Alleinvertriebshändler von Natco sei. Wie die Kommission geltend gemacht hat, hielten die Parteien diese Klausel der Vereinbarung nämlich für wichtig genug, um Voraussetzung für die Zahlung eines Betrags von 12 Mio. Euro zu sein. Darüber hinaus sah Art. 1.2 der GUK-Vereinbarung für den EWR ausdrücklich vor, dass Lundbeck nicht verpflichtet sein würde, die noch nicht fällig gewordenen Zahlungen vorzunehmen, falls Natco während der Laufzeit der Vereinbarung Citalopram oder Citalopram enthaltende Erzeugnisse in das EWR-Gebiet liefert.

595    Auch wenn Merck (GUK) Natco nicht daran hindern konnte, Citalopram in das EWR-Gebiet zu liefern, wie die Klägerinnen geltend machen, stellte Art. 1.1 der GUK-Vereinbarung für den EWR daher gleichwohl einen starken Anreiz für Merck (GUK) dar, alle erforderlichen Schritte und „alle zumutbaren Anstrengungen“ in diesem Sinne zu unternehmen, weil sie andernfalls einen wesentlichen Teil der von Lundbeck nach Maßgabe dieser Vereinbarung versprochenen Zahlungen nicht erhalten würde.

596    Dies zeigt, wie die Kommission im 848. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu Recht festgestellt hat, dass das objektive Ziel der GUK-Vereinbarung für den EWR nicht lediglich darin bestand, Merck (GUK) als Verkäufer von auf dem Citalopram von Natco basierenden generischen Erzeugnissen von den Märkten des EWR auszuschließen, sondern auch darin, Natco als Hersteller von generischem Citalopram in diesem Gebiet auszuschalten.

597    Daher ist festzustellen, dass sich Merck (GUK), wie aus dem Inhalt der GUK-Vereinbarung für den EWR, in ihrem Kontext gesehen, hinreichend hervorgeht, nach Maßgabe der Klauseln dieser Vereinbarung jeder Möglichkeit begeben hat, ihre generische Version von Citalopram zu verkaufen, unabhängig davon, ob dieses von Natco stammte oder nicht und ob es möglicherweise ein Patent von Lundbeck verletzte oder nicht.

598    Folglich stellt die Kommission im 846. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses rechtsfehlerfrei fest, die GUK-Vereinbarung für den EWR, insbesondere Art. 1.1 dieser Vereinbarung, sei dahin auszulegen, dass sie Merck (GUK) dazu verpflichtet habe, während der Laufzeit der Vereinbarung den Verkauf und die Lieferung jeder Art von Citalopram im gesamten EWR-Gebiet einzustellen, was über den Schutzbereich der Patente von Lundbeck hinausgehe.

599    Wie die besagte Vereinbarung auch immer ausgelegt wird und unabhängig davon, ob sich die Merck (GUK) auferlegten Beschränkungen aus dem Schutzbereich der Patente von Lundbeck ergeben oder nicht, verfolgen diese Beschränkungen jedenfalls trotz allem einen wettbewerbswidrigen Zweck, da nicht nachgewiesen ist, dass das von Natco hergestellte Citalopram eines dieser Patente verletzte, da Merck (GUK) ausdrücklich bestritten hatte, dass ihre generischen Erzeugnisse rechtsverletzend seien (vgl. Buchst. G der Präambel der GUK-Vereinbarung für den EWR), und da die Beschränkungen ihrer Geschäftsautonomie durch umgekehrte Zahlungen in nicht unerheblicher Höhe veranlasst worden waren, die dafür die Gegenleistung darstellten (siehe oben, Rn. 572 und 573).

600    Wie die Kommission im 847. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses weiter feststellt, enthielten die streitigen Vereinbarungen außer den von Lundbeck versprochenen umgekehrten Zahlungen keine Gegenleistung für die fraglichen Beschränkungen, etwa die Möglichkeit für Merck (GUK), unmittelbar nach Ablauf dieser Vereinbarungen in den Markt einzutreten, ohne Verletzungsklagen seitens Lundbeck zu befürchten zu haben, so dass sie nicht darauf abzielten, einen wie auch immer gearteten Patentstreit beizulegen.

601    Folglich ist die Rüge der Klägerinnen, dass die GUK-Vereinbarung für den EWR keine Beschränkung enthalte, die über den Schutzbereich der Patente von Lundbeck hinausgehe, als ins Leere gehend oder jedenfalls als unbegründet zurückzuweisen.

3.     Arrow-UK-Vereinbarung

602    Die Klägerinnen tragen vor, die Kommission habe einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie die Arrow-UK-Vereinbarung dahin ausgelegt habe, dass sie Arrow daran hindere, während der Laufzeit dieser Vereinbarung, die lediglich Citalopram betreffe, das ihre Patente verletze, jedwede Form von generischem Citalopram zu verkaufen. Dies werde durch den Wortlaut der genannten Vereinbarung und die ihren Abschluss begleitenden Umstände, darunter u. a. das Bestehen eines Patentstreits mit Arrow und den Lagap-Rechtsstreit, belegt.

603    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

604    Als Erstes stellen die Klägerinnen in Abrede, dass sich der im vierten Erwägungsgrund der Arrow-UK-Präambel definierte und in Art. 1.1 der Arrow-UK-Vereinbarung verwendete Ausdruck „besagtes Citalopram“ (siehe oben, Rn. 35 zweiter und sechster Gedankenstrich) auf jede Art von Citalopram beziehe, das Arrow bei Tiefenbacher hätte kaufen können. Dieser Ausdruck betreffe vielmehr lediglich rechtsverletzendes Citalopram, das Arrow bereits bei Tiefenbacher gekauft oder bestellt habe.

605    Die Klägerinnen sehen ihre für diesen Ausdruck vorgeschlagene Auslegung zum einen durch die im sechsten Erwägungsgrund der Arrow-UK-Präambel (siehe oben, Rn. 35 dritter Gedankenstrich) angeführte Tatsache bestätigt, dass „besagtes Citalopram“ Labortests unterzogen worden sei, und zum anderen durch den Verweis in Art. 1.1 der Arrow-UK-Vereinbarung auf ein Verbot, u. a. „besagtes Citalopram“ nach dem in Art. 3.4 der Arrow-UK-Vereinbarung festgelegten Liefertermin (siehe oben, Rn. 35 letzter Gedankenstrich) (im Folgenden: zweiter Liefertermin) einzuführen, nicht in Frage gestellt. Dieser Verweis beziehe sich nämlich nur auf den in Art. 1.1 der Arrow-UK-Vereinbarung verwendeten Ausdruck „irgendein anderes Citalopram“. Jedenfalls habe Arrow sogar nach dem zweiten Liefertermin noch über bei Tiefenbacher bestellte Citalopram-Tabletten verfügt, die den Klägerinnen nicht ausgehändigt worden seien.

606    Art. 1.1 der Arrow-UK-Vereinbarung lautet:

„Arrow [UK] verpflichtet sich in eigenem Namen sowie im Namen aller assoziierten und verbundenen Unternehmen, während der [Laufzeit der Arrow-UK-Vereinbarung] und im Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs weder 1) das besagte Citalopram noch 2) irgendein anderes Citalopram, das nach Auffassung von Lundbeck deren Rechte [des geistigen Eigentums] verletzt, herzustellen, zu veräußern, zum Kauf anzubieten, zu verwenden oder – nach dem zweiten Liefertermin – einzuführen oder im Hinblick auf seine Veräußerung oder zu anderen Zwecken aufzubewahren, und, um Lundbeck die Feststellung einer Verletzung zu ermöglichen, dieser während der [Laufzeit der Arrow-UK-Vereinbarung] eine ausreichende Anzahl von Proben zu Prüfungszwecken zu liefern, und zwar spätestens einen Monat vor jeder drohenden Herstellung, jeder drohenden Einfuhr, jedem drohenden Verkauf oder jedem drohenden Angebot zum Kauf bis zu einer endgültigen, rechtskräftigen Entscheidung über [die Verletzungsklage gegen Arrow] …“

607    Zur Auslegung des Ausdrucks „besagtes Citalopram“ in Art. 1.1 der Arrow-UK-Vereinbarung ist Folgendes zu berücksichtigen:

–        Dieser Ausdruck ist eine im vierten Erwägungsgrund der Arrow-UK-Präambel wie folgt festgelegte Kurzbezeichnung: „Arrow [UK] hat bei einer Drittpartei eine Lizenz für die Einfuhr von Citalopram in das Vereinigte Königreich erhalten, das nicht von Lundbeck oder mit deren Zustimmung hergestellt worden ist (‚besagtes Citalopram‘; um jeden Zweifel auszuschließen, umfasst diese Definition lediglich Citalopram, das zum Marketing und Verkauf im Vereinigten Königreich bestimmt ist, unter Ausschluss von Citalopram, das zum Marketing und Verkauf in anderen Ländern bestimmt ist)“;

–        aus Art. 3.4 der Arrow-UK-Vereinbarung geht hervor, dass es sich bei dem in deren Art. 1.1 erwähnten „zweiten Liefertermin“ um den Tag handelt, an dem Arrow UK Lundbeck die zweite Tranche ihres Lagerbestands an dem „besagtem Citalopram“ liefern musste, und dass diese Lieferung spätestens am 15. Februar 2002 zu erfolgen hatte.

608    In den Erwägungsgründen 905, 910 bis 913 und 916 des angefochtenen Beschlusses vertritt die Kommission die Ansicht, der Ausdruck „besagtes Citalopram“ sei dahin auszulegen, dass er nicht nur Citalopram betreffe, das Arrow bereits bei Tiefenbacher gekauft habe, sondern auch jedes Citalopram, das sie später bei diesem Unternehmen kaufen könne, und zwar selbst dann, wenn der verwendete API bereits nach dem Cipla‑II- oder dem Matrix‑II-Verfahren hergestellt werde. Zu diesem Zweck stützt sich die Kommission auf den Verweis in Art. 1.1 der Arrow-UK-Vereinbarung auf die Zeit nach dem „zweiten Liefertermin“ im Sinne von Art. 3.4 der Arrow-UK-Vereinbarung, was dagegen spreche, dass mit dem Ausdruck „besagtes Citalopram“ lediglich das bereits im Lager von Arrow befindliche Citalopram gemeint sei, sowie auf den Wortlaut des vierten Erwägungsgrundes der Arrow-UK-Vereinbarung, aus dem sich ergebe, dass „besagtes Citalopram“ jedes von Tiefenbacher hergestellte und von deren Zulassung erfasste Citalopram sei.

609    Vor diesem Hintergrund ist zu beachten, dass eine der in Art. 1.1 der Arrow-UK-Vereinbarung vorgesehenen Verpflichtungen darin besteht, es Arrow zu untersagen, „besagtes Citalopram“ nach dem in Art. 3.4 dieser Vereinbarung genannten zweiten Liefertermin einzuführen oder aufzubewahren. Diese Verpflichtung hat einen Sinn und entfaltet eine praktische Wirksamkeit nur dann, wenn der erwähnte Ausdruck auch Citalopram erfasst, das zwar von Tiefenbacher stammt, von Arrow aber nach dieser Lieferung bestellt würde. Insoweit lässt nichts im Wortlaut dieser Klausel den Schluss zu, dass die vorerwähnte Verpflichtung nicht „besagtes Citalopram“ betrifft, sondern nur „irgendein anderes Citalopram, das nach Auffassung von Lundbeck deren Rechte [des geistigen Eigentums] verletzt“.

610    Auch die dem Ausdruck „besagtes Citalopram“ entsprechende Definition im vierten Erwägungsgrund der Arrow-UK-Präambel ist in einem Wortlaut abgefasst, der sich nicht dahin auslegen lässt, als betreffe er nur Citalopram, das Arrow bereits bei Tiefenbacher gekauft hatte. Wie sich diesem Erwägungsgrund entnehmen lässt, war nämlich jedes von der Zulassung erfasste Citalopram, über das Tiefenbacher verfügte, in der dem Ausdruck „besagtes Citalopram“ entsprechenden Definition enthalten. Die genannte Zulassung galt jedoch für nach dem Cipla‑I- und dem Matrix‑I-Verfahren hergestelltes Citalopram, unabhängig davon, dass die im Lager von Arrow befindlichen Tabletten ausschließlich nach dem Cipla‑I-Verfahren hergestellt worden waren.

611    Auch wenn der Antragsteller oder der Inhaber einer Zulassung bei der Verwaltung, die diese Zulassung zu erteilen oder erteilt hat, Änderungen beantragen kann, um den Umfang der Zulassung auch auf andere Verfahren auszuweiten, tragen die Klägerinnen gleichwohl zu Recht vor, nichts im betreffenden Erwägungsgrund lasse den Schluss zu, dass die Parteien der Arrow-UK-Vereinbarung bei der Definition des Begriffs „besagtes Citalopram“ auch den API Citalopram gemeint haben, der nach dem Cipla‑II- und dem Matrix‑II-Verfahren, die nicht von der im erwähnten Erwägungsgrund genannten „Lizenz“ erfasst wurden, hergestellt worden war. Diese Verfahren hätten nämlich erst nach einer Änderung der Zulassung von Tiefenbacher erfasst werden können.

612    Schließlich wird diese Auslegung nicht durch den von der Kommission angeführten Umstand in Frage gestellt, dass der Ausdruck „besagtes Citalopram“ in der Arrow-Konsensverfügung (oben, Rn. 36) durch den Ausdruck „nicht von Lundbeck oder mit deren Zustimmung hergestelltes Citalopram“ ersetzt worden ist. Die Konsensverfügung ist nämlich, obwohl sie nach Abschluss der Arrow-UK-Vereinbarung ergangen ist, ein von dieser zu unterscheidendes Rechtsinstrument.

613    Folglich ist unter dem Ausdruck „besagtes Citalopram“ jedes von Tiefenbacher nach den von Cipla oder Matrix verwendeten Verfahren hergestellte generische Citalopram zu verstehen, das Arrow zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Arrow-UK-Vereinbarung bereits gekauft hatte oder anschließend hätte kaufen können und das von der Zulassung von Tiefenbacher erfasst war.

614    Als Zweites meinen die Klägerinnen, der in Art. 1.1 der Arrow-UK-Vereinbarung verwendete Ausdruck „irgendein anderes Citalopram, das nach Auffassung von Lundbeck deren Rechte [des geistigen Eigentums] verletzt“, verleihe ihnen kein Widerspruchsrecht, da sie nicht lediglich die nicht rechtsverletzende Natur des Citalopram hätten geltend machen können, dessen Verwendung Arrow hätte anstreben können, sondern über das in diesem Artikel vorgesehene Stichprobenverfahren den Beweis für die Verletzung ihrer Patente hätten erbringen müssen, was im Einklang mit dem oben in Rn. 240 erwähnten Paroxetine-Urteil stehe. In diesem Zusammenhang heben die Klägerinnen hervor, dass die Arrow-UK-Vereinbarung Arrow nicht daran hindere, vor den zuständigen Gerichten ihr etwaiges Vorbringen zu bestreiten, dass das Citalopram, dessen Verwendung Arrow hätte anstreben können, ihre Patente verletze.

615    Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission u. a. in den Erwägungsgründen 917 und 922 bis 924 des angefochtenen Beschlusses davon ausgeht, dass der in Rede stehende Ausdruck es Lundbeck ermögliche, der Einfuhr oder dem Verkauf von Citalopram durch Arrow zu widersprechen, unabhängig davon, nach welchem Verfahren es hergestellt worden sei, da sich Lundbeck auf die Feststellung beschränken könne, sie halte ihre Rechte des geistigen Eigentums durch ein bestimmtes Verfahren für verletzt. Die Kommission stellt darüber hinaus fest, dass das in Art. 1.1 der Arrow-UK-Vereinbarung vorgesehene Stichprobenverfahren nie angewandt worden sei, da Arrow keinerlei Interesse daran gehabt habe, das Vorbringen von Lundbeck zum Ergebnis etwaiger Tests in Frage zu stellen oder ihr API zur Prüfung vorzulegen, solange Lundbeck die vorgesehenen Zahlungen geleistet habe.

616    In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass Arrow, worauf die Kommission zu Recht hinweist, in Beantwortung eines Auskunftsersuchens der Kommission vom 18. Dezember 2008, das die Klägerinnen selbst als Anlage zur Klageschrift vorgelegt haben und das in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist, Folgendes anerkannt hat:

„Der [in Art. 1.1 der Arrow-UK-Vereinbarung] vorgesehene Test ist ein subjektiver Test, der sich auf eine behauptete und nicht auf eine erwiesene Zuwiderhandlung bezieht. Daher hätten Citalopram enthaltende Erzeugnisse, hinsichtlich deren kein Gericht festgestellt hat, dass sie nicht [die Rechte des geistigen Eigentums von Lundbeck] verletzen, die [diese Rechte] tatsächlich aber nicht verletzen, in den Anwendungsbereich [des genannten Artikels] einbezogen werden können; dies ist in derartigen Vereinbarungen jedoch völlig üblich.“

617    Diese Aussage bestätigt die Auffassung der Kommission, dass Lundbeck im Wesentlichen über ein Widerspruchsrecht verfügt habe. Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen kann ein solches Recht nicht als der Situation entsprechend angesehen werden, die durch das oben in Rn. 240 erwähnte Paroxetine-Urteil geschaffen worden sein soll. Abgesehen von den oben in den Rn. 258 bis 263 dargelegten Erwägungen ist nämlich zu bemerken, dass das in Art. 1.1 der Arrow-UK-Vereinbarung vorgesehene Verfahren nicht das Tätigwerden eines Richters voraussetzt, während dies in der Situation, auf die sich das besagte Urteil bezieht, offenkundig der Fall ist, wobei nicht davon ausgegangen werden kann, dass ein Richter aufgrund bloßer Behauptungen des Inhabers eines angeblich verletzten Patents eine einstweilige Maßnahme erlässt.

618    Außerdem ist festzustellen, dass das Bestehen dieses Widerspruchsrechts den Teil von Art. 1.1 der Arrow-UK-Vereinbarung, der das „besagte Citalopram“ betrifft, nicht überflüssig macht, da Lundbeck ihr Widerspruchsrecht dafür nicht einmal auszuüben brauchte. Die Arrow gegenüber verhängten Verbote für dieses Citalopram fanden nämlich Anwendung, ohne dass Lundbeck – abgesehen von der Vornahme der vereinbarten Zahlungen – irgendetwas zu tun brauchte.

619    Dass der in Art. 1.1 der Arrow-UK-Vereinbarung vorgesehene Test aufgrund seiner subjektiven Natur darauf hinauslief, Lundbeck ein Widerspruchsrecht zu verleihen, dessen sich Arrow bewusst war, wird durch die Tatsache bestätigt, dass dieser Test während der gesamten Laufzeit der besagten Vereinbarung nicht angewandt worden ist. Obwohl Arrow während der Laufzeit dieser Vereinbarung weiterhin versucht hat, sich neue API-Quellen zu erschließen, hat sie Lundbeck nämlich nie Stichproben zur Prüfung vorgelegt.

620    Insoweit ist erstens festzustellen, dass sich die Bemühungen, die Arrow zu diesem Zweck angestellt hat, durch den Wunsch erklären lassen, in andere Märkte als den britischen einzutreten. Zum einen bereitete Arrow bis zum Zeitpunkt des Abschlusses der dänischen Arrow-Vereinbarung, der mehrere Monate nach der Arrow-UK-Vereinbarung erfolgt ist, nämlich ihren Eintritt in den dänischen Markt vor. Zum anderen interessierte sich Arrow auch für den schwedischen Markt, wie die Kommission im 931. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat. Zweitens brauchte Arrow eine Alternative zu Tiefenbacher, um ihr Vorhaben, das darin bestand, ihre Tabletten aus generischem Citalopram letztlich selbst herstellen zu können, indem sie den API direkt bei Herstellern kaufte, ohne über einen Vermittler wie Tiefenbacher gehen zu müssen, der diesen API zu Tabletten verarbeitete, zum Erfolg zu führen (vgl. Fn. 1935 des angefochtenen Beschlusses).

621    Darüber hinaus gehörten solche Bemühungen möglicherweise zu den Schritten, die unternommen wurden, um die Zeit nach Ablauf der Arrow-UK-Vereinbarung vorzubereiten, die zunächst für eine Dauer von weniger als einem Jahr geschlossen und anschließend zwei Mal verlängert worden war. Diese Erwägungen gelten auch für den Umstand, dass Arrow während der Laufzeit der Arrow-UK-Vereinbarung eine Änderung der Zulassung für die API von Cipla und Matrix beantragt hat, damit diese auch das Cipla‑II- und das Matrix‑II-Verfahren erfasst.

622    Aufgrund dieser Erwägungen ist auch das Argument der Klägerinnen zurückzuweisen, die Tatsache, dass Arrow sogar nach Abschluss der Arrow-UK-Vereinbarung weiterhin nach Anbietern gesucht habe, die ihr einen API liefern könnten, der die Patente von Lundbeck nicht verletze, bestätige, dass diese Vereinbarung lediglich Citalopram betreffe, das diese Patente verletze.

623    Als Drittes weisen die Klägerinnen darauf hin, dass die Arrow-UK-Vereinbarung nach englischem Recht, das für diese Vereinbarung gelte, u. a. anhand ihres geschäftlichen Zwecks auszulegen sei, der darin bestehe, als Ersatzlösung für die Beantragung einer einstweiligen Anordnung beim nationalen Richter zu dienen. Eine solche Anordnung habe sich lediglich auf generisches Citalopram beziehen können, das die Patente von Lundbeck verletze.

624    Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass der Verweis der Klägerinnen auf die für die Auslegung von Verträgen geltenden Grundsätze des englischen Rechts die von der Kommission gewählte Auslegung nicht in Frage stellt.

625    Eine Frage nach der Auslegung des nationalen Rechts eines Mitgliedstaats ist zwar eine Tatsachenfrage, die das Gericht grundsätzlich in vollem Umfang nachzuprüfen hat (oben, Rn. 258).

626    Das geschäftliche Ziel von Lundbeck, das Arrow nicht verborgen bleiben konnte, bestand jedoch darin, diese an einem Markteintritt mit generischem Citalopram zu hindern. Aus diesem Grund zahlte Lundbeck an Arrow Beträge, die mit den Gewinnen zusammenhingen, die diese durch ihren Markteintritt zu erzielen hoffte. Unter diesen Umständen ist es nicht überraschend, dass sich die Parteien der Arrow-UK-Vereinbarung damit einverstanden erklärten, Lundbeck ein Widerspruchsrecht zu gewähren, das auch Citalopram entgegengesetzt werden konnte, das nach dem Cipla‑II- und dem Matrix‑II-Verfahren hergestellt worden war.

627    In Wirklichkeit war eine solche Zahlung nur schwerlich mit der Tatsache vereinbar, dass Arrow die Freiheit behalten haben soll, mit dem Verkauf von anderem als dem „besagtem Citalopram“ zu beginnen, nämlich von Citalopram, das nach dem Cipla‑I- oder dem Matrix‑I-Verfahren hergestellt worden war. Wäre dem so gewesen, wäre Arrow nämlich nicht nur in den Genuss der Zahlungen von Lundbeck gekommen, sondern hätte auch die Gewinne aus dem Markteintritt, beispielsweise mit nach dem Cipla‑II- oder dem Matrix‑II-Verfahren hergestelltem generischem Citalopram, erhalten, während Lundbeck sowohl die Zahlungen hätte leisten als auch die sich aus diesem Eintritt ergebenden Verluste hätte tragen müssen.

628    Als Viertes machen die Klägerinnen geltend, die Kommission hätte aus Art. 3 des zweiten Nachtrags zur Arrow-UK-Vereinbarung keine Folgen hinsichtlich der Tragweite dieser Vereinbarung ziehen dürfen. Danach hätten sie für den Fall, dass im Rahmen des Lagap-Rechtsstreits nachgewiesen worden wäre, dass das Patent für Kristallisation ungültig sei, Arrow einen Betrag von 750 000 GBP für die Lieferung der Tabletten zahlen müssen, die sie auf Lager gehabt hätte. Diese Zahlung sei nämlich durch die Tatsache gerechtfertigt gewesen, dass die in Rede stehenden Tabletten nur noch bis Oktober 2003 haltbar gewesen seien, so dass Arrow sie nicht auf dem Markt hätte verkaufen können. Darüber hinaus rügen die Klägerinnen die Unzulässigkeit dieser Rüge der Kommission, von der weder im angefochtenen Beschluss noch in der Mitteilung der Beschwerdepunkte die Rede sei.

629    Dieses Argument geht ins Leere, da die im angefochtenen Beschluss vorgenommene Auslegung der Tragweite der Arrow-UK-Vereinbarung keineswegs auf Art. 3 des zweiten Nachtrags zu dieser Vereinbarung beruht. Die Kommission hat sich nämlich erst vor dem Gericht auf diesen Punkt gestützt, den sie im 441. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses lediglich angeführt hatte, ohne daraus Folgen zu ziehen.

630    Nach alledem hat die Kommission Art. 1.1 der Arrow-UK-Vereinbarung fehlerfrei dahin ausgelegt, dass mit ihm Arrow daran gehindert werden sollte, während der Laufzeit dieser Vereinbarung in den britischen Markt einzutreten, und zwar nicht nur mit generischem Citalopram, das sie bereits bei Tiefenbacher bestellt oder gekauft hatte, sondern auch mit jedem anderen generischen Citalopram, das sie sich später hätte beschaffen können, darunter Citalopram, das nach dem Cipla‑II- und dem Matrix‑II-Verfahren hergestellt worden war.

631    Die vorliegende Rüge ist daher zurückzuweisen.

4.     Dänische Arrow-Vereinbarung

632    Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie die dänische Arrow-Vereinbarung dahin ausgelegt habe, dass diese Arrow daran gehindert habe, während der Laufzeit der genannten Vereinbarung, die sich lediglich auf Citalopram beziehe, das ihre Patente verletze, jegliche Form von generischem Citalopram zu verkaufen.

633    Erstens betreffe Art. 1.1 der dänischen Arrow-Vereinbarung (siehe oben, Rn. 39 zweiter Gedankenstrich), ausgelegt im Licht der Präambel und des allgemeinen Kontexts dieser Vereinbarung, lediglich das Citalopram, das Arrow bereits eingeführt habe und von den Klägerinnen Labortests unterzogen worden sei. Es gehe somit um das von Tiefenbacher stammende Citalopram, das ihre Patente verletze.

634    Zweitens sei der gemeinsamen Absicht der Parteien, die darin bestanden habe, die Beachtung der Patente der Klägerinnen sicherzustellen, nach dänischem Recht, das für diese Vereinbarung gelte, besondere Bedeutung beizumessen. Die zu weite Auslegung der Kommission verstoße somit gegen dänisches Recht.

635    Drittens führen die Klägerinnen Argumente an, die denen ähnlich sind, die sie in Bezug auf die Arrow-UK-Vereinbarung insbesondere hinsichtlich der Tatsache vorgebracht haben, dass Arrow weiterhin nach anderen API-Quellen gesucht und die Möglichkeit gehabt habe, sich an ein nationales Gericht zu wenden, damit sich dieses zum etwaigen Nichtvorliegen einer Verletzung ihrer Patente äußert.

636    Viertens sei es, wenn die dänische Arrow-Vereinbarung und die Arrow-UK-Vereinbarung eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung darstellten, wie im angefochtenen Beschluss festgestellt worden sei, nicht denkbar, dass sich Erstere auch auf nicht rechtsverletzendes Citalopram beziehe, während dies bei Letzterer nicht der Fall sein solle.

637    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

638    Art. 1.1 der dänischen Arrow-Vereinbarung lautet:

„Arrow [Group] erklärt sich damit einverstanden, während der Laufzeit [der dänischen Vereinbarung] jede Einfuhr, Herstellung, Produktion, Veräußerung oder sonstige Vermarktung Citalopram enthaltender Erzeugnisse im [dänischen] Hoheitsgebiet, die nach Auffassung von Lundbeck deren Rechte des geistigen Eigentums verletzen, abzubrechen, einzustellen oder davon Abstand zu nehmen.“

639    Die Klägerinnen tragen vor, der Präambel der dänischen Arrow-Vereinbarung lasse sich entnehmen, dass dieser Artikel dahin auszulegen sei, dass er sich lediglich auf Citalopram beziehe, das Arrow bereits bei Tiefenbacher gekauft habe.

640    Insoweit wird zwar im dritten und im fünften Erwägungsgrund der Präambel der dänischen Arrow-Vereinbarung, ausgelegt im Licht der Klarstellungen, die insoweit im 986. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses enthalten sind und von den Klägerinnen nicht in Frage gestellt werden, auf die Tatsache Bezug genommen, dass Arrow im Begriff war, eine Zulassung zu kaufen, die es ihr ermöglicht hätte, in Dänemark generisches Citalopram zu verkaufen, das aus dem API von Cipla oder Matrix hergestellt worden und Gegenstand von Labortests seitens Lundbeck gewesen war. Im vierten Erwägungsgrund dieser Präambel ist auch davon die Rede, dass Arrow die Absicht gehabt habe, von Tiefenbacher stammendes Citalopram in loser Schüttung von Deutschland nach Dänemark auszuführen.

641    Diese Bezugnahmen erklären zwar, in welchem Kontext die dänische Arrow-Vereinbarung geschlossen worden ist, sie genügen jedoch nicht, um die Tatsache in Frage zu stellen, dass Art. 1.1 der genannten Vereinbarung einen klaren Wortlaut hat, dessen Reichweite sich nicht in dem von den Klägerinnen vorgeschlagenen Sinne beschränken lässt.

642    Hätten die Parteien dieser Vereinbarung den Umfang der darin enthaltenen Verpflichtungen auf das im Lager von Arrow befindliche Citalopram beschränken wollen, hätten sie nämlich einen diesem Zweck angepassten Wortlaut wählen können, anstatt sich für einen sehr weiten Wortlaut zu entscheiden, dessen Reichweite durch eine Auslegung im Licht der Erwägungsgründe der Präambel begrenzt werden muss, die überdies nicht so abgefasst sind, das sich ihnen der Wille zur Einführung von Beschränkungen eindeutig entnehmen lässt.

643    Was insbesondere die Bezugnahme der Klägerinnen auf die Bedeutung der gemeinsamen Absicht der Parteien nach dänischem Recht angeht, das für die fragliche Vereinbarung gilt, ist zu bemerken, dass die Klägerinnen keinen Beweis dafür geliefert haben, dass sich diese Absicht von der Absicht unterschiede, die sich eindeutig aus dem Text der Vereinbarung ergibt und durch die Erwägungsgründe der Präambel dieser Vereinbarung nicht in Frage gestellt wird.

644    Darüber hinaus kann auch das Argument der Klägerinnen, der dänischen Arrow-Vereinbarung müsse aus Gründen der Kohärenz mit der Arrow-UK-Vereinbarung eine beschränkte Tragweite zuerkannt werden, da die beiden mit Arrow geschlossenen Vereinbarungen eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung darstellten, keinen Erfolg haben. Die letztgenannte Vereinbarung hat nämlich nicht die ihr von den Klägerinnen zugeschriebene beschränkte Tragweite, wie aus der Prüfung hervorgeht, die oben in den Erwägungsgründen 604 bis 629 vorgenommen worden ist.

645    Daher ist der Schluss zu ziehen, dass die Kommission keinen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie die Auffassung vertreten hat, Art. 1.1 der dänischen Arrow-Vereinbarung sei dahin auszulegen, dass Arrow während der Laufzeit dieser Vereinbarung nicht in den dänischen Markt eintreten würde, gleichviel, mit welchem generischen Citalopram.

646    Im Licht der vorstehenden Erwägungen ist der vierte Teil zurückzuweisen.

5.     Alpharma-Vereinbarung

647    Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie die Auffassung vertreten habe, die Alpharma-Vereinbarung verbiete es diesem Unternehmen, während der Laufzeit der genannten Vereinbarung, die lediglich generisches Citalopram betreffe, das unter Verletzung der Patente von Lundbeck, einschließlich der in Anhang A aufgeführten Patente, hergestellt worden sei, irgendeine Form von generischem Citalopram zu verkaufen.

648    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

649    Es ist festzustellen, dass die Kommission Art. 1.1 der Alpharma-Vereinbarung – u. a. in den Erwägungsgründen 1042, 1059 und 1061 des angefochtenen Beschlusses – dahin ausgelegt hat, dass sich Alpharma darin verpflichtet hatte, während des relevanten Zeitraums kein Citalopram zu verkaufen, oder jedenfalls Beschränkungen ihrer Möglichkeiten zum Verkauf von Citalopram akzeptiert hatte, die weit über die Beschränkungen hinausgingen, die Lundbeck aufgrund ihrer neuen Patente in einem Rechtsstreit hätte erwirken können.

650    Nach Ansicht der Klägerinnen ist als Erstes der Wortlaut von Art. 1.1 der Alpharma-Vereinbarung im Licht des Kontexts und der verfügbaren Beweismittel auszulegen, die den Schluss zuließen, dass der darin enthaltene Begriff „Citalopram“ lediglich Citalopram betreffe, das ihre Patente verletze. Diese Auslegung ergebe sich auch aus dem Wortlaut der Präambel der Alpharma-Vereinbarung und von Anhang A, die zeigten, dass es sich hierbei um die Absicht der Parteien dieser Vereinbarung handle.

651    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Alpharma und ihre „Tochtergesellschaften“ gemäß Art. 1.1 der Alpharma-Vereinbarung „während des [relevanten Zeitraums] jede Einfuhr, … Herstellung … oder Veräußerung Citalopram enthaltender Arzneimittel im Hoheitsgebiet … abbrechen, einstellen und davon Abstand nehmen“ und Lundbeck die Verletzungsklage gegen Alpharma zurücknimmt. Dort wird auch klargestellt, dass dieser Artikel nicht für „Erzeugnisse [gilt], die Escitalopram enthalten“.

652    In der [in englischer Sprache] abgefassten Alpharma-Vereinbarung – auch in Rn. 1.1 – ist das Wort „Citalopram“ durchgehend mit dem Großbuchstaben „C“ geschrieben. Ebenso sind in dieser Vereinbarung Wörter mit einem Großbuchstaben geschrieben, wenn es sich um in ihr festgelegte Kurzbezeichnungen handelt, wie es für die [englischen Entsprechungen der] Wörter „Gebiet“ im zweiten Erwägungsgrund der Präambel und „verbundene Unternehmen“ in Art. 1.1 der Fall ist. Diese Kurzbezeichnungen werden konsequent in der Bedeutung verwendet, wie sie in der Vereinbarung bei ihrem ersten Vorkommen definiert ist. So ist klar, dass es sich bei „Gebiet“ um einen Begriff handelt, der verwendet wird, um auf das aus den Mitgliedstaaten der Union, Norwegen und der Schweiz insgesamt gebildete Gebiet Bezug zu nehmen, während sich der Ausdruck „angegliederte Gesellschaften“ auf jede Gesellschaft bezieht, die von der Alpharma ApS unmittelbar, mittelbar oder gemeinsam kontrolliert wird oder die die Alpharma ApS unmittelbar oder mittelbar kontrolliert.

653    Die Alpharma-Vereinbarung enthält hingegen keine Definition des Begriffs „Citalopram“, die es erlauben würde, ihm eine engere Bedeutung als diejenige zuzuerkennen, die dem von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) anerkannten Internationalen Freinamen für Citalopram als API zukommt, wie die Kommission geltend macht.

654    Wie die Kommission im 1050. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses außerdem zu Recht bemerkt, bestätigt der Umstand, dass die Alpharma-Vereinbarung gemäß ihrem Art. 1.1 a. E. nicht für Escitalopram gilt, dass die Parteien dieser Vereinbarung, wenn sie den Umfang der sich aus diesem Artikel ergebenden Verpflichtungen begrenzen wollten, dies ausdrücklich getan haben.

655    Der Umstand, dass [in der in englischer Sprache abgefassten] Alpharma-Vereinbarung das Wort „Escitalopram“ nicht mit dem Großbuchstaben „E“ geschrieben ist, zeugt, wie die Klägerinnen unterstrichen haben, zwar von einer Inkonsistenz in der Schreibung der in dieser Vereinbarung verwendeten Wörter, wenn auf API Bezug genommen wird; insoweit ist jedoch zu beachten, dass dieser Umstand nicht für die Feststellung genügt, dass die Parteien der erwähnten Vereinbarung die Reichweite des Wortes „Citalopram“ einschränken wollten.

656    Was sodann die Präambel der Alpharma-Vereinbarung angeht, sieht der erste Erwägungsgrund dieser Präambel vor, dass „Lundbeck … Inhaberin von Rechten des geistigen Eigentums [ist], zu denen insbesondere Patente für die Herstellung … des API ‚Citalopram‘ gehören, einschließlich der Patente, die in Anhang A … wiedergegeben sind“.

657    Aus dem siebten Erwägungsgrund der Präambel der Alpharma-Vereinbarung folgt, dass Lundbeck die Verletzungsklage gegen Alpharma erhoben hatte, „um eine einstweilige Verfügung gegen die Verkäufe Citalopram enthaltender Erzeugnisse durch [die] Alpharma[‑Gruppe] wegen Verletzung der Rechte des geistigen Eigentums von Lundbeck zu erwirken“.

658    Aus dem achten Erwägungsgrund der Präambel ergibt sich schließlich, dass Alpharma die Richtigkeit der Feststellungen von Lundbeck zur Verletzung ihrer Patente eingeräumt und sich dazu verpflichtet hat, „solche Erzeugnisse“ nicht auf den Markt zu bringen.

659    Insoweit ist zu bemerken, wie auch die Kommission im 1047. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses im Wesentlichen feststellt, dass sich aus dem bloßen Verweis im ersten Erwägungsgrund der Präambel auf die Tatsache, dass Lundbeck Patente für „Citalopram“ hielt, die in Anhang A aufgeführt sind, nicht der Schluss ziehen lässt, dass die Parteien der Alpharma-Vereinbarung – und sei es nur implizit – eine Definition des Wortes „Citalopram“ in diese Vereinbarung hätten aufnehmen wollen, die nicht mit der Definition dieses Wortes übereinstimmte, wie sie für das [im Englischen] ohne den Großbuchstaben „C“ geschriebene Citalopram, d. h. den API Citalopram, unabhängig von dem für seine Herstellung verwendeten Verfahren normalerweise gilt.

660    Außerdem wird im siebten und im achten Erwägungsgrund der Präambel, wie die Kommission in den Erwägungsgründen 1047 bis 1049 des angefochtenen Beschlusses bemerkt, zwar auf den Kontext hingewiesen, in dem die Alpharma-Vereinbarung geschlossen worden ist; diese Erwägungsgründe der Präambel sind aber nicht entscheidend, um dem Wort „Citalopram“ eine enge Bedeutung beilegen zu können. Zum einen enthält der siebte Erwägungsgrund nach seinem Wortlaut nämlich keine Definition dieses Wortes, sondern bezieht sich auf den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, der im Hinblick darauf gestellt worden ist, den Verkauf „Citalopram“ enthaltender Erzeugnisse wegen Verletzung der Patente von Lundbeck zu verbieten. Zum anderen lässt, selbst wenn unterstellt wird, dass der im achten Erwägungsgrund verwendete Ausdruck „solche Erzeugnisse“ lediglich Erzeugnisse bezeichnet, die nach den im erwähnten Antrag genannten Verfahren synthetisiertes Citalopram enthalten, und deren rechtsverletzende Natur Alpharma anerkannt hat, dieser Umstand nicht den Schluss zu, dass das Wort „Citalopram“ in der gesamten Alpharma-Vereinbarung, einschließlich von Art. 1.1, nur diese Erzeugnisse umfasste.

661    Mangels klarer Einschränkungen der Bedeutung des Begriffs „Citalopram“ in der Präambel lässt sich daher nicht die Auffassung vertreten, die Parteien der Alpharma-Vereinbarung hätten den Umfang der von Alpharma eingegangenen Verpflichtungen durch bloße Bezugnahmen auf die Vorgeschichte des Abschlusses dieser Vereinbarung auf Citalopram beschränken wollen, das anerkanntermaßen unter Verletzung der neuen Patente von Lundbeck hergestellt worden war.

662    Als Zweites machen die Klägerinnen geltend, mit der besagten Vereinbarung habe ein Konflikt zwischen ihnen und Alpharma beigelegt werden sollen, der sich gerade auf die Verletzung ihrer Patente durch diese beziehe. Sie weisen zudem auf die Bedeutung des Lagap-Rechtsstreits hin.

663    Insoweit ist erstens zu beachten, dass, auch wenn die Alpharma-Vereinbarung geschlossen worden ist, nachdem die Klägerinnen die Verletzungsklage gegen Alpharma erhoben hatten, die speziell die Tabletten betraf, die dieses Unternehmen bereits erhalten oder bestellt hatte, dieses Kontextelement nicht bedeutet, dass die in Art. 1.1 der besagten Vereinbarung vorgesehenen Verpflichtungen trotz des weiten Wortlauts der Vereinbarung so auszulegen sind, als seien sie auf das beschränkt, was die Klägerinnen mit der genannten Klage hätten erreichen können. Zweitens hat die Alpharma-Vereinbarung das Klageverfahren, das während der Laufzeit der besagten Vereinbarung lediglich ausgesetzt war, ohne Garantie, dass es nach Ablauf dieses Zeitraums eingestellt werden würde, nicht beendet. Die Alpharma-Vereinbarung sieht nämlich keineswegs vor, dass Lundbeck davon absieht, wegen Verletzung ihrer Patente anschließend rechtlich gegen die Alpharma-Gruppe vorzugehen. Außerdem lässt sich der im 80. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses wiedergegebenen Erklärung von Lundbeck entnehmen, dass diese nicht die Auffassung vertrat, die streitigen Vereinbarungen, darunter die Alpharma-Vereinbarung, ermöglichten die Beendigung eines Rechtsstreits. Drittens kann der Lagap-Rechtsstreit, der, wie aus dem 63. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, im Oktober 2002 begonnen hatte, keinerlei Folgen für den Umfang der sich aus Art. 1.1 der Alpharma-Vereinbarung ergebenden Verpflichtungen haben.

664    Als Drittes berufen sich die Klägerinnen auf eine Erklärung, die der für das relevante Dossier verantwortliche Generaldirektor von Alpharma am 28. Februar 2002 vor der Presse abgegeben hat (im Folgenden: Erklärung vom 28. Februar 2002). Darin sei davon die Rede, dass die Markteinführung des generischen Citalopram hinausgeschoben werde, aber nicht ausgeschlossen sei, dass sie am Ende der Sommerferien erfolgen könne, sofern die sich aus den neuen Patenten von Lundbeck ergebenden Schwierigkeiten in der Zwischenzeit behoben seien. Unter Berücksichtigung der Laufzeit der Alpharma-Vereinbarung bestätige diese Erklärung, dass Art. 1.1 der Alpharma-Vereinbarung nicht jede Art von Citalopram betreffe.

665    Es ist darauf hinzuweisen, dass Alpharma mit der Erklärung vom 28. Februar 2002 gegenüber der Presse im Wesentlichen angekündigt hat, dass sie den Verkauf von Citalopram zumindest bis zum Ende der Sommerferienzeit hinausschiebe und das diesen Verkauf betreffende Vorhaben gegebenenfalls aufgeben könne, weil ihr Lagerbestand im Hinblick auf die Patente von Lundbeck problematisch sei. Zudem müsse sie nach einem anderen API-Hersteller suchen und die erforderlichen Genehmigungen einholen.

666    Diese aus der Zeit nach Abschluss der Alpharma-Vereinbarung stammende Erklärung lässt, wie auch die Kommission im 1055. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses feststellt, die Änderung der Pläne von Alpharma als Folge einer einseitigen Entscheidung ihrerseits erscheinen, unabhängig von den in der Alpharma-Vereinbarung vorgesehenen Zahlungen. Angesichts der oben in den Rn. 138 und 139 dargelegten Erwägungen kann einer solchen Erklärung daher keine hohe Beweiskraft beigemessen werden, zumal Alpharma, die sich im Gegenzug für die in der Alpharma-Vereinbarung vorgesehenen Zahlungen insgeheim mit den sich aus dieser Vereinbarung ergebenden Beschränkungen ihrer Geschäftsautonomie einverstanden erklärt hatte, die Änderungen der zuvor angekündigten Pläne rechtfertigen musste, und sei es auch nur gegenüber ihren Kunden. Folglich ist die Erklärung vom 28. Februar 2002 kein wichtiges Kontextelement für die Auslegung der Tragweite der Alpharma-Vereinbarung.

667    Jedenfalls ist zu beachten, dass Alpharma zwar einen möglichen Markteintritt nach dem Sommer erwähnt, aber auch die Möglichkeit angesprochen hat, auf das Vorhaben zu verzichten, was mit der von der Kommission gewählten Auslegung der Alpharma-Vereinbarung im Einklang steht.

668    Unter diesen Umständen lässt diese Erklärung nicht den Schluss zu, dass sich Art. 1.1 der Alpharma-Vereinbarung lediglich auf Citalopram beziehe, das nach nachweislich rechtsverletzenden Verfahren hergestellt worden ist.

669    Als Viertes verweisen die Klägerinnen auf die Alpharma-Konsensverfügung (siehe oben, Rn. 45), deren Inhalt für die Auslegung von Art. 1.1 der Alpharma-Vereinbarung relevant sei, da diese Verfügung erlassen worden sei, um die Verletzungsklage gegen Alpharma zu beenden. In dieser Verfügung werde klargestellt, dass der Umfang der Alpharma obliegenden Verpflichtungen auf Citalopram beschränkt sei, das ihre Patente verletze. Darüber hinaus treten die Klägerinnen der im angefochtenen Beschluss vertretenen Auffassung entgegen, dass die Verfügung mit Zustimmung von Alpharma deshalb in einem weniger engen Wortlaut abgefasst worden sei als Art. 1.1 der Alpharma-Vereinbarung, weil sie andernfalls kaum von einem Richter gebilligt worden wäre. Es sei ebenso schwierig, einen Richter dazu zu veranlassen, die Beachtung dieses Artikels sicherzustellen, wenn er so ausgelegt werde, wie es die Kommission im angefochtenen Beschluss getan habe.

670    Es ist zwar richtig, dass die Alpharma-Konsensverfügung vom 2. Mai 2002 den von den Klägerinnen wiedergegebenen Wortlaut hat (oben, Rn. 45), der eindeutig weniger weitgehende Beschränkungen des Verhaltens von Alpharma beinhaltet, als sie sich aus Art. 1.1 der Alpharma-Vereinbarung, so wie sie von der Kommission im angefochtenen Beschluss ausgelegt wird, ergeben.

671    Auch trifft es zu, dass zwischen dieser Verfügung und der Alpharma-Vereinbarung ein Zusammenhang besteht. Die Verfügung zur Aussetzung der Verletzungsklage gegen Alpharma ist nämlich gerade deshalb erlassen worden, weil die genannte Vereinbarung geschlossen worden war.

672    Gleichwohl genügen diese Gesichtspunkte nicht für eine Auslegung von Art. 1.1 der Alpharma-Vereinbarung, die mit der Tragweite der Alpharma-Konsensverfügung übereinstimmt.

673    Wie die Kommission im 1054. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, handelt es sich nämlich um zwei gesonderte Rechtsinstrumente. Um in der Alpharma-Vereinbarung den Grund für die Alpharma-Konsensverfügung sehen zu können, kommt es entscheidend darauf an, ob die von Alpharma aufgrund der gleichnamigen Vereinbarung eingegangenen Verpflichtungen ausreichend waren, um während der Laufzeit dieser Vereinbarung das Interesse von Lundbeck daran entfallen zu lassen, die Verletzungsklage gegen Alpharma, die sich auf die Frage beschränkte, ob Alpharma bereits im Begriff war, die neuen Patente von Lundbeck zu verletzen, weiterzuverfolgen. Diese Voraussetzung ist aber selbst dann erfüllt, wenn die Tragweite der Alpharma-Vereinbarung über die Tragweite der genannten Verfügung hinausgeht.

674    Da es nicht erforderlich war, gegenüber dem nationalen Gericht, das die Alpharma-Konsensverfügung erlassen hat, die genaue Tragweite der Alpharma-Vereinbarung offenzulegen, ist es zudem durchaus vernünftig, dass die Parteien dieser Vereinbarung im Text der Verfügung, den sie dem Gericht vorgelegt haben, lediglich die sich aus dieser Vereinbarung ergebenden Verpflichtungen wiedergegeben haben, die für das Verfahren über die Verletzungsklage gegen Alpharma relevant waren. Im Übrigen wird die fehlende unmittelbare Übereinstimmung zwischen der Alpharma-Vereinbarung und der besagten Verfügung durch die Tatsache bestätigt, dass in dieser Verfügung an keiner Stelle davon die Rede ist, dass die genannte Vereinbarung eine umgekehrte Zahlung zugunsten von Alpharma vorsah, obwohl es sich dabei um einen entscheidenden Faktor für deren Abschluss handelte.

675    Folglich erlaubt es die Alpharma-Konsensverfügung nicht, Art. 1.1 der Alpharma-Vereinbarung in dem von den Klägerinnen befürworteten Sinne auszulegen.

676    Als Fünftes verweisen die Klägerinnen auf die E‑Mail einer ihrer mit dem Dossier befassten Führungskräfte vom 12. März 2002 (im Folgenden: E‑Mail vom 12. März 2002), in der diese erklärt hat, dass sie, auch wenn zahlreiche Unsicherheiten bestünden, nicht denke, dass Alpharma in absehbarer Zukunft in den britischen Markt eintreten werde. Den Klägerinnen zufolge hätte keinerlei Unsicherheit bestanden, wenn Art. 1.1 der Alpharma-Vereinbarung die Bedeutung hätte, die ihm die Kommission beimesse.

677    Insoweit ist festzustellen, dass die genannte E‑Mail die Antwort auf eine E‑Mail darstellt, in der von einer Preisliste von Alpharma für Citalopram die Rede ist und der Empfänger dieser E‑Mail darum ersucht wird, bei Alpharma zu überprüfen, was es damit auf sich habe. Da der Autor der E‑Mail vom 12. März 2002 in seiner Antwort auf dieses Ersuchen angibt, dass es sich dabei vermutlich um eine alte Preisliste handle, und klarstellt, dass er Alpharma in dieser Angelegenheit nie kontaktiert habe, hat die Kommission daraus abgeleitet, dass nichts in dieser E‑Mail die im angefochtenen Beschluss vorgenommene Auslegung der Tragweite der Alpharma-Vereinbarung in Frage stellen könne.

678    Hätte die Alpharma-Vereinbarung eine Tragweite, die auf nach dem Cipla‑I-Verfahren hergestelltes Citalopram beschränkt ist, das Alpharma bereits erhalten oder bestellt hatte, wie die Klägerinnen geltend machen, hätten sich diese nämlich Sorgen wegen der genannten Preisliste machen müssen, so dass der Autor der E‑Mail vom 12. März 2002 wahrscheinlich tätig geworden wäre, um festzustellen, ob es Alpharma bereits gelungen war, sich nach anderen Verfahren hergestelltes Citalopram zu beschaffen, das von den Verpflichtungen aus der in diesem Sinne ausgelegten Alpharma-Vereinbarung nicht erfasst gewesen wäre. Die Tatsache, dass der Autor dieser E‑Mail der Aufforderung seines Kollegen nicht nachgekommen ist und gleichzeitig erklärt hat, er denke nicht, dass Alpharma in absehbarer Zukunft in den Markt eintreten werde, lässt daher die Annahme zu, dass er der Ansicht war, die Alpharma-Vereinbarung beziehe sich nicht lediglich auf Citalopram, das nach dem Cipla‑I-Verfahren hergestellt worden war.

679    Da es sich hierbei jedoch nur um Annahmen handelt, ist festzustellen, dass die E‑Mail vom 12. März 2002 keine wirklichen Schlussfolgerungen zur Tragweite der Alpharma-Vereinbarung zulässt. Insoweit ist zu beachten, dass sich die Kommission nicht auf diese E‑Mail stützt, um ihre Auslegung der Alpharma-Vereinbarung zu untermauern, sondern sie im angefochtenen Beschluss lediglich erwähnt, um ein Argument der Klägerinnen zur Stützung ihrer Auslegung dieser Vereinbarung zurückzuweisen.

680    Nach alledem ist festzustellen, dass die Kommission rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass eine auf den Wortlaut abstellende, kontextuelle und teleologische Auslegung der Alpharma-Vereinbarung den Schluss zuließ, dass die von Alpharma gemäß Art. 1.1 dieser Vereinbarung eingegangenen Verpflichtungen nicht auf Citalopram beschränkt waren, das nach Verfahren hergestellt worden war, hinsichtlich deren Alpharma und Lundbeck anerkannt hatten, dass sie die neuen Patente der Letzteren verletzten. Diese Verpflichtungen betrafen nämlich nicht nur das nach dem Cipla‑I-Verfahren hergestellte Citalopram, das Alpharma bereits auf Lager hatte, sondern auch das Citalopram, das sie bei Tiefenbacher bestellt hatte oder unabhängig davon bestellt hätte, welches Verfahren der API-Hersteller verwendete, der Letztere belieferte.

681    Diese Auslegung von Art. 1.1 der Alpharma-Vereinbarung lässt die Annahme zu, dass die Verpflichtungen, die Alpharma darin eingegangen ist, über die Verpflichtungen hinausgingen, die Lundbeck aufgrund ihrer neuen Patente hätte erwirken können.

682    Da es den Klägerinnen nicht gelungen ist, die Gesichtspunkte zu widerlegen, anhand deren die Kommission hat nachweisen können, dass die Alpharma-Vereinbarung für dieses Unternehmen Beschränkungen enthielt, die über die Beschränkungen hinausgingen, die sie hätten erwirken können, wenn sie sich auf ihre neuen Patente gestützt und in einem Rechtsstreit darüber obsiegt hätten, ist der vorliegende Teil zurückzuweisen.

6.     Ranbaxy-Vereinbarung

683    Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie die Auffassung vertreten habe, die Ranbaxy-Vereinbarung verbiete diesem Unternehmen nicht nur den Verkauf von Citalopram, das nach dem von ihm bereits angewandten Verfahren hergestellt worden sei, sondern auch von Citalopram, das nach Verfahren hergestellt worden sei, die es während der Laufzeit dieser Vereinbarung hätte entwickeln können.

684    Die Kommission tritt dieser Auslegung entgegen.

685    In diesem Zusammenhang tragen die Klägerinnen als Erstes vor, Art. 1.1 der Ranbaxy-Vereinbarung (siehe oben, Rn. 48 erster Gedankenstrich) beziehe sich, wenn von „irgendeiner von Ranbaxy … verwendeten Herstellungsmethode“ die Rede sei, nicht auf nicht rechtsverletzende Methoden, die diese nach Abschluss der Ranbaxy-Vereinbarung hätte entwickeln können, was im Übrigen nicht möglich gewesen sei. Die von der Kommission gewählte Auslegung sei mit den Erwägungsgründen der Ranbaxy-Präambel und den Umständen, unter denen diese Vereinbarung geschlossen worden sei, unvereinbar.

686    Die von Ranbaxy nach Maßgabe der Ranbaxy-Vereinbarung eingegangenen Verpflichtungen sind in Art. 1.1 dieser Vereinbarung aufgeführt, der wie folgt lautet:

„Vorbehaltlich der in [der vorliegenden Vereinbarung] vorgesehenen Voraussetzungen und Zahlungen seitens Lundbeck beansprucht Ranbaxy Laboratories während der Laufzeit dieser Vereinbarung keinerlei Recht an der [in deren Präambel genannten] Patentanmeldung oder an irgendeiner von Ranbaxy Laboratories verwendeten Herstellungsmethode und bricht die Herstellung bzw. den Verkauf auf den genannten Methoden basierender Arzneimittel [u. a. im EWR] ab, stellt diese Herstellung bzw. diesen Verkauf ein und nimmt Abstand davon …“

687    Die Kommission gelangt – u. a. in den Erwägungsgründen 1131 bis 1137 des angefochtenen Beschlusses – zu dem Schluss, dass der Ausdruck „irgendeine von Ranbaxy Laboratories verwendete Herstellungsmethode“ nicht nur das Verfahren erfasse, das Ranbaxy bei Abschluss der gleichnamigen Vereinbarung bereits verwendet habe, sondern auch die Verfahren, die sie anschließend während der Laufzeit dieser Vereinbarung hätte entwickeln können.

688    Die Klägerinnen treten dieser Auslegung entgegen und machen geltend, mit dem genannten Ausdruck seien nur die Verfahren gemeint, über die Ranbaxy bei Abschluss der Ranbaxy-Vereinbarung bereits verfügt habe.

689    Zum Wortlaut des genannten Artikels  ist zu bemerken, dass die Verwendung des Ausdrucks „irgendeine Methode“ für sich genommen bereits die Annahme zulässt, dass es nicht nur um die Methoden ging, die Ranbaxy bereits anwandte, als die Vereinbarung unterzeichnet wurde, sondern auch die Methoden gemeint waren, die sie anschließend hätte entwickeln können, wie die Kommission im angefochtenen Beschluss angenommen hat.

690    Zu prüfen ist jedoch, ob andere Gesichtspunkte, die sich aus der Ranbaxy-Vereinbarung selbst oder aus dem Kontext ergeben, in dem sie geschlossen worden ist, diese Auslegung entkräften.

691    Insoweit weisen die Klägerinnen erstens darauf hin, dass im fünften und im sechsten Erwägungsgrund der Ranbaxy-Präambel von den Patentanmeldungen die Rede sei, die Ranbaxy in Indien eingereicht hatte (dritter Erwägungsgrund) und die sich in ihren Augen auf Verfahren bezogen, die ihre Patente für Amid und Jod verletzten, wie aus Laboruntersuchungen hervorgegangen sei.

692    Hierbei handelt es sich jedoch um Gesichtspunkte, die den Kontext erklären, in dem die Ranbaxy-Vereinbarung geschlossen worden ist, die aber nicht ausreichen, um die Tatsache in Frage zu stellen, dass Art. 1.1 der Ranbaxy-Vereinbarung angesichts seines klaren Wortlauts keine Beschränkungen hinsichtlich der Verfahren enthält, auf die sich die von Ranbaxy eingegangenen Verpflichtungen beziehen. Hätten die Parteien dieser Vereinbarung den Umfang der genannten Verpflichtungen auf die Verfahren beschränken wollen, die Gegenstand der Patentanmeldungen von Ranbaxy waren, hätten sie einen diesem Zweck angepassten Wortlaut wählen können, anstatt für einen sehr weiten Wortlaut zu optieren, dessen Reichweite durch eine konstruktive Auslegung im Licht der Präambel dieser Vereinbarung eingeschränkt werden muss.

693    Zweitens bestätigt der Kontext, in dem die Ranbaxy-Vereinbarung geschlossen worden ist, die oben in Rn. 689 vorgenommene Auslegung ihres Art. 1.1. Wie die Kommission – u. a. in den Erwägungsgründen 130 bis 132, 140, 204 und 206 des angefochtenen Beschlusses – im Wesentlichen festgestellt hat, wollte Lundbeck nämlich den Markteintritt von generischem Citalopram verzögern, um die bestmöglichen Bedingungen für die Markteinführung ihres neuen Arzneimittels Cipralex zu schaffen, das durch ein Patent geschützt war (siehe oben, Rn. 22).

694    Angesichts dieses Ziels ist es nicht denkbar, dass sich die Klägerinnen damit einverstanden erklärt hätten, die in der Ranbaxy-Vereinbarung vorgesehenen Beträge an Ranbaxy zu zahlen, wenn diese Vereinbarung es Ranbaxy erlaubt hätte, generisches Citalopram mittels anderer Verfahren als den in ihren in Indien eingereichten Patentanmeldungen genannten herzustellen und zu verkaufen. Tatsächlich ist es unwahrscheinlich, dass Lundbeck eine kostspielige Vereinbarung geschlossen hätte, wenn diese nicht die Gewissheit mit sich gebracht hätte, dass Ranbaxy während der Laufzeit dieser Vereinbarung mit ihrem generischen Citalopram vom Markt fernbleiben würde, also in dem Zeitraum, in dem Lundbeck beabsichtigte, mit der Vermarktung von Cipralex zu beginnen.

695    Auch wenn Ranbaxy nicht das gleiche Ziel verfolgte wie die Klägerinnen hinsichtlich Cipralex, konnte ihr dieses Ziel gleichwohl nicht verborgen geblieben sein, und sie hatte vor allem auch ein Interesse daran, bestimmte Beträge zu erhalten, anstatt die Risiken einzugehen, die mit ihrem Markteintritt einhergegangen wären.

696    Mit diesen Erwägungen lässt sich auch das Argument der Klägerinnen zurückweisen, dass die Kommission nach schwedischem Recht, das für die Ranbaxy-Vereinbarung gilt, die gemeinsame Absicht der Parteien dieser Vereinbarung stärker hätte berücksichtigen müssen.

697    Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission keinen Fehler begangen hat, als sie – u. a. in den Erwägungsgründen 1137 und 1172 des angefochtenen Beschlusses – zu dem Schluss gelangt ist, dass die Verpflichtungen, die Ranbaxy gemäß Art. 1.1 der gleichnamigen Vereinbarung eingegangen war, ausgelegt auch im Licht ihres Kontexts, nicht auf Citalopram beschränkt seien, das nach Verfahren hergestellt worden war, die Ranbaxy zum Zeitpunkt der Unterzeichnung dieser Vereinbarung anwandte, so dass diese Verpflichtungen über den Schutzbereich der Patente von Lundbeck hinausgingen.

698    Als Zweites machen die Klägerinnen geltend, die Auslegung der Kommission sei nicht mit der Tatsache vereinbar, dass es Ranbaxy, wie von der Kommission anerkannt worden sei, freigestanden habe, Citalopram zu verkaufen, das ihre Patente verletze, vorausgesetzt, der zu seiner Herstellung verwendete API stamme von einem Dritten.

699    In diesem Zusammenhang kommt es, worauf die Kommission zu Recht hinweist, nicht so sehr darauf an, dass diese im 694. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses anerkannt hat, dass die Ranbaxy-Vereinbarung das genannte Unternehmen nicht daran hinderte, Citalopram enthaltende Arzneimittel zu verkaufen, vorausgesetzt, der zu diesem Zweck verwendete API stammte von einem Dritten. In der von der Kommission befürworteten Auslegung von Art. 1.1 der Ranbaxy-Vereinbarung hängen die von Ranbaxy eingegangenen Verpflichtungen, die sich auf den Verkauf von Citalopram beziehen, das dieses Unternehmen selbst hergestellt hat, nämlich nicht mit der rein theoretischen Möglichkeit zusammen, dass Ranbaxy Erzeugnisse verkauft, die von anderen API-Herstellern stammendes Citalopram enthalten. Insoweit ist festzustellen, dass es sich bei Ranbaxy ursprünglich um einen API-Hersteller handelte, so dass sie keinerlei Interesse daran hatte, sich den API für die Herstellung von Citalopram-Tabletten in Form von Fertigerzeugnissen anderswo zu beschaffen.

700    Als Drittes tragen die Klägerinnen vor, Art. 1.4 der Ranbaxy-Vereinbarung (siehe oben, Rn. 48 letzter Gedankenstrich) habe dieses Unternehmen nicht daran gehindert, die Gültigkeit ihrer Patente anzufechten. Eine auf die Ungültigerklärung eines Patents gerichtete Klage werde nämlich nicht auf dieses Patent „gestützt“, während in dem genannten Artikel von der Verpflichtung die Rede sei, keine auf die in der Ranbaxy-Vereinbarung aufgeführten Patente „gestützten“ Klagen zu erheben. Das einzige darin enthaltene Verbot für Ranbaxy betreffe die Möglichkeit, gegen die Klägerinnen eine Klage wegen Verletzung der Patente zu erheben, die sie in Indien angemeldet habe.

701    Dieses Vorbringen geht zunächst deshalb ins Leere, weil die Einstufung der streitigen Vereinbarungen als bezweckte Beschränkungen nicht auf der Tatsache beruht, dass die besagten Vereinbarungen Nichtangriffsabreden enthalten, wie sich oben aus den Rn. 398 und 399 ergibt. Außerdem geht aus dem 1174. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses eindeutig hervor, dass die Existenz einer solchen Abrede in der Ranbaxy-Vereinbarung von der Kommission nicht als einer der für die Schlussfolgerung relevanten Faktoren angeführt worden ist, dass eine bezweckte Zuwiderhandlung vorliege.

702    Jedenfalls ist festzustellen, dass die in Art. 1.4 der Ranbaxy-Vereinbarung enthaltene Wendung „verpflichten sich, … keine Klagen auf der Grundlage irgendeines der weiter oben … aufgeführten Patente zu erheben“, hinreichend flexibel ist, um darunter auch Klagen subsumieren zu können, mit denen die Gültigkeit der in Rede stehenden Patente angefochten werden soll. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass Ranbaxy die Gültigkeit dieser Patente während der Laufzeit der Ranbaxy-Vereinbarung nicht angefochten hat.

703    Als Viertes behaupten die Klägerinnen, dass die Rüge, die sich auf Art. 1.4 der Ranbaxy-Vereinbarung bezieht, erst im Tatbestandsschreiben und nicht bereits in der Mitteilung der Beschwerdepunkte erhoben worden sei, was ihre Verteidigungsrechte verletzt habe.

704    Insoweit genügt die Feststellung, dass diese Klausel und die ihr von der Kommission im angefochtenen Beschluss gegebene Auslegung, wie auch die Klägerinnen anerkennen, im Tatbestandsschreiben enthalten waren, auf das sie – auch in diesem Punkt – geantwortet haben. Folglich hatten sie die Möglichkeit, sich hierzu zu äußern, so dass ihre Verteidigungsrechte nicht verletzt worden sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. März 2002, LR AF 1998/Kommission, T‑23/99, EU:T:2002:75, Rn. 190 und die dort angeführte Rechtsprechung).

705    Daher ist der vorliegende Teil und damit der sechste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

III –  Siebter Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler wegen fehlerhafter Ermittlung des Effizienzgewinns aus den streitigen Vereinbarungen

706    Die Klägerinnen weisen darauf hin, dass sie im Rahmen ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgebracht hätten, die streitigen Vereinbarungen förderten den Wettbewerb, da einvernehmliche Regelungen zum einen die Innovationsanreize bewahrten und zum anderen einen früheren Markteintritt der Generika erleichtern könnten. Die Kommission habe dieses Vorbringen nicht im erforderlichen Maß geprüft. Die von dieser nachträglich in der Klagebeantwortung gelieferten Erläuterungen seien unzulässig.

707    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

708    Es ist festzustellen, dass die Kommission die mögliche Anwendung von Art. 101 Abs. 3 AEUV auf die streitigen Vereinbarungen in den Erwägungsgründen 1212 ff. des angefochtenen Beschlusses geprüft hat.

709    So hat sie zu Recht darauf hingewiesen, dass sich Unternehmen gemäß Art. 101 Abs. 3 AEUV gegen das Vorliegen eines Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verteidigen könnten, indem sie nachwiesen, dass vier Voraussetzungen erfüllt seien:

–        Erstens müsse die in Rede stehende Vereinbarung zur Verbesserung der Erzeugung oder Verteilung von Produkten oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen;

–        zweitens dürfe die Vereinbarung keine Beschränkungen auferlegen, die für die Erreichung dieser Ziele nicht unerlässlich seien;

–        drittens müsse sie den Verbrauchern eine angemessene Beteiligung an den erzielten Gewinnen gewähren;

–        viertens dürfe sie es den Unternehmen nicht ermöglichen, für die fraglichen Erzeugnisse jeglichen Wettbewerb oder einen wesentlichen Teil davon auszuschalten.

710    Art. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 sieht – wie die Rechtsprechung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2009, GlaxoSmithKline Services u. a./Kommission u. a., C‑501/06 P, C‑513/06 P, C‑515/06 P und C‑519/06 P, EU:C:2009:610, Rn. 82) – vor, dass es der Partei, die sich auf die Anwendung von Art. 101 Abs. 3 AEUV beruft, obliegt, mit überzeugenden Argumenten und Beweisen nachzuweisen, dass die Voraussetzungen für eine Freistellung erfüllt sind.

711    Die Beweislast trägt demnach das Unternehmen, das die Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV beantragt. Die tatsächlichen Gesichtspunkte, auf die sich das Unternehmen beruft, können die andere Partei jedoch zu einer Erläuterung oder Rechtfertigung zwingen, deren Ausbleiben den Schluss zulässt, dass den Anforderungen an die Beweislast genügt wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil GlaxoSmithKline Services u. a./Kommission u. a., oben in Rn. 710 angeführt, Rn. 83 und die dort angeführte Rechtsprechung).

712    Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen hat die Kommission die verschiedenen von den Generikaherstellern und den Klägerinnen im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Argumente im angefochtenen Beschluss im erforderlichen Maß geprüft.

713    Was erstens das Argument angeht, die streitigen Vereinbarungen hätten den Innovationsanreiz für die Klägerinnen gefördert, ist dieses Argument von der Kommission in dem Teil des Beschlusses, der sich auf die Prüfung der Anwendbarkeit von Art. 101 Abs. 3 AEUV bezieht, zwar nicht speziell geprüft worden, doch ist mit der Kommission festzustellen, dass die Klägerinnen in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte lediglich allgemein geltend gemacht hatten, Patentvergleiche bewahrten den Innovationsanreiz, und sich dabei auf eine wirtschaftliche Studie gestützt hatten, ohne zu erläutern, inwiefern die streitigen Vereinbarungen im vorliegenden Fall dazu beigetragen haben sollen, über den für Patente geltenden Regelungsschutz hinaus einen solchen Anreiz zu schaffen, und inwieweit die vier Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 101 Abs. 3 AEUV vorliegend erfüllt waren. Die von den Klägerinnen vorgelegte Studie stellt nämlich eher die Anwendbarkeit von Art. 101 Abs. 1 AEUV in Frage, da in ihr bestritten wird, dass Patentvergleiche wie die streitigen Vereinbarungen negative Auswirkungen für die Verbraucher haben können. Da die Kommission dieses Argument im Rahmen der Prüfung des Vorliegens einer bezweckten Beschränkung bereits zurückgewiesen hatte (Erwägungsgründe 710 bis 713 des angefochtenen Beschlusses), war sie ohne stärker untermauertes Vorbringen hierzu nicht gehalten, es erneut anhand von Art. 101 Abs. 3 AEUV zu prüfen.

714    Jedenfalls waren im vorliegenden Fall die streitigen Vereinbarungen, die einen verzögerten Markteintritt der Generika mittels umgekehrter Zahlungen vorsahen, offensichtlich nicht unerlässlich, um den Innovationsanreiz für die Klägerinnen zu bewahren. Außerdem ist schwer zu erkennen, welche Vorteile für die Verbraucher solche Vereinbarungen mit sich gebracht haben sollen. Schließlich ist auch die Voraussetzung, dass nicht jeglicher Wettbewerb ausgeschaltet werden darf, im vorliegenden Fall nicht erfüllt, da die Generikahersteller zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen sehr wohl potenzielle Wettbewerber waren und sich gegen Bezahlung dazu verpflichtet hatten, während der Laufzeit dieser Vereinbarungen nicht in den Markt einzutreten.

715    Daher ist festzustellen, dass die Kommission keinen Fehler begangen hat, als sie das Argument der Klägerinnen, das sich auf den von den streitigen Vereinbarungen ausgehenden Innovationsanreiz bezieht, im angefochtenen Beschluss nicht eingehender anhand von Art. 101 Abs. 3 AEUV geprüft hat.

716    Zweitens hat die Kommission das Vorbringen, die streitigen Vereinbarungen hätten es ermöglicht, einen schnelleren Markteintritt der Generika sicherzustellen, in den Erwägungsgründen 1228 bis 1230 des angefochtenen Beschlusses zu Recht mit der Begründung zurückgewiesen, es werde nicht durch die Tatsachen gestützt, da die streitigen Vereinbarungen keinerlei Verpflichtung für Lundbeck vorsähen, nach ihrem Ablauf den Markteintritt der Generika zu genehmigen, und in Wirklichkeit deren potenziell sofortigen Markteintritt verhindert hätten.

717    Aus den Akten, insbesondere dem Inhalt der streitigen Vereinbarungen, geht nämlich hervor, dass diese kein genaues Datum vorsahen, an dem die Generikahersteller vor Erlöschen der Patente von Lundbeck in den Markt hätten eintreten können. Wie die Kommission im 662. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses feststellt, enthielten die streitigen Vereinbarungen keinerlei Verpflichtung für Lundbeck, für den Fall keine Verletzungsklagen zu erheben, dass die Generika nach Ablauf dieser Vereinbarungen in den Markt eintreten würden. Mit den streitigen Vereinbarungen ist somit nicht wirklich ein Patentstreit beigelegt oder ein schnellerer Markteintritt der Generika ermöglicht worden, wie die Klägerinnen behaupten. Vielmehr haben sie Lundbeck schlicht ermöglicht, dadurch Zeit zu gewinnen, dass der Markteintritt der Generika gegen Zahlung erheblicher Summen an die Generikahersteller verzögert worden ist.

718    Drittens wird auch das Vorbringen, mittels der streitigen Vereinbarungen hätten sich hohe Prozesskosten bzw. divergierende gerichtliche Entscheidungen vermeiden lassen, nicht durch die Tatsachen gestützt. Mit diesen Vereinbarungen konnte nämlich kein zugrunde liegender Patentstreit zwischen den Parteien der genannten Vereinbarungen beigelegt werden, da Lundbeck durch sie nicht daran gehindert war, nach ihrem Ablauf gerichtlich gegen die Generikahersteller vorzugehen, auch vor verschiedenen Gerichten mit Sitz in verschiedenen Staaten des EWR. Daher sind die von den Klägerinnen angeführten Zahlen, denen zufolge für den gesamten EWR mehrere Millionen Euro Prozesskosten vermieden worden sind, irrelevant, da nicht ersichtlich ist, dass diese Kosten ohne die streitigen Vereinbarungen mit Sicherheit angefallen wären. Auch wenn es zutrifft, dass Lundbeck nach Ablauf dieser Vereinbarungen letztlich keinen Rechtsstreit angestrengt hat, ist das hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass Lundbeck an einem solchen Rechtsstreit kein Interesse mehr hatte, da zu diesem Zeitpunkt bereits andere Generikahersteller – etwa Lagap im Vereinigten Königreich – in den Markt eingetreten waren.

719    Jedenfalls haben die Klägerinnen, selbst wenn unterstellt wird, dass mit den streitigen Vereinbarungen bestimmte Kosten im Zusammenhang mit etwaigen Rechtsstreitigkeiten vor verschiedenen Gerichten vermieden werden konnten, nicht nachgewiesen, dass die sich aus diesen Vereinbarungen ergebenden Wettbewerbsbeschränkungen zur Erreichung dieses Ziels unerlässlich waren. Es hätten nämlich auch andersartige einvernehmliche Regelungen getroffen werden können, die nicht wettbewerbswidrig waren (siehe oben, Rn. 350 und 529). Ebenso wenig haben sie erläutert, inwiefern den Verbrauchern aufgrund der genannten Vereinbarungen eine angemessene Beteiligung an den vermeintlich erzielten Gewinnen zugutegekommen ist.

720    Daher ist festzustellen, dass die Kommission weder einen Fehler begangen noch gegen die Vorschriften über die Beweislast verstoßen hat, als sie zu dem Schluss gelangt ist, dass die Voraussetzungen von Art. 101 Abs. 3 AEUV im vorliegenden Fall nicht erfüllt seien.

721    Folglich ist der siebte Klagegrund zurückzuweisen.

IV –  Achter Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte

722    Die Klägerinnen machen geltend, der angefochtene Beschluss verletze ihre Verteidigungsrechte, da die Kommission die Tatbestandsmerkmale des behaupteten Verstoßes in der Mitteilung der Beschwerdepunkte geändert habe, ohne sie zuvor anzuhören. Sie hätten das Vorbringen der Kommission, dass es sich bei den Generikaherstellern trotz der möglichen oder wahrscheinlichen Verletzung ihrer Patente um ihre potenziellen Wettbewerber handle, sowie den Standpunkt der Kommission, wonach die umgekehrten Zahlungen als solche für den Nachweis genügten, dass die streitigen Vereinbarungen bezweckte Zuwiderhandlungen darstellten, nicht widerlegen können. Die Kommission hätte den Klägerinnen darüber hinaus Gelegenheit geben müssen, ihre Korrespondenz mit dem KFST einzusehen, da diese Korrespondenz entlastende Beweise enthalten könne.

A –  Erster Teil

723    Die Klägerinnen vertreten die Auffassung, die Kommission habe mit der völligen Umstellung ihrer Theorie ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Nach der Rechtsprechung seien die Verteidigungsrechte, auch wenn alle von der Kommission im angefochtenen Beschluss herangezogenen tatsächlichen Gesichtspunkte bereits in der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthalten gewesen seien, nicht gewahrt, wenn diese tatsächlichen Gesichtspunkte dort an verschiedenen Stellen wiedergegeben worden seien, ohne dass irgendein Zusammenhang zwischen ihnen hergestellt worden wäre oder die Kommission sie in irgendeiner Form bewertet hätte.

724    Als Erstes machen die Klägerinnen geltend, gegenüber dem in der Mitteilung der Beschwerdepunkte eingenommenen Standpunkt zu der Frage des potenziellen Wettbewerbs, die für den behaupteten Verstoß wesentlich sei, werde im angefochtenen Beschluss eine erheblich veränderte Position vertreten. So habe die Kommission im angefochtenen Beschluss erstens ihren Standpunkt erheblich modifiziert, indem sie festgestellt habe, dass sogar Generikahersteller ohne Zugang zu nicht rechtsverletzendem Citalopram als potenzielle Wettbewerber von Lundbeck anzusehen seien, sie habe zweitens zwei Phasen des potenziellen Wettbewerbs unterschieden und habe drittens hinzugefügt, dass potenzieller Wettbewerb auch in der Anfechtung der Gültigkeit der Patente, den Bemühungen, aus Verfahrenspatenten etwas Neues zu schaffen, oder den Anträgen bei Gericht auf Feststellung der Nichtverletzung und sogar in einem „riskanten“ Markteintritt, bei dem es sich um den Wesenskern des Wettbewerbs im Arzneimittelsektor handle, zum Ausdruck komme.

725    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

726    Es ist darauf hinzuweisen, dass die Beachtung der Verteidigungsrechte ein Grundrecht des Unionsrechts darstellt, das in Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta der Grundrechte verankert ist, der die Beachtung dieser Rechte in jedem Verfahren verlangt.

727    Die Wahrung der Verteidigungsrechte erfordert es daher, dem betroffenen Unternehmen im Verwaltungsverfahren Gelegenheit zu geben, zum Vorliegen und zur Erheblichkeit der von der Kommission angeführten Tatsachen und Umstände sowie zu den von ihr zur Stützung ihrer Behauptung, dass eine Zuwiderhandlung gegen den Vertrag vorliege, herangezogenen Schriftstücken sachgerecht Stellung zu nehmen (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Rn. 111 angeführt, EU:C:2004:6, Rn. 66; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 13. Februar 1979, Hoffmann-La Roche/Kommission, 85/76, EU:C:1979:36, Rn. 9).

728    In diesem Sinne sieht Art. 27 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 zum einen vor, dass die Kommission den Unternehmen und Unternehmensvereinigungen, gegen die sich das von ihr betriebene Verfahren richtet, Gelegenheit gibt, sich zu den von ihr in Betracht gezogenen Beschwerdepunkten zu äußern, und zum anderen, dass sie ihre Entscheidung nur auf die Beschwerdepunkte stützt, zu denen sich die Parteien äußern konnten.

729    Dieses Erfordernis ist im Licht der Rechtsprechung auszulegen, wonach in der Mitteilung der Beschwerdepunkte alle wesentlichen Tatsachen, auf die sich die Kommission in diesem Verfahrensstadium stützt, klar angegeben werden müssen. Diese Darstellung kann jedoch in gedrängter Form erfolgen, und die Entscheidung braucht nicht notwendig ein Abbild der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu sein, da es sich bei dieser Mitteilung um ein vorbereitendes Schriftstück handelt, dessen tatsächliche und rechtliche Wertungen lediglich vorläufiger Natur sind (vgl. Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Rn. 111 angeführt, EU:C:2004:6, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).

730    Was als Erstes das Argument angeht, die Kommission habe im angefochtenen Beschluss ihren Standpunkt hinsichtlich der Frage des potenziellen Wettbewerbs gegenüber der Mitteilung der Beschwerdepunkte wesentlich geändert, ist entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen erstens festzustellen, dass die Kommission nicht die Auffassung vertreten hat, lediglich Generikahersteller mit Zugang zu nicht rechtsverletzendem Citalopram seien als potenzielle Wettbewerber von Lundbeck anzusehen. Aus den Erwägungsgründen 468 und 469 der Mitteilung der Beschwerdepunkte geht nämlich insbesondere hervor, dass die Kommission die Ansicht vertritt, die Generikahersteller und der Originalpräparatehersteller seien unabhängig von der Frage als potenzielle Wettbewerber anzusehen, ob die generischen Erzeugnisse, die diese Hersteller zu vermarkten beabsichtigten, möglicherweise ein Verfahrenspatent verletzten oder nicht. Aus den Erwägungsgründen 519, 550, 586, 612, 645 und 683 der Mitteilung der Beschwerdepunkte geht ferner hervor, dass sich die Kommission auf eine Reihe von Faktoren – darunter den Umstand, dass die Generikahersteller bereits erhebliche Anstrengungen unternommen hatten, um ihren Markteintritt vorzubereiten, und in einigen Fällen bereits die erforderlichen Zulassungen erhalten oder zu diesem Zweck einen beträchtlichen Vorrat an generischem Citalopram gebildet hatten – gestützt hat, als sie zu dem Schluss gelangt ist, dass es zwischen diesen Herstellern und Lundbeck zumindest potenziellen Wettbewerb gebe.

731    Zweitens hat die Kommission im angefochtenen Beschluss zwar zwischen zwei Phasen des potenziellen Wettbewerbs im Arzneimittelsektor unterschieden (oben, Rn. 91), im vorliegenden Fall steht aber fest, dass die ursprünglichen Patente von Lundbeck zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen in nahezu allen Ländern des EWR abgelaufen waren, so dass sich die Generikahersteller allesamt in einem fortgeschrittenen Stadium ihrer Vorbereitungen für den Markteintritt befanden. Die Tatsache, dass die Kommission im 616. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses die Ansicht vertritt, der potenzielle Wettbewerb habe möglicherweise bereits viele Jahre vor Ablauf des Patents für den API begonnen, war für die Beurteilung der potenziellen Wettbewerbssituation zwischen den Klägerinnen und den Generikaherstellern im vorliegenden Fall weder entscheidend noch überhaupt relevant. Eine solche Beurteilung konnte daher erst recht keine Folgen für die Verteidigungsrechte der Klägerinnen haben.

732    Drittens geht aus der Mitteilung der Beschwerdepunkte auch hervor, dass der „riskante“ Markteintritt der Generikahersteller als Bestandteil des Wettbewerbsprozesses zwischen diesen und Lundbeck angesehen wurde (vgl. u. a. Erwägungsgründe 29, 488, 528, 562, 594, 621 und 656 der Mitteilung der Beschwerdepunkte). Auch wenn der angefochtene Beschluss insoweit ausführlicher ist, ist zu beachten, dass er nicht notwendig ein Abbild der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu sein braucht (oben, Rn. 729) und die Kommission in der Lage sein muss, die Antworten der Unternehmen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte zu berücksichtigen, selbst wenn sie dadurch Argumente, auf die sie die aufrechterhaltenen Beschwerdepunkte stützt, ergänzt, vertieft oder neu formuliert (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Mai 2007, SGL Carbon/Kommission, C‑328/05 P, EU:C:2007:277, Rn. 62, und vom 15. März 2006, BASF/Kommission, T‑15/02, EU:T:2006:74, Rn. 93 und die dort angeführte Rechtsprechung).

733    Viertens machen die Klägerinnen zu Unrecht geltend, die Kommission habe im angefochtenen Beschluss festgestellt, dass bereits die Möglichkeit von Patentstreitigkeiten für den Nachweis genüge, dass es potenziellen Wettbewerb zwischen ihnen und den Generikaherstellern gegeben habe. Der angefochtene Beschluss – ebenso wie die Mitteilung der Beschwerdepunkte – stützt sich insoweit nämlich auf eine Reihe von Faktoren, darunter die Tatsache, dass die Generikahersteller beträchtliche Schritte unternommen hatten, um ihren Markteintritt vorzubereiten (oben, Rn. 96 und 730). Außerdem wurde in der Mitteilung der Beschwerdepunkte auch darauf hingewiesen, dass Patentstreitigkeiten ein wesentlicher Bestandteil des Wettbewerbsprozesses im Arzneimittelsektor seien (vgl. u. a. 27. Erwägungsgrund der Mitteilung der Beschwerdepunkte).

734    Somit machen die Klägerinnen zu Unrecht geltend, die Kommission habe ihren Standpunkt hinsichtlich des potenziellen Wettbewerbs zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und dem angefochtenen Beschluss erheblich geändert.

735    Als Zweites vertreten die Klägerinnen die Ansicht, in der Mitteilung der Beschwerdepunkte sei kein klarer und kohärenter rechtlicher Maßstab für die Prüfung umgekehrter Zahlungen in Patentvergleichen anhand des Wettbewerbsrechts der Union genannt worden.

736    Auch sei in der Mitteilung der Beschwerdepunkte kein Hinweis auf die Schwelle gegeben worden, ab der ein Geldbetrag als „nicht unerheblich“ anzusehen sei. Einziger Anhaltspunkt sei der Hinweis, dass den Generikaherstellern „mehr Geld angeboten wurde, als sie auf dem Markt mit dem Verkauf generischer Versionen von Citalopram hätten verdienen können“, was ihnen „einen Anreiz gab, darauf zu verzichten, mit Lundbeck zu konkurrieren“ (710. Erwägungsgrund der Mitteilung der Beschwerdepunkte).

737    Aufgrund des Fehlens klarer Prüfungsmaßstäbe hätten die Klägerinnen nicht sachgerecht Stellung nehmen können, was insoweit einen besonders schweren Rechtsmangel darstelle, als der vorliegende Fall komplexe und neue Rechtsfragen aufwerfe und sich der früheren Rechtsprechung keine andere Orientierung als das Kriterium des Schutzbereichs des Patents habe entnehmen lassen, das mit dem Beschluss zurückgewiesen worden sei.

738    Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen ist hierzu festzustellen, dass die Existenz umgekehrter Zahlungen, wie es im 480. Erwägungsgrund der Mitteilung der Beschwerdepunkte – in den gleichen Worten wie im 660. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses – ausdrücklich heißt, für die rechtliche Würdigung der streitigen Vereinbarungen entscheidend ist. Außerdem stützt sich der angefochtene Beschluss – ebenso wie die Mitteilung der Beschwerdepunkte – auch auf die Erwägung, dass die Existenz umgekehrter Zahlungen in den streitigen Vereinbarungen einen relevanten Faktor für die Feststellung des Vorliegens einer bezweckten Beschränkung darstelle (vgl. Erwägungsgründe 661 und 662 des angefochtenen Beschlusses). Darüber hinaus wird in der Mitteilung der Beschwerdepunkte – ebenso wie im angefochtenen Beschluss – ausgeführt, dass der Umfang der umgekehrten Zahlungen insofern problematisch sei, als er den Gewinn bzw. Umsatz berücksichtige, den die Generikahersteller im Fall eines Markteintritts erzielt hätten, was die Anreize für diese verringere, sich weiter um einen Markteintritt zu bemühen (vgl. u. a. Erwägungsgründe 469, 496, 543, 588, 638 und 687 der Mitteilung der Beschwerdepunkte sowie oben, Rn. 366).

739    Die zweite Rüge der Klägerinnen ist somit ebenfalls zurückzuweisen.

740    Als Drittes machen die Klägerinnen geltend, der angefochtene Beschluss und das Tatbestandsschreiben enthielten mehrere Gesichtspunkte, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht vorkämen, etwa die Marktanteile von Lundbeck auf dem EWR-Markt für Antidepressiva (215. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses und Rn. 17 des Tatbestandsschreibens). Die von der Kommission verwendete Methode zur Berechnung dieser Marktanteile und die genaue Marktabgrenzung blieben unklar und würden weder im angefochtenen Beschluss noch im Tatbestandsschreiben erläutert.

741    Was die Marktanteile der Klägerinnen angeht, die von der Kommission im Tatbestandsschreiben vom 12. April 2013 zur Untermauerung ihrer Schlussfolgerung hinsichtlich der durch die streitigen Vereinbarungen verursachten Wettbewerbsverzerrungen aufgeführt worden sind, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass eine Vereinbarung, die geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, und einen wettbewerbswidrigen Zweck hat, ihrer Natur nach und unabhängig von ihren konkreten Auswirkungen eine spürbare Beschränkung des Wettbewerbs darstellt (Urteil vom 13. Dezember 2012, Expedia, C‑226/11, EU:C:2012:795, Rn. 37). Die Kommission war somit nicht verpflichtet, das Vorliegen einer spürbaren Beschränkung des Wettbewerbs im Einzelnen – sei es in der Mitteilung der Beschwerdepunkte oder im angefochtenen Beschluss – festzustellen, da sie hinreichend nachgewiesen hatte, dass die streitigen Vereinbarungen einen wettbewerbswidrigen Zweck hatten und geeignet waren, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen (vgl. u. a. Erwägungsgründe 196, 197, 209 bis 213, 724 und 726 des angefochtenen Beschlusses). Jedenfalls haben die Klägerinnen nach Übermittlung des Tatbestandsschreibens Stellung nehmen können, so dass sie insoweit keine Verletzung ihrer Verteidigungsrechte geltend machen können (siehe oben, Rn. 704).

742    Folglich ist der erste Teil in vollem Umfang zurückzuweisen.

B –  Zweiter Teil

743    Die Klägerinnen vertreten die Ansicht, die Kommission habe ihnen zu Unrecht die Einsicht in ihre Kommunikation mit dem KFST verweigert. Auch wenn die Mitteilung der Kommission über die Regeln für die Einsicht in Kommissionsakten in Fällen einer Anwendung der Artikel [101 AEUV] und [102 AEUV], Artikel 53, 54 und 57 des EWR-Abkommens und der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates (ABl. 2005, C 325, S. 7) den Schriftverkehr zwischen der Kommission und den nationalen Wettbewerbsbehörden von der Akteneinsicht ausnehme, ergebe sich aus einer ständigen Rechtsprechung, dass interne Schriftstücke der Kommission den Parteien in Ausnahmesituationen zur Kenntnis gebracht werden könnten. Es genüge, wenn sie das Bestehen einer – wenn auch geringen – Wahrscheinlichkeit dartäten, dass die während des Verwaltungsverfahrens nicht offengelegten Dokumente für ihre Verteidigung möglicherweise von Nutzen gewesen wären. Dies sei hier der Fall, da der Schriftverkehr mit dem KFST potenziell entlastende Beweise enthalte, mit denen sich in tatsächlicher Hinsicht und entgegen dem Vorbringen der Kommission nachweisen lasse, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen durch die Klägerinnen Unsicherheit hinsichtlich der Frage bestanden habe, wie einvernehmliche Regelungen, die eine umgekehrte Zahlung vorsähen, wettbewerbsrechtlich zu beurteilen gewesen seien. Jedenfalls zeige die spätere Freigabe dieser Schriftstücke durch die Kommission, dass sie keinerlei vertrauliche Informationen enthielten, so dass die Kommission sie sofort hätte zugänglich machen müssen. Dies genüge für die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses.

744    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

745    Nach der Rechtsprechung kann, wenn die Kommission im Verwaltungsverfahren den Antrag eines Klägers auf Einsicht in Unterlagen, die sich nicht in der Ermittlungsakte befinden, abgelehnt hat, eine Verletzung der Verteidigungsrechte nur dann festgestellt werden, wenn nachgewiesen ist, dass das Verwaltungsverfahren möglicherweise zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, wenn der Kläger die fraglichen Unterlagen in diesem Verfahren hätte einsehen können (vgl. Urteil vom 16. Juni 2011, Solvay/Kommission, T‑186/06, EU:T:2011:276, Rn. 227 und die dort angeführte Rechtsprechung).

746    Ferner ist darauf hinzuweisen, dass eine Verletzung der Verteidigungsrechte für sich genommen die Gültigkeit des angefochtenen Beschlusses als Ganzes jedenfalls nicht beeinträchtigen kann, wenn dieser nicht allein auf die fraglichen Angaben gestützt ist. In einem solchen Fall darf das Gericht bei der Prüfung, ob der Beschluss begründet ist, den Inhalt dieser Unterlagen jedoch nicht verwerten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française/Kommission, 100/80 bis 103/80, EU:C:1983:158, Rn. 30, und vom 14. Mai 1998, Mo och Domsjö/Kommission, T‑352/94, EU:T:1998:103, Rn. 74).

747    Was die beiden Dokumente angeht, in denen der Schriftwechsel zwischen der Kommission und dem KFST wiedergegeben wird, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission diese Dokumente in Beantwortung des Antrags der Klägerinnen spontan – als Anlage zu ihrer Klagebeantwortung – vorgelegt hat. Es handelt sich zum einen um einen Bericht des KFST vom 7. Oktober 2003, der die von dieser Behörde durchgeführte Untersuchung der Tätigkeiten von Lundbeck und deren auf dem Markt für pharmazeutische Antidepressiva geschlossene Vereinbarungen betrifft, und zum anderen um einen Vermerk des KFST vom 10. Juni 2005, in dem die Schlussfolgerungen der genannten Behörde in Bezug auf die Prüfung dieser Vereinbarungen anhand der Vertragsbestimmungen über den freien Wettbewerb zusammengefasst werden.

748    Zunächst ist festzustellen, dass es hierbei nicht um Dokumente geht, die von der Kommission oder ihren Dienststellen selbst stammen, sondern um Mitteilungen einer nationalen Wettbewerbsbehörde. Nach der Rechtsprechung können die nationalen Wettbewerbsbehörden bei Unternehmen kein berechtigtes Vertrauen darauf begründen, dass ihr Verhalten nicht gegen Art. 101 AEUV verstößt, da sie nicht befugt sind, eine Negativentscheidung zu erlassen, d. h. eine Entscheidung, mit der das Fehlen eines Verstoßes gegen diese Bestimmung festgestellt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juni 2013, Schencker & Co. u. a., C‑681/11, EU:C:2013:404, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung). Selbst wenn unterstellt wird, dass in diesen Dokumenten das Fehlen einer Zuwiderhandlung festgestellt oder die von der Kommission im angefochtenen Beschluss vertretene Auffassung in Frage gestellt worden wäre, können sie von den Klägerinnen daher nicht mit Erfolg als entlastende Informationen geltend gemacht werden, denn auch wenn die Dokumente den Klägerinnen im Verwaltungsverfahren übermittelt worden wären, hätte eine solche Übermittlung den Ausgang dieses Verfahrens nicht beeinflusst.

749    Jedenfalls stellen die genannten Dokumente keineswegs die von der Kommission im angefochtenen Beschluss vorgenommene Prüfung der streitigen Vereinbarungen in Frage, sondern bestätigen diesen Beschluss eher, da die streitigen Vereinbarungen, wie der KFST in seinem Bericht vom 7. Oktober 2003 festgestellt hat, den Wettbewerb deshalb hätten beeinflussen können, weil Lundbeck Wettbewerber bezahlt habe, damit sie sich vom Markt fernhielten, was unbestreitbar eine Erhöhung der Preise zur Folge gehabt habe. Daher sah der KFST diese Vereinbarungen als besonders schwere Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV an.

750    Aus dem Vermerk des KFST vom 10. Juni 2005 geht zwar auch hervor, dass aus der Sicht der Kommission Zweifel hinsichtlich der Frage bestanden, ob solche Vereinbarungen – insbesondere in Anbetracht des Umfangs der Zahlung von Lundbeck an die Generikahersteller – wettbewerbswidrig waren oder nicht; es ist jedoch zu beachten, dass es sich hierbei nur um eine vorläufige Beurteilung der Kommission handelte und diese aufgrund der genannten Informationen beschlossen hatte, eine umfassendere Untersuchung derartiger Vereinbarungen im Arzneimittelsektor einzuleiten, um sich ein genaueres Bild von der Funktionsweise dieses Sektors und der Vereinbarkeit solcher Vereinbarungen mit den Art. 101 und 102 AEUV machen zu können. Im Anschluss an die erwähnte Untersuchung hat die Kommission ein Verfahren nach Art. 101 Abs. 1 AEUV gegen Lundbeck und die Generikahersteller eingeleitet.

751    Wie aus diesem Vermerk des KFST ferner ebenfalls hervorgeht, maß die Kommission der Tatsache vorrangige Bedeutung bei, dass eine umgekehrte Zahlung in nicht unerheblicher Höhe einen Anhaltspunkt dafür darstellen konnte, dass der Originalpräparatehersteller die Generikahersteller für ihr Fernbleiben vom Markt bezahlt hatte. Aus dem genannten Vermerk ergibt sich nämlich, dass „die Frage, ob sich eine Vereinbarung rechtfertigen lässt, u. a. vom Umfang der Zahlung abhängt“, dass die Vereinbarung, „wenn sie lediglich die Kosten deckt, die für den Fall geschätzt werden können, dass der Rechtsstreit vor Gericht gebracht wird, aus dem Anwendungsbereich von Art. [101 AEUV] oder [102 AEUV] fallen könnte“, und dass sie, „wenn die Zahlung höher ausfällt, hingegen als ein Mittel angesehen werden kann, um die Wettbewerber dafür zu bezahlen, dass sie sich vom Markt fernhalten, was gegen Art. [101 AEUV] oder [102 AEUV] verstößt“. Wie sich dem angefochtenen Beschluss auch eindeutig entnehmen lässt, handelte es sich bei der Tatsache, dass die umgekehrten Zahlungen in den streitigen Vereinbarungen im vorliegenden Fall erheblich waren und mehr oder weniger den Gewinnerwartungen der Generikahersteller bei einem Markteintritt und nicht den Kosten etwaiger Rechtsstreitigkeiten entsprachen, die vermieden worden wären, um einen entscheidenden Faktor für die Schlussfolgerung, dass eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV vorliege (oben, Rn. 354, 414 und 415).

752    Somit machen die Klägerinnen zu Unrecht geltend, diese Dokumente hätten für ihre Verteidigung nützlich sein können, wenn sie ihnen im Verwaltungsverfahren unverzüglich übermittelt worden wären; anhand dieser Dokumente ließe sich nämlich allenfalls geltend machen, es hätten seinerzeit Zweifel hinsichtlich der Frage bestanden, ob die streitigen Vereinbarungen ohne Weiteres – d. h. ohne eingehende Prüfung – als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV eingestuft werden konnten. Nach der Rechtsprechung ist es jedoch nicht erforderlich, dass eine Vereinbarung auf den ersten Blick oder zweifelsfrei – ohne eine eingehende Prüfung ihres Inhalts, ihres Zwecks sowie des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts, in dem sie steht – als hinreichend schädlich für den Wettbewerb angesehen wird, um als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung im Sinne dieser Bestimmung eingestuft werden zu können (oben, Rn. 338 bis 344 und 438).

753    Daher ist der Schluss zu ziehen, dass die Verteidigungsrechte der Klägerinnen im vorliegenden Fall nicht verletzt worden sind, da nicht ersichtlich ist, dass das Verwaltungsverfahren möglicherweise zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, wenn die Klägerinnen die fraglichen Unterlagen in diesem Verfahren hätten einsehen können (oben, Rn. 745).

754    Folglich ist der zweite Teil und damit der achte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

V –  Neunter Klagegrund, mit dem hilfsweise geltend gemacht wird, die Verhängung von Geldbußen gegen Lundbeck sei rechtsfehlerhaft

755    Die Klägerinnen machen erstens geltend, es gebe keine früheren Rechtssachen, in denen Patentvergleiche geprüft worden seien, und zweitens, das Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission (T‑321/05, EU:T:2010:266), sei auf Patentvergleiche nicht übertragbar, so dass die Verhängung von Geldbußen gegen sie einer Rechtsgrundlage entbehre und gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoße.

756    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

A –  Erster Teil

757    Die Klägerinnen machen zunächst geltend, dass es – unterstellt, die Kommission habe den Schluss ziehen dürfen, dass die streitigen Vereinbarungen gegen Art. 101 AEUV verstießen – angesichts der Neuartigkeit und Komplexität der aufgeworfenen Tatsachen- und Rechtsfragen im vorliegenden Fall keine Grundlage für eine Ermächtigung der Kommission gebe, ihnen Geldbußen aufzuerlegen, was diese im Übrigen auch einräume. Die Verhängung von Geldbußen verstoße in einem solchen Fall gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der gesetzlichen Bestimmtheit von Tatbestand und Strafe (nullum crimen, nulla poena sine lege). Darüber hinaus sei in der Klagebeantwortung eingeräumt worden, dass es sich um den ersten Beschluss der Kommission handle, in dem eine Zuwiderhandlung gegen sogenannte „Pay-for-delay“-Vereinbarungen (Vereinbarungen, die darauf abzielen, den Markteintritt von Generika gegen Bezahlung zu verzögern) festgestellt werde.

758    In der bisherigen Rechtsprechung, insbesondere im BIDS-Urteil (oben in Rn. 341 angeführt, EU:C:2008:643), ließen sich keine Anhaltspunkte finden, aufgrund deren vorhersehbar gewesen sei, dass die in den streitigen Vereinbarungen festgelegten umgekehrten Zahlungen der Kommission als entscheidender Faktor für die Feststellung dienen würden, dass diese Vereinbarungen gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstießen. Die Kommission habe nämlich erklärt, dass die genannten Vereinbarungen, falls sie keine umgekehrten Zahlungen vorgesehen hätten, grundsätzlich zulässige Instrumente gewesen wären, mit denen sich die Beachtung der Patente von Lundbeck hätte sicherstellen lassen. Darüber hinaus habe das BIDS-Urteil (oben in Rn. 341 angeführt, EU:C:2008:643) zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen noch gar nicht vorgelegen.

759    Außerdem habe der KFST Anfang 2004 Leitlinien erlassen, um der Rechtsunsicherheit hinsichtlich Patentvergleichen zu begegnen, in denen umgekehrte Zahlungen vorgesehen seien. Insbesondere die Pressemitteilung des KFST vom 28. Januar 2004 lasse erkennen, dass die Kommission seinerzeit die Auffassung vertreten habe, angesichts der Beträge der von Lundbeck geleisteten Zahlungen lasse sich vernünftigerweise nicht die Auffassung vertreten, sie dienten als Ausgleich für den Marktausschluss eines Wettbewerbers. Darüber hinaus zeuge die Tatsache, dass die Kommission mehr als ein Jahrzehnt benötigt habe, um sich über die rechtliche Qualifikation von Vereinbarungen, die eine umgekehrte Zahlung vorsähen, eine Meinung zu bilden, von der extremen Komplexität und der außerordentlichen Neuartigkeit der zugrunde liegenden Fragen.

760    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

761    Der Grundsatz der Rechtssicherheit verlangt, dass eine unionsrechtliche Regelung den Betroffenen ermöglicht, den Umfang der ihnen damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen, und dass sie ihre Rechte und Pflichten eindeutig erkennen und sich darauf einstellen können (vgl. Urteil vom 29. März 2011, ArcelorMittal Luxembourg/Kommission und Kommission/ArcelorMittal Luxembourg u. a., C‑201/09 P und C‑216/09 P, EU:C:2011:190, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).

762    Zur Frage, ob eine Zuwiderhandlung vorsätzlich oder fahrlässig begangen worden ist und deshalb gemäß Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 mit einer Geldbuße geahndet werden kann, geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs jedoch hervor, dass diese Voraussetzung erfüllt ist, wenn sich das betreffende Unternehmen über die Wettbewerbswidrigkeit seines Verhaltens nicht im Unklaren sein kann, gleichviel, ob ihm dabei bewusst ist, dass es gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrags verstößt (vgl. Urteil Schencker & Co. u. a., oben in Rn. 748 angeführt, EU:C:2013:404, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

763    Sodann ist darauf hinzuweisen, dass die in Art. 7 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie in Art. 49 der Charta der Grundrechte vorgesehenen Grundsätze der Rechtssicherheit und der Gesetzmäßigkeit der Strafen zwar nicht so verstanden werden dürfen, dass sie die schrittweise Klarstellung der Vorschriften über die strafrechtliche Verantwortung untersagen, sie können aber der rückwirkenden Anwendung einer neuen Auslegung des Tatbestands einer Zuwiderhandlung entgegenstehen (vgl. in diesem Sinne Urteil Telefónica und Telefónica de España/Kommission, oben in Rn. 113 angeführt, EU:C:2014:2062, Rn. 148 und die dort angeführte Rechtsprechung).

764    Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen war es im vorliegenden Fall nicht unvorhersehbar, dass Vereinbarungen, mit denen es dem Originalpräparatehersteller gelungen wäre, potenzielle Wettbewerber mittels umgekehrter Zahlungen in nicht unerheblicher Höhe für einen bestimmten Zeitraum vom Markt fernzuhalten, möglicherweise gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstießen, unabhängig davon, ob sie über den Schutzbereich der Patente dieses Herstellers hinausgingen oder nicht (siehe oben, Rn. 486 bis 490).

765    Wie die Kommission in den Erwägungsgründen 1312 und 1313 des angefochtenen Beschlusses zu Recht festgestellt hat, lässt sich bei einer auf den Wortlaut abstellenden Auslegung von Art. 101 Abs. 1 AEUV die Auffassung vertreten, dass Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern, die darauf abzielen, einige von ihnen vom Markt auszuschließen, rechtswidrig sind. Marktaufteilungs- oder ‑ausschlussvereinbarungen gehören nämlich zu den schwerwiegendsten Wettbewerbsbeschränkungen, die in Art. 101 Abs. 1 AEUV ausdrücklich erwähnt werden (oben, Rn. 338).

766    Aus dem Umstand, dass die streitigen Vereinbarungen im vorliegenden Fall in Form von Vergleichen geschlossen worden sind, die sich auf Rechte des geistigen Eigentums beziehen, können die Klägerinnen nicht herleiten, dass die Wettbewerbswidrigkeit solcher Vereinbarungen völlig neu oder unvorhersehbar sei.

767    Die Bedeutung des Begriffs der Vorhersehbarkeit hängt nämlich in hohem Maß vom Inhalt der in Rede stehenden Vorschriften, von dem durch sie geregelten Bereich sowie von der Zahl und der Eigenschaft ihrer Adressaten ab. Der Vorhersehbarkeit des Gesetzes steht nicht entgegen, dass die betreffende Person gezwungen ist, fachkundigen Rat einzuholen, um unter den Umständen des konkreten Falles angemessen zu beurteilen, welche Folgen sich aus einer bestimmten Handlung ergeben können. Das gilt insbesondere für berufsmäßig tätige Personen, die gewohnt sind, sich bei der Ausübung ihrer Tätigkeit sehr umsichtig verhalten zu müssen. Von ihnen kann daher erwartet werden, dass sie die Risiken ihrer Tätigkeit besonders sorgfältig beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 219 und die dort angeführte Rechtsprechung).

768    Keines der von den Klägerinnen vorgebrachten Argumente ist geeignet, dieses Ergebnis in Frage zu stellen.

769    Erstens trifft es zwar zu, dass das von der Kommission im angefochtenen Beschluss angeführte BIDS-Urteil (oben in Rn. 341 angeführt, EU:C:2008:643) nach Abschluss der streitigen Vereinbarungen ergangen ist, doch wurde in der früheren Rechtsprechung klargestellt, dass eine Vereinbarung nicht allein deshalb dem Wettbewerbsrecht entzogen ist, weil sie sich auf ein Patent bezieht oder mit ihr ein Patentstreit gütlich beigelegt werden soll (vgl. in diesem Sinne Urteil Bayer und Maschinenfabrik Hennecke, oben in Rn. 427 angeführt, EU:C:1988:448, Rn. 15), und dass es offenkundig nicht zum spezifischen Gegenstand des Patents gehört und eine Beschränkung des freien Wettbewerbs darstellt, wenn die Ermessensentscheidung einer der Parteien an die Stelle von Entscheidungen der nationalen Gerichte gesetzt wird, um festzustellen, ob eine Patentverletzung vorliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil Windsurfing, oben in Rn. 119 angeführt, EU:C:1986:75, Rn. 52 und 92).

770    Im Urteil Centrafarm und de Peijper (oben in Rn. 117 angeführt, EU:C:1974:114, Rn. 39 und 40) wurde darüber hinaus klargestellt, dass die Ausübung eines Rechts des geistigen Eigentums von den in Art. 101 AEUV ausgesprochenen Verboten erfasst sein kann und dass dies der Fall ist, wenn sich herausstellt, dass die Ausübung eines solchen Rechts Gegenstand, Mittel oder Folge einer Kartellabsprache ist.

771    Was zweitens die vom KFST stammenden Dokumente, insbesondere die Pressemitteilung vom 28. Januar 2004, angeht, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es sich nicht um ein Dokument der Kommission handelt und es somit als solches keine berechtigten Erwartungen bei den Klägerinnen wecken konnte. Außerdem sind, wie dargelegt, die nationalen Wettbewerbsbehörden nicht befugt, eine Negativentscheidung zu erlassen, d. h. eine Entscheidung, mit der das Fehlen eines Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV festgestellt wird (oben, Rn. 748).

772    Des Weiteren geht aus der Mitteilung des KFST klar hervor, dass Vereinbarungen, die darauf abzielen, den Marktausschluss eines Wettbewerbers zu erkaufen, wettbewerbswidrig sind. Im Anschluss an ihre umfassende Untersuchung des Arzneimittelsektors hat die Kommission ihren Ansatz weiter ausarbeiten und den wettbewerbswidrigen Charakter bestimmter Vereinbarungen vollständig erfassen können, insbesondere wenn diese – wie hier – eine umgekehrte Zahlung in nicht unerheblicher Höhe vorsehen (oben, Rn. 349 bis 403).

773    Soweit sich die Klägerinnen drittens auf die frühere Praxis der Kommission berufen und vorbringen, die im vorliegenden Fall festgestellte Zuwiderhandlung sei neuartig, so dass hierfür lediglich eine symbolische Geldbuße verhängt werden dürfe, ist auf die Rechtsprechung hinzuweisen, wonach die Kommission bei der Festsetzung der Geldbußen über ein Ermessen verfügt, damit sie die Unternehmen dazu anhalten kann, die Wettbewerbsregeln einzuhalten. Die Kommission ist dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in bestimmter Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 1/2003 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der Wettbewerbspolitik der Union sicherzustellen. Die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln der Union verlangt vielmehr, dass die Kommission das Niveau der Geldbußen jederzeit den Erfordernissen dieser Politik anpassen kann (vgl. Urteil vom 25. Oktober 2011, Aragonesas Industrias y Energía/Kommission, T‑348/08, EU:T:2011:621, Rn. 293 und die dort angeführte Rechtsprechung).

774    Außerdem ist der Umstand, dass die Kommission Vereinbarungen eines bestimmten Typs bisher nicht als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen angesehen hat, als solcher kein Hinderungsgrund, dies künftig aufgrund einer eingehenden Einzelprüfung der streitigen Maßnahmen im Hinblick auf ihren Inhalt, Zweck und Kontext zu tun. Es ist daher nicht erforderlich, dass Vereinbarungen gleicher Art von der Kommission bereits geahndet worden sind, um sie als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen ansehen zu können (oben, Rn. 438).

775    Nach der Rechtsprechung ist es auch nicht erforderlich, dass eine Vereinbarung auf den ersten Blick oder zweifelsfrei – ohne eine eingehende Prüfung ihres Inhalts, ihres Zwecks sowie des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts, in dem sie steht – als hinreichend schädlich für den Wettbewerb angesehen wird, um sie als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung im Sinne dieser Bestimmung einstufen zu können (oben, Rn. 752).

776    Wie aus dem angefochtenen Beschluss schließlich hervorgeht, hatten einige Generikahersteller sehr wohl erkannt, dass Vereinbarungen, die mit den streitigen Vereinbarungen vergleichbar waren, einen Verstoß darstellten, und hatten es gerade deshalb abgelehnt, sich an solchen Vereinbarungen zu beteiligen (vgl. 190. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Auch hat ein Arbeitnehmer von Lundbeck auf dem Austausch bestimmter E‑Mails reagiert, in denen die nach Maßgabe der streitigen Vereinbarungen von Merck (GUK) bei Lundbeck zu erwerbenden Mengen an Citalopram und die Preise dafür festgelegt worden waren, und klargestellt: „Ich distanziere mich deutlich vom Inhalt dieser E‑Mail … wir können und dürfen keine Absprachen über die Wiederverkaufspreise treffen – dies ist rechtswidrig“ (265. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). In Bezug auf die Ranbaxy-Vereinbarung hatte Lundbeck im Lauf der Verhandlungen über diese Vereinbarung darüber hinaus festgestellt, dass sie kostspielig und – insbesondere aus wettbewerbsrechtlicher Sicht – schwierig sei (vgl. 188. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

777    Vor diesem Hintergrund hätten die in den streitigen Vereinbarungen vorgesehenen Wettbewerbsbeschränkungen von den Parteien dieser Vereinbarungen vernünftigerweise als mit Art. 101 Abs. 1 AEUV unvereinbar wahrgenommen werden können, so dass sie seinerzeit keineswegs unvorhersehbar waren.

778    Folglich machen die Klägerinnen zu Unrecht geltend, die Kommission habe im vorliegenden Fall gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Gesetzmäßigkeit der Strafen verstoßen.

779    Der erste Teil ist somit zurückzuweisen.

B –  Zweiter Teil

780    Nach Auffassung der Klägerinnen ergibt sich aus dem Urteil AstraZeneca/Kommission (oben in Rn. 755 angeführt, EU:T:2010:266), dass es aufgrund der Neuartigkeit einer Sache nicht gerechtfertigt sei, Geldbußen zu verhängen, wenn es zum einen keine frühere Rechtsprechung gebe, die sich auf das betrachtete Verhalten beziehe, und dieses Verhalten zum anderen nicht ausgeprägt wettbewerbsfeindlich sei, so dass das betroffene Unternehmen nicht von seiner Unzulässigkeit habe ausgehen können. Im 1300. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses werde eingeräumt, dass die erste Voraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt sei, während es sich bei den streitigen Vereinbarungen, was die zweite Voraussetzung angehe, nicht um missbräuchliche Praktiken handle, wie sie in der Rechtssache, in der das Urteil AstraZeneca/Kommission (oben in Rn. 755 angeführt, EU:T:2010:266) ergangen sei, in Rede gestanden hätten. Außerdem obliege Unternehmen, die, wie Lundbeck, nicht über eine marktbeherrschende Stellung verfügten, keinerlei besondere Verantwortung. Daher könne die Kommission Kriterien, die sie in einer den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung betreffenden Rechtssache entwickelt habe, im Rahmen einer Untersuchung nach Art. 101 Abs. 1 AEUV nicht wiederverwenden.

781    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

782    Der Gerichtshof hat, worauf die Kommission im 1300. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hinweist, in seinem Urteil AstraZeneca/Kommission (oben in Rn. 163 angeführt, EU:C:2012:770) zu einem ähnlichen Argument der Klägerin in jener Rechtssache festgestellt, dass „AstraZeneca, auch wenn die Kommission und die Unionsgerichte noch keine Gelegenheit gehabt hatten, sich konkret zu einem Verhalten wie dem diese Missbräuche kennzeichnenden zu äußern, von der ausgeprägten Wettbewerbsfeindlichkeit ihres Verhaltens wusste und … davon hätte ausgehen müssen, dass es mit dem Wettbewerbsrecht der Union unvereinbar war“. Die Klägerinnen leiten aus diesem Urteil somit zu Unrecht ab, dass die Kommission keine Geldbuße verhängen kann, wenn es keine vergleichbaren Präzedenzfälle gibt, die von den Unionsgerichten bestätigt worden sind (oben, Rn. 438 und 774).

783    Außerdem waren die Verhaltensweisen der Klägerinnen – ebenso wie in der Rechtssache, in der das Urteil AstraZeneca/Kommission (oben in Rn. 755 angeführt, EU:T:2010:266) ergangen ist – im vorliegenden Fall offensichtlich nicht Teil des normalen Wettbewerbsprozesses, da sie darauf abzielten, potenzielle Wettbewerber mittels umgekehrter Zahlungen in nicht unerheblicher Höhe vom Markt auszuschließen. Die Tatsache, dass bestimmte Patentvergleiche im Übrigen möglicherweise zulässig sind und nicht gegen die Vertragsbestimmungen über den freien Wettbewerb verstoßen, ändert nichts daran, dass die von den Klägerinnen geschlossenen streitigen Vereinbarungen aus den von der Kommission im angefochtenen Beschluss dargelegten Gründen (siehe oben, Rn. 354, sowie Erwägungsgründe 661 und 662 des angefochtenen Beschlusses) im vorliegenden Fall wettbewerbswidrig waren.

784    Auch wenn es schließlich zutrifft, dass Unternehmen mit marktbeherrschender Stellung gemäß Art. 102 AEUV eine besondere Verantwortung haben, bestimmte Arten einseitiger, den Wettbewerb beeinträchtigender Verhaltensweisen wie die im Urteil AstraZeneca/Kommission (oben in Rn. 755 angeführt, EU:T:2010:266) in Rede stehenden nicht an den Tag zu legen, unterliegen gleichwohl alle Unternehmen – unabhängig davon, ob sie über eine marktbeherrschende Stellung verfügen oder nicht – auch Art. 101 AEUV, wenn die Voraussetzungen für dessen Anwendung erfüllt sind, so dass ihnen in diesem Rahmen Geldbußen auferlegt werden können. Die Kommission hat im vorliegenden Fall die letztgenannte Bestimmung und nicht Art. 102 AEUV angewandt.

785    Folglich ist der zweite Teil und damit der neunte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

VI –  Zehnter Klagegrund, mit dem äußerst hilfsweise Rechts- und Tatsachenfehler bei der Berechnung des Betrags der Geldbußen geltend gemacht werden

786    Die Klägerinnen vertreten die Ansicht, die Kommission hätte jedenfalls bei der Berechnung des Betrags der Geldbuße im angefochtenen Beschluss erstens von einem niedrigeren Schweregrad ausgehen müssen, zweitens die Tatsache berücksichtigen müssen, dass die behaupteten Zuwiderhandlungen lediglich von kurzer Dauer gewesen seien, drittens davon absehen müssen, einen wie auch immer gearteten Zusatzbetrag zu verhängen, und viertens mildernde Umstände berücksichtigen müssen.

787    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

788    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in Bezug auf die Klägerinnen der in den Leitlinien von 2006 beschriebenen allgemeinen Methodik gefolgt ist, die sich auf den Wert der im relevanten räumlichen Markt innerhalb des EWR verkauften Waren stützt, die mit den begangenen Verstößen in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen (Ziff. 13 und 19 dieser Leitlinien). Je nach räumlicher Tragweite der streitigen Vereinbarungen ist dabei von einem Schweregrad von 10 % bzw. 11 % ausgegangen worden (siehe oben, Rn. 68 bis 75, und Erwägungsgründe 1316 bis 1358 des angefochtenen Beschlusses).

789    Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass bei der Festsetzung der Höhe der im Fall eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln zu verhängenden Geldbußen nach ständiger Rechtsprechung die Dauer der Zuwiderhandlungen sowie sämtliche Faktoren zu berücksichtigen sind, die für die Beurteilung der Schwere dieser Zuwiderhandlungen eine Rolle spielen, wie das Verhalten jedes einzelnen Unternehmens, die Rolle, die jedes Unternehmen bei der Abstimmung der Verhaltensweisen gespielt hat, der Gewinn, den die Unternehmen aus diesen Verhaltensweisen ziehen konnten, ihre Größe und der Wert der betroffenen Waren sowie die Gefahr, die derartige Zuwiderhandlungen bedeuten (vgl. Urteil vom 8. Dezember 2011, KME Germany u. a./Kommission, C‑272/09 P, EU:C:2011:810, Rn. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung).

790    Ferner sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs objektive Gesichtspunkte wie Inhalt und Dauer der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, deren Zahl und Intensität, der Umfang des betroffenen Marktes und die Schädigung der öffentlichen Wirtschaftsordnung einzubeziehen (vgl. Urteil KME Germany u. a./Kommission, oben in Rn. 789 angeführt, EU:C:2011:810, Rn. 97 und die dort angeführte Rechtsprechung).

791    Insoweit kommt der Begründungspflicht eine ganz besondere Bedeutung zu. Die Kommission muss ihre Entscheidung begründen und u. a. darlegen, wie sie die berücksichtigten Faktoren gewichtet und bewertet hat. Das Vorliegen einer Begründung ist vom Richter von Amts wegen zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil KME Germany u. a./Kommission, oben in Rn. 789 angeführt, EU:C:2011:810, Rn. 101 und die dort angeführte Rechtsprechung).

792    Im Übrigen ist es Sache des Unionsrichters, die ihm obliegende Rechtmäßigkeitskontrolle auf der Grundlage der vom Kläger zur Stützung seiner Klagegründe vorgelegten Beweise vorzunehmen. Bei dieser Kontrolle kann der Richter weder hinsichtlich der Wahl der Gesichtspunkte, die bei der Anwendung der in den Leitlinien genannten Kriterien berücksichtigt wurden, noch hinsichtlich ihrer Bewertung auf den Ermessensspielraum der Kommission verweisen, um auf eine gründliche rechtliche wie tatsächliche Kontrolle zu verzichten (Urteil KME Germany u. a./Kommission, oben in Rn. 789 angeführt, EU:C:2011:810, Rn. 102).

793    Die Rechtmäßigkeitskontrolle wird ergänzt durch die dem Unionsrichter durch Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 gemäß Art. 261 AEUV eingeräumte Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung. Diese Befugnis ermächtigt den Richter über die reine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Zwangsmaßnahme hinaus dazu, die Beurteilung der Kommission durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen und demgemäß die verhängte Geldbuße oder das verhängte Zwangsgeld aufzuheben, herabzusetzen oder zu erhöhen (vgl. in diesem Sinne Urteil KME Germany u. a./Kommission, oben in Rn. 789 angeführt, EU:C:2011:810, Rn. 103 und die dort angeführte Rechtsprechung).

794    Es ist jedoch zu betonen, dass die Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung nicht einer Prüfung von Amts wegen entspricht und dass das Verfahren vor den Gerichten der Union ein streitiges Verfahren ist. Mit Ausnahme der Gründe zwingenden Rechts, die der Richter von Amts wegen zu berücksichtigen hat, wie etwa das Fehlen einer Begründung der angefochtenen Entscheidung, ist es Sache des Klägers, gegen die Entscheidung Klagegründe vorzutragen und für diese Beweise beizubringen (Urteil KME Germany u. a./Kommission, oben in Rn. 789 angeführt, EU:C:2011:810, Rn. 104).

795    Anhand dieser Erwägungen ist das Vorbringen der Klägerinnen zu prüfen.

A –  Erster Teil

796    Die Klägerinnen machen geltend, die für die mit Merck (GUK), Alpharma und Ranbaxy geschlossenen Vereinbarungen auf 11 % des Wertes der Verkäufe sowie für die mit Arrow geschlossenen Vereinbarungen auf 10 % festgesetzten Schweregrade seien zu hoch. Im angefochtenen Beschluss sei erstens nicht die begrenzte Tragweite der in den streitigen Vereinbarungen enthaltenen Beschränkungen berücksichtigt worden. Diese fielen nämlich – zumindest teilweise – in den Schutzbereich der Patente von Lundbeck. Der Marktanteil von Lundbeck habe in den meisten Ländern des EWR unter 19 % gelegen, und die räumliche Tragweite der Vereinbarungen hätte auf die Länder des EWR beschränkt werden müssen, in denen die Generikahersteller realistische Perspektiven auf einen Markteintritt gehabt hätten.

797    Zweitens werde dem Umstand, dass die streitigen Vereinbarungen nicht geheim gewesen seien und keine für diese Art von Vereinbarungen klassischen Klauseln enthalten hätten, was im Einklang mit der Entscheidungspraxis der Kommission einen niedrigeren Schweregrad rechtfertige, im angefochtenen Beschluss nicht Rechnung getragen. Drittens seien die streitigen Vereinbarungen nicht kollusiver Natur, was im angefochtenen Beschluss im Übrigen eingeräumt werde. In der Vergangenheit habe die Kommission entweder keine oder eine sehr viel niedrigere Geldbuße verhängt oder aber den Schweregrad auf der untersten Stufe der Skala für diese Art beschränkender nicht kollusiver Vereinbarungen festgesetzt. Im Beschluss werde somit fälschlicherweise festgestellt, dass die streitigen Vereinbarungen schwerwiegende Verstöße gegen Art. 101 AEUV darstellten. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlange vielmehr, dass der Schweregrad im vorliegenden Fall auf der untersten Stufe der Skala festgesetzt werde.

798    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

799    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Ziff. 21 der Leitlinien von 2006 ein Betrag von bis zu 30 % des Umsatzes festgesetzt werden kann. Nach Ziff. 22 dieser Leitlinien berücksichtigt die Kommission bei der Bestimmung der genauen Höhe innerhalb dieser Bandbreite mehrere Umstände, u. a. die Art der Zuwiderhandlung, den kumulierten Marktanteil sämtlicher beteiligten Unternehmen, den Umfang des von der Zuwiderhandlung betroffenen räumlichen Marktes und die etwaige Umsetzung der Zuwiderhandlung in der Praxis.

800    Erstens ist festzustellen, dass die Kommission die im vorliegenden Fall in Rede stehenden Zuwiderhandlungen zu Recht als „schwerwiegend“ eingestuft hat, da es um bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen ging, deren wettbewerbsschädlicher Charakter, der darin besteht, Wettbewerber dafür zu bezahlen, dass sie sich für einen bestimmten Zeitraum vom Markt fernhalten, hinreichend nachgewiesen worden ist (1331. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

801    Der Umstand, dass einige der in den streitigen Vereinbarungen enthaltenen Beschränkungen möglicherweise in den Schutzbereich der Patente von Lundbeck (wie er oben in den Rn. 335 und 569 definiert worden ist) fielen, ist nicht geeignet, diese Schlussfolgerung in Frage zu stellen. Hierbei handelte es sich nämlich nur um einen Faktor neben anderen, denen die Kommission Rechnung getragen hat, um im vorliegenden Fall das Vorliegen einer bezweckten Beschränkung nachzuweisen (oben, Rn. 354). Daher spielt es keine Rolle, dass diese Vereinbarungen möglicherweise auch Beschränkungen enthielten, die in den Schutzbereich der genannten Patente fielen. Wie die Kommission im angefochtenen Beschluss festgestellt hat, ist nämlich entscheidend, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen eine Unsicherheit hinsichtlich der Frage bestand, ob die Erzeugnisse, die die Generikahersteller zu vermarkten beabsichtigten, irgendeines der Patente von Lundbeck verletzten oder nicht, dass deren Gültigkeit auch vor einem Gericht hätte angefochten werden können und dass die Klägerinnen die Gewissheit, dass die Generikahersteller während der Laufzeit der streitigen Vereinbarungen nicht in den Markt eintreten würden, mittels einer umgekehrten Zahlung in erheblicher Höhe erlangt hatten (oben, Rn. 363 und 429). Jedenfalls hat die Kommission zu Recht die Auffassung vertreten, dass die streitigen Vereinbarungen in der großen Mehrzahl der Fälle Beschränkungen enthielten, die über den Schutzbereich der Patente von Lundbeck hinausgingen (siehe oben, sechster Klagegrund).

802    Zweitens ist die Kommission fehlerfrei davon ausgegangen, dass Lundbeck auf den von den streitigen Vereinbarungen betroffenen räumlichen Märkten einen sehr bedeutenden Marktanteil an dem Erzeugnis hielt, auf das sich die in Rede stehenden Zuwiderhandlungen beziehen. So geht aus dem angefochtenen Beschluss zumindest implizit hervor, dass Lundbeck zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen über ein Monopol für Citalopram verfügte, da ihre ursprünglichen Patente für den API Citalopram gerade erst erloschen waren und noch kein generische Arzneimittel vermarktendes Unternehmen in den Markt eingetreten war. Hinzu kommt, dass die Kommission, selbst wenn unterstellt wird, dass der relevante Markt größer gewesen ist und sämtliche Antidepressiva eingeschlossen hat, im 215. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu Recht darauf hingewiesen hat, dass Lundbeck in den meisten Ländern des EWR einen beachtlichen Marktanteil auf diesem Markt hielt.

803    Drittens hat die Kommission zu Recht die Ansicht vertreten, dass die in Rede stehenden Zuwiderhandlungen eine große räumliche Tragweite hatten, da sie – mit Ausnahme der Zuwiderhandlung, die zusammen mit Arrow begangen worden ist – allesamt den gesamten EWR abdeckten.

804    Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen war die Kommission nicht verpflichtet, den Grundbetrag der Geldbuße herabzusetzen und lediglich den Umsatz in den Ländern zu berücksichtigen, in denen die Generikahersteller mit ihren Vorbereitungen für einen Markteintritt weiter fortgeschritten waren. Da es um bezweckte Zuwiderhandlungen ging und die Zuwiderhandlungen, die mit den streitigen Vereinbarungen (mit Ausnahme der mit Arrow geschlossenen Vereinbarungen) begangen worden sind, eine räumliche Tragweite hatten, die sich auf den gesamten EWR erstreckte, durfte sich die Kommission nämlich auf diese räumliche Tragweite stützen, ohne eine gründliche Prüfung der Frage vornehmen zu müssen, welche konkreten Markteintrittsperspektiven die Generikahersteller in jedem einzelnen Staat des EWR hatten. Die räumliche Tragweite der streitigen Vereinbarungen und damit der im vorliegenden Fall in Rede stehenden Zuwiderhandlungen wurde nämlich von den Parteien dieser Vereinbarungen festgelegt, als sie beschlossen, dass die genannten Vereinbarungen den gesamten EWR abdecken sollten (mit Ausnahme der mit Arrow begangenen Zuwiderhandlung).

805    Viertens hat die Kommission ebenso wenig einen Fehler begangen, als sie dem Umstand Rechnung getragen hat, dass jede einzelne der streitigen Vereinbarungen umgesetzt worden ist, was die Klägerinnen auch nicht bestreiten, da die Generikahersteller während der Laufzeit der streitigen Vereinbarungen nicht in den Markt eingetreten sind, mit Ausnahme von Merck (GUK) vor der zweiten Verlängerung der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich (oben, Rn. 28, 131 und 399).

806    Nach alledem ist daher festzustellen, dass die Kommission keinen Rechtsfehler begangen hat, als sie den Anteil am Umsatz zur Bestimmung des Grundbetrags der gegen Lundbeck zu verhängenden Geldbuße auf 11 % bzw. 10 % festgesetzt hat, je nachdem, ob die räumliche Tragweite der von der Zuwiderhandlung betroffenen Vereinbarungen der gesamte EWR war oder nicht. In Anbetracht der vorstehenden Gesichtspunkte können solche Schweregrade, die sich eher am unteren Ende der in Ziff. 21 der Leitlinien von 2006 vorgesehenen Bandbreite bewegen, im Übrigen nicht als unverhältnismäßig angesehen werden.

807    Ebenfalls ohne Erfolg machen die Klägerinnen geltend, die Kommission hätte bei der Bestimmung des Betrags der ihnen aufzuerlegenden Geldbuße von einem niedrigeren Schweregrad ausgehen müssen, da die Vereinbarungen nicht geheim gewesen seien.

808    Ziff. 23 der Leitlinien von 2006 sieht nämlich vor, dass „[h]orizontale, üblicherweise geheime Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen, Aufteilung der Märkte oder Einschränkung der Erzeugung … ihrer Art nach zu den schwerwiegendsten Verstößen [gehören]“, dass sie „unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten streng geahndet werden [müssen]“ und dass „[f]ür solche Zuwiderhandlungen … daher grundsätzlich ein Betrag am oberen Ende dieser Bandbreite anzusetzen [ist]“.

809    Es genügt die Feststellung, dass sich die Kommission, auch wenn die streitigen Vereinbarungen keineswegs geheim waren, mit der Festsetzung eines Anteils am Umsatz von 10 % bzw. 11 % im vorliegenden Fall nicht am oberen Ende der Bandbreite in Ziff. 21 der Leitlinien von 2006, also bei 30 % des Umsatzes, bewegte.

810    Auch wenn es die Kommission in bestimmten Fällen aus unterschiedlichen Gründen nicht für erforderlich hielt, eine Geldbuße zu verhängen oder einen am unteren Ende der Gewichtungsskala stehenden Anteil am Umsatz anzusetzen, ist außerdem darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die frühere Entscheidungspraxis der Kommission nicht selbst den rechtlichen Rahmen für die Verhängung von Geldbußen in Wettbewerbssachen bildet, da dieser allein in der Verordnung Nr. 1/2003 und den Leitlinien geregelt ist. So können in anderen Fällen ergangene Entscheidungen nur Hinweischarakter für das eventuelle Vorliegen einer Diskriminierung haben, da es wenig wahrscheinlich ist, dass die sie kennzeichnenden Umstände wie die Märkte, die Waren, die Unternehmen und die betroffenen Zeiträume die gleichen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, oben in Rn. 98 angeführt, EU:T:2012:332, Rn. 260 bis 262 und die dort angeführte Rechtsprechung). Hier sind die den von den Klägerinnen angeführten früheren Entscheidungen zugrunde liegenden tatsächlichen Gegebenheiten wie die betroffenen Märkte, Erzeugnisse, Länder, Unternehmen und Zeiträume nicht die gleichen wie im vorliegenden Fall, so dass diese Entscheidungen nach der vorerwähnten Rechtsprechung für die Prüfung irrelevant sind, ob der Grundsatz der Gleichbehandlung beachtet worden ist.

811    Schließlich machen die Klägerinnen zu Unrecht geltend, im vorliegenden Fall sei gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen worden. Aus dem genannten Grundsatz folgt in diesem Zusammenhang nämlich lediglich, dass die Kommission die Geldbuße verhältnismäßig nach den Faktoren festsetzen muss, die sie für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigt hat, und dass sie diese Faktoren dabei schlüssig und objektiv gerechtfertigt bewerten muss (vgl. Urteil vom 27. September 2006, Jungbunzlauer/Kommission, T‑43/02, EU:T:2006:270, Rn. 228 und die dort angeführte Rechtsprechung). Aus den Erwägungsgründen 1330 bis 1333 des angefochtenen Beschlusses geht hervor, dass die Kommission die in Ziff. 22 der Leitlinien von 2006 festgelegten Grundsätze im vorliegenden Fall kohärent und objektiv gerechtfertigt bewertet hat.

812    Der erste Teil ist somit zurückzuweisen.

B –  Zweiter Teil

813    Die Klägerinnen machen geltend, im 1335. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses werde es zu Unrecht abgelehnt, für die behaupteten Zuwiderhandlungen von einer kürzeren Dauer auszugehen. Diese Dauer müsse auf den Zeitraum beschränkt werden, während dessen die Generikahersteller tatsächlich bereit gewesen seien, in den Markt einzutreten, wofür sie in den relevanten Ländern zumindest über eine Zulassung hätten verfügen müssen. In Österreich beispielsweise sei das Patent für den API erst im April 2003 erloschen, so dass die mit GUK, Alpharma und Ranbaxy begangenen Zuwiderhandlungen den Wettbewerb in Österreich vor diesem Zeitpunkt nicht hätten beschränken können. Dieser Ansatz entspreche der Position der Kommission in der Entscheidung K(2009) 5355 endg. vom 8. Juli 2009 in einem Verfahren nach Artikel [101 AEUV] (Sache COMP/39.401 – E.ON/GDF) (Zusammenfassung in ABl. 2009, C 248, S. 5), in der bei der Berechnung des Betrags der Geldbuße lediglich der Zeitraum nach 1998 berücksichtigt worden sei.

814    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

815    Hierzu ist mit der Kommission festzustellen, dass ein solches Argument darauf hinausläuft, die bestehende Unterscheidung zwischen tatsächlichem und potenziellem Wettbewerb sowie die Tatsache in Abrede zu stellen, dass Art. 101 AEUV auch Letzteren schützt (oben, Rn. 99). Die Kommission hat jedoch für alle betroffenen Generikahersteller hinreichend nachgewiesen, dass sie über tatsächliche und konkrete Möglichkeiten verfügten, in den Markt einzutreten, und zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen somit potenzielle Wettbewerber von Lundbeck waren (siehe oben, erster Klagegrund).

816    Die Klägerinnen können sich insoweit nicht auf das Urteil E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission (oben in Rn. 98 angeführt, EU:T:2012:332) stützen, da in jener Rechtssache, wie sie selbst einräumen, während eines Teils des Zeitraums der Zuwiderhandlung auch ohne wettbewerbswidrige Vereinbarung deshalb kein Wettbewerb möglich gewesen wäre, weil der Markt aufgrund der seinerzeit geltenden nationalen Rechtsvorschriften zulässigerweise jeglichem Wettbewerb entzogen war, was eine faktische Monopolstellung begründete. Das Gericht hat im Übrigen die Entscheidung der Kommission in jener Rechtssache aus diesem Grund teilweise für nichtig erklärt, da nicht hinreichend dargetan worden war, dass während des genannten Zeitraums eine Wettbewerbsbeschränkung auf dem deutschen Gasmarkt vorlag (Urteil E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, oben in Rn. 98 angeführt, EU:T:2012:332, Rn. 105 und 155). Im vorliegenden Fall hat die Kommission im angefochtenen Beschluss hingegen rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass der Wettbewerb aufgrund der streitigen Vereinbarungen während deren gesamter Laufzeit eingeschränkt worden war. Die Klägerinnen haben weder dargetan, dass ohne die streitigen Vereinbarungen – sogar potenzieller – Wettbewerb zwischen ihnen und den Generikaherstellern unmöglich oder inexistent gewesen wäre, noch, dass diese Vereinbarungen den Wettbewerb in keiner Weise beschränkten.

817    Daher ist der zweite Teil zurückzuweisen.

C –  Dritter Teil

818    Die Klägerinnen vertreten die Auffassung, es hätte kein Zusatzbetrag gegen sie verhängt werden dürfen, und zwar nicht einmal für die mit Arrow geschlossenen Vereinbarungen (siehe oben, Rn. 73), da die behaupteten Zuwiderhandlungen keiner der Fallgestaltungen entsprächen, in denen die Leitlinien von 2006 die Anwendung eines Zusatzbetrags empfehlen (nämlich bei „horizontalen Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen, Aufteilung von Märkten oder Mengeneinschränkungen“), und es bei Zuwiderhandlungen, deren Beginn mehr als zehn Jahre zurückliege, keiner stärker abschreckenden Wirkung bedürfe, wenn sie nicht wiederholt worden seien.

819    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

820    Ziff. 25 der Leitlinien von 2006, die die Aufnahme einer Eintrittsgebühr in den Grundbetrag der Geldbuße vorsieht, bestimmt:

„[U]nabhängig von der Dauer der Beteiligung eines Unternehmens an der Zuwiderhandlung fügt die Kommission einen Betrag zwischen 15 % und 25 % des Umsatzes … hinzu, um die Unternehmen von vornherein von der Beteiligung an horizontalen Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen, Aufteilung von Märkten oder Mengeneinschränkungen abzuschrecken. Dieser Zusatzbetrag kann auch in Fällen anderer Zuwiderhandlungen erhoben werden. Bei der Entscheidung, welcher Anteil am Umsatz zugrunde zu legen ist, berücksichtigt die Kommission mehrere Umstände, u. a. die in Ziffer 22 genannten [nämlich die Art der Zuwiderhandlung, den kumulierten Marktanteil sämtlicher beteiligten Unternehmen, den Umfang des von der Zuwiderhandlung betroffenen räumlichen Marktes und die etwaige Umsetzung der Zuwiderhandlung in der Praxis].“

821    Die Klägerinnen tragen im Wesentlichen vor, die Kommission habe eine solche Eintrittsgebühr zu Abschreckungszwecken nicht in die ihnen auferlegte Geldbuße aufnehmen dürfen, da die behaupteten Zuwiderhandlungen keiner Fallkonstellation entsprächen, in der die Leitlinien von 2006 die Anwendung eines Zusatzbetrags empfehlen, und die Zuwiderhandlungen, die mehr als zehn Jahre zurücklägen, nicht wiederholt worden seien.

822    Es ist jedoch festzustellen, dass die der Kommission durch das Unionsrecht in Wettbewerbsangelegenheiten übertragene Überwachungsaufgabe die Pflicht umfasst, einzelne Zuwiderhandlungen zu ermitteln und zu ahnden sowie eine allgemeine Politik mit dem Ziel zu verfolgen, die im Vertrag niedergelegten Grundsätze auf das Wettbewerbsrecht anzuwenden und das Verhalten der Unternehmen in diesem Sinne zu lenken. Folglich muss die Kommission sicherstellen, dass die Geldbußen abschreckenden Charakter haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Dezember 2014, Pilkington Group u. a./Kommission, T‑72/09, EU:T:2014:1094, Rn. 302 und die dort angeführte Rechtsprechung).

823    Daher zielt die abschreckende Wirkung der Geldbuße nicht nur darauf ab, einen Rückfall des betroffenen Unternehmens abzuwenden. Die Kommission darf das Niveau von Geldbußen anheben, um ihre abschreckende Wirkung allgemein zu verstärken, insbesondere wenn Zuwiderhandlungen eines bestimmten Typs immer noch verhältnismäßig häufig sind oder als schwerwiegend anzusehen sind (vgl. Urteil Pilkington Group u. a./Kommission, oben in Rn. 822 angeführt, EU:T:2014:1094, Rn. 303 und die dort angeführte Rechtsprechung).

824    Wie zudem die Kommission geltend macht, ähnelten die streitigen Vereinbarungen im vorliegenden Fall stark Vereinbarungen zur Aufteilung von Märkten oder Mengeneinschränkungen, die in Ziff. 25 der Leitlinien von 2006 ausdrücklich aufgeführt sind (oben, Rn. 820). Jedenfalls ermächtigt diese Ziffer der genannten Leitlinien die Kommission im Einklang mit der Rechtsprechung zur Erhebung eines solchen Zusatzbetrags, um sicherzustellen, dass die Geldbuße auch für andere Arten von Zuwiderhandlungen abschreckenden Charakter hat.

825    Daher ist der Schluss zu ziehen, dass die Kommission weder die Grenzen des ihr auf dem Gebiet der Geldbußen zustehenden Ermessensspielraums überschritten noch gegen ihre Leitlinien von 2006 verstoßen hat, als sie für die erste mit Arrow begangene Zuwiderhandlung einen Zusatzbetrag von 10 % des Jahresumsatzes erhoben hat, um sicherzustellen, dass die gegen die Klägerinnen verhängte Geldbuße hinreichend abschreckenden Charakter hat (1340. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

826    Folglich ist auch der dritte Teil zurückzuweisen.

D –  Vierter Teil

827    Die Klägerinnen vertreten als Erstes die Auffassung, die Kommission habe es zu Unrecht abgelehnt, zugunsten von Lundbeck den mildernden Umstand zu berücksichtigen, der sich aus dem Nachweis berechtigter Zweifel des Unternehmens an der Rechtswidrigkeit seines wettbewerbswidrigen Verhaltens ergebe. Das im angefochtenen Beschluss vorgebrachte Argument, der aus den berechtigten Zweifeln am Vorliegen der Zuwiderhandlung hergeleitete mildernde Umstand sei in den Leitlinien von 2006 nicht mehr enthalten (1343. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), stelle keinen triftigen Grund für die Nichtberücksichtigung dieses Umstands dar, da sowohl in den genannten Leitlinien als auch vom Gericht anerkannt werde, dass die Liste der mildernden Umstände nicht erschöpfend sei. Außerdem gehe aus der Kommunikation des KFST mit der Kommission eindeutig hervor, dass in deren Augen seinerzeit nicht klar gewesen sei, welcher rechtliche Maßstab für die streitigen Vereinbarungen habe angelegt werden müssen, so dass er auch für Lundbeck nicht habe klar sein können.

828    Die Klägerinnen machen als Zweites geltend, zu Unrecht sei der mildernde Umstand einer fahrlässigen Begehung der behaupteten Zuwiderhandlungen nicht zu ihren Gunsten berücksichtigt worden, obwohl sie die streitigen Vereinbarungen gutgläubig im Hinblick darauf geschlossen hätten, eine Verletzung ihrer Patente durch die Generikahersteller zu verhindern, indem sie die Tragweite der genannten Vereinbarungen auf Erzeugnisse beschränkt hätten, die diese Patente verletzten, und in keiner Weise versucht hätten, die Vereinbarungen geheim zu halten, was sie getan hätten, wenn sie die Absicht gehabt hätten, gegen das Wettbewerbsrecht der Union zu verstoßen.

829    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

830    Als Erstes ist mit den Klägerinnen festzustellen, dass die Tatsache, dass das Bestehen berechtigter Zweifel am Vorliegen einer Zuwiderhandlung nicht mehr ausdrücklich unter den mildernden Umständen aufgeführt ist, die in den Leitlinien von 2006 explizit erwähnt werden, nicht genügt, um der Kommission zu erlauben, seine Berücksichtigung als mildernden Umstand automatisch auszuschließen. In der Rechtsprechung ist insoweit nämlich klargestellt worden, dass der Kommission, da die Leitlinien keine zwingende Festlegung hinsichtlich der mildernden Umstände enthalten, die berücksichtigt werden können, ein gewisses Ermessen verbleibt, um über die Höhe einer etwaigen Herabsetzung der Geldbußen wegen mildernder Umstände im Wege einer Gesamtwürdigung zu entscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteil Dalmine/Kommission, oben in Rn. 380 angeführt, EU:T:2004:220, Rn. 326 und die dort angeführte Rechtsprechung).

831    Der Umstand, dass eine Entscheidung der Kommission den ersten Fall der Anwendung der Wettbewerbsregeln in einem bestimmten Wirtschaftssektor darstellt, kann jedoch nicht als mildernd eingestuft werden, wenn der Urheber der Zuwiderhandlung wusste oder hätte wissen müssen, dass sein Verhalten möglicherweise eine Wettbewerbsbeschränkung auf dem Markt nach sich zog und aus wettbewerbsrechtlicher Sicht problematisch war (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. März 2011, World Wide Tobacco España/Kommission, T‑37/05, EU:T:2011:76, Rn. 160).

832    Im vorliegenden Fall hätten die Klägerinnen aber wissen müssen, dass die streitigen Vereinbarungen möglicherweise gegen Art. 101 AEUV verstießen. Diese zielten nämlich darauf ab, während ihrer Laufzeit potenzielle Wettbewerber gegen Bezahlung vom Markt auszuschließen, was zu den schweren Zuwiderhandlungen gehört, die in Art. 101 Abs. 1 AEUV ausdrücklich genannt sind.

833    Aus dem angefochtenen Beschluss geht ferner hervor, dass sich Lundbeck der potenziellen Rechtswidrigkeit der genannten Vereinbarungen bewusst war (siehe oben, Rn. 776).

834    Was darüber hinaus die von den Klägerinnen angeführten Mitteilungen des KFST angeht, ist darauf hinzuweisen, dass ein Unternehmen, das gegen Art. 101 AEUV verstoßen hat, nicht der Verhängung einer Geldbuße entgehen kann, wenn der Zuwiderhandlung ein Irrtum dieses Unternehmens über die Rechtmäßigkeit seines Verhaltens zugrunde liegt, der auf der Rechtsansicht eines Anwalts oder einer Entscheidung einer nationalen Wettbewerbsbehörde beruht (Urteil Schencker & Co. u. a./Kommission, oben in Rn. 748 angeführt, EU:C:2013:404, Rn. 43). Außerdem ließen diese Mitteilungen im vorliegenden Fall keineswegs Zweifel an der Anwendbarkeit von Art. 101 AEUV auf die streitigen Vereinbarungen aufkommen, sondern stellten klar, dass die genannten Vereinbarungen den Wettbewerb beeinflussen konnten, falls sich herausstellen sollte, dass Lundbeck Wettbewerber bezahlt hatte, damit sie vom Markt fernbleiben.

835    Jedenfalls konnte – selbst wenn unterstellt wird, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen berechtigte Zweifel hinsichtlich der Faktoren bestanden haben mögen, anhand deren im vorliegenden Fall, in einem Kontext, in dem die Klägerinnen im Besitz von Verfahrenspatenten waren, die einem Markteintritt der Generikahersteller möglicherweise entgegenstanden, der Nachweis einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung geführt werden könnte – zu diesem Zeitpunkt keinerlei Zweifel daran bestehen, dass Vereinbarungen, die wie hier bezweckten, potenzielle Wettbewerber dafür zu bezahlen, dass sie sich während eines festgelegten Zeitraums vom Markt fernhalten, nicht mit Art. 101 Abs. 1 AEUV vereinbar sein konnten, da sie in keiner Weise die Erleichterung des Markteintritts der Generika – selbst nach ihrem Ablauf – ermöglichten oder wirklich dazu beitrugen, den zugrunde liegenden Patentstreit zwischen den Parteien beizulegen (oben, Rn. 475 und 497).

836    Wie zudem oben im Rahmen des sechsten Klagegrundes festgestellt worden ist, enthielten die streitigen Vereinbarungen – mit Ausnahme der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich – Beschränkungen, die über den Schutzbereich der Patente von Lundbeck hinausgingen, so dass diese Vereinbarungen – selbst wenn es sich bei dem von den Klägerinnen vorgeschlagenen Kriterium des Schutzbereichs der Patente um das für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der genannten Vereinbarungen anhand von Art. 101 Abs. 1 AEUV relevante rechtliche Kriterium gehandelt hätte – dieses Kriterium nicht erfüllt und somit auch dann bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne der erwähnten Bestimmung dargestellt hätten. Hinsichtlich der GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich ist festzustellen, dass diese – zusammen mit der GUK-Vereinbarung für den EWR – Teil derselben von Lundbeck und Merck (GUK) begangenen einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung ist. Wie vorstehend festgestellt worden ist, hat die Kommission hinreichend nachgewiesen, dass die GUK-Vereinbarung für den EWR Beschränkungen enthielt, die über den Schutzbereich der Patente von Lundbeck hinausgingen.

837    Die Klägerinnen machen als Zweites geltend, die im vorliegenden Fall in Rede stehenden Zuwiderhandlungen seien fahrlässig begangen worden, was ebenfalls einen mildernden Umstand darstelle, der eine Herabsetzung des Betrags der Geldbuße rechtfertige.

838    Nach Ziff. 29 der Leitlinien von 2006 kann der Grundbetrag der Geldbuße verringert werden, wenn die Kommission mildernde Umstände wie beispielsweise vom Unternehmen beigebrachte Beweise, dass die Zuwiderhandlung aus Fahrlässigkeit begangen wurde, feststellt.

839    Im vorliegenden Fall wurden jedoch die streitigen Vereinbarungen von den Klägerinnen vorsätzlich geschlossen und waren Teil einer gezielten Strategie, die darauf abzielte, den potenziell sofortigen Markteintritt der Generika zu verhindern (oben, Rn. 126 und 528).

840    Das Argument der Klägerinnen stützt sich nämlich erneut auf die Prämisse, dass die streitigen Vereinbarungen lediglich den Marktzugang generischer Erzeugnisse verhindert hätten, die ihre Patente potenziell verletzten. Wie oben im Rahmen des sechsten Klagegrundes dargelegt worden ist, ist dies jedoch nicht der Fall. Jedenfalls bestand eine Unsicherheit hinsichtlich der Frage, ob die Patente von Lundbeck gültig waren und durch die Erzeugnisse verletzt wurden, die die Generikahersteller zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen zu vermarkten beabsichtigten (siehe oben, zweiter Klagegrund), wobei die Unsicherheit durch diese Vereinbarungen beseitigt worden ist. Somit machen die Klägerinnen zu Unrecht geltend, die Zuwiderhandlungen seien im vorliegenden Fall fahrlässig begangen worden, so dass die Kommission diesen mildernden Umstand zu ihren Gunsten hätte berücksichtigen müssen.

841    Im Übrigen war die Kommission, selbst wenn unterstellt wird, dass die Zuwiderhandlungen im vorliegenden Fall fahrlässig begangen worden sind, nicht verpflichtet, den Klägerinnen eine Herabsetzung der Geldbuße zu gewähren. Wie der Wortlaut von Ziff. 29 der Leitlinien von 2006 bestätigt, verfügt die Kommission insoweit nämlich über einen Ermessensspielraum unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Auch wenn die in den Leitlinien aufgezählten Umstände zweifellos zu denen gehören, die die Kommission in einem bestimmten Fall berücksichtigen kann, ist sie nicht verpflichtet, in diesem Rahmen automatisch und ohne eingehende Prüfung eine zusätzliche Ermäßigung zu gewähren, wenn ein Unternehmen Anhaltspunkte dafür vorbringt, dass einer der erwähnten Umstände vorliegt. Die Angemessenheit einer etwaigen Ermäßigung der Geldbuße im Rahmen mildernder Umstände ist nämlich ganzheitlich unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Dezember 2013, Caffaro/Kommission, C‑447/11 P, EU:C:2013:797, Rn. 103).

842    In Anbetracht aller Umstände des vorliegenden Falles, insbesondere der Tatsache, dass die Kommission der Dauer des Verfahrens durch die Gewährung einer Ermäßigung des Grundbetrags der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße um 10 % Rechnung getragen hat, ist das Gericht in Wahrnehmung seiner durch Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 gemäß Art. 261 AEUV eingeräumten Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung (oben, Rn. 793) der Auffassung, dass kein Anlass besteht, im vorliegenden Fall zugunsten der Klägerinnen mildernde Umstände zu berücksichtigen, und dass der Betrag der ihnen im angefochtenen Beschluss auferlegten Geldbuße zu bestätigen ist.

843    Was insbesondere die GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich angeht, ist hervorzuheben, dass zwar im Rahmen des sechsten Klagegrundes festgestellt worden ist, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss nicht hinreichend nachgewiesen hat, dass diese Vereinbarung Beschränkungen enthielt, die über den Schutzbereich der Patente von Lundbeck hinausgingen, dass eine solche Rüge aber aus den oben in den Rn. 539 und 570 bis 577 dargelegten Gründen für ins Leere gehend befunden worden ist. Für das Gericht besteht daher kein Anlass, den Klägerinnen hierfür eine Herabsetzung des Betrags der Geldbuße zu gewähren.

844    Folglich ist der vierte Teil und damit der zehnte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

845    Da sämtliche von den Klägerinnen zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses vorgebrachten Klagegründe unbegründet sind oder ins Leere gehen und die Prüfung des zur Stützung ihres Antrags auf Neufestsetzung der Geldbuße angeführten Vorbringens nichts dafür ergeben hat, dass die Kommission die Höhe der Geldbuße auf unangemessene Weise berechnet hat, ist die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

 Kosten

846    Gemäß Art. 134 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

847    Nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung und gemäß dem Antrag der Kommission ist zu entscheiden, dass die Streithelferin ihre eigenen Kosten trägt.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die H. Lundbeck A/S und die Lundbeck Ltd tragen ihre eigenen Kosten und die Kosten der Europäischen Kommission.

3.      Die European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA) trägt ihre eigenen Kosten.

Berardis

Czúcz

Popescu

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 8. September 2016.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


Vorgeschichte des Rechtsstreits

I –  Gesellschaften, auf die sich die vorliegende Rechtssache bezieht

II –  Betroffenes Erzeugnis und sich darauf beziehende Patente

III –  Streitige Vereinbarungen

A –  Vereinbarungen mit Merck (GUK)

B –  Vereinbarungen mit Arrow

C –  Vereinbarung mit Alpharma

D –  Vereinbarung mit Ranbaxy

IV –  Vorgehen der Kommission im Arzneimittelsektor und Verwaltungsverfahren

V –  Angefochtener Beschluss

Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten

Rechtliche Würdigung

I –  Erster Klagegrund: Rechts- und Beurteilungsfehler, soweit im angefochtenen Beschluss die Auffassung vertreten wird, die Generikahersteller und Lundbeck seien zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen zumindest potenzielle Wettbewerber gewesen

A –  Prüfung des potenziellen Wettbewerbs im angefochtenen Beschluss

B –  Anwendbare Grundsätze und Rechtsprechung

1.  Begriff des potenziellen Wettbewerbs

2.  Beweislast

3.  Umfang der Kontrolle durch das Gericht

C –  Erster Teil: Die Markteinführung von Arzneimitteln unter Verletzung der Rechte des geistigen Eigentums Dritter sei kein Ausdruck eines potenziellen Wettbewerbs im Sinne von Art. 101 AEUV

D –  Zweiter Teil: Die Kommission habe ihre Schlussfolgerung, dass die Generikahersteller tatsächliche oder potenzielle Wettbewerber von Lundbeck seien, auf subjektive Bewertungen gestützt

E –  Dritter Teil: Die Anfechtung eines gültigen Patents stelle keine tatsächliche und konkrete Möglichkeit dar, in den Markt einzutreten

F –  Vierter Teil: Das Fehlen einer Zulassung verhindere einen tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerb

G –  Fünfter Teil: Die Generikahersteller hätten während der Laufzeit der streitigen Vereinbarungen nicht auf andere Verfahren ausweichen oder zu anderen API-Herstellern wechseln können

H –  Sechster Teil: Zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen habe es zwischen Lundbeck und Merck (GUK) keinen potenziellen Wettbewerb gegeben

1.  Situation im Vereinigten Königreich

2.  Situation im EWR

I –  Siebter Teil: Zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen habe es zwischen Lundbeck und Arrow keinen potenziellen Wettbewerb gegeben

1.  Situation im Vereinigten Königreich

2.  Situation in Dänemark

J –  Achter Teil: Zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen habe es zwischen Lundbeck und Alpharma keinen potenziellen Wettbewerb gegeben

K –  Neunter Teil: Zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen habe es zwischen Lundbeck und Ranbaxy keinen potenziellen Wettbewerb gegeben

II –  Zweiter, dritter, vierter, fünfter und sechster Klagegrund, mit denen im Wesentlichen ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV geltend gemacht wird

A –  Prüfung des Vorliegens einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung im angefochtenen Beschluss

B –  Anwendbare Grundsätze und Rechtsprechung

C –  Zweiter Klagegrund: Rechts- und Tatsachenfehler sowie Begründungsmangel bei der Beurteilung der Rolle der in den streitigen Vereinbarungen vereinbarten Vermögenstransfers

1.  Erster Teil

2.  Zweiter Teil

3.  Dritter Teil

D –  Dritter Klagegrund: Rechtsfehler bei der Anwendung der Grundsätze, die sich auf den wettbewerbsbeschränkenden Zweck beziehen

1.  Erster Teil

2.  Zweiter Teil

3.  Dritter Teil

4.  Vierter Teil

E –  Vierter Klagegrund: Rechtsfehler und Begründungsmangel bei der Zurückweisung des Kriteriums des Schutzbereichs des Patents als wichtigstem Maßstab für die Prüfung von Patentvergleichen anhand von Art. 101 Abs. 1 AEUV

1.  Erster Teil

2.  Zweiter Teil

F –  Fünfter Klagegrund: offensichtlich fehlerhafte Sachverhaltswürdigung, Verletzung der Sorgfaltspflicht und Begründungsmangel, soweit das Vorgehen von Lundbeck als globale Strategie gegen den Markteintritt der Generika und als relevant für die Prüfung der streitigen Vereinbarungen anhand von Art. 101 Abs. 1 AEUV eingestuft worden ist

G –  Sechster Klagegrund: offensichtlich fehlerhafte Sachverhaltswürdigung, soweit im angefochtenen Beschluss festgestellt wird, dass die streitigen Vereinbarungen Beschränkungen enthielten, die über die Beschränkungen für die Ausübung der durch die Patente von Lundbeck verliehenen Rechte hinausgingen

1.  GUK-Vereinbarung für das Vereinigte Königreich

2.  GUK-Vereinbarung für den EWR

3.  Arrow-UK-Vereinbarung

4.  Dänische Arrow-Vereinbarung

5.  Alpharma-Vereinbarung

6.  Ranbaxy-Vereinbarung

III –  Siebter Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler wegen fehlerhafter Ermittlung des Effizienzgewinns aus den streitigen Vereinbarungen

IV –  Achter Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte

A –  Erster Teil

B –  Zweiter Teil

V –  Neunter Klagegrund, mit dem hilfsweise geltend gemacht wird, die Verhängung von Geldbußen gegen Lundbeck sei rechtsfehlerhaft

A –  Erster Teil

B –  Zweiter Teil

VI –  Zehnter Klagegrund, mit dem äußerst hilfsweise Rechts- und Tatsachenfehler bei der Berechnung des Betrags der Geldbußen geltend gemacht werden

A –  Erster Teil

B –  Zweiter Teil

C –  Dritter Teil

D –  Vierter Teil

Kosten


* Verfahrenssprache: Englisch.