Language of document : ECLI:EU:T:2014:16

BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DES GERICHTS

20. Januar 2014(*)

„Vorläufiger Rechtsschutz – Umwelt – Richtlinie 2003/87/EG – System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten – Kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten ab 2013 – Antrag auf Anerkennung eines Härtefalls – Fehlende Dringlichkeit“

In der Rechtssache T‑614/13 R

Romonta GmbH mit Sitz in Amsdorf, Seegebiet Mansfelder Land (Deutschland),

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte I. Zenke, M. Vollmer, C. Telschow und A. Schulze,

Antragstellerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch E. White, C. Hermes und K. Herrmann als Bevollmächtigte,

Antragsgegnerin,

wegen Aussetzung des Vollzugs von Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2013/448/EU der Kommission vom 5. September 2013 über nationale Umsetzungsmaßnahmen für die übergangsweise kostenlose Zuteilung von Treibhausgasemissions-zertifikaten gemäß Artikel 11 Absatz 3 der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 240, S. 27), soweit damit eine Härtefallzuteilung für die Antragstellerin abgelehnt wird,

erlässt

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

folgenden

Beschluss

 Rechtlicher Rahmen, Sachverhalt und Verfahren

1        Die Antragstellerin betreibt an ihrem Standort in Amsdorf (Sachsen-Anhalt) als in Europa einziges Unternehmen eine Industrieanlage zur Herstellung von Montan-wachs. Mit rund 450 Mitarbeitern ist sie eines der größten produzierenden Chemieunternehmen und einer der größten Arbeitgeber in der strukturschwachen ostdeutschen Region Mansfeld-Südharz.

2        Das Montanwachs extrahiert die Antragstellerin aus der vor Ort im eigenen Tagebau abgebauten bitumenreichen Braunkohle. Das Bitumen löst sie aus der zuvor zerkleinerten Kohle, um es sodann aufzubereiten und als Montanwachs zu vermarkten. Den verbleibenden Braunkohlerückstand setzt die Antragstellerin in ihrer Kraft-Wärme-Kopplungsanlage „Grubenheizkraftwerk“ zur Erzeugung von Wärme und Strom ein. Die erzeugte Wärme benötigt sie für ihren industriellen Prozess; den als Nebenprodukt anfallenden Strom verkauft sie, um die Wirtschaftlichkeit ihrer Anlage zu erhöhen. Das Heizkraftwerk der Antragstellerin unterliegt seit dem 1. Januar 2005 dem durch die Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 (ABl. L 275, S. 32) eingeführten Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten.

3        Mit der Richtlinie 2009/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Verbesserung und Ausweitung des Gemeinschaftssystems für den Handel mit Treibhausgas-emissionszertifikaten (ABl. L 140, S. 63) wurde der europäische Emissionshandel grundlegend geändert. Danach erfolgt von 2013 an die Zuteilung von Emissions-zertifikaten im europäischen Emissionshandel grundsätzlich über Versteige-rungen. Eine kostenlose Zuteilung ist nur während eines Übergangszeitraums von 2013 bis 2020 vorgesehen. Nach den einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie, erlässt die Kommission unionsweite und vollständig harmonisierte Durchführungsmaßnahmen für die kostenlose Zuteilung der Emissionszertifikate. Die Kommission ist in diesem Zusammenhang verpflichtet, Benchmarks für die einzelnen Wirtschaftssektoren festzulegen und dabei als Ausgangspunkt die Durchschnittsleistung der 10% effizientesten Anlagen eines Sektors bzw. Teilsektors in der Union zugrunde zu legen. Auf der Grundlage dieser Benchmarks wird die Zahl der Emissionszertifikate berechnet, die ab 2013 den einzelnen betroffenen Anlagen kostenlos zuzuteilen sind. Dem ist die Kommission mit dem Beschluss 2011/278/EU vom 27. April 2011 zur Festlegung EU-weiter Übergangsvorschriften zur Harmonisierung der kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten gemäß Artikel 10a der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 130, S. 1) nachgekommen.

4        Nach der Richtlinie 2003/87 ist die Menge an Emissionszertifikaten, die von den Mitgliedstaaten kostenlos zugeteilt werden können, der Höhe nach beschränkt. Diese Höchstmenge wird zwischen den Anlagen aller Mitgliedstaaten nach den im Beschluss 2011/278 festgelegten Regeln aufgeteilt. Sollte die Summe der so berechneten kostenlosen Zuteilung die verfügbare Höchstmenge überschreiten, wird dies gegebenenfalls mittels eines einheitlichen sektorübergreifenden Berichtigungsfaktors korrigiert. Jeder Mitgliedstaat unterbreitet der Kommission ein Verzeichnis der in seinem Hoheitsgebiet unter die Richtlinie 2003/87 fallenden Anlagen, einschließlich der vorläufigen Jahresgesamtmengen der den einzelnen Anlagen im Zeitraum 2013-2020 kostenlos zuzuteilenden Emissions-zertifikate. Nach Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 kann die Kommission den Eintrag von Anlagen in dieses Verzeichnis ablehnen; solchen Anlagen dürfen die Mitgliedstaaten keine kostenlosen Zertifikate zuteilen.

5        Der Beschluss 2011/278 legt für das von der Antragstellerin produzierte Montanwachs keine eigene Produkt-Benchmark fest. Ein entsprechender Antrag der Antragstellerin, mit dem sie die Zuteilung sämtlicher für den Betrieb ihrer Anlage benötigten Emissionszertifikate erreichen wollte, war von der Kommission unter Hinweis auf die Singularität dieser Anlage abgelehnt worden. Für Montanwachs kommt daher nur eine der drei im Beschluss 2011/278 als Fall-Back-Optionen vorgesehenen Zuteilungsmethoden in Betracht: die Zuteilung für messbare Wärme (Wärme-Benchmark), die Zuteilung für Prozessemissionen, d. h. für bei bestimmten industriellen Prozessen anfallende unvermeidliche Emissionen, und die Zuteilung für nicht messbare Wärme (Brennstoff-Benchmark).

6        In Deutschland wird der Beschluss 2011/278 durch das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG) und eine darauf basierende Zuteilungsver-ordnung umgesetzt. § 9 Abs. 5 TEHG enthält eine Härtefallregelung für Situationen, in denen eine Zuteilung von Emissionszertifikaten allein nach den vier o. g. Zuteilungsmethoden unzumutbare Härten für die Betroffenen nach sich ziehen würde. Zur Vermeidung derartiger Härtefälle wird die zuständige Behörde, d. h. die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt), ermächtigt, zusätzliche Zertifikate in der für einen Ausgleich angemessenen Menge zuzuteilen, sofern die Kommission dies nicht nach Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 ablehnt.

7        Am 21. Dezember 2011 beantragte die Antragstellerin bei der DEHSt unter Berufung auf die o. g. Härtefallregelung die Zuteilung kostenloser Zertifikate mit der Begründung, dass ihr andernfalls die Insolvenz drohe. Sie machte geltend, sie benötige jährlich rund 500 000 Zertifikate. Bei Anwendung der Wärme-Benchmark würde sie durchschnittlich nur rund 80 000 Zertifikate pro Jahr erhalten. Sie müsste also jährlich rund 420 000 Zertifikate zukaufen und dafür bei einem zu erwartenden Kurs von 10 Euro pro Zertifikat insgesamt 4,2 Mio. Euro bezahlen. Dies überfordere sie aber erheblich, da ihr Gewinn von nur 1,7 Mio. Euro den Ankauf von maximal 170 000 Zertifikaten pro Jahr erlauben würde. Selbst bei einem Kurs von knapp 5 Euro wäre ihre Belastung untragbar. Auch bei Anwendung der für sie günstigeren Zuteilungsmethode für Prozessemissionen stünden ihr nur rund 360 000 Zertifikate jährlich zu. Es bliebe also eine Deckungslücke von 140 000 Zertifikaten pro Jahr, die die Antragstellerin nicht finanzieren könnte, da die hierfür erforderlichen 1,4 Mio. Euro ihren Gewinn weitgehend aufzehren würden und sie auf Rücklagen nicht zurückgreifen könne.

8        Die DEHSt gab dem Härtefallantrag der Antragstellerin statt und meldete der Kommission via „NIMs-Liste“ die vorläufige Zuteilung für das Heizkraftwerk der Antragstellerin mit durchschnittlich rund 403 000 Emissionszertifikaten pro Jahr. Auch die Bundesrepublik Deutschland bekräftigte gegenüber der Kommission, an der Härtefallregelung gemäß § 9 Abs. 5 TEHG festhalten zu wollen.

9        Mit ihrem Beschluss 2013/448/EU vom 5. September 2013 über nationale Umsetzungsmaßnahmen für die übergangsweise kostenlose Zuteilung von Treibhausgasemissionszertifikaten gemäß Artikel 11 Absatz 3 der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 240, S. 27; im Folgenden: angefochtener Beschluss) lehnte die Kommission die Aufnahme u. a. des Heizkraftwerks der Antragstellerin in die ihr unterbreiteten Verzeichnisse von unter die Richtlinie 2003/87 fallenden Anlagen und die entsprechenden vorläufigen Jahresgesamtmengen der diesen Anlagen kostenlos zuzuteilenden Emissionszertifikate ab.

10      Mit Klageschrift, die am 26. November 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Antragstellerin Klage gegen die Kommission mit dem Ziel erhoben, Art. 1 Abs. 1 des angefochtenen Beschlusses für nichtig zu erklären, soweit damit eine Härtefallzuteilung von Emissionszertifikaten an sie für den Zeitraum von 2013 bis 2020 nach § 9 Abs. 5 TEHG abgelehnt wird. Zur Begründung trägt sie vor, der angefochtene Beschluss verstoße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Subsidiaritätsprinzip. Außerdem greife er in die Grundrechte der Antragstellerin auf unternehmerische Freiheit und Berufs-freiheit sowie in ihr Eigentumsrecht ein, ohne dass diese Eingriffe durch eine von der Europäischen Union anerkannte, dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer gerechtfertigt seien.

11      Mit besonderem Schriftsatz, der am 27. November 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, hat die Antragstellerin den vorliegenden Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, mit dem sie begehrt,

–        anzuordnen,

dass Art. 1 Abs. 1 des angefochtenen Beschlusses einstweilen außer Vollzug gesetzt wird, soweit damit eine Härtefallzuteilung von Emissionszertifikaten an sie für den Zeitraum von 2013 bis 2020 nach § 9 Abs. 5 TEHG abgelehnt wird;

      hilfsweise:

dass der DEHSt gestattet wird, ihr einstweilen bis zu einer abschließenden Entscheidung zur Hauptsache die Anzahl an Zertifikaten nach § 9 Abs. 5 TEHG zuzuteilen, die in der an die Kommission übersandten deutschen NIMs-Liste vorgesehen ist;

      hilfsweise:

dass die in § 7 Abs. 1 TEHG vorgesehene Abgabepflicht zum 30. April eines Jahres einstweilen bis zu einer abschließenden Entscheidung zur Hauptsache außer Vollzug gesetzt wird;

–        die Kostenentscheidung dem Endurteil vorzubehalten.

12      In ihrer schriftlichen Stellungnahme zum Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, die am 10. Januar 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragt die Kommission, den Antrag zurückzuweisen und der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Nach ihrer Ansicht fehlt es der Antragstellerin bereits am erforderlichen Rechtsschutzinteresse, da die von ihr begehrte isolierte Außervollzugsetzung lediglich von Art. 1 Abs. 1 des angefochtenen Beschlusses keine Zuteilung im Einklang mit § 9 Abs. 5 TEHG erlauben und ihr daher im Ergebnis keinen Vorteil verschaffen würde. Im Übrigen habe die Antragstellerin weder einen hinreichenden Fumus boni iuris noch die erforderliche Dringlichkeit vorläufigen Rechtsschutzes dargetan.

13      Im Verfahren zur Hauptsache hat das Gericht dem Antrag der Antragstellerin, über ihre Nichtigkeitsklage im beschleunigten Verfahren gemäß Art. 76a der Verfahrensordnung zu entscheiden, mit Beschluss vom 17. Dezember 2013 stattgegeben. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2013 hat die Antragstellerin erklärt, gleichwohl ihren Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz aufrechtzuerhalten.

 Gründe

 Allgemeine Erwägungen

14      Nach den Art. 278 und 279 AEUV in Verbindung mit Art. 256 Abs. 1 AEUV kann der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter, wenn er dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der vor dem Gericht angefochtenen Handlung aussetzen oder die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.

15      Gemäß Art. 104 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts müssen Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz den Streitgegenstand bezeichnen und die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen. Der Eilrichter kann somit die Aussetzung des Vollzugs anordnen und einstweilige Anordnungen treffen, wenn glaubhaft gemacht ist, dass diese Anordnungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht notwendig (Fumus boni iuris) und dringlich in dem Sinne sind, dass es zur Verhinderung eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens für die Interessen des Antragstellers erforderlich ist, sie bereits vor der Entscheidung zur Hauptsache zu erlassen und wirksam werden zu lassen (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 19. Juli 1995, Kommission/Atlantic Container Line u. a., C‑149/95 P[R], Slg. 1995, I‑2165, Randnr. 22). Diese Voraussetzungen sind kumulativ, so dass der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückzuweisen ist, sofern es an einer von ihnen fehlt (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 14. Oktober 1996, SCK und FNK/Kommission, C‑268/96 P[R], Slg. 1996, I‑4971, Randnr. 30). Der Eilrichter nimmt gegebenenfalls auch eine Abwägung der bestehenden Interessen vor (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 23. Februar 2001, Österreich/Rat, C‑445/00 R, Slg. 2001, I‑1461, Randnr. 73).

16      Im Übrigen verfügt der Eilrichter im Rahmen dieser Gesamtprüfung über ein weites Ermessen; er kann im Einzelfall die Art und Weise, in der diese verschiedenen Voraussetzungen zu prüfen sind, sowie die Reihenfolge dieser Prüfung frei bestimmen, da keine Vorschrift des Unionsrechts ihm ein fest-stehendes Prüfungsschema für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer Eil-entscheidung vorschreibt (Beschluss Kommission/Atlantic Container Line u. a., Randnr. 23, und Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 3. April 2007, Vischim/Kommission, C‑459/06 P[R], nicht in der amtlichen Sammlung veröf-fentlicht, Randnr. 25).

17      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass für die von den Organen der Union erlas-senen Rechtsakte die Vermutung der Rechtmäßigkeit spricht. Art. 278 AEUV stellt daher den Grundsatz auf, dass Klagen keine aufschiebende Wirkung haben. Der Eilrichter kann mithin nur ausnahmsweise die Durchführung der vor dem Gericht angefochtenen Handlung aussetzen oder einstweilige Anordnungen treffen (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 25. Juli 2000, Niederlande/Parlament und Rat, C‑377/98 R, Slg. 2000, I‑6229, Randnr. 44, und Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 17. Dezember 2009, Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht/Kommission, T‑396/09 R, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 42).

18      Die schriftlichen Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten enthalten alle für die Entscheidung über den Eilantrag erforderlichen Informationen. Es besteht somit kein Anlass zu einer mündlichen Anhörung.

19      Vorliegend ist zunächst die Dringlichkeit des Erlasses der beantragten einst-weiligen Anordnungen zu prüfen.

 Zur Dringlichkeit

20      Die Antragstellerin trägt vor, die Gewähr vorläufigen Rechtsschutzes sei für sie existenziell. Bei Zurückweisung ihres Eilantrags würde ihre finanzielle Lebens-fähigkeit nicht nur ernsthaft bedroht, sondern aller Voraussicht nach vernichtet. Aus diesem Grund sei besondere Eile geboten. Sie sei gesetzlich verpflichtet, zum 30. April eines Jahres eine bestimmte Anzahl von Emissionszertifikaten abzugeben, die den durch ihre Tätigkeit im vorangegangenen Kalenderjahr verursachten Emissionen entspreche. Dies seien bei der Antragstellerin rund 500 000 Zertifikate pro Jahr. Sie verfüge derzeit auf ihrem Registerkonto aber nur noch über 585 361 Zertifikate, die sie fast vollständig zur Erfüllung der Abgabe-pflicht zum 30. April 2014 für das Kalenderjahr 2013 benötige. Für die Erfüllung ihrer Abgabepflichten in den Folgejahren stünden ihr – von einer kleinen Restmenge abgesehen – keine Zertifikate mehr zur Verfügung. Der erforderliche Zukauf von voraussichtlich 420 000 Zertifikaten pro Jahr (siehe oben, Randnr. 6), der bei einem derzeitigen Preis von rund 5 Euro pro Zertifikat insgesamt 2,1 Mio. Euro pro Jahr erfordern würde, sei bei ihrem Jahresgewinn von nur rund 1,7 Mio. Euro wirtschaftlich ausgeschlossen. Der Antragstellerin drohten somit Anlagen-stilllegung, Insolvenz und der Verlust von zahlreichen Arbeitsplätzen.

21      Dazu ist festzustellen, dass das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes den Zweck verfolgt, die volle Wirksamkeit der künftigen Entscheidung zur Hauptsache sicherzustellen und so die Lückenlosigkeit des vom Unionsrichter gewährten Rechtsschutzes zu gewährleisten (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 3. Mai 1996, Deutschland/Kommission, C‑399/95 R, Slg. 1996, I‑2441, Randnr. 46). Im Hinblick darauf ist die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes dringlich, wenn dem Antragsteller andernfalls ein schwerer und irreparabler Schaden entstünde (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 18. November 1999, Pfizer Animal Health/Rat, C‑329/99 P[R], Slg. 1999, I‑8343, Randnr. 94). Der Antragsteller ist dafür beweispflichtig, dass er zum einen die Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache nicht abwarten kann, ohne einen solchen Schaden persönlich zu erleiden (vgl. Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 4. Dezember 2007, Cheminova u. a./Kommission, T‑326/07 R, Slg. 2007, II‑4877, Randnrn. 50 und 51, und des Präsidenten des Gerichtshofs vom 24. März 2009, Cheminova u. a./Kommission, C‑60/08 P[R], nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 35), und dass zum anderen der Eintritt des behaupteten Schadens mit Sicherheit oder zumindest mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 14. Dezember 1999, HFB u. a./Kommission, C‑335/99 P[R], Slg. 1999, I‑8705, Randnr. 67).

22      Der vorliegende Fall ist durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass der angefochtene Beschluss eine Insolvenz der Antragstellerin nach deren eigenem Vortrag frühestens zum 30. April 2015 herbeiführen kann. Erst zu diesem Zeitpunkt wird die Antragstellerin aufgrund ihrer angespannten Finanzlage außerstande sein – ihr dahin gehendes Vorbringen als zutreffend unterstellt –, die für den Betrieb ihrer Anlage benötigten Emissionszertifikate zuzukaufen. Hingegen ergibt sich bereits aus dem Eilantrag, dass die Antragstellerin die am 30. April 2014 fällige Abgabe für die Emission von 500 000 Tonnen im Kalenderjahr vollständig mit den auf ihrem Registerkonto befindlichen 585 361 Zertifikaten bestreiten kann, ohne dafür zusätzliche Zertifikate erwerben zu müssen.

23      Wie vorstehend erwähnt, hat das Gericht beschlossen, über die Nichtigkeitsklage der Antragstellerin im beschleunigten Verfahren gemäß Art. 76a der Verfah-rensordnung zu entscheiden. In diesem Zusammenhang hat die Kommission zu Recht hervorgehoben, dass in der Rechtssache T‑178/05, Vereinigtes Königreich/Kommission, die ebenfalls das Emissionshandelssystem betraf, eine Entscheidung im beschleunigten Verfahren nach 6,5 Monaten ergangen ist, während in den drei vom Gericht im Jahr 2012 im beschleunigten Verfahren entschiedenen Rechtssachen, T‑63/12, Oil Turbo Compressor/Rat, T‑53/12, CF Sharp Shipping Agencies/Rat, und T‑12/12, Laboratoires CTRS/Kommission, die Verfahrensdauer zwischen 6 und 8,5 Monaten betragen hat. Unter diesen Umständen ist zu erwarten, dass das dem Eilantrag zugrundeliegende Verfahren zur Hauptsache vor dem 30. April 2015 abgeschlossen sein wird, zumal die Bedeutung dieses Datums für die Antragstellerin gerichtsbekannt ist. Letztere kann deshalb nicht mit Erfolg behaupten, dass sie einen schweren und irreparablen Schaden erleiden würde, wenn sie die Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache ohne Erlass einer Eilmaßnahme abwarten müsste.

24      In ihrem Schreiben vom 23. Dezember 2013 bemerkt die Antragstellerin noch, auch gegen Klagen im beschleunigten Verfahren sei die Rechtsbeschwerde zum Gerichtshof gegeben. Dies könne den Rechtsstreit in die Länge ziehen, was wiederum eine Zwischenlösung für die Antragstellerin erforderlich mache.

25      Dazu genügt der Hinweis auf Art. 107 § 3 der Verfahrensordnung, wonach jede einstweilige Anordnung mit der Verkündung der Endentscheidung zur Hauptsache automatisch außer Kraft tritt. Dies bedeutet im Hinblick auf das akzessorische Verhältnis des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes gegenüber dem Verfahren zur Hauptsache, dass die Zuständigkeit des erstinstanzlichen Eilrichters mit Abschluss des letztgenannten Verfahrens endet (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 11. März 2013, Iranian Offshore Engineering & Construction/Conseil, T‑110/12 R, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 40). Sollte also im vorliegenden Fall gegen die im beschleunigten Verfahren zur Hauptsache ergangene Entscheidung Rechts-beschwerde beim Gerichtshof eingelegt werden, müsste die Antragstellerin vor-läufigen Rechtsschutz beim Gerichtshof in dem dort anhängigen Rechtsmittel-verfahren erwirken.

26      Die Antragstellerin hat somit nicht hinreichend dargetan, dass ihr bei sofortigem Vollzug des angefochtenen Beschlusses ein schwerer und nicht wiedergutzu-machender Schaden verursacht würde, der den Erlass der beantragten einstweili-gen Anordnung rechtfertigen könnte.

27      Nach alledem ist der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückzuweisen, da die Antragstellerin nicht die Dringlichkeit der begehrten einstweiligen Anordnung dargetan hat. Unter diesen Umständen erübrigt sich eine Prüfung der von der Kommission erhobenen Zulässigkeitsrüge sowie des von ihr bestrittenen Fumus boni iuris. Es bedarf auch keiner Abwägung der widerstreitenden Interessen der Verfahrensbeteiligten.

28      Die Abweisung ihres Eilantrags hindert die Antragstellerin nicht daran, gemäß Art. 109 der Verfahrensordnung einen erneuten Antrag zu stellen, wenn sich etwa Ende 2014 herausstellen sollte, dass das Verfahren zur Hauptsache wider Erwarten nicht bis zum 30. April 2015 beendet sein sollte. In einem solchen erneuten Eilverfahren könnte auch die von der Antragstellerin geäußerte Vermutung, wegen der im Europäischen Parlament jüngst beschlossenen Verschiebung der Versteigerung von 900 Millionen Berechtigungen sei mit einem deutlichen Kursanstieg für Emissionszertifikate zu rechnen, zeitnah berücksichtigt werden.

Aus diesen Gründen hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

1.      Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wird zurückgewiesen.

2.      Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 20. Januar 2014

Der Kanzler

 

       Der Präsident

E. Coulon

 

       M. Jaeger


* Verfahrenssprache: Deutsch.