Language of document : ECLI:EU:C:2024:303

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

ANTHONY MICHAEL COLLINS

vom 11. April 2024(1)

Rechtssache C15/24 PPU [Stachev](i)

CH

gegen

Sofiyska rayonna prokuratura

(Vorabentscheidungsersuchen des Sofiyski rayonen sad [Rayongericht Sofia, Bulgarien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Eilvorabentscheidungsverfahren – Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen – Richtlinie 2013/48/EU – Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafsachen – Verzicht eines Analphabeten auf dieses Recht“






 I.      Einleitung

1.        Der Sofiyski rayonen sad (Rayongericht Sofia, Bulgarien) ersucht den Gerichtshof mit sechs Fragen um die Auslegung der Richtlinie 2013/48/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls sowie über das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug und das Recht auf Kommunikation mit Dritten und mit Konsularbehörden während des Freiheitsentzugs(2) im Licht von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

 II.      Ausgangsverfahren, Vorabentscheidungsersuchen und Verfahren vor dem Gerichtshof

2.        CH ist ein bulgarischer Staatsangehöriger, der der bulgarischen Schriftsprache nicht mächtig ist. Er ist vorbestraft.

3.        Am 16. Dezember 2022 wurde CH wegen des Verdachts festgenommen, am 2. und am 14. Dezember 2022 Raubüberfälle begangen zu haben. Nachdem er auf eine Polizeistation gebracht worden war, unterzeichnete er eine Erklärung, mit der er auf sein Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand verzichtete. Nach bulgarischem Recht sind die Unterschriften eines Polizeibeamten und eines unabhängigen Zeugen erforderlich, um zu bestätigen, dass eine Person, die Analphabet ist, auf dieses Recht verzichtet hat. Es scheint, dass keine dieser beiden Bedingungen erfüllt war(3). Bei der anschließenden polizeilichen Vernehmung, die in Abwesenheit eines Verteidigers stattfand, gestand CH, den zweiten Raub begangen zu haben und nannte den Ort, an dem sich die bei dieser Tat entwendeten Gegenstände befanden. Im Rahmen einer direkten Personenidentifizierung, die später am selben Tag durchgeführt wurde, erkannte das Opfer des zweiten Raubüberfalls CH als den Täter.

4.        Am 17. Dezember 2022 erkannte das Opfer des ersten Raubüberfalls im Rahmen einer zweiten direkten Personenidentifizierung, die in Abwesenheit eines Rechtsbeistands durchgeführt wurde, CH als den Täter. In der Folge beschuldigte die Sofiyska rayonna prokuratura (Rayonstaatsanwaltschaft Sofia, Bulgarien) CH, am 2. und am 14. Dezember 2022 Raubüberfälle begangen zu haben. Da nach bulgarischem Recht eine Person, die einer Straftat beschuldigt wird, einen Rechtsbeistand haben muss, wurde für ihn ein Rechtsanwalt als Verteidiger bestellt.

5.        Am 19. Dezember 2022 erschien CH vor dem Sofiyski rayonen sad (Rayongericht Sofia), das gegen den Beschuldigten Untersuchungshaft anordnete. Diese gerichtliche Entscheidung wurde am 29. Dezember 2022 vom Sofiyski gradski sad (Stadtgericht Sofia) bestätigt.

6.        Am 13. Juni 2023 wies der Sofiyski rayonen sad (Rayongericht Sofia) den Antrag von CH auf Lockerung dieser freiheitsentziehenden Maßnahme ab. Diese gerichtliche Entscheidung wurde vom Sofiyski gradski sad (Stadtgericht Sofia) am 22. Juni 2023 bestätigt.

7.        Am 18. August 2023 entschied der Sofiyski rayonen sad (Rayongericht Sofia), CH aus der Untersuchungshaft zu entlassen und erteilte ihm die Auflage, sich regelmäßig bei den Polizeibehörden seines Wohnorts zu melden. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass es nicht möglich sei festzustellen, ob CH zum Zeitpunkt seiner Festnahme freiwillig und bewusst auf sein Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand verzichtet habe, da er Analphabet sei und seine vermeintliche Verzichtserklärung nicht von einem Zeugen unterzeichnet worden sei. Aufgrund dieser Umstände kam der Sofiyski rayonen sad (Rayongericht Sofia) zu dem Schluss, dass die anschließenden polizeilichen Ermittlungsmaßnahmen rechtswidrig gewesen seien und dass folglich das dabei erlangte Beweismaterial nicht zur Strafverfolgung von CH verwendet werden dürfe.

8.        Am 7. September 2023 hob der Sofiyski gradski sad (Stadtgericht Sofia) diese Entscheidung auf und erhielt die gegen CH angeordnete Untersuchungshaft aufrecht. Er stellte fest, dass für CH zwischen dem Zeitpunkt seiner Festnahme und der Erhebung der Beschuldigung zwar kein Rechtsanwalt bestellt worden sei, die von der Polizei im Rahmen ihrer Ermittlungen erlangten Beweise jedoch nicht auf rechtswidrige Weise erlangt worden zu sein schienen.

9.        Am 2. Oktober 2023 entschied der Sofiyski rayonen sad (Rayongericht Sofia) erneut, CH vorbehaltlich der Verpflichtung, sich regelmäßig bei den Polizeibehörden seines Wohnorts zu melden, aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Mit Entscheidung vom 7. November 2023 hob der Sofiyski gradski sad (Stadtgericht Sofia) auch diese Entscheidung auf und hielt die Untersuchungshaft von CH aufrecht.

10.      Das Strafverfahren gegen CH ist vor dem Sofiyski rayonen sad (Rayongericht Sofia) anhängig. Dieses Gericht hat Zweifel, ob die Polizeibehörden das Recht von CH auf Zugang zu einem Rechtsbeistand im Zeitraum nach seiner Inhaftierung und vor seiner Beschuldigung wegen der beiden Raubüberfälle gewahrt haben. Es möchte wissen, ob die Richtlinie 2013/48 ein nationales Gericht ermächtigt, bei der Entscheidung über Zwangsmaßnahmen im vorgerichtlichen Stadium zu beurteilen, ob die gegen einen Beschuldigten verwendeten Beweismittel unter Missachtung seines Rechts auf Zugang zu einem Rechtsbeistand erlangt wurden. Der Sofiyski rayonen sad (Rayongericht Sofia) bezweifelt, dass Art. 3 Abs. 6 Buchst. b der Richtlinie 2013/48, der es den Mitgliedstaaten erlaubt, unter außergewöhnlichen Umständen im vorgerichtlichen Stadium vorübergehend vom Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand abzuweichen, und der nicht in bulgarisches Recht umgesetzt wurde, unmittelbare Wirkung hat. Er fragt sich auch, ob Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2013/48 gewahrt ist, wenn ein Verdächtiger, der Analphabet ist und vorträgt, dass ihm der Inhalt des von ihm unterzeichneten Dokuments nicht bekannt gewesen sei, schriftlich auf sein Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand verzichtet. Schließlich möchte der Sofiyski rayonen sad (Rayongericht Sofia) wissen, ob der Verzicht auf das Recht auf Unterstützung durch einen Rechtsbeistand bei der Festnahme eines Verdächtigen die Polizeibehörden von der Verpflichtung entbindet, ihn vor der Durchführung weiterer Ermittlungsmaßnahmen über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand zu informieren.

11.      Der Sofiyski rayonen sad (Rayongericht Sofia) hat daher beschlossen, das bei ihm anhängige Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist es mit Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2013/48 in Verbindung mit Art. 47 Abs. 1 der Charta vereinbar, wenn auf der Grundlage einer nationalen Regelung und Rechtsprechung dem Gericht, das die Frage nach dem Vorliegen eines begründeten Verdachts der Beteiligung des Beschuldigten an der ihm zur Last gelegten Straftat prüft, um über die Anordnung oder Vollstreckung einer angemessenen Maßnahme zur Sicherung zu entscheiden, die Möglichkeit genommen wird, zu beurteilen, ob die Beweise unter Missachtung des Rechts des Beschuldigten auf Zugang zu einem Rechtsbeistand nach dieser Richtlinie erlangt wurden, als der Beschuldigte verdächtigt und sein Recht auf Freizügigkeit durch die Polizeibehörden eingeschränkt wurde?

2.      Ist das Erfordernis der Wahrung der Verteidigungsrechte und der Einhaltung eines fairen Verfahrens im Sinne von Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2013/48 beachtet, wenn das Gericht, das die Frage der Angemessenheit der Maßnahme zur Sicherung prüft, bei der Bildung seiner inneren Überzeugung Beweise berücksichtigt, die unter Verstoß gegen die Anforderungen der Richtlinie erlangt wurden, als die Person verdächtigt und ihr Recht auf Freizügigkeit durch die Polizeibehörden eingeschränkt wurde?

3.      Wirkt sich der Ausschluss von unter Verstoß gegen die Richtlinie 2013/48 erlangten Beweismitteln durch das Gericht, das trotz gegenteiliger Weisung eines übergeordneten Gerichts die Frage der Angemessenheit der Maßnahme zur Sicherung prüft, negativ auf die Anforderungen von Art. 12 Abs. 2 dieser Richtlinie in Verbindung mit Art. 47 Abs. 1 und 2 der Charta an ein faires Verfahren aus und lässt er Zweifel an der Unparteilichkeit des Gerichts aufkommen?

4.      Hat die in Art. 3 Abs. 6 Buchst. b der Richtlinie 2013/48 vorgesehene Möglichkeit, unter außergewöhnlichen Umständen im vorgerichtlichen Stadium vorübergehend vom Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand abzuweichen, wenn ein sofortiges Handeln der Ermittlungsbehörden zwingend geboten ist, um eine erhebliche Gefährdung eines Strafverfahrens abzuwenden, unmittelbare Wirkung in dem betreffenden EU-Mitgliedstaat, wenn diese Bestimmung nicht in sein nationales Recht umgesetzt wurde?

5.       Sind die Garantien von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a und b in Verbindung mit dem 39. Erwägungsgrund der Richtlinie 2013/48 gewahrt, wenn zwar ein schriftlicher Verzicht eines Verdächtigen auf das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand vorliegt, der Verdächtige aber Analphabet ist und nicht über die möglichen Folgen des Verzichts belehrt wurde und später vor Gericht vorträgt, dass ihm der Inhalt des von ihm unterzeichneten Dokuments zum Zeitpunkt der Einschränkung seines Rechts auf Freizügigkeit durch die Polizeibehörden nicht bekannt gewesen sei?

6.      Entbindet der von einem Verdächtigen bei seiner Festnahme erklärte Verzicht, sich von einem Rechtsbeistand nach den Bestimmungen der Richtlinie 2013/48 unterstützen zu lassen, die Behörden von der Verpflichtung, ihn unmittelbar vor der Durchführung jeder weiteren, unter seiner Beteiligung erfolgenden Ermittlungsmaßnahme über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand und die möglichen Folgen eines etwaigen Verzichts zu belehren?

12.      Da sich CH seit dem 16. Dezember 2022 in Haft befindet und das Vorabentscheidungsersuchen Fragen in einem Bereich aufwirft, der unter Titel V des Dritten Teils des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union fällt, hat der Sofiyski rayonen sad (Rayongericht Sofia) in seiner Vorlageentscheidung vom 11. Januar 2024 außerdem beantragt, dass der Gerichtshof über sein Vorabentscheidungsersuchen im Eilvorabentscheidungsverfahren nach Art. 107 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entscheidet.

13.      Mit Entscheidung vom 25. Januar 2024 hat der Gerichtshof diesem Antrag stattgegeben.

14.      Aus den im Namen von CH eingereichten schriftlichen Erklärungen geht hervor, dass er der Vorlageentscheidung nichts hinzuzufügen hat. Die Europäische Kommission hat schriftliche Erklärungen eingereicht und in der mündlichen Verhandlung vom 11. März 2024 Fragen des Gerichtshofs beantwortet.

 III.      Würdigung

15.      Art. 82 Abs. 2 Buchst. b AEUV bildet die Rechtsgrundlage für die Richtlinie 2013/48. Mit dieser Bestimmung wird die Union ermächtigt, ungeachtet der Unterschiede zwischen den Rechtstraditionen und Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten Richtlinien zur Festlegung von Mindestvorschriften für die Rechte des Einzelnen in Strafverfahren zu erlassen. Art. 1 der Richtlinie 2013/48 legt daher unbeschadet der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit Mindestvorschriften für die Rechte von Verdächtigen oder beschuldigten Personen in Strafverfahren fest, insbesondere das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand(4). Die Mitgliedstaaten können die in dieser Richtlinie festgelegten Rechte ausweiten, um ein höheres Schutzniveau zu bieten(5).

 A.      Zulässigkeit

16.      Die erste, die zweite und die dritte Frage des vorlegenden Gerichts zielen auf die Auslegung der Richtlinie 2013/48 im Licht von Art. 47 der Charta im Zusammenhang mit der Untersuchungshaft von CH auf Anordnung des Sofiyski gradski sad (Stadtgericht Sofia) ab.

17.      Nach Art. 267 AEUV muss die beantragte Vorabentscheidung „erforderlich“ sein, um dem vorlegenden Gericht den „Erlass seines Urteils“ in der bei ihm anhängigen Rechtssache zu ermöglichen(6). Es muss also ein Bezug zwischen dem fraglichen Rechtsstreit und den Bestimmungen des Unionsrechts, um deren Auslegung ersucht wird, bestehen, so dass diese Auslegung einem objektiven Erfordernis für die Entscheidung entspricht, die das nationale Gericht zu treffen hat(7).

18.      Die nationalen Gerichte legen den rechtlichen und sachlichen Rahmen fest, in dem sie dem Gerichtshof Fragen zur Auslegung des Unionsrechts stellen. Der Gerichtshof prüft die Richtigkeit dieser Feststellungen nicht, so dass eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Auslegungsfragen spricht. Der Gerichtshof darf die Entscheidung über ein Vorabentscheidungsersuchen nur dann verweigern, wenn die vom nationalen Gericht erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung dieser Frage erforderlich ist. Die dem Gerichtshof im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens übertragene Aufgabe besteht nämlich darin, zur Rechtspflege in den Mitgliedstaaten beizutragen, nicht aber darin, Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen abzugeben(8).

19.      Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten geht hervor, dass das vorlegende Gericht nach dem am 7. November 2023 ergangenen Beschluss des Sofiyski gradski sad (Stadtgericht Sofia), CH in Untersuchungshaft zu belassen, am 20. November 2023 beschlossen hat, dem Gerichtshof von Amts wegen Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen(9). Sowohl das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die am selben Tag vor dem vorlegenden Gericht stattfand, als auch die Vorlageentscheidung legen nahe, dass das vorlegende Gericht zum Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht mit einem Antrag auf Änderung der vom Sofiyski gradski sad (Stadtgericht Sofia) gegen CH verhängte Zwangsmaßnahme befasst war. Obwohl Art. 270 Abs. 1 des Nakazatelno-protsesualen kodeks(10) (Strafprozessordnung) vorsieht, dass die Änderung einer Zwangsmaßnahme jederzeit vor der Verhandlung möglich ist, ist das nationale Gericht ohne einen Antrag einer beschuldigten Person nicht befugt, eine Zwangsmaßnahme von Amts wegen abzuändern(11). Zum Zeitpunkt der endgültigen Entscheidung in der Sache ist das nationale Gericht jedoch befugt, in Bezug auf alle Zwangsmaßnahmen, die gegenüber der beschuldigten Person getroffen wurden, angemessene Entscheidungen zu treffen(12).

20.      Ich stelle ferner fest, dass neue Anträge auf Änderung von Zwangsmaßnahmen nach Art. 270 Abs. 1 der Strafprozessordnung nur gestellt werden können, wenn die beschuldigte Person nachweisen kann, dass sich ihre persönlichen Umstände geändert haben(13). Die Vorlageentscheidung enthält keinen Hinweis darauf, dass sich die persönlichen Umstände von CH in den 13 Tagen zwischen der Verkündung des Beschlusses des Sofiyski gradski sad (Stadtgericht Sofia) und der Entscheidung des vorlegenden Gerichts, das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen einzureichen, geändert hätten. Daraus ergibt sich, dass der Sofiyski rayonen sad (Rayongericht Sofia) mit dieser Vorlageentscheidung den Gerichtshof ersuchen möchte, die Vereinbarkeit einer Entscheidung eines Rechtsmittelgerichts mit dem Unionsrecht in Fällen zu prüfen, in denen das vorlegende Gericht nach nationalem Recht nicht befugt ist, diese Entscheidung abzuändern oder zu überprüfen.

21.      Da das vorlegende Gericht nicht mit einem Antrag auf Änderung der vom Sofiyski gradski sad (Stadtgericht Sofia) getroffenen Zwangsmaßnahme wegen geänderter Umstände befasst ist, sind die erste, die zweite und die dritte Frage offensichtlich hypothetischer Natur. Aus diesem Grund schlage ich dem Gerichtshof vor, die erste, die zweite und die dritte Frage als unzulässig zurückzuweisen. Ich möchte sie dennoch an dieser Stelle prüfen, um dem Gerichtshof für den Fall zu unterstützen, dass er anders entscheiden sollte.

 B.      Materielle Prüfung

 1.      Zur ersten, zur zweiten und zur dritten Frage

22.      Mit der ersten, der zweiten und der dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2013/48 im Licht von Art. 47 der Charta verlangt, dass ein nationales Gericht, das mit einem Antrag auf Änderung einer Zwangsmaßnahme im vorgerichtlichen Stadium eines Strafverfahrens befasst ist, ungeachtet gegenteiliger Weisungen eines Rechtsmittelgerichts für die Beurteilung der Frage zuständig ist, ob Beweise unter Verstoß gegen das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand erlangt wurden.

23.      Die Kommission weist darauf hin, dass die Richtlinie 2013/48 Mindestvorschriften festlegt. Art. 12 Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor, dass Verdächtigen oder beschuldigten Personen im Fall der Verletzung ihrer Rechte nach dieser Richtlinie ein wirksamer Rechtsbehelf nach nationalem Recht zustehen muss. In Ermangelung detaillierter Vorschriften auf Unionsebene ist es Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, in ihrer jeweiligen innerstaatlichen Rechtsordnung entsprechende Vorschriften zu erlassen, wobei die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität zu beachten sind. Die Kommission ist daher der Ansicht, dass die Richtlinie 2013/48 einem Gericht nicht erlaube, die fraglichen Beweismittel automatisch als unzulässig zurückzuweisen, und schlägt vor, das Gericht solle eine Abwägung vornehmen.

24.      Aus den Erwägungsgründen 4 und 6 der Richtlinie 2013/48 geht hervor, dass diese darauf abzielt, den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von Entscheidungen in Strafsachen umzusetzen, der gegenseitiges Vertrauen der Mitgliedstaaten in ihre jeweilige Strafrechtspflege voraussetzt. Die Richtlinie soll u. a. das in Art. 47 Abs. 2 der Charta verankerte Recht, sich beraten, verteidigen und vertreten zu lassen, sowie die durch Art. 48 Abs. 2 der Charta gewährleisteten Verteidigungsrechte fördern(14). Gleichwohl legt die Richtlinie 2013/48 Mindestvorschriften fest, die das Recht von Verdächtigen und beschuldigten Personen auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren begründen können(15). Dies steht im Einklang damit, dass beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts Strafverfahren in erster Linie Sache der Mitgliedstaaten sind(16).

25.      Nach Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2013/48 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, für den Fall einer Verletzung der in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechte nach nationalem Recht wirksame Rechtsbehelfe vorzusehen. Angesichts des klaren, an keine Bedingungen geknüpften und präzisen Wortlauts, scheint diese Bestimmung jeder nationalen Maßnahme entgegenzustehen, die ein Hindernis für die Ausübung wirksamer Rechtsbehelfe im Fall der Verletzung der durch die Richtlinie geschützten Rechte darstellt(17). Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2013/48 sieht jedoch vor, dass das Recht, etwaige Verletzungen der in dieser Richtlinie eingeräumten Rechte anzufechten, nach den nationalen Rechtsverfahren gewährt wird. Sie legt daher nicht fest, in welcher Weise eine solche Verletzung vorzubringen oder zu beweisen ist, oder zu welchem Zeitpunkt der Wahrheitsgehalt eines solchen Vorbringens festzustellen ist(18).

26.      Nach Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2013/48 sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass bei der Beurteilung von Beweisen, die unter Missachtung des Rechts auf Zugang zu einem Rechtsbeistand im Strafverfahren erlangt wurden, die Verteidigungsrechte und die Einhaltung eines fairen Verfahrens beachtet werden. Soweit Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie 2013/48 bestimmt, dass diese Richtlinie Anwendung findet, wenn einem Verdächtigen oder einer beschuldigten Person unabhängig vom Stadium des Strafverfahrens die Freiheit entzogen wird, stützt er eindeutig die These, dass Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2013/48 während der gesamten Dauer des Strafverfahrens geltend gemacht werden kann.

27.      Im 50. Erwägungsgrund der Richtlinie 2013/48 wird ausgeführt, dass die Verpflichtung, für die Beachtung der Verteidigungsrechte und die Einhaltung eines fairen Verfahrens zu sorgen, die nationalen Vorschriften oder Regelungen über die Zulässigkeit von Beweisen unberührt lässt. Diese Verpflichtung hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, eine Regelung beizubehalten, wonach einem Gericht alle vorhandenen Beweismittel vorgelegt werden können, „ohne dass [deren] Zulässigkeit … Gegenstand einer gesonderten oder vorherigen Beurteilung ist“(19). Dieser Erwägungsgrund bestätigt somit die Absicht des Unionsgesetzgebers, den Mitgliedstaaten einen Ermessensspielraum bei der Festlegung spezieller Verfahren zu diesem Zweck einzuräumen.

28.      Demnach gilt der Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten, wobei aber die Grenzen zu beachten sind, die das Unionsrecht setzt(20). In Ermangelung einer Unionsregelung ist es Sache des innerstaatlichen Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten, die Zuständigkeit der Gerichte abzugrenzen und Verfahrensmodalitäten für Klagen festzulegen, mit denen die dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewahrt werden. Diese Verfahrensmodalitäten dürfen nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige Klagen regeln, die dem innerstaatlichen Recht unterliegen (Äquivalenzgrundsatz), und die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht übermäßig erschweren oder praktisch unmöglich machen (Effektivitätsgrundsatz)(21).

29.      Was den Effektivitätsgrundsatz betrifft, verpflichtet das Unionsrecht die Mitgliedstaaten nicht, neben den nach innerstaatlichem Recht bereits bestehenden Rechtsbehelfen neue zu schaffen, es sei denn, es gibt nach dem System der nationalen Rechtsordnung keinen Rechtsbehelf, mit dem wenigstens inzident die Wahrung der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleistet werden könnte(22).

30.      Daraus folgt, dass das Unionsrecht es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, die gerichtliche Überprüfung von Beweisen, die zum Erlass von Zwangsmaßnahmen im vorgerichtlichen Stadium herangezogen werden, zu beschränken, wenn der Tatrichter anschließend im Rahmen des Strafverfahrens in der Lage ist, zu überprüfen, ob die Rechte der beschuldigten Person nach der Richtlinie 2013/48, gelesen im Licht von Art. 47 und Art. 48 Abs. 2 der Charta, gewahrt worden sind(23).

31.      Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass nach Ansicht des Sofiyski gradski sad (Stadtgericht Sofia) das vorlegende Gericht nach bulgarischem Recht nicht befugt war, die Umstände zu prüfen, unter denen die gegen die beschuldigte Person verwendeten Beweise erlangt wurden, als es mit einem Antrag auf Änderung von Zwangsmaßnahmen befasst war, die im vorgerichtlichen Stadium gemäß Art. 270 Abs. 1 der Strafprozessordnung getroffen worden waren. In Anbetracht des Ergebnisses, zu dem ich in Nr. 30 der vorliegenden Schlussanträge gelangt bin, steht Art. 12 der Richtlinie 2013/48 einer entsprechenden nationalen Rechtsvorschrift und Rechtsprechung nicht entgegen, sofern der Tatrichter in der Lage ist, das Vorliegen einer Verletzung der Rechte einer beschuldigten Person nach der Richtlinie 2013/48 zu beurteilen und die sich daraus ergebenden Konsequenzen zu ziehen, insbesondere in Bezug auf die Zulässigkeit oder den Beweiswert der unter diesen Umständen erlangten Beweise(24).

32.      Unter der entgegengesetzten Annahme, dass das vorlegende Gericht nach bulgarischem Recht, wenn es mit einem Antrag nach Art. 270 der Strafprozessordnung befasst wird, für die Untersuchung der Umstände zuständig ist, unter denen die Beweise gegen den Beschuldigten erlangt wurden, muss es diese Zuständigkeit im Einklang mit Art. 12 der Richtlinie 2013/48 ausüben und damit die Verteidigungsrechte wahren.

33.      Die Vorlageentscheidung ist in diesem Punkt des bulgarischen Rechts leider unklar. Sie scheint die Feststellung zu beinhalten, dass der Sofiyski gradski sad (Stadtgericht Sofia) mit dem Beschluss vom 7. September 2023 entschieden hat, dass das vorlegende Gericht für die Prüfung der Frage, ob das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand verletzt worden sei, nicht zuständig ist. Interessanterweise weicht das Vorbringen des vorlegenden Gerichts in Bezug auf den Beschluss des Sofiyski gradski sad (Stadtgericht Sofia) vom 7. November 2023 – mit dem offenbar über die Begründetheit des Antrags auf Änderung der Zwangsmaßnahme entschieden und implizit die Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts für seine Entscheidung anerkannt wurde – davon ab.

34.      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die erste, die zweite und die dritte Frage zu antworten, dass Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2013/48 im Licht von Art. 47 der Charta nicht verlangt, dass ein nationales Gericht, das mit einem Antrag auf Änderung einer Zwangsmaßnahme im vorgerichtlichen Stadium eines Strafverfahrens befasst ist, für die Beurteilung der Frage zuständig ist, ob Beweise unter Verstoß gegen das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand erlangt worden sind, sofern der Tatrichter in der Lage ist, das Vorliegen eines solchen Verstoßes zu beurteilen und alle sich daraus ergebenden Konsequenzen zu ziehen, insbesondere in Bezug auf die Zulässigkeit oder den Beweiswert der unter diesen Umständen erlangten Beweise. Bei der Wahrnehmung seiner Zuständigkeit für diese Beurteilung im vorgerichtlichen Stadium des Strafverfahrens hat das nationale Gericht Art. 12 der Richtlinie 2013/48 zu beachten.

 2.      Zur vierten Frage

35.      Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Abs. 6 Buchst. b der Richtlinie 2013/48 unmittelbare Wirkung hat.

36.      Nach Ansicht der Kommission ist diese Frage zu verneinen.

37.      Nach ständiger Rechtsprechung kann sich der Einzelne in all den Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor nationalen Gerichten gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen, wenn dieser die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat(25). Daraus folgt, dass die Geltendmachung einer Bestimmung einer Richtlinie, die nicht so klar, genau und unbedingt ist, dass ihr eine unmittelbare Wirkung zuerkannt wird, nicht allein aufgrund des Unionsrechts dazu führen kann, dass ein Gericht eines Mitgliedstaats die Anwendung einer nationalen Vorschrift ausschließt(26). Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung kann eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche vor dem nationalen Gericht nicht möglich ist(27).

38.      Art. 3 Abs. 6 Buchst. b der Richtlinie 2013/48 sieht vor, dass die Mitgliedstaaten unter außergewöhnlichen Umständen und nur im vorgerichtlichen Stadium vorübergehend vom Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand abweichen können, wenn ein sofortiges Handeln der Ermittlungsbehörden zwingend geboten ist, um eine erhebliche Gefährdung eines Strafverfahrens abzuwenden, soweit dies unter den besonderen Umständen des Einzelfalls gerechtfertigt ist.

39.      Der 38. Erwägungsgrund der Richtlinie 2013/48 verpflichtet die Mitgliedstaaten, in ihren nationalen Rechtsvorschriften die Gründe und Kriterien für die Anwendung solcher vorübergehender Abweichungsmöglichkeiten klar festzulegen und diese restriktiv zu nutzen. Art. 8 der Richtlinie 2013/48 enthält die allgemeinen Bedingungen für die Anwendung vorübergehender Abweichungen, auf die Art. 3 Abs. 6 dieser Richtlinie verweist. Diese vorübergehenden Abweichungen müssen verhältnismäßig und zeitlich eng begrenzt sein. Sie können nur im Wege einer begründeten Einzelfallentscheidung einer Justizbehörde oder einer anderen zuständigen Behörde genehmigt werden, sofern diese Entscheidungen einer richterlichen Kontrolle zugänglich sind.

40.      Daraus folgt, dass die Mitgliedstaaten nicht auf eine vorübergehende Abweichung vom Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand zulasten eines Einzelnen zurückgreifen dürfen, wenn sie keine detaillierten Vorschriften festgelegt haben, um von der in Art. 3 Abs. 6 der Richtlinie 2013/48 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch zu machen(28).

41.      Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 6 Buchst. b der Richtlinie 2013/48 keine unmittelbare Wirkung hat.

42.      Auch wenn es Sache des vorlegenden Gerichts ist, dies zu beurteilen, weise ich darauf hin, dass dieses Gericht der Ansicht ist, Art. 3 Abs. 6 Buchst. b der Richtlinie 2013/48 sei nicht in bulgarisches Recht umgesetzt worden. Unter diesen Umständen können sich die nationalen Gerichte nicht auf Art. 3 Abs. 6 Buchst. b der Richtlinie 2013/48 berufen, um die Rechte einzuschränken, die die Richtlinie 2013/48 dem Einzelnen verleiht. Ich möchte hinzufügen, dass jedenfalls in den dem Gerichtshof vorliegenden Akten nichts auf das Vorliegen etwaiger außergewöhnlicher Umstände hindeutet, die ein sofortiges Handeln der Polizeibehörden erforderlich gemacht hätten.

 3.      Zur fünften Frage

43.      Mit seiner fünften Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 9 der Richtlinie 2013/48 dahin auszulegen ist, dass ein Verdächtiger, der Analphabet ist, auf sein Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand verzichten kann, sofern er eindeutige und ausreichende Informationen über den Inhalt dieses Rechts und über die möglichen Folgen eines Verzichts auf dieses Recht in einer Weise erhalten hat, die er unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände verstehen kann.

44.      Die Kommission bringt vor, dass Art. 9 der Richtlinie 2013/48 eine Reihe von Garantien enthalte, die sicherstellen sollen, dass ein Verdächtiger aufgrund des Verzichts auf das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand nicht unfreiwillig selbstbelastende Aussagen mache oder selbstbelastende Beweise erbringe. Das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand ist von entscheidender Bedeutung für die Gewährleistung des Grundsatzes der Waffengleichheit, insbesondere zum Zeitpunkt der Festnahme eines Verdächtigen oder Beschuldigten, wenn er aufgrund der Komplexität des Strafverfahrens besonders schutzbedürftig ist. Der Analphabetismus von CH macht ihn zu einer schutzbedürftigen Person im Sinne von Art. 13 der Richtlinie 2013/48(29).

45.      Unbeschadet der nationalen Rechtsvorschriften, die die Anwesenheit oder Unterstützung eines Rechtsbeistands verbindlich vorschreiben, sieht Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2013/48 einen Verzicht auf das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren vor. Unter diesen Umständen müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass der Verdächtige oder die beschuldigte Person mündlich oder schriftlich in einfacher und verständlicher Sprache eindeutige und ausreichende Informationen über den Inhalt dieses Rechts und über die Folgen eines solchen Verzichts auf dieses Recht erhalten hat. Ein Verzicht muss freiwillig und unmissverständlich erklärt werden. Im 39. Erwägungsgrund der Richtlinie 2013/48 heißt es, dass bei der Erteilung der Informationen über den Inhalt des Rechts auf Zugang zu einem Rechtsbeistand und die möglichen Folgen eines Verzichts auf dieses Recht die besonderen Umstände der betroffenen Verdächtigen oder der beschuldigten Personen, einschließlich des Alters und der geistigen und körperlichen Verfassung, berücksichtigt werden sollten. Der Analphabetismus eines Verdächtigen ist somit ein relevanter Umstand, den die nationalen Behörden bei der Erteilung der nach Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie erforderlichen Informationen berücksichtigen müssen. Art. 13 der Richtlinie 2013/48 bestätigt diese Auslegung implizit, da er verlangt, dass die Bedürfnisse schutzbedürftiger Personen(30) berücksichtigt werden, ohne sie daran zu hindern, auf das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand zu verzichten(31).

46.      Auch wenn das nationale Recht Verdächtigen und beschuldigten Personen die praktische und wirksame Möglichkeit bieten muss, einen Rechtsbeistand in Anspruch zu nehmen, schließt dies nicht aus, dass sie, wenn sie auf diese Möglichkeit verzichten, die etwaigen Folgen dieses Verzichts tragen müssen, sofern dieser im Einklang mit den in Art. 9 der Richtlinie 2013/48 vorgesehenen Voraussetzungen erfolgt ist(32).

47.      Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2013/48 setzt für die Wirksamkeit eines Verzichts voraus, dass dem Verdächtigen oder der beschuldigten Person die möglichen Folgen eines Verzichts in einfacher und verständlicher Sprache erklärt werden. Daraus folgt, dass, wenn solche Erläuterungen nicht gegeben wurden, kein wirksamer Verzicht erklärt werden kann. Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass das vorlegende Gericht der Ansicht ist, dass CH zu keinem Zeitpunkt über die Folgen eines Verzichts auf sein Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand belehrt worden sei, während das Sofiyski gradski sad (Stadtgericht Sofia) die gegenteilige Auffassung vertritt. Diese offensichtlich strittige Tatsachenfrage ist letztlich von den nationalen Gerichten zu entscheiden.

48.      Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie 2013/48 sieht vor, dass der Verzicht schriftlich oder mündlich nach Maßgabe des Rechts des betreffenden Mitgliedstaats erklärt werden kann. Die Richtlinie 2013/48 selbst legt keine formellen Voraussetzungen für die Abgabe einer Verzichtserklärung fest, da diese Regelungen dem nationalen Recht vorbehalten sind. Das Vorliegen und die Folgen eines Verstoßes gegen ein Formerfordernis, das nach innerstaatlichem Recht für die Wirksamkeit eines Verzichts erfüllt sein muss, wie z. B. eine Vorschrift, nach der ein Zeuge die Verzichtserklärung bestätigen oder unterzeichnen muss, sind Fragen des innerstaatlichen Rechts, die von den nationalen Gerichten zu prüfen sind.

49.      Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, auf die fünfte Frage zu antworten, dass Art. 9 der Richtlinie 2013/48 dahin auszulegen ist, dass ein Verdächtiger oder Beschuldigter, der Analphabet ist, auf sein Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand verzichten kann, sofern er eindeutige und ausreichende Informationen über den Inhalt dieses Rechts und über die möglichen Folgen eines Verzichts auf dieses Recht in einer Weise erhalten hat, die er unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände verstehen kann.

 4.      Zur sechsten Frage

50.      Mit seiner sechsten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Mitgliedstaaten nach Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2013/48 verpflichtet sind, einen Verdächtigen oder Beschuldigten, der auf das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand verzichtet, darüber zu informieren, dass er diesen Verzicht jederzeit widerrufen kann, bevor die zuständigen Behörden eine Ermittlungsmaßnahme durchführen, an der er beteiligt ist.

51.      Nach Ansicht der Kommission ist diese Frage zu bejahen.

52.      Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2013/48 sieht vor, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Verdächtige oder beschuldigte Personen einen Verzicht jederzeit während des Strafverfahrens widerrufen können und dass sie über diese Möglichkeit informiert werden. Ein solcher Widerruf ist ab dem Zeitpunkt wirksam, zu dem er erfolgte.

53.      Das Erfordernis, dass Verdächtige oder beschuldigte Personen über die Möglichkeit zu belehren sind, einen Verzicht zu einem späteren Zeitpunkt im Strafverfahren zu widerrufen, könnte dadurch erfüllt werden, dass sie zu dem Zeitpunkt, zu dem sie auf dieses Recht verzichten, entsprechend informiert werden. Ein solcher Ansatz scheint zu implizieren, dass, sobald ein Verdächtiger oder Beschuldigter auf sein Recht verzichtet hat, die Entscheidung, ob er von dem Widerrufsrecht Gebrauch machen will, seine Angelegenheit ist.

54.      Aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2013/48 ergibt sich, dass das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand im Strafverfahren gewährleisten soll, dass der Verdächtige oder Beschuldigte seine Verteidigungsrechte bis zum Abschluss des Strafverfahrens praktisch und wirksam wahrnehmen kann. In Anbetracht des freiwilligen Charakters einer Verzichtserklärung nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2013/48 sowie der Notwendigkeit, bei der Anwendung dieser Richtlinie die besonderen Bedürfnisse schutzbedürftiger Verdächtiger und beschuldigter Personen zu berücksichtigen, wie es Art. 13 dieser Richtlinie verlangt, wird deutlich, dass eine Auslegung von Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2013/48 im Sinne der in Nr. 53 der vorliegenden Schlussanträge dargelegten Auslegung dem Ziel und der Systematik der Bestimmungen dieser Richtlinie zuwiderläuft. Vor diesem Hintergrund ist eine Auslegung von Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie vorzuziehen, die die Mitgliedstaaten verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Verdächtige und beschuldigte Personen, insbesondere schutzbedürftige Personen, regelmäßig über ihr Recht belehrt werden, eine freiwillig abgegebene Verzichtserklärung bis zum Abschluss eines Strafverfahrens zu widerrufen.

55.      Da die Erteilung dieser Informationen notwendig ist, damit beschuldigte oder einer Straftat verdächtigte Personen ihre Verteidigungsrechte praktisch und wirksam wahrnehmen können, muss diesem Erfordernis eher in praktischer als in formaler Hinsicht entsprochen werden(33). Die Mitgliedstaaten dürfen sich nicht darauf beschränken, einen Verdächtigen oder Beschuldigten zu dem Zeitpunkt, zu dem er eine Verzichtserklärung abgegeben hat, über die Möglichkeit des Widerrufs zu belehren, insbesondere wenn es sich bei dem Verdächtigen oder Beschuldigten um eine schutzbedürftige Person handelt. Daraus folgt nicht zwangsläufig, dass die Mitgliedstaaten einen Verdächtigen oder Beschuldigten vor jedem Schritt in einem Ermittlungsverfahren bezüglich einer mutmaßlichen Straftat, an der er beteiligt ist, an die Möglichkeit erinnern müssen, eine Verzichtserklärung zu widerrufen. Die Notwendigkeit, einen Verdächtigen oder Beschuldigten daran zu erinnern, hängt von der Art und der objektiven Tragweite der beabsichtigten Ermittlungsmaßnahme unter Berücksichtigung aller insoweit relevanten Umstände ab. Ich schlage daher vor, dass der Gerichtshof bei der Auslegung von Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2013/48 folgende Erwägungen anstellt: Wann immer objektive Gründe für die Annahme bestehen, dass ein Verdächtiger oder Beschuldigter, der auf das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand verzichtet hat, infolge dieses Verzichts in seiner Verteidigung erheblich beeinträchtigt werden kann, müssen die Mitgliedstaaten angemessene Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass er über sein Recht auf Widerruf dieses Verzichts belehrt wird.

56.      Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, auf die sechste Frage zu antworten, dass Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2013/48 dahin auszulegen ist, dass die Mitgliedstaaten in Fällen, in denen ein Verdächtiger oder Beschuldigter auf sein Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand verzichtet, angemessene Maßnahmen ergreifen müssen, um sicherzustellen, dass er zu jedem Zeitpunkt, zu dem infolge dieses Verzichts objektive Gründe für die Annahme bestehen, dass der Verdächtige oder Beschuldigte in seiner Verteidigung erheblich beeinträchtigt werden könnte, über sein Recht auf Widerruf dieses Verzichts informiert wird.

 IV.      Ergebnis

57.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Rayonen sad Sofia (Rayongericht Sofia, Bulgarien) am 11. Januar 2024 zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1.      Die erste, die zweite und die dritte Frage sind als unzulässig zurückzuweisen.

2.      Art. 3 Abs. 6 Buchst. b der Richtlinie 2013/48/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls sowie über das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug und das Recht auf Kommunikation mit Dritten und mit Konsularbehörden während des Freiheitsentzugs hat keine unmittelbare Wirkung.

3.      Art. 9 der Richtlinie 2013/48 ist dahin auszulegen, dass ein Verdächtiger oder Beschuldigter, der Analphabet ist, auf sein Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand verzichten kann, sofern er eindeutige und ausreichende Informationen über den Inhalt dieses Rechts und über die möglichen Folgen eines Verzichts auf dieses Recht in einer Weise erhalten hat, die er unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände verstehen kann.

4.      Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2013/48 ist dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten in Fällen, in denen ein Verdächtiger oder Beschuldigter auf sein Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand verzichtet, angemessene Maßnahmen ergreifen müssen, um sicherzustellen, dass er zu jedem Zeitpunkt, zu dem infolge dieses Verzichts objektive Gründe für die Annahme bestehen, dass der Verdächtige oder Beschuldigte in seiner Verteidigung erheblich beeinträchtigt werden könnte, über sein Recht auf Widerruf dieses Verzichts informiert wird.


1      Originalsprache: Englisch.


i      Die vorliegende Rechtssache ist mit einem fiktiven Namen bezeichnet, der nicht dem echten Namen eines Verfahrensbeteiligten entspricht.


2      ABl. 2013, L 294, S. 1.


3      Während der Sofiyski rayonen sad (Rayongericht Sofia) in Rn. 10 der Vorlageentscheidung davon ausgeht, dass CH nicht über die Folgen eines Verzichts auf sein Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand belehrt wurde, vertritt der Sofiyski gradski sad (Stadtgericht Sofia, Bulgarien)  die gegenteilige Auffassung, wie aus Rn. 39 der Vorlageentscheidung hervorgeht.


4      Vgl. auch Erwägungsgründe 7, 12 und 57 der Richtlinie 2013/48.


5      54. Erwägungsgrund der Richtlinie 2013/48.


6      Urteil vom 9. Januar 2024, G. u. a. (Ernennung von Richtern der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Polen) (C‑181/21 und C‑269/21, EU:C:2024:1, Rn. 63).


7      Ebd. (Rn. 65).


8      Urteil vom 17. November 2022, Bayer Intellectual Property (C‑204/20, EU:C:2022:892, Rn. 88 bis 90 und die dort angeführte Rechtsprechung).


9      Laut Vorlageentscheidung hat das vorlegende Gericht am 20. November 2023 beschlossen, das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen zu stellen, auch wenn die Fragen dem Gerichtshof am 11. Januar 2024 vorgelegt wurden.


10      DV Nr. 86 vom 28. Oktober 2005. Art. 270 Abs. 1 der Strafprozessordnung bestimmt: „Die Frage nach einer Änderung der Maßnahme zur Sicherung kann zu jedem Zeitpunkt des Hauptverfahrens gestellt werden. Ein erneuter Antrag auf Änderung der Maßnahme zur Sicherung kann in derselben Instanz nur gestellt werden, wenn veränderte Umstände vorliegen.“


11      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. November 2019, Spetsializirana prokuratura (C‑653/19 PPU, EU:C:2019:1024, Rn. 14).


12      Art. 309 Abs. 1 der Strafprozessordnung.


13      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. November 2019, Spetsializirana prokuratura (C‑653/19 PPU, EU:C:2019:1024, Rn. 14).


14      Urteil vom 12. März 2020, VW (Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand bei Nichterscheinen vor Gericht) (C‑659/18, EU:C:2020:201, Rn. 44).


15      Vgl. Urteile vom 5. Juni 2018, Kolev u. a. (C‑612/15, EU:C:2018:392, Rn. 103), vom 19. September 2019, Rayonna prokuratura Lom (C‑467/18, EU:C:2019:765, Rn. 36), und vom 7. September 2023, Rayonna prokuratura Lovech, teritorialno otdelenie Lukovit (Leibesvisitation) (C‑209/22, EU:C:2023:634, Rn. 34).


16      Schlussanträge der Generalanwältin Ćapeta in der Rechtssache M. S. u. a. (Verfahrensrechte Minderjähriger) (C‑603/22, EU:C:2024:157, Nrn. 1 und 26).


17      Urteile vom 19. September 2019, Rayonna prokuratura Lom (C‑467/18, EU:C:2019:765, Rn. 57 und 58), und vom 7. September 2023, Rayonna prokuratura Lovech, teritorialno otdelenie Lukovit (Leibesvisitation) (C‑209/22, EU:C:2023:634, Rn. 49 und 50).


18      Urteil vom 7. September 2023, Rayonna prokuratura Lovech, teritorialno otdelenie Lukovit (Leibesvisitation) (C‑209/22, EU:C:2023:634, Rn. 51 und 52).


19      Ebd. (Rn. 53).


20      Schlussanträge des Generalanwalts Pikamäe in der Rechtssache Rayonna prokuratura Lovech, teritorialno otdelenie Lukovit (Leibesvisitation) (C‑209/22, EU:C:2023:249, Nr. 63).


21      Urteile vom 12. Februar 2020, Kolev u. a. (C‑704/18, EU:C:2020:92, Rn. 49), und vom 21. Oktober 2021, ZX (Berichtigung der Anklageschrift) (C‑282/20, EU:C:2021:874, Rn. 35). Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Pikamäe in der Rechtssache Rayonna prokuratura Lovech, teritorialno otdelenie Lukovit (Leibesvisitation) (C‑209/22, EU:C:2023:249, Nr. 64).


22      Urteile vom 21. Dezember 2021, Randstad Italia (C‑497/20, EU:C:2021:1037, Rn. 62), und vom 7. September 2023, Rayonna prokuratura Lovech, teritorialno otdelenie Lukovit (Leibesvisitation) (C‑209/22, EU:C:2023:634, Rn. 54).


23      Ebd. (Rn. 55).


24      Ebd. (Rn. 58).


25      Urteil vom 5. Oktober 2004, Pfeiffer u. a. (C‑397/01 bis C‑403/01, EU:C:2004:584, Rn. 103 und die dort angeführte Rechtsprechung).


26      Urteil vom 24. Juni 2019, Popławski (C‑573/17, EU:C:2019:530, Rn. 64).


27      Urteile vom 3. Mai 2005, Berlusconi u. a. (C‑387/02, C‑391/02 und C‑403/02, EU:C:2005:270, Rn. 73), und vom 24. Juni 2019, Popławski (C‑573/17, EU:C:2019:530, Rn. 65).


28      Vgl. entsprechend Urteil vom 3. Mai 2005, Berlusconi u. a. (C‑387/02, C‑391/02 und C‑403/02, EU:C:2005:270, Rn. 74).


29      In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission auf ihre Empfehlung vom 27. November 2013 über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für verdächtige oder beschuldigte schutzbedürftige Personen (ABl. 2013, C 378, S. 8, im Folgenden: Empfehlung betreffend schutzbedürftiger Personen) hingewiesen.


30      In Nr. 7 der Empfehlung betreffend schutzbedürftiger Personen heißt es, dass insbesondere für Personen mit schwerwiegenden psychologischen, geistigen, körperlichen oder sensorischen Beeinträchtigungen oder einer Geisteskrankheit oder kognitiven Störungen, die sie daran hindern, das Verfahren zu verstehen und tatsächlich daran teilzunehmen, eine Vermutung der Schutzbedürftigkeit besteht. Es ist fraglich, ob Analphabetismus als „geistige Beeinträchtigung“ angesehen werden kann, die eine beschuldigte Person daran hindert, ein Strafverfahren zu verstehen und tatsächlich daran teilzunehmen.


31      Nr. 11 der Empfehlung betreffend schutzbedürftiger Personen besagt, dass eine schutzbedürftige Person, die nicht in der Lage ist, das Verfahren zu verstehen und ihm zu folgen, nicht auf das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand verzichten können sollte.


32      Urteil vom 22. Juni 2023, K. B. und F. S.  (Prüfung von Amts wegen im Strafverfahren) (C‑660/21, EU:C:2023:498, Rn. 46).


33      Vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 7. September 2023, Rayonna prokuratura Lovech, teritorialno otdelenie Lukovit (Leibesvisitation) (C‑209/22, EU:C:2023:634, Rn. 75 bis 78), in dem der Gerichtshof entschieden hat, dass es Sache des nationalen Gerichts ist, unter Berücksichtigung aller insoweit relevanten Umstände zu überprüfen, ob die Anwesenheit eines Rechtsbeistands zum Zeitpunkt der Leibesvisitation des Verdächtigen und der sich daraus ergebenden Beschlagnahme illegaler Substanzen objektiv erforderlich war, um die Verteidigungsrechte dieser Person wirksam zu gewährleisten.